SEGUNDA PARTE Y FINAL

Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierteren Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern. Es ist an der Zeit, gegenüber der augenblicklichen Erschlaffung, die sich nach zwei Jahren des Kampfes fast überall zeigt, die ungefügen, aber kräftigen und zähen Gestalten des großen Bauernkriegs dem deutschen Volke wieder vorzuführen. Drei Jahrhunderte sind seitdem verflossen, und manches hat sich geändert; und doch steht der Bauernkrieg unsern heutigen Kämpfen so überaus fern nicht, und die zu bekämpfenden Gegner sind großenteils noch dieselben. Die Klassen und Klassenfraktionen, die 1848 und 49 überall verraten haben, werden wir schon 1525, wenn auch auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe, als Verräter vorfinden. Und wenn der robuste Vandalismus des Bauernkriegs in der Bewegung der letzten Jahre nur stellenweise, im Odenwald, im Schwarzwald, in Schlesien, zu seinem Rechte kam, so ist das jedenfalls kein Vorzug der modernen Insurrektion.
I [Die ökonomische Lage und der soziale Schichtenbau Deutschlands]
Gehen wir zunächst kurz zurück auf die Verhältnisse Deutschlands zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts. Die deutsche Industrie hatte im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung genommen. An die Stelle der feudalen, ländlichen Lokalindustrie war der zünftige Gewerbebetrieb der Städte getreten, der für weitere Kreise und selbst für entlegnere Märkte produzierte. Die Weberei von groben Wollentüchern und Leinwand war jetzt ein stehender, weitverbreiteter Industriezweig; selbst feinere Wollen- und Leinengewebe sowie Seidenstoffe wurden schon in Augsburg verfertigt. Neben der Weberei hatte sich besonders jene an die Kunst anstreifende Industrie gehoben, die in dem geistlichen und weltlichen Luxus des späteren Mittelalters ihre Nahrung fand: die der Gold- und Silberarbeiter, der Bildhauer und Bildschnitzer, Kupferstecher und Holzschneider, Waffenschmiede1, Medaillierer, Drechsler etc. etc. Eine Reihe von mehr oder minder bedeutenden Erfindungen, deren historische Glanzpunkte die des Schießpulvers* und der Buchdruckerei bildeten, hatte zur Hebung der Gewerbe wesentlich beigetragen. Der Handel ging mit der Industrie gleichen Schritt. Die Hanse12131 hatte durch ihr hundertjähriges Seemonopol die Erhebung von ganz Norddeutschland aus der mittelalterlichen Barbarei sichergestellt; und wenn sie auch schon seit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts der Konkurrenz der Engländer und Holländer rasch zu erliegen anfing, so ging doch trotz Vasco da Gamas Entdeckungen der große Handelsweg von Indien nach dem Norden immer noch durch Deutschland,
* Das Schießpulver wurde, wie jetzt zweifellos nachgewiesen, von China über Indien zu den Arabern gebracht und kam von diesen, nebst den Feuerwaffen, über Spanien nach Europa. [Faßnote 1875.]
1 (1850) fehlt: Waffenschmiede
so war Augsburg noch immer der große Stapelplatz für italienische Seidenzeuge, indische Gewürze und alle Produkte der Levante. Die oberdeutschen Städte, namentlich Augsburg und Nürnberg, waren die Mittelpunkte eines für jene Zeit ansehnlichen Reichtums und Luxus. Die Gewinnung der Rohprodukte hatte sich ebenfalls bedeutend gehoben. Die deutschen Bergleute waren im fünfzehnten Jahrhundert die geschicktesten der Welt, und auch den Ackerbau hatte das Aufblühen der Städte aus der ersten mittelalterlichen Roheit herausgerissen. Nicht nur waren ausgedehnte Strecken urbar gemacht worden, man baute auch Farbekräuter und andere eingeführte Pflanzen, deren sorgfältigere Kultur auf den Ackerbau im allgemeinen günstig einwirkte. Der Aufschwung der nationalen Produktion Deutschlands hatte indes noch immer nicht Schritt gehalten mit dem Aufschwung anderer Länder. Der Ackerbau stand weit hinter dem englischen und niederländischen, die Industrie hinter der italienischen, flämischen und englischen zurück, und im Seehandel fingen die Engländer und besonders die Holländer schon an, die Deutschen aus dem Felde zu schlagen. Die Bevölkerung war immer noch sehr dünn gesäet. Die Zivilisation in Deutschland existierte nur sporadisch, um einzelne Zentren der Industrie und des Handels gruppiert; die Interessen dieser einzelnen Zentren selbst gingen weit auseinander, hatten kaum hie und da einen Berührungspunkt. Der Süden hatte ganz andere Handelsverbindungen und Absatzmärkte als der Norden; der Osten und der Westen standen fast außer allem Verkehr. Keine einzige Stadt kam in den Fall, der industrielle und kommerzielle Schwerpunkt des ganzen Landes zu werden, wie London dies z.B. für England schon war. Der ganze innere Verkehr beschränkte sich fast ausschließlich auf die Küsten- und Flußschiffahrt und auf die paar großen Handelsstraßen, von Augsburg und Nürnberg über Köln nach den Niederlanden und über Erfurt nach dem Norden. Weiter ab von den Flüssen und Handelsstraßen lag eine Anzahl kleinerer Städte, die, vom großen Verkehr ausgeschlossen, ungestört in den Lebensbedingungen des späteren Mittelalters fortvegetierten, wenig auswärtige Waren brauchten, wenig Ausfuhrprodukte lieferten. Von der Landbevölkerung kam nur der Adel in Berührung mit ausgedehnteren Kreisen und neuen Bedürfnissen; die Masse der Bauern kam nie über die nächsten Lokalbeziehungen und den damit verbundenen lokalen Horizont hinaus. Während in England und Frankreich das Emporkommen des Handels und der Industrie die Verkettung der Interessen über das ganze Land und damit die politische Zentralisation zur Folge hatte, brachte Deutschland es nur zur Gruppierung der Interessen nach Provinzen, um bloß lokale Zentren, und da
mit zur politischen Zersplitterung; einer Zersplitterung, die bald darauf durch den Ausschluß Deutschlands vom Welthandel sich erst recht festsetzte. In demselben Maß, wie das reinfeudale Reich zerfiel, löste sich der Reichsverband überhaupt auf, verwandelten sich die großen Reichslehenträger in beinahe unabhängige Fürsten, schlössen einerseits die Reichsstädte, andererseits die Reichsritter Bündnisse, bald gegeneinander, bald gegen die Fürsten oder den Kaiser. Die Reichsgewalt, selbst an ihrer Stellung irre geworden, schwankte unsicher zwischen den verschiedenen Elementen, die das Reich ausmachten, und verlor dabei immer mehr an Autorität; ihr^Versuchender Art LudwigsXI. zu zentralisieren, keim trotz aller Intrigen und Gewalttätigkeiten nicht über die Zusammenhaltung der östreichischen Erblande hinaus. Wer in dieser Verwirrung, in diesen zahllosen sich durchkreuzenden Konflikten schließlich gewann und gewinnen mußte, das waren die Vertreter der Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, der lokalen und provinziellen Zentralisation, die Fürsten, neben denen der Kaiser selbst immer mehr ein Fürst wie die andern wurde. Unter diesen Verhältnissen hatte sich die Stellung der aus dem Mittelalter überlieferten Klassen wesentlich verändert, und neue Klassen hatten sich neben den alten gebildet. Aus dem hohen Adel waren die Fürsten hervorgegangen. Sie waren schon fast ganz unabhängig vom Kaiser und im Besitz der meisten Hoheitsrechte. Sie machten Krieg und Frieden auf eigne Faust, hielten stehende Heere, riefen Landtage zusammen und schrieben Steuern aus. Einen großen Teil des niederen Adels und der Städte hatten siebereitsunterihreBotmäßigkeitgebracht; sie wandten fortwährend jedes Mittel an, um die noch übrigen reichsunmittelbaren Städte und Baronien ihrem Gebiet einzuverleiben. Diesen gegenüber zentralisierten sie, wie sie gegenüber der Reichsgewalt dezentralisierend auftraten. Nach innen war ihre Regierung schon sehr willkürlich. Sie riefen die Stände meist nur zusammen, wenn sie sich nicht anders helfen konnten. Sie schrieben Steuern aus und nahmen Geld auf, wenn es ihnen gutdünkte; das Steuerbewilligungsrecht der Stände wurde selten anerkannt und kam noch seltener zur Ausübung. Und selbst dann hatte der Fürst gewöhnlich die Majorität durch die beiden steuerfreien und am Genuß der Steuern teilnehmenden Stände, die Ritterschaft und die Prälaten. Das Geldbedürfnis der Fürsten wuchs mit dem Luxus und der Ausdehnung des Hofhaltes, mit den stehenden Heeren, mit den wachsenden Kosten der Regierung. Die Steuern wurden immer drückender. Die Städte waren meist dagegen geschützt durch ihre Privilegien; die ganze Wucht der Steuerlast fiel auf die Bauern, sowohl auf die Dominialbauern der Fürsten selbst wie auch auf die Leibeigenen, Hörigen
und Zinsbauern1 der lehnspflichtigen Ritter. Wo die direkte Besteurung nicht ausreichte, trat die indirekte ein; die raffiniertesten Manöver der Finanzkunst wurden angewandt, um den löchrigen Fiskus zu füllen. Wenn alles nicht half, wenn nichts mehr zu versetzen war und keine freie Reichsstadt mehr Kredit geben wollte, so schritt man zu Münzoperationen der schmutzigsten Art, schlug schlechtes Geld, machte hohe oder niedrige Zwangskurse, je nachdem es dem Fiskus konvenierte. Der Handel mit städtischen und sonstigen Privilegien, die man nachher gewaltsam wieder zurücknahm, um sie abermals für teures Geld zu verkaufen, die Ausbeutung jedes Oppositionsversuchs zu Brandschatzungen und Plünderungen aller Art etc. etc. waren ebenfalls einträgliche und alltägliche Geldquellen für die Fürsten jener Zeit. Auch die Justiz war ein stehender und nicht unbedeutender Handelsartikel für die Fürsten. Kurz, die damaligen Untertanen, die außerdem noch der Privathabgier der fürstlichen Vögte und Amtleute zu genügen hatten, bekamen alle Segnungen des „väterlichen" Regierungssystems im vollsten Maße zu kosten. Aus der feudalen Hierarchie des Mittelalters war der mittlere Adel fast ganz verschwunden; er hatte sichentwederzurUnabhängigkeitkleinerFürsten emporgeschwungen oder war in die Reihen des niederen Adels herabgesunken. Der niedere Adel, die Ritterschaft, ging ihrem Verfall rasch entgegen. Ein großer Teil war schon gänzlich verarmt und lebte bloß von Fürstendienst in militärischen oder bürgerlichen Ämtern; ein andrer stand in der Lehnspflicht und Botmäßigkeit der Fürsten; der kleinere war reichsunmittelbar. Die Entwicklung des Kriegswesens, die steigende Bedeutung der Infanterie, die Ausbildung der Feuerwaffe beseitigte die Wichtigkeit ihrer militärischen Leistungen als schwere Kavallerie und vernichtete zugleich die Uneinnehmbarkeit ihrer Burgen. Gerade wie die Nürnberger Handwerker wurden die Ritter durch den Fortschritt der Industrie überflüssig gemacht. Das Geldbedürfnis der Ritterschaft trug zu ihrem Ruin bedeutend bei. Der Luxus auf den Schlössern, der Wetteifer in der Pracht bei den Turnieren und Festen, der Preis der Waffen und Pferde stieg mit den Fortschritten der gesellschaftlichen Entwicklung2, während die Einkommenquellen der Ritter und Barone wenig oder gar nicht zunahmen. Fehden mit obligater Plünderung und Brandschatzung, Wegelagern und ähnliche noble Beschäftigungen wurden mit der Zeit zu gefährlich. Die Abgaben und Leistungen der herrschaftlichen Untertanen brachten kaum mehr ein als früher. Um ihre zunehmenden Bedürfnisse zu decken, mußten die gnädigen Herren zu denselben Mitteln ihre Zuflucht nehmen wie die Fürsten.
1 (1850) nur: Leibeigenen und Hörigen - 2 (1850) der Zivilisation (statt: der gesellschaftlichen Entwicklung)
Die Bauernschinderei durch den Adel wurde mit jedem Jahre weiter ausgebildet. Die Leibeigenen wurden bis auf den letzten Blutstropfen ausgesogen, die Hörigen mit neuen Abgaben und Leistungen unter allerlei Vorwänden und Namen belegt. Die Fronden, Zinsen, Gülten, Laudemien, Sterbfallabgaben, Schutzgelder usw. wurden allen alten Verträgen zum Trotz willkürlich erhöht. Die Justiz wurde verweigert und verschachert, und wo der Ritter dem Gelde des Bauern sonst nicht beikommen konnte, warf er ihn ohne weiteres in den Turm und zwang ihn, sich loszukaufen. Mit den übrigen Ständen lebte der niedere Adel ebenfalls auf keinem freundschaftlichen Fuß. Der lehnspflichtige Adel suchte sich reichsunmittelbar zu machen, der reichsunmittelbare seine Unabhängigkeit zu wahren; daher fortwährende Streitigkeiten mit den Fürsten. Der Geistlichkeit, die dem Ritter in ihrer damaligen aufgeblähten Gestalt als ein rein überflüssiger Stand erschien, beneidete er ihre großen Güter, ihre duych das Zölibat und die Kirchenverfassung zusammengehaltenen Reichtümer. Mit den Städten lag er sich fortwährend in den Haaren; er war ihnen verschuldet, er nährte sich von der Plünderung ihres Gebiets, von der Beraubung ihrer Kaufleute, vom Lösegeld der ihnen in den Fehden abgenommenen Gefangenen. Und der Kampf der Ritterschaft gegen alle diese Stände wurde um so heftiger, je mehr die Geldfrage auch bei ihr eine Lebensfrage wurde. Die Geistlichkeit, die Repräsentantin der Ideologie des mittelalterlichen Feudalismus, fühlte den Einfluß des geschichtlichen Umschwungs nicht minder. Durch die Buchdruckerei und die Bedürfnisse des ausgedehnteren Handels war ihr das Monopol nicht nur des Lesens und Schreibens, sondern der höheren Bildung genommen. Die Teilung der Arbeit trat auch auf intellektuellem Gebiet ein. Der neuaufkommende Stand der Juristen verdrängte sie aus einer Reihe der einflußreichsten Ämter. Auch sie fing an, zum großen Teil überflüssig zu werden, und erkannte dies selbst an durch ihre stets wachsende Faulheit und Unwissenheit. Aber je überflüssiger sie wurde, desto zahlreicher wurde sie - dank ihren enormen Reichtümern, die sie durch Anwendung aller möglichen Mittel noch fortwährend vermehrte. In der Geistlichkeit gab es zwei durchaus verschiedene Klassen. Die geistliche Feudalhierarchie bildete die aristokratische Klasse: die Bischöfe und Erzbischöfe, die Äbte, Prioren und sonstigen Prälaten. Diese hohen Würdenträger der Kirche waren entweder selbst Reichsfürsten, oder sie beherrschten als Feudalherren, unter der Oberhoheit andrer Fürsten, große Strecken Landes mit zahlreichen Leibeignen und Hörigen. Sie exploitierten ihre Untergebenen nicht nur ebenso rücksichtslos wie der Adel und die Fürsten, sie gingen noch viel schamloser zu Werke. Neben der brutalen Gewalt wurden
alle Schikanen der Religion, neben den Schrecken der Folter alle Schrecken des Bannfluchs und der verweigerten Absolution, alle Intrigen des Beichtstuhls in Bewegung gesetzt, um den Untertanen den letzten Pfennig zu entreißen oder das Erbteil der Kirche zu mehren. Urkundenfälschung war bei diesen würdigen Männern ein gewöhnliches und beliebtes Mittel der Prellerei. Aber obgleich sie außer den gewöhnlichen Feudalleistungen und Zinsen noch den Zehnten bezogen, reichten alle diese Einkünfte noch nicht aus. Die Fabrikation wundertätiger Heiligenbilder und Reliquien, die Organisation seligmachender Betstationen, der Ablaßschacher wurden zu Hülfe genommen, um dem Volk vermehrte Abgaben zu entreißen, und lange Zeit mit bestem Erfolg. Diese Prälaten und ihre zahllose, mit der Ausbreitung der politischen und religiösen Hetzereien stets verstärkte Gendarmerie von Mönchen waren es, auf die der Pfaffenhaß nicht nur des Volks, sondern auch des Adels sich konzentrierte. Soweit sie reichsunmittelbar1, standen sie dem Fürsten im Wege. Das flotte Wohlleben der beleibten Bischöfe und Äbte und ihrer Mönchsarmee erregte den Neid des Adels und empörte das Volk, das die Kosten davon tragen mußte, um so mehr, je schreiender es ihren Predigten ins Gesicht schlug. Die plebejische Fraktion der Geistlichkeit bestand aus den Predigern auf dem Lande und in den Städten. Sie standen außerhalb der feudalen Hierarchie der Kirche und hatten keinen Anteil an ihren Reichtümern. Ihre Arbeit war weniger kontrolliert und, so wichtig sie der Kirche war, im Augenblick weit weniger unentbehrlich als die Polizeidienste der einkasernierten Mönche. Sie wurden daher weit schlechter bezahlt, und ihre Pfründen waren meist sehr knapp. Bürgerlichen oder plebejischen Ursprungs, standen sie der Lebenslage der Masse nahe genug, um trotz ihres Pfaffentums bürgerliche und plebejische Sympathien zu bewahren. Die Beteiligung an den Bewegungen der Zeit, bei den Mönchen nur Ausnahme, war bei ihnen Regel. Sie lieferten die Theoretiker und Ideologen der Bewegung, und viele von ihnen, Repräsentanten der Plebejer und Bauern, starben dafür auf dem Schafott. Der Volkshaß gegen die Pfaffen wendet sich auch nur in einzelnen Fällen gegen sie. Wie über den Fürsten und dem Adel der Kaiser, so stand über den hohen und niederen Pfaffen der Papst. Wie dem Kaiser der „gemeine Pfennig"t2141, die Reichssteuern, bezahlt wurden, so dem Papst die allgemeinen Kirchensteuern, aus denen er den Luxus am römischen Hofe bestritt. In keinem Lande
1 (1850) souverän
wurden diese Kirchensteuern - dank der Macht und Zahl der Pfaffen - mit größerer Gewissenhaftigkeit und Strenge eingetrieben als in Deutschland. So besonders die Annaten12151 bei Erledigung der Bistümer. Mit den steigenden Bedürfnissen wurden dann neue Mittel zur Beschaffung des Geldes erfunden: Handel mit Reliquien, Ablaß- und Jubelgelder usw. Große Summen wanderten so alljährlich aus Deutschland nach Rom, und der hierdurch vermehrte Druck steigerte nicht nur den Pfaffenhaß, er erregte auch das Nationalgefühl, besonders des Adels, des damals nationalsten Standes. Aus den ursprünglichen Pfahlbürgern'2161 der mittelalterlichen Städte hatten sich mit dem Aufblühen des Handels und der Gewerbe drei scharf gesonderte Fraktionen entwickelt. An der Spitze der städtischen Gesellschaft standen die patrizischen Geschlechter, die sogenannte „Ehrbarkeit". Sie waren die reichsten Familien. Sie allein saßen im Rat und in allen städtischen Ämtern. Sie verwalteten daher nicht bloß die Einkünfte der Stadt, sie verzehrten sie auch. Stark durch ihren Reichtum, durch ihre althergebrachte, von Kaiser und Reich anerkannte aristokratische Stellung, exploitierten sie sowohl die Stadtgemeinde wie die der Stadt untertänigen Bauern auf jede Weise. Sie trieben Wucher in Korn und Geld, oktroyierten sich Monopole aller Art, entzogen der Gemeinde nacheinander alle Anrechte auf Mitbenutzung der städtischen Wälder und Wiesen und benutzten diese direkt zu ihrem eigenen Privat vorteil, legten willkürlich Weg-, Brücken- und Torzölle und andere Lasten auf und trieben Handel mit Zunftprivilegien, Meisterschafts- und Bürgerrechten und mit der Justiz. Mit den Bauern des Weichbilds gingen sie nicht schonender um als der Adel oder die Pfaffen; im Gegenteil, die städtischen Vögte und Amtleute auf den Dörfern, lauter Patrizier, brachten zu der aristokratischen Härte und Habgier noch eine gewisse bürokratische Genauigkeit in der Eintreibung mit. Die so zusammengebrachten städtischen Einkünfte wurden mit der höchsten Willkür verwaltet; die Verrechnung in den städtischen Büchern, eine reine Förmlichkeit, war möglichst nachlässig und verworren; Unterschleife und Kassendefekte waren an der Tagesordnung. Wie leicht es damals einer von allen Seiten mit Privilegien umgebenen, wenig zahlreichen und durch Verwandtschaft und Interesse eng zusammengehaltenen Kaste war, sich aus den städtischen Einkünften enorm zu bereichern, begreift man, wenn man an die zahlreichen Unterschleife und Schwindeleien denkt, die das Jahr 1848 in so vielen städtischen Verwaltungen an den Tag gebracht hat. Die Patrizier hatten Sorge getragen, die Rechte der Stadtgemeinde besonders in Finanzsachen überall einschlafen zu lassen. Erst später, als die Prellereien dieser Herren zu arg wurden, setzten sich die Gemeinden wieder
in Bewegung, um wenigstens die Kontrolle über die städtische Verwaltung an sich zu bringen. Sie erlangten in den meisten Städten ihre Rechte wirklich wieder. Aber bei den ewigen Streitigkeiten der Zünfte unter sich, bei der Zähigkeit der Patrizier und dem Schutz, den sie beim Reich und den Regierungen der ihnen verbündeten Städte fanden, stellten die patrizischen Ratsherren sehr bald ihre alte Alleinherrschaft faktisch wieder her, sei es durch List, sei es durch Gewalt. Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts befand sich die Gemeinde in allen Städten wieder in der Opposition. Die städtische Opposition gegen das Patriziat teilte sich in zwei Fraktionen, die im Bauernkrieg sehr bestimmt hervortreten. Die bürgerliche Opposition, die Vorgängerin unsrer heutigen Liberalen, umfaßte die reicheren und mittleren Bürger sowie einen nach den Lokalumständen größeren oder geringeren Teil der Kleinbürger. Ihre Forderungen hielten sich rein auf verfassungsmäßigem Boden. Sie verlangten die Kontrolle über die städtische Verwaltung und einen Anteil an der gesetzgebenden Gewalt, sei es durch die Gemeindeversammlung selbst oder durch eine Gemeindevertretung (großer Rat, Gemeindeausschuß); ferner Beschränkung des patrizischen Nepotismus und der Oligarchie einiger weniger Familien, die selbst innerhalb des Patriziats immer offener hervortrat. Höchstens verlangten sie außerdem noch die Besetzung einiger Ratsstellen durch Bürger aus ihrer eignen Mitte. Diese Partei, der sich hier und da die unzufriedene und heruntergekommene Fraktion des Patriziats anschloß, hatte in allen ordentlichen Gemeindeversammlungen und auf den Zünften die große Majorität. Die Anhänger des Rats und die radikalere Opposition zusammen waren unter den wirklichen Bürgern bei weitem die Minderzahl. Wir werden sehen, wie während der Bewegung des sechzehnten Jahrhunderts diese „gemäßigte", „gesetzliche", „wohlhabende" und „intelligente" Opposition genau dieselbe Rolle spielt, und genau mit demselben Erfolg, wie ihre Erbin, die konstitutionelle Partei, in der Bewegung von 1848 und 1849.12171 Im übrigen eiferte die bürgerliche Opposition noch sehr ernstlich wider die Pfaffen, deren faules Wohlleben und lockere Sitten ihr großes Ärgernis gaben. Sie verlangte Maßregeln gegen den skandalösen Lebenswandel dieser würdigen Männer. Sie forderte, daß die eigene Gerichtsbarkeit und die Steuerfreiheit der Pfaffen abgeschafft und die Zahl der Mönche überhaupt beschränkt werde. Die plebejische Opposition bestand aus den heruntergekommenen Bürgern und der Masse der städtischen Bewohner, die vom Bürgerrechte ausgeschlossen war: den Handwerksgesellen, den Taglöhnern und den zahlreichen
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Anfängen des Lumpenproletariats, die sich selbst auf den untergeordneten Stufen der städtischen Entwicklung vorfinden. Das Lumpenproletariat ist überhaupt eine Erscheinung, die, mehr oder weniger ausgebildet, in fast allen bisherigen Gesellschaftsphasen vorkommt. Die Menge von Leuten ohne bestimmten Erwerbszweig oder festen Wohnsitz wurde gerade damals sehr vermehrt durch das Zerfallen des Feudalismus in einer Gesellschaft, in der noch jeder Erwerbszweig, jede Lebenssphäre hinter einer Unzahl von Privilegien verschanzt war. In allen entwickelten Ländern war die Zahl der Vagabunden nie so groß gewesen wie in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Ein Teil dieser Landstreicher trat in Kriegszeiten in die Armeen, ein anderer bettelte sich durchs Land, der dritte endlich suchte in den Städten durch Taglöhnerarbeit und was sonst gerade nicht zünftig war, seine notdürftige Existenz. Alle drei spielen eine Rolle im Bauernkrieg: der erste in den Fürstenarmeen, denen die Bauern erlagen, der zweite in den Bauernverschwörungen und Bauernhaufen, wo sein demoralisierender Einfluß jeden Augenblick hervortritt, der dritte in den Kämpfen der städtischen Parteien. Es ist übrigens nicht zu vergessen, daß ein großer Teil dieser Klasse, namentlich der in den Städten lebende, damals noch einen bedeutenden Kern gesunder Bauernnatur besaß und noch lange nicht die Käuflichkeit und Verkommenheit des heutigen zivilisierten Lumpenproletariats entwickelt hatte. Man sieht, die plebejische Opposition der damaligen Städte bestand aus sehr gemischten Elementen. Sie vereinigte die verkommenen Bestandteile der alten feudalen und zünftigen Gesellschaft mit dem noch unentwickelten, kaum emportauchenden proletarischen Element der aufkeimenden, modernen bürgerlichen Gesellschaft. Verarmte Zunftbürger, die noch durch das Privilegium mit der bestehenden bürgerlichen Ordnung zusammenhingen, auf der einen Seite; verstoßene Bauern und abgedankte Dienstleute, die noch nicht zu Proletariern werden konnten, auf der andern. Zwischen beiden die Gesellen, momentan außerhalb der offiziellen Gesellschaft stehend und sich in ihrer Lebenslage dem Proletariat so sehr nähernd, wie dies bei der damaligen Industrie und unter dem Zunftprivilegium möglich; aber, zu gleicher Zeit, fast lauter zukünftige bürgerliche Meister, kraft eben dieses Zunftprivilegiums. Die Parteistellung dieses Gemisches von Elementen war daher notwendig höchst unsicher und je nach der Lokalität verschieden. Vor dem Bauernkriege tritt die plebejische Opposition in den politischen Kämpfen nicht als Partei, sie tritt nur als turbulenter, plünderungssüchtiger, mit einigen Fässern Wein an- und abkäuflicher Schwanz der bürgerlichen Opposition auf. Erst die Aufstände der Bauern machen sie zur Partei, und auch da ist sie fast überall in ihren Forderungen und ihrem Auftreten abhängig von den Bauern - ein merk
würdiger Beweis, wie sehr damals die Stadt noch abhängig vom Lande war. Soweit sie selbständig auftritt, verlangt sie die Herstellung der städtischen Gewerksmonopole auf dem Lande, will sie die städtischen Einkünfte nicht durch Abschaffung der Feudallasten im Weichbild geschmälert wissen usw.; kurz, so weit ist sie reaktionär, ordnet sie sich ihren eigenen kleinbürgerlichen Elementen unter und liefert damit ein charakteristisches Vorspiel zu der Tragikomödie, die die moderne Kleinbürgerschaft seit drei Jahren unter der Firma der Demokratie aufführt. Nur in Thüringen unter dem direkten Einfluß Münzers und an einzelnen andern Orten unter dem seiner Schüler wurde die plebejische Fraktion der Städte von dem allgemeinen Sturm so weit fortgerissen, daß das embryonische proletarische Element in ihr momentan die Oberhand über alle andern Fraktionen1 der Bewegung bekam. Diese Episode, die den Kulminationspunkt des ganzen Bauernkriegs bildet und sich um seine großartigste Gestalt, um Thomas Münzer, gruppiert, ist zugleich die kürzeste. Es versteht sich, daß sie am schnellsten zusammenbrechen und daß sie zu gleicher Zeit ein vorzugsweise phantastisches Gepräge tragen, daß der Ausdruck ihrer Forderungen höchst unbestimmt bleiben muß; gerade sie fand am wenigsten festen Boden in den damaligen Verhältnissen. Unter allen diesen Klassen, mit Ausnahme der letzten, stand die große exploitierte Masse der Nation: die Bauern. Auf dem Bauer lastete der ganze Schichtenbau der Gesellschaft: Fürsten, Beamte, Adel, Pfaffen, Patrizier und Bürger. Ob er der Angehörige eines Fürsten, eines Reichsfreiherrn, eines Bischofs, eines Klosters, einer Stadt war, er wurde überall wie eine Sache, wie ein Lasttier behandelt, und schlimmer. War er Leibeigner, so war er seinem Herrn auf Gnade und Ungnade zur Verfügung gestellt. War er Höriger, so waren schon die gesetzlichen, vertragsmäßigen Leistungen hinreichend, ihn zu erdrücken; aber diese Leistungen wurden täglich vermehrt. Den größten Teil seiner Zeit mußte er auf den Gütern des Herrn arbeiten; von dem, was er sich in den wenigen freien Stunden erwarb, mußten Zehnten, Zins, Gült, Bede, Reisegeld (Kriegssteuer), Landessteuer und Reichssteuer gezahlt werden. Er konnte nicht heiraten und nicht sterben, ohne daß dem Herrn gezahlt wurde. Er mußte, außer den regelmäßigen Frondiensten, für den gnädigen Herrn Streu sammeln, Erdbeeren sammeln, Heidelbeeren sammeln, Schneckenhäuser sammeln, das Wild zur Jagd treiben, Holz hacken usw. Fischerei und Jagd gehörten dem Herrn; der Bauer mußte ruhig zusehen, wenn das Wild seine Ernte zerstörte. Die Gemeindeweiden und Waldungen der Bauern waren
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fast überall gewaltsam von den Herren weggenommen worden. Und wie über das Eigentum, so schaltete der Herr willkürlich über die Person des Bauern, über die seiner Frau und seiner Töchter. Er hatte das Recht der ersten Nacht. Er warf ihn in den Turm, wenn's ihm beliebte, wo ihn mit derselben Sicherheit, wie jetzt der Untersuchungsrichter, damals die Folter erwartete. Er schlug ihn tot oder ließ ihn köpfen, wenn's ihm beliebte. Von jenen erbaulichen Kapiteln der Carolinat218i, die da „von Ohrenabschneiden", „von Nasenabschneiden", „von Augenausstechen", „von Abhacken der Finger und der Hände", „von Köpfen", „von Rädern", „von Verbrennen", „von Zwicken mit glühenden Zangen", „von Vierteilen" usw. handeln, ist kein einziges, das der gnädige Leib- oder Schirmherr nicht nach Belieben gegen seine Bauern angewandt hätte. Wer sollte ihn schützen? In den Gerichten saßen Barone, Pfaffen, Patrizier oder Juristen, die wohl wußten, wofür sie bezahlt wurden. Alle offiziellen Stände des Reichs lebten ja von der Aussaugung der Bauern. Die Bauern, knirschend unter dem furchtbaren Druck, waren dennoch schwer zum Aufstand zu bringen. Ihre Zersplitterung erschwerte jede gemeinsame Übereinkunft im höchsten Grade. Die lange Gewohnheit der von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzten Unterwerfung, die Entwöhnung vom Gebrauch der Waffen in vielen Gegenden, die je nach der Persönlichkeit der Herren bald ab-, bald zunehmende Härte der Ausbeutung trug dazu bei, die Bauern ruhig zu erhalten. Wir finden daher im Mittelalter Lokalinsurrektionen der Bauern in Menge, aber - wenigstens in Deutschland - vor dem Bauernkrieg keinen einzigen allgemeinen, nationalen Bauernaufstand. Dazu waren die Bauern allein nicht imstande, eine Revolution zu machen, solange ihnen die organisierte Macht der Fürsten, des Adels und der Städte verbündet und geschlossen entgegenstand. Nur durch eine Allianz mit andern Ständen konnten sie eine Chance des Sieges bekommen; aber wie sollten sie sich mit andern Ständen verbinden, da sie von allen gleichmäßig ausgebeutet wurden? Wir sehen: Die verschiedenen Stände des Reichs, Fürsten, Adel, Prälaten, Patrizier, Bürger, Plebejer und Bauern, bildeten im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts eine höchst verworrene Masse mit den verschiedenartigsten, sich nach allen Richtungen durchkreuzenden Bedürfnissen. Jeder Stand war dem andern im Wege, lag mit allen andern in einem fortgesetzten, bald offnen, bald versteckten Kampf. Jene Spaltung der ganzen Nation in zwei große Lager, wie sie beim Ausbruch der ersten Revolution in Frankreich bestand, wie sie jetzt auf einer höheren Entwicklungsstufe in den fortgeschrittensten Ländern besteht, war unter diesen Umständen rein unmöglich; sie konnte selbst an
nähernd nur dann zustande kommen, wenn die unterste, von allen übrigen Ständen exploitierte Schichte der Nation sich erhob: die Bauern und die Plebejer. Man wird die Verwirrung der Interessen, Ansichten und Bestrebungen jener Zeit leicht begreifen, wenn man sich erinnert, welche Konfusion in den letzten zwei Jahren die jetzige, weit weniger komplizierte Zusammensetzung der deutschen Nation aus Feudaladel, Bourgeoisie, Kleinbürgerschaft, Bauern und Proletariat hervorgebracht hat.
II [Die großen oppositionellen Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Münzer]
Die Gruppierung der damals so mannigfaltigen Stände zu größeren Ganzen wurde schon durch die Dezentralisation und die lokale und provinzielle Selbständigkeit, durch die industrielle und kommerzielle Entfremdung der Provinzen voneinander, durch die schlechten Kommunikationen fast unmöglich gemacht. Diese Gruppierung bildet sich erst heraus mit der allgemeinen Verbreitung revolutionärer religiös-politischer Ideen in der Reformation. Die verschiedenen Stände, die sich diesen Ideen anschließen oder entgegenstellen, konzentrieren, freilich nur sehr mühsam und annähernd, die Nation in drei große Lager, in das katholische oder reaktionäre, das lutherische bürgerlichreformierende und das revolutionäre. Wenn wir auch in dieser großen Zerklüftung der Nation wenig Konsequenz entdecken, wenn wir in den ersten beiden Lagern zum Teil dieselben Elemente finden, so erklärt sich dies aus dem Zustand der Auflösung, in dem sich die meisten, aus dem Mittelalter überlieferten offiziellen Stände befanden, und aus der Dezentralisation, die denselben Ständen an verschiedenen Orten momentan entgegengesetzte Richtungen anwies. Wir haben in den letzten Jahren so häufig ganz ähnliche Fakta in Deutschland zu sehen Gelegenheit gehabt, daß uns eine solche scheinbare Durcheinanderwürfelung der Stände und Klassen unter den viel verwickeiteren Verhältnissen des 16. Jahrhunderts nicht wundern kann. Die deutsche Ideologie sieht, trotz der neuesten Erfahrungen, in den Kämpfen, denen das Mittelalter erlag, noch immer weiter nichts als heftige theologische Zänkereien. Hätten die Leute jener Zeit sich nur über die himmlischen Dinge verständigen können, so wäre, nach der Ansicht unsrer vaterländischen Geschichtskenner und Staatsweisen, gar kein Grund vorhanden gewesen, über die Dinge dieser Welt zu streiten. Diese Ideologen sind leichtgläubig genug, alle Illusionen für bare Münze zu nehmen, die sich eine Epoche über sich selbst macht oder die die Ideologen einer Zeit sich über diese Zeit machen. Dieselbe Klasse von Leuten sieht z.B. in der Revolution
von 1789 nur eine etwas hitzige Debatte über die Vorzüge der konstitutionellen vor der absoluten Monarchie, in der Julirevolution eine praktische Kontroverse über die Unhaltbarkeit des Rechts „von Gottes Gnaden", in der Februarrevolution [2191 den Versuch zur Lösung der Frage „Republik oder Monarchie?" usw. Von den Klassenkämpfen, die in diesen Erschütterungen ausgefochten werden und deren bloßer Ausdruck die jedesmal auf die Fahne geschriebene politische Phrase ist, von diesen Klassenkämpfen haben selbst heute noch unsre Ideologen kaum eine Ahnung, obwohl die Kunde davon vernehmlich genug nicht nur vom Auslande herüber, sondern auch aus dem Murren und Grollen vieler tausend einheimischen Proletarier herauf erschallt. Auch in den sogenannten Religionskriegen des sechzehnten Jahrhunderts handelte es sich vor allem um sehr positive materielle Klasseninteressen, und diese Kriege waren Klassenkämpfe, ebensogut wie die späteren inneren Kollisionen in England und Frankreich. Wenn diese Klassenkämpfe damals religiöse Schibboleths trugen, wenn die Interessen, Bedürfnisse und Forderungen der einzelnen Klassen sich unter einer religiösen Decke verbargen, so ändert dies nichts an der Sache und erklärt sich leicht aus den Zeitverhältnissen. Das Mittelalter hatte sich ganz aus dem Rohen entwickelt. Über die alte Zivilisation, die alte Philosophie, Politik und Jurisprudenz hatte es reinen Tisch gemacht, um in allem wieder von vorn anzufangen. Das einzige, das es aus der untergegangenen alten Welt übernommen hatte, war das Christentum und eine Anzahl halbzerstörter, ihrer ganzen Zivilisation entkleideter Städte. Die Folge davon war, daß, wie auf allen ursprünglichen Entwicklungsstufen, die Pfaffen das Monopol der intellektuellen Bildung erhielten und damit die Bildung selbst einen wesentlich theologischen Charakter bekam. Unter den Händen der Pfaffen blieben Politik und Jurisprudenz, wie alle übrigen Wissenschaften, bloße Zweige der Theologie und wurden nach denselben Prinzipien behandelt, die in dieser Geltung hatten. Die Dogmen der Kirche waren zu gleicher Zeit politische Axiome, und Bibelstellen hatten in jedem Gerichtshof Gesetzeskraft. Selbst als ein eigner Juristenstand sich bildete, blieb die Jurisprudenz noch lange unter der Vormundschaft der Theologie. Und diese Oberherrlichkeit der Theologie auf dem ganzen Gebiet der intellektuellen Tätigkeit war zugleich die notwendige Folge von der Stellung der Kirche als der allgemeinsten Zusammenfassung und Sanktion der bestehenden Feudalherrschaft. Es ist klar, daß hiermit alle allgemein ausgesprochenen Angriffe auf den Feudalismus, vor allem Angriffe auf die Kirche, alle revolutionären, gesellschaftlichen und politischen Doktrinen zugleich und vorwiegend theologische
Ketzereien sein mußten. Damit die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse angetastet werden konnten, mußte ihnen der Heiligenschein abgestreift werden. Die revolutionäre Opposition gegen die Feudalität geht durch das ganze Mittelalter. Sie tritt auf, je nach den Zeitverhältnissen, als Mystik, als offene Ketzerei, als bewaffneter Aufstand. Was die Mystik angeht, so weiß man, wie abhängig die Reformatoren des 16. Jahrhunderts von ihr waren; auch Münzer hat viel aus ihr genommen. Die Ketzereien waren teils der Ausdruck der Reaktion der patriarchalischen Alpenhirten gegen die zu ihnen vordringende Feudalität (die Waldenser'2201); teils der Opposition der dem Feudalismus entwachsenen Städte gegen ihn (die Albigenser[221), Arnold von Brescia etc.); teils direkter Insurrektionen der Bauern (John Ball, der Meister aus Ungarn1, in der Pikardie etc.). Die patriarchalische Ketzerei der Waldenser können wir hier, ganz wie die Insurrektion der Schweizer, als einen nach Form und Inhalt reaktionären Versuch der Absperrung gegen die geschichtliche Bewegung, und von nur lokaler Bedeutung, beiseite lassen. In den beiden übrigen Formen der mittelalterlichen Ketzerei finden wir schon im zwölften Jahrhundert die Vorläufer des großen Gegensatzes zwischen bürgerlicher und bäurischplebejischer Opposition, an dem der Bauernkrieg zugrunde ging. Dieser Gegensatz zieht sich durchs ganze spätere Mittelalter. Die Ketzerei der Städte - und sie ist die eigentlich offizielle Ketzerei des Mittelalters - wandte sich hauptsächlich gegen die Pfaffen, deren Reichtümer und politische Stellung sie angriff. Wie jetzt die Bourgeoisie ein gouvernement ä bon marche, eine wohlfeile Regierung fordert, so verlangten die mittelalterlichen Bürger zunächst eine eglise a bon marche, eine wohlfeile Kirche. Der Form nach reaktionär, wie jede Ketzerei, die in der Fortentwicklung der Kirche und der Dogmen nur eine Entartung sehen kann, forderte die bürgerliche Ketzerei Herstellung der urchristlichen einfachen Kirchenverfassung und Aufhebung des exklusiven Priesterstandes. Diese wohlfeile Einrichtung beseitigte die Mönche, die Prälaten, den römischen Hof, kurz alles, was in der Kirche kostspielig war. Die Städte, selbst Republiken, wenn auch unter dem Schutz von Monarchen, sprachen durch ihre Angriffe gegen das Papsttum zum ersten Male in allgemeiner Form aus, daß die normale Form der Herrschaft des Bürgertums die Republik ist. Ihre Feindschaft gegen eine Reihe von Dogmen und Kirchengesetzen erklärt sich teils aus dem Gesagten, teils aus ihren sonstigen Lebensverhältnissen. Warum sie z.B. so heftig gegen das Zölibat auftraten, darüber gibt niemand besser Aufschluß als Boccaccio.
1 Jakob
Arnold von Brescia in Italien und Deutschland, die Albigenser in Südfrankreich, John Wycliffe12221 in England, Hus und die Calixtiner12231 in Böhmen waren die Hauptrepräsentanten dieser Richtung. Daß die Opposition gegen den Feudalismus hier nur als Opposition gegen die geistliche Feudalität auftritt, erklärt sich sehr einfach daraus, daß die Städte überall schon anerkannter Stand waren und die weltliche Feudalität mit ihren Privilegien, mit den Waffen oder in den ständischen Versammlungen hinreichend bekämpfen konnten. Auch hier sehen wir schon, sowohl in Südfrankreich wie in England und Böhmen, daß der größte Teil des niederen Adels sich den Städten im Kampf gegen die Pfaffen und in der Ketzerei anschließt - eine Erscheinung, die sich aus der Abhängigkeit des niederen Adels von den Städten und aus der Gemeinsamkeit der Interessen beider gegenüber den Fürsten und Prälaten erklärt und die wir im Bauernkrieg wiederfinden werden. Einen ganz verschiedenen Charakter hatte die Ketzerei, die der direkte Ausdruck der bäurischen und plebejischen Bedürfnisse war und sich fast immer an einen Aufstand anschloß. Sie teilte zwar alle Forderungen der bürgerlichen Ketzerei in betreff der Pfaffen, des Papsttums und der Herstellung der urchristlichen Kirchenverfassung, aber sie ging zugleich unendlich weiter. Sie verlangte die Herstellung des urchristlichen Gleichheitsverhältnisses unter den Mitgliedern der Gemeinde und seine Anerkennung als Norm auch für die bürgerliche Welt. Sie zog von der „Gleichheit der Kinder Gottes" den Schluß auf die bürgerliche Gleichheit und selbst teilweise schon auf die Gleichheit des Vermögens. Gleichstellung des Adels mit den Bauern, der Patrizier und bevorrechteten Bürger mit den Plebejern, Abschaffung der Frondienste, Grundzinsen, Steuern, Privilegien und wenigstens der schreiendsten Vermögensunterschiede waren Forderungen, die mit mehr oder weniger Bestimmtheit aufgestellt und als notwendige Konsequenzen der urchristlichen Doktrin behauptet wurden. Diese bäurisch-plebejische Ketzerei, in der Blütezeit des Feudalismus, z.B. bei den Albigensern, kaum noch zu trennen von der bürgerlichen, entwickelt sich zu einer scharf geschiedenen Parteiansicht im 14. und 15. Jahrhundert, wo sie gewöhnlich ganz selbständig neben der bürgerlichen Ketzerei auftritt. So John Ball, der Prediger des Wat-Tylerschen Aufstandes in England12241 neben der Wycliffeschen Bewegung, so die Taboriten[2251 neben Calixtinern in Böhmen. Bei den Taboriten tritt sogar schon die republikanische Tendenz unter theokratischer Verbrämung hervor, die am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts durch die Vertreter der Plebejer in Deutschland weiter ausgebildet wurde. An diese Form der Ketzerei schließt sich die Schwärmerei mystizisieren
der Sekten, der Geißler[2261, Lollards12271 etc., die in Zeiten der Unterdrückung die revolutionäre Tradition fortpflanzen. Die Plebejer waren damals die einzige Klasse, die ganz außerhalb der offiziell bestehenden Gesellschaft stand. Sie befand sich außerhalb des feudalen und außerhalb des bürgerlichen Verbandes. Sie hatte weder Privilegien noch Eigentum; sie hatte nicht einmal, wie die Bauern und Kleinbürger, einen mit drückenden Lasten beschwerten Besitz. Sie war in jeder Beziehung besitzlos und rechtlos; ihre Lebensbedingungen kamen direkt nicht einmal in Berührung mit den bestehenden Institutionen, von denen sie vollständig ignoriert wurden. Sie war das lebendige Symptom der Auflösung der feudalen und zunftbürgerlichen Gesellschaft und zugleich der erste Vorläufer der modernbürgerlichen Gesellfchaft. Aus dieser Stellung erklärt es sich, warum die plebejische Fraktion schon damals nicht bei der bloßen Bekämpfung des Feudalismus und der privilegierten Pfahlbürgerei stehenbleiben konnte, warum sie, wenigstens in der Phantasie, selbst über die kaum empordämmernde modern-bürgerliche Gesellschaft hinausgreifen, warum sie, die vollständig besitzlose Fraktion, schon Institutionen, Anschauungen und Vorstellungen in Frage stellen mußte, welche allen auf Klassengegensätzen beruhenden Gesellschaftsformen gemeinsam sind. Die chiliastischen Schwärmereien12281 des ersten Christentums boten hierzu einen bequemen Anknüpfungspunkt. Aber zugleich konnte dies Hinausgehen, nicht nur über die Gegenwart, sondern selbst über die Zukunft, nur ein gewaltsames, phantastisches sein und mußte beim ersten Versuch der praktischen Anwendung zurückfallen in die beschränkten Grenzen, die die damaligen Verhältnisse allein zuließen. Der Angriff auf das Privateigentum, die Forderung der Gütergemeinschaft, mußte sich auflösen in eine rohe Organisation der Wohltätigkeit; die vage christliche Gleichheit konnte höchstens auf die bürgerliche „Gleichheit vor dem Gesetz" hinauslaufen; die Beseitigung aller Obrigkeit verwandelt sich schließlich in die Herstellung vom Volke gewählter republikanischer Regierungen. Die Antizipation des Kommunismus durch die Phantasie wurde in der Wirklichkeit eine Antizipation der modernen bürgerlichen Verhältnisse. Diese gewaltsame, aber dennoch aus der Lebenslage der plebejischen Fraktion sehr erklärliche Antizipation auf die spätere Geschichte finden wir zuerst in Deutschland, bei Thomas Münzer und seiner Partei. Bei den Taboriten hatte allerdings eine Art chiliastischer Gütergemeinschaft bestanden, aber nur als rein militärische Maßregel. Erst bei Münzer sind diese kommunistischen Anklänge Ausdruck der Bestrebungen einer wirklichen Gesellschaftsfraktion, erst bei ihm sind sie mit einer gewissen Bestimmtheit formuliert, und seit ihm
finden wir sie in jeder großen Volkserschütterung wieder, bis sie allmählich mit der modernen proletarischen Bewegung zusammenfließen; geradeso wie im Mittelalter die Kämpfe der freien Bauern gegen die sie mehr und mehr umstrickende Feudalherrschaft zusammenfließen mit den Kämpfen der Leibeigenen und Hörigen um den vollständigen Bruch der Feudalherrschaft. Während sich in dem ersten der drei großen Lager, im konservativ-katholischen, alle Elemente zusammenfanden, die an der Erhaltung des Bestehenden interessiert waren, also die Reichsgewalt, die geistlichen und ein Teil der weltlichen Fürsten, der reichere Adel, die Prälaten und das städtische Patriziat, sammeln sich um das Banner der bürgerlich-gemäßigten lutherischen Reform die besitzenden Elemente der Opposition, die Masse des niederen Adels, die Bürgerschaft und selbst ein Teil der weltlichen Fürsten, der sich durch Konfiskation der geistlichen Güter zu bereichern hoffte und die Gelegenheit zur Erringung größerer Unabhängigkeit vom Reich benutzen wollte. Die Bauern und Plebejer endlich schlössen sich zur revolutionären Partei zusammen, deren Forderungen und Doktrinen am schärfsten durch Münzer ausgesprochen wurden. Luther und Münzer repräsentieren nach ihrer Doktrin wie nach ihrem Charakter und ihrem Auftreten jeder seine Partei vollständig. Luther hat in den Jahren 1517 bis 1525 ganz dieselben Wandlungen durchgemacht, die die modernen deutschen Konstitutionellen von 1846 bis 1849 durchmachten und die jede bürgerliche Partei durchmacht, welche, einen Moment an die Spitze der Bewegung gestellt, in dieser Bewegung selbst von der hinter ihr stehenden plebejischen oder proletarischen Partei überflügelt wird. Als Luther 1517 zuerst gegen die Dogmen und die Verfassung der katholischen Kirche auftrat, hatte seine Opposition durchaus noch keinen bestimmten Charakter. Ohne über die Forderungen der früheren bürgerlichen Ketzerei hinauszugehn, schloß sie keine einzige weitergehende Richtung aus und konnte es nicht. Im ersten Moment mußten alle oppositionellen Elemente vereinigt, mußte die entschiedenste revolutionäre Energie angewandt, mußte die Gesamtmasse der bisherigen Ketzerei gegenüber der katholischen Rechtgläubigkeit vertreten werden. Geradeso waren unsere liberalen Bourgeois noch 1847 revolutionär, nannten sich Sozialisten und Kommunisten und schwärmten für die Emanzipation der Arbeiterklasse. Die kräftige Bauernnatur Luthers machte sich in dieser ersten Periode seines Auftretens in der ungestümsten Weise Luft.
„Wenn ihr" (der römischen Pfaffen) „rasend Wüten einen Fortgang haben sollte, so dünkt mich, es wäre schier kein besserer Rat und Arznei, ihm zu steuern, denn daß
Könige und Fürsten mit Gewalt dazutäten, sich rüsteten und diese schädlichen Leute, so alle Welt vergiften, angriffen und einmal des Spiels ein Ende machten, mit Waffen, nicht mit Worten. So wir Diebe mit Schwert, Mörder mit Strang1, Ketzer mit Feuer strafen, warum greifen wir nicht vielmehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens, als Päpste, Kardinäle, Bischöfe und das ganze Geschwärm der römischen Sodoma mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in ihrem ß/u/P"'22a'
Aber dieser erste revolutionäre Feuereifer dauerte nicht lange. Der Blitz schlug ein, den Luther geschleudert hatte. Das ganze deutsche Volk geriet in Bewegung. Auf der einen Seite sahen Bauern und Plebejer in seinen Aufrufen wider die Pfaffen, in seiner Predigt von der christlichen Freiheit das Signal zur Erhebung; auf der andern schlössen sich die gemäßigteren Bürger und ein großer Teil des niederen Adels ihm an, wurden selbst Fürsten vom Strom mit fortgerissen. Die einen glaubten den Tag gekommen, wo sie mit allen ihren Unterdrückern Abrechnung halten könnten, die andern wollten nur die Macht der Pfaffen, die Abhängigkeit von Rom, die katholische Hierarchie brechen und sich aus der Konfiskation des Kirchengutes bereichern. Die Parteien sonderten sich und fanden ihre Repräsentanten. Luther mußte zwischen ihnen wählen. Er, der Schützling des Kurfürsten von Sachsen, der angesehene Professor von Wittenberg, der über Nacht mächtig und berühmt gewordene, mit einem Zirkel von abhängigen Kreaturen und Schmeichlern umgebene große Mann zauderte keinen Augenblick. Er ließ die populären Elemente der Bewegung fallen und schloß sich der bürgerlichen, adligen und fürstlichen Seite an. Die Aufrufe zum Vertilgungskampfe gegen Rom verstummten; Luther predigte jetzt die friedliche Entwicklung und den passiven Widerstand(yg\. z.B. „An den Adel teutscher Nation", 1520 etc.). Auf Huttens Einladung, zu ihm und Sickingen auf die Ebernburg, den Mittelpunkt der Adelsverschwörung gegen Pfaffen und Fürsten, zu kommen, antwortete Luther:
„ Ich möchte nicht, daß man das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen verfechte. Durch das Wort ist die Welt überwunden worden, durch das Wort ist die Kirche erhalten, durch das Wort wird sie auch wieder in den Stand kommen, und der Antichrist, wie er Seines ohne Gewalt bekommen, wird ohne Gewalt fallen."'230'
Von dieser Wendung, oder vielmehr von dieser bestimmteren Feststellung der Richtung Luthers, begann jenes Markten und Feilschen um die beizubehaltenden oder zu reformierenden Institutionen und Dogmen, jenes widerwärtige Diplomatisieren, Konzedieren, Intrigieren und Vereinbaren,
1 Bei Zimmermann: Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert
dessen Resultat die Augsburgische Konfession12311 war, die schließlich erhandelte Verfassung der reformierten Bürgerkirche. Es ist ganz derselbe Schacher, der sich neuerdings in deutschen Nationalversammlungen, Vereinbarungsversammlungen, Revisionskammern und Erfurter Parlamenten11481 in politischer Form bis zum Ekel wiederholt hat. Der spießbürgerliche Charakter der offiziellen Reformation trat in diesen Verhandlungen aufs offenste hervor. Daß Luther, als nunmehr erklärter Repräsentant der bürgerlichen Reform, den gesetzlichen Fortschritt predigte, hatte seine guten Gründe. Die Masse der Städte war der gemäßigten Reform zugefallen; der niedere Adel schloß sich ihr mehr und mehr an, ein Teil der Fürsten fiel zu, ein anderer schwankte. Ihr Erfolg war so gut wie gesichert, wenigstens in einem großen Teile von Deutschland. Bei fortgesetzter friedlicher Entwicklung konnten die übrigen Gegenden auf die Dauer dem Andrang der gemäßigten Opposition nicht widerstehn. Jede gewaltsame Erschütterung aber mußte die gemäßigte Partei in Konflikt bringen mit der extremen, plebejischen und Bauernpartei, mußte die Fürsten, den Adel und manche Städte der Bewegung entfremden und ließ nur die Chance entweder der Überflügelung der bürgerlichen Partei durch die Bauern und Plebejer oder der Unterdrückung sämtlicher Bewegungsparteien durch die katholische Restauration. Und wie die bürgerlichen Parteien, sobald sie die geringsten Siege erfochten haben, vermittelst des gesetzlichen Fortschritts zwischen der Scylla der Revolution und der Charybdis12321 der Restauration durchzulavieren suchen, davon haben wir in der letzten Zeit Exempel genug gehabt. Wie unter den allgemein gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der damaligen Zeit die Resultate jeder Veränderung notwendig den Fürsten zugute kommen und ihre Macht vermehren mußten, so mußte die bürgerliche Reform, je schärfer sie sich von den plebejischen und bäurischen Elementen schied, immer mehr unter die Kontrolle der reformierten Fürsten geraten. Luther selbst wurde mehr und mehr ihr Knecht, und das Volk wußte sehr gut, was es tat, wenn es sagte, er sei ein Fürstendiener geworden wie die andern, und wenn es ihn in Orlamünde mit Steinwürfen verfolgte. Als der Bauernkrieg losbrach, und zwar in Gegenden, wo Fürsten und Adel größtenteils katholisch waren, suchte Luther eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Er griff die Regierungen entschieden an. Sie seien schuld am Aufstand durch ihre Bedrückungen; nicht die Bauern setzten sich wider sie, sondern Gott selbst. Der Aufstand sei freilich auch ungöttlich und wider das Evangelium, hieß es auf der andern Seite. Schließlich riet er beiden Parteien, nachzugeben und sich gütlich zu vertragen.
Aber der Aufstand, trotz dieser wohlmeinenden Vermittlungsvorschläge, dehnte sich rasch aus, ergriff sogar protestantische, von lutherischen Fürsten, Herren und Städten beherrschte Gegenden und wuchs der bürgerlichen, „besonnenen" Reform rasch über den Kopf. In Luthers nächster Nähe, in Thüringen, schlug die entschiedenste Fraktion der Insurgenten unter Münzer ihr Hauptquartier auf. Noch ein paar Erfolge, und ganz Deutschland stand in Flammen, Luther war umzingelt, vielleicht als Verräter durch die Spieße gejagt, und die bürgerliche Reform weggeschwemmt von der Sturmflut der bäurisch-plebejischen Revolution. Da galt kein Besinnen mehr. Gegenüber der Revolution wurden alle alten Feindschaften vergessen; im Vergleich mit den Rotten der Bauern waren die Diener der römischen Sodoma unschuldige Lämmer, sanftmütige Kinder Gottes; und Bürger und Fürsten, Adel und Pfaffen, Luther und Papst verbanden sich „wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern"[2331.
„Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muß!" schrie Luther. „Darum, liebe Herren, loset hie, rettet da, steche, schlage, würge sie, wer da kann, bleibst du darüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmermehr überkommen."
Man solle nur keine falsche Barmherzigkeit mit den Bauern haben. Die mengen sich selber unter die Aufrührischen, die sich derer erbarmen, welcher sich Gott nicht erbarmt, sondern welche er gestraft und verderbet haben will. Nachher werden die Bauern selber Gott danken lernen, wenn sie die eine Kuh hergeben müssen, auf daß sie die andre in Frieden genießen können; und die Fürsten werden durch den Aufruhr erkennen, wes Geistes der Pöbel sei, der nur mit Gewalt zu regieren.'2341
„Der weise Mann sagt: Cibus, onus et virga asino1 - in einen Bauern gehört Haberstroh, sie hören nicht das Wort und sind unsinnig, so müssen sie die virgam, die Büchse, hören, und geschieht ihnen recht. Bitten sollen wir für sie, daß sie gehorchen; wo nicht, so gilt's hier nicht viel Erbarmens. Lasset nur die Büchsen unter sie sausen, sie machen's sonst tausendmal ärger."'2351
Geradeso sprachen unsere weiland sozialistischen und philanthropischen Bourgeois, als das Proletariat nach den Märztagen seinen Anteil an den Früchten des Siegs reklamieren kam. Luther hatte der plebejischen Bewegung ein mächtiges Werkzeug in die Hand gegeben durch die Übersetzung der Bibel. In der Bibel hatte er dem feudalisierten Christentum der Zeit das bescheidene Christentum der ersten
1 Der Esel braucht Futter, Bürde und Stockschläge
Jahrhunderte, der zerfallenden feudalen Gesellschaft das Abbild einer Gesellschaft entgegengehalten, die nichts von der weitschichtigen, kunstmäßigen Feudalhierarchie wußte. Die Bauern hatten dies Werkzeug gegen Fürsten, Adel, Pfaffen, nach allen Seiten hin benutzt. Jetzt kehrte Luther es gegen sie und stellte aus der Bibel einen wahren Dithyrambus auf die von Gott eingesetzte Obrigkeit zusammen, wie ihn kein Tellerlecker der absoluten Monarchie je zustande gebracht hat. Das Fürstentum von Gottes Gnaden, der passive Gehorsam, selbst die Leibeigenschaft wurde mit der Bibel sanktioniert. Nicht nur der Bauernaufstand, auch die ganze Auflehnung Luthers selbst gegen die geistliche und weltliche Autorität war hierin verleugnet; nicht nur die populäre Bewegung, auch die bürgerliche war damit an die Fürsten verraten. Brauchen wir die Bourgeois zu nennen, die auch von dieser Verleugnung ihrer eignen Vergangenheit uns kürzlich wieder Beispiele gegeben haben? Stellen wir nun dem bürgerlichen Reformator Luther den plebejischen Revolutionär Münzer gegenüber. Thomas Münzer12361 war geboren zuStolbergam Harz, um das Jahr 1498t237 Sein Vater soll, ein Opfer der Willkür der Stolbergschen Grafen, am Galgen gestorben sein. Schon in seinem fünfzehnten Jahre stiftete Münzer auf der Schule zu Halle einen geheimen Bund gegen den Erzbischof von Magdeburg und die römische Kirche überhaupt. Seine Gelehrsamkeit in der damaligen Theologie verschaffte ihm früh den Doktorgrad und eine Stelle als Kaplan in einem Nonnenkloster zu Halle. Hier behandelte er schon Dogmen und Ritus der Kirche mit der größten Verachtung, bei der Messe ließ er die Worte der Wandlung ganz aus und aß, wie Luther von ihm erzählt, die Herrgötter ungeweiht12381. Sein Hauptstudium waren die mittelalterlichen Mystiker, besonders die chiliastischen Schriften Joachims des Calabresen. Das Tausendjährige Reich, das Strafgericht über die entartete Kirche und die verderbte Welt, das dieser verkündete und ausmalte, schien Münzer mit der Reformation und der allgemeinen Aufregung der Zeit nahe herbeigekommen. Er predigte in der Umgegend mit großem Beifall. 1520 ging er als erster evangelischer Prediger nach Zwickau. Hier fand er eine jener schwärmerischen chiliastischen Sekten vor, die in vielen Gegenden im stillen fortexistierten, hinter deren momentaner Demut und Zurückgezogenheit sich die fortwuchernde Opposition der untersten Gesellschaftsschichten gegen die bestehenden Zustände verborgen hatte und die jetzt mit der wachsenden Agitation immer offener und beharrlicher ans Tageslicht hervortraten. Es war die Sekte der Wiedertäufer,12391 an deren Spitze Nildas Storch stand. Sie predigten das Nahen des Jüngsten Gerichts und des Tausendjährigen Reichs; sie
hatten „Gesichte, Verzückungen und den Geist der Weissagung". Bald kamen sie in Konflikt mit dem Zwickauer Rat; Münzer verteidigte sie, obwohl er sich ihnen nie unbedingt anschloß, sondern sie vielmehr unter seinen Einfluß bekam. Der Rat schritt energisch gegen sie ein; sie mußten die Stadt verlassen, und Münzer mit ihnen. Es war Ende 1521. Er ging nach Prag und suchte, an die Reste der hussitischen Bewegung anknüpfend, hier Boden zu gewinnen; aber seine Proklamation '240' hatte nur den Erfolg, daß er auch aus Böhmen wieder fliehen mußte. 1522 wurde er Prediger zu Allstedt in Thüringen. Hier begann er damit, den Kultus zu reformieren. Noch ehe Luther so weit zu gehen wagte, schaffte er die lateinische Sprache total ab und ließ die ganze Bibel, nicht bloß die vorgeschriebenen sonntäglichen Evangelien und Episteln verlesen. Zu gleicher Zeit organisierte er die Propaganda in der Umgegend. Von allen Seiten lief das Volk ihm zu, und bald wurde Allstedt das Zentrum der populären Antipfaffenbewegung von ganz Thüringen. Noch war Münzer vor allem Theologe; noch richtete er seine Angriffe fast ausschließlich gegen die Pfaffen. Aber er predigte nicht, wie Luther damals schon, die ruhige Debatte und den friedlichen Fortschritt, er setzte die früheren gewaltsamen Predigten Luthers fort und rief die sächsischen Fürsten und das Volk auf zum bewaffneten Einschreiten gegen die römischen Pfaffen.
„Sagt doch Christus, ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Was sollt ihr" (die sächsischen Fürsten) „aber mit demselben machen? Nichts anders, denn die Bösen, die das Evangelium verhindern, wegtun und absondern, wollt ihr anders Diener Gottes sein. Christus hat mit großem Ernst befohlen, Luc. 19,27, nehmt meine Feinde und würget sie vor meinen Augen... Gebet uns keine schalen Fratzen vor, daß die Kraft Gottes es tun soll ohne euer Zutun des Schwertes, es möchte euch sonst in der Scheide verrosten. Die, welche Gottes Offenbarung zuwider sind, soll man wegtun, ohne alle Gnade, wie Hiskias, Cyrus, Josias, Daniel und Elias die Baalspfaffen verstöret haben, anders mag die christliche Kirche zu ihrem Ursprung nicht wieder kommen. Man muß das Unkraut ausraufen aus dem Weingarten Gottes in der Zeit der Ernte. Gott hat 5. Mose 7 gesagt, ihr sollt euch nicht erbarmen über die Abgöttischen, zerbrecht ihre Altäre, zerschmeißt ihre Bilder und verbrennet sie, auf daß ich nicht mit euch zürne."'241'
Aber diese Aufforderungen an die Fürsten blieben ohne Erfolg, während gleichzeitig unter dem Volk die revolutionäre Aufregung von Tag zu Tag wuchs. Münzer, dessen Ideen immer schärfer ausgebildet, immer kühner wurden, trennte sich jetzt entschieden von der bürgerlichen Reformation und trat von nun an zugleich direkt als politischer Agitator, auf.
Seine theologisch-philosophische Doktrin griff alle Hauptpunkte nicht nur des Katholizismus, sondern des Christentums überhaupt an. Er lehrte unter christlichen Formen einen Pantheismus, der mit der modernen spekulativen Anschauungsweise eine merkwürdige Ähnlichkeit hat[242! und stellenweise sogar an Atheismus anstreift. Er verwarf die Bibel sowohl als ausschließliche wie als unfehlbare Offenbarung. Die eigentliche, die lebendige Offenbarung sei die Vernunft, eine Offenbarung, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern existiert habe und noch existiere. Der Vernunft die Bibel entgegenhalten, heiße den Geist durch den Buchstaben töten. Denn der Heilige Geist, von dem die Bibel spreche, sei nichts außer uns Existierendes; der Heilige Geist sei eben die Vernunft. Der Glaube sei nichts anderes als das Lebendigwerden der Vernunft im Menschen, und daher könnten auch die Heiden den Glauben haben. Durch diesen Glauben, durch die lebendig gewordene Vernunft werde der Mensch vergöttlicht und selig. Der Himmel sei daher nichts Jenseitiges, er sei in diesem Leben zu suchen, und der Beruf der Gläubigen sei, diesen Himmel, das Reich Gottes, hier auf der Erde herzustellen. Wie keinen jenseitigen Himmel, so gebe es auch keine jenseitige Hölle oder Verdammnis. Ebenso gebe es keinen Teufel als die bösen Lüste und Begierden der Menschen. Christus sei ein Mensch gewesen wie wir, ein Prophet und Lehrer, und sein Abendmahl sei ein einfaches Gedächtnismahl, worin Brot und Wein ohne weitere mystische Zutat genossen werde. Diese Lehren predigte Münzer meist versteckt unter denselben christlichen Redeweisen, unter denen sich die neuere Philosophie eine Zeitlang verstecken mußte. Aber der erzketzerische Grundgedanke blickt überall aus seinen Schriften hervor, und man sieht, daß es ihm mit dem biblischen Deckmantel weit weniger ernst war als manchem Schüler Hegels in neuerer Zeit. Und doch liegen dreihundert Jahre zwischen Münzer und der modernen Philosophie. Seine politische Doktrin schloß sich genau an diese revolutionäre religiöse Anschauungsweise an und griff ebensoweit über die unmittelbar vorliegenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hinaus wie seine Theologie über die geltenden Vorstellungen seiner Zeit. Wie Münzers Religionsphilosophie an den Atheismus, so streifte sein politisches Programm an den Kommunismus, und mehr als eine moderne kommunistische Sekte hatte noch am Vorabend der Februarrevolution über kein reichhaltigeres theoretisches Arsenal zu verfügen als die „Münzerschen" des sechzehnten Jahrhunderts. Dies Programm, weniger die Zusammenfassung der Forderungen der damaligen Plebejer als die geniale Antizipation der Emanzipationsbedingungen der kaum sich entwickelnden proletarischen Elemente unter diesen Plebejern - dies Programm forderte die sofortige Herstellung des Reiches Gottes, des prophe
23 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
zeiten Tausendjährigen Reichs auf Erden, durch Zurückführung der Kirche auf ihren Ursprung und Beseitigung aller Institutionen, die mit dieser angeblich urchristlichen, in Wirklichkeit aber sehr neuen Kirche in Widerspruch standen. Unter dem Reich Gottes verstand Münzer aber nichts anderes als einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber selbständige, fremde Staatsgewalt mehr bestehen. Sämtliche bestehende Gewalten, sofern sie nicht sich fügen und der Revolution anschließen wollten, sollten gestürzt, alle Arbeiten und alle Güter gemeinsam und die vollständigste Gleichheit durchgeführt werden. Ein Bund sollte gestiftet werden, um dies durchzusetzen, nicht nur über ganz Deutschland, sondern über die ganze Christenheit; Fürsten und Herren sollten eingeladen werden, sich anzuschließen; wo nicht, sollte der Bund sie bei der ersten Gelegenheit mit den Waffen in der Hand stürzen oder töten. Münzer setzte sich gleich daran, diesen Bund zu organisieren. Seine Predigten nahmen einen noch heftigeren, revolutionäreren Charakter an; neben den Angriffen auf die Pfaffen donnerte er mit gleicher Leidenschaft gegen die Fürsten, den Adel, das Patriziat, schilderte er in glühenden Farben den bestehenden Druck und hielt dagegen sein Phantasiebild des Tausendjährigen Reichs der sozial-republikanischen Gleichheit. Zugleich veröffentlichte er ein revolutionäres Pamphlet nach dem andern und sandte Emissäre nach allen Richtungen aus, während er selbst den Bund in Allstedt und der Umgegend organisierte. Die erste Frucht dieser Propaganda war die Zerstörung der Marienkapelle zu Melierbach bei Allstedt, nach dem Gebot: „Ihre Altäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen und ihre Götzen mit Feuer verbrennen, denn ihr seid ein heilig Volk" (Deut. 7, 61). Die sächsischen Fürsten kamen selbst nach Allstedt, um den Aufruhr zu stillen, und ließen Münzer aufs Schloß rufen. Dort hielt er eine Predigt, wie sie deren von Luther, „dem sanftlebenden Fleisch zu Wittenberg"1243wie Münzer ihn nannte, nicht gewohnt waren. Er bestand darauf, daß die gottlosen Regenten, besonders Pfaffen und Mönche, die das Evangelium als Ketzerei behandeln, getötet werden müßten, und berief sich dafür aufs Neue Testament. Die Gottlosen hätten kein Recht zu leben, es sei denn durch die Gnade der Auserwählten. Wenn die Fürsten die Gottlosen nicht vertilgen, so werde Gott ihnen das Schwert nehmen, denn die ganze Gemeinde habe die Gewalt des Schwerts. Die Grundsuppe2 des Wuchers, der
1 Deuteronomium (5. Buch Mose) 7,5-6 - 2 alter Kraftausdruck; Inbegriff alles Schlechten (Bodensatz)
Dieberei und Räuberei seien die Fürsten und Herren; sie nehmen alle Kreaturen zum Eigentum, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden. Und dann predigen sie gar noch den Armen das Gebot: Du sollst nicht stehlen, sie selber aber nehmen, wo sie's finden, schinden und schaben den Bauer und den Handwerker; wo aber dieser am Allergeringsten sich vergreife, so müsse er hängen, und zu dem allen sage dann der Doktor Lügner: Amen.
„Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es in die Länge gut werden? Ach, liebe Herren, wie hübsch wird der Herr unter die alten Töpfe schmeißen mit einer eisernen Stange! So ich das sage, werde ich aufrührisch sein. Wohl hin!" (Vgl. Zimmermann, „Bauernkrieg", II, S. 75.)[244]
Münzer ließ die Predigt drucken; sein Drucker in Allstedt wurde zur Strafe vom Herzog Johann von Sachsen gezwungen, das Land zu verlassen, und ihm selbst wurde für alle seine Schriften die Zensur der herzoglichen Regierung zu Weimar auferlegt. Aber diesen Befehl achtete er nicht. Er ließ gleich darauf eine höchst aufregende Schrift in der Reichsstadt Mühlhausen drucken1245', worin er das Volk aufforderte,
„das Loch weit zu machen, auf daß alle Welt sehen und greifen möge, wer unsre großen Hansen sind, die Gott also lästerlich zum gemalten Männlein gemacht haben", und die er mit den Worten beschloß: „Die ganze Welt muß einen großen Stoß aushalten; es wird ein solch Spiel angehn, daß die Gottlosen vom Stuhl gestürzt, die Niedrigen aber erhöhet werden."
Als Motto schrieb „Thomas Münzer mit dem Hammer" auf den Titel:
„Nimm wahr, ich habe meine Worte in deinen Mund gesetzt, ich habe dich heute über die Leute und über die Reiche gesetzt1, auf daß du auswurzlest, zerbrechest, zerstreuest und verstürzest, und bauest und pflanzest. Eine eiserne Mauer wider die Könige, Fürsten, Pfaffen und wider das Volk ist dargestellt. Die mögen streiten, der Sieg ist wunderlich zum Untergang der starken gottlosen Tyrannen."
Der Bruch Münzers mit Luther und seiner Partei war schon lange vorhanden. Luther hatte manche Kirchenreformen selbst annehmen müssen, die Münzer, ohne ihn zu fragen, eingeführt hatte. Er beobachtete Münzers Tätigkeit mit dem ärgerlichen Mißtrauen des gemäßigten Reformers gegen die energischere, weitertreibende Partei. Schon im Frühjahr 1524 hatte Münzer an Melanchthon, dieses Urbild des philiströsen, hektischen Stubenhockers, geschrieben, er und Luther verständen die Bewegung gar nicht. Sie suchten sie
1 (1875) fehlt: ich habe dich heute über die Leute und über die Reiche gesetzt
im biblischen Buchstabenglauben zu ersticken, ihre ganze Doktrin sei wurmstichig. „Lieben Brüder, laßt euer Warten und Zaudern, es ist Zeit, der Sommer ist vor der Tür. Wollet nicht Freundschaft halten mit den Gottlosen, sie hindern, daß das Wort nicht wirke in voller Kraft. Schmeichelt nicht euren Fürsten, sonst werdet ihr selbst mit ihnen verderben. Ihr zarten Schriftgelehrten, seid nicht unwillig, ich kann es nicht anders machen."'246' Luther fordert Münzer mehr als einmal zur Disputation heraus; aber dieser, bereit, den Kampf jeden Augenblick vor dem Volk aufzunehmen, hatte nicht die geringste Lust, sich in eine theologische Zänkerei vor dem parteiischen Publikum der Wittenberger Universität einzulassen. Er wollte „das Zeugnis des Geistes nicht ausschließlich auf die hohe Schule bringen"t247]. Wenn Luther aufrichtig sei, so solle er seinen Einfluß dahin verwenden, daß die Schikanen gegen Münzers Drucker und das Gebot der Zensur aufhöre, damit der Kampf ungehindert in der Presse ausgefochten werden könne. Jetzt, nach der erwähnten revolutionären Broschüre Münzers, trat Luther öffentlich als Denunziant gegen ihn auf. In seinem gedruckten „Brief an die Fürsten zu Sachsen wider den aufrührerischen Geist" erklärte er Münzer für ein Werkzeug des Satans und forderte die Fürsten auf, einzuschreiten und die Anstifter des Aufruhrs zum Lande hinauszujagen, da sie sich nicht begnügen, ihre schlimmen Lehren zu predigen, sondern zum Aufstand und zur gewaltsamen Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit aufrufen. Am I.August mußte Münzer sich vor den Fürsten auf dem Schloß zu Weimar gegen die Anklage aufrührerischer Umtriebe verantworten. Es lagen höchst kompromittierende Tatsachen gegen ihn vor; man war seinem geheimen Bund auf die Spur gekommen, man hatte in den Verbindungen der Bergknappen und Bauern seine Hand entdeckt. Man bedrohte ihn mit Verbannung. Kaum nach Allstedt zurück, erfuhr er, daß Herzog Georg von Sachsen seine Auslieferung verlangte; Bundesbriefe von seiner Handschrift waren aufgefangen worden, worin er Georgs Untertanen zu bewaffnetem Widerstand gegen die Feinde des Evangeliums aufforderte. Der Rat hätte ihn ausgeliefert, wenn er nicht die Stadt verlassen hätte. Inzwischen hatte die steigende Agitation unter Bauern und Plebejern die Münzersche Propaganda ungemein erleichtert. Für diese Propaganda hatte er an den Wiedertäufern unschätzbare Agenten gewonnen. Diese Sekte, ohne bestimmte positive Dogmen, zusammengehalten nur durch ihre gemeinsame Opposition gegen alle herrschenden Klassen und durch das gemeinsame Symbol der Wiedertaufe, asketisch-streng im Lebenswandel, unermüdlich, fanatisch und unerschrocken in der Agitation, hatte sich mehr und mehr um
Münzer gruppiert. Durch die Verfolgungen von jedem festen Wohnsitz ausgeschlossen, streifte sie über ganz Deutschland und verkündete überall die neue Lehre, in der Münzer ihnen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche klargemacht hatte. Unzählige wurden gefoltert, verbrannt oder sonst hingerichtet, aber der Mut und die Ausdauer dieser Emissäre war unerschütterlich, und der Erfolg ihrer Tätigkeit, bei der schnell wachsenden Aufregung des Volks, war unermeßlich. Daher fand Münzer bei seiner Flucht aus Thüringen den Boden überall vorbereitet, er mochte sich hinwenden, wohin er wollte. Bei Nürnberg, wohin Münzer zuerst gingl248', war kaum einen Monat vorher ein Bauernaufstand im Keime erstickt worden. Münzer agitierte hier im stillen; bald traten Leute auf, die seine kühnsten theologischen Sätze von der Unverbindlichkeit der Bibel und der Nichtigkeit der Sakramente verteidigten, Christus für einen bloßen Menschen und die Gewalt der weltlichen Obrigkeit für ungöttlich erklärten. „Da sieht man den Satan umgehn, den Geist aus Allstedt!"12491 rief Luther. Hier in Nürnberg ließ Münzer seine Antwort an Luther drucken'2431. Er klagte ihn geradezu an, daß er den Fürsten heuchle und die reaktionäre Partei mit seiner Halbheit unterstütze. Aber das Volk werde trotzdem frei werden, und dem Doktor Luther werde es dann gehen wie einem gefangenen Fuchs. - Die Schrift wurde von Rats wegen mit Beschlag belegt, und Münzer mußte Nürnberg verlassen. Er ging jetzt durch Schwaben nach dem Elsaß, der Schweiz und zurück nach dem oberen Schwarzwald, wo schon seit einigen Monaten der Aufstand ausgebrochen war, beschleunigt zum großen Teil durch seine wiedertäuferischen Emissäre. Diese Propagandareise Münzers hat offenbar zur Organisation der Volkspartei, zur klaren Feststellung ihrer Forderungen und zum endlichen allgemeinen Ausbruch des Aufstandes im April 1525 wesentlich beigetragen. Die doppelte Wirksamkeit Münzers, einerseits für das Volk, dem er in der ihm damals allein verständlichen Sprache des religiösen Prophetismus zuredete, und andrerseits für die Eingeweihten, gegen die er sich offen über seine schließliche Tendenz aussprechen konnte, tritt hier besonders deutlich hervor. Hatte er schon früher in Thüringen einen Kreis der entschiedensten Leute, nicht nur aus dem Volk, sondern auch aus der niedrigen Geistlichkeit, um sich versammelt und an die Spitze der geheimen Verbindung gestellt, so wird er hier der Mittelpunkt der ganzen revolutionären Bewegung von Südwestdeutschland, so organisiert er die Verbindung von Sachsen und Thüringen über Franken und Schwaben bis nach dem Elsaß und der Schweizer Grenze und zählt die süddeutschen Agitatoren, wie Hubmaier in Waldshut, Konrad Grebel von Zürich, Franz Rabmann zu Grießen, Schappeler zu Mem
mingen, Jakob Wehe zu Leipheim, Doktor Mantel in Stuttgart, meist revolutionäre Pfarrer, unter seine Schüler und unter die Häupter des Bundes. Er selbst hielt sich meist in Grießen an der Schaffhausener Grenze auf und durchstreifte von da den Hegau, Klettgau etc. Die blutigen Verfolgungen, die die beunruhigten Fürsten und Herren überall gegen diese neue plebejische Ketzerei unternahmen, trugen nicht wenig dazu bei, den rebellischen Geist zu schüren und die Verbindung fester zusammenzuschließen. So agitierte Münzer gegen fünf Monate in Oberdeutschland und ging um die Zeit, wo der Ausbruch der Verschwörung herannahte, wieder nach Thüringen zurück, wo er den Aufstand selbst leiten wollte und wo wir ihn wiederfinden werden. Wir werden sehen, wie treu der Charakter und das Auftreten der beiden Parteichefs die Haltung ihrer Parteien selbst widerspiegeln; wie die Unentschiedenheit, die Furcht vor der ernsthaft werdenden Bewegung selbst, die feige Fürstendienerei Luthers ganz der zaudernden, zweideutigen Politik der Bürgerschaft entsprach und wie die revolutionäre Energie und Entschlossenheit Münzers in der entwickeltsten Fraktion der Plebejer und Bauern sich reproduzieren. Der Unterschied ist nur, daß, während Luther sich begnügte, die Vorstellungen und Wünsche der Majorität seiner Klasse auszusprechen und sich damit eine höchst wohlfeile Popularität bei ihr zu erwerben, Münzer im Gegenteil weit über die unmittelbaren Vorstellungen und Ansprüche der Plebejer und Bauern hinausging und sich aus der Elite der vorgefundenen revolutionären Elemente erst eine Partei bildete, die übrigens, soweit sie auf der Höhe seiner Ideen stand und seine Energie teilte, immer nur eine kleine Minorität der insurgierten Masse blieb.
III [Vorläufer des großen Bauernkriegs zwischen 1476 und 1517]
Ungefähr fünfzig Jahre nach der Unterdrückung der hussitischen Bewegung zeigten sich die ersten Symptome des aufkeimenden revolutionären Geistes unter den deutschen Bauern.* Im Bistum Würzburg, einem durch die Hussitenkriege, „durch schlechte Regierung, durch vielfältige Steuern, Abgaben, Fehde, Feindschaft, Krieg, Brand, Mord, Gefängnis und dergleichen"12501 schon früher verarmten und fortwährend von Bischöfen, Pfaffen und Adel schamlos ausgeplünderten Lande entstand 1476 die erste Bauernverschwörung. Ein junger Hirte und Musikant, Hans Böheim von Nikiashausen, auch Pauker und Pfeiferhänslein genannt, trat plötzlich im Taubergrund als Prophet auf. Er erzählte, die Jungfrau Maria sei ihm erschienen; sie habe ihm geboten, seine Pauke zu verbrennen, dem Tanz und den sündigen Wollüsten nicht ferner zu dienen, sondern das Volk zur Buße zu ermahnen. So solle denn jeder von seinen Sünden und von der eitlen Lust dieser Welt ablassen, allen Schmuck und Zierat ablegen und zur Mutter Gottes von Nikiashausen wallfahrten, um die Vergebung seiner Sünden zu erlangen. Wir finden schon hier, bei dem ersten Vorläufer der Bewegung, jenen Asketismus, den wir bei allen mittelalterlichen Aufständen mit religiöser Färbung und in der neueren Zeit im Anfang jeder proletarischen Bewegung antreffen. Diese asketische Sittenstrenge, diese Forderung der Lossagung von allen Lebensgenüssen und Vergnügungen stellt einerseits gegenüber den herrschenden Klassen das Prinzip der spartanischen Gleichheit auf und ist andrerseits eine notwendige Durchgangsstufe, ohne die die unterste Schicht der Gesellschaft sich nie in Bewegung setzen kann. Um ihre revolutionäre Energie zu
* Wir folgen in den chronologischen Daten den Angaben Zimmermanns, auf die wir bei dem Mangel ausreichender Quellen im Ausland angewiesen sind und die für den Zweck dieses Artikels vollständig genügen. [Fußnote 1850]
entwickeln, um über ihre feindselige Stellung gegenüber allen andern Elementen der Gesellschaft sich selbst klarzuwerden, um sich als Klasse zu konzentrieren, muß sie damit anfangen, alles das von sich abzustreifen, was sie noch mit der bestehenden Gesellschaftsordnung versöhnen könnte, muß sie den wenigen Genüssen entsagen, die ihr die unterdrückte Existenz noch momentan erträglich machen und die selbst der härteste Druck ihr nicht entreißen kann. Dieser plebejische und proletarische Asketismus unterscheidet sich sowohl seiner wild-fanatischen Form wie seinem Inhalt nach durchaus von dem bürgerlichen Asketismus, wie ihn die bürgerliche, lutherische Moral und die englischen Puritaner (im Unterschied von den Independenten12511 und weitergehenden Sekten) predigten, und dessen ganzes Geheimnis die bürgerliche Sparsamkeit ist. Es versteht sich übrigens, daß dieser plebejisch-proletarische Asketismus in demselben Maße seinen revolutionären Charakter verliert, in welchem einerseits die Entwicklung der modernen Produktivkräfte das Material des Genießens ins Unendliche vermehrt und damit die spartanische Gleichheit überflüssig macht und andrerseits die Lebensstellung des Proletariats und damit das Proletariat selbst immer revolutionärer wird. Er verschwindet dann allmählich aus der Masse und verläuft sich bei den Sektierern, die sich auf ihn steifen, entweder direkt in die bürgerliche Knickerei oder in ein hochtrabendes Tugendrittertum, das in der Praxis ebenfalls auf eine spießbürgerliche oder zunfthandwerkermäßige Knauserwirtschaft hinauskommt. Der Masse des Proletariats braucht die Entsagung um so weniger gepredigt zu werden, als sie fast nichts mehr hat, dem sie noch entsagen könnte. Die Bußpredigt Pfeiferhänsleins fand großen Anklang; alle Aufstandspropheten begannen mit ihr, und in der Tat konnte nur eine gewaltsame Anstrengung, eine plötzliche Lossagung von der ganzen gewohnten Daseinsweise dies zersplitterte, dünngesäete, in blinder Unterwerfung herangewachsene Bauerngeschlecht in Bewegung setzen. Die Wallfahrten nach Nikiashausen begannen und nahmen rasch überhand; und je massenhafter das Volk hinströmte, desto offener sprach der junge Rebell seine Pläne aus. Die Mutter Gottes von Nikiashausen habe ihm verkündet, predigte er, daß fortan kein Kaiser noch Fürst, noch Papst, noch andere geistliche oder weltliche Obrigkeit mehr sein sollte; ein jeder solle des andern Bruder sein, sein Brot mit seiner Hände Arbeit gewinnen und keiner mehr haben als der andere. Alle Zinsen, Gülten, Fronden, Zoll, Steuer und andre Abgaben und Leistungen sollten für ewig ab, und Wald, Wasser und Weide überall frei sein. Das Volk nahm dies neue Evangelium mit Freuden auf. Rasch breitete sich der Ruhm des Propheten, „unsrer Frauen Botschaft", in die Ferne aus; vom Odenwald, vom Main, Kocher und Jagst, ja von Bayern, Schwaben und
vom Rhein zogen ihm Haufen von Pilgern zu. Man erzählte sich Wunder, die er getan haben sollte; man fiel auf die Knie vor ihm und betete ihn an wie einen Heiligen; man riß sich um die Zotteln von seiner Kappe, als ob es Reliquien und Amulette wären. Vergeblich traten die Pfaffen gegen ihn auf, schilderten seine Gesichte als Blendwerk des Teufels, seine Wunder als höllische Betrügereien. Die Masse der Gläubigen nahm reißend zu, die revolutionäre Sekte fing an sich zu bilden, die sonntäglichen Predigten des rebellischen Hirten riefen Versammlungen von 40000 und mehr Menschen nach Nikiashausen zusammen. Mehrere Monate predigte Pfeiferhänslein vor den Massen. Aber er hatte nicht die Absicht, bei der Predigt zu bleiben. Er stand in geheimem Verkehr mit dem Pfarrer von Nikiashausen und mit zwei Rittern, Kunz von Thunfeld und seinem Sohn, die zur neuen Lehre hielten und die militärischen Führer des beabsichtigten Aufstandes werden sollten. Endlich am Sonntag vor St. Kilian, als seine Macht groß genug zu sein schien, gab er das Signal.
„Und nun", schloß er seine Predigt, „gehet heim und erwäget, was euch die allerheiligste Mutter Gottes verkündet hat; und lasset am nächsten Samstag Weiber und Kinder und Greise daheim bleiben, aber ihr, ihr Männer, kommet wieder her nach Nikiashausen auf St. Margarethentag, das ist nächsten Samstag; und bringt mit eure Brüder und Freunde, soviel ihrer sein mögen. Kommt aber nicht mit dem Pilgerstab, sondern angetan mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der andern Schwert und Spieß oder Hellebarde; und die heilige Jungfrau wird euch alsdann verkünden, was ihr Wille ist, das ihr tun sollt."
Aber ehe die Bauern in Massen ankamen, hatten die Reiter des Bischofs1 den Aufruhrpropheten nächtlicherweile abgeholt und auf das Würzburger Schloß gebracht. Am bestimmten Tage kamen an 34000 bewaffnete Bauern, aber diese Nachricht wirkte niederschlagend auf sie. Der größte Teil verlief sich; die Eingeweihteren hielten gegen 16000 zusammen und zogen mit ihnen vor das Schloß, unter der Führung Kunzens von Thunfeld und Michaels, seines Sohnes. Der Bischof brachte sie durch Versprechungen wieder zum Abzug; aber kaum hatten sie angefangen sich zu zerstreuen, so wurden sie von des Bischofs Reitern überfallen und mehrere zu Gefangenen gemacht. Zwei wurden enthauptet, Pfeiferhänslein selbst aber wurde verbrannt. Kunz von Thunfeld wurde flüchtig und erst gegen Abtretung aller seiner Güter an das Stift wieder angenommen. Die Wallfahrten nach Nikiashausen dauerten noch einige Zeit fort, wurden aber schließlich auch unterdrückt.
1 Rudolf II. von Scherenberg
Nach diesem ersten Versuch blieb Deutschland wieder längere Zeit ruhig. Erst mit Ende der neunziger Jahre begannen neue Aufstände und Verschwörungen der Bauern. Wir übergehen den holländischen Bauernaufstand von 1491 und 92, der erst durch Herzog Albrecht von Sachsen in der Schlacht bei Heemskerk unterdrückt wurde, den gleichzeitigen Aufstand der Bauern der Abtei Kempten in Oberschwaben und den friesischen Aufstand unter Syaard Aylva um 1497, der ebenfalls durch Albrecht von Sachsen unterdrückt wurde. Diese Aufstände liegen teils zu weit vom Schauplatze des eigentlichen Bauernkriegs entfernt, teils sind sie Kämpfe bisher freier Bauern gegen den Versuch, ihnen den Feudalismus aufzudrängen. Wir gehen gleich über zu den beiden großen Verschwörungen, die den Bauernkrieg vorbereiteten: dem Bundschuh und dem Armen Konrad. Dieselbe Teurung, die in den Niederlanden den Aufstand der Bauern hervorgerufen hatte, brachte 1493 im Elsaß einen geheimen Bund von Bauern und Plebejern zustande, bei dem sich auch Leute von der bloß bürgerlichen Opposition beteiligten und mit dem sogar ein Teil des niederen Adels mehr oder weniger sympathisierte. Der Sitz des Bundes war die Gegend von Schlettstadt, Sulz, Dambach, Rosheim, Scherweiler etc. etc. Die Verschwornen verlangten Plünderung und Ausrottung der Juden, deren Wucher damals schon, so gut wie jetzt, die Elsässer Bauern aussog, Einführung eines Jubeljahres, mit dem alle Schulden verjähren sollten, Aufhebung des Zolls, Umgelds und anderer Lasten, Abschaffung des geistlichen und rottweilschen (Reichs-)Gerichts[253), Steuerbewilligungsrecht, Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe von 50-60 Gulden, Abschaffung der Ohrenbeichte und eigene, selbstgewählte Gerichtefür jede Gemeinde. DerPlan der Verschwornen war, sobald man stark genug sei, das feste Schlettstadt zu überrumpeln, die Klöster- und Stadtkassen mit Beschlag zu belegen und von hier aus das ganze Elsaß zu insurgieren. Die Bundesfahne, die im Moment der Erhebung entfaltet werden sollte, enthielt einen Bauernschuh mit langen Bindriemen, den sogenannten Bundschuh, der von nun an den Bauernverschwörungen der nächsten 20 Jahre Symbol und Namen gab. Die Verschwornen pflegten ihre Zusammenkünfte des Nachts auf dem einsamen Hungerberg zu halten. Die Aufnahme in den Bund war mit den geheimnisvollsten Zeremonien und den härtesten Strafandrohungen gegen die Verräter verknüpft. Aber trotzdem kam die Sache aus, gerade als der Schlag gegen Schlettstadt geführt werden sollte, um die Karwoche 1493. Die Behörden schritten schleunig ein; viele der Verschwornen wurden verhaftet und gefoltert, und teils gevierteilt oder enthauptet, teils an Händen und Fingern
verstümmelt und des Landes verwiesen. Eine große Zahl floh nach der Schweiz. Aber mit dieser ersten Sprengung war der Bundschuh keineswegs vernichtet. Im Gegenteil, er bestand im geheimen fort, und die vielen über die Schweiz und Süddeutschland zerstreuten Flüchtlinge wurden ebenso viele Emissäre, die, überall mit dem gleichen Druck die gleiche Neigung zum Aufstand vorfindend, den Bundschuh über das ganze jetzige Baden verbreiteten. Die Zähigkeit und Ausdauer, mit der die oberdeutschen Bauern von 1493 an dreißig Jahre lang konspirierten, mit der sie alle aus ihrer ländlich-zerstreuten Lebensweise hervorgehenden Hindernisse einer größeren, zentralisierten Verbindung überwanden und nach unzähligen Sprengungen, Niederlagen, Hinrichtungen der Führer immer von neuem wieder konspirierten, bis endlich die Gelegenheit zum Aufstand in Masse kam - diese Hartnäckigkeit ist wirklich bewundernswert. 1502 zeigten sich im Bistum Speyer, das damals auch die Gegend von Bruchsal umfaßte, Zeichen einer geheimen Bewegung unter den Bauern. Der Bundschuh hatte sich hier wirklich mit bedeutendem Erfolg reorganisiert. An 7000 Männer waren in der Verbindung, deren Zentrum zu Untergrombach, zwischen Bruchsal und Weingarten, war und deren Verzweigungen sich den Rhein hinab bis an den Main, hinauf bis über die Markgrafschaft Baden erstreckten. Ihre Artikel enthielten: Es solle keine Zins noch Zehnt, Steuer oder Zoll mehr an Fürsten, Adel und Pfaffen gezahlt werden; die Leibeigenschaft soll abgetan sein, die Klöster und sonstigen geistlichen Güter eingezogen und unter das Volk Verteilt und kein anderer Herr mehr anerkannt werden als der Kaiser. Wir finden hier zum erstenmal bei den Bauern die beiden Forderungen der Säkularisation der geistlichen Güter zum Besten des Volks und der einigen und unteilbaren deutschen Monarchie ausgesprochen; zwei Forderungen, die von nun an bei der entwickelteren Fraktion der Bauern und Plebejer regelmäßig wieder erscheinen, bis Thomas Münzer die Teilung der geistlichen Güter in ihre Konfiskation zum Besten der Gütergemeinschaft und das einige deutsche Kaisertum in die einige und unteilbare Republik verwandelt. Der erneuerte Bundschuh hatte, wie der alte, seinen geheimen Versammlungsort, seinen Eid der Verschwiegenheit, seine Aufnahmezeremonien und seine Bundschuhfahne mit der Inschrift: „Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes!" Der Plan der Handlung war dem der Elsässer ähnlich; Bruchsal, wo die Majorität der Einwohner im Bunde war, sollte überrumpelt, dort ein Bundesheer organisiert und als wandelndes Sammlungszentrum in die umliegenden Fürstentümer geschickt werden.
Der Plan Wirde verraten durch einen Geistlichen, dem einer der Verschwornen ihn gebeichtet hatte. Sogleich ergriffen die Regierungen Gegenmaßregeln. Wie weit der Bund verzweigt war, zeigt sich aus dem Schrecken, der die verschiedenen Elsässer Reichsstände und den Schwäbischen Bund12541 ergriff. Man zog Truppen zusammen und ließ massenhafte Verhaftungen bewerkstelligen. Kaiser Maximilian, der ,,letzte Ritter", erließ die blutdürstigsten Strafverordnungen gegen das unerhörte Unternehmen der Bauern. Hier und dort kam es zu Zusammenrottungen und bewaffnetem Widerstand; doch hielten sich die vereinzelten Bauernhaufen nicht lange. Einige der Verschwornen wurden hingerichtet, manche flohen; doch wurde das Geheimnis so gut bewahrt, daß die meisten, selbst der Führer, entweder in ihren eigenen Ortschaften oder doch in benachbarter Herren Ländern ganz ungestört bleiben konnten. Nach dieser neuen Niederlage trat wieder eine längere scheinbare Stille in den Klassenkämpfen ein. Aber unterderhand wurde fortgearbeitet. In Schwaben bildete sich, offenbar in Verbindung mit den zersprengten Mitgliedern des Bundschuhs, schon in den ersten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts der Arme Konrad; im Schwarzwald bestand der Bundschuh in einzelnen kleineren Kreisen fort, bis es nach zehn Jahren einem energischen Bauernchef gelang, die einzelnen Fäden wieder zu einer großen Verschwörung zusammenzuknüpfen. Beide Verschwörungen traten kurz nacheinander in die Öffentlichkeit und fallen in die bewegten Jahre 1513-15, in denen gleichzeitig die Schweizer, ungarischen und slowenischen Bauern eine Reihe von bedeutenden Insurrektionen machen. Der Wiederhersteller des oberrheinischen Bundschuhs war Joß Fritz aus Untergrombach, Flüchtling von der Verschwörung von 1502, ein ehemaliger Soldat und ein in jeder Beziehung hervorragender Charakter. Er hatte sich seit seiner Flucht zwischen Bodensee und Schwarzwald an verschiedenen Orten aufgehalten und sich schließlich in Lehen bei Freiburg im Breisgau niedergelassen, wo er sogar Bannwart geworden war. Wie er von hier aus die Verbindung reorganisierte, wie geschickt er die verschiedenartigsten Leute hineinzubringen wußte, darüber enthalten die Untersuchungsakten die interessantesten Details. Es gelang dem diplomatischen Talent und der unermüdlichen Ausdauer dieses Musterkonspirateurs, eine ungemeine Anzahl von Leuten der verschiedensten Klassen in den Bund zu verwickeln: Ritter, Pfaffen, Bürger, Plebejer und Bauern; und es scheint ziemlich sicher, daß er sogar mehrere, mehr oder minder scharf geschiedne Grade der Verschwörung organisierte. Alle brauchbaren Elemente wurden mit der größten Umsicht und Geschicklichkeit benutzt. Außer den eingeweihteren Emissären, die in den
verschiedensten Verkleidungen das Land durchstreiften, wurden die Landstreicher und Bettler zu den untergeordneteren Missionen verwandt. Mit den Bettlerkönigen stand Joß in direktem Verkehr und hielt durch sie die ganze zahlreiche Vagabundenbevölkerung unter der Hand. Diese Bettlerkönige spielen in seiner Verschwörung eine bedeutende Rolle. Es waren höchst originelle Figuren: Einer zog mit einem Mädchen umher, auf dessen angeblich wunde Füße er bettelte; er trug mehr als acht Zeichen am Hut, die vierzehn Nothelfer, St. Ottilien, unsere Frauen u.a., dazu einen langen roten Bart und einen großen Knotenstock mit Dolch und Stachel; ein anderer, der um St. Veltens willen heischte, hatte Gewürz und Wurmsamen feil, trug einen eisenfarbnen langen Rock, ein rotes Barett und das Kindlein von Trient daran, einen Degen an der Seite und viele Messer nebst einem Dolch im Gürtel; andre hatten künstlich offengehaltene Wunden, dazu ähnliche abenteuerliche Kostüme. Es waren ihrer mindestens zehn; sie sollten, gegen 2000 Gulden Belohnung, zu gleicher Zeit im Elsaß, in der Markgrafschaft Baden und im Breisgau Feuer anlegen und sich mit wenigstens 2000 Mann der Ihrigen auf den Tag der Zaberner Kirchweih in Rosen unter das Kommando Georg Schneiders, eines ehemaligen Landsknechthauptmanns stellen, um die Stadt einzunehmen. Unter den eigentlichen Bundesmitgliedern wurde von Station zu Station ein Stafettendienst eingerichtet, und Joß Fritz und sein Hauptemissär, Stoffel von Freiburg, ritten fortwährend von Ort zu Ort und nahmen nächtliche Heerschau ab über die Neuangeworbenen. Über die Verbreitung des Bundes am Oberrhein und im Schwarzwald legen die Untersuchungsakten hinreichend Zeugnis ab; sie enthalten unzählige Namen von Mitgliedern, nebst den Signalements, aus den verschiedensten Orten jener Gegend. Die meisten sind Handwerksgesellen, dann Bauern und Wirte, einige Adelige, Pfaffen (so der von Lehen selbst) und brotlose Landsknechte. Man sieht schon aus dieser Zusammensetzung den viel entwickelteren Charakter, den der Bundschuh unter Joß Fritz angenommen hatte; das plebejische Element der Städte fing an sich mehr und mehr geltend zu machen. Die Verzweigungen der Verschwörung gingen über den ganzen Elsaß, das jetzige Baden, bis nach Württemberg und an den Main. Zuweilen wurden auf abgelegenen Bergen, auf dem Kniebis etc. etc. größere Versammlungen gehalten und die Bundesangelegenheiten beraten. Die Zusammenkünfte der Chefs, denen die Mitglieder der Lokalität sowie Delegierte der entfernteren Ortschaften häufig beiwohnten, fanden auf der Hartmatte bei Lehen statt, und hier wurden auch die vierzehn Bundesartikel angenommen. Kein Herr mehr als der Kaiser und (nach einigen) der Papst; Abschaffung des rottweilschen, Beschränkung des geistlichen Gerichts auf geistliche Sachen; Abschaffung
aller Zinsen, die so lange gezahlt seien, bis sie dem Kapital gleichkämen; fünf Prozent Zinsen als höchster erlaubter Satz, Freiheit der Jagd, Fischerei, Weide und Holzung; Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe; Konfiskation der geistlichen Güter und Klosterkleinodien für die Bundeskriegskasse; Abschaffung aller unbilligen Steuern und Zölle; ewiger Friede in der gesamten Christenheit; energisches Einschreiten gegen alle Gegner des Bundes; Bundessteuer; Einnahme einer festen Stadt - Freiburgs -, um dem Bunde zum Zentrum zu dienen; Eröffnung von Unterhandlungen mit dem Kaiser, sobald die Bundeshaufen versammelt seien, und mit der Schweiz, im Fall der Kaiser abschlage - das sind die Punkte, über die man übereinkam. Man sieht aus ihnen, wie einerseits die Forderungen der Bauern und Plebejer eine immer bestimmtere und festere Gestalt annahmen, anderseits den Gemäßigten und Zaghaften in demselben Maße Konzessionen gemacht werden mußten. Gegen Herbst 1513 sollte losgeschlagen werden. Es fehlte nur noch an der Bundesfahne, und diese malen zu lassen, ging Joß Fritz nach Heilbronn. Sie enthielt neben allerlei Emblemen und Bildern den Bundschuh und die Inschrift: Herr, steh deiner göttlichen Gerechtigkeit bei. Aber während er fort war, wurde ein übereilter Versuch zur Überrumpelung von Freiburg gemacht und vor der Zeit entdeckt; einige Indiskretionen bei der Propaganda halfen dem Freiburger Rat und dem badischen Markgrafen auf die richtige Spur, und der Verrat zweier Verschwornen vollendete die Reihe der Enthüllungen. Sofort sandten der Markgraf, der Freiburger Rat und die kaiserliche Regierung zu Ensisheim ihre Häscher und Soldaten aus; eine Anzahl Bundschuher wurde verhaftet, gefoltert und hingerichtet; doch auch diesmal entkamen die meisten, namentlich Joß Fritz. Die Schweizer Regierungen verfolgten die Flüchtlinge diesmal mit großer Heftigkeit und richteten selbst mehrere hin; aber sie konnten ebensowenig wie ihre Nachbarn verhindern, daß der größte Teil der Flüchtigen fortwährend in der Nähe seiner bisherigen Wohnorte blieb und nach und nach sogar zurückkehrte. Am meisten wütete die Elsässer Regierung in Ensisheim; auf ihren Befehl wurden sehr viele geköpft, gerädert und gevierteilt. Joß Fritz selbst hielt sich meist auf dem schweizerischen Rheinufer auf, ging aber häufig nach dem Schwarzwald herüber, ohne daß man seiner je habhaft werden konnte. Warum die Schweizer diesmal sich mit den Nachbarregierungen gegen die Bundschuher verbanden, das zeigt der Bauernaufstand, der im nächsten Jahre, 15 1 412551, in Bern, Solothurn und Luzern zum Ausbruch kam und eine Epuration der aristokratischen Regierungen und des Patriziats überhaupt zur Folge hatte. Die Bauern setzten außerdem manche Vorrechte für sich durch. Wenn diese schweizerischen Lokalaufstände gelangen, so lag dies einfach dar
an, daß in der Schweiz noch weit weniger Zentralisation bestand als in Deutschland. Mit ihren Lokalherren wurden die Bauern auch 1525 überall fertig, aber den organisierten Heeresmassen der Fürsten erlagen sie, und gerade diese existierten nicht in der Schweiz. Gleichzeitig mit dem Bundschuh in Baden und offenbar in direkter Verbindung mit ihm hatte sich in Württemberg eine zweite Verschwörung gebildet. Sie bestand urkundlich schon seit 1503, und da der Name Bundschuh seit der Sprengung der Untergrombacher zu gefährlich wurde, nahm sie den des Armen Konrad an. Ihr Hauptsitz war das Remstal unterhalb des Hohenstaufenbergs. Ihre Existenz war wenigstens unter dem Volk schon lange kein Geheimnis mehr. Der schamlose Druck der Regierung Ulrichs und eine Reihe von Hungerjahren, die zum Ausbruch der Bewegungen von 1513 und 14 mächtig beitrugen, hatten die Zahl der Verbündeten verstärkt; die neuaufgelegten Steuern auf Wein, Fleisch und Brot sowie eine Kapitalsteuer von einem Pfennig jährlich für jeden Gulden provozierten den Ausbruch. Die Stadt Schorndorf, wo die Häupter des Komplotts in des Messerschmieds Kaspar Pregizers Haus zusammenkamen, sollte zuerst genommen werden. Im Frühjahr 1514 brach der Aufstand los. 3000, nach andern 5000 Bauern zogen vor die Stadt, wurden aber durch gütliche Versprechungen der herzoglichen Beamten wieder zum Abzug bewogen: Herzog Ulrich eilte herbei mit achtzig Reitern, nachdem er die Aufhebung der neuen Steuern zugesagt hatte, und fand infolge dieses Versprechens alles ruhig. Er versprach einen Landtag zu berufen, um dort alle Beschwerden untersuchen zu lassen. Aber die Chefs der Verbindung wußten sehr gut, daß Ulrich weiter nichts beabsichtige, als das Volk so lange ruhig zu halten, bis er hinreichende Truppen angeworben und zusammengezogen habe, um sein Wort brechen und die Steuern mit Gewalt eintreiben zu können. Sie ließen daher von Kaspar Pregizers Haus, „des Armen Konrads Kanzlei", Aufforderungen zu einem Bundeskongreß ausgehen, den Emissäre nach allen Richtungen hin unterstützten. Der Erfolg der ersten Erhebung im Remstal hatte die Bewegung unter dem Volk überall gehoben; die Schreiben und Emissäre fanden überall ein günstiges Terrain vor, und so wurde der am 28. Mai in Untertürkheim abgehaltene Kongreß zahlreich von allen Teilen Württembergs beschickt. Es wurde beschlossen, schleunig fortzuagitieren und bei der ersten Gelegenheit im Remstal loszuschlagen, um von hier aus den Aufstand weiterzuverbreiten. Während Bantelhans von Dettingen, ein ehemaliger Soldat, und Singerhans von Würtingen, ein angesehener Bauer, die Schwäbische Alb in den Bund brachten, brach schon von allen Seiten der Aufstand los. Singerhans wurde zwar überfallen und gefangen, aber die Städte Backnang, Winnenden, Markgröningen
fielen in die Hände der mit den Plebejern verbündeten Bauern, und das ganze Land von Weinsberg bis Blaubeuren und von dort bis an die badische Grenze war in offener Insurrektion; Ulrich mußte nachgeben. Während er aber den Landtag auf den 25. Juni einberief, schrieb er zu gleicher Zeit an die umliegenden Fürsten und freien Städte um Hülfe gegen den Aufstand, der alle Fürsten, Obrigkeit und Ehrbarkeit im Reich gefährde und „ein seltsam bundschühlich Ansehn habe". Inzwischen kam der Landtag, d. h. die Abgeordneten der Städte und viele Delegierte der Bauern, die ebenfalls Sitz auf dem Landtag verlangten, schon am 18. Juni in Stuttgart zusammen. Die Prälaten waren noch nicht da, die Ritter waren gar nicht eingeladen. Die Stuttgarter städtische Opposition sowie zwei nahe, drohende Bauernhaufen, zu Leonberg und im Remstal, unterstützten die Forderungen der Bauern. Ihre Delegierten wurden zugelassen, und man beschloß die drei verhaßten Räte des Herzogs, Lamparter, Thumb und Lorcher, abzusetzen und zu bestrafen, einen Rat von vier Rittern, vier Bürgern und vier Bauern dem Herzog beizugeben, ihm eine fixe Zivilliste zu bewilligen und die Klöster und Stifter zum Besten des Staatsschatzes zu konfiszieren. Herzog Ulrich setzte diesen revolutionären Beschlüssen einen Staatsstreich entgegen. Er ritt am 2I.Juni mit seinen Rittern und Räten nach Tübingen, wohin ihm die Prälaten folgten, befahl der Bürgerschaft ebenfalls dorthin zu kommen, was auch geschah, und setzte hier den Landtag ohne die Bauern fort. Hier verrieten die Bürger, unter den militärischen Terrorismus gestellt, ihre Bundesgenossen, die Bauern. Am 8. Juli kam der Tübinger Vertrag zustande, der dem Lande beinahe eine Million herzoglicher Schulden, dem Herzog einige Beschränkungen auflegte, die er nie einhielt, und die Bauern mit einigen dünnen allgemeinen Redensarten und einem sehr positiven Strafgesetz gegen Aufruhr und Verbindungen abspeiste. Von Vertretung der Bauern auf dem Landtag war natürlich keine Rede mehr. Das Landvolk schrie über Verrat; aber da der Herzog, seit der Übernahme seiner Schulden durch die Stände, wieder Kredit hatte, so brachte er bald Truppen zusammen, und auch seine Nachbarn, besonders der Kurfürst von der Pfalz, schickten Hülfstruppen. So wurde bis Ende Juli der Tübinger Vertrag vom ganzen Lande angenommen und die neue Huldigung geleistet. Nur im Remstal leistete der Arme Konrad Widerstand; der Herzog, der wieder selbst hinritt, wurde fast ermordet und ein Bauernlager auf dem Kappelberg gebildet. Aber als die Sache sich in die Länge zog, verliefen sich die meisten Insurgenten wieder aus Mangel an Lebensmitteln, und der Rest ging infolge eines zweideutigen Vertrags1258' mit einigen Landtagsabgeordneten ebenfalls heim. Ulrich, dessen Heer in
zwischen noch durch die bereitwillig gestellten Fähnlein der Städte verstärkt wurde, die sich jetzt nach Erlangung ihrer Forderungen fanatisch gegen die Bauern kehrten, Ulrich überfiel jetzt trotz des Vertrags das Remstal, dessen Städte und Dörfer geplündert wurden. 1600 Bauern wurden verhaftet, davon 16 sofort enthauptet, die übrigen meist zu schweren Geldstrafen zum Besten von Ulrichs Kasse verurteilt. Viele blieben lange im Gefängnis. Gegen die Erneuerung der Verbindung, gegen alle Versammlungen der Bauern wurden strenge Strafgesetze erlassen, und der schwäbische Adel schloß einen speziellen Bund zur Unterdrückung aller Aufstandsversuche. - Die Hauptführer des Armen Konrad waren indes glücklich nach der Schweiz entkommen und kamen von dort nach einigen Jahren meist einzeln wieder nach Hause. Gleichzeitig mit der württembergischen Bewegung zeigten sich Symptome neuer Bundschuhumtriebe im Breisgau und in der Markgrafschaft Baden. Bei Bühl wurde im Juni ein Versuch zum Aufstand gemacht, aber vom Markgraf Philipp gleich gesprengt und der Führer Gugel-Bastian in Freiburg verhaftet und enthauptet. In demselben Jahre 1514, ebenfalls im Frühjahr, kam in Ungarn ein allgemeiner Bauernkrieg zum Ausbruch. Es wurde ein Kreuzzug wider die Türken gepredigt und wie gewöhnlich den Leibeignen und Hörigen, die sich anschlössen, die Freiheit zugesagt. Gegen 60000 kamen zusammen und wurden unter das Kommando Georg Dözsas, eines Szeklers[2571, gestellt, der sich schon in früheren Türkenkriegen ausgezeichnet und den Adel erworben hatte. Aber die ungarischen Ritter und Magnaten sahen nur ungern diesen Kreuzzug, der ihnen ihr Eigentum, ihre Knechte, zu entziehen drohte. Sie eilten den einzelnen Bauernhaufen nach und holten ihre Leibeignen mit Gewalt und unter Mißhandlungen zurück. Als dies im Kreuzheer bekannt wurde, brach die Wut der unterdrückten Bauern los. Zwei der eifrigsten Kreuzprediger, Laurentius und Barnabas, stachelten den Haß gegen den Adel im Heer durch ihre revolutionären Reden noch heftiger an. Dozsa selbst teilte den Zorn seiner Truppen gegen den verräterischen Adel; das Kreuzheer wurde eine Revolutionsarmee, und er stellte sich an die Spitze dieser neuen Bewegung. Er lagerte mit seinen Bauern auf dem Räkosfelde bei Pest. Die Feindseligkeiten wurden eröffnet durch Streitigkeiten mit den Leuten der Adelspartei in den umliegenden Dörfern und den Pester Vorstädten; bald kam es zu Scharmützeln, endlich zu einer Sizilianischen Vesper'2581 für alle Adligen, die den Bauern in die Hände fielen, und zur Niederbrennung aller umliegenden Schlösser. Der Hof drohte, aber umsonst. Als die erste Volksjustiz unter den Mauern der Hauptstadt am Adel vollstreckt war, schritt Dözsa zu weiteren Operationen. Er teilte sein Heer in fünf Kolonnen. Zwei wurden nach dem
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oberungarischen Gebirge geschickt, um hier alles zu insurgieren und den Adel auszurotten. Die dritte, unter Ambros Szaleresi, einem Pester Bürger, blieb zur Beobachtung der Hauptstadt auf dem Räkos; die vierte und fünfte führten Dözsa und sein Bruder Gregor gegen Szegedin. Inzwischen sammelte sich der Adel in Pest und rief den Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Zapolya, zu Hülfe. Der Adel, in Gemeinschaft mit den Bürgern von Budapest, schlug und vernichtete das auf dem Räkos lagernde Korps, nachdem Szaleresi mit den bürgerlichen Elementen des Bauernheers zum Feinde übergegangen war. Eine Menge Gefangener wurden auf die grausamste Weise hingerichtet, der Rest mit abgeschnittenen Nasen und Ohren nach Hause geschickt. Dozsa scheiterte vor Szegedin und zog gegen Csanad, das er eroberte, nachdem er ein Adelsheer unter Batori Istvän und dem Bischof Csäky geschlagen und an den Gefangenen, worunter auch der Bischof und der königliche Schatzmeister Teleki, blutige Repressalien für die Grausamkeiten auf dem Räkos genommen hatte. In Csanad proklamierte er die Republik, die Abschaffung des Adels, die allgemeine Gleichheit und die Souveränetät des Volks und zog dann gegen Temesvar, wohinein sich Bätori geworfen hatte. Aber während er diese Festung zwei Monate lang belagerte und durch ein neues Heer unter Anton Hosszu verstärkt wurde, erlagen die beiden oberungarischen Heerhaufen in mehreren Schlachten vor dem Adel und rückte Johann Zapolya mit der siebenbürgischen Armee gegen ihn an. Die Bauern wurden von Zapolya überfallen und zersprengt, Dözsa selbst gefangen, auf einem glühenden Thron gebraten und von seinen eigenen Leuten, die nur unter dieser Bedingung das Leben geschenkt erhielten, lebendig gegessen. Die versprengten Bauern, von Laurentius und Hosszu wieder gesammelt, wurden nochmals geschlagen und alles, was den Feinden in die Hände fiel, gepfählt oder gehängt. Zu Tausenden hingen die Bauernleichen die Straßen entlang oder an den Eingängen verbrannter Dörfer. An 60000 sollen teils gefallen, teils massakriert sein. Der Adel aber trug Sorge, auf dem nächsten Landtag die Knechtschaft der Bauern abermals als Gesetz des Landes zur Anerkennung zu bringen. Der Bauernaufstand in der „windischen Mark", d. h. in Kärnten, Krain und Steiermark, der um dieselbe Zeit losbrach, beruhte auf einer bundschuhartigen Verschwörung, die sich in dieser von Adel und kaiserlichen Beamten ausgesognen, von Türkeneinfällen verheerten und von Hungersnot geplagten Gegend schon 1503 gebildet und einen Aufstand hervorgerufen hatte. Die slowenischen Bauern dieser Gegend sowohl wie die deutschen erhoben schon 1513 wieder die Kriegsfahne der stara prawa (der alten Rechte), und wenn sie auch in die
sem Jahr sich nochmals beschwichtigen ließen, wenn sie 1514, wo sie sich noch massenhafter zusammenrotteten, durch Kaiser Maximilians ausdrückliche Zusage, die alten Rechte wiederherzustellen, zum Auseinandergehen bewogen wurden, so brach 1515 im Frühjahr der Rachekrieg des stets getäuschten Volks um so heftiger los. Wie in Ungarn, wurden Schlösser und Klöster überall zerstört und die gefangenen Adligen von Bauerngeschworenen gerichtet und enthauptet. In Steiermark und Kärnten gelang es dem kaiserlichen Hauptmann Dietrichstein, den Aufstand bald zu dämpfen; in Krain wurde er erst durch den Überfall von Rain (Herbst 1516) und durch die darauffolgenden, den Infamien des ungarischen Adels sich würdig anschließenden, zahllosen östreichischen Grausamkeiten unterdrückt. Man begreift, daß nach einer Reihe so entscheidender Niederlagen und nach diesen massenhaften Grausamkeiten des Adels die Bauern in Deutschland eine längere Zeit ruhig waren. Und doch hörten weder die Verschwörungen noch die Lokalaufstände ganz auf. Schon 1516 kamen die meisten Flüchtlinge vom Bundschuh und Armen Konrad nach Schwaben und dem Oberrhein zurück, und 1517 war der Bundschuh im Schwarzwald wieder in vollem Gange. Joß Fritz selbst, der noch immer die alte Bundschuhfahne von 1513 auf der Brust versteckt mit sich führte, durchstreifte den Schwarzwald wieder und entwickelte große Tätigkeit. Die Verschwörung organisierte sich aufs neue. Wie vor vier Jahren wurden wieder Versammlungen auf dem Kniebis angesagt. Aber das Geheimnis wurde nicht gehalten, die Regierungen erfuhren die Sache und schritten ein. Mehrere wurden gefangen und hingerichtet; die tätigsten und intelligentesten Mitglieder mußten fliehen, unter ihnen Joß Fritz, dessen man auch diesmal nicht habhaft wurde, der aber bald darauf in der Schweiz gestorben zu sein scheint, da er von jetzt an nirgends mehr genannt wird.
IV [Der Adelsaufstand]
Um dieselbe Zeit, wo im Schwarzwald die vierte Bundschuhverschwörung unterdrückt wurde, gab Luther in Wittenberg das Signal zu der Bewegung, die alle Stände mit in den Strudel reißen und das ganze Reich erschüttern sollte. Die Thesen des thüringischen Augustiners12591 zündeten wie ein Blitz in ein Pulverfaß. Die mannigfaltig durcheinanderkreuzenden Bestrebungen der Ritter wie der Bürger, der Bauern wie der Plebejer, der souveränetätssüchtigen Fürsten wie der niederen Geistlichkeit, der mystizisierenden verborgenen Sekten wie der gelehrten und satirisch-burlesken Schriftstelleropposition12601 erhielten in ihnen einen zunächst gemeinsamen allgemeinen Ausdruck, um den sie sich mit überraschender Schnelligkeit gruppierten. Diese über Nacht gebildete Allianz aller Oppositionselemente, so kurz ihre Dauer war, enthüllte plötzlich die ungeheure Macht der Bewegung und trieb sie um so rascher voran. Aber eben diese rasche Entwicklung der Bewegung mußte auch sehr bald die Keime des Zwiespalts entwickeln, die in ihr lagen, mußte wenigstens die durch ihre ganze Lebensstellung direkt einander entgegenstehenden Bestandteile der erregten Masse wieder voneinander reißen und in ihre normale feindliche Stellung bringen. Diese Polarisation der bunten Oppositionsmasse um zwei Attraktionszentren trat schon in den ersten Jahren der Reformation hervor; Adel und Bürger gruppierten sich unbedingt um Luther; Bauern und Plebejer, ohne schon in Luther einen direkten Feind zu sehen, bildeten wie früher eine besondere, revolutionäre Oppositionspartei. Nur daß die Bewegung jetzt viel allgemeiner, viel tiefergreifend war als vor Luther, und daß damit die Notwendigkeit des scharf ausgesprochenen Gegensatzes, der direkten Bekämpfung beider Parteien untereinander gegeben war. Dieser direkte Gegensatz trat bald ein; Luther und Münzer bekämpften sich in der Presse und auf der Kanzel, wie die größtenteils aus lutherischen oder wenigstens zum Luthertum hinneigenden Kräften bestehenden Heere der Fürsten, Ritter und Städte die Haufen der Bauern und Plebejer zersprengten.
Wie sehr die Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Elemente, die die Reformation angenommen, auseinandergingen, zeigt schon vor dem Bauernkrieg der Versuch des Adels, seine Forderungen gegenüber den Fürsten und Pfaffen durchzusetzen. Wir haben schon oben gesehen, welche Stellung der deutsche Adel im Anfang des 16. Jahrhunderts einnahm. Er war im Begriff, seine Unabhängigkeit an die immer mächtiger werdenden weltlichen und geistlichen Fürsten zu verlieren. Er sah zu gleicher Zeit, in demselben Maß wie er sank, auch die Reichsgewalt sinken und das Reich sich in eine Anzahl souveräner Fürstentümer auflösen. Sein Untergang mußte für ihn mit dem Untergang der Deutschen als Nation zusammenfallen. Dazu kam, daß der Adel, besonders der reichsunmittelbare Adel, derjenige Stand war, der sowohl durch seinen militärischen Beruf wie durch seine Stellung gegenüber den Fürsten das Reich und die Reichsgewalt besonders vertrat. Er war der nationalste Stand, und je mächtiger die Reichsgewalt, je schwächer und je weniger zahlreich die Fürsten, je einiger Deutschland, desto mächtiger war er. Daher der allgemeine Unwille der Ritterschaft über die erbärmliche politische Stellung Deutschlands, über die Ohnmacht des Reichs nach außen, die in demselben Maße zunahm, als das Kaiserhaus durch Erbschaft eine Provinz nach der andern an das Reich anhing; über die Intrigen fremder Mächte im Innern Deutschlands und die Komplotte deutscher Fürsten mit dem Ausland gegen die Reichsgewalt. Die Forderungen des Adels mußten sich also vor allem in der Forderung einer Reichsreform zusammenfassen, deren Opfer die Fürsten und die höhere Geistlichkeit werden sollten. Diese Zusammenfassung übernahm Ulrich von Hutten, der theoretische Repräsentant des deutschen Adels, in Gemeinschaft mit Franz von Sic^ingen, seinem militärischen und staatsmännischen Repräsentanten. Hutten hat seine im Namen des Adels geforderte Reichsreform sehr bestimmt ausgesprochen und sehr radikal gefaßt. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die Beseitigung sämtlicher Fürsten, die Säkularisation sämtlicher geistlichen Fürstentümer und Güter, um die Herstellung einer Adelsdemokratie mit monarchischer Spitze, ungefähr wie sie in den besten Tagen der weiland polnischen Republik bestanden hat. Durch die Herstellung der Herrschaft des Adels, der vorzugsweise militärischen Klasse, durch die Entfernung der Fürsten, der Träger der Zersplitterung, durch die Vernichtung der Macht der Pfaffen und durch die Losreißung Deutschlands von der geistlichen Herrschaft Roms glaubten Hutten und Sickingen, das Reich wieder einig, frei und mächtig zu machen. Die auf der Leibeigenschaft beruhende Adelsdemokratie, wie sie in Polen
und in etwas modifizierter Form in den ersten Jahrhunderten der von den Germanen eroberten Reiche bestanden hat, ist eine der rohesten Gesellschaftsformen und entwickelt sich ganz normal weiter zur ausgebildeten Feudalhierarchie, die schon eine bedeutend höhere Stufe ist. Diese reine Adelsdemokratie war also im 16. Jahrhundert unmöglich. Sie war schon unmöglich, weil überhaupt bedeutende und mächtige Städte in Deutschland bestanden. Auf der andern Seite war aber auch jene Allianz des niedern Adels und der Städte unmöglich, die in England die Verwandlung der feudal-ständischen Monarchie in die bürgerlich-konstitutionelle zustande brachte. In Deutschland hatte sich der alte Adel erhalten, in England war er durch die Rosenkriege t261] bis auf 28 Familien ausgerottet und wurde durch einen neuen Adel bürgerlichen Ursprungs und mit bürgerlichen Tendenzen ersetzt; in Deutschland bestand die Leibeigenschaft fort, und der Adel hatte feudale Einkommenquellen, in England war sie fast ganz beseitigt, und der Adel war einfacher bürgerlicher Grundbesitzer mit der bürgerlichen Einkommenquelle: der Grundrente. Endlich war die Zentralisation der absoluten Monarchie, die in Frankreich seit Ludwig XI. durch den Gegensatz von Adel und Bürgerschaft bestand und sich immer weiter ausbildete, schon darum in Deutschland unmöglich, weil hier überhaupt die Bedingungen der nationalen Zentralisation gar nicht oder nur unentwickelt vorhanden waren. Je mehr unter diesen Verhältnissen Hutten sich auf die praktische Durchführung seines Ideals einließ, desto mehr Konzessionen mußte er machen und desto unbestimmter mußten die Umrisse seiner Reichsreform werden. Der Adel allein war nicht mächtig genug, das Unternehmen durchzusetzen, das bewies seine wachsende Schwäche gegenüber den Fürsten. Man mußte Bundesgenossen haben, und die einzig möglichen waren die Städte, die Bauern und die einflußreichen Theoretiker der Reformationsbewegung. Aber die Städte kannten den Adel hinreichend, um ihm nicht zu trauen und jedes Bündnis mit ihm zurückzuweisen. Die Bauern sahen im Adel, der sie aussog und mißhandelte, mit vollem Recht ihren bittersten Feind. Und die Theoretiker hielten es entweder mit den Bürgern, Fürsten oder den Bauern. Was sollte auch der Adel den Bürgern und Bauern Positives versprechen von einer Reichsreform, deren Hauptzweck immer die Hebung des Adels war? Unter diesen Umständen blieb Hutten nichts übrig, alsinseinenPropagandaschriften über die künftige gegenseitige Stellung des Adels, der Städte und der Bauern wenig oder gar nichts zu sagen, alles Übel auf die Fürsten und Pfaffen und die Abhängigkeit von Rom zu schieben und den Bürgern nachzuweisen, daß ihr Interesse ihnen gebiete, im bevorstehenden Kampf zwischen Fürsten und Adel sich mindestens neutral zu halten. Von Aufhebung der Leibeigenschaft
und der Lasten, die der Bauer dem Adel schuldig war, ist bei Hutten nirgends die Rede. Die Stellung des deutschen Adels gegenüber den Bauern war damals ganz dieselbe wie die des polnischen Adels zu seinen Bauern in den Insurrektionen 1830-461. Wie in den modernen polnischen Aufständen, war damals in Deutschland die Bewegung nur durchzuführen durch eine Allianz aller Oppositionsparteien und namentlich des Adels mit den Bauern. Aber grade diese Allianz war in beiden Fällen unmöglich. Weder war der Adel in die Notwendigkeit versetzt, seine politischen Privilegien und seine Feudalgerechtsame gegenüber den Bauern aufzugeben, noch konnten die revolutionären Bauern sich auf allgemeine unbestimmte Aussichten hin in eine Allianz mit dem Adel einlassen, mit dem Stand, der sie gerade am meisten bedrückte. Wie in Polen 1830, so konnte in Deutschland 1522 der Adel die Bauern nicht mehr gewinnen. Nur die gänzliche Beseitigung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, das Aufgeben aller Adelsprivilegien hätte das Landvolk mit dem Adel vereinigen können; aber der Adel, wie jeder privilegierte Stand, hatte nicht die geringste Lust, seine Vorrechte, seine ganze exzeptionelle Stellung und den größten Teil seiner Einkommenquellen freiwillig aufzugeben. Der Adel stand also schließlich, als es zum Kampfe kam, den Fürsten allein gegenüber. Daß die Fürsten, die ihm seit zwei Jahrhunderten fortwährend Terrain abgewonnen, ihn auch diesmal mit leichter Mühe erdrücken mußten, war vorherzusehen. Der Verlauf des Kampfes selbst ist bekannt. Hutten und Sickingen, der schon als politisch-militärischer Chef des mitteldeutschen Adels anerkannt war, brachten 1522 zu Landau einen Bund des rheinischen, schwäbischen und fränkischen Adels auf sechs Jahre zustande, angeblich zur Selbstverteidigung; Sickingen zog ein Heer, teils aus eignen Mitteln, teils in Verbindung mit den umliegenden Rittern, zusammen, organisierte Werbungen und Zuzüge in Franken, am Niederrhein, in den Niederlanden und Westfalen und eröffnete im September 1522 die Feindseligkeiten mit einer Fehdeerklärung an den Kurfürsten-Erzbischof von Trier. Aber während er vor Trier lag, wurden seine Zuzüge durch rasches Einschreiten der Fürsten abgeschnitten; der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von der Pfalz zogen den Trierern zu Hülfe, und Sickingen mußte sich in sein Schloß Landstuhl werfen. Trotz aller Bemühungen Huttens und seiner übrigen Freunde ließ ihn hier der verbündete Adel, eingeschüchtert durch die konzentrierte und rasche Aktion der Fürsten, im Stich; er selbst wurde tödlich verwundet, über
1 (1850) seit 1830
gab dann Landstuhl und starb gleich darauf. Hutten mußte in die Schweiz flüchten und starb wenige Monate später auf der Insel Ufnau im Zürchersee. Mit dieser Niederlage und dem Tod der beiden Führer war die Macht des Adels als einer von den Fürsten unabhängigen Körperschaft gebrochen. Von jetzt an tritt der Adel nur noch im Dienst und unter der Leitung der Fürsten auf. Der Bauernkrieg, der gleich darauf ausbrach, zwang ihn noch mehr, sich direkt oder indirekt unter den Schutz der Fürsten zu stellen, und bewies zu gleicher Zeit, daß der deutsche Adel es vorzog, lieber unter fürstlicher Oberhoheit die Bauern fernerhin zu exploitieren, als die Fürsten und Pfaffen durch ein offenes Bündnis mit den emanzipierten Bauern zu stürzen.
[Der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg]
Von dem Augenblick an, wo Luthers Kriegserklärung gegen die katholische Hierarchie alle Oppositionselemente Deutschlands in Bewegung gesetzt, verging kein Jahr, in dem nicht die Bauern ebenfalls wieder mit ihren Forderungen hervortraten. Von 1518 bis 1523 folgte ein lokaler Bauernaufstand im Schwarzwald und in Oberschwaben auf den andern. Seit Frühjahr 1524 nahmen diese Aufstände einen systematischen Charakter an. Im April dieses Jahres verweigerten die Bauern der Abtei Marchthal die Frondienste und Leistungen; im Mai verweigerten die Sankt-BIasier Bauern die Leibeigenschaftsgebühren; im Juni erklärten die Bauern von Steinheim bei Memmingen, weder Zehnten noch sonstige Gebühren zahlen zu wollen; im Juli und August standen die Thurgauer Bauern auf und wurden teils durch die Vermittlung der Zürcher, teils durch die Brutalität der Eidgenossenschaft, die mehrere hinrichten ließ, wieder zur Ruhe gebracht. Endlich erfolgte in der Landgrafschaft Stühlingen ein entschiednerer Aufstand, der als der unmittelbare Anfang des Bauernkriegs gelten kann. Die Stühlinger Bauern verweigerten plötzlich die Leistungen an den Landgrafen, rotteten sich in starken Haufen zusammen und zogen unter Hans Müller von Bulgenbach am 24. August1 1524 nach Waldshut. Hier stifteten sie in Gemeinschaft mit den Bürgern eine evangelische Brüderschaft. Die Bürger traten der Verbindung um so eher bei, als sie gleichzeitig wegen religiöser Verfolgungen gegen Balthasar Hubmaier, ihren Prediger, einen Freund und Schüler Thomas Münzers, mit der vorderöstreichischen12621 Regierung im Konflikt waren. Es wurde also eine Bundessteuer von drei Kreuzern wöchentlich - ein enormer Betrag für den damaligen Geldwert - aufgelegt, Emissäre nach dem Elsaß, der Mosel, dem ganzen Oberrhein und Franken geschickt, um die Bauern überall in den Bund zu bringen, und als
1 (1850 und 1875) irrtümlich: Oktober
Zweck des Bundes die Abschaffung der Feudalherrschaft, die Zerstörung aller Schlösser und Klöster und die Beseitigung aller Herren außer dem Kaiser proklamiert. Die Bundesfahne war die deutsche Trikolore.1 Der Aufstand gewann rasch Terrain im ganzen jetzigen badischen Oberland. Ein panischer Schrecken ergriff den oberschwäbischen Adel, dessen Streitkräfte fast sämtlichinltalien.imKriege gegen Franz I. von Frankreich'2631, beschäftigt waren. Es blieb ihm nichts übrig, als die Sache durch Unterhandlungen in die Länge zu ziehen und inzwischen Gelder aufzutreiben und Truppen zu werben, bis er stark genug sei, die Bauern für ihre Vermessenheit mit „Sengen und Brennen, Plündern und Morden" 12641 zu züchtigen. Von jetzt an begann jener systematische Verrat, jene konsequente Wortbrüchigkeit und Heimtücke, durch die der Adel und die Fürsten sich während des ganzen Bauernkriegs auszeichneten und die gegenüber den dezentralisierten und schwer organisierbaren Bauern ihre stärkste Waffe war. Der Schwäbische Bund, der die Fürsten, den Adel und die Reichsstädte Südwestdeutschlands umfaßte, legte sich ins Mittel, aber ohne den Bauern positive Konzessionen zu garantieren. Diese blieben in Bewegung. Hans Müller von Bulgenbach zog vom 30. September bis Mitte Oktober durch den Schwarzwald bis Urach und Furtwangen, brachte seinen Haufen bis auf 3500 Mann und nahm mit diesem bei Ewattingen (nicht weit von Stühlingen) Position. Der Adel hatte nicht über 1700 Mann zur Verfügung, und auch diese waren zersplittert. Er war gezwungen, sich auf einen Waffenstillstand einzulassen, der auch wirklich im Ewattinger Lager zustande kam. Gütlicher Vertrag, entweder direkt zwischen den Beteiligten oder durch Schiedsrichter, und Untersuchung der Beschwerden durch das Landgericht zu Stockach wurden den Bauern zugesagt. Sowohl die Adelstruppen wie die Bauern gingen auseinander. Die Bauern vereinigten sich auf 16 Artikel, deren Bewilligung vom Stockacher Gericht verlangt werden sollte. Sie waren sehr gemäßigt. Abschaffung des Jagdrechts, der Fronden, der drückenden Steuern und Herrschaftsprivilegien überhaupt, Schutz gegen willkürliche Verhaftung und gegen parteiische, nach Willkür urteilende Gerichte- weiter forderten sie nichts. Der Adel dagegen forderte, sobald die Bauern heimgegangen waren, sogleich sämtliche streitige Leistungen wieder ein, so lange bis das Gericht entschieden habe. Die Bauern weigerten sich natürlich und verwiesen die Herren an das Gericht. Der Streit brach von neuem aus; die Bauern zogen sich wieder zusammen, die Fürsten und Herren konzentrierten ihre Truppen. Diesmal ging die Bewegung wieder weiter, bis über den Breisgau und tief ins Württem
1 die schwarzrotgoldne Fahne
bergische hinein. Die Truppen unter Georg Trachseß Von Waldburg, dem Alba des Bauernkriegs, beobachteten sie, schlugen einzelne Zuzüge, wagten aber nicht das Gros anzugreifen. Georg Truchseß unterhandelte mit den Bauernchefs und brachte hier und da Verträge zustande. Ende Dezember begannen die Verhandlungen vor dem Landgericht zu Stockach. Die Bauern protestierten gegen die Zusammensetzung des Gerichts aus lauter Adligen. Ein kaiserlicher Bestallungsbrief wurde ihnen als Antwort vorgelesen. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, inzwischen rüsteten der Adel, die Fürsten, die schwäbischen Bundesbehörden. Erzherzog Ferdinand, der außer den jetzt noch östreichischen Erblanden auch Württemberg, den badischen Schwarzwald und den südlichen Elsaß beherrschte, befahl die größte Strenge gegen die rebellischen Bauern. Man solle sie fangen, foltern und ohne Gnade erschlagen, man solle sie, wie es am bequemsten sei, verderben, ihr Hab und Gut verbrennen und veröden undihre Weiber und Kinder aus dem Lande jagen. Man sieht, wie die Fürsten und Herren den Waffenstillstand hielten und was sie unter gütlicher Vermittlung und Untersuchung der Beschwerden verstanden. Erzherzog Ferdinand, dem das Haus Welser in Augsburg Geld vorgeschossen, rüstete in aller Eile; der Schwäbische Bund schrieb ein in drei Terminen zu stellendes Kontingent von Geld und Truppen aus. Diese bisherigen Aufstände fallen zusammen mit der fünfmonatlichen Anwesenheit Thomas Münzers im Oberland. Von dem Einfluß, den er auf den Ausbruch und Gang der Bewegung gehabt, sind zwar keine direkten Beweise vorhanden, aber dieser Einfluß ist indirekt vollständig konstatiert. Die entschiedneren Revolutionäre unter den Bauern sind meist seine Schüler und vertreten seine Ideen. Die zwölf Artikel wie der Artikelbrief der oberländischen Bauern12651 werden ihm von allen Zeitgenossen zugeschrieben, obwohl er wenigstens erstere gewiß nicht verfaßt hat. Noch auf seiner Rückreise nach Thüringen erließ er eine entschieden revolutionäre Schrift an die insurgierten Bauern.'2661 Gleichzeitig intrigierte der seit 1519 aus Württemberg vertriebene Herzog Ulrich, um mit Hülfe der Bauern wieder in den Besitz seines Landes zu kommen. Es ist faktisch, daß er seit seiner Vertreibung die revolutionäre Partei zu benutzen suchte und sie fortwährend unterstützte. In die meisten von 1520-24 vorgekommenen Lokalunruhen im Schwarzwald und in Württemberg wird sein Name verwickelt, und jetzt rüstete er direkt zu einem Einfall von seinem Schloß Hohentwiel aus nach Württemberg. Er wurde indes von den Baue rn nur benutzt, hatte nie Einfluß auf sie und noch weniger ihr Vertrauen.
So verging der Winter, ohne daß es von einer der beiden Seiten zu etwas Entscheidendem kam. Die fürstlichen Herrn versteckten sich, der Bauernaufstand gewann an Ausdehnung. Im Januar 1525 war das ganze Land zwischen Donau, Rhein und Lech in voller Gärung, und im Februar brach der Sturm los. Während der Schwarzwald-Hegauer Häufe unter Hans Müller von Bulgenbach mit Ulrich von Württemberg konspirierte und zum Teil seinen vergeblichen Zug nach Stuttgart mitmachte (Februar und März 1525), standen die Bauern im Ried, oberhalb Ulm, am 9. Februar auf, sammelten sich in einem von Sümpfen gedeckten Lager bei Baltringen, pflanzten die rote Fahne auf und formierten, unter der Führung von Ulrich Schmid, den Baltringer Haufen. Sie waren 10000 bis 12000 Mann stark. Am 25. Februar zog sich der Oberallgäuer Haufen, 7000 Mann stark, am Schüssen zusammen, auf das Gerücht hin, daß die Truppen gegen die auch hier aufgetretenen Mißvergnügten heranzögen. Die Kemptner, die den ganzen Winter über mit ihrem Erzbischof im Streit gewesen, traten am 26. zusammen und vereinigten sich mit ihnen. Die Städte Memmingen und Kaufbeuren schlössen sich, unter Bedingungen, der Bewegung an; doch trat schon hier die Zweideutigkeit der Stellung hervor, die die Städte in diesem Kampf einnahmen. Am 7. März wurden in Memmingen die zwölf Memminger Artikel für alle Oberallgäuer Bauern angenommen. Auf Botschaft der Allgäuer bildete sich am Bodensee, unter Eitel Hans, der Seehaufen. Auch dieser Haufe verstärkte sich rasch. Das Hauptquartier war in Bermatingen. Ebenso standen im unteren Allgäu, in der Gegend von Ochsenhausen und Schellenberg, im Zeilschen und Waldburgschen, den Herrschaften des Truchseß, die Bauern auf, und zwar schon in den ersten Tagen des März. Dieser Unterallgäuer Haufen lagerte, 70001 Mann stark, bei Wurzach. Diese vier Haufen nahmen alle die Memminger Artikel an, die übrigens noch viel gemäßigter waren als die der Hegauer und auch in den Punkten, die sich auf das Verhalten der bewaffneten Haufen zum Adel und den Regierungen bezogen, einen merkwürdigen Mangel an Entschiedenheit zur Schau tragen. Die Entschiedenheit, wo sie kam, kam erst im Laufe des Kriegs, nachdem die Bauern Erfahrungen über die Handlungsweise ihrer Feinde gemacht hatten. Gleichzeitig mit diesen Haufen bildete sich ein sechster an der Donau. Aus der ganzen Gegend von Ulm bis Donauwörth, aus den Tälern der Iiier, Roth
1 Bei Zimmermann: 5000
und Biber kamen die Bauern nach Leipheim und schlugen dort ein Lager auf. Von 15 Ortschaften war jeder waffenfähige Mann, von 117 waren Zuzüge da. Der Führer des Leipheimer Haufens war Ulrich Schön, sein Prediger Jakob Wehe, der Pfarrer von Leipheim. So standen anfangs März, in sechs Lagern, an 30000 bis 40000 insurgierte oberschwäbische Bauern unter den Waffen. Der Charakter dieser Bauernhaufen war sehr gemischt. Die revolutionäre - Münzersche - Partei war überall in der Minorität. Trotzdem bildete sie überall den Kern und Halt der Bauernlager. Die Masse der Bauern war immer bereit, sich auf ein Abkommen mit den Herren einzulassen, wenn ihr nur die Konzessionen gesichert wurden, die sie durch ihre drohende Haltung zu ertrotzen hoffte. Dazu wurde sie, als die Sache sich in die Länge zog und die Fürstenheere heranrückten, des Kriegführens überdrüssig, und diejenigen, die noch etwas zu verlieren hatten, gingen größtenteils nach Hause. Dabei hatte sich den Haufen das vagabundierende Lumpenproletariat massenweise angeschlossen, das die Disziplin erschwerte, die Bauern demoralisierte und ebenfalls häufig ab-und zulief. Schon hieraus erklärt sich, daß die Bauernhaufen anfangs überall in der Defensive blieben, in den Feldlagern sich demoralisierten und auch, abgesehen von ihrer taktischen Unzulänglichkeit und von der Seltenheit guter Führer, den Armeen der Fürsten keineswegs gewachsen waren. Noch während die Haufen sich zusammenzogen, fiel Herzog Ulrich mit geworbenen Truppen und einigen Hegauer Bauern von Hohentwiel nach Württemberg ein. Der Schwäbische Bund war verloren, wenn die Bauern jetzt von der andern Seite her gegen die Truppen des Truchseß von Waldburg heranrückten. Aber bei der bloß defensiven Haltung der Haufen gelang es dem Truchseß bald, mit den Baltringer, Allgäuer und Seebauern einen Waffenstillstand abzuschließen, Verhandlungen einzuleiten und einen Termin zur Abmachung der Sache auf Sonntag Judika (2. April) anzusetzen. Währenddes konnte er gegen Herzog Ulrich ziehn, Stuttgart besetzen und ihn zwingen, schon am 17. März Württemberg wieder zu verlassen. Dann wandte er sich gegen die Bauern; aber in seinem eignen Heer revoltierten die Landsknechte und weigerten sich, gegen diese zu ziehn. Es gelang dem Truchseß die Meuterer zu beschwichtigen, und nun marschierte er nach Ulm, wo sich neue Verstärkungen sammelten. Bei Kirchheim unter Teck hatte er ein Beobachtungslager zurückgelassen. Der Schwäbische Bund, der endlich die Hände frei und seine ersten Kontingente beisammen hatte, warf jetzt die Maske ab und erklärte, daß er „das, was die Bauern eigenen Willens sich unterfangen, mit den Waffen und mit Gottes Hülfe zu wenden entschlossen sei".t2S7)
Die Bauern hatten sich inzwischen streng an den Waffenstillstand gehalten. Sie hatten für die Verhandlung am Sonntag Judika ihre Forderungen aufgesetzt, die berühmten zwölf Artikel. Sie verlangten Wahl und Absetzbarkeit der Geistlichen durch die Gemeinden, Abschaffung des kleinen Zehnten und Verwendung des großen12681 zu öffentlichen Zwecken nach Abzug des Pfarrgehalts, Abschaffung der Leibeigenschaft, des Fischerei- und Jagdrechts und des Todfalls, Beschränkung der übermäßigen Fronden, Steuern und Gülten, Restitution der den Gemeinden und einzelnen gewaltsam entzogenen Waldungen, Weiden und Privilegien und Beseitigung der Willkür in Justiz und Verwaltung. Man sieht, die gemäßigte, verträgliche Partei wog noch bedeutend vor unter den Bauernhaufen. Die revolutionäre Partei hatte schon früher im „Artikelbrief "[265) ihr Programm aufgestellt. Dieser offne Brief an sämtliche Bauernschaften fordert sie auf, einzutreten in die „christliche Vereinigung und Brüderschaft" zur Entfernung aller Lasten, sei es durch Güte, „was nicht wohl sein mag", sei es durch Gewalt, und bedroht alle Weigernden mit dem „weltlichen Bann", d.h. mit der Ausstoßung aus der Gesellschaft und aus allem Verkehr mit den Bundesmitgliedern. Alle Schlösser, Klöster und Pfaffenstifter sollen gleichfalls in den weltlichen Bann getan werden, es sei denn, daß Adel, Pfaffen und Mönche sie freiwillig verlassen, in gewöhnliche Häuser ziehn wie andre Leute und sich der christlichen Vereinigung anschließen. - In diesem radikalen Manifest, das offenbar vor dem Frühjahrsaufstand 1525 abgefaßt wurde, handelt es sich also vor allem um die Revolution, die vollständige Besiegung der noch herrschenden Klassen, und der „weltliche Bann" designiert nur die Unterdrücker und Verräter, die erschlagen, die Schlösser, die verbrannt, die Klöster und Stifter, die konfisziert und deren Schätze in Geld verwandelt werden sollen. Ehe jedoch die Bauern dazu kamen, ihre zwölf Artikel den berufenen Schiedsrichtern vorzulegen, kam ihnen die Nachricht von dem Vertragsbruch des Schwäbischen Bundes und dem Herannahen der Truppen. Sogleich trafen sie ihre Maßregeln. Eine Generalversammlung der Allgäuer, Baltringer und Seebauern wurde zu Gaisbeuren abgehalten. Die vier Haufen wurden vermischt und vier neue Kolonnen aus ihnen organisiert, die Konfiskation der geistlichen Güter, der Verkauf ihrer Kleinodien zum Besten der Kriegskasse und die Verbrennung der Schlösser wurden beschlossen. So wurde neben den offiziellen zwölf Artikeln der Artikelbrief die Regel ihrer Kriegsführung und der Sonntag Judika, der zum Friedensschluß angesetzte Tag, das Datum der allgemeinen Erhebung. Die überall wachsende Aufregung, die fortwährenden Lokalkonflikte der Bauern mit dem Adel, die Nachricht von dem seit sechs Monaten immer
wachsenden Aufstand im Schwarzwald und von seiner Verbreitung bis an die Donau und den Lech reichen allerdings hin, um die rasche Aufeinanderfolge der Bauernaufstände in zwei Dritteln von Deutschland zu erklären. Aber daß Leute an der Spitze der Bewegung standen, die diese durch wiedertäuferische und sonstige Emissäre organisiert hatten, das beweist das Faktum der Gleichzeitigkeit aller einzelnen Aufstände. In der letzten Hälfte des März waren schon Unruhen im Württembergischen, am untern Neckar, im Odenwald, in Unter- und Mittelfranken ausgebrochen; aber überall wurde schon vorher der 2. April, der Sonntag Judika, als Tag des allgemeinen Losbruchs angegeben, überall geschah der entscheidende Schlag, der Aufstand in Masse, in der ersten Woche des April. Auch die Allgäuer, Hegauer und Seebauern riefen am 1. April durch Sturmläuten und Massenversammlungen alle waffenfähigen Männer ins Lager und eröffneten, gleichzeitig mit den Baltringern, die Feindseligkeiten gegen die Schlösser und Klöster. In Franken, wo sich die Bewegung um sechs Zentren gruppierte, brach der Aufstand überall in den ersten Tagen des April los. Bei Nördlingen bildeten sich um diese Zeit zwei Bauernlager, mit deren Hülfe die revolutionäre Partei in der Stadt, deren Chef Anton Forner war, die Oberhand erhielt und Forners Ernennung zum Bürgermeister sowie den Anschluß der Stadt an die Bauern durchsetzte. Im Ansbachschen standen die Bauern vom 1. bis 7. April überall auf, und der Aufstand verbreitete sich von hier bis nach Bayern hinüber. Im Rothenburgschen standen die Bauern schon seit dem 22. März unter den Waffen; in der Stadt Rothenburg wurde am 27. März die Herrschaft der Ehrbarkeit durch die Kleinbürger und Plebejer unter Stephan von Menzingen gestürzt; aber da gerade die Leistungen der Bauern hier die Haupteinkünfte der Stadt waren, hielt sich auch die neue Regierung sehr schwankend und zweideutig gegenüber den Bauern. Im Hochstift Würzburg erhoben sich anfangs April die Bauern und die kleinen Städte allgemein, und im Bistum Bamberg zwang die allgemeine Insurrektion binnen fünf Tagen den Bischof zur Nachgiebigkeit. Endlich im Norden, an der thüringischen Grenze, zog sich das starke Bildhäuser Bauernlager zusammen. Im Odenwald, wo Wendel Hipler, ein Adliger und ehemaliger Kanzler der Grafen von Hohenlohe, und Georg Metzler, Wirt zu Ballenberg bei Krautheim, an der Spitze der revolutionären Partei standen, brach der Sturm schon am 26. März los. Die Bauern zogen von allen Seiten nach der Tauber. Auch 2000 Mann aus dem Lager vor Rothenburg schlössen sich an. Georg Metzler übernahm die Führung und marschierte, nachdem alle Verstärkungen eingetroffen, am 4. April nach dem Kloster Schöntal an der Jagst, wo die Neckartaler zu ihm stießen. Diese, von Jäcklein Rohrbach, Wirt zu Böckingen bei
Heilbronn, geführt, hatten am Sonntag Judika in Flein, Sontheim usw. die Insurrektion proklamiert, während gleichzeitig Wendel Hipler mit einer Anzahl Verschworner Öhringen überrumpelt und die umwohnenden Bauern in die Bewegung hineingerissen hatte. Zu Schöntal wurden von den beiden, zum „hellen Haufen" vereinigten Bauernkolonnen die zwölf Artikel angenommen und Streifzüge gegen Schlösser und Klöster organisiert. Der helle Haufen war an 8000 Mann stark und hatte Kanonen und 3000 Handbüchsen. Auch Florian Geyer, ein fränkischer Ritter, schloß sich ihm an und bildete die Schwarze Schar, ein Elitekorps, das besonders aus der Rothenburger und Öhringer Landwehr sich rekrutierte. Der württembergsche Vogt in Neckarsulm, Graf Ludwig von Helfenstein, eröffnete die Feindseligkeiten. Er ließ alle Bauern, die ihm in die Hände fielen, ohne weiteres niedermachen. Der helle Haufen zog ihm entgegen. Diese Metzeleien sowie die eben eingetroffene Nachricht von der Niederlage des Leipheimer Haufens, von Jakob Wehes Hinrichtung und den Grausamkeiten des Truchseß erbitterten die Bauern. Der Helfensteiner, der sich nach Weinsberg hineingeworfen hatte, wurde hier angegriffen. Das Schloß wurde von Florian Geyer gestürmt, die Stadt nach längerem Kampf genommen und Graf Ludwig nebst mehreren Rittern gefangen. Am nächsten Tag, am 17. April, hielt Jäcklein Rohrbach mit den entschiedensten Leuten des Haufens Gericht über die Gefangenen und ließ ihrer vierzehn, den Helfensteiner an der Spitze, durch die Spieße jagen - den schimpflichsten Tod, den er sie erdulden lassen konnte. Die Einnahme von Weinsberg und die terroristische Rache Jäckleins an dem Helfensteiner verfehlten ihre Wirkung auf den Adel nicht. Die Grafen von Löwenstein traten der Bauernverbindung bei, die von Hohenlohe, die schon früher zugetreten waren, aber noch keine Hülfe geleistet hatten, schickten sofort das verlangte Geschütz und Pulver. Die Hauptleute berieten darüber, ob sie nicht Götz von Berlichingen zum Hauptmann nehmen sollten, „da dieser den Adel zu ihnen bringen könne". Der Vorschlag fand Anklang; aber Florian Geyer, der in dieser Stimmung der Bauern und Hauptleute den Anfang einer Reaktion sah, trennte sich hierauf mit seiner Schwarzen Schar vom Haufen, durchstreifte auf eigne Faust zuerst die Neckargegend, dann das Würzburgische undzerstörte überall die Schlösser und Pfaffennester. Der Rest des Haufens zog nun zunächst gegen Heilbronn. In dieser mächtigen freien Reichsstadt stand, wie fast überall, der Ehrbarkeit eine bürgerliche und eine revolutionäre Opposition entgegen. Die letztere, im geheimen Einverständnis mit den Bauern, öffnete während eines Tumults schon am 17. April G[eorg] Metzler und Jäcklein Rohrbach die Tore. Die Bauernchefs nähmen
mit ihren Leuten Besitz von der Stadt, die in die Brüderschaft aufgenommen wurde und 1200 Gulden Geld sowie ein Fähnlein Freiwilliger stellte. Nur die Geistlichkeit und die Besitzungen der Deutschordensherren12691 wurden gebrandschatzt. Am 22. zogen die Bauern wieder ab, nachdem sie eine kleine Besatzung hinterlassen hatten. Heilbronn sollte das Zentrum der verschiedenen Haufen werden, die auch wirklich Delegierte hinschickten und über gemeinsame Aktion und gemeinsame Forderungen der Bauernschaften berieten. Aber die bürgerliche Opposition und die seit dem Einmarsch der Bauern mit ihr verbündete Ehrbarkeit hatten jetzt wieder die Oberhand in der Stadt, verhinderten alle energischen Schritte und warteten nur auf das Herannahen der fürstlichen Heere, um die Bauern definitiv zu verraten. Die Bauern zogen dem Odenwald zu. Am 24. April mußte Götz von Berlichingen, der sich wenige Tage vorher zuerst dem Kurfürsten von der Pfalz, dann den Bauern, dann wieder dem Kurfürsten angetragen hatte, in die evangelische Brüderschaft treten und das Oberkommando des hellen lichten Haufens (im Gegensatz zum schwarzen Haufen Florian Geyers) übernehmen. Er war aber zu gleicher Zeit Gefangener der Bauern, die ihn mißtrauisch überwachten und ihn an den Beirat der Hauptleute banden, ohne die er nichts tun konnte. Götz und Metzler zogen nun mit der Masse der Bauern über Buchen nach Amorbach, wo sie vom 30. April bis 5. Mai blieben und das ganze Mainzische insurgierten. Der Adel wurde überall zum Anschluß gezwungen und seine Schlösser dadurch geschont; nur die Klöster wurden verbrannt und geplündert. Der Haufen hatte sich zusehends demoralisiert; die energischsten Leute waren mit Florian Geyer oder mit Jäcklein Rohrbach fort, denn auch dieser hatte sich nach der Einnahme Heilbronns getrennt, offenbar weil er, der Richter des Grafen Helfenstein, nicht länger bei einem Haufen bleiben konnte, der sich mit dem Adel vertragen wollte. Dies Dringen auf eine Verständigung mit dem Adel war selbst schon ein Zeichen von Demoralisation. Bald darauf schlug Wendel Hipler eine sehr passende Reorganisation des Haufens vor: Man solle die sich täglich anbietenden Landsknechte in Dienst nehmen und den Haufen nicht wie bisher monatlich durch Einziehung von neuen und Entlassung der alten Kontingente erneuern, sondern die einmal unter den Waffen befindliche, einigermaßen geübte Mannschaft behalten. Aber die Gemeindeversammlung verwarf beide Anträge; die Bauern waren bereits übermütig geworden und sahen den ganzen Krieg als einen Beutezug an, wobei ihnen die Konkurrenz der Landsknechte nicht zusagen konnte und wobei es ihnen freistehen mußte, nach Hause zu ziehen, sobald ihre Taschen gefüllt waren. In Amorbach kam es sogar so weit, daß der Heilbronner Ratsherr Hans Berlin die „Deklaration der zwölf Artikel", ein Akten
25 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
stück, worin selbst die letzten Spitzen der zwölf Artikel abgebrochen und den Bauern eine demütig supplizierende Sprache in den Mund gelegt wurde, bei den Hauptleuten und Räten des Haufens durchsetzte. Diesmal war die Sache den Bauern doch zu stark; sie verwarfen die Deklaration unter großem Lärm und beharrten auf den ursprünglichen Artikeln. Inzwischen war im Würzburgischen eine entscheidende Wendung eingetreten. Der Bischof, der sich bei dem ersten Bauernaufstand anfangs April auf den festen Frauenberg bei Würzburg zurückgezogen und nach allen Seiten, aber vergeblich, um Hülfe geschrieben hatte, war endlich zur momentanen Nachgiebigkeit gezwungen worden. Am 2. Mai wurde ein Landtag eröffnet, auf dem auch die Bauern vertreten waren. Aber ehe irgendein Resultat gewonnen werden konnte, wurden Briefe aufgefangen, die die verräterischen Umtriebe des Bischofs konstatierten. Der Landtag ging gleich auseinander, und die Feindseligkeiten begannen zwischen den insurgierten Städtern und Bauern und den Bischöflichen. Der Bischof selbst entfloh am 5. Mai nach Heidelberg; am nächsten Tag schon kam Florian Geyer und die Schwarze Schar in Würzburg an, mit ihm der fränkische Tauberhaufen, der sich aus Mergentheimer, Rothenburger und ansbachschen Bauern gebildet hatte. Am 7. Mai rückte auch Götz von Berlichingen mit dem hellen lichten Haufen ein, und die Belagerung des Frauenbergs begann. Im Limpurgischen und in der Gegend von Ellwangen und Hall bildete sich ein andrer, der Gaildorfer oder gemeine helle Haufen, schon Ende März und Anfang April. Er trat sehr gewaltsam auf, insurgierte die ganze Gegend, verbrannte viele Klöster und Schlösser, u.a. auch das Schloß Hohenstaufen, zwang alle Bauern zum Mitzug und alle Adligen, selbst die Schenken von Limpurg, zum Eintritt in die christliche Verbrüderung. Anfang Mai machte er einen Einfall nach Württemberg, wurde aber zum Rückzug bewogen. Der Partikularismus der deutschen Kleinstaaterei erlaubte damals sowenig wie 1848, daß die Revolutionäre verschiedner Staatsgebiete gemeinsam agierten. Die Gaildorfer, auf ein kleines Terrain beschränkt, fielen notwendig in sich zusammen, nachdem sie allen Widerstand auf diesem Terrain besiegt hatten. Sie vertrugen sich mit der Stadt Gmünd und gingen mit Hinterlassung von nur 500 Bewaffneten auseinander. In der Pfalz hatten sich auf beiden Rheinufern gegen Ende April Bauernhaufen gebildet. Sie zerstörten viele Schlösser und Klöster und nahmen am 1. Mai Neustadt a.d. Haardt, nachdem die herübergekommenen Bruchrainer schon tags vorher Speyer zu einem Vertrag gezwungen hatten. Der Marschall von Habern konnte mit den wenigen kurfürstlichen Truppen nichts gegen sie ausrichten, und am 10. Mai mußte der Kurfürst mit den insurgierten Bauern
einen Vertrag abschließen, in welchem er ihnen Abstellung ihrer Beschwerden auf einem Landtag garantierte. In Württemberg endlich war der Aufstand schon früh in einzelnen Gegenden losgebrochen. Auf der Uracher Alb hatten die Bauern schon im Februar einen Bund gegen die Pfaffen und Herren geschlossen, und Ende März erhoben sich die Blaubeurer, Uracher, Münsinger, Baiinger und Rosenfelder Bauern. Die Gaildorfer fielen bei Göppingen, Jäcklein Rohrbach bei Brakkenheim, die Trümmer des geschlagenen Leipheimer Haufens bei Pfullingen in württembergisches Gebiet ein und insurgierten das Landvolk. Auch in andern Gegenden brachen ernsthafte Unruhen aus. Schon am 6. April mußte Pfullingen mit den Bauern kapitulieren. Die Regierung des östreichischen Erzherzogs war in der größten Verlegenheit. Sie hatte gar kein Geld und sehr wenig Truppen. Die Städte und Schlösser waren im schlechtesten Zustand und hatten weder Besatzung noch Munition. Selbst der Asperg warfast schutzlos. Der Versuch der Regierung, die Aufgebote der Städte gegen die Bauern zusammenzuziehn, entschied ihre momentane Niederlage. Am 16. April weigerte sich das Bottwarer Aufgebot zu marschieren und zog, statt nach Stuttgart, auf den Wunnenstein bei Bottwar, wo es den Kern eines Lagers von Bürgern und Bauern bildete, das sich rasch vermehrte. An demselben Tage brach der Aufstand im Zabergäu aus; das Kloster Maulbronn wurde geplündert und eine Anzahl von Klöstern und Schlössern vollständig verwüstet. Aus dem benachbarten Bruchrain zogen den Gäubauern Verstärkungen zu. An die Spitze des Haufens auf dem Wunnenstein trat Matern Feuerbacher, Ratsherr von Bottwar, einer der Führer der bürgerlichen Opposition, aber hinreichend kompromittiert, um mit den Bauern gehn zu müssen. Er blieb indes fortwährend sehr gemäßigt, verhinderte die Vollziehung des Artikelbriefs an den Schlössern und suchte überall zwischen den Bauern und der gemäßigten Bürgerschaft zu vermitteln. Er verhinderte die Vereinigung der Württemberger mit dem hellen lichten Haufen und bewog später ebenfalls die Gaildorfer zum Rückzug aus Württemberg. Wegen seiner bürgerlichen Tendenzen wurde er am 19. April abgesetzt, aber bereits am nächsten Tag wieder zum Hauptmann ernannt. Er war unentbehrlich, und selbst als Jäcklein Rohrbach am 22. mit 200 Mann entschlossenen Leuten den Württembergern zuzog, blieb ihm nichts übrig, als jenen in seiner Stelle zu lassen und sich auf genaue Überwachung seiner Handlungen zu beschränken. Am 18. April versuchte die Regierung mit den Bauern auf dem Wunnenstein zu unterhandeln. Die Bauern bestanden darauf, die Regierung müsse die zwölf Artikel annehmen, und dies konnten die Bevollmächtigten natürlich nicht. Der Haufen setzte sich nun in Bewegung. Am 20. war er in Lauffen, wo
die Abgeordneten der Regierung zum letztenmal zurückgewiesen wurden. Am 22. stand er, 6000 Mann stark, in Bietigheim und bedrohte Stuttgart. Hier war der Rat größtenteils geflohen und ein Bürgerausschuß an die Spitze der Verwaltung gesetzt. In der Bürgerschaft waren dieselben Parteispaltungen zwischen Ehrbarkeit, bürgerlicher Opposition und revolutionären Plebejern wie überall. Die letzteren öffneten am 25. April den Bauern die Tore, und Stuttgart wurde sogleich besetzt. Hier wurde die Organisation des hellen christlichen Haufens, wie sich die württembergischen Insurgenten jetzt nannten, vollständig durchgeführt und Löhnung, Beuteverteilung und Verpflegung etc. in feste Regeln gebracht. Ein Fähnlein Stuttgarter unter Theus Gerber schloß sich an. Am 29. April zog Feuerbacher mit dem ganzen Haufen gegen die bei Schorndorf ins Württembergische eingefallenen Gaildorfer, nahm die ganze Gegend in die Verbindung auf und bewog dadurch die Gaildorfer zum Rückzug. Er verhinderte so, daß durch die Vermischung mit den rücksichtslosen Gaildorfern das revolutionäre Element in seinem Haufen, an dessen Spitze Rohrbach stand, eine gefährliche Verstärkung erhielt. Von Schorndorf zog er auf die Nachricht, daß der Truchseß heranziehe, diesem entgegen und lagerte am I. Mai bei Kirchheim unter Teck. Wir haben hiermit das Entstehen und die Entwickelung des Aufstandes in demjenigen Teil Deutschlands geschildert, den wir als das Terrain der ersten Gruppe der Bauernhaufen betrachten müssen. Ehe wir auf die übrigen Gruppen (Thüringen und Hessen, Elsaß, Ostreich und die Alpen) eingehn, müssen wir den Feldzug des Truchseß berichten, in dem er, anfangs allein, später unterstützt von verschiedenen Fürsten und Städten, diese erste Gruppe von Insurgenten vernichtete. Wir verließen den Truchseß bei Ulm, wohin er sich Ende März wandte, nachdem er bei Kirchheim unter Teck ein Beobachtungskorps unter Dietrich Spät zurückgelassen. Das Korps des Truchseß, nach Herbeiziehung der in Ulm konzentrierten bündischen Verstärkungen nicht ganz 10000 Mann stark, wovon 7200 Mann Infanterie, war das einzige zum Angriffskrieg gegen die Bauern disponible Heer. Die Verstärkungen kamen nur sehr langsam nach Ulm zusammen, teils wegen der Schwierigkeit der Werbung in insurgierten Ländern, teils wegen des Geldmangels der Regierungen, teils weil überall die wenigen Truppen zur Besatzung der Festungen und Schlösser mehr als unentbehrlich waren. Wie wenig Truppen die Fürsten und Städte disponibel hatten, die nicht zum Schwäbischen Bund gehörten, haben wir schon gesehn. Von den Erfolgen, die Georg Truchseß mit seiner Bundesarmee erfechten würde, higg also alles ab.
Der Truchseß wandte sich zuerst gegen den Baltringer Haufen, der inzwischen begonnen hatte, Schlösser und Klöster in der Umgebung des Ried zu verwüsten. Die Bauern, beim Herannahen der Bundestruppen zurückgegangen, wurden aus den Sümpfen durch Umgehung vertrieben, gingen über die Donau und warfen sich in die Schluchten und Wälder der Schwäbischen Alb. Hier, wo ihnen die Reiterei und das Geschütz, die Hauptstärke der bündischen Armee, nichts anhaben konnte, verfolgte sie der Truchseß nicht weiter. Er zog gegen die Leipheimer, die mit 5000 Mann bei Leipheim, mit 4000 im Mindeltal und mit 6000 bei Illertissen standen, die ganze Gegend insurgierten, Klöster und Schlösser zerstörten und sich vorbereiteten, mit allen drei Kolonnen gegen Ulm zu ziehn. Auch hier scheint bereits einige Demoralisation unter den Bauern eingerissen zu sein und die militärische Zuverlässigkeit des Haufens vernichtet zu haben; denn Jakob Wehe suchte von vornherein mit dem Truchseß zu unterhandeln. Dieser aber ließ sich jetzt, wo er eine hinreichende Truppenmacht hinter sich hatte, auf nichts ein, sondern griff am 4. April den Haupthaufen bei Leipheim an und zersprengte ihn vollständig. Jakob Wehe und Ulrich Schön sowie zwei andere Bauernführer wurden gefangen und enthauptet; Leipheim kapitulierte, und mit einigen Streifzügen in der Umgegend war der ganze Bezirk unterworfen. Eine neue Rebellion der Landsknechte, durch das Verlangen der Plünderung und einer Extralöhnung veranlaßt, hielt den Truchseß abermals bis zum 10. April auf. Dann zog er südwestlich gegen di eBaltringer, die inzwischen in seine Herrschaften Waldburg, Zeil und Wolfegg eingefallen waren und seine Schlösser belagerten. Auch hier fand er die Bauern zersplittert und schlug sie am 11. und 12. April nacheinander in einzelnen Gefechten, die den Baltringer Haufen ebenfalls vollständig auflösten. Der Rest zog sich unter dem Pfaffen Florian auf den Seehaufen zurück. Gegen diesen wandte sich nun der Truchseß. Der Seehaufen, der inzwischen nicht nur Streifzüge gemacht, sondern auch die Städte Buchhorn (Friedrichshafen) und Wollmatingen in die Verbrüderung gebracht hatte, hielt am 13. großen Kriegsrat im Kloster Salem und beschloß, dem Truchseß entgegenzuziehn. Sofort wurde überall Sturm geläutet, und 10000 Mann, zu denen noch die geschlagenen Baltringer stießen, versammelten sich im Bermatinger Lager. Sie bestanden am 15. April ein günstiges Gefecht mit dem Truchseß, der seine Armee hier nicht in einer Entscheidungsschlacht aufs Spiel setzen wollte und vorzog zu unterhandeln, um so mehr, als er erfuhr, daß die Allgäuer und Hegauer ebenfalls heranrückten. Er schloß also am 17. April mit den Seebauern und Baltringern zu Weingarten einen für sie scheinbar ziemlich günstigen Vertrag, auf den die Bauern ohne Bedenken eingingen. Er brachte es ferner dahin, daß die Dele
gierten der Ober- und Unterallgäuer diesen Vertrag ebenfalls annahmen, und zog dann nach Württemberg ab. Die List des Truchseß rettete ihn hier vor sicherem Untergang. Hätte er nicht verstanden, die schwachen, beschränkten, größtenteils schon demoralisierten Bauern und ihre meist unfähigen,ängstlichen undbestechlichen Führer zu betören, so war er mit seiner kleinen Armee zwischen vier Kolonnen, zusammen mindestens 25000 bis 30000 Mann stark, eingeschlossen und unbedingt verloren. Aber die bei Bauernmassen immer unvermeidliche Borniertheit seiner Feinde machte es ihm möglich, sich ihrer gerade in dem Moment zu entledigen, wo sie den ganzen Krieg, wenigstens für Schwaben und Franken, mit einem Schlage beendigen konnten. Die Seebauern hielten den Vertrag, mit dem sie schließlich natürlich geprellt wurden, so genau, daß sie später gegen ihre eignen Bundesgenossen, die Hegauer, die Waffen ergriffen; die Allgäuer, durch ihre Führer in den Verrat verwickelt, sagten sich zwar gleich davon los, aber inzwischen war der Truchseß aus der Gefahr. Die Hegauer, obwohl nicht in den Weingarter Vertrag eingeschlossen, gaben gleich darauf einen neuen Beleg von der grenzenlosen Lokalborniertheit und dem eigensinnigen Provinzialismus, der den ganzen Bauernkrieg zugrunde richtete. Nachdem der Truchseß vergeblich mit ihnen unterhandelt hatte und nach Württemberg abmarschiert war, zogen sie ihm nach und blieben ihm fortwährend in der Flanke; es fiel ihnen aber nicht ein, sich mit dem württembergischen hellen christlichen Haufen zu vereinigen, und zwar aus dem Grunde, weil die Württemberger und Neckartaler ihnen auch einmal Hülfe abgeschlagen hatten. Als daher der Truchseß sich weit genug von ihrer Heimat entfernt hatte, kehrten sie ruhig wieder um und zogen gegen Freiburg. Wir verließen die Württemberger unter Matern Feuerbacher bei Kirchheim unter Teck, von wo das vom Truchseß zurückgelassene Beöbachtungskorps unter Dietrich Spät sich nach Urach zurückgezogen hatte. Nach einem vergeblichen Versuch auf Urach wandte sich Feuerbacher nach Nürtingen und schrieb an alle benachbarten Insurgentenhaufen um Zuzug für die Entscheidungsschlacht. Es kamen in der Tat sowohl aus dem württembergischen Unterland wie aus dem Gäu bedeutende Verstärkungen. Namentlich rückten die Gäubauern, die sich um die bis nach Westwürttemberg zurückgegangenen Trümmer der Leipheimer gesammelt und das ganze obere Neckar- und Nagoldtal bis nach Böblingen und Leonberg insurgiert hatten, in zwei starken Haufen heran und vereinigten sich am 5. Mai in Nürtingen mit Feuerbacher. Bei Böblingen stieß der Truchseß auf die vereinigten Haufen. Ihre Zahl, ihr Geschütz und ihre Stellung machten ihn stutzig; er fing nach seiner üblichen
Methode sofort Unterhandlungen an und schloß einen Waffenstillstand mit den Bauern. Kaum hatte er sie hierdurch sicher gemacht, so überfiel er sie am 12. Mai währenddes Waffenstillstandes und zwang sie zu einer Entscheidungsschlacht. Die Bauern leisteten langen und tapferen Widerstand, bis endlich Böblingen dem Truchseß durch den Verrat der Bürgerschaft überliefert wurde. Der linke Flügel der Bauern war hiermit seines Stützpunktes beraubt, wurde geworfen und umgangen. Hierdurch war die Schlacht entschieden. Die undisziplinierten Bauern gerieten in Unordnung und bald in wilde Flucht; was nicht von den bündischen Reitern niedergemacht oder gefangen wurde, warf die Waffen weg und eilte nach Hause. Der „helle christliche Haufen", und mit ihm die ganze württembergische Insurrektion, war vollständig aufgelöst. Theus Gerber entkam nach Eßlingen, Feuerbacher floh nach der Schweiz, Jäcklein Rohrbach wurde gefangen und in Ketten bis Neckargartach mitgeschleppt, wo ihn der Truchseß an einen Pfahl ketten, ringsherum Holz aufschichten und so bei langsamem Feuer lebendig braten ließ, während er selbst, mit seinen Rittern zechend, sich an diesem ritterlichen Schauspiel weidete. Von Neckargartach aus unterstützte der Truchseß durch einen Einfall in den Kraichgau die Operationen des Kurfürsten von der Pfalz. Dieser, der inzwischen Truppen gesammelt, brach auf die Nachricht von den Erfolgen des Truchseß sofort den Vertrag mit den Bauern, überfiel am 23. Mai den Bruchrain, nahm und verbrannte Malsch nach heftigem Widerstande, plünderte eine Anzahl von Dörfern und besetzte Bruchsal. Zu gleicher Zeit überfiel der Truchseß Eppingen und nahm den dortigen Chef der Bewegung, Anton Eisenhut, gefangen, den der Kurfürst nebst einem Dutzend anderer Bauernführer sogleich hinrichten ließ. Der Bruchrain und Kraichgau waren hiermit pazifiziert und mußten gegen 40000 Gulden Brandschatzung zahlen. Die beiden Heere des Truchsessen - auf 6000 Mann reduziert durch die bisherigen Schlachten - und des Kurfürsten (6500 Mann) vereinigten sich nun und zogen den Odenwäldern entgegen. Die Nachricht von der Böblinger Niederlage hatte überall Schrecken unter den Insurgenten verbreitet. Die freien Reichsstädte, soweit sie unter die drückende Hand der Bauern geraten waren, atmeten plötzlich wieder auf. Heilbronn war die erste, die zur Versöhnung mit dem Schwäbischen Bund Schritte tat. In Heilbronn saßen die Bauernkanzlei und die Delegierten der verschiedenen Haufen, um die Anträge zu beraten, die im Namen sämtlicher insurgierter Bauern an Kaiser und Reich gestellt werden sollten. In diesen Verhandlungen, die ein allgemeines, für ganz Deutschland gültiges Resultat haben sollten, stellte sich abermals heraus, wie kein einzelner Stand, auch der der Bauern nicht, weit genug entwickelt war, um von seinem Standpunkt aus
die gesamten deutschen Zustände neu zu gestalten. Es zeigte sich sogleich, daß man zu diesem Zweck den Adel und ganz besonders die Bürgerschaft gewinnen mußte. Wendel Hipler bekam hiermit die Leitung der Verhandlungen in seine Hände. Wendel Hipler erkannte von allen Führern der Bewegung die bestehenden Verhältnisse am richtigsten. Er war kein weitgreifender Revolutionär wie Münzer, kein Repräsentant der Bauern wie Metzler oder Rohrbach. Seine vielseitige Erfahrung, seine praktische Kenntnis der Stellung der einzelnen Stände gegeneinander verhinderte ihn, einen der in der Bewegung verwickelten Stände gegen die andern ausschließlich zu vertreten. Gerade wie Münzer, als Repräsentant der ganz außer dem bisherigen offiziellen Gesellschaftsverband stehenden Klasse, der Anfänge des Proletariats, zur Vorahnung des Kommunismus getrieben wurde, geradeso kam Wendel Hipler, der Repräsentant sozusagen des Durchschnitts aller progressiven Elemente der Nation, bei der Vorahnung der modernen bürgerlichen Gesellschaft an. Die Grundsätze, die er vertrat, die Forderungen, die er aufstellte, waren zwar nicht das unmittelbar Mögliche, sie waren aber das, etwas idealisierte, notwendige Resultat der bestehenden Auflösung der feudalen Gesellschaft; und die Bauern, sobald sie sich darangaben, für das ganze Reich Gesetzentwürfe zu machen, waren genötigt, darauf einzugehn. So nahm die Zentralisation, die von den Bauern gefordert wurde, hier in Heilbronn eine positivere Gestalt an, eine Gestalt, die von der Vorstellung der Bauern über sie indes himmelweit verschieden war. So wurde sie z.B. in der Herstellung der Einheit von Münze, Maß und Gewicht, in der Aufhebung der inneren Zölle etc. näher bestimmt, kurz, in Forderungen, die weit mehr im Interesse der Städtebürger als der Bauern waren. So wurden dem Adel Konzessionen gemacht, die sich den modernen Ablösungen bedeutend nähern und die auf die schließliche Verwandlung des feudalen Grundbesitzes in bürgerlichen hinausliefen. Kurz, sobald die Forderungen der Bauern zu einer „Reichsreform" zusammengefaßt wurden, mußten sie sich nicht den momentanen Forderungen, aber den definitiven Interessen der Bürger unterordnen. Während diese Reichsreform in Heilbronn noch debattiert wurde, reiste der Verfasser der „Deklaration der zwölf Artikel", Hans Berlin, schon dem Truchseß entgegen, um im Namen der Ehrbarkeit und Bürgerschaft wegen Übergabe der Stadt zu unterhandeln. Reaktionäre Bewegungen in der Stadt unterstützten den Verrat, und Wendel Hipler mußte mit den Bauern fliehen. Er ging nach Weinsberg, wo er die Trümmer der Württemberger und die wenige mobile Mannschaft der Gaildorfer zu sammeln suchte. Aber das Herannahen des Kurfürsten von der Pfalz und des Truchseß vertrieb ihn auch von hier, und so mußte er nach Würzburg gehn, um den hellen lichten Haufen
in Bewegung zu bringen. Die bündischen und kurfürstlichen Truppen unterwarfen indes die ganze Neckargegend, zwangen die Bauern, neu zu huldigen, verbrannten viele Dörfer und erstachen oder hängten alle flüchtigen Bauern, deren sie habhaft wurden. Weinsberg wurde, zur Rache für die Hinrichtung des Helfensteiners, niedergebrannt. Die vor Würzburg vereinigten Haufen hatten inzwischen den Frauenberg belagert und am 15. Mai, noch ehe die Bresche geschossen war, einen tapfern, aber vergeblichen Sturm auf die Festung versucht. 400 der besten Leute, meist von Florian Geyers Schar, blieben in den Gräben tot oder verwundet liegen. Zwei Tage später, am 17., kam Wendel Hipleranundließ einen Kriegsrat halten. Er schlug vor, nur 4000 Mann vor dem Frauenberg zu lassen und mit der ganzen, an 20000 Mann starken Hauptmacht unter den Augen des Truchseß bei Krautheim an der Jagst ein Lager zu beziehen, auf das sich alle Verstärkungen konzentrieren könnten. Der Plan war vortrefflich; nur durch Zusammenhalten der Massen und durch Überzahl konnte man hoffen, das jetzt an 13000 Mann starke fürstliche Heer zu schlagen. Aber schon war die Demoralisation und Entmutigung unter den Bauern zu groß geworden, um noch irgendeine energische Aktion zuzulassen. Götz von Berlichingen, der bald darauf offen als Verräter auftrat, mag auch dazu beigetragen haben, den Haufen hinzuhalten, und so wurde der Hiplersche Plan nie ausgeführt. Statt dessen wurden die Haufen, wie immer, zersplittert. Erst am 23. Mai setzte sich der helle lichte Haufen in Bewegung, nachdem die Franken versprochen hatten, schleunigst zu folgen. Am 26. wurden die in Würzburg lagernden markgräflich-ansbachschen Fähnlein heimgerufen durch die Nachricht, daß der Markgraf die Feindseligkeiten gegen die Bauern eröffnet habe. Der Rest des Belagerungsheers, nebst Florian Geyers Schwarzer Schar, nahm Position bei Heidingsfeld, nicht weit von Würzburg. Der helle lichte Haufen kam am 24. Mai in Krautheim an, in einem wenig schlagfertigen Zustand. Hier hörten viele, daß ihre Dörfer inzwischen dem Truchseß gehuldigt hatten, und nahmen dies zum Vorwand, um nach Hause zu gehn. Der Haufe zog weiter nach Neckarsulm und unterhandelte am 28. mit dem Truchseß. Zugleich wurden Boten an die Franken, Elsässer und Schwarzwald-Hegauer mit der Aufforderung zu schleunigem Zuzug geschickt. Von Neckarsulm marschierte Götz [von Berlichingen] auf Öhringen zurück. Der Haufe schmolz täglich zusammen; auch Götz von Berlichingen verschwand während des Marsches; er war heimgeritten, nachdem er schon früher durch seinen alten Waffengefährten Dietrich Spät mit dem Truchseß wegen seines Übertritts unterhandelt hatte. Bei Öhringen, infolge falscher Nachrichten über das Herannahen des Feindes, ergriff plötzlich ein panischer
Schreck die rat- und mutlose Masse; der Haufen lief in voller Unordnung auseinander, und nur mit Mühe konnten Metzler und Wendel Hipler etwa 2000 Mann zusammenhalten, die sie wieder auf Krautheim führten. Inzwischen war das fränkische Aufgebot, 5000 Mann stark, herangekommen, aber durch einen von Götz offenbar in verräterischer Absicht angeordneten Seitenmarsch über Löwenstein nach Öhringen verfehlte es den hellen Haufen und zog auf Neckarsulm. Dies Städtchen, von einigen Fähnlein des hellen lichten Haufens besetzt, wurde vom Truchseß belagert. Die Franken kamen in der Nacht an und sahen die Feuer des bündischen Lagers; aber ihre Führer hatten nicht den Mut, einen Überfall zu wagen, und zogen sich nach Krautheim zurück, wo sie endlich den Rest des hellen lichten Haufens fanden. Neckarsulm ergab sich, als kein Entsatz kam, am 29. an die Bündischen, der Truchseß ließ sofort dreizehn Bauern hinrichten und zog dann sengend und brennend, plündernd und mordend den Haufen entgegen. Im ganzen Neckar-, Kocher- und Jagsttal bezeichneten Schutthaufen und an den Bäumen aufgehängte Bauern seinen Weg. Bei Krautheim stieß das bündische Heer auf die Bauern, die sich, durch eine Flankenbewegung des Truchseß gezwungen, auf Königshofen an der Tauber zurückgezogen. Hier faßten sie, 8000 Mann mit 32 Kanonen, Position. Der Truchseß näherte sich ihnen hinter Hügeln und Wäldern versteckt, ließ Umgehungskolonnen vorrücken und überfiel sie am 2. Juni mit solcher Übermacht und Energie, daß sie trotz der hartnäckigsten, bis in die Nacht fortgesetzten Gegenwehr mehrerer Kolonnen vollständig geschlagen und aufgelöst wurden. Wie immer, trug auch hier die bündische Reiterei, „der Bauern Tod", hauptsächlich zur Vernichtung des Insurgentenheers bei, indem sie sich auf die durch Artillerie, Büchsenfeuer und Lanzenangriffe erschütterten Bauern warf, sie vollständig zersprengte und einzeln niedermachte. Welche Art von Krieg der Truchseß mit seinen Reitern führte, beweist das Schicksal der 300 Königshofener Bürger, die beim Bauernheer waren. Sie wurden während der Schlacht bis auf fünfzehn niedergehauen, und von diesen fünfzehn wurden nachträglich noch vier enthauptet. Nachdem er so mit den Odenwäldern, Neckartalern und Niederfranken fertig geworden, pazifizierte der Truchseß durch Streifzüge, Verbrennung ganzer Dörfer und zahllose Hinrichtungen die ganze Umgegend und zog dann gegen Würzburg. Unterwegs erfuhr er, daß der zweite fränkische Haufe unter Florian Geyer und Gregor von Burgbernheim bei Sulzdorf stand, und sofort wandte er sich gegen diesen. Florian Geyer, der seit dem vergeblichen Sturm auf den Frauenberg hauptsächlich mit den Fürsten und Städten, namentlich mit Rothenburg und
dem Markgrafen Kasimir von Ansbach, wegen ihres Beitritts zur Bauernverbrüderung unterhandelt hatte, wurde durch die Nachricht der Königshofener Niederlage plötzlich abgerufen. Mit seinem Haufen vereinigte sich der ansbachsche unter Gregor von Burgbernheim. Dieser Haufe hatte sich erst neuerdings gebildet. Der Markgraf Kasimir hatte in echt hohenzollerscher Weise den Bauernaufstand in seinem Gebiet teils durch Versprechungen, teils durch drohende Truppenmassen im Schach zu halten gewußt. Er hielt vollständige Neutralität gegen alle fremden Haufen, solange sie keine ansbachschen Untertanen an sich zogen. Er suchte den Haß der Bauern hauptsächlich auf die geistlichen Stifter zu lenken, durch deren schließliche Konfiskation er sich zu bereichern gedachte. Dabei rüstete er fortwährend und wartete die Ereignisse ab. Kaum war die Nachricht von der Schlacht bei Böblingen eingetroffen, als er sofort die Feindseligkeiten gegen seine rebellischen Bauern eröffnete, ihnen die Dörfer plünderte und verbrannte und viele von ihnen hängen und niedermachen ließ. Die Bauern jedoch zogen sich rasch zusammen und schlugen ihn, unter Gregor von Burgbernheim, am 29. Mai bei Windsheim. Während sie ihn noch verfolgten, erreichte sie der Ruf der bedrängten Odenwälder, und sofort wandten sie sich nach Heidingsfeld und von dort mit Florian Geyer wieder nach Würzburg (2. Juni). Hier ließen sie, stets ohne Nachricht von den Odenwäldern, 5000 Bauern zurück und zogen mit 4000 Mann - der Rest war auseinandergelaufen - den übrigen nach. Durch falsche Nachrichten über den Ausfall der Schlacht bei Königshofen sicher gemacht, wurden sie bei Sulzdorf vom Truchseß überfallen und total geschlagen. Wie gewöhnlich richteten die Reiter und Knechte des Truchsessen ein furchtbares Blutbad an. Florian Geyer hielt den Rest seiner Schwarzen Schar, 600 Mann, zusammen und schlug sich durch nach dem Dorf Ingolstadt. 200 Mann besetzten die Kirche und den Kirchhof, 400 das Schloß. Die Pfälzer hatten ihn verfolgt, eine Kolonne von 1200 Mann nahm das Dorf und zündete die Kirche an; was nicht in den Flammen unterging, wurde niedergemacht. Dann schössen die Pfälzer Bresche in die baufällige Mauer des Schlosses und versuchten den Sturm. Zweimal von den Bauern, die hinter einer inneren Mauer gedeckt standen, zurückgeschlagen, schössen sie auch diese zweite Mauer zusammen und versuchten dann den dritten Sturm, der auch gelang. Die Hälfte von Geyers Leuten wurde zusammengehauen; mit den letzten zweihundert entkam er glücklich. Aber sein Zufluchtsort wurde schon am nächsten Tage (Pfingstmontag) entdeckt; die Pfälzer umzingelten den Wald, in dem er versteckt lag, und hieben den ganzen Haufen nieder. Nur 17 Gefangene wurden während dieser zwei Tage gemacht. Florian Geyer hatte sich mit wenigen der Entschlossensten wieder durchgeschlagen und
wandte sich nun zu den Gaildorfern, die wieder an 7000 Mann stark zusammengetreten waren. Aber als er hinkam, fand er sie, infolge der niederschlagenden Nachrichten von allen Seiten, größtenteils wieder aufgelöst. Er machte noch den Versuch, die Versprengten in den Wäldern zu sammeln, wurde aber am 9. Juni bei Hall von Truppen überrascht und fiel fechtend. Der Truchseß, der schon gleich nach dem Sieg von Königshofen den Belagerten auf dem Frauenberg Nachricht gegeben hatte, rückte nun auf Würzburg. Der Rat verständigte sich heimlich mit ihm, so daß das bündische Heer in der Nacht des 7. Juni die Stadt nebst den darin befindlichen 5000 Bauern umzingeln und am nächsten Morgen in die vom Rat geöffneten Tore ohne Schwertstreich einziehen konnte. Durch diesen Verrat der Würzburger „Ehrbarkeit" wurde der letzte fränkische Bauernhaufe entwaffnet und sämtliche Führer gefangen. Der Truchseß ließ sogleich 81 enthaupten. Hier in Würzburg trafen nun nacheinander die verschiedenen fränkischen Fürsten ein; der Bischof von Würzburg selbst, der von Bamberg und der Markgraf von Brandenburg-Ansbach. Die gnädigen Herren verteilten unter sich die Rollen. Der Truchseß zog mit dem Bischof von Bamberg, der jetzt sofort den mit seinen Bauern abgeschlossenen Vertrag brach und sein Land den wütenden Mordbrennerhorden des bündischen Heeres preisgab. Der Markgraf Kasimir verwüstete sein eigenes Land. Deiningen wurde verbrannt; zahllose Dörfer wurden geplündert oder den Flammen preisgegeben; dabei hielt der Markgraf in jeder Stadt ein Blutgericht ab. In Neustadt an der Aisch ließ er achtzehn, in Bergel dreiundvierzig Rebellen enthaupten. Von da zog er nach Rothenburg, wo die Ehrbarkeit bereits eine Kontrerevolution gemacht und Stephan von Menzingen verhaftet hatte. Die Rothenburger Kleinbürger und Plebejer mußten jetzt schwer dafür büßen, daß sie sich den Bauern gegenüber so zweideutig benommen, daß sie ihnen bis ganz zuletzt alle Hülfe abgeschlagen, daß sie in ihrem lokalbornierten Eigennutz auf Unterdrückung der ländlichen Gewerbe zugunsten der städtischen Zünfte bestanden und nur widerwillig die aus den Feudalleistungen der Bauern fließenden städtischen Einkünfte aufgegeben hatten. Der Markgraf ließ ihrer sechzehn köpfen, voran natürlich Menzingen. - Der Bischof von Würzburg durchzog in gleicher Weise sein Gebiet, überall plündernd, verwüstend und sengend. Er ließ auf seinem Siegeszug 256 Rebellen hinrichten und krönte sein Werk, bei seiner Rückkehr nach Würzburg, durch die Enthauptung von noch dreizehn Würzburgern. Im Mainzischen stellte der Statthalter, Bischof Wilhelm von Straßburg, die Ruhe ohne Widerstand her. Er ließ nur vier hinrichten. Der Rheingau, der ebenfalls erregt gewesen, wo aber längst alles nach Hause gegangen war, wurde nachträglich von Frowin von Hutten, Ulrichs Vetter, überfallen und durch
Hinrichtung von zwölf Rädelsführern vollends „beruhigt". Frankfurt, das auch bedeutende revolutionäre Bewegungen erlebt hatte, war anfangs durch Nachgiebigkeit des Rats, später durch angeworbene Truppen im Zaum gehalten worden. In der Rheinpfalz hatten sich seit dem Vertragsbruch des Kurfürsten wieder an 8000 Bauern zusammengerottet und von neuem Klöster und Schlösser verbrannt; aber der Trierer Erzbischof zog den Marschall von Habern zu Hülfe und schlug sie schon am 23. Mai bei Pfeddersheim. Eine Reihe von Grausamkeiten (in Pfeddersheim allein wurden 82 hingerichtet) und die Einnahme von Weißenberg am 7. Juli beendeten hier den Aufstand. Von sämtlichen Haufen blieben jetzt nur noch zwei zu besiegen: die Hegau-Schwarzwälder und die Allgäuer. Mit beiden hatte der Erzherzog Ferdinand intrigiert. Wie Markgraf Kasimir und andere Fürsten den Aufstand zur Aneignung der geistlichen Ländereien und Fürstentümer, so suchte er ihn zur Vergrößerung der östreichischen Hausmacht zu benutzen. Er hatte mit dem Allgäuer Hauptmann Walter Bach und mit dem Hegauer Hans Müller von Bulgenbach unterhandelt, um die Bauern dahin zu bringen, sich für den Anschluß an Ostreich zu erklären, aber obwohl beide Chefs käuflich waren, konnten sie bei den Haufen weiter nichts durchsetzen, als daß die Allgäuer mit dem Erzherzog einen Waffenstillstand schlössen und die Neutralität gegen Ostreich beobachteten. Die Hegauer hatten auf ihrem Rückzug aus dem Württembergischen eine Anzahl Schlösser zerstört und Verstärkungen aus den markgräflich-badischen Ländern an sich gezogen. Sie marschierten am 13. Mai gegen Freiburg, beschossen es vom 18. an und zogen am 23., nachdem die Stadt kapituliert hatte, mit fliegenden Fahnen hinein. Von dort zogen sie gegen Stockach und Radolfzell und führten lange einen erfolglosen kleinen Krieg gegen die Besatzungen dieser Städte. Diese, sowie der Adel und die umliegenden Städte, riefen kraft des Weingarter Vertrags die Seebauern um Hülfe an, und die ehemaligen Rebellen des Seehaufens erhoben sich, 5000 Mann stark, gegen ihre Bundesgenossen. So stark war die Lokalborniertheit dieser Bauern. Nur 600 weigerten sich, wollten sich den Hegauern anschließen und wurden massakriert. Die Hegauer jedoch, durch den abgekauften Hans Müller von Bulgenbach veranlaßt, hatten bereits die Belagerung aufgehoben und waren, als Hans Müller gleich darauf floh, meist auseinandergegangen. Der Rest verschanzte sich an der Hilzinger Steige, wo er am 16. Juli von den inzwischen disponibel gewordenen Truppen geschlagen und vernichtet wurde. Die Schweizer Städte vermittelten einen Vertrag für die Hegauer, der indes nicht verhinderte, daß Hans Müller trotz seines Verrats zu Laufenburg verhaftet und enthauptet wurde. Im Breisgau fiel nun auch Freiburg (17. Juli) vom Bunde der Bauern
ab und schickte Truppen gegen sie; doch auch hier kam bei der Schwäche der fürstlichen Streitkräfte am 18. September ein Vertrag zu Offenburg12701 zustande, in den auch der Sundgau eingeschlossen wurde. Die acht Einungen des Schwarzwalds und die Klettgauer, die noch nicht entwaffnet waren, wurden durch die Tyrannei des Grafen von Sulz abermals zum Aufstand getrieben und im Oktober geschlagen. Am 13. November wurden die Schwarzwälder zu einem Vertrag gezwungen[2711, und am 6. Dezember fiel Waldshut, das letzte Bollwerk der Insurrektion am Oberrhein. Die Allgäuer hatten seit dem Abzug des Truchseß ihre Kampagne gegen Klöster und Schlösser wieder aufgenommen und für die Verwüstungen der Bündischen energische Repressalien geübt. Sie hatten wenig Truppen sich gegenüber, die nur einzelne kleine Uberfälle unternahmen, ihnen aber nie in die Wälder folgen konnten. Im Juni brach in Memmingen, das sich ziemlich neutral gehalten hatte, eine Bewegung gegen die Ehrbarkeit aus, die nur durch die zufällige Nähe einiger bündischen Truppen, welche der Ehrbarkeit noch zur rechten Zeit zu Hülfe kommen konnten, unterdrückt wurde. Schappeler, der Prediger und Führer der plebejischen Bewegung, entkam nach Sankt Gallen. Die Bauern zogen nun vor die Stadt und wollten eben mit dem Brescheschießen beginnen, als sie erfuhren, daß der Truchseß von Würzburg heranzog. Am 27. Juli marschierten sie ihm in zwei Kolonnen über Babenhausen und Obergünzburg entgegen. Der Erzherzog Ferdinand versuchte nochmals die Bauern für das Haus Ostreich zu gewinnen. Gestützt auf den Waffenstillstand, den er mit ihnen abgeschlossen, forderte er den Truchseß auf, nicht weiter gegen sie vorzurücken. Der Schwäbische Bund jedoch befahl ihm, sie anzugreifen und nur das Sengen und Brennen zu lassen; der Truchseß war indes viel zu klug, um auf sein erstes und entscheidendstes Kriegsmittel zu verzichten, selbst wenn es ihm möglich gewesen wäre, die vom Bodensee bis an den Main von Exzeß zu Exzeß geführten Landsknechte im Zaum zu halten. Die Bauern faßten Position hinter der Iiier und Leubas, an 23000 Mann stark. Der Truchseß stand ihrer Front gegenüber mit 11 000 Mann. Die Stellungen beider Heere waren stark; die Reiterei konnte auf dem vorliegenden Terrain nicht wirken; und wenn die Landsknechte des Truchseß an Organisation, militärischen Hülfsquellen und Disziplin den Bauern überlegen waren, so zählten die Allgäuer eine Menge gedienter Soldaten und erfahrener Hauptleute in ihren Reihen und hatten zahlreiches, gut bedientes Geschütz. Am 19. Juli eröffneten die Bündischen eine Kanonade, die von beiden Seiten am 20. fortgesetzt wurde, jedoch ohne Resultat. Am21. stieß Georg vonFrundsberg mit 3000 Landsknechten zum Truchseß. Er kannte viele der Bauernhauptleute, die unter ihm in den italienischen Feldzügen gedient hatten, und
knüpfte Unterhandlungen mit ihnen an. Der Verrat gelang, wo die militärischen Hülfsmittel nicht ausreichten. Walter Bach, mehrere andere Hauptleute und Geschützmeister ließen sich kaufen. Sie ließen den ganzen Pulvervorrat der Bauern in Brand stecken und bewegten den Haufen zu einem Umgehungsversuch. Kaum aber waren die Bauern aus ihrer festen Stellung heraus, so fielen sie in den Hinterhalt, den ihnen der Truchseß nach Verabredung mit Bach und den anderen Verrätern gelegt hatte. Sie konnten sich um so weniger verteidigen, als ihre Hauptleute, die Verräter, sie unter dem Vorwand einer Rekognoszierung verlassen hatten und schon auf dem Wege nach der Schweiz waren. Zwei der Bauernkolonnen wurden so vollständig zersprengt, die dritte, unter dem Knopf von Leubas, konnte sich noch geordnet zurückziehen. Sie stellte sich wieder auf dem Kollenberg bei Kempten, wo der Truchseß sie einschloß. Auch hier wagte er nicht, sie anzugreifen; er schnitt ihr die Zufuhr ab und suchte sie zu demoralisieren, indem er an 200 Dörfer in der Umgegend niederbrennen ließ. Der Hunger und der Anblick ihrer brennenden Wohnungen brachte die Bauern endlich dahin, daß sie sich ergaben (25. Juli). Mehr als zwanzig wurden sogleich hingerichtet. Der Knopf von Leubas, der einzige Führer dieses Haufens, der seine Fahne nicht verraten hatte, entkam nach Bregenz; aber hier wurde er verhaftet und nach langem Gefängnis gehängt. Damit war der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg beendet.
VI [Der thüringische, elsässische und östreichische Bauernkrieg]
Gleich beim Ausbruch der ersten Bewegungen in Schwaben war Thomas Münzer wieder nach Thüringen geeilt und hatte seit Ende Februar oder anfangs März seinen Wohnsitz in der freien Reichsstadt Mühlhausen genommen, wo seine Partei am stärksten war. Er hatte die Fäden der ganzen Bewegung in der Hand; er wußte, welch allgemeiner Sturm in Süddeutschland auszubrechen im Begriff war, und hatte es übernommen, Thüringen in das Zentrum der Bewegung für Norddeutschland zu verwandeln. Er fand einen höchst fruchtbaren Boden. Thüringen selbst, der Hauptsitz der Reformationsbewegung, war im höchsten Grade aufgeregt; und die materielle Not der unterdrückten Bauern nicht minder als die kursierenden revolutionären, religiösen und politischen Doktrinen hatten auch die benachbarten Länder, Hessen, Sachsen und die Harzgegend, für einen allgemeinen Aufstand vorbereitet. In Mühlhausen namentlich war die ganze Masse der Kleinbürgerschaft für die extreme, Münzersche Richtung gewonnen und konnte kaum den Moment erwarten, an dem sie ihre Überzahl gegen die hochmütige Ehrbarkeit geltend machen sollte. Münzer selbst mußte, um dem richtigen Moment nicht vorzugreifen, besänftigend auftreten; doch sein Schüler Pfeifer, der hier die Bewegung dirigierte, hatte sich schon so kompromittiert, daß er den Ausbruch nicht zurückhalten konnte, und schon am 17. März 1525, noch vor dem allgemeinen Aufstand in Süddeutschland, machte Mühlhausen seine Revolution. Der alte patrizische Rat wurde gestürzt und die Regierung in die Hände des neugewählten „ewigen Rats" gelegt, dessen Präsident Münzer war12721. Es ist das Schlimmste, was dem Führer einer extremen Partei widerfahren kann, wenn er gezwungen wird, in einer Epoche die Regierung zu übernehmen, wo die Bewegung noch nicht reif ist für die Herrschaft der Klasse, die er vertritt, und für die Durchführung der Maßregeln, die die Herrschaft dieser Klasse erfordert. Was er tun kann, hängt nicht von seinem Willen ab, sondern
von der Höhe, auf die der Gegensatz der verschiedenen Klassen getrieben ist, und von dem Entwicklungsgrad der materiellen Existenzbedingungen, der Produktions- und Verkehrsverhältnisse, auf dem der jedesmalige Entwicklungsgrad der Klassengegensätze beruht. Was er tun soll, was seine eigne Partei von ihm verlangt, hängt wieder nicht von ihm ab, aber auch nicht von dem Entwicklungsgrad des Klassenkampfs und seiner Bedingungen; er ist gebunden an seine bisherigen Doktrinen und Forderungen, die wieder nicht aus der momentanen Stellung der gesellschaftlichen Klassen gegeneinander und aus dem momentanen, mehr oder weniger zufälligen Stande der Produktions- und Verkehrsverhältnisse hervorgehn, sondern aus seiner größeren oder geringeren Einsicht in die allgemeinen Resultate der gesellschaftlichen1 und politischen Bewegung. Er findet sich so notwendigerweise in einem unlösbaren Dilemma: Was er tun kann, widerspricht seinem ganzen bisherigen Auftreten, seinen Prinzipien und den unmittelbaren Interessen seiner Partei; und was er tun soll, ist nicht durchzuführen. Er ist, mit einem Wort, gezwungen, nicht seine Partei, seine Klasse, sondern die Klasse zu vertreten, für deren Herrschaft die Bewegung gerade reif ist. Er muß im Interesse der Bewegung selbst die Interessen einer ihm fremden Klasse durchführen und seine eigne Klasse mit Phrasen und Versprechungen, mit der Beteuerung abfertigen, daß die Interessen jener fremden Klasse ihre eignen Interessen sind. Wer in diese schiefe Stellung gerät, ist unrettbar verloren. In der neuesten Zeit noch haben wir Beispiele davon erlebt; wir erinnern nur an die Stellung, die in der letzten französischen provisorischen Regierung die Vertreter des Proletariats einnahmen'2'3', obwohl sie selbst nur eine sehr untergeordnete Entwicklungsstufe desProletariats repräsentierten. Wer nach den Erfahrungen der Februarregierung-von unsern edlen deutschen provisorischen Regierungen und Reichsregentschaften nicht zu sprechen - noch auf offizielle Stellungen spekulieren kann, muß entweder über die Maßen borniert sein oder der extremrevolutionären Partei höchstens mit der Phrase angehören.
Die Stellung Münzers an der Spitze des ewigen Rats von Mühlhausen war indes noch viel gewagter als die irgendeines modernen revolutionären Regenten. Nicht nur die damalige Bewegung, auch sein ganzes Jahrhundert war nicht reif für die Durchführung der Ideen, die er selbst erst dunkel zu ahnen begonnen hatte. Die Klasse, die er repräsentierte, weit entfernt, vollständig entwickelt und fähig zur Unterjochung und Umbildung2 der ganzen Gesellschaft zu sein, war eben erst im Entstehen begriffen. Der gesellschaftliche Umschwung, der seiner Phantasie vorschwebte, war noch so wenig in den vor
1 (1850) industriellen - 2 (1850) fehlt: und Umbildung
26 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
liegenden materiellen Verhältnissen begründet, daß diese sogar eine Gesellschaftsordnung vorbereiteten, die das gerade Gegenteil seiner geträumten Gesellschaftsordnung war. Dabei aber blieb er an seine bisherigen Predigten von der christlichen Gleichheit und der evangelischen Gütergemeinschaft gebunden; er mußte wenigstens den Versuch ihrer Durchführung machen. Die Gemeinschaft aller Güter, die gleiche Verpflichtung aller zur Arbeit und die Abschaffung aller Obrigkeit wurde proklamiert. Aber in der Wirklichkeit blieb Mühlhausen eine republikanische Reichsstadt mit etwas demokratisierter Verfassung, mit einem aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Senat, der unter der Kontrolle des Forums stand, und mit einer eilig improvisierten Naturalverpflegung der Armen. Der Gesellschaftsumsturz, der den protestantischen bürgerlichen Zeitgenossen so entsetzlich vorkam, ging in der Tat nie hinaus über einen schwachen und unbewußten Versuch zur übereilten Hers tellung der späteren bürgerlichen Gesellschaft. Münzer selbst scheint die weite Kluft zwischen seinen Theorien und der unmittelbar vorliegenden Wirklichkeit gefühlt zu haben, eine Kluft, die ihm um so weniger verborgen bleiben konnte, je verzerrter seine genialen Anschauungen sich in den rohen Köpfen der Masse seiner Anhänger widerspiegeln mußten. Er warf sich mit einem selbst bei ihm unerhörten Eifer auf die Ausbreitung und Organisation der Bewegung; er schrieb Briefe und sandte Boten und Emissäre nach allen Seiten aus. Seine Schreiben und Predigten atmen einen revolutionären Fanatismus, der selbst nach seinen früheren Schriften in Erstaunen setzt. Der naive jugendliche Humor der revolutionären1 Münzerschen Pamphlete ist ganz verschwunden; die ruhige, entwickelnde Sprache des Denkers, die ihm früher nicht fremd war, kommt nicht mehr vor. Münzer ist jetzt ganz Revolutionsprophet; er schürt unaufhörlich den Haß gegen die herrschenden Klassen, er stachelt die wildesten Leidenschaften auf und spricht nur noch in den gewaltsamen Wendungen, die das religiöse und nationale Delirium den alttestamentarischen Propheten in den Mund legte. Man sieht aus dem Stil, in den er sich jetzt hineinarbeiten mußte, auf welcher Bildungsstufe das Publikum stand, auf das er zu wirken hatte. Das Beispiel Mühlhausens und die Agitation Münzers wirkten rasch in die Ferne. In Thüringen, im Eichsfeld, im Harz, in den sächsischen Herzogtümern, in Hessen und Fulda, in Oberfranken und im Vogtland standen überall Bauern auf, zogen sich in Haufen zusammen und verbrannten Schlösser und Klöster. Münzer war mehr oder weniger als Führer der ganzen Bewegung anerkannt, und Mühlhausen blieb Zentralpunkt, während in Erfurt eine rein bürgerliche
1 (1850) vorrevolutionären
Bewegung siegte und die dort herrschende Partei fortwährend eine zweideutige Stellung gegen die Bauern beobachtete. Die Fürsten waren in Thüringen anfangs geradeso ratlos und ohnmächtig gegenüber den Bauern wie in Franken und Schwaben. Erst in den letzten Tagen des April gelang es dem Landgrafen von Hessen, ein Korps zusammenzuziehn - demselben Landgrafen Philipp, von dessen Frömmigkeit die protestantischen und bürgerlichen Reformationsgeschichten so viel zu rühmen wissen und von dessen Infamien gegen die Bauern wir sogleich ein geringes Wörtlein vernehmen werden. Der Landgraf Philipp unterwarf durch ein paar rasche Züge und durch bestimmtes Auftreten bald den größten Teil seines Landes, zog neue Aufgebote heran und wandte sich dann ins Gebiet des Abts von Fulda, seines bisherigen Lehnsherrn. Er schlug den Fuldaer Bauernhaufen am 3. Mai am Frauen-Berg, unterwarf das ganze Land und benutzte die Gelegenheit, nicht nur sich von der Oberhoheit des Abts loszumachen, sondern sogar die Abtei Fulda in ein hessisches Lehen zu verwandeln - vorbehaltlich ihrer späteren Säkularisierung natürlich. Dann nahm er Eisenach und Langensalza und zog, mit den herzoglich-sächsischen Truppen vereinigt, gegen den Hauptsitz der Rebellion, gegen Mühlhausen. Münzer zog seine Streitkräfte, an 8000 Mann mit einigem Geschütz, bei Frankenhausen zusammen. Der thüringische Haufe war weit entfernt davon, die Schlagfähigkeit zu besitzen, die ein Teil der oberschwäbischen und fränkischen Haufen dem Truchseß gegenüber entwickelte; er war schlecht bewaffnet und schlecht diszipliniert, er zählte wenig gediente Soldaten und ermangelte aller Führer. Münzer selbst besaß offenbar nicht die geringsten militärischen Kenntnisse. Dennoch fanden es die Fürsten angemessen, auch hier die Taktik anzuwenden, die dem Truchseß so oft zum Sieg verholfen hatte: die Wortbrüchigkeit. Am 16. Mai leiteten sie Unterhandlungen ein, schlössen einen Waffenstillstand und überfielen dann plötzlich die Bauern, noch ehe der Stillstand abgelaufen war. Münzer stand mit den Seinen auf dem noch jetzt so genannten Schlachtberg, verschanzt hinter einer Wagenburg. Die Entmutigung unter dem Haufen war schon sehr im Zunehmen. Die Fürsten versprachen Amnestie, wenn der Haufe ihnen Münzer lebendig ausliefern wolle. Münzer ließ einen Kreis bilden und die Anträge der Fürsten debattieren. Ein Ritter und ein Pfaff sprachen sich für die Kapitulation aus; Münzer ließ sie beide sofort in den Kreis führen und enthaupten. Dieser von den entschlossenen Revolutionären mit Jubel aufgenommene Akt terroristischer Energie brachte wieder einigen Halt in den Haufen; aber schließlich wäre er doch zum größten Teil ohne Widerstand auseinandergegangen, wenn man nicht bemerkt hätte, daß die
fürstlichen Landsknechte, nachdem sie den ganzen Berg umstellt, trotz des Stillstands in geschlossenen Kolonnen heranrückten. Schnell wurde die Front hinter den Wagen formiert, aber schon schlugen die Geschütz- und Büchsenkugeln in die halb wehrlosen, kampfungewohnten Bauern, schon waren die Landsknechte bei der Wagenburg angelangt. Nach kurzem Widerstand war die Wagenlinie durchbrochen, die Kanonen der Bauern waren erobert und sie selbst versprengt. Sie flohen in wilder Unordnung, um den Umgehungskolonnen und der Reiterei um so sicherer in die Hände zu fallen, die ein unerhörtes Blutbad unter ihnen anrichteten. Von achttausend Bauern wurden über fünftausend erschlagen; der Rest kam nach Frankenhausen hinein und gleichzeitig mit ihm die fürstlichen Reiter. Die Stadt war genommen. Münzer, am Kopf verwundet, wurde in einem Hause entdeckt und gefangengenommen. Am 25. Mai ergab sich auch Mühlhausen; Pfeifer, der dort geblieben war, entkam, wurde aber im Eisenachschen verhaftet. Münzer wurde in Gegenwart der Fürsten auf die Folter gespannt und dann enthauptet. Er ging mit demselben Mut auf den Richtplatz, mit dem er gelebt hatte. Er war höchstens achtundzwanzig Jahre alt, als er hingerichtet wurde. Auch Pfeifer wurde enthauptet; außer diesen beiden aber noch zahllose andre. In Fulda hatte der Mann Gottes, Philipp von Hessen, sein Blutgericht begonnen; er und die sächsischen Fürsten ließen unter andern in Eisenach 24, in Langensalza 41, nach der Frankenhauser Schlacht 300, in Mühlhausen über 100, bei Görmar 26, bei Tüngeda 50, bei Sangerhausen 12, in Leipzig 8 Rebellen mit dem Schwert hinrichten, von Verstümmelungen und anderen gelindern Mitteln, von Plünderungen und Verbrennungen der Dörfer und Städte gar nicht zu reden. Mühlhausen mußte sich seiner Reichsfreiheit begeben und wurde den sächsischen Ländern einverleibt, gerade wie die Abtei Fulda der Landgrafschaft Hessen. Die Fürsten zogen nun über den Thüringer Wald, wo fränkische Bauern aus dem Bildhäuser Lager sich mit den Thüringern verbunden und viele Schlösser verbrannt hatten. Vor Meiningen kam es zum Gefecht; die Bauern wurden geschlagen und zogen sich auf die Stadt zurück. Diese verschloß ihnen plötzlich die Tore und drohte sie im Rücken anzugreifen. Der Haufe, durch diesen Verrat seiner Bundesgenossen ins Gedränge gebracht, kapitulierte mit den Fürsten und lief noch während der Verhandlung auseinander. Das Bildhäuser Lager hatte sich längst zerstreut, und so war mit der Zersprengung dieses Haufens der letzte Rest der Insurgenten aus Sachsen, Hessen, Thüringen und Oberfranken vernichtet. Im Elsaß war der Aufstand später losgebrochen als auf der rechten Rhein
seite. Erst gegen die Mitte des April erhoben sich die Bauern im Bistum Straßburg, und bald nach ihnen die Oberelsässer und Sundgauer. Am 18. April plünderte ein niederelsässischer Bauernhaufe das Kloster Altdorf; andere Haufen bildeten sich bei Ebersheim und Barr sowie im Willertal und Urbistal. Sie konzentrierten sich bald zum großen Niederelsässer Haufen und organisierten die Einnahme der Städte und Flecken sowie die Zerstörung der Klöster. Überall wurde der dritte Mann zum Heer eingefordert. Die zwölf Artikel dieses Haufens sind bedeutend radikaler als die schwäbisch-fränkischen12741. Während eine Kolonne der Niederelsässer sich anfangs Mai bei St. Hippolyte konzentrierte und nach einem vergeblichen Versuch, diese Stadt zu gewinnen, am 10. Mai Bercken, am 13. Rappoltsweiler, am 14. Reichenweier durch Einverständnis mit den Bürgern in ihre Gewalt bekam, zog eine zweite unter Erasmus Gerber aus, um Straßburg zu überrumpeln. Der Versuch mißlang, die Kolonne wandte sich nun den Vogesen zu, zerstörte das Kloster Maursmünster und belagerte Zabern, das sich am 13. Mai ergab. Von hier zog sie an die lothringische Grenze und insurgierte den anstoßenden Teil des Herzogtums, während sie zugleich die Gebirgspässe verschanzte. Bei Herbitzheim an der Saar und bei Neuburg wurden große Lager gebildet; bei Saargemünd verschanzten sich 4000 deutsch-lothringische Bauern; zwei vorgeschobene Haufen endlich, der Kolbenhaufen in den Vogesen bei Stürzelbronn, der Kleeburger Haufe bei Weißenburg, deckten Front und rechte Flanke, während sich die linke Flanke an die Oberelsässer anlehnte. Diese, seit dem 20. April in Bewegung, hatten am 10. Mai Sulz, am 12. Gebweiler, am 15. Sennheim und Umgegend in die Bauernverbrüderung gezwungen. Die östreichische Regierung und die umliegenden Reichsstädte verbanden sich zwar sogleich gegen sie, waren aber zu schwach, ihnen ernsthaften Widerstand zu leisten, geschweige sie anzugreifen. So war, mit Ausnahme weniger Städte, bis Mitte Mai das ganze Elsaß in den Händen der Insurgenten. Aber schon nahte das Heer, das den Frevelmut der Elsässer Bauern brechen sollte. Es waren Franzosen, die hier die Restauration der Adelsherrschaft vollzogen. Der Herzog Anton von Lothringen setzte sich bereits am 6. Mai mit einer Armee von 30000 Mann in Bewegung, darunter die Blüte des französischen Adels und spanische, piemontesische, lombardische, griechische und albanesische Hülfstruppen. Am 16. Mai stieß er bei Lützelstein auf 4000 Bauern, die er ohne Mühe schlug, und am 17. schon zwang er das von den Bauern besetzte Zabern zur Kapitulation. Aber noch während des Einzugs der Lothringer in die Stadt und der Entwaffnung der Bauern wurde die
Kapitulation gebrochen; die wehrlosen Bauern wurden von den Landsknechten überfallen und größtenteils niedergemacht. Die übrigen niederelsässischen Kolonnen zerstreuten sich, und Herzog Anton zog nun den Oberelsässern entgegen. Diese, die sich geweigert hatten, den Niederelsässern nach Zabern zuzuziehn, wurden nun bei Scherweiler von der ganzen Macht der Lothringer angegriffen. Sie wehrten sich mit großer Tapferkeit, aber die enorme Übermacht - 30 000 gegen 7000 - und der Verrat einer Anzahl Ritter, besonders des Vogts von Reichenweier, vereitelte alle Bravour. Sie wurden vollständig geschlagen und zersprengt. Der Herzog pazifizierte nun den ganzen Elsaß mit üblicher Grausamkeit. Nur der Sundgau blieb von seiner Anwesenheit verschont. Die östreichische Regierung brachte hier durch die Drohung, ihn ins Land zu rufen, ihre Bauern anfangs Juni zum Abschluß des Vertrags von Ensisheim. Sie selbst aber brach diesen Vertrag sogleich wieder und ließ die Prediger und Führer der Bewegung massenweise hängen. DieBauern machten hierauf einen neuen Aufstand, der endlich damit endigte, daß die Sundgauer Bauern in den Vertrag zu Offenburg (18. September) eingeschlossen wurden. Es bleibt uns jetzt noch der Bauernkrieg in den ostreichischen Alpenländern zu berichten. Diese Gegenden sowie das anstoßende ErzbistumSalzburg waren seit der stara prawa1 in fortwährender Opposition gegen Regierung und Adel, und die reformierten Lehren hatten auch hier einen günstigen Boden gefunden. Religiöse Verfolgungen und willkürliche Steuerbedrückungen brachten den Aufstand zum Losbruch. Die Stadt Salzburg, unterstützt von den Bauern und Bergknappen, hatte schon seit 1522 mit dem Erzbischof wegen ihrer städtischen Privilegien und wegen der Religionsübung im Streit gelegen. Ende 1524 überfiel der Erzbischof die Stadt mit angeworbnen Landsknechten, terrorisierte sie durch die Kanonen des Schlosses und verfolgte die ketzerischen Prediger. Zugleich schrieb er neue, drückende Steuern aus und reizte die ganze Bevölkerung dadurch aufs äußerste. Im Frühjahr 1525, gleichzeitig mit der schwäbisch-fränkischen und thüringischen Insurrektion, erhoben sich plötzlich die Bauern und Bergleute des ganzen Landes, organisierten sich in Haufen unter den Hauptleuten Proßler und Weitmoser, befreiten die Stadt und belagerten das Schloß Salzburg. Sie schlössen, wie die westdeutschen Bauern, einen christlichen Bund und faßten ihre Forderungen in Artikeln zusammen, deren hier vierzehn waren. Auch in Steiermark, Oberöstreich, Kärnten und Krain, wo neue ungesetzliche Steuern, Zölle und Verordnungen das Volk in seinen nächsten Interessen
1 Siehe vor!. Band, S. 370
schwer verletzt hatten, standen die Bauern im Frühjahr 1525 auf. Sie nahmen eine Anzahl Schlösser und schlugen den Besieger der stara prawa, den alten Feldhauptmann Dietrichstein, bei Gryß. Obgleich es den Vorspiegelungen der Regierung gelang, einen Teil der Insurgenten zu beschwichtigen, blieb die Masse doch zusammen und vereinigte sich mit den Salzburgern, so daß das ganze Salzburgische und der größte Teil von Oberöstreich, Steiermark, Kärnten und Krain in den Händen der Bauern und Bergknappen war. In Tirol hatten ebenfalls die reformierten Lehren großen Anhang gefunden; hier waren sogar, noch mehr als in den übrigen östreichischen Alpenländern, Münzersche Emissäre mit Erfolg tätig gewesen. Der Erzherzog Ferdinand verfolgte die Prediger der neuen Lehre auch hier und griff ebenfalls durch neue willkürliche Finanzregulationen in die Vorrechte der Bevölkerung ein. Die Folge war, wie überall, der Aufstand im Frühling desselben Jahres 1525. Die Insurgenten, deren oberster Hauptmann ein Münzerscher war, Geismaier, das einzige bedeutende militärische Talent unter sämtlichen Bauernchefs, nahmen eine Menge Schlösser und verfuhren namentlich im Süden, im Etschgebiet, sehr energisch gegen die Pfaffen. Auch die Vorarlberger standen auf und schlössen sich den Allgäuern an. Der Erzherzog, von allen Seiten bedrängt, machte den Rebellen, die er noch kurz vorher mit Sengen und Brennen, Plündern und Morden hatte ausrotten wollen, Konzession über Konzession. Er berief die Landtage der Erblande ein und schloß bis zu ihrem Zusammentritt Waffenstillstand mit den Bauern. Inzwischen rüstete er nach Kräften, um möglichst bald eine andre Sprache mit den Frevlern führen zu können. Der Waffenstillstand wurde natürlich nicht lange gehalten. In den Herzogtümern fing Dietrichstein, dem das Geld ausging, an zu brandschatzen. Seine slawischen und magyarischen Truppen erlaubten sich zudem die schamlosesten Grausamkeiten gegen die Bevölkerung. Die Steirer standen also wieder auf, überfielen in der Nacht vom 2. zum 3. Juli den Feldhauptmann Dietrichstein in Schladming und machten alles nieder, was nicht deutsch sprach. Dietrichstein selbst wurde gefangen; am Morgen des 3. wurde von den Bauern ein Geschwornengericht eingesetzt und 40 tschechische und kroatische Adlige aus den Gefangnen zum Tode verurteilt. Sie wurden sofort enthauptet. Das wirkte; der Erzherzog genehmigte sofort alle Forderungen der Stände der fünf Herzogtümer (Ober- und Niederöstreich, Steiermark, Kärnten und Krain). Auch in Tirol wurden die Forderungen des Landtags bewilligt und dadurch der Norden pazifiziert. Der Süden jedoch, auf seinen ursprünglichen Forderungen gegenüber den abgeschwächten Landtagsbeschlüssen beharrend,
blieb unter den Waffen. Erst im Dezember konnte der Erzherzog hier die Ordnung durch Gewalt wiederherstellen. Er unterließ nicht, eine große Anzahl der in seine Hände gefallenen Anstifter und Führer des Aufruhrs hinrichten zu lassen. Gegen Salzburg zogen nun im August 10000 Bayern unter Georg von Frundsberg. Diese imposante Truppenmacht sowie Zwistigkeiten, die unter den Bauern ausgebrochen waren, bewogen die Salzburger zum Abschluß eines Vertrags mit dem Erzbischof, der am 1. September zustande kam und den auch der Erzherzog annahm. Die beiden Fürsten, die inzwischen ihre Truppen genügend verstärkt hatten, brachen diesen Vertrag jedoch sehr bald und trieben dadurch die Salzburger Bauern zu einem erneuerten Aufstand. Die Insurgenten hielten sich den Winter über; im Frühjahr kam Geismaier zu ihnen und eröffnete eine glänzende Kampagne gegen die von allen Seiten heranrückenden Truppen. In einer Reihe brillanter Gefechte schlug er - im Mai und Juni 1526 - nacheinander Bayern, Ostreicher, schwäbische Bundestruppen und erzbischöflich-salzburgische Landsknechte und hinderte lange die verschiednen Korps an ihrer Vereinigung. Dazwischen fand er noch Zeit, Radstadt zu belagern. Von der Übermacht endlich auf allen Seiten umzingelt, mußte er abziehn, schlug sich durch und führte die Trümmer seines Korps mitten durch die östreichischen Alpen auf venetianisches Gebiet. Die Republik Venedig und die Schweiz boten dem unermüdlichen Bauernchef Anhaltspunkte zu neuen Intrigen; er versuchte noch ein Jahr lang, sie in einen Krieg gegen Ostreich zu verwickeln, der ihm zu einem wiederholten Bauernaufstand Gelegenheit bieten sollte. Aber während dieser Unterhandlungen erreichte ihn die Hand eines Mörders; der Erzherzog Ferdinand und der salzburgische Erzbischof waren nicht ruhig, solange Geismaier am Leben war: Sie bezahlten einen Banditen, und diesem gelang es, den gefährlichen Rebellen 1527 aus der Welt zu schaffen.
VII [Die Folgen des Bauernkriegs]
Mit dem Rückzüge Geismaiers auf venetianisches Gebiet hatte das letzte Nachspiel des Bauernkriegs sein Ende erreicht. Die Bauern waren überall wieder unter die Botmäßigkeit ihrer geistlichen, adligen oder patrizischen Herren gebracht; die Verträge, die hie und da mit ihnen abgeschlossen waren, wurden gebrochen, die bisherigen Lasten wurden vermehrt durch die enormen Brandschatzungen, die die Sieger den Besiegten auferlegten. Der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volks endigte mit schmählicher Niederlage und momentan verdoppeltem Druck. Auf die Dauer jedoch verschlimmerte sich die Lage der Bauernklasse nicht durch die Unterdrückung des Aufstandes. Was Adel, Fürsten und Pfaffen aus ihnen jahraus, jahrein herausschlagen konnten, das wurde schon vor dem Krieg sicher herausgeschlagen; der deutsche Bauer von damals hatte dies mit dem modernen Proletarier gemein, daß sein Anteil an den Produkten seiner Arbeit sich auf das Minimum von Subsistenzmitteln beschränkte, das zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung der Bauernrace erforderlich war. Im Durchschnitt war also hier nichts mehr zu nehmen. Manche wohlhabenderen Mittelbauern sind freilich ruiniert, eine Menge von Hörigen in die Leibeigenschaft hineingezwungen, ganze Striche Gemeindeländereienkonfisziert, eine große Anzahl Bauern durch die Zerstörung ihrer Wohnungen und die Verwüstung ihrer Felder sowie durch die allgemeine Unordnung in die Vagabondage oder unter die Plebejer der Städte geworfen worden. Aber Kriege und Verwüstungen gehörten zu den alltäglichen Erscheinungen jener Zeit, und im allgemeinen stand die Bauernklasse eben zu tief für eine dauernde Verschlechterung ihrer Lage durch erhöhte Steuern. Die folgenden Religionskriege und endlich der Dreißigjährige Krieg mit seinen stets wiederholten, massenhaften Verwüstungen und Entvölkerungen haben die Bauern weit schwerer getroffen als der Bauernkrieg; namentlich der Dreißigjährige Krieg vernichtete den bedeutendsten Teil der im Ackerbau angewandten Produktivkräfte und brachte dadurch und durch
die gleichzeitige Zerstörung vieler Städte die Bauern, Plebejer und ruinierten Bürger auf lange Zeit bis zum irischen Elend in seiner schlimmsten Form herab. Wer an den Folgen des Bauernkriegs am meisten litt , war die Geistlichkeit. Ihre Klöster und Stifter waren verbrannt, ihre Kostbarkeiten geplündert, ins Ausland verkauft oder eingeschmolzen, ihre Vorräte waren verzehrt worden. Sie hatte überall am wenigsten Widerstand leisten können, und zu gleicher Zeit war die ganze Wucht des Volkshasses am schwersten auf sie gefallen. Die andern Stände, Fürsten, Adel und Bürgerschaft, hatten sogar eine geheime Freude an der Not der verhaßten Prälaten. Der Bauernkrieg hatte die Säkularisation der geistlichen Güter zugunsten der Bauern populär gemacht, die weltlichen Fürsten und zum Teil die Städte gaben sich daran, diese Säkularisation zu ihrem Besten durchzuführen, und bald waren in protestantischen Ländern die Besitzungen1 der Prälaten in den Händen der Fürsten oder der Ehrbarkeit. Aber auch die Herrschaft der geistlichen Fürsten war angetastet worden, und die weltlichen Fürsten verstanden es, den Volkshaß nach dieser Seite hin zu exploitieren. So haben wir gesehen, wie der Abt von Fulda vom Lehnsherrn zum Dienstmann Philipps von Hessen degradiert wurde. So zwang die Stadt Kempten den Fürstabt, ihr eine Reihe wertvoller Privilegien, die er in der Stadt besaß, für einen Spottpreis zu verkaufen. Der Adel hatte ebenfalls bedeutend gelitten. Die meisten seiner Schlösser waren vernichtet, eine Anzahl der angesehensten Geschlechter war ruiniert und konnte nur im Fürstendienst eine Existenz finden. Seine Ohnmacht gegenüber den Bauern war konstatiert; er war überall geschlagen und zur Kapitulation gezwungen worden; nur die Heere der Fürsten hatten ihn gerettet. Er mußte mehr und mehr seine Bedeutung als reichsunmittelbarer Stand verlieren und unter die Botmäßigkeit der Fürsten geraten. Die Städte hatten im ganzen auch keinen Vorteil vom Bauernkrieg. Die Herrschaft der Ehrbarkeit wurde fast überall wieder befestigt; die Opposition der Bürgerschaft blieb für lange Zeit gebrochen. Der alte patrizische Schlendrian schleppte sich so, Handel und Industrie nach allen Seiten hin fesselnd, bis in die französische Revolution fort. Von den Fürsten wurden zudem die Städte verantwortlich gemacht für die momentanen Erfolge, die die bürgerliche oder plebejische Partei in ihrem Schoß während des Kampfes errungen hatte. Städte, die schon früher den Gebieten der Fürsten angehörten, wurden schwer gebrandschatzt, ihrer Privilegien beraubt und schutzlos unter die habgierige Willkür der Fürsten geknechtet (Frankenhausen, Arnstadt, Schmalkalden, Würzburg etc. etc.), Reichsstädte wurden fürstlichen Territorien ein
1 (1850) Bistümer
verleibt (z.B. Mühlhausen) oder doch in die moralische Abhängigkeit von angrenzenden Fürsten gebracht, wie viele fränkische Reichsstädte. Wer unter diesen Umständen vom Ausgang des Bauernkriegs allein Vorteil zog, waren die Fürsten. Wir sahen schon gleich im Anfang unserer Darstellung, wie die mangelhafte industrielle, kommerzielle und agrikole Entwicklung Deutschlands alle Zentralisation der Deutschen zur Nation unmöglich machte, wie sie nur eine lokale und provinzielle Zentralisation zuließ und wie daher die Repräsentanten dieser Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, die Fürsten, den einzigen Stand bildeten, dem jede Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse zugute kommen mußte. Der Entwicklungsgrad des damaligen Deutschlands war so niedrig und zu gleicher Zeit so ungleichförmig in den verschiedenen Provinzen, daß neben den weltlichen Fürstentümern noch geistliche Souveränetäten, städtische Republiken und souveräne Grafen und Barone bestehen konnten; aber sie drängte zu gleicher Zeit, wenn auch sehr langsam und matt, doch immer auf die provinzielle Zentralisation, d.h. auf die Unterordnung der übrigen Reichsstände1 unter die Fürsten hin. Daher konnten am Ende des Bauernkriegs nur die Fürsten gewonnen haben. So war es auch in der Tat. Sie gewannen nicht nur relativ, dadurch daß ihre Konkurrenten, die Geistlichkeit, der Adel, die Städte, geschwächt wurden; sie gewannen auch absolut, indem sie die spolia opima (Hauptbeute) von allen übrigen Ständen davontrugen. Die geistlichen Güter wurden zu ihrem Besten säkularisiert; ein Teil des Adels, halb oder ganz ruiniert, mußte sich nach und nach unter ihre Oberhoheit geben; die Brandschatzungsgelder der Städte und Bauernschaften flössen in ihren Fiskus, der obendrein durch die Beseitigung so vieler städtischen Privilegien weit freieren Spielraum für seine beliebten Finanzoperationen gewann. Die Zersplitterung Deutschlands, deren Verschärfung und Konsolidierung das Hauptresultat des Bauernkriegs war, war auch zu gleicher Zeit die Ursache seines Mißlingens. Wir haben gesehen, wie Deutschland zersplittert war, nicht nur in zahllose unabhängige, einander fast total fremde Provinzen, sondern auch wie die Nation in jeder dieser Provinzen in eine vielfache Gliederung von Ständen und Ständefraktionen auseinanderfiel. Außer Fürsten und Pfaffen finden wir Adel und Bauern auf dem Land, Patrizier, Bürger und Plebejer in den Städten, lauter Stände, deren Interessen einander total fremd waren, wenn sie sich nicht durchkreuzten und zuwiderliefen. Über allen diesen komplizierten Interessen, obendrein, noch das des Kaisers und des Papstes. Wir haben gesehen,
1 (1875) irrtümlich: Reichsstädte
wie schwerfällig, unvollständig und je nach den Lokalitäten ungleichförmig diese verschiedenen Interessen sich schließlich in drei große Gruppen formierten; wie trotz dieser mühsamen Gruppierung jeder Stand gegen die der nationalen Entwicklung durch die Verhältnisse gegebene Richtung opponierte, seine Bewegung auf eigene Faust machte, dadurch nicht nur mit allen konservativen, sondern auch mit allen übrigen opponierenden Ständen in Kollision geriet und schließlich unterliegen mußte. So der Adel im Aufstand Sikkingens, die Bauern im Bauernkrieg, die Bürger in ihrer gesamten zahmen Reformation. So kamen selbst Bauern und Plebejer in den meisten Gegenden Deutschlands nicht zur gemeinsamen Aktion und standen einander im Wege. Wir haben auch gesehn, aus welchen Ursachen diese Zersplitterung des Klassenkampfs und die damit gegebene vollständige Niederlage der revolutionären und halbe Niederlage der bürgerlichen Bewegung hervorging. Wie die lokale und provinzielle Zersplitterung und die daraus notwendig hervorgehende lokale und provinzielle Borniertheit die ganze Bewegung ruinierte; wie weder die Bürger noch die Bauern, noch die Plebejer zu einem konzentrierten, nationalen Auftreten kamen; wie die Bauern z. B. in jeder Provinz auf eigne Faust agierten, den benachbarten insurgierten Bauern stets die Hülfe verweigerten und daher in einzelnen Gefechten nacheinander von Heeren aufgerieben wurden, die meist nicht dem zehnten Teil der insurgierten Gesamtmasse gleichkamen - das wird wohl aus der vorhergehenden Darstellung jedem klar sein. Die verschiedenen Waffenstillstände und Verträge der einzelnen Haufen mit ihren Gegnern konstituieren ebensoviel Akte des Verrats an der gemeinsamen Sache, und die einzig mögliche Gruppierung der verschiedenen Haufen nicht nach der größeren oder geringeren Gemeinsamkeit ihrer eignen Aktion, sondern nach der Gemeinsamkeit des speziellen Gegners, dem sie erlagen, ist der schlagendste Beweis für den Grad der Fremdheit der Bauern verschiedner Provinzen gegeneinander. Auch hier bietet sich die Analogie mit der Bewegung von 1848-50 wieder von selbst dar. Auch 1848 kollidierten die Interessen der oppositionellen Klassen untereinander, handelte jede für sich. Die Bourgeoisie, zu weit entwickelt, um sich den feudal-bürokratischen Absolutismus noch länger gefallen zu lassen, war doch noch nicht mächtig genug, die Ansprüche andrer Klassen den ihrigen sofort unterzuordnen. Das Proletariat, viel zu schwach, um auf ein rasches Überhüpfen der Bourgeoisperiode und auf seine eigne baldige Eroberung der Herrschaft rechnen zu können, hatte schon unter dem Absolutismus die Süßigkeiten des Bourgeoisregiments zu sehr kennengelernt und war überhaupt viel zu entwickelt, um auch nur für einen Moment in der Emanzipation der Bourgeoisie seine eigne Emanzipation zu sehen. Die Masse
der Nation, Kleinbürger, Kiembürgergenossen (Handwerker) und Bauern, wurde von ihrem zunächst noch natürlichen Alliierten, der Bourgeoisie, als schon zu revolutionär, und stellenweise vom Proletariat, als noch nicht avanciert genug, im Stich gelassen; unter sich wieder geteilt, kam auch sie zu nichts und opponierte rechts und links ihren Mitopponenten. Die Lokalborniertheit endlich kann 1525 unter den Bauern nicht größer gewesen sein, als sie unter den sämtlichen in der Bewegung beteiligten Klassen von 1848 war. Die hundert Lokalrevolutionen, die daran sich anknüpfenden hundert ebenso ungehindert durchgeführten Lokalreaktionen, die Aufrechthaltung der Kleinstaaterei etc. etc. sind Beweise, die wahrlich laut genug sprechen. Wer nach den beiden deutschen Revolutionen von 1525 und 1848 und ihren Resultaten noch von Föderativrepublik faseln kar>n, verdient nirgend anders hin als ins Narrenhaus. Aber die beiden Revolutionen, die des sechzehnten Jahrhunderts und die von 1848-50, sind trotz aller Analogien doch sehr wesentlich voneinander verschieden. Die Revolution von 1848 beweist, wenn auch nichts für den Fortschritt Deutschlands, doch für den Fortschritt Europas. Wer profitierte von der Revolution von 1525? Die Fürsten. - Wer profitierte von der Revolution von 1848? Die großen Fürsten, Ostreich und Preußen. Hinter den kleinen Fürsten von 1525 standen, sie an sich kettend durch die Steuer, die kleinen Spießbürger, hinter den großen Fürsten von 1850, hinter Ostreich und Preußen, sie rasch unterjochend durch die Staatsschuld, stehen die modernen großen Bourgeois. Und hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier. Die Revolution von 1525 war eine deutsche Lokalangelegenheit. Engländer, Franzosen, Böhmen, Ungarn hatten ihre Bauernkriege schon durchgemacht, als die Deutschen den ihrigen machten. War schon Deutschland zersplittert, so war Europa es noch weit mehr. Die Revolution von 1848 war keine deutsche Lokalangelegenheit, sie war ein einzelnes Stück eines großen europäischen Ereignisses. Ihre treibenden Ursachen, während ihres ganzen Verlaufs, sind nicht auf den engen Raum eines einzelnen Landes, nicht einmal auf den eines Weltteils zusammengedrängt. Ja, die Länder, die der Schauplatz dieser Revolution waren, sind gerade am wenigsten bei ihrer Erzeugung beteiligt. Sie sind mehr oder weniger bewußt- und willenlose Rohstoffe, die umgemodelt werden im Verlauf einer Bewegung, an der jetzt die ganze Welt teilnimmt, einer Bewegung, die uns unter den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen allerdings nur als eine fremde Macht erscheinen kann, obwohl sie schließlich nur unsre eigne Bewegung ist. Die Revolution von 1848 bis 1850 kann daher nicht enden wie die von 1525.
Karl Marx/Friedrich Engels
[Erklärung über den Austritt aus dem Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London12751]
An den Dienstagspräsidenten der Gesellschaft in Great Windmill Street. Die Unterzeichneten zeigen hiermit ihren Austritt aus der Gesellschaft an.
London, 17. Sept. 1850
H.Bauer K.Pfänder J.G.Eccarius S.Seiler K.Marx K.Schramm F.Engels F.Wolff W. Liehknecht Hein Haupt G.Klose
Nach dem Manuskript.
Karl Marx/Friedrich Engels
[Brief an Adam, Barthelemy und Vidil]
An die Herren Adam, Barthelemy und Vidil1"61
Geehrte Herren, wir haben die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß wir die Assoziation, von der Sie sprechen, schon lange als de facto aufgelöst betrachtet haben. Das einzige, was noch zu tun ist, wäre die Vernichtung des Grundvertrages1. Vielleicht haben die Herren Adam oder Vidil die Freundlichkeit, am nächsten Sonntag, dem 13. Oktober, mittags bei Herrn Engels, Macclesfield Street Nr. 6, Soho, vorzusprechen, um der Verbrennung des Grundvertrages beizuwohnen.
Wir haben die Ehre, geehrte Herren, Ihre ergebensten Diener zu sein
Engels Marx Hamey
London, den 9. Oktober 1850
Nach dem Manuskript. Aus dem Englischen.
1 Siehe vorl. Band, S. 553/554
Karl Marx/Friedrich Engels
[Redaktionelle Anmerkung zu dem Artikel „Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capitals" von J.G.Eccarius12771]
Der Verfasser dieses Artikels ist selbst Arbeiter in einem der Londoner Schneidershops1. Wir fragen die deutschen Bourgeois, wieviel Schriftsteller sie zählen, die fähig wären, in ähnlicher Weise die wirkliche Bewegung aufzufassen? Ehe das Proletariat seine Siege auf Barrikaden und in Schlachtlinien erficht, kündet es die Ankunft seiner Herrschaft durch eine Reihe intellektueller Siege an. Der Leser wird bemerken, wie an die Stelle der sentimentalen moralischen und psychologischen Kritik, wie sie Weitling und andere schriftstellernde Arbeiter geltend machten gegen die bestehenden Zustände, hier eine rein materialistische und freiere Auffassung, von keinen Gemütsmucken gestört, der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Bewegung gegenübertritt. Während namentlich in Deutschland und zum großen Teil auch in Frankreich die Handwerker sich gegen den Untergang ihrer halbmittelaltrigen Stellung sträuben und sich als Handwerker vereinigen möchten, wird hier das Erliegen des Handwerks vor der großen Industrie als Fortschritt begriffen und gefeiert, während gleichzeitig in den Resultaten und Produktionen der großen Industrie die von der Geschichte selbst hervorgebrachten und täglich sich neu erzeugenden realen Bedingungen der proletarischen Revolution erkannt und enthüllt werden.
Geschrieben Oktober 1850. „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850.
1 Schneidergeschäfte
Friedrich Engels
[Über die Losung der Abschaffung des Staates und die deutschen „Freunde der Anarchie"f278!]
„Die Abschaffung des Staats hat nur einen Sinn bei den Kommunisten als notwendiges Resultat der Abschaffung der Klassen, mit denen von selbst das Bedürfnis der organisierten Macht einer Klasse zur Niederhaltung der andern wegfällt. In bürgerlichen Ländern bedeutet die Abschaffung des Staats die Zurückführung der Staatsgewalt auf den Maßstab von Nordamerika. Hier sind die Klassengegensätze nur unvollständig entwickelt; die Klassenkollisionen werden jedesmal vertuscht durch den Abzug der proletarischen Überbevölkerung nach dem Westen; das Einschreiten der Staatsmacht, im Osten auf ein Minimum reduziert, existiert im Westen gar nicht. In feudalen Ländern bedeutet die Abschaffung des Staats die Abschaffung des Feudalismus und die Herstellung des gewöhnlichen bürgerlichen Staats. In Deutschland verbirgt sich hinter ihr entweder die feige Flucht aus den unmittelbar vorliegenden Kämpfen, die überschwengliche Verschwindelung der bürgerlichen Freiheit zur absoluten Unabhängigkeit und Selbständigkeit des einzelnen, oder endlich die Gleichgültigkeit des Bürgers gegen jede Staatsform, vorausgesetzt, daß die bürgerlichen Interessen in ihrer Entwicklung nicht gehemmt werden. Daß diese Abschaffung des Staats ,im höheren Sinn' in so alberner Weise gepredigt wird, dafür können natürlich die Berliner Stirner und Faucher nicht. La plus belle fille de la France ne peut donner que ce quelle a.1" („N. Rh. Z.", Heft IV, p. 58.2) Die Abschaffung des Staats, die Anarchie ist inzwischen in Deutschland ein allgemeines Stichwort geworden. Die versprengten deutschen Schüler Proudhons12'91, die Berliner „höhere" Demokratie und sogar die verschollenen „edelsten Geister der Nation" aus dem Stuttgarter Parlament und der
1 Das schönste Mädchen Frankreichs kann nur das geben, was es hat. - 2 siehe vorl. Band, S. 288/289
27 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
Reichsregentschaft12801 haben sich, jeder in seiner Weise, dies wildaussehende Stichwort angeeignet. Alle diese Fraktionen stimmen in der Aufrechterhaltung der bestehenden bürgerlichen Gesellschaft überein. Mit der bürgerlichen Gesellschaft vertreten sie daher notwendig die Herrschaft der Bourgeoisie und in Deutschland sogar die Eroberung der Herrschaft durch die Bourgeoisie; sie unterscheiden sich von den wirklichen Vertretern der Bourgeoisie nur durch die fremdartige Form, die ihnen den Schein des „Weitergehens", des „am allerweitesten Gehens" gibt. In allen praktischen Kollisionen verschwand dieser Schein; gegenüber der wirklichen Anarchie revolutionärer Krisen,1 wo die Massen2 mit „brutaler Gewalt" gegeneinander ankämpften, taten diese Vertreter der Anarchie jedesmal ihr möglichstes, um der Anarchie zu steuern. Der Inhalt dieser vielgerühmten „Anarchie" lief schließlich auf denselben hinaus, den man in entwickelteren Ländern mit dem Wort „Ordnung" ausdrückt. Die „Freunde der Anarchie" in Deutschland stehen in voller entente cordiale3 mit den „Freunden der Ordnung" in Frankreich. Soweit die Freunde der Anarchie nicht von den Franzosen Proudhon und Girardin abhängig sind, soweit ihre Anschauungsweise germanischen Ursprungs ist, haben sie alle eine gemeinsame Quelle: Stirner. Die Auflösungsperiode der deutschen Philosophie hat überhaupt der demokratischen Partei in Deutschland den größten Teil ihrer allgemeinen Phrasen geliefert. Die Vorstellungen und Phrasen der letzten deutschen Schriftgelehrten, namentlich Feuerbachs und Stirners, waren schon vor dem Februar in ziemlich dissoluter Form in das gemeine belletristische Bewußtsein und die Zeitungsliteratur übergegangen, und diese bildeten wieder die Hauptquelle für die nachmärzlichen demokratischen Wortführer. StirnersPredigtvonderStaatlosigkeit namentlich paßt vortrefflich, um der Proudhonschen Anarchie und der Girardinschen Abschaffung des Staats die deutsche philosophische „höhere Weihe" zu geben. Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigenthum"[2811 ist zwar verschollen, aber seine Vorstellungsweise, besonders seine Kritik des Staats, taucht wieder auf in den Freunden der Anarchie. Haben wir schon früher die Quellen dieser Herren, soweit sie französischen Ursprungs waren, untersucht4, so müssen wir, um ihre deutschen Quellen zu prüfen, abermals hinabsteigen in die Tiefen der vorsündflutlichen deutschen Philosophie. Wenn man sich einmal mit der deutschen Tagespolemik befassen muß, ist es immer
1 [Im Manuskript gestrichen:] wo die Staatsmacht vor der Macht der Massen verschwand,— 3 [im Manuskri pt gestrichen:] sich der Gewalt bemächtigen - 3 Herzenseintracht - 4 siehe vorl. Band, S. 280-291
angenehmer, sich an die ursprünglichen Erfinder einer Anschauungsweise zu halten als an die Trödler zweiter Hand,
Noch einmal sattelt mir den Hippogryphen, ihr Musen, Zum Ritt ins alte romantische Land!'2821
Ehe wir auf das erwähnte Stirnersche Buch selbst eingehen, müssen wir uns zurückversetzen in das „alte romantische Land" und in die vergessene Zeit, in der dies Buch erschien. Die preußische Bourgeoisie, an die Finanzverlegenheiten der Regierung sich anklammernd, begann, sich politische Macht zu erobern, während gleichzeitig, neben der bürgerlich-konstitutionellen Bewegung, die kommunistische Bewegung im Proletariat täglich weiter um sich griff. Die bürgerlichen Elemente der Gesellschaft, der proletarischen Unterstützung noch zur Erreichung ihrer eigenen Zwecke bedürftig, mußten überall einen gewissen Sozialismus affektieren; die konservative und feudale Partei war ebenfalls gezwungen, dem Proletariat Versprechungen zu machen. Neben dem Kampf der Bourgeois und Bauern gegen Feudaladel und Bürokratie - der Kampf der Proletarier gegen die Bourgeois; dazwischen eine Reihe von sozialistischen Mittelstufen, die alle Arten von Sozialismus, den reaktionären, den kleinbürgerlichen, den Bourgeoissozialismus, umfaßten; alle diese Kämpfe und Bestrebungen, niedergehalten, in ihrem Ausdruck gedämpft durch den Druck der herrschenden Gewalt, durch die Zensur, durch das Verbot der Vereine und Versammlungen - das war die Stellung der Parteien zu jener Zeit, wo die deutsche Philosophie ihre letzten kümmerlichen Triumphe feierte. Die Zensur nötigte von vornherein allen mehr oder minder mißliebigen Elementen die möglichst abstrakte Ausdrucksweise auf; die deutsche philosophische Tradition, die gerade bei der vollständigen Auflösung der Hegelschen Schule angekommen war, lieferte diesen Ausdruck. Der Kampf gegen die Religion dauerte noch fort. Je schwieriger der politische Kampf gegen die bestehende Gewalt in der Presse wurde, desto eifriger wurde er in der Form des religiösen und philosophischen Kampfs fortgesetzt. Die deutsche Philosophie, in ihrer aufgelöstesten Form, wurde Gemeingut der „Gebildeten", und je mehr sie Gemeingut wurde, desto aufgelöster, zerfahrener und fader wurden die Philosophen, und diese Liederlichkeit und Fadheit gab ihnen wieder um so höheres Ansehn in den Augen des „gebildeten" Publikums. Die Verwirrung in den Köpfen der „Gebildeten" war schreckenerregend und nahm jeden Augenblick noch zu. Es war eine wahre Racenkreuzung von Ideen deutschen, französischen, englischen, antiken, mittelalterlichen und modernen Ursprungs. Die Verwirrung war um so größer, da man alle Ideen
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erst aus zweiter, dritter und vierter Hand besaß und sie daher in einer bis zur Unkenntlichkeit entstellten Gestalt zirkulierten. Nicht nur die Gedanken der französischen und englischen Liberalen und Sozialisten, auch die Ideen von Deutschen, z.B. Hegels, teilten dies Schicksal. Die ganze Literatur jener Zeit, und besonders, wie wir sehen werden, Stirners Buch, liefert zahllose Beweise davon, und die gegenwärtige deutsche Literatur laboriert noch heute stark an den Folgen. Die philosophischen Spiegelfechtereien dienten unter dieser Konfusion als Abbild der wirklichen Kämpfe. Jede „neue Wendung" in der Philosophie erregte die allgemeine Aufmerksamkeit der „Gebildeten", die in Deutschland eine Unzahl müßiger Köpfe, Referendarien, Schulamtskandidaten, gescheiterte Theologen, brotlose Mediziner, Literaten etc. etc. in sich schließen. Für diese Leute war mit jeder solchen „neuen Wendung" eine geschichtliche Entwicklungsstufe überwunden und auf immer abgetan. Der bürgerliche Liberalismus z.B., sobald ein beliebiger Philosoph ihn beliebig kritisiert hatte, war tot, aus der geschichtlichen Entwicklung gestrichen und auch für die Praxis vernichtet. Ebenso der Republikanismus, der Sozialismus usw. Wie sehr diese Entwicklungsstufen „vernichtet", „aufgelöst", „abgetan" waren, zeigte sich nachher in der Revolution, wo sie die Hauptrolle spielten und wo von ihren philosophischen Vernichtern plötzlich keine Rede mehr war. Die Liederlichkeit in Form und Inhalt, die arrogante Plattheit und aufgeblähte Fadaise, die bodenlose Trivialität und dialektische Misere dieser letzten deutschen Philosophie übertrifft alles, was bisher in diesem Fach dagewesen ist. Sie wird nur erreicht durch die unglaubliche Leichtgläubigkeit des Publikums, das alle diese Sachen für bare Münze, für nagelneu, für „noch nie dagewesen" nahm. Die deutsche Nation, die „gründliche"
Geschrieben Oktober 1850. Nach dem Manuskript.
1 Hier endet das Manuskript.
Karl Marx/Friedrich Engels Revue11401
Mai bis Oktober [1850]
Die politischen Agitationen der letzten sechs Monate unterscheiden sich wesentlich von den unmittelbar vorhergehenden. Die revolutionäre Partei ist überall vom Schauplatz zurückgedrängt, die Sieger streiten sich um die Früchte des Sieges. So in Frankreich die verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie, in Deutschland die verschiednen Fürsten. Der Streit wird mit großem Geräusch geführt, der offne Bruch, die Entscheidung durch die Waffen scheint unvermeidlich; unvermeidlich aber ist, daß die Waffen in der Scheide ruhen bleiben, daß die Entscheidungslosigkeit sich stets von neuem hinter Friedensverträge verbirgt, um sich von neuem auf den Scheinkrieg vorzubereiten. Betrachten wir zuerst die reale Grundlage, auf der diese oberflächlichen Wallungen spielen. Die Jahre 1843-1845 waren Jahre der industriellen und kommerziellen Prosperität, notwendige Folgen der fast ununterbrochenen Depression der Industrie der Epoche 1837-42. Wie immer, entwickelte die Prosperität sehr rasch die Spekulation. Die Spekulation tritt regelmäßig ein in den Perioden, wo die Überproduktion schon in vollem Gange ist. Sie liefert der Überproduktion ihre momentanen Abzugskanäle, während sie eben dadurch das Hereinbrechen der Krise beschleunigt und ihre Wucht vermehrt. Die Krise selbst bricht zuerst aus auf dem Gebiet der Spekulation und bemächtigt sich erst später der Produktion. Nicht die Überproduktion, sondern die Überspekulation, die selbst nur ein Symptom der Überproduktion ist, erscheint daher der oberflächlichen Betrachtung als Ursache der Krise. Die spätere Zerrüttung der Produktion erscheint nicht als notwendiges Resultat ihrer eignen vorhergegangenen Exuberanz, sondern als bloßer Rückschlag der zusammenbrechenden Spekulation. Da wir jedoch in diesem Augenblick keine vollständige Geschichte der Krise [nach] 1843-45 geben können, so stellen wir nur die bedeutendsten eben dieser Symptome der Überproduktion zusammen.
Die Spekulation der Prosperitätsjahre 1843-1845 warf sich hauptsächlich auf Eisenbahnen, wo sie ein wirkliches Bedürfnis zu ihrer Grundlage hatte, auf Getreide, infolge der Teuerung von 1845 und der Kartoffelkrankheit, auf Baumwolle, nach der schlechten Ernte von 1846, und auf den ostindischen und chinesischen Handel, wo sie der Eröffnung des chinesischen Markts durch England auf dem Fuß folgte. Die Ausdehnung des englischen Eisenbahnsystems begann schon 1844, entwickelte sich aber vollständig erst 1845. In diesem Jahr allein betrug die Zahl der registrierten Bills zur Errichtung von Eisenbahngesellschaften 1035. Im Februar 1846, nachdem schon eine Unzahl von diesen registrierten Projekten wieder aufgegeben war, beliefen sich die bei der Regierung für die beibehaltenen Projekte zu deponierenden Gelder immer noch auf die enorme Summe von £ 14000000, und noch im Jahr 1847 betrug die Gesamtsumme der in England eingeforderten Einzahlungen über £ 42000000, wovon über 36 Mill. für englische, später 51/a Mill. für auswärtige Eisenbahnen. Die Blütezeit dieser Spekulation fiel in den Sommer und Herbst 1845. Die Preise der Aktien stiegen fortwährend, und die Gewinne der Spekulanten rissen bald alle Klassen der Bevölkerung in den Strudel hinein. Herzoge und Grafen wetteiferten mit Kaufleuten und Fabrikanten um die einträgliche Ehre, in den Direktionen der verschiednen Linien zu sitzen; die Mitglieder des Unterhauses, das Barreau, die Geistlichkeit waren zahlreich in diesen Behörden vertreten. Wer einen Pfennig gespart, wer über einen Funken Kredit zu verfügen hatte, spekulierte in Eisenbahnaktien. Die Zahl der Eisenbahnzeitungen stieg von 3 auf mehr als 20. Einzelne große Tagesblätter verdienten an Eisenbahnannoncen und Prospekten oft £ 14000 in einer Woche. Die Ingenieure waren nicht in hinreichender Zahl aufzutreiben und wurden enorm bezahlt. Drucker, Lithographen, Buchbinder, Papierhändler etc. etc., die zur Anfertigung von Prospekten, Plänen, Karten etc. etc. in Bewegung gesetzt wurden, Möbelfabrikanten, die die pilzartig aufschießenden Büros der zahllosen neuen Direktionen, provisorischen Komitees usf. möblierten, erhielten splendide Preise bezahlt. Auf der Grundlage der wirklichen Ausdehnung des englischen und kontinentalen Eisenbahnsystems und der damit verknüpften Spekulation erhob sich während dieser Periode allmählich ein Uberbau von Schwindel, der an die Zeiten von Law und der Südseegesellschaft12831 erinnert. Hunderte von Linien wurden projektiert ohne die geringste Chance auf Erfolg, wo die Projektoren selbst nie an wirkliche Ausführung dachten, wo es sie i überhaupt nur um das Aufzehren der Deposita durch die Direktoren und um die Schwindelprofite auf den Verkauf der Aktien handelte.
Im Oktober 1845 trat die Reaktion ein, die sich bald zu einem vollständigen panic steigerte. Schon vor dem Februar 1846, wo die Depositengelder an die Regierung gezahlt werden mußten, hatten die unhaltbarsten Projekte Bankerott gemacht. Im April 1846 hatte der Rückschlag schon die kontinentalen Aktienmärkte erreicht. In Paris, Hamburg, Frankfurt, Amsterdam fanden Zwangsverkäufe zu sehr gesunkenen Preisen statt, die die Bankerotte von Bankiers und Mäklern nach sich zogen. Die Eisenbahnkrisis zog sich hin bis in den Herbst 1848, verlängert durch die sukzessiven Bankerotte auch der weniger unsoliden Projekte, wie sie nach und nach von dem allgemeinen Druck erreicht und wie die Einzahlungen eingefordert wurden, und verschärft durch das Eintreten der Krise auch auf den andern Gebieten der Spekulation, des Handels und der Industrie, die die Preise der älteren und solideren Aktien allmählich herabdrückte, bis diese im Oktober 1848 ihr niedrigstes Niveau erreichten. Im August 1845 wurde die öffentliche Aufmerksamkeit zuerst auf die Kartoffelkrankheit gelenkt, die nicht nur in England und Irland, sondern auch auf dem Kontinent sich zeigte - das erste Symptom, daß die Wurzel der bestehenden Gesellschaft faul war. Gleichzeitig trafen Berichte ein, die über den schon erwarteten großen Ausfall auch in der Kornernte keinen Zweifel mehr ließen. Die Kornpreise stiegen infolge dieser beiden Umstände auf allen europäischen Märkten bedeutend; in Irland vollständige Hungersnot, die die englische Regierung zu einer Anleihe von 8 Mill. Pfd. St. für diese Provinz nötigte - genau ein Pfd. St. für jeden Irländer. In Frankreich, wo die Kalamität noch erhöht wurde durch die Überschwemmungen, die an 4 Mill. Pfd. St. Schaden anrichteten, war der Mißwachs ungemein bedeutend. Nicht minder in Holland und Belgien. Der Mißernte des Jahres 1845 entsprach eine noch schlechtere im Jahr 1846, und auch die Kartoffelkrankheit erschien wieder, wen n auch in engerem Maß. So war der Getreidespekulation eine vollständige reale Grundlage gegeben, und sie entwickelte sich um so gewaltsamer, je mehr die fruchtbaren Ernten von 1842-44 sie für lange fast ganz niedergehalten hatten. In den Jahren 1845-47 fand in England eine größere Getreideeinfuhr statt als jemals vorher. Die Kornpreise stiegen fortwährend bis in den Frühling 1847, wo infolge der wechselnden Nachrichten über die neue Ernte aus den verschiednen Ländern, infolge der von verschiednen Regierungen ergriffnen Maßregeln (Eröffnung der Häfen zur freien Korneinfuhr etc. etc.) eine Periode der Fluktuation eintrat und endlich im Mai 1847 die Preise ihren Höhepunkt erreichten. In diesem Monat stieg der Durchschnittspreis des Quarters Weizen in England bis 1021/a Schill, und an einzelnen Tagen bis auf 115 und 124 Schill. Aber bald liefen entschieden günstige Berichte ein über
das Wetter und die wachsende Ernte; die Preise fielen, und Mitte Juli stand der Durchschnittspreis nur noch auf 74 Schill. Ungünstigeres Wetter in verschiednen Gegenden trieb die Preise wieder etwas in die Höhe, bis endlich gegen Mitte August feststand, daß die Ernte von 1847 über den Durchschnittsertrag hinaus liefre. Das Fallen war jetzt nicht mehr aufzuhalten; die Zufuhren nach England vermehrten sich über alle Erwartung, und schon am 18. September war der Durchschnittspreis auf 491/2Schill, reduziert. In sechzehn Wochen hatten also die Durchschnittspreise um nicht weniger als 53 Schill, variiert. Während dieser ganzen Zeit hatte nicht nur die Eisenbahnkrisis fortgedauert, sondern gerade in dem Moment, wo die Kornpreise am höchsten standen, im April und Mai 1847, trat die vollständigste Zerrüttung des Kreditsystems und das vollständigste Derangement auf dem Geldmarkt hinzu. Die Kornspekulanten hielten trotzdem den Fall der Preise aus bis zum 2. August. An diesem Tage erhöhte die Bank die niedrigste Rate ihres Diskontos auf 5 p.c. und für alle Wechsel auf mehr als 2 Monate auf 6 p.c. Sogleich folgte eine Reihe der glänzendsten Fallimente auf der Kornbörse, an ihrer Spitze das des Herrn Robinson, des Gouverneurs der Bank von England. In London allein fallierten acht große Kornhäuser, deren Passiva zusammen mehr als 11/a Mill. Pfd. St. ausmachten. Die Provinzialkornmärkte waren gänzlich paralysiert; die Bankerotte folgten sich hier, namentlich in Liverpool, mit gleicher Schnelligkeit. Die entsprechenden Fallimente auf dem Kontinent traten hier, je nach der Entfernung von London, früher oder später ein. Mit dem 18. September, dem Datum der niedrigsten Kornpreise, ist die Kornkrise in England jedoch als abgeschlossen zu betrachten. Wir kommen jetzt auf die eigentliche kommerzielle, auf die Geldkrise. In den ersten vier Monaten von 1847 erschien der allgemeine Stand des Handels und der Industrie noch befriedigend, mit Ausnahme jedoch der Eisenproduktion und der Baumwollenindustrie. Die Eisenproduktion, mit dem Eisenbahnschwindel von 1845 auf eine enorme Höhe getrieben, litt natürlich in demselben Maße als für das Übermaß des gelieferten Eisens das Debouche sich verminderte. In der Baumwollenindustrie, dem Hauptindustriezweig für den ostindischen und chinesischen Markt, war schon 1845 für diesen Markt überproduziert worden und sehr bald ein verhältnismäßiger Rückschlag eingetreten. Der Baumwollmißwachs von 1846, das Steigen der Preise sowohl des Rohprodukts wie der fertigen Ware und die damit gegebne Abnahme des Verbrauchs vermehrten den Druck auf diese Industrie. In den ersten Monaten von 1847 wurde in ganz Lancashire die Produktion bedeutend eingeschränkt, und die Baumwollarbeiter waren schon von der Krisis erreicht.
Am 15. April 1847 erhöhte die Bank von England ihre niedrigste Rate des Diskontos für ganz kurze Wechsel auf 5 p.c.; sie beschränkte den Gesamtbetrag der zu diskontierenden Wechsel, und zwar ohne Rücksicht auf den Charakter der bezogenen Häuser; sie kündigte endlich den Kaufleuten, denen sie Vorschüsse gemacht, peremptorisch an, daß sie diese Vorschüsse bei Verfall nicht mehr wie bisher gewöhnlich erneuern werde, sondern Rückzahlung verlangen [werde]. Zwei Tage nachher zeigte die Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Bilanz, daß der Reservefonds des Banking Departement auf 2Va Mill. Pfd. St. gefallen war. Die Bank hatte also die obigen Maßregeln getroffen, um dem Abfluß des Goldes aus ihren Kellern Einhalt zu tun und den Barfonds wieder zu erhöhen. Der Abfluß des Goldes und Silbers aus der Bank beruhte auf verschiednen Ursachen. Einmal erforderte die Konsumtion und die bedeutend höheren Preise fast aller Artikel eine ausgedehntere Zirkulation, besonders von Gold und Silber für den Kleinhandel. Dann hatten die fortwährenden Einzahlungen für die Eisenbahnbauten, die im Monat April allein £ 4 314 000 betrugen, die Entziehung einer Masse von Depositen aus der Bank nötig gemacht. Ein Teil der eingeforderten Gelder, für ausländische Eisenbahnen bestimmt, floß direkt ins Ausland. Die bedeutende Übereinfuhr von Zucker, Kaffee und andern Kolonialwaren, deren Konsumtion und deren Preise noch mehr durch die Spekulation gestiegen waren, von Baumwolle infolge spekulativer Ankäufe seit der Gewißheit einer knappen Ernte und namentlich von Korn infolge des wiederholten Mißwachses, mußte großenteils in barem Geld oder Barren bezahlt werden, und auch so wurde bedeutender Abfluß von Gold und Silber ins Ausland veranlaßt. Dieser Abfluß der edlen Metalle aus England dauerte übrigens trotz der obigen Bankmaßregeln bis Ende August fort. Die Beschlüsse der Bank und die Nachricht vom niedrigen Stande ihres Reservefonds brachten sofort einen Druck auf den Geldmarkt hervor und einen panic im ganzen englischen Handel, so intensiv wie nur im Jahre 1845. In den letzten Wochen des April und den vier ersten Tagen des Mai waren fast alle Kredittransaktionen paralysiert. Indessen brachen keine außergewöhnlichen Bankerotte aus; die Handelshäuser hielten sich durch enorme Zinszahlungen und Zwangsverkäufe ihrer Vorräte, Staatspapiere etc. zu ruinierenden Preisen. Eine Reihe selbst der solideren Häuser legte durch ihre Rettung aus diesem ersten Akt der Krise nur den Grund zu ihrem späteren Sturz. Diese Überwindung der ersten, drohendsten Gefahr trug sehr zur Hebung des Vertrauens bei; seit dem 5. Mai verminderte sich der Druck auf den Geldmarkt sichtlich, und gegen Ende Mai war der Alarm ziemlich vorüber.
Wenige Monate später jedoch, im Anfang August, traten die schon erwähnten Bankerotte im Kornhandel ein, und kaum waren sie, die bis in den September hinein dauerten, erschöpft, als die Krisis mit konzentrierter Gewalt im allgemeinen Verkehr, besonders im ostindischen, westindischen und Mauritius-Geschäft ausbrach, und zwar gleichzeitig in London, Liverpool, Manchester und Glasgow. Während des Septembers fallierten in London allein 20 Häuser, deren Gesamtpassiva zwischen 9 und 10 Mill. Pfd. St. betrugen.
„Wir haben damals Entwurzelungen kommerzieller Dynastien in England erlebt, nicht weniger überraschend als der Sturz jener politischen Firmen auf dem Kontinent, wovon wir neulich so viel zu hören bekamen", sagte Disraeli am 30. August 1848 im Unterhause.[284] Die Fallimente der ostindischen Häuser wüteten ununterbrochen fort bis zum Schluß des Jahrs und erneuerten sich in den ersten Monaten 1848, wo die Nachrichten von den Bankerotten der entsprechenden Häuser in Kalkutta, Bombay, Madras und Mauritius einliefen. Diese in der Handelsgeschichte unerhörte Reihe von Bankerotten war verursacht durch die allgemeine Überspekulation und die damit hervorgerufene Übereinfuhr von Kolonialprodukten. Die lange Zeit künstlich in der Höhe gehaltenen Preise dieser Waren fielen teilweise schon vor dem panic von April 1847, fielen allgemein und bedeutend jedoch erst nach diesem panic, als das ganze Kreditsystem zusammenbrach und ein Haus nach dem andern zu massenhaften, forcierten Verkäufen gezwungen wurde. Besonders vom Juni und Juli bis in den November war dieses Fallen so bedeutend, daß selbst die ältesten und solidesten Häuser daran zugrunde gehn mußten. Die Bankerotte im September waren noch ausschließlich auf eigentliche Handelshäuser beschränkt. Am 1. Oktober erhöhte die Bank ihren niedrigsten Diskonto für kurze Wechsel auf 51/a p.c. und erklärte gleichzeitig, daß sie fortan auf keine Staatspapiere, welcher Art sie auch seien, Vorschüsse mehr machen werde. Jetzt konnten auch die Aktienbanken und die Privatbankiers dem Druck nicht länger widerstehn. Die Royal Bank of Liverpool, die Liverpool Banking Company, die North and South Wales Bank, die Newcastle Union Joint Stock Bank etc. etc. erlagen der Reihe nach in wenigen Tagen. Gleichzeitig erfolgten die Insolvenzerklärungen einer Menge kleinerer Privatbankiers in allen Provinzen von England. Dieser allgemeinen Zahlungseinstellung der Banken, die den Monat Oktober besonders charakterisiert, schließen sich an in Liverpool, Manchester, Oldham, Halifax, Glasgow etc. eine bedeutende Zahl der Bankerotte von Effektenhändlern, Wechsel-, Aktien-, Schiffs-, Tee- und Baumwollmäklern,
Eisenproduzenten und Eisenhändlern, Baumwollen- und Wollenspinnern, Kattundruckern usw. Nach Herrn Tooke12851 waren diese Bankerotte sowohl ihrer Zahl wie ihrem Kapitalbetrag nach beispiellos in der englischen Handelsgeschichte und übertrafen weit die der Krisis von 1825. Die Krisis hatte am 23.-25. Oktober ihre Höhe erreicht, und alle kommerziellen Transaktionen hatten vollständig aufgehört. Da erwirkte eine Deputation aus der City die Suspension des Bankgesetzes von 1844, jener Frucht des Scharfsinns des verstorbenen Sir Robert Peel. Mit dieser Suspension hörte die Trennung der Bank in zwei vollständig unabhängige Departements mit zwei gesonderten Barfonds momentan auf; noch ein paar Tage des alten Regimes, und das eine dieser Departements, das banking department, hätte fallieren müssen, während in dem issue department sechs Millionen Gold aufgespeichert lagen.12861 Schon im Oktober fand der erste Rückschlag der Krise auf den Kontinent statt. Es brachen bedeutende Bankerotte aus gleichzeitig in Brüssel, Hamburg, Bremen, Elberfeld, Genua, Livorno, Courtray, St. Petersburg, Lissabon und Venedig. In demselben Maß wie die Intensität der Krise in England abnahm, stieg sie auf dem Kontinent und ergriff Punkte, die sie bisher nicht erreicht hatte. Während der schlimmsten Periode war der Wechselkurs günstig für England, und so zog dieses seit November fortwährend steigende Zufuhren von Gold und Silber an sich, nicht nur aus Rußland und dem Kontinent, sondern auch aus Amerika. Die unmittelbare Folge hiervon war, daß in demselben Maß, wie der Geldmarkt in England leichter wurde, er sich in der übrigen Handelswelt kontrahierte und die Krise sich hier in demselben Maß ausdehnte. Die Zahl der Bankerotte außerhalb Englands stieg also im November; es kamen jetzt ebenfalls bedeutende Fallimente vor in New York, Rotterdam, Amsterdam, Le Havre, Bayonne, Antwerpen, Möns, Triest, Madrid und Stockholm. Im Dezember brach die Krise auch in Marseille und Algier aus und nahm in Deutschland eine erneuerte Heftigkeit an. Wir sind jetzt auf dem Punkt angekommen, wo die französische Februarrevolution ausbrach. Wenn man die Bankerottliste ansieht, die Herr D. M. Evans seiner „Commercial Crisis of 1847-48" (London 1848)[287J anhängt, so findet man, daß in England nicht ein einziges bedeutendes Haus infolge dieser Revolution fallierte. Die einzigen Fallimente, die mit ihr zusammenhängen, kamen im Effektenhandel vor, infolge der plötzlichen Entwertung aller kontinentalen Staatspapiere. Ähnliche Bankerotte von Effektenhändlern natürlich auch in Amsterdam, Hamburg etc. Die englischen Konsols fielen um 6 p.c., während sie nach der Julirevolution um 3 p.c. gefallen waren. Für Stockjobbers war also die Februarrepublik nur doppelt so gefährlich wie die Julimonarchie.
Der panic, der nach dem Februar in Paris ausbrach und sich gleichzeitig mit den Revolutionen über den ganzen Kontinent verbreitete, hatte in seinem Verlauf große Ähnlichkeit mit dem Londoner panic vom April 1847. Der Kredit verschwand plötzlich, und die Transaktionen hörten fast ganz auf; in Paris, Brüssel und Amsterdam eilte alles auf die Bank, um die Noten gegen Gold auszuwechseln; im ganzen erfolgten indes sehr wenige Bankerotte außerhalb des Effektenhandels, und auch diese wenigen sind schwerlich als notwendige Resultate der Februarrevolution nachzuweisen. Die meist nur momentanen Zahlungseinstellungen der Pariser Bankiers hängen teils mit dem Effektenhandel zusammen, teils waren sie bloße Vorsichtsmaßregeln und keineswegs durch wirkliche Insolvenz bedingt, teils endlich geschahen sie aus purer Schikane, um der provisorischen Regierung Schwierigkeiten zu machen und ihr Konzessionen abzuzwingen. Bei den Fallimenten von Bankiers und Kaufleuten an andern Plätzen des Kontinents ist es unmöglich zu entscheiden, inwiefern sie aus der Fortdauer und allmählichen Verbreitung der Handelskrise hervorgingen, inwiefern dabei die Zeitverhältnisse durch längst faule Häuser zu einem verständigen Exit benutzt wurden oder inwiefern sie wirklich Folgen von Verlusten durch den Revolutionspanic waren. Jedenfalls aber ist gewiß, daß die Handelskrise zu den Revolutionen von 1848 unendlich mehr beigetragen hat als die Revolution zur Handelskrise. Zwischen März und Mai hatte England schon direkten Vorteil von der Revolution, die ihm eine Menge von kontinentalem Kapital zuführte.' Von diesem Augenblick an ist die Krise hier als geschlossen zu betrachten; in allen Geschäftszweigen trat eine Besserung ein, und der neue industrielle Zyklus beginnt mit entschiedner Tendenz zur Prosperität. Wie wenig die kontinentale Revolution diesen Aufschwung der Industrie und des Handels in England hemmte, beweist die Tatsache, daß die Masse der hier verarbeiteten Baumwolle von 475 Mill. Pfund (1847) auf 713 Millionen Pfund (1848) stieg. Diese erneuerte Prosperität entwickelte sich in England zusehends während der drei Jahre 1848, 1849 und 1850. Für die acht Monate Januar bis August betrug die Gesamtausfuhr Englands 1848 - 31 633214Pfd. St.; 184939263322 Pfd. St.; 1850 - 43851 568 Pfd. St. Zu dieser bedeutenden Hebung, die sich in allen Geschäftszweigen mit Ausnahme der Eisenproduktion zeigte, kamen noch die überall fruchtbaren Ernten dieser drei Jahre. Der Durchschnittspreis des Weizens für 1848-1850 fiel in England auf 36 Schill., in Frankreich auf 32 Schill, per Quarter. Was diese Epoche der Prosperität auszeichnet, ist, daß drei Hauptabzugskanäle der Spekulation verstopft waren. Die Eisenbahnproduktion war auf die langsame Entwicklung eines gewöhnlichen Industriezweigs zurückgeführt; das Getreide bot bei einer Reihe reich
licher Ernten keine Chance; die Staatspapiere hatten durch die Revolutionen den Charakter der Sicherheit verloren, ohne den keine großen spekulativen Effektenumsätze möglich sind. Während jeder Epoche der Prosperität vermehrt sich das Kapital. Einerseits erzeugt die vermehrte Produktion neues Kapital; andrerseits wird vorhandenes Kapital, das während der Krise schlummerte, aus seiner Untätigkeit gezogen und auf den Markt geworfen. Dies additioneile Kapital war in den Jahren 1848-1850 bei dem Mangel an Debouches der Spekulation gezwungen, sich auf die eigentliche Industrie zu werfen und damit die Produktion noch rascher zu steigern. Wie sehr dies in England auffällt, ohne daß man es sich zu erklären weiß, beweist die naive Äußerung des „Economist"12881 vom 19. Okt. 1850:
„Es ist bemerkenswert, daß die gegenwärtige Prosperität sich wesentlich von der aller früheren Perioden unterscheidet. In allen diesen Perioden erregte irgendeine grundlose Spekulation Hoffnungen, die nicht in Erfüllung gehn sollten. Einmal waren es ausländische Minen, ein andermal mehr Eisenbahnen als füglich in einem halben Jahrhundert gemacht werden konnten. Selbst wenn solche Spekulationen wohlbegründet waren, geschahen sie immer in Aussicht auf einen Ertrag, der erst nach einer beträchtlichen Periode realisiert werden konnte, sei es durch Produktion von Metallen oder Schöpfung neuer Kommunikationen und Märkte. Sie brachten keinen sofortigen Gewinn. Aber gegenwärtig ist unsre Prosperität gegründet auf die Produktion unmittelbar nützlicher Dinge, die fast ebensoschnell in den Konsum eingehn, als sie auf den Markt gebracht werden, die den Produzenten einen angemessenen Gewinn abwerfen und zu vermehrter Produktion spornen." Den schlagendsten Beweis, wie sehr sich die industrielle Produktion 1848 und 1849 gesteigert hat, liefert der Hauptindustriezweig, die Verarbeitung der Baumwolle. Die Baumwollernte von 1849 in den Vereinigten Staaten war ergiebiger als irgendeine frühere. Sie betrug 23/4 Mill. Ballen oder ungefähr 1200 Millionen Pfund. Die Ausdehnung der Baumwollindustrie hielt so sehr Schritt mit dieser vermehrten Zufuhr, daß Ende 1849 die Vorräte geringer waren als früher selbst nach Jahren des Mißwachses. Im-Jahre 1849 wurden über 775 Mill. Pfund Baumwolle versponnen, während 1845, im Jahre der höchsten bisherigen Prosperität, nur 721 Millionen verarbeitet worden waren. Die Ausdehnung der Baumwollindustrie wird ferner bewiesen durch die große Steigerung der Baumwollpreise (55 p.c.) infolge eines verhältnismäßig unbedeutenden Ausfalls in der Ernte von 1850. Mindestens derselbe Fortschritt zeigt sich in allen andern Branchen, wie1 Spinnerei und Weberei in Seide, Wolle, gemischten Zeugen und Leinen. Die Ausfuhr in den Produkten dieser Industrien stieg besonders 1850 so bedeutend, daß hierdurch
1 In der „Revue": die
die große Steigerung in der Gesamtausfuhr dieses Jahres (12 Mill. gegen 1848, 4 Mill. gegen 1849 in den ersten acht Monaten) hervorgebracht wurde, obgleich 1850 die Ausfuhr von Baumwollfabrikaten infolge des Baumwollmißwachses merklich abnahm. Trotz der bedeutenden Steigerung der Wollenpreise, die schon 1849 durch die Spekulation hervorgerufen schien, die sich indes bis jetzt gehalten hat, ist die Wollenindustrie fortwährend ausgedehnt worden und täglich werden neue Webstühle in Tätigkeit gesetzt. Die Ausfuhr von Leinengeweben betrug 1844, im Jahr der höchsten bisherigen Leinenausfuhr, 91 Mill. Yards zum Wert von 2 800 000 Pfd. St., und 1849 erreichte sie die Höhe von 107 Millionen Yards zum Wert von über 3 000 OOOPfd.St. Einen andern Beweis von dem Wachstum der englischen Industrie liefert der fortdauernd gesteigerte Konsum der Hauptkolonialwaren, besonders des Kaffees, Zuckers und Tees, bei fortwährend steigenden Preisen wenigstens der beiden ersteren Artikel. Diese Zunahme des Verbrauchs ist um so direkter Folge der ausgedehnten Industrie, als ihr ausnahmsweiser Markt seit 1845, geschaffen durch die außerordentlichen Eisenbahnanlagen, längst auf das gewöhnliche Maß reduziert ist und als die niedrigen Kornpreise der letzten Jahre keine gesteigerte Konsumtion in den Ackerbaubezirken zulassen. Die große Ausdehnung der Baumwollenindustrie 1849 führte in den letzten Monaten dieses Jahres zu einem erneuerten Versuch der Uberführung der ostindischen und chinesischen Märkte. Aber die Menge der alten, noch nicht umgesetzten Vorräte in jenen Gegenden hemmte diesen Versuch sehr bald wieder. Gleichzeitig wurde bei der steigenden Konsumtion von Rohprodukten und Kolonialwaren auch in diesen Artikeln ein Versuch zur Spekulation gemacht, aber auch dieser wurde sehr bald wieder aufgehalten durch momentan vermehrte Zufuhren und durch die Erinnerung an die noch zu frischen Wunden von 1847. Die Prosperität der Industrie wird noch gesteigert werden durch die neulich erfolgte Eröffnung der holländischen Kolonien, durch die bevorstehende Errichtung neuer Verbindungslinien auf dem Stillen Ozean, auf die wir zurückkommen werden, und durch die große Industrieausstellung von 1851. Diese Ausstellung wurde von der englischen Bourgeoisie bereits im Jahre 1849, als noch der ganze Kontinent von Revolution träumte, mit der bewundernswertesten Kaltblütigkeit ausgeschrieben. In ihr beruft sie ihre sämtlichen Vasallen von Frankreich bis China zu einem großen Examen zusammen, auf dem sie nachweisen sollen, wie sie ihre Zeit benutzt haben; und selbst der allmächtige Zar von Rußland kann nicht umhin, seinen Untertanen zu befehlen, auf dieser großen Prüfung zahlreich zu erscheinen. Dieser große Weltkongreß
von Produkten und Produzenten ist von ganz andrer Bedeutung als die absolutistischen Kongresse von Bregenz und Warschau'2891, die unsern kontinentalen demokratischen Spießbürgern soviel Schweiß auspressen, oder als die europäisch-demokratischen Kongresse, welche die verschiednen provisorischen Regierungen in partibus[72' zur Rettung der Welt stets aufs neue projektieren. Diese Ausstellung ist ein schlagender Beweis von der konzentrierten Gewalt, womit die moderne große Industrie überall die nationalen Schranken niederschlägt und die lokalen Besonderheiten in der Produktion, den gesellschaftlichen Verhältnissen, dem Charakter jedes einzelnen Volks mehr und mehr verwischt. Indem sie die Gesamtmasse der Produktivkräfte der modernen Industrie auf einen kleinen Raum zusammengedrängt zur Schau stellt, gerade zu einer Zeit, wo die modernen bürgerlichen Verhältnisse schon von allen Seiten untergraben sind, bringt sie zugleich das Material zur Anschauung, das sich inmitten dieser unterwühlten Zustände für den Aufbau einer neuen Gesellschaft erzeugt hat und noch täglich erzeugt. Die Bourgeoisie der Welt errichtet durch diese Ausstellung im modernen Rom ihr Pantheon, worin sie ihre Götter, die sie sich selbst gemacht hat, mit stolzer Selbstzufriedenheit ausstellt. Sie beweist dadurch praktisch, wie die „Ohnmacht und Verdrießlichkeit des Bürgers", von der deutsche Ideologen jahraus, jahrein predigen, nur die eigne Ohnmacht dieser Herren ist, die moderne Bewegung zu begreifen, und ihre eigne Verdrießlichkeit über diese Ohnmacht. Die Bourgeoisie feiert dies ihr größtes Fest in einem Augenblick, wo der Zusammenbruch ihrer ganzen Herrlichkeit bevorsteht, ein Zusammenbruch, der ihr schlagender als je nachweisen wird, wie die von ihr erschaffenen Mächte ihrer Zucht entwachsen sind. Bei einer zukünftigen Ausstellung werden die Bourgeois vielleicht nicht mehr als Inhaber dieser Produktivkräfte, sondern nur noch als ihre Ciceroni figurieren.
Gerade wie 1845 und 1846 die Kartoffelkrankheit, so verbreitet seit Anfang dieses Jahres der Ausfall in der Baumwollernte einen allgemeinen Schrekken unter der Bourgeoisie. Dieser Schrecken hat sich noch bedeutend gesteigert, seit es feststeht, daß auch die Baumwollernte von 1851 in keinem Fall viel reichlicher als die von 1850 ausfallen wird. Der Ausfall, der für frühere Perioden unbedeutend sein würde, ist für die jetzige Ausdehnung der Baumwollindustrie sehr groß und hat bereits sehr hemmend auf ihre Tätigkeit eingewirkt. Die Bourgeoisie, die sich kaum von der niederschlagenden Entdeckung erholt hatte, daß einer der Grundpfeiler ihrer ganzen gesellschaftlichen Ordnung, die Kartoffel, gefährdet war, sieht nun noch den zweiten Grundpfeiler bedroht, die Baumwolle. Konnte schon ein einziger mittelmäßiger Ausfall in der Baumwollernte und die Aussicht auf einen zweiten
mitten im Jubel der Prosperität ernstlichen Alarm erregen, so werden einige aufeinanderfolgende Jahre des wirklichen Baumwollmißwachses notwendig die ganze zivilisierte Gesellschaft momentan in die Barbarei zurückschleudern. Das goldene und das eiserne Zeitalter sind längst dahin; dem neunzehnten Jahrhundert mit seiner Intelligenz, seinem Weltmarkt, seinen kolossalen Produktivkräften war es vorbehalten, das baumwollene Zeitalter ins Leben zu rufen. Die englische Bourgeoisie fühlte gleichzeitig drückender als je, welche Herrschaft die Vereinigten Staaten durch ihr bisher ungebrochenes Monopol der Baumwollproduktion über sie ausüben. Sie hat sich sogleich in Bewegung gesetzt, um dies Monopol zu brechen. Nicht nur in Ostindien, auch in Natal und den nördlichen Teilen von Australien und überhaupt in allen Teilen der Welt, wo das Klima und die Verhältnisse die Baumwollkultur erlauben, soll sie in jeder Weise befördert werden. Gleichzeitig entdeckt die englische negerfreundliche Bourgeoisie, daß „die Prosperität von Manchester von der Behandlung der Sklaven in Texas, Alabama und Louisiana abhängt und daß dies eine ebenso sonderbare wie alarmierende Tatsache ist" („Economist", 21. Sept. 1850). Daß der entscheidende Zweig der englischen Industrie auf der Existenz der Sklaverei in den südlichen Staaten der amerikanischen Union beruht, daß eine Negerrevolte in jenen Ländern das ganze bisherige Produktionssystem ruinieren kann, ist allerdings eine sehr niederschlagende Tatsache für die Leute, die vor wenig Jahren 20 Mill. Pfd. St. für die Emanzipation der Neger in ihren eignen Kolonien ausgaben.f290i Diese Tatsache führt aber zugleich auf die einzige faktisch mögliche Lösung der Sklavenfrage, die jetzt wieder zu so langen und heftigen Debatten im amerikanischen Kongreß geführt hat. Die amerikanische Baumwollproduktion beruht auf der Sklaverei. Sobald die Industrie sich bis auf den Punkt entwickelt hat, wo ihr das Baumwollmonopol der Vereinigten Staaten unerträglich wird, sobald wird in andern Ländern die Baumwolle mit Erfolg massenhaft produziert werden, und zwar kann dies jetzt fast überall nur durch freie Arbeiter geschehen. Sobald aber die freie Arbeit andrer Länder der Industrie ihre Baumwollzufuhr ausreichend und wohlfeiler liefert als die Sklavenarbeit der Vereinigten Staaten, so ist mit dem amerikanischen Baumwollmonopol auch die amerikanische Sklaverei gebrochen, und die Sklaven werden emanzipiert, weil sie, als Sklaven, unbrauchbar geworden sind. Ganz ebenso wird die Lohnarbeit in Europa abgeschafft werden, sobald sie nicht nur keine notwendige Form mehr für die Produktion ist, sondern sogar eine Fessel für sie geworden ist. Wenn der mit 1848 begonnene neue Zyklus der industriellen Entwicklung denselben Lauf verfolgt wie der von 1843-47, würde die Krise im Jahr 1852
ausbrechen. Als ein Symptom, daß die aus der Überproduktion sich erzeugende Überspekulation, die jeder Krise vorhergeht, nicht lange mehr ausbleiben kann, führen wir hier an, daß der Diskonto der Bank von England seit zwei Jahren nicht höher als 3 p.c. steht'2911. Wenn aber die Bank von England in Zeiten der Prosperität ihren Zinsfuß niedrig hält, so müssen die übrigen Geldhändler den ihrigen noch niedriger setzen, ebensogut wie sie ihn in Zeiten der Krise, wo die Bank den Zinsfuß bedeutend erhöht, über dem der Bank halten. Das additioneile Kapital, das, wie wir oben sehen, in Zeiten der Prosperität regelmäßig auf den Anleihemarkt geworfen wird, drückt schon allein, nach den Gesetzen der Konkurrenz, den Zinsfuß bedeutend herab; in noch viel größerem Maß aber verringert ihn der durch die allgemeine Prosperität enorm gesteigerte Kredit, indem er die Nachfrage nach Kapital vermindert. Die Regierung ist in diesen Epochen in den Stand gesetzt, den Zinsfuß ihrer fundierten Schulden herabzusetzen, und der Grundbesitzer, seine Hypotheken zu günstigeren Bedingungen zu erneuern. Die Kapitalisten des Anleihemarkts sehen so, in einer Zeit, wo das Einkommen aller andern Klassen steigt, das ihrige sich um ein Drittel oder mehr vermindern. Je länger dieser Zustand dauert, desto mehr sind sie genötigt, sich nach einer vorteilhafteren Anlage ihres Kapitals umzusehn. Die Überproduktion ruft zahlreiche neue Projekte hervor, und das Gelingen einiger weniger davon reicht hin, eine ganze Reihe von Kapitalien in dieselbe Richtung zu werfen, bis der Schwindel nach und nach allgemein wird. Die Spekulation hat aber, wie wir sehen, in diesem Augenblick nur zwei mögliche Hauptabzugskanäle: die Baumwollenkultur und die neuen Weltmarktsverbindungen, die durch die Entwicklung von Kalifornien und Australien gegeben sind. Man sieht, daß ihr Feld diesmal ungemein größere Dimensionen nehmen wird als in irgendeiner früheren Prosperitätsperiode. Werfen wir noch einen Blick auf die Lage der englischen Agrikulturdistrikte. Hier ist der allgemeine Druck durch die Aufhebung der Kornzölle und die gleichzeitigen reichlichen Ernten chronisch geworden, indes einigermaßen vermindert durch die bedeutend vermehrte Konsumtion infolge der Prosperität. Dazu kommt, daß wenigstens die Ackerbauarbeiter bei niedrigen Getreidepreisen sich immer in einer relativ besseren Lage befinden, obwohl diese Besserung in England in geringerem Maße stattfindet als in den Ländern, wo die Parzellierung des Grundbesitzes vorherrscht. Die Agitation der Protektionisten für Wiederherstellung der Kornzölle geht unter diesen Umständen in den Ackerbaubezirken voran, obwohl in einer dumpferen, versteckteren Weise als bisher. Es ist augenscheinlich, daß sie ohne alle Bedeutung bleiben wird, solange die industrielle Prosperität und die relativ
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erträglichere Stellung der Landarbeiter dauert. Sobald aber die Krise ausbricht und auf die Ackerbaubezirke zurückwirkt, wird die Depression der Agrikultur auf dem Land eine ungemeine Aufregung hervorrufen. Zum erstenmal wird diesmal die industrielle und kommerzielle Krise zusammen [fallen] mit einer Ackerbaukrise, und in allen Fragen, in denen die Stadt und das Land, die Fabrikanten und die Grundbesitzer gegeneinander ankämpfen, werden beide Parteien von zwei großen Armeen unterstützt werden: die Fabrikanten von der Masse der industriellen, die Grundbesitzer von der Masse der Agrikulturarbeiter. Wir kommen jetzt zu den Vereinigten Staaten Von Nordamerika. Die Krise von 1836, die hier zuerst zum Ausbruch kam und am heftigsten wütete, dauerte fast ununterbrochen bis 1842 fort und hatte eine vollständige Umwälzung des amerikanischen Kreditsystems zur Folge. Der Handel der Vereinigten Staaten erholte sich auf dieser solideren Grundlage, anfangs freilich sehr langsam, bis von 1844 und 45 an die Prosperität auch hier bedeutend stieg. Sowohl die Teurung wie die Revolutionen in Europa waren für Amerika nur Quellen des Gewinns. Von 1845 bis 47 gewann es durch die enorme Kornausfuhr und durch die gesteigerten Baumwollpreise von 1846. Von der Krise von 1847 wurde es nur wenig berührt. Im Jahr 1849 hatte es die größte bisherige Baumwollernte, und im Jahr 1850 gewann es ungefähr 20 Mill. Dollars durch den Ausfall der Baumwollernte, der mit dem neuen Aufschwung der europäischen Baumwollindustrie zusammenfiel. Die Revolutionen von 1848 hatten eine große Auswandrung europäischen Kapitals nach den Vereinigten Staaten zur Folge, das teils mit den Einwanderern selbst ankam, teils in amerikanischen Staatspapieren von Europa aus angelegt wurde. Diese vermehrte Nachfrage nach amerikanischen Fonds hat die Preise derselben so sehr gesteigert, daß sich seit kurzem die Spekulation in New York mit großer Heftigkeit auf sie geworfen hat. Wir bleiben also trotz aller Gegenversicherungen der reaktionären Bourgeoispresse dabei, daß die einzige Staatsform, der unsre europäischen Kapitalisten Vertrauen schenken, die bürgerliche Republik ist. Es gibt überhaupt nur einen Ausdruck für das bürgerliche Vertrauen auf irgendeine Staatsform: ihre Notierung an der Börse. Die Prosperität der Vereinigten Staaten hob sich jedoch noch mehr durch andre Ursachen. Das bewohnte Gebiet, der Markt der nordamerikanischen Union, dehnte sich nach zwei Seiten hin mit überraschender Schnelligkeit aus. Die Vermehrung der Bevölkerung, sowohl durch die Reproduktion im Innern wie durch die fortwährend gesteigerte Einwanderung, führte zur Überwachung ganzer Staaten und Gebiete. Wisconsin und Iowa wurden in wenig Jahren verhältnismäßig dicht bevölkert, und sämtliche Staaten des
oberen Mississippigebiets erhielten bedeutenden Zuwachs an Einwanderern. Die Ausbeutung der Minen am Oberen See und die steigende Kornproduktion des ganzen Gebiets der Seen gab dem Handel und der Schiffahrt auf diesem System von großen Binnenwassern einen neuen Aufschwung, der sich noch steigern wird durch einen Akt der letzten Kongreßsession, worin dem Handel mit Kanada und Neuschottland große Erleichterungen geboten werden. Während so die nordwestlichen Staaten eine ganz neue Bedeutung erlangt haben, ist Oregon in wenig Jahren kolonisiert, Texas und Neu-Mexiko annexiert, Kalifornien erobert worden. Die Entdeckung der kalifornischen Goldminen setzte der amerikanischen Prosperität die Krone auf. Wir haben bereits im zweiten Heft dieser „Revue"1, früher als irgendeine andre europäische Zeitschrift, auf die Wichtigkeit dieser Entdeckung und ihrer notwendigen Folgen für den ganzen Welthandel aufmerksam gemacht. Diese Wichtigkeit liegt nicht in der Vermehrung des Goldes durch die neuentdeckten Minen, obwohl auch diese Vermehrung der Tauschmittel keineswegs ohne günstigen Einfluß auf den allgemeinen Handel bleiben konnte. Sie liegt in dem Sporn, den der mineralische Reichtum Kaliforniens den Kapitalien auf dem Weltmarkt gab, in der Tätigkeit, worin die ganze amerikanische Westküste und die asiatische Ostküste versetzt wurde, in dem neuen Absatzmarkt, der in Kalifornien und allen vom Einfluß Kaliforniens berührten Ländern geschaffen wurde. Der kalifornische Marktallein ist schonbedeutend; vor einem Jahr waren 100000, jetzt sind mindestens 300 000 Menschen dort, die fast nichts produzieren als Gold und gegen dieses Gold alle ihre Lebensbedürfnisse von fremden Märkten her eintauschen. Aber der kalifornische Markt ist unbedeutend gegen die fortdauernde Ausdehnung aller Märkte am Stillen Meer, gegen die auffallende Hebung des Handels in Chile und Peru, im westlichen Mexiko, auf den Sandwichinseln und gegen den plötzlich entstandenen Verkehr Asiens und Australiens mit Kalifornien. Durch Kalifornien sind ganz neue Weltstraßen nötig geworden, Weltstraßen, die in kurzem alle andern an Bedeutung übertreffen müssen. Der Haupthandelsweg nach dem Stillen Meere, das jetzt eigentlich erst aufgeschlossen ist und zum wichtigsten Ozean der Welt wird, geht von jetzt an über den Isthmus von Panama. Die Herstellung der Verbindungen auf diesem Isthmus durch Straßen, Eisenbahnen, Kanäle ist jetzt dringendstes Bedürfnis für den Welthandel geworden und stellenweise schon in Angriff genommen. Die Eisenbahn von Chagres nach Panama wird schon gebaut. Eine amerikanische Kompanie läßt das Flußgebiet des San Juan de Nicaragua vermessen, um an dieser Stelle
1 Siehe vorl. Band, S. 220/221
die beiden Meere zunächst durch eine Überlandroute und dann durch einen Kanal zu verbinden. Andre Routen, die über den Isthmus von Darien, die Atrato-Route in Neu-Granada, die über den Isthmus von Tehuantepec, werden in englischen und amerikanischen Blättern diskutiert. Bei der jetzt plötzlich enthüllten Unwissenheit, worin sich die ganze zivilisierte Welt über die Terrainverhältnisse Zentralamerikas befindet, ist es unmöglich zu bestimmen, welche Route für einen großen Kanal die vorteilhafteste ist; nach den wenigen bekannten Daten bieten die Atrato-Route und der Weg über Panama die meisten Chancen. Im Anschluß an die Kommunikationen über den Isthmus ist die schleunige Ausdehnung der ozeanischen Dampfschiffahrt ebenso dringend geworden. Schon fahren Dampfschiffe zwischen Southampton und Chagres, New York und Chagres, Valparaiso, Lima, Panama, Acapulco und San Franzisco; aber diese wenigen Linien mit ihrer geringen Anzahl Dämpfer reichen bei weitem nicht aus. Die Vermehrung der Dampfschiffahrt zwischen Europa und Chagres wird täglich nötiger, und der wachsende Verkehr zwischen Asien, Australien und Amerika verlangt neue, großartige Dampfschiffslinien von Panama und San Franzisco nach Kanton, Singapore, Sydney, Neuseeland und der wichtigsten Station des Stillen Meers, den Sandwichinseln. Australien und Neuseeland besonders haben von allen Gebieten des Stillen Meers, sowohl durch den raschen Fortschritt der Kolonisation wie durch den Einfluß von Kalifornien, sich am meisten gehoben und wollen keinen Augenblick länger durch eine vier- bis sechsmonatliche Segelfahrt von der zivilisierten Welt getrennt sein. Die Gesamtbevölkerung der australischen Kolonien (außer Neuseeland) stieg von 170676 (1839) auf 333764 im Jahr 1848, vermehrte sich also in neun Jahren um 951/2 p.c. England selbst kann diese Kolonien nicht ohne Dampfschiffsverbindung lassen; die Regierung unterhandelt in diesem Moment wegen einer Linie im Anschluß an die ostindische Überlandpost, und ob diese zustande komme oder nicht, so wird das Bedürfnis der Dampfverbindung mit Amerika und besonders Kalifornien, wohin im vorigen Jahr 3500 Auswanderer aus Australien gingen, sich bald selbst Abhülfe schaffen. Man kann wirklich sagen, daß die Welt erst rund zu werden anfängt, seit die Notwendigkeit dieser universellen ozeanischen Dampfschiffahrt vorhanden ist.
Diese bevorstehende Ausdehnung der Dampfschiffahrt wird noch vergrößert werden durch die bereits erwähnte Eröffnung der holländischen Kolonien und durch die Vermehrung der Schraubendampfschiffe, mit denen, wie sich mehr und mehr herausstellt, Auswanderer rascher, verhältnismäßig wohlfeiler und vorteilhafter zu befördern sind als auf Segelschiffen. Außer den Schraubendämpfern, die schon von Glasgow und Liverpool nach New York
gehn, sollen neue auf die Linie gebracht und soll eine Linie zwischen Rotterdam und New York errichtet werden. Wie sehr überhaupt das Kapital gegenwärtig die Tendenz hat, sich auf die ozeanische Dampfschiffahrt zu werfen, beweist die fortwährende Vermehrung der zwischen Liverpool und New York fahrenden Konkurrenzdämpfer, die Errichtung ganz neuer Linien von England nach dem Kap und von New York nach Le Havre, eine ganze Reihe von ähnlichen Projekten, die jetzt in New York kolportiert werden. In dieser Richtung des Kapitals auf die überseeische Dampfschiffahrt und auf die Kanalisation des amerikanischen Isthmus ist bereits der Grund gelegt zur Überspekulation auf diesem Gebiet. Das Zentrum dieser Spekulation ist notwendig New York, das die größte Masse des kalifornischen Goldes erhält, das den Haupthandel nach Kalifornien schon an sich gezogen hat und überhaupt für ganz Amerika dieselbe Rolle spielt wie London für Europa. New York ist bereits das Zentrum der gesamten transatlantischen Dampfschiffahrt; die sämtlichen Dampfschiffe des Stillen Meers gehören New-Yorker Kompanien, und fast alle neuen Projekte in dieser Branche gehen von New York aus. Die Spekulation in überseeischen Dampfschiffslinien hat in New York bereits begonnen; die Nicaragua-Kompanie, von New York ausgegangen, ist ebenso der Anfang der Spekulation auf die Isthmuskanäle. Die Überspekulation wird sich sehr bald entwickeln, und wenn auch englisches Kapital massenhaft in alle derartigen Unternehmungen eintreten, wenn auch die Londoner Börse mit ähnlichen Projekten aller Art überführt werden wird, so bleibt doch New York diesmal das Zentrum des ganzen Schwindels und wird, wie 1836, zuerst seinen Zusammenbruch erleben. Zahllose Projekte werden zugrunde gehn, aber wie 1845 das englische Eisenbahnsystem, so wird diesmal wenigstens der Umriß einer universellen Dampfschiffahrt aus der Überspekulation hervorgehn. Wie viele Gesellschaften auch fallieren, die Dampfschiffe, die den atlantischen Verkehr verdoppeln, die das Stille Meer aufschließen, die Australien, Neuseeland, Singapore, China mit Amerika verbinden und die Reise um die Welt auf die Dauer von vier Monaten reduzieren, werden bleiben. Die Prosperität Englands und Amerikas wirkte bald auf den europäischen Kontinent zurück. Schon im Sommer 1849 waren in Deutschland die Fabriken, besonders der Rheinprovinz, wieder ziemlich beschäftigt, und seit Ende 1849 war die Wiederbelebung des Geschäfts allgemein. Diese erneuerte Prosperität, die unsre deutschen Bürger naiverweise der Herstellung der Ruhe und Ordnung zuschreiben, beruht in der Wirklichkeit einzig auf der erneuerten Prosperität in England und der vermehrten Nachfrage nach Industrieprodukten auf den amerikanischen und tropischen Märkten. Im Jahre 1850 hoben sich
Industrie und Handel noch mehr; gerade wie in England trat ein momentaner Überfluß an Kapital und eine außerordentliche Erleichterung auf dem Geldmarkt ein, und die Berichte über die Frankfurter und Leipziger Herbstmessen lauten im höchsten Grade befriedigend für die beteiligten Bourgeois. Die schleswig-holsteinschen und kurhessischen Wirren t292], die Unionsstreitigkeiten und die drohenden Noten Ostreichs und Preußens haben die Entwicklung aller dieser Symptome der Prosperität keinen Augenblick aufhalten können, wie dies auch der „Economist" mit spöttischer Cockney-Überlegenheit bemerkt. Dieselben Symptome zeigten sich in Frankreich seit 1849 und besonders seit Anfang 1850. Die Pariser Industrien sind vollauf beschäftigt, und auch die Baumwollfabriken von Rouen und Mülhausen gehn ziemlich gut, obwohl hier die hohen Preise des Rohstoffs, wie in England, hemmend eingewirkt haben. Die Entwicklung der Prosperität in Frankreich wurde zudem besonders befördert durch die umfassende Zollreform in Spanien und durch die Herabsetzung der Zölle auf verschiedene Luxusartikel in Mexiko; nach beiden Märkten hat die Ausfuhr französischer Waren bedeutend zugenommen. Die Vermehrung der Kapitalien führte in Frankreich zu einer Reihe von Spekulationen, denen die Ausbeutung der kalifornischen Goldminen auf großem Fuß zum Vorwand diente. Eine Menge von Gesellschaften tauchte auf, deren niedrige Aktienbeträge und deren sozialistisch gefärbte Prospekte direkt an den Geldbeutel der Kleinbürger und Arbeiter appellieren, die aber samt und sonders auf jene reine Prellerei hinauslaufen, welche den Franzosen und Chinesen allein eigentümlich ist. Eine dieser Gesellschaften wird sogar direkt von der Regierung protegiert. Die Einfuhrzölle in Frankreich in den ersten neun Monaten betrugen 1848 - 63 Mill. frs., 1849 - 95 Mill. frs. und 1850 93 Mill. frs. Sie stiegen übrigens im Monat September 1850 wieder um mehr als eine Million gegen den gleichen Monat 1849. Die Ausfuhr ist ebenfalls 1849 und noch mehr 1850 gestiegen. Der schlagendste Beweis der wiederhergestellten Prosperität ist die Wiedereinführung der Barzahlungen der Bank durch das Gesetz vom 6. August 1850. Am 15. März 1848 war die Bank bevollmächtigt worden, ihre Barzahlungen einzustellen. Ihre Notenzirkulation, mit Einschluß der Provinzialbanken, betrug damals 373 Mill. frs. (14920000 Pfd. St.). Am 2. Nov. 1849 betrug diese Zirkulation 482 Mill. frs. oder 19280000 Pfd. St.; Zuwachs von 4360000 Pfd. St., und am 2. Sept. 1850 - 496 Mill. frs. oder 19840000 Pfd. St.; Zuwachs von etwa 5 Mill. Pfd. St. Es trat dabei keine Depreziation der Noten ein; umgekehrt, die vermehrte Zirkulation der Noten war begleitet von beständig wachsender Aufhäufung von Gold und Silber in den Kellern der Bank, so daß
im Sommer 1850 der Barvorrat sich auf ungefähr 14 Mill. Pfd. St. belief, eine in Frankreich unerhörte Summe. Daß die Bank so in den Stand gesetzt wurde, ihre Zirkulation und damit ihr tätiges Kapital um 123 Mill. frs. oder 5 Mill. Pfd. St. zu erhöhen, beweist schlagend, wie richtig unsre Behauptung in einem früheren Heft1 war, daß die Finanzaristokratie durch die Revolution nicht nur nicht gestürzt, sondern sogar noch verstärkt worden ist. Noch augenscheinlicher wird dies Resultat durch folgende Übersicht über die französische Bankgesetzgebung der letzten Jahre. Am 10. Juni 1847 wurde die Bank bevollmächtigt, Noten von 200 frs. auszugeben; die niedrigste Note war bisher 500 frs. Ein Dekret vom 15. März 1848 erklärte die Noten der Bank von Frankreich für gesetzliche Münze und enthob die Bank der Verpflichtung, sie gegen bar einzulösen. Ihre Notenausgabe wurde beschränkt auf 350 Mill. frs. Sie wurde gleichzeitig bevollmächtigt, Noten von 100 frs. auszugeben. Ein Dekret vom 27. April verfügte die Verschmelzung der Departementalbanken mit der Bank von Frankreich; ein andres Dekret vom 2. Mai 1848 erhöhte ihre Notenausgabe auf 452 Mill. frs. Ein Dekret vom 22. Dezember 1849 steigerte das Maximum der Notenausgabe auf 525 Mill. frs. Endlich führte das Gesetz vom 6. August 1850 die Austauschbarkeit der Noten gegen Geld wieder ein. Diese Tatsachen, die fortwährende Steigerung der Zirkulation, die Konzentration des ganzen französischen Kredits in den Händen der Bank und die Anhäufung alles französischen Goldes und Silbers in den Bankgewölben, führten Herrn Proudhon zu dem Schluß, daß die Bank jetzt ihre alte Schlangenhaut abstreifen und sich in eine Proudhonsche Volksbankt62] metamorphosieren müsse. Er brauchte nicht einmal die Geschichte der englischen Bankrestriktion von 1797-18191631 zu kennen, er brauchte nur seinen Blick über den Kanal zu richten, um zu sehen, daß dies für ihn in der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft unerhörte Faktum weiter nichts war, als ein höchst normales bürgerliches Ereignis, das jetzt nur in Frankreich zum erstenmal eintrat. Man sieht, daß die angeblich revolutionären Theoretiker, die nach der provisorischen Regierung in Paris das große Wort führten, ebenso unwissend waren über die Natur und die Resultate der ergriffenen Maßregeln wie die Herren von der provisorischen Regierung selbst.
Trotz der industriellen und kommerziellen Prosperität, deren sich Frankreich momentan erfreut, laboriert die Masse der Bevölkerung, die 25 Millionen Bauern, an großer Depression. Die guten Ernten der letzten Jahre haben die Getreidepreise in Frankreich noch viel tiefer gedrückt als in England, und die Stellung verschuldeter, vom Wucher ausgesogner und von
1 Siehe vorl. Band, S. 76-80
Steuern gedrückter Bauern kann dabei nichts weniger als glänzend sein. Die Geschichte der letzten drei Jahre hat indes zur Genüge bewiesen, daß diese Klasse der Bevölkerung durchaus keiner revolutionären Initiative fähig ist. Wie die Periode der Krise später eintritt auf dem Kontinent als in England, so die der Prosperität. In England findet stets der ursprüngliche Prozeß statt; es ist der Demiurg des bürgerlichen Kosmos. Auf dem Kontinent treten die verschiedenen Phasen des Zyklus, den die bürgerliche Gesellschaft immer von neuem durchläuft, in sekundärer und tertiärer Form ein. Erstens führte der Kontinent nach England unverhältnismäßig mehr aus als nach irgendeinem andern Land. Diese Ausfuhr nach England hängt aber wieder ab von dem Stand Englands, besonders zum überseeischen Markt. Dann führt England nach den überseeischen Ländern unverhältnismäßig mehr aus als der gesamte Kontinent, so daß die Quantität des kontinentalen Exports nach diesen Ländern immer abhängig ist von der jedesmaligen überseeischen Ausfuhr Englands. Wenn daher die Krisen zuerst auf dem Kontinent Revolutionen erzeugen, so ist doch der Grund derselben stets in England gelegt. In den Extremitäten des bürgerlichen Körpers muß es natürlich eher zu gewaltsamen Ausbrüchen kommen als in seinem Herzen, da hier die Möglichkeit der Ausgleichung größer ist als dort. Andrerseits ist der Grad, worin die kontinentalen Revolutionen auf England zurückwirken, zugleich der Thermometer, an dem es sich zeigt, inwieweit diese Revolutionen wirklich die bürgerlichen Lebensverhältnisse in Frage stellen, oder wieweit sie nur ihre politischen Formationen treffen. Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein. Eine solche Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkräfte und die bürgerlichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten. Die verschiedenen Zänkereien, in denen sich jetzt die Repräsentanten der einzelnen Fraktionen der kontinentalen Ordnungspartei ergehn und gegenseitig kompromittieren, weit entfernt zu neuen Revolutionen Anlaß zu geben, sind im Gegenteil nur möglich, weil die Grundlage der Verhältnisse momentan so sicher und, was die Reaktion nicht weiß, so bürgerlich ist. An ihr werden alle die bürgerliche Entwickelung aufhaltenden Reaktionsversuche ebensosehr abprallen wie alle sittliche Entrüstung und alle begeisterten Proklamationen der Demokraten. Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krisis, Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese.
Wir kommen jetzt zu den politischen Ereignissen der letzten sechs Monate. Für England ist die Zeit der Prosperität jedesmal die Blütezeit des Whigtums, das in dem kleinsten Mann des Königreichs, Lord John Russell, seine angemessene Inkarnation besitzt. Das Ministerium bringt kleine Winkelreformvorschläge ins Parlament, von denen es weiß, daß sie im Oberhaus durchfallen, oder die es am Ende der Session unter dem Vorwand mangelnder Zeit selbst zurücknimmt. Der Mangel an Zeit ist denn immer motiviert durch den vorhergehenden Überfluß an Langweile und leerem Gerede, dem der Sprecher möglichst spät durch die Bemerkung Einhalt tut, das sei keine Frage vor dem Hause. Der Kampf zwischen Freetradern und Protektionisten artet in solchen Zeiten in reinen Humbug aus. Die Masse der Freetrader ist mit der materiellen Ausbeutung des freien Handels zu beschäftigt, um Zeit oder Lust zu haben, seine politischen Konsequenzen weiser zu erkämpfen; die Protektionisten sind dem Aufschwung der städtischen Industrie gegenüber auf burleske Jeremiaden und Drohungen angewiesen. Die Parteien führen den Krieg bloß anstandshalber weiter, um einander stets in Erinnerung zu halten. Vor der letzten Session erhoben die industriellen Bourgeois einen gewaltigen Lärm im Interesse der Finanzreform; im Parlament selbst beschränkten sie sich auf theoretische Expostulationen. Vor der Session wiederholte Herr Cobden bei Gelegenheit der russischen Anleihe dem Zar seine Kriegserklärung und wußte nicht Sarkasmen genug auf den großen Petersburger Pauper zu häufen; sechs Monate nachher sank er schon herab zu der skandalösen Farce des Friedenskongresses[2931, der kein andres Resultat hatte, als daß ein Ojibway-Indianer zum großen Entsetzen des auf der Tribüne anwesenden Herrn Haynau dem Herrn Jaup eine Friedenspfeife einhändigte und daß der Yankee-Mäßigkeitsschwindler Elihu Burritt nach SchleswigHolstein und Kopenhagen ging, um die betreffenden Regierungen seiner wohlmeinenden Absichten zu versichern. Als ob der ganze schleswig-holsteinische Krieg je eine ernsthafte Wendung nehmen könnte, solange Herr von Gagern sich dabei beteiligt und Venedey nicht! Die eigentliche, große politische Frage der verflossenen Session war die griechische Debatte[294J. Die gesamte absolutistische Reaktion des Kontinents hatte mit den englischen Tories eine Koalition zum Sturz Palmerstons gebildet. Louis-Napoleon hatte sogar den französischen Gesandten aus London abberufen, ebensosehr umdemZarNikolaus alsumderfranzösischenNationaleitelkeit zu schmeicheln. Die ganze Nationalversammlung applaudierte fanatisch diesem kühnen Bruch mit der traditionellen englischen Allianz. Die Sache gab Herrn Palmerston Gelegenheit, sich im Unterhaus als den Champion der bürgerlichen Freiheit von ganz Europa hinzustellen; er erhielt eine
Majorität von 46 Stimmen, und das Resultat der ebenso ohnmächtigen wie albernen Koalition war die Nichterneuerung der Alien Bill.12021 Wenn Palmerston in seiner Manifestation gegen Griechenland und seiner Parlaments rede der europäischen Reaktion bürgerlich-liberal gegenübertrat, so benutzte das englische Volk die Anwesenheit des Herrn Haynau in London zu einer schlagenden Manifestation seiner auswärtigen Politik.'2951 Wurde der militärische Repräsentant Ostreichs vom Volk durch die Straßen Londons gehetzt, so erlebte Preußen in seinem diplomatischen Repräsentanten ein seiner Stellung ebenso angemessenes Unglück. Man erinnert sich, wie die komischste Figur Englands, der schwatzhafte Literatus Brougham, den Literatus ßtmsen wegen taktlos-zudringlichen Betragens unter dem allgemeinen Gelächter sämtlicher Ladies von den Galerien des Oberhauses entfernte. Herr Bunsen nahm, ganz im Geist der von ihm repräsentierten Großmacht, diese Demütigung gelassen hin. Er wird überhaupt nicht aus England fortgehn, widerfahre ihm was da wolle. Er ist durch seine ganzen Privatinteressen an England gebunden; er wird fortfahren, seinen diplomatischen Posten zur Spekulation in englischer Religion zu exploitieren und seine Söhne in der englischen Kirche, seine Töchter in irgendeiner Abstufung der englischen Gentry unterzubringen. Der Tod Sir Robert Peels trug wesentlich dazu bei, die Auflösung der alten Parteien zu beschleunigen. Die Partei, die seit 1845 seine Hauptstütze bildete, die sog. Peeliten, sind seitdem vollständig zerfallen. Peel selbst ist seit seinem Tode fast von allen Parteien in der überschwenglichsten Weise als der größte Staatsmann Englands apotheosiert worden. Er hat allerdings das vor den kontinentalen „Staatsmännern" voraus, daß er kein bloßer Stellenjäger war. Im übrigen bestand die Staatsmannschaft dieses zum Führer der Grundaristokratie emporgekommenen Bourgeoissohnes in der Einsicht, daß es heutzutage nur1 noch eine wirkliche Aristokratie gebe, nämlich die Bourgeoisie. In diesem Sinn benutzte er seine Führerschaft der Grundaristokratie fortwährend, um ihr Konzessionen an die Bourgeoisie abzunötigen. So in der katholischen Emanzipation '296! und der Reform der Polizeit2971, wodurch er die politische Macht der Bourgeoisie vermehrte; in den Bankgesetzen von 181812981 und 1844[286], die die Finanzaristokratie stärkten; in der Tarifreform von 184212991 und den Freihandelsgesetzen von 1846l1581, wodurch die Grundaristokratie geradezu der industriellen Bourgeoisie geopfert wurde. Die zweite Grundsäule der Aristokratie, der „eiserne Herzog" 2, der Held von Waterloo, stand dem Baumwollritter Peel als enttäuschter Don Quijote getreulich zur
1 In der „Revue": und - 3 Wellington
Seite. Seit 1845 wurde Peel von der Tory-Partei als Verräter behandelt. Die Macht Peels über das Unterhaus beruhte auf der ungemeinen Plausibilität seiner Beredsamkeit. Man lese seine berühmtesten Reden, und man wird finden, daß sie aus einer massenhaften Anhäufung von Gemeinplätzen bestehn, zwischen denen eine Anzahl statistischer Daten geschickt gruppiert sind. Fast alle Städte von England wollen dem Abschaffer der Kornzölle Denkmäler setzen. Ein chartistisches Blatt bemerkte, mit Anspielung auf die durch Peel 1829 ausgebildete Polizei: Was sollen uns alle diese Peel-Monumente? Jeder Polizeidiener in England und Irland ist ein lebendiges Peel-Monument.'3001 Das letzte Ereignis, das in England Aufsehen erregte, ist die Ernennung des Herrn Wiseman zum Kardinalerzbischof von Westminster und die Einteilung von England in dreizehn katholische Bistümer durch den Papst. Dieser für die englische Kirche sehr überraschende Schritt des Statthalters Christi ist ein neuer Beweis von der Illusion, der sich die ganze kontinentale Reaktion hingibt, als ob mit den Siegen, die sie im Dienst der Bourgeoisie neuerdings erfochten, nun auch die Herstellung der ganzen feudalistisch-absolutistischen Gesellschaftsordnung mit ihrem ganzen religiösen Zubehör von selbst erfolgen müsse. Der Katholizismus hat seine einzige Stütze in England an den beiden Extremen der Gesellschaft, der Aristokratie und dem Lumpenproletariat. Das Lumpenproletariat, der irische oder von Irländern abstammende Mob ist katholisch durch seine Abstammung. Die Aristokratie hat mit dem Puseyismus13011 solange fashionable Koketterie getrieben, bis endlich selbst der Ubertritt zur katholischen Kirche anfing, Mode zu werden. In einer Zeit, wo die englische Aristokratie durch den Kampf gegen die fortschreitende Bourgeoisie immer mehr zur Herauskehrung ihres feudalen Charakters gedrängt wurde, mußten natürlich auch die religiösen Ideologen der Aristokratie, die orthodoxen Theologen der Hochkirche, im Kampf mit den Theologen der bürgerlichen Dissenterreligion13021 mehr und mehr gezwungen werden, die Konsequenzen ihres halbkatholischen Dogmas und Ritus anzuerkennen, mußte sogar der Übertritt einzelner reaktionärer Anglikaner zur ursprünglichen, alleinseligmachenden Kirche immer häufiger werden. Diese unbedeutenden Erscheinungen brachten in den Köpfen englischer katholischer Geistlicher die sanguinsten Hoffnungen auf die baldige Bekehrung von ganz England hervor. Die neue Bulle des Papstest3031, die England schon wieder als römische Provinz behandelt und die dieser Tendenz zur Bekehrung einen neuen Aufschwung geben sollte, bringt indes gerade die umgekehrte Wirkung hervor. Die Puseyiten, plötzlich mit den ernsthaften Konsequenzen ihrer mittelalterlichen Spielereien konfrontiert, fahren entsetzt zurück, und der
puseyitische Bischof von London hat sofort eine Erklärung erlassen, worin er seine sämtlichen Irrtümer widerruft und dem Papsttum den Krieg auf Leben und Tod erklärt. - Für die Bourgeoisie hat die ganze Komödie nur insoweit Interessen, als sie ihr Gelegenheit zu neuen Angriffen gegen die Hochkirche und ihre Universitäten gibt. Die Untersuchungskommission, die über die Lage der Universitäten Bericht zu erstatten hat, wird in der nächsten Session heftige Debatten hervorrufen. Die Masse des Volks interessiert sich natürlich nicht, weder für noch gegen den Kardinal Wiseman. Den Zeitungen dagegen liefert er bei der jetzigen Dürre an Neuigkeiten willkommnen Stoff zu langen Artikeln und heftigen Diatriben gegen PioNono1. Die „Times"'3' verlangte sogar, die Regierung solle zur Strafe seiner Übergriffe eine Insurrektion im Kirchenstaat erregen und Herrn Mazzini und die italienische Emigration gegen ihn loslassen. Der „Globe"[208', das Organ Palmerstons, stellte eine höchst witzige Parallele zwischen der Bulle des Papstes und dem letzten Manifest Mazzinis an. Der Papst, sagte er, reklamiert eine geistliche Suprematie über England und ernennt Bischöfe in partibus infidelium'72'. Hier in London sitzt eine italienische Regierung in partibus infidelium, an deren Spitze der Antipapst Herr Mazzini steht. Die Suprematie, die Herr Mazzini in den päpstlichen Staaten nicht nur reklamiert, sondern wirklich ausübt, ist dermalen ebenfalls rein geistlicher Natur. Die Bullen des Papstes sind rein religiösen Inhalts; die Manifeste Mazzinis ebenfalls. Sie predigen eine Religion, sie appellieren an den Glauben, sie haben zum Motto: Dio ed il popolo, Gott und das Volk. Wir fragen, gibt es zwischen den Ansprüchen beider einen andern Unterschied als den, daß Herr Mazzini wenigstens die Religion der Majorität des Volks vertritt, zu dem er spricht - denn es gibt fast keine andre Religion mehr in Italien als die des Dio ed il popolo -, der Papst aber nicht? Mazzini hat übrigens diese Gelegenheit benutzt, um einen Schritt weiterzugehn. Er hat nämlich in Gemeinschaft mit den übrigen Mitgliedern des italienischen Nationalkomitees jetzt von London aus die Anleihe von 10 Mill. frs., die die römische Konstituante'304' bewilligt hatte, in Aktien von 100 frs. ausgeschrieben, und zwar geradezu, um Waffen und Kriegsbedarf anzuschaffen. Es läßt sich nicht leugnen, daß diese Anleihe mehr Chance hat als die gescheiterte freiwillige Anleihe der östreichischen Regierung in der Lombardei.'305'
Ein wirklich ernsthafter Schlag, den England in der letzten Zeit gegen Rom und Ostreich geführt hat, ist sein Handelsvertrag mit Sardinien. Dieser Vertrag sprengt das östreichische Projekt eines italienischen Zollvereins und
iPius IX.
sichert dem englischen Handel und der englischen bürgerlichen Politik ein bedeutendes Terrain in Oberitalien. Die bisherige Organisation der Chartistenpartei ist ebenfalls in der Auflösung begriffen. Die Kleinbürger, die sich noch in der Partei befinden, verbunden mit der Aristokratie der Arbeiter, bilden eine rein demokratische Fraktion, deren Programm sich auf die Volkscharte und einige andre kleinbürgerliche Reformen beschränkt. Die Masse der in wirklich proletarischen Verhältnissen lebenden Arbeiter gehört der revolutionären Chartistenfraktion an. An der Spitze der ersten steht Feargus O'Connor, an der Spitze der zweiten Julian Harney und Ernest Jones. Der alte O'Connor, ein irischer Squire und angeblicher Abkömmling der alten Könige von Munster, ist trotz seiner Abstammung und seiner politischen Richtung ein echter Repräsentant von Altengland. Er ist seiner ganzen Natur nach konservativ und hat einen höchst determinierten Haß sowohl gegen den industriellen Fortschritt wie gegen die Revolution. Seine sämtlichen Ideale sind durch und durch patriarchalischkleinbürgerlich. Er vereinigt in sich eine unaussprechliche Menge von Widersprüchen, die in einem gewissen platten common sense1 ihre Erledigung und Harmonie finden und die ihn eben befähigen, jahraus, jahrein seine wöchentlichen ellenlangen Briefe im „Northern Star"[21 zu schreiben, von denen immer der nächste mit dem vorhergehenden in offenem Hader liegt. Gerade deswegen behauptet O'Connor auch, der konsequenteste Mann in den drei Reichen zu sein und alle Ereignisse seit zwanzig Jahren vorhergesagt zu haben. Seine Schultern, seine brüllende Stimme, seine enorme Geschicklichkeit im Boxen, mit der er einmal den Nottinghamer Markt gegen mehr als zwanzigtausend Menschen behauptet haben soll - alles das gehört wesentlich zu dem Repräsentanten Altenglands. Es ist klar, daß ein Mann wie O'Connor in einer revolutionären Bewegung ein großes Hindernis sein muß; aber solche Leute dienen eben dazu, daß mit ihnen und an ihnen eine Menge von alteingewurzelten Vorurteilen sich abarbeiten und daß die Bewegung, wenn sie diese Leute schließlich überwindet, auch die von ihnen repräsentierten Vorurteile ein für allemal los ist. O'Connor wird in der Bewegung zugrunde gehn, aber er wird darum ebensosehr auf den Titel eines „Märtyrers der guten Sache" Anspruch machen können wie die Herren Lamartine und Marrast. Der Hauptkollisionspunkt der beiden Chartistenfraktionen ist die Landfrage. O'Connor und seine Partei wollen die Charte dazu benutzen, einen Teil der Arbeiter auf kleinen Parzellen Land unterzubringen und schließlich die Parzellierung in England allgemein zu machen. Man weiß, wie sein Ver
1 Menschenverstand
such, diese Parzellierung durch eine Aktiengesellschaft im Kleinen einzurichten, gescheitert ist. Die Tendenz jeder bürgerlichen Revolution: das große Grundeigentum zu zerschlagen, konnte den englischen Arbeitern diese Parzellierung eine Zeitlang als etwas Revolutionäres erscheinen lassen, obwohl sie regelmäßig ergänzt wird durch die unfehlbare Tendenz des kleinen Eigentums, sich zu konzentrieren und vor der großen Agrikultur zugrunde zu gehn. Die revolutionäre Fraktion der Chartisten hält dieser Forderung der Parzellierung die Forderung der Konfiskation des gesamten Grundeigentums entgegen und verlangt, daß es nicht verteilt werden, sondern Nationaleigentum bleiben soll. Trotz dieser Spaltung und der Aufstellung extremerer Forderungen ist den Chartisten doch aus der Erinnerung an die Umstände, unter denen die Abschaffung der Korngesetze durchging, die Ahnung geblieben, daß sie in der nächsten Krise wieder mit den industriellen Bourgeois, den Finanzreformern Zusammengehn und diesen ihre Feinde niederschlagen helfen, dafür sich aber Konzessionen von ihnen erzwingen müssen. Dies wird allerdings 'die Stellung der Chartisten in der bevorstehenden Krise sein. Die eigentliche revolutionäre Bewegung kann in England erst anfangen, wenn die Charte durchgesetzt ist, gerade wie in Frankreich die Junischlacht erst möglich wurde, als die Republik erobert war. Gehen wir nun nach Frankreich über. Der Sieg, den das Volk in Verbindung mit den Kleinbürgern in den Wahlen vom 10. März errungen hatte, wurde von ihm selbst annulliert, indem es die neue Wahl vom 28. April provozierte. Vidal war, außer in Paris, auch im Niederrhein gewählt. Das Pariser Komitee, in dem die Montagne und die Kleinbürgerschaft stark vertreten waren, veranlaßte ihn, für den Niederrhein zu akzeptieren. Der Sieg vom 10. März hörte auf ein entscheidender zu sein; der Termin der Entscheidung wurde abermals hinausgeschoben, die Spannkraft des Volks wurde erschlafft, es wurde an legale Triumphe gewöhnt statt der revolutionären. Der revolutionäre Sinn des 10. März, die Rehabilitierung der Juniinsurrektion, wurde endlich vollständig vernichtet durch die Kandidatur Eugene Sues, des sentimental-kleinbürgerlichen Sozialphantasten, die das Proletariat höchstens als einen Witz, den Grisetten zu Gefallen akzeptieren konnte. Dieser wohlmeinenden Kandidatur gegenüber stellte die Ordnungspartei, kühner geworden durch die schwankende Politik der Gegner, einen Kandidaten auf, der den Junisieg repräsentieren sollte. Dieser komische Kandidat war der spartanische Familienvater Leclerc, dem indes die heroische Rüstung durch die Presse Stück für Stück vom Leibe gerissen wurde und der bei der Wahl auch eine glänzende Niederlage erlebte. Der neue Wahlsieg
am 28. April machte die Montagne und die Kleinbürgerschaft übermütig. Sie frohlockte schon in dem Gedanken, auf rein legalem Wege und ohne durch eine neue Revolution das Proletariat wieder in den Vordergrund zu schieben, am Ziel ihrer Wünsche ankommen zu können; sie rechnete fest darauf, bei den neuen Wahlen von 1852 durch das allgemeine Stimmrecht Herrn Ledru-Rollin in den Präsidentenstuhl und eine Majorität von Montagnards in die Versammlung zu bringen. Die Ordnungspartei, durch die Erneuerung der Wahl, durch die Kandidatur Sues und durch die Stimmung der Montagne und Kleinbürgerschaft vollkommen sichergestellt, daß diese unter allen Umständen entschlossen seien, ruhig zu bleiben, antwortete auf die beiden Wahlsiege mit dem Wahlgesetz, das das allgemeine Stimmrecht abschaffte. Die Regierung hütete sich wohl, diesen Gesetzvorschlag auf ihre eigne Verantwortlichkeit hin zu machen. Sie machte der Majorität eine scheinbare Konzession, indem sie den Großwürdenträgern dieser Majorität, den siebzehn Burggrafent64), seine Ausarbeitung übertrug. Nicht die Regierung schlug also der Versammlung, die Majorität der Versammlung schlug sich selbst die Aufhebung des allgemeinen Stimmrechts vor. Am 8. Mai wurde das Projekt in die Kammer gebracht. Die ganze sozialdemokratische Presse erhob sich wie ein Mann, um dem Volk würdevolle Haltung, calme majestueux1, Passivität und Vertrauen auf seine Vertreter zu predigen. Jeder Artikel dieser Journale war ein Geständnis, daß eine Revolution vor allem die sog. revolutionäre Presse vernichten müsse und daß es sich also jetzt um ihre Selbsterhaltung handle. Die angeblich revolutionäre Presse verriet ihr ganzes Geheimnis. Sie unterzeichnete ihr eignes Todesurteil. Am 21. Mai brachte die Montagne die vorläufige Frage zur Debatte und trug auf Verwerfung des ganzen Projekts an,' weil es die Verfassung verletze. Die Ordnungspartei antwortete, man werde die Verfassung verletzen, wenn es nötig sei, man brauche es jetzt indes nicht, weil die Verfassung jeder Deutung fähig sei und weil die Majorität über die richtige Deutung allein kompetent entscheide. Den zügellos wilden Angriffen von Thiers und Montalembert setzte die Montagne einen anständigen und gebildeten Humanismus entgegen. Sie berief sich auf den Rechtsboden; die Ordnungspartei verwies sie auf den Boden, worauf das Recht wächst, auf das bürgerliche Eigentum. Die Montagne wimmerte: Ob man denn wirklich mit aller Gewalt Revolutionen heraufbeschwören wolle? Die Ordnungspartei erwiderte: Man werde sie abwarten. Am 22. Mai wurde die vorläufige Frage erledigt mit 462 gegen 227 Stimmen. Dieselben Männer, die mit so feierlicher Gründlichkeit bewiesen hatten,
1 majestätische Ruhe
daß die Nationalversammlung und jeder einzelne Deputierte abdanke, wenn er das Volk, seinen Vollmachtgeber, abdanke, harrten auf ihren Sitzen aus, suchten nun plötzlich statt ihrer das Land, und zwar durch Petitionen, handeln zu lassen und saßen noch ungerührt da, als am 31. Mai das Gesetz glänzend durchging. Sie suchten sich zu rächen durch einen Protest, worin sie ihre Unschuld an der Notzucht der Konstitution zu Protokoll gaben, einen Protest, den sie nicht einmal offen niederlegten, sondern dem Präsidenten hinterrücks in die Tasche schmuggelten. Eine Armee von 150000 Mann in Paris, die lange Verschleppung der Entscheidung, die Abwiegelung der Presse, die Kleinmütigkeit der Montagne und der neugewählten Repräsentanten, die majestätische Ruhe der Kleinbürger, vor allem aber die kommerzielle und industrielle Prosperität verhinderten jeden Revolutionsversuch von Seiten des Proletariats. Das allgemeine Wahlrecht hatte seine Mission erfüllt. Die Majorität des Volks hatte die Entwicklungsschule durchgemacht, zu der es allein in einer revolutionären Epoche dienen kann. Es mußte beseitigt werden durch eine Revolution oder durch die Reaktion. Einen noch größeren Aufwand von Energie entwickelte die Montagne bei einer bald darauf vorkommenden Gelegenheit. Der Kriegsminister d'Hautpoul hatte von der Tribüne herab die Februarrevolution eine unheilvolle Katastrophe genannt. Die Redner der Montagne, die, wie immer, sich durch sittlich entrüstetes Gepolter auszeichneten, wurden vom Präsidenten Dupin nicht zum Wort zugelassen. Girardin schlug der Montagne vor, sofort in Masse auszutreten. Resultat: Die Montagne blieb sitzen, aber Girardin wurde als unwürdig aus ihrem Schoß hinausgeworfen. Das Wahlgesetz bedurfte noch einer Vervollständigung, eines neuen Preßgesetzes. Dies ließ nicht lange auf sich warten. Ein Vorschlag der Regierung, vielfach verschärft durch Amendements der Ordnungspartei, erhöhte die Kautionen, setzte einen Extrastempel auf die Feuilletonromane (Antwort auf die Wahl von Eugene Sue), besteuerte alle in wöchentlichen oder monatlichen Lieferungen erscheinenden Schriften bis zu einer gewissen Bogenzahl und verfügte schließlich, daß jeder Artikel eines Journals mit der Unterschrift des Verfassers versehen sein müsse. Die Bestimmungen über die Kaution töteten die sog. revolutionäre Presse; das Volk betrachtete ihren Untergang als eine Genugtuung für die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts. Indes erstreckte sich weder die Tendenz noch die Wirkung des neuen Gesetzes allein auf diesen Teil der Presse. Solange die Zeitungspresse anonym war, erschien sie als Organ der zahl- und namenlosen öffentlichen Meinung; sie war die dritte Macht im Staate. Durch die Unterzeichnung jedes Artikels wurde eine Zei
tung zu einer bloßen Sammlung von schriftstellerischen Beiträgen mehr oder minder bekannter Individuen. Jeder Artikel sank zu einer Annonce herab. Bisher hatten die Zeitungen als das Papiergeld der öffentlichen Meinung zirkuliert; jetzt lösten sie sich auf in mehr oder minder schlechte Solawechsel, deren Güte und Zirkulation von dem Kredit nicht nur des Ausstellers, sondern auch des Indossenten abhing. Die Presse der Ordnungspartei hatte, wie zur Aufhebung des allgemeinen Wahlrechts, so auch zu den äußersten Maßregeln gegen die schlechte Presse provoziert. Indes war die gute Presse selbst in ihrer unheimlichen Anonymität der Ordnungspartei und noch mehr ihren einzelnen provinzialen Repräsentanten unbequem. Sie verlangte sich gegenüber nur noch den bezahlten Schriftsteller mit Namen, Wohnort und Signalement. Vergebens jammerte die gute Presse über den Undank, mit dem man ihre Dienste belohne. Das Gesetz ging durch, die Bestimmung der Namennennung traf sie vor allem. Die Namen der republikanischen Tagesschriftsteller waren ziemlich bekannt; aber die respektablen Firmen des „Journals des Debats", der „Assemblee Nationale"1651, des „Constitutionnel"1661 etc. etc. machten eine jämmerliche Figur mit ihrer hochbeteuernden Staatsweisheit, als sich die mysteriöse Kompanie auf einmal zersetzte in käufliche Penny-a-liners1 von langer Praxis, die für bares Geld alle möglichen Sachen verteidigt hatten, wie Granier de Cassagnac, oder in alte Waschlappen, die sich selbst Staatsmänner nannten, wie Capefigue, oder in kokettierende Nußknacker, wie Herr Lemoinne vom „Debats". In der Debatte über das Preßgesetz war die Montagne bereits auf einen solchen Grad moralischer Verkommenheit herabgesunken, daß sie sich darauf beschränken mußte, den glänzenden Tiraden einer alten louis-philippistischen Notabilität, des Herrn Victor Hugo, Beifall zuzuklatschen. Mit dem Wahlgesetz und dem Preßgesetz tritt die revolutionäre und demokratische Partei von der offiziellen Schaubühne ab. Vor ihrem Aufbruch nach Hause, kurz nach Schluß der Session, erließen die beiden Fraktionen der Montagne, die sozialistischen Demokraten und die demokratischen Sozialisten, zwei Manifeste, zwei testimonia paupertatis2, worin sie bewiesen, daß, wenn nie die Gewalt und der Erfolg auf ihrer Seite, sie sich doch stets auf der Seite des ewigen Rechts und aller übrigen ewigen Wahrheiten befunden hätten.1671 Betrachten wir nun die Partei der Ordnung. Die „N. Rh. Z." sagte Heft 3, pag. 163: „Den Restaurationsgelüsten der vereinigten Orleanisten und Legitimisten gegenüber vertritt Bonaparte den Titel seiner tatsächlichen Macht:
1 Zeilenschinder - 2 Armutszeugnisse - 3 siehe vorl. Band, S. 76
29 Marx/Engels, Werlte, Bd. 7
die Republik. Den Restaurationsgelüsten Bonapartes gegenüber vertritt die Partei der Ordnung den Titel ihrer gemeinsamen Herrschaft: die Republik. Den Orleanisten gegenüber vertreten die Legitimisten, den Legitimisten gegenüber vertreten die Orleanisten den Status quo: die Republik. Alle diese Fraktionen der Ordnungspartei, deren jede ihren eignen König und ihre eigne Restauration in petto hat, machen wechselseitig den Usurpations- und Erhebungsgelüsten ihrer Rivalen gegenüber die gemeinsame Herrschaft der Bourgeoisie, die Form geltend, worin die besondern Ansprüche neutralisiert und vorbehalten bleiben: die Republik... Und Thiers sprach wahrer als er ahnt, wenn er sagte: ,Wir, die Royalisten, sind die wahren Stützen der konstitutionellen Republik.'" Diese Komödie der republicains malgre eux1, der Widerwille gegen den Status quo und die beständige Befestigung desselben; die unaufhörlichen Reibungen Bonapartes und der Nationalversammlung; die stets erneuerte Drohung der Ordnungspartei, sich in ihre einzelnen Bestandteile zu sondern, und das stets wiederholte Zusammenschließen ihrer Fraktionen; der Versuch jeder Fraktion, jeden Sieg gegen den gemeinsamen Feind in eine Niederlage der zeitweiligen Alliierten zu verwandeln; die wechselseitige Eifersüchtelei, Ranküne, Abhetzung, das unermüdliche Ziehen der Schwerter, das immer wieder mit einem baiser-Lamourette1681 endigt - diese ganze unerquickliche Komödie der Irrungen entwickelte sich nie klassischer als während der letzten sechs Monate. Die Partei der Ordnung betrachtete das Wahlgesetz zugleich als einen Sieg gegen Bonaparte. Hatte die Regierung nicht abgedankt, indem sie der Siebzehnerkommission die Redaktion und die Verantwortlichkeit ihres eignen Vorschlags überließ? Und beruhte nicht die Hauptstärke Bonapartes gegenüber der Versammlung darauf, daß er der Erwählte der sechs Millionen war? Bonaparte seinerseits behandelte das Wahlgesetz als eine Konzession an die Versammlung, womit er die Harmonie der legislativen mit der exekutiven Gewalt erkauft habe. Zum Lohn verlangte der gemeine Aventurier eine Vermehrung seiner Zivilliste um drei Millionen. Durfte die Nationalversammlung in einen Konflikt mit der Exekutiven treten in einem Augenblick, wo sie die große Majorität der Franzosen in den Bann erklärt hatte? Sie fuhr ärgerlich auf, sie schien es auf das Äußerste treiben zu wollen, ihre Kommission verwarf den Antrag, die bonapartistische Presse drohte und verwies auf das enterbte, seines Stimmenrechts beraubte Volk, eine Menge geräuschvoller Transaktionsversuche fanden statt, und die Versammlung gab schließlich
1 Republikaner wider Willen
nach in der Sache, rächte sich aber zugleich im Prinzip. Statt der jährlichen prinzipiellen Vermehrung der Zivilliste um drei Millionen bewilligte sie ihm eine Aushülfe von 2160000 frs. Nicht zufrieden damit, machte sie selbst erst diese Konzession, nachdem Changarnier sie unterstützt hatte, der General der Ordnungspartei und der aufgedrungene Protektor Bonapartes. Sie bewilligte also die 2 Millionen eigentlich nicht dem Bonaparte, sondern dem Changarnier. Dies de mauvaise gräce1 hingeworfene Geschenk wurde von Bonaparte ganz im Sinne des Gebers aufgenommen. Die bonapartistische Presse polterte von neuem gegen die Nationalversammlung. Als nun erst bei der Debatte des Preßgesetzes das Amendement wegen der Namennennung gemacht wurde, das sich wieder speziell gegen die untergeordneten Blätter, die Vertreter der Privatinteressen Bonapartes richtete, brachte das bonapartistische Hauptblatt, das „Pouvoir"[69!, einen offnen und heftigen Angriff gegen die Nationalversammlung. Die Minister mußten das Blatt vor der Nationalversammlung verleugnen; der Gerant des „Pouvoir" wurde vor die Schranken der Nationalversammlung zitiert und zur höchsten Geldstrafe, zu 5000 frs. verurteilt. Den andern Tag brachte das „Pouvoir" einen noch viel frecheren Artikel gegen die Versammlung, und als Revanche der Regierung verfolgte das Parkett sogleich mehrere legitimistische Journale wegen Verletzung der Konstitution. Endlich kam man an die Frage von der Vertagung der Kammer. Bonaparte wünschte sie, um ungehindert von der Versammlung operieren zu können. Die Ordnungspartei wünschte sie, teils zur Durchführung ihrer Fraktionsintrigen, teils zur Verfolgung der Privatinteressen der einzelnen Deputierten. Beide bedurften ihrer, um in den Provinzen die Siege der Reaktion zu befestigen und weiterzutreiben. Die Versammlung vertagte sich daher vom 11. August bis zum 11. November. Da aber Bonaparte keineswegs verhehlte, daß es ihm nur darum zu tun sei, die lästige Aufsicht der Nationalversammlung loszuwerden, drückte die Versammlung dem Vertrauensvotum selbst den Stempel des Mißtrauens gegen den Präsidenten auf. Von der permanenten Kommission von 28 Mitgliedern, die als Tugendwächter der Republik während der Ferien ausharrten, wurden alle Bonapartisten ferngehalten.'701 Statt ihrer wurden sogar einige Republi kaner vom „Siecle"1451 und „Nationaj"IH] hineingewählt, um dem Präsidenten die Anhänglichkeit der Majorität an die konstitutionelle Republik darzutun. Kurz vor und besonders unmittelbar nach der Vertagung der Kammer schienen die beiden großen Fraktionen der Ordnungspartei, die Orleanisten
1 widerstrebend
und die Legitimisten, sich versöhnen zu wollen, und zwar durch eine Verschmelzung der beiden Königshäuser, unter deren Fahnen sie kämpfen. Die Blätter waren voll von Versöhnungsvorschlägen, die am Krankenbett LouisPhilippes zu St. Leonards diskutiert worden seien, als der Tod Louis-Philippes plötzlich die Situation vereinfachte. Louis-Philippe war der Usurpator, Heinrich V. der Beraubte, der Graf von Paris dagegen, bei der Kinderlosigkeit Heinrichs V., sein rechtmäßiger Thronerbe. Jetzt war der Verschmelzung der beiden dynastischen Interessen jeder Vorwand genommen. Gerade jetzt aber entdeckten die beiden Fraktionen der Bourgeoisie erst, daß nicht die Schwärmerei für ein bestimmtes Königshaus sie trennte, sondern daß vielmehr ihre getrennten Klasseninteressen die beiden Dynastien auseinanderhielten. Die Legitimisten, die ins Hoflager Heinrichs V. nach Wiesbaden gepilgert waren, gerade wie ihre Konkurrenten nach St. Leonards, erhielten hier die Nachricht vom Tode Louis-Philippes. Sogleich bildeten sie ein Ministerium in partibus infidelium1-721, das meist aus Mitgliedern jener Kommission von Tugendwächtern der Republik bestand und das bei Gelegenheit eines im Schoß der Partei vorkommenden Haders mit der unumwundensten Proklamation des Rechts von Gottes Gnaden hervortrat. Die Orleanisten jubelten über den kompromittierenden Skandal, den dies Manifest1'31 in der Presse hervorrief, und verhehlten keinen Augenblick ihre offne Feindschaft gegen die Legitimisten. Während der Vertagung der Nationalversammlung traten die Departementalvertretungen zusammen. Ihre Majorität sprach sich für eine mehr oder weniger verklausulierte Revision der Verfassung aus, d. h., sie sprach sich aus für eine nicht näher bestimmte monarchische Restauration, für eine „Lösung", und gestand zugleich, daß sie zu inkompetent und zu feig sei, diese Lösung zu finden. Die bonapartistische Fraktion legte diesen Wunsch der Revision sogleich im Sinne der Verlängerung der Präsidentschaft Bonapartes aus. Die verfassungsmäßige Lösung, die Abdankung Bonapartes im Mai 1852, die gleichzeitige Wahl eines neuen Präsidenten durch sämtliche Wähler des Landes, die Revision der Verfassung durch eine Revisionskammer in den ersten Monaten der neuen Präsidentschaft ist für die herrschende Klasse durchaus unzulässig. Der Tag der neuen Präsidentenwahl wäre der Tag des Rendezvous für sämtliche feindliche Parteien, der Legitimisten, der Orleanisten, der Bourgeoisrepublikaner, der Revolutionäre. Es müßte zu einer gewaltsamen Entscheidung zwischen den verschiedenen Fraktionen kommen. Gelänge es selbst der Ordnungspartei, über die Kandidatur eines neutralen Mannes außerhalb der dynastischen Familien sich zu vereinigen, so träte ihm wieder Bonaparte gegenüber. Die Ordnungspartei ist in ihrem Kampf mit
dem Volk genötigt, beständig die Gewalt der Exekutive zu vermehren. Jede Vermehrung der Gewalt der Exekutive vermehrt die Gewalt ihres Trägers Bonaparte.In demselben Maß daher, wie die Ordnungspartei ihre gemeinsame Macht verstärkt, verstärkt sie die Kampfmittel der dynastischen Prätensionen Bonapartes, verstärkt sie seine Chance, am Tage der Entscheidung gewaltsam die konstitutionelle Lösung zu vereiteln. Er wird sich dann ebensowenig der Ordnungspartei gegenüber an dem einen Grundpfeiler der Verfassung stoßen, als sie dem Volk gegenüber beim Wahlgesetz an dem andern. Er würde scheinbar sogar der Versammlung gegenüber an das allgemeine Wahlrecht appellieren. Mit einem Wort, die konstitutionelle Lösung stellt den ganzen politischen Status quo in Frage, und hinter der Gefährdung des Status quo sieht der Bürger das Chaos, die Anarchie, den Bürgerkrieg. Er sieht seine Einkäufe und Verkäufe, seine Wechsel, seine Heiraten, seine notariellen Verträge, seine Hypotheken, seine Grundrenten, Mietzinse, Profite, seine sämtlichen Kontrakte und Erwerbsquellen auf den ersten Sonntag im Mai 1852 in Frage gestellt, und diesem Risiko kann er sich nicht aussetzen. Hinter der Gefährdung des politischen Status quo verbirgt sich die Gefahr des Zusammenbrechens der ganzen bürgerlichen Gesellschaft. Die einzig mögliche Lösung im Sinne der Bourgeoisie ist die Aufschiebung der Lösung. Sie kann die konstitutionelle Republik nur retten durch eine Verletzung der Konstitution, durch die Verlängerung der Gewalt des Präsidenten. Dies ist auch das letzte Wort der Ordnungspresse nach den langwierigen und tiefsinnigen Debatten über die „Lösungen", denen sie sich nach der Session der Generalräte hingab. Die großmächtige Ordnungspartei sieht sich so zu ihrer Beschämung genötigt, die lächerliche, ordinäre und ihr verhaßte Person des Pseudo-Bonaparte ernsthaft zu nehmen. Diese schmutzige Figur täuschte sich ebenfalls über die Ursachen, die sie mehr und mehr mit dem Charakter des notwendigen Mannes bekleideten. Während seine Partei Einsicht genug hatte, die wachsende Bedeutung Bonapartes den Verhältnissen zuzuschreiben, glaubte er, sie allein der Zauberkraft seines Namens und seiner ununterbrochenen Karikierung Napoleons zu verdanken. Er wurde täglich unternehmender. Den Wallfahrten nach St. Leonards und Wiesbaden setzte er seine Rundreisen durch Frankreich entgegen. Die Bonapartisten hatten so wenig Vertrauen auf den magischen Effekt seiner Persönlichkeit, daß sie ihm überall Leute der Gesellschaft vom 10. Dezember1741, dieser Organisation des Pariser Lumpenproletariats, massenweise in Eisenbahnzüge und Postchaisen verpackt, als Claqueure mitschickten. Sie legten ihrer Marionette Reden in den Mund, die je nach dem Empfang in den verschiednen Städten die republikanische Resignation oder die ausdauernde
Zähigkeit als den Wahlspruch der präsidentiellen Politik proklamierten. Trotz aller Manöver waren diese Reisen nichts weniger als Triumphzüge. Nachdem Bonaparte so das Volk begeistert zu haben glaubte, setzte er sich in Bewegung, die Armee zu gewinnen. Er ließ auf der Ebene von Satory bei Versailles große Revuen abhalten, bei denen er die Soldaten durch Knoblauchswürste, Champagner und Zigarren zu kaufen suchte. Wenn der echte Napoleon in den Strapazen seiner Eroberungszüge seine ermatteten Soldaten durch momentane patriarchalische Vertraulichkeit aufzumuntern wußte, so glaubte derPseudo-Napoleon, die Truppen riefen zum Dank: Vive Napoleon, vive le saucisson!1 d.h.: Es lebe die Wurst, es lebe der Hanswurst! Diese Revuen brachten den lange verhaltenen Zwiespalt zwischen Bonaparte und seinem Kriegsminister d'Hautpoul einerseits und Changarnier andrerseits zum Ausbruch. In Changarnier hatte die Ordnungspartei ihren v/irklichen neutralen Mann gefunden, bei dem von eignen dynastischen Ansprüchen keine Rede sein konnte. Ihn hatte sie zum Nachfolger Bonapartes bestimmt. Changarnier war dazu durch sein Auftreten am 29. Januar und 13. Juni 1849 der große Feldherr der Ordnungspartei geworden, der moderne Alexander, dessen brutales Dazwischenfahren in den Augen des zaghaften Bürgers den gordischen Knoten der Revolution zerhauen hatte. Im Grunde ebenso lächerlich wie Bonaparte, war er so auf höchst wohlfeile Weise zu einer Macht geworden und wurde von der Nationalversammlung dem Präsidenten zur Überwachung gegenübergestellt. Er selbst kokettierte, z.B. bei der Dotationsfrage, mit der Protektion, die er Bonaparte schenkte, und trat immer übermächtiger gegen ihn und die Minister auf. Als bei Gelegenheit des Wahlgesetzes eine Insurrektion erwartet wurde, verbot er seinen Offizieren, vom Kriegsminister oder vom Präsidenten irgendwelche Befehle anzunehmen. Die Presse trug noch dazu bei, die Gestalt Changarniers zu vergrößern. Bei dem gänzlichen Mangel an großen Persönlichkeiten sah sich natürlich die Ordnungspartei gedrungen, die ihrer ganzen Klasse fehlende Kraft einem einzelnen Individuum anzudichten und dies so zum Ungeheuren aufzuschwellen. So entstand der Mythus von Changarnier, dem „Bollwerk der Gesellschaft". Die anmaßende Scharlatanerie, die geheimnisvolle Wichtigtuerei, womit Changarnier sich dazu herabließ, die Welt auf seinen Schultern zu tragen, bildet den lächerlichsten Kontrast mit den Ereignissen während und nach der Revue von Satory, die unwiderleglich bewiesen, daß es nur eines Federstrichs Bonapartes, des unendlich Kleinen, bedürfe, um diese phantastische Ausgeburt der bürgerlichen Angst, um den Koloß Changarnier auf die Dimen
1 Es lebe Napoleon, es lebe die Wurst!
sionen der Mittelmäßigkeit zurückzuführen und ihn, den gesellschaftsrettenden Heros, in einen pensionierten General zu verwandeln. Bonaparte hatte sich schon seit längerer Zeit an Changarnier gerächt, indem er den Kriegsminister zu Disziplinarstreitigkeiten mit dem unbequemen Protektor provozierte. Die letzte Revue bei Satory brachte endlich den alten Groll zum Eklat. Die konstitutionelle Entrüstung Changarniers kannte keine Grenze mehr, als er die Kavallerieregimenter mit dem verfassungswidrigen Ruf: Vive l'Empereur!1 vorbeidefilieren sah. Bonaparte, um allen unangenehmen Debatten über diesen Ruf in der bevorstehenden Kammersession zuvorzukommen, entfernte den Kriegsminister d'Hautpoul, indem er ihn zum Gouverneur von Algier ernannte. An seine Stelle setzte er einen zuverlässigen alten General aus der Kaiserzeit, der an Brutalität Changarnier vollständig gewachsen war. Damit aber die Entlassung d'Hautpouls nicht als eine Konzession an Changarnier erscheine, versetzte er zu gleicher Zeit den rechten Arm des großen Gesellschaftsretters, den General Neumayer, von Paris nach Nantes. Neumayer war es gewesen, der bei der letzten Revue die gesamte Infanterie bewogen hatte, mit eisigem Stillschweigen an dem Nachfolger Napoleons vorbeizudefilieren. Changarnier, in Neumayer selbst getroffen, protestierte und drohte. Umsonst. Nach zweitägigen Verhandlungen erschien das Versetzungsdekret Neuijnayers im „Moniteur"[141 und dem Heros der Ordnung blieb nichts übrig, als sich der Disziplin zu fügenoderabzudanken. Der Kampf Bonapartes mit Changarnier ist die Fortsetzung seines Kampfs mit der Partei der Ordnung. Die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am 11. November findet daher unter drohenden Auspizien statt. Es wird der Sturm im Glase Wasser sein. Im wesentlichen muß das alte Spiel fortgehn. Die Majorität der Ordnungspartei wird indes trotz des Geschreis der Prinzipienritter ihrer verschiednen Fraktionen gezwungen sein, die Gewalt des Präsidenten zu verlängern. Ebensosehr wird Bonaparte, trotz aller vorläufigen Protestationen, schon durch den Geldmangel geknickt, diese Verlängerung der Gewalt als einfache Delegation aus den Händen der Nationalversammlung hinnehmen. So wird die Lösung hinausgeschoben, der Status quo forterhalten, eine Fraktion der Ordnungspartei von der andern kompromittiert, geschwächt, unmöglich gemacht, die Repression gegen den gemeinsamen Feind, die Masse der Nation, ausgedehnt und erschöpft, bis die ökonomischen Verhältnisse selbst wieder den Entwicklungspunkt erreicht haben, wo eine neue Explosion diese sämtlichen hadernden Parteien mit ihrer konstitutionellen Republik in die Luft sprengt.
1 Es lebe der Kaiser!
Zur Beruhigung des Bürgers muß übrigens gesagt werden, daß der Skandal zwischen Bonaparte und der Ordnungspartei das Resultat hat, eine Menge kleiner Kapitalisten auf der Börse zu ruinieren und ihr Vermögen in die Taschen der großen Börsenwölfe zu spielen. In Deutschland resümieren sich die politischen Ereignisse der letzten sechs Monate in dem Schauspiel, wie Preußen die Liberalen und wie Ostreich Preußen prellt. Im Jahr 1849 schien es sich um die Hegemonie Preußens in Deutschland zu handeln; im Jahr 1850 handelte es sich um die Teilung der Gewalt zwischen Ostreich undPreußen; im Jahr 1851 handelt es sich nur noch um die Form, in der Preußen sich Ostreich unterwirft und als reuiger Sünder in den Schoß des vollständig wiederhergestellten Bundestags zurückkehrt. Das Kleindeutschland11461, das der König von Preußen als Entschädigung für seinen verunglückten Kaiserzug durch Berlin am 22. März 1848[306] sich zu erhandeln1 hoffte, hat sich in Kleinpreußen verwandelt; Preußen hat jede Demütigung geduldig hinnehmen müssen und ist aus der Reihe der Großmächte verschwunden. Selbst den bescheidenen Traum der Union hat die gewöhnliche perfide Borniertheit seiner Politik wieder in nichts aufgelöst. Es schwindelte der Union einen liberalen Charakter an und düpierte so die weisen Männer der Gothaer Partei13071 durch konstitutionelle Phantasmagorien, mit denen es ihm nie ernst war; und doch war es selbst durch seine ganze industrielle Entwicklung, sein permanentes Defizit, seine Staatsschuld so bürgerlich geworden, daß es dem Konstitutionalismus trotz alles Windens und Sträubens immer unrettbarer verfiel. Wenn die weisen Männer von Gotha zuletzt entdeckten, wie schmählich Preußen mit ihrer Würde und Besonnenheit umgesprungen war, wenn selbst ein Gagern und ein Brüggemann sich endlich mit edler Entrüstung von einer Regierung abwandten, die so schnödes Spiel mit der Einheit und Freiheit des Vaterlandes trieb, so erlebte Preußen keine größere Freude an den Küchlein, die es unter seinen schützenden Flügel versammelt hatte, an den kleinen Fürsten. Die Duodezfürsten hatten sich nur im Moment der höchsten Bedrängnis und Schutzlosigkeit den mediatisationssüchtigen Krallen des preußischen Adlers anvertraut; sie hatten die Zurückführung ihrer Untertanen zum alten Gehorsam durch preußische Interventionen, Drohungen und Demonstrationen teuer bezahlen müssen mit knechtenden Militärkonventionen, mit kostspieliger Einquartierung, mit der Aussicht auf baldige Mediatisierung durch die Unionsverfassung. Aber Preußen selbst hatte dafür gesorgt, daß sie dieser neuen Not wieder ent
1 In der „Revue": erhalten
rennen. Preußen hatte überall die Reaktion wieder zur Herrschaft gebracht, und in demselben Maß, als die Reaktion fortschritt, fielen die Duodezfürsten von Preußen ab, um sich Ostreich in die Arme zu werfen. Konnten sie wieder in vormärzlicher Weise herrschen, so stand ihnen das absolutistische Ostreich näher als eine Macht, die ebensowenig absolutistisch sein konnte als sie liberal sein wollte. Dazu führte die östreichische Politik nicht zur Mediatisierung der kleinen Staaten, sondern im Gegenteil zu ihrer Aufrechthaltung als integrierende Bestandteile des wiederherzustellenden Bundestags. So erlebte Preußen, daß Sachsen von ihm abfiel, das wenig Monate vorher durch preußische Truppen gerettet worden, daß Hannover abfiel, daß Kurhessen abfiel und daß jetzt auch Baden, trotz seiner preußischen Garnisonen, den übrigen folgte. Daß die Unterstützung der Reaktion in Hamburg, Mecklenburg, Dessau etc. etc. durch Preußen nicht zu seinem, sondern zu Ostreichs Vorteil war, sieht es jetzt deutlich an den Vorgängen in den beiden Hessen.'3081 So erfuhr der verfehlte deutsche Kaiser allerdings, daß er in einer Zeit der Treulosigkeit lebt, und wenn er es jetzt dulden muß, daß ihm „sein rechter Arm, die Union" abgenommen wird, so war dieser Arm schon seit geraumer Zeit verwelkt. So hat Ostreich jetzt schon ganz Süddeutschland unter seine Hegemonie gebracht, und auch in Norddeutschland sind die wichtigsten Staaten Preußens Gegner. Ostreich war endlich so weit gekommen, daß es, gestützt auf Rußland, Preußen offen entgegentreten konnte. Es tat dies bei zwei Fragen: bei der schleswig-holsteinischen und der kurhessischen. In Schleswig-Holstein hatte das „Schwert Deutschlands"13091 einen echt preußischen Separatfrieden geschlossen und seine Bundesgenossen der feindlichen Übermacht in die Hände geliefert. England, Rußland und Frankreich beschlossen, der Unabhängigkeit der Herzogtümer ein Ende zu machen, und drückten diese Absicht in einem Protokoll aus, dem sich Ostreich anschloß. Während Ostreich und die mit ihm verbündeten deutschen Regierungen, dem Londoner Protokoll gemäß, auf dem restaurierten Bundestag die Bundesintervention in Holstein zugunsten Dänemarks vertraten, suchte Preußen seine achselträgerische Politik fortzusetzen, die Parteien zur Unterwerfung unter ein noch gar nicht existierendes, undefinierbares, von den meisten und wichtigsten Regierungen zurückgewiesenes Bundesschiedsgericht zu bewegen und erlangte mit allen seinen Manövern weiter nichts, als daß es bei den Großmächten in den Verdacht revolutionärer Umtriebe geriet und eine Reihe von drohenden Noten erhielt, die ihm die Lust an einer „selbständigen" auswärtigen Politik bald benehmen werden. Den Schleswig-Holsteinern wird in kurzem ihr Landesvater wiedergegeben werden, und ein Volk, das sich von
Herren Beseler und Reventlow regieren läßt, trotzdem daß es die ganze Armee auf seiner Seite hat, zeigt, daß es der dänischen Fuchtel noch zu seiner Erziehung bedarf. Die Bewegung in Kurhessen liefert uns ein unnachahmliches Beispiel, wozu eine „Erhebung" in einem deutschen Kleinstaat es bringen kann. Der tugendhafte und bürgerliche Widerstand gegen den Fälscher Hassenpflug hatte alles realisiert, was von einem derartigen Schauspiel zu verlangen ist: die Kammer war einstimmig, das Land war einstimmig, die Beamten und die Armee waren auf Seiten der Bürger; alle widerstrebenden Elemente waren entfernt, das „Fürsten zum Land hinaus" hatte sich von selbst realisiert, der Fälscher Hassenpflug war mit seinem ganzen Ministerium verschwunden; alles ging nach Wunsch, alle Parteien hielten sich streng in den gesetzlichen Schranken, alle Exzesse wurden vermieden, und die Opposition hatte, ohne einen Finger zu rühren, den schönsten Sieg errungen, von dem die Annalen des verfassungsmäßigen Widerstands zu berichten wissen. Und jetzt, als die Bürger alle Gewalt in Händen hatten, als ihr ständischer Ausschuß nirgends auf den geringsten Widerstand stieß, jetzt waren sie erst recht notwendig. Jetzt sahen sie, daß statt der kurfürstlichen Truppen fremde Truppen an der Grenze standen, bereit einzurücken und der ganzen bürgerlichen Herrlichkeit in vierundzwanzig Stunden ein Ende zu machen. Jetzt erst fing die Ratlosigkeit und Blamage an; hatten sie früher nicht rückwärts gekonnt, so konnten sie jetzt nicht vorwärts. Die kurhessische Steuerverweigerung beweist schlagender als irgendein früheres Ereignis, wie alle Kollisionen innerhalb der kleinen Staaten auf reine Farcen hinauslaufen, deren ganzes Resultat schließlich die fremde Intervention ist und die Beseitigung des Konflikts durch die Beseitigung sowohl des Fürsten wie der Verfassung. Sie beweist, wie lächerlich alle jene hochwichtigen Kämpfe sind, in denen die Kleinbürger der Kleinstaaten jede kleine Märzerrungenschaft mit patriotischer Gesinnungstreue vor dem unvermeidlichen Untergang zu retten suchen. In Kurhessen, in einem Staat der Union, den es galt, aus der preußischen Umarmung zu reißen, trat Ostreich seinem Rivalen direkt entgegen. Ostreich war es, das den Kurfürsten geradezu zu seinem Angriff auf die Verfassung aufstachelte und ihn dann sogleich unter den Schutz seines Bundestags stellte. Um diesem Schutz Nachdruck zu verleihen, um an der kurhessischen Angelegenheit Preußens Widerstand gegen Ostreichs Herrschaft zu brechen, um Preußen wieder in den Bundestag hineinzudrohen, stellten sich jetzt östreichische und süddeutsche Truppen in Franken und Böhmen auf. Preußen rüstet ebenfalls. Die Zeitungen strotzen von Berichten über Märsche und Kontremärsche der Armeekorps. All dieser Lärm wird zu nichts führen,
ebensowenig wie die Zänkereien der französischen Ordnungspartei mit Bonaparte. Weder der König von Preußen noch der Kaiser von Ostreich ist souverän, sondern allein der russische Zar. Vor seinem Befehl wird das rebellische Preußen sich schließlich beugen, ohne daß ein Tropfen Blut geflossen, werden sich die Parteien friedlich zusammenfinden auf den Sesseln des Bundestags, ohne daß deshalb weder ihren Eifersüchteleien unter sich noch ihrem Hader mit ihren Untertanen, noch ihrem Verdruß gegen die russische Oberherrschaft der geringste Abbruch geschehen wird. Wir kommen jetzt zum Land als solchem, zum europäischen Volk, zum Volk der Emigration. Von den einzelnen Sektionen der Emigration, der deutschen, französischen, ungarischen etc., werden wir nicht sprechen; ihre haute politique1 beschränkt sich auf pure chronique scandaleuse2. Aber das europäische Gesamtvolk in partibus infidelium hat in letzter Zeit eine provisorische Regierung erhalten in dem europäischenZentralkpmiteell96\ bestehend aus Joseph Mazzini, Ledra-Rollin, Albert Darasz (Pole) und - Arnold Rage, der zur Rechtfertigung seines Daseins bescheiden dahinter schreibt: Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Obgleich nicht zu sagen wäre, welches demokratische Konzil diese vier Evangelisten zu ihrem Amt berufen hätte, so ist doch nicht zu leugnen, daß ihr Manifest das Glaubensbekenntnis der großen Masse der Emigration enthält und in angemessener Form die intellektuellen Errungenschaften zusammenfaßt, die diese Masse den letzten Revolutionen verdankt. Das Manifest beginnt mit einer prunkenden Aufzählung der Kräfte der Demokratie.
„Was fehlt der Demokratie zum Sieg? ... die Organisation ... Wir haben Sekten, aber keine Kirche, unvollständige und widersprechende Philosophien, aber keine Religion, keinen Kollektivglauben, der die Gläubigen unter ein einziges Zeichen schart und ihre Arbeiten harmonisiert... Der Tag, an dem wir uns alle vereint finden werden, zusammen marschierend unter dem Auge der Besten unter uns ... wird der Vorabend des Kampfes sein. An diesem Tage werden wir uns gezählt haben, wir werden wissen, wer wir sind, wir werden das Bewußtsein unsrer Kraft haben."
Warum hat die Revolution bisher nicht gesiegt? Weil die Organisation der revolutionären Gewalt schwächer war. Das ist das erste Dekret der provisorischen Regierung der Emigration. Diesem Übelstande soll jetzt abgeholfen werden durch die Organisation einer Glaubensarmee und die Stiftung einer Religion.
1 hohe Politik - 2 reine Klatschgeschichten
„Aber dazu sind zwei große Hindernisse zu übersteigen, zwei große Irrtümer zu zerstören: die Übertreibung der Rechte der Individualität, die engherzige Ausschließlichkeit der Theorie ... Wir müssen nicht sagen: ich; wir müssen lernen zu sagen: wir;... Diejenigen, welche, ihren individuellen Reizbarkeiten folgend, das kleine Opfer verweigern, das Organisation und Disziplin erheischen, verleugnen, infolge der Gewohnheiten der Vergangenheit, den Gesamtglauben, den sie predigen ... Ausschließlichkeit in der Theorie ist die Negation unsres Grunddogmas. Der da sagt: ich habe die politische Wahrheit gefunden, und wer die Annahme seines Systems zur Bedingung der Annahme der brüderlichen Assoziation macht, verleugnet das Volk, den einzig progressiven Dolmetscher des Weltgesetzes, nur um sein eignes Ich zu behaupten. Wer da behauptet, durch isolierte Arbeit seiner Intelligenz, so machtvoll sie sein mag, heutzutage eine definitive Lösung der Probleme zu entdecken, welche die Massen agitieren, der verurteilt sich selbst zum Irrtum durch Unvollständigkeit, indem er verzichtet auf eine der ewigen Quellen der Wahrheit, die Kollektivintuition des in der Handlung begriffenen Volks. Die definitive Lösung ist das Geheimnis des Sieges ... Unsre Systeme können zum großen Teil nichts andres sein als ein Anatomisieren von Kadavern, ein Entdecken des Übels, ein Analysieren des Todes, ohnmächtig, das Leben wahrzunehmen oder zu begreifen. Leben, das ist das Volk in Bewegung, das ist der Instinkt der Massen, zu einer außergewöhnlichen Potenz erhoben durch die gegenseitigeBerührung, durch das prophetische Gefühl großer Dinge, die zu vollbringen sind, durch unwillkürliche, plötzliche, elektrische Assoziation auf der Straße; es ist Handlung, aufregend zum höchsten Punkt alle Vermögen der Hoffnung, Hingebung, Liebe und des Enthusiasmus, die jetzt schlummern, und den Menschen offenbaren in der Einheit seiner Natur, in der Vollkraft seiner Zeugungsfähigkeit. Der Händedruck eines Arbeiters in einem dieser historischen Momente, die eine Epoche beginnen, wird uns mehr von der Organisation der Zukunft lehren als heutzutage von der kalten und herzlosen Arbeit des Verstandes oder der Erkenntnis des erlauchten Toten der letzten zwei Jahrtausende - der alten Gesellschaft - gelehrt werden könnte."
Dieser ganze hochbeteuernde Unsinn läuft also schließlich auf die höchst ordinäre Philisteransicht hinaus, daß die Revolution gescheitert sei an der ehrgeizigen Eifersucht der einzelnen Führer und an den feindlich entgegenstehenden Meinungen der verschiedenen Volkslehrer. Die Kämpfe der verschiedenen Klassen und Klassenfraktionen gegeneinander, deren Verlauf durch seine einzelnen Entwicklungsphasen gerade die Revolution ausmacht, sind für unsre Evangelisten nur die unglückliche Folge der Existenz divergierender Systeme, während in Wirklichkeit umgekehrt die Existenz verschiedner Systeme die Folge der Existenz der Klassenkämpfe ist. Schon hieraus geht hervor, daß die Verfasser des Manifests die Existenz der Klassenkämpfe leugnen. Unter dem Vorwand, gegen die Doktrinäre anzukämpfen, beseitigen sie jeden bestimmten Inhalt, jede bestimmte Parteiansicht, verbieten sie den einzelnen Klassen, ihre Interessen und Forde
rungen gegenüber den andern Klassen zu formulieren. Sie muten ihnen zu, ihre widerstreitenden Interessen zu vergessen und sich zu versöhnen unter der Fahne einer ebenso flachen wie unverschämten Unbestimmtheit, die unter dem Schein der Versöhnung der Interessen aller Parteien nur die Herrschaft des Interesses einer Partei - der Bourgeoispartei verbirgt. Nach den Erfahrungen, die die Herren in Frankreich, Deutschland und Italien während der zwei letzten Jahre gemacht haben müssen, kann man nicht einmal sagen, daß die Heuchelei eine unbewußte ist, mit der hier das Bourgeoisinteresse in Lamartinische Brüderlichkeitsphrasen eingewickelt wird. Welche Kenntnis die Herren übrigens von den „Systemen" haben, geht schon daraus hervor, daß sie sich einbilden, jedes dieser Systeme sei bloß ein Fragment der im Manifest zusammengestellten Weisheit und habe sich nur eine einzelne der hier versammelten Phrasen, Freiheit, Gleichheit etc. einseitig zur Grundlage genommen. Ihre Vorstellungen von gesellschaftlichen Organisationen sind sehr frappant wiedergegeben: ein Zusammenlauf auf der Straße, ein Krawall, ein Händedruck, und alles ist fertig. Die Revolution besteht für sie überhaupt bloß im Sturz der bestehenden Regierung; ist dies Ziel erreicht, so ist „der Sieg" errungen. Bewegung, Entwicklung, Kampf hören dann auf, und unter der Ägide des dann herrschenden europäischen Zentralkomitees beginnt das goldne Zeitalter der europäischen Republik und der in Permanenz erklärten Nachtmütze. Wie die Entwicklung und den Kampf, so hassen die Herren das Denken, das herzlose Denken - als ob irgendein Denker, Hegel und Ricardo nicht ausgenommen, je die Herzlosigkeit erreicht hätte, mit der dem Publikum dieser weichmäulige Spülicht über den Kopf gegossen wird! Das Volk soll nicht für den folgenden Tag sorgen und sich alle Gedanken aus dem Kopf schlagen; kommt der große Tag der Entscheidung, so wird es durch die bloße Berührung elektrisiert, und das Rätsel der Zukunft wird sich ihm durch ein Wunder lösen. Dieser Aufruf zur Gedankenlosigkeit ist ein direkter Versuch zu Prellerei gerade der unterdrücktesten Klassen des Volks.
„Sagen wir nun hiermit" (fragt ein Mitglied des europäischen Zentralkomitees das andre), „daß wir ohne Fahne vor anmarschieren sollen, sagen wir, daß wir auf unser Banner eine bloße Verneinung schreiben wollen? Auf uns kann ein solcher Verdacht nicht fallen. Männer des Volks, seit langer Zeit in seinen Kämpfen beteiligt, denken wir nicht daran, es zur Leere zu leiten." Um nun im Gegenteil ihre Fülle zu beweisen, führen uns die Herren ein wahrhaft Leporellosches13101 Register ewiger Wahrheit und Errungenschaften der ganzen bisherigen Geschichte1 als den gegenwärtigen gemeinsamen Boden
1 In der „Revue": Geschäfte
der „Demokratie" vor. Dies Register resümiert sich in folgendem erbaulichen Paternoster: „Wir glauben an die progressive Entwicklung der menschlichen Fähigkeit und Kräfte zum Moralgesetz hin, welches uns auferlegt worden ist. Wir glauben an die Assoziation als das einzig regelmäßige Mittel, welches diesen Zweck erreichen kann. Wir glauben, daß die Auslegung des Moralgesetzes und der Regel des Fortschritts weder einer Kaste noch einem Individuum anvertraut werden kann, sondern dem Volk, aufgeklärt durch nationale Erziehung, geleitet durch die aus seiner Mitte, die Tugend und Genius ihm als die besten zeigen. Wir glauben an die Heiligkeit beider, der Individualität und der Gesellschaft, die sich weder ausschließen noch bekämpfen sollen, sondern zusammen harmonieren zur Besserung aller durch alle. Wir glauben an die Freiheit, ohne welche jede menschliche Verantwortlichkeit verschwindet, an die Gleichheit, ohne welche die Freiheit nur ein Trug ist, an die Brüderlichkeit, ohne welche Freiheit und Gleichheit Mittel ohne Zweck wären, an die Assoziation, ohne welche die Brüderlichkeit nur ein unrealisierbares Programm wäre, an Familie, Gemeinde und Staat und Vaterland als ebensoviel progressive Sphären, worin der Men sch sukzessiv aufwachsen muß in der Erkenntnis und Betätigung der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Assoziation. Wir glauben an die Heiligkeit der Arbeit, an das Eigentum, welches von ihr entspringt als ihr Zeichen und ihre Frucht, an die Pflicht der Gesellschaft, das Element der materiellen Arbeit durch den Kredit, der intellektuellen und moralischen Arbeit durch die Erziehung zu liefern ... Wir glauben, um uns zu resümieren, an einen sozialen Zustand, der Gott und sein Gesetz zu seiner Spitze und das Volk zu seiner Basis hat..."
Also: Fortschritt - Assoziation - Moralgesetz - Freiheit - Gleichheit Brüderlichkeit - Assoziation - Familie, Gemeinde, Staat - Heiligkeit des Eigentums - Kredit - Erziehung - Gott und Volk - Dio e Popolo. Diese Phrasen figurieren in allen Manifesten der 1848er Revolutionen, von der französischen bis zur walachischen, und gerade deswegen figurieren sie hier auch [als] die gemeinsamen Grundlagen der neuen Revolution. In keiner dieser Revolutionen fehlte auch die Heiligkeit des Eigentums, das hier als Resultat der Arbeit heilig gesprochen wird. Wie sehr alles bürgerliche Eigentum „die Frucht und das Zeichen der Arbeit" ist, wußte Adam Smith schon weit besser als unsre revolutionären Initiatoren achtzig Jahre nach ihm. Was die sozialistische Konzession betrifft, daß die Gesellschaft jedem das Material zu seiner Arbeit durch den Kredit liefern soll, so pflegt jeder Fabrikant seinem Arbeiter für soviel Material, als er in einer Woche verarbeiten kann, Kredit zu geben, so ist das Kreditsystem heutzutage so weit ausgedehnt, als dies mit der Unverletzlichkeit des Eigentums verträglich, und ist der Kredit schließlich selbst nur eine Form des bürgerlichen Eigentums. Das Resümee dieses Evangeliums ist ein gesellschaftlicher Zustand, worin Gott die Spitze bildet und das Volk oder, wie es später heißt, die Menschheit,
die Basis. D.h., sie glauben an die bestehende Gesellschaft, worin bekanntlich Gott die Spitze bildet und der Mob die Basis. Wenn das Symbolum Mazzinis: Gott und das Volk, Dio e Popolo, in Italien einen Sinn haben mag, wo man Gott dem Papst und das Volk den Fürsten gegenüberstellt, so ist es doch etwas stark, wenn man dies Plagiat von Johannes Ronge, dem seichtesten Abspülicht des deutschen Aufkläricht, als das Wort hinstellt, das das Rätsel des Jahrhunderts lösen soll. Wie leicht man sich übrigens in dieser Schule an die kleinen Opfer gewöhnt, welche die Organisation und Disziplin erheischen, wie gefällig man die engherzige Ausschließlichkeit der Theorien aufgibt, beweist unser Arnold Winkelried Rüge, der zur großen Freude von Leo diesmal den Unterschied zwischen Gottheit und Menschheit zu würdigen weiß.13111 Das Manifest endet mit den Worten:
„Es handelt sich um die Konstitution der europäischen Demokratie, um die Gründung eines Budgets, einer Schatzkammer des Volks. Es handelt sich um die Organisation der Armee der Initiatoren."
Rüge, um der erste Initiator dieses Volksbudgets zu sein, hat sich an „de demokratische Jantjes1 van Amsterdam" gewandt und ihnen ihren speziellen Beruf zum Zahlen erklärt. Holland in Not!
London, I.November 1850
„Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850.
1 Scherzname für die Holländer (von: Jan)
Karl Marx/Friedrich Engels
Erklärung [gegen Arnold Rüge]
Die „Bremer Tages-Chronik"13121 vom 17. Januar d.J. in einer Korrespondenz von London d. d. 13. Januar importiert eine ganze Ladung von schlechtgeschriebnen Albernheiten, von erlogenem und nichtverstandenem Klatsch, von schwerfälligen Insinuationen und moralischer Aufspreizung gegen die „Neue Rheinische Zeitung" und gegen die Unterzeichneten. „Hervorragende und entschiedene Männer"13131 von den Dimensionen jenes Londoner Korrespondenten antworten von jeher einer überlegenen Kritik in der Weise der Affen. Sie bewerfen den Feind mit ihrem eigenen Kot. Chacun selon ses facultas.1 Seine artig gelogenen Histörchen über die „Neue Rh. Zeitung" schenken wir dem „entschiedenen und hervorragenden" Mann. Auf seine wohlmeinenden Insinuationen über unsern Austritt aus dem Great-WindmillVerein13141 erklären wir: Vor und nach ihrem Austritt aus dem Verein hatten Engels und Marx nie das geringste zu schaffen mit der Verwaltung seiner Kasse. An der Verwaltung der Flüchtlingskasse nahmen sie teil, und erst nachdem ihre bisherige Geschäftsführung geprüft und richtig befunden, traten sie aus. Daß sie ausgetreten, um sich der Zahlung eines monatlichen Beitrags von neun pence zu entziehen - Einfall eines aus der Zirkulation herausgeworfenen ReichsStübers2! Und zu diesem Behuf soll der eine von ihnen nach Manchester gezogen sein, der andre wandern wollen über das Meer. Welch reine Perlen ruhen nicht in der Tiefe sittlich entrüsteter Seelen! Unseren Parteigenossen in Deutschland sind die wirklichen Motive unsres Austritts aus jenem Verein und unsrer Trennung von seinen Führern bekannt.11191 Sie sind von ihnen gebilligt und geteilt, sie gehören nicht vor das
1 Jeder nach seinen Fähigkeiten. - 2 niederrheinische Kleinmünze, bis 1824 im Umlauf
Publikum. Unter den bestehenden deutschen Verhältnissen würde uns ein gewandter agent provocateur1 nicht veranlaßt haben zu weitern Erklärungen, viel weniger der bärenhaft unbeholfene der „Bremer Tages-Chronik". Es genügt schließlich anzudeuten, daß der Mann, der die „Bremer TagesChronik" von London aus mit seinem eignen Guano düngt, kein Geringerer ist als der pommersche Denker, auf den die „Neue Rh. Zeitung" stets mit einer Art künstlerischer Vorliebe zurückkam, den wir an einer andern Stelle aus seinen Schriften charakterisiert haben als „die Gosse, worin aller Phrasenunrat und alle Widersprüche der deutschen Demokratie zusammenfließen"'315', mit einem Wort, daß der Vetter aus Bremen kein Geringerer ist als unser „Arnold Winkelried Rüge", das fünfte Rad am Staatswagen der europäischen Zentraldemokratie. Man versteht jetzt die Verworfenheit der „Neuen Rh. Zeitung".
London, den 27. Januar 1851
Karl Marx Friedrich Engels
Nach dem Manuskript.
1 Lockspitzel
30 Marx/Engels, Werke, Bei, 7
Friedrich Engels
[Brief an den Redakteur der „Times"]
An den Red[akteur] der „Tf/mes]"
Sir! In Ihrer heutigen Zeitung finde ich einen Brief des Herrn Louis Blanc, der sich auf das „Banquet des Egaux"1, das in London am 24. Februar abgehalten wurde, und auf einen gewissen Trinkspruch bezog, den Herr Blanqui, der Gefangene von Belle-Ile-en-Mer, dorthin gesandt hatte.1-3161 Gestatten Sie mir, einige Bemerkungen zu diesem Brief zu machen. Beim Bankett stand der Name Blanquis in großen Lettern an der Wand neben Namen anderer Helden und Märtyrer der Demokratie. Bei derselben Kundgebung wurde ein Trinkspruch auf die „Märtyrer der Verleumdung" ausgebracht: auf Marat, Robespierre ... und - Blanqui! Alle bei dieser Gelegenheit gehaltenen Trinksprüche und Reden mußten dem Komitee der „Organisatoren dieser schönen und imposanten Kundgebung" schon am 15. Februar vorgelegt worden sein. Herr Blanc war Mitglied dieses Komitees, er muß daher diesem Trinkspruch auf Herrn Blanqui vorher zugestimmt haben. Wie kann Herr Blanc nun Herrn Blanqui wieder zu einem „Märtyrer der Verleumdung" machen, wenn er ihn „eines dieser unglücklichen Wesen" nennt, „die in ihrem Ungestüm versuchen, gegen die Autorität mit Gewalt vorzugehen und die - wenn dies möglich wäre - auch die beste Sache verlieren würden"? Herr Blanc erklärt, daß der Trinkspruch nicht von den Gefangenen von Belle- Ile stamme, sondern daß er das ausschließliche Werk des Herrn Blanqui sei. Natürlich muß man annehmen, daß Herr Blanqui der Verfasser von Trinksprüchen und Dokumenten ist, die unter seinem Namen vorgebracht werden. Der betreffende Trinkspruch jedoch wurde, wie in Frankreich allgemein bekannt ist, von der „Societe des amis de l'Egalite" 2 angenommen und veröffentlicht, einer Gesellschaft also, die die Gefangenen von Belle-Ile umfaßt, die zu Blanqui halten;.denn dieser Mann hat ebensogut wie Herr Barbes, der Beschützer des Herrn Louis Blanc, seine Freunde unter den Gefangenen.
1 „Bankett der Gleichen" - 2 „Gesellschaft der Freunde der Gleichheit"
Was die „imposante und schöne Kundgebung" und die „Vereinigung von mehr als tausend, den verschiedenen Nationen angehörenden Personen" anbelangt, so sollte man nicht vergessen, daß dieses rührende Schauspiel, soweit es Herrn Blanc betrifft, nichts anderes als eine „brüderliche" Demonstration gegen Herrn Ledru-Rollin war, um Rache zu nehmen dafür, daß er wie Herr Blanc öffentlich erklärte - von dem Zentralausschuß der Europäischen Demokratie1-1961 der Herren Ledru-Rollin, Mazzini usw. ausgeschlossen worden war. Was jedoch die Autorität des Herrn Louis Blanc anbetrifft, so wäre es ratsamer für ihn, dieses heikle Thema nicht eher zu berühren, als bis diese Autorität sich von den schrecklichen Schlägen erholt hat, die ihr Herr Proudhon vor einiger Zeit versetzt hat. Herr Blanc wollte sich anscheinend vor dem Angriff des Herrn Blanqui schützen, indem er seine Eigenschaft als Verbannter und Geächteter lobpries. Sind die Söhne von Louis-Philippe nicht auch Verbannte? Und hat Herr Blanc vielleicht die Heftigkeit seines Angriffes gegen Herrn Proudhon gezügelt, der zwar nicht in der Verbannung gemütlich in Piccadilly 87 lebte und einen Wohnort hatte, der gewiß weit davon entfernt war, zum Schreiben der Ovidischen „Tristien"1 geeignet zu sein, der aber ein Gefangener in den Klauen des Gesetzes war? Herr Blanc scheint Herrn Blanqui zum Vorwurf zu machen, daß er seinen Trinkspruch in „konterrevolutionären Zeitungen" veröffentlicht hat. Herr Blanc weiß sehr wohl, daß seit Mai 1850 keine „revolutionäre" Presse mehr in Frankreich besteht. Doch bitte ich Sie, Herr Louis Blanc, Sie, der Sie sich mit aller Höflichkeit an den Redakteur der „Times" richten, seit wann ist die „Times" in Ihren Augen eine demokratische, sozialistische und revolutionäre Zeitung? Um es jedoch der Öffentlichkeit zu ermöglichen, dieses außergewöhnliche Dokument zu beurteilen, das so sehr die Entrüstung des Herrn Blanc hervorruft und das sogar jetzt das allgemeine Thema der französischen Presse bildet, unterbreite ich Ihnen eine vollständige Übersetzung und hoffe, daß es für die englische Öffentlichkeit nicht ohne Interesse sein wird. Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebenster Diener Veritas2 Geschrieben am 5. März 1851. Nach dem Manuskript. Aus dem Englischen.
1 „Klagelieder" - 2 Die Wahrheit
Friedrich Engels
[Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im Jahre 1852t317]]
Ich nehme als ausgemacht an, daß jede siegreiche Pariser Revolution im J[ahre] 1852 sofort einen Krieg der Heil [igen] Allianz gegen Frankreich zur Folge hat. Dieser Krieg wird ein ganz andrer sein als der von 1792-94, und die damaligen Ereignisse können in keiner Weise zur Parallele dienen.
I
Die Wunder des Konvents, in der militärischen] Besiegung der Koalition, reduzieren sich bei näherer Betrachtung bedeutend, und man begreift und findet sogar in vielen Punkten gerechtfertigt die Verachtung Napoleons gegen die 14 Armeen des Konvents; N[apoleon] pflegte zu sagen, daß die Böcke der Koalition das meiste getan hätten, was ganz richtig ist, und er hielt Carnot noch auf St. Helena für einen mittelmäßigen Kopf. Im August 1792 fielen 90 000 Preußen und Östreicher nach Frankreich ein. Der König v[on] Preußen wollte direkt auf Paris marschieren, Braunschweig und die östr[eichischen] Generale wollten nicht. Keine Einheit im Kommando; bald Zaudern, bald rasches Vorgehn, stets wechselnde Pläne. Nach der Passage der Argonnen-Defileen stellt Dumouriez sich ihnen bei Valmy und St. Menehould entgegen. Die Alliierten konnten ihn umgehn und ihn ruhig stehnlassen, er mußte ihnen auf Paris folgen und war, bei einigermaßen erträglichem Verfahren, ihnen nicht einmal im Rücken gefährlich. Sie konnten aber auch sichrer gehn und ihn schlagen, was leicht war, da sie mehr und bessre Truppen hatten, was die Franzosen selbst zugeben. Statt dessen liefern sie ihm die lächerliche Kanonade vom Valmy, wo während der Schlacht, ja während der Kolonnenattacke selbst, von der verwegneren zur zaghafteren Meinung mehr als einmal von den Generälen umgesprungen wird. Die beiden
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Erste Seite des Manuskriptes „Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im Jahre 1852" von Friedrich Engels

Attacken selbst waren lausig an Masse, an Kraft, an spirit1, Schuld nicht der Soldaten, sondern der Schwankungen im Kommando; es waren kaum Attakken, höchstens Demonstrationen. Ein resolutes Vorgehn auf der ganzen Linie hätte die französischen] Volontärs und demoralisierten Regimenter sicher geworfen. Nach der Schlacht blieben die Alliierten wieder ratlos stehn, bis die Soldaten krank wurden. In der Kampagne von Jemappes siegte Dumouriez dadurch, daß er zuerst halb instinktiv dem östreichischen System der Kordons und unendlich langen Fronten (von Ostende bis an die Maas) die Massenkonzentration entgegensetzte. Aber im nächsten Frühjahr verfiel er - infolge seiner Marotte, Holland erobern zu wollen - in denselben Fehler; die östrjeicher] dagegen rückten konzentriert vor; Resultat, die Schlacht v[on] Neerwinden und der Verlust Belgiens. Bei Neerwinden sowohl wie speziell in den kleineren Engagements d[ie]s[e]r Kampagne zeigte sich, daß die französischen] Volontärs, die vielgepriesenen Helden, wenn sie nicht fortwährend unter den Augen Dumouriez's waren, sich nicht besser schlugen als die 1849er süddeutsche „Volkswehr". Nun ging noch Dumouriez über, die Vendee stand auf, die Armee war zersplittert und decouragiert, und wenn die 130000 östreicher und Engl [än] d [e] r resolut auf Paris marschierten, so war die Revolution bankerott, und Paris war erobert - geradeso wie im vorigen Jahr, wenn nicht solche Dummheiten passierten. Statt dessen legten sich die Herren vor die Festungen, warfen sich darauf, en detail2 die kleinsten Vorteile mit dem größten Aufwand strategischer Pedanterie einen nach dem andern zu erobern, und vertrödelten volle sechs Monate. Die französische] Armee, die nach Lafayettes Abfall noch zusammenhielt, kann auf 120000 M. angeschlagen werden. Die Volontärs von 1792 auf 60000. Im März [17]93 wurden 300 000 Mann ausgehoben. Im August, wo die levee en masse3 dekretiert, muß also die französische] Armee mindestens 300 000-350000 M. stark gewesen sein. Die levee en masse führte ihr ca. 700 000 zu. Alle Abzüge gerechnet, führten die Franzosen Anfang [17]94 ca. 750 000 Mann ins Feld gegen die Koalition, bedeutend mehr als die Koalition gegen Frankreich. Vom April 1793 bis Oktb. wurden die Franzosen überall geklopft, nur daß die Schläge kein entscheidendes Resultat hatten - dank dem Trödelsystem der Koalition. Von Oktober an wechselten die Erfolge - im Winter wurde die Kampagne suspendiert, im Frühjahr [17]94 traten die lev£es en masse mit voller Wirkung in die Schlachtlinie ein; Resultat, Siege auf allen
1 Kampfgeist - a im einzelnen - 3 Massenaushebung
Seiten im Mai, bis endl[ich] im Juni der von Fleurus das Schicksal der Revolution entscheidet. Der Konvent, und das Ministerium des 10. August[318) vor ihm, hatte also Zeit genug zum Rüsten. Vom 10. Aug. [1792] - März [17]93 geschah nichts-die Volontärs zählen kaum. Im März [17]93 die 300 000 M[ann] ausgehoben - von März bis zum nächsten März hatte der Konvent volle Zeit und Freiheit zum Rüsten, ein volles Jahr, davon zehn Monate, wo die revolutionäre Partei durch den Sturz der Girondins von allen Hindernissen befreit war. Und in einem Lande von 25 Millionen, das sein Normalkontingent waffenfähiger Bevölkerung besaß, eine Million Soldaten, 750 000 aktive Kombattanten gegen einen auswärtigen Feind zusammenzubringen (3 % der Bevölkerung) ist, so neu es damals war, keine Hexerei, wenn man ein Jahr Zeit hat. Mit Ausnahme der Vendee rechne ich die inneren Aufstände, militärisch gesprochen, für Null. Bis auf Lyon und Toulon waren sie in 6 Wochen ohne Schwertstreich beruhigt; Lyon wurde durch levees en masse, Toulon durch einen schlagenden Einfall Napoleons, durch einen resoluten Sturm und durch Fehler der Verteidiger genommen. Die 750 000 M., die 1794 gegen die Koalition geführt wurden, hatten mindestens 100 000 alte Soldaten aus der Monarchie und 150 000 andre, teils aus den Volontärs, teils aus der levee der 300 000 herstammende, unter fortwährenden Gefechten seit 18 resp. 12 Monaten an den Krieg gewöhnte Soldaten; dazu war von den 500 000 Neuen wenigstens die Hälfte schon in den Gefechten vom Sept., Okt. und Nov. [17]93 beteiligt gewesen, und die Jüngsten mußten wenigstens 3 Monate im Bataillon sein, als sie vor den Feind geführt wurden. Napoleon, im spanischen] Feldzug, rechnet 3-4 Wochen für die Zeit der Einübung, der ecole de bataillon1. Abgerechnet die Subalternen und Stabsoffiziere, die bei den Koalierten damals im Durchschnitt gewiß besser waren, war die französische] Armee von [17]94, dank der ihr zur Organisation gelassenen Zeit, dank dem ewig resultatlos fechtenden System der Alliierten - ein System, das eine erprobte, besfonders] aggressive Armee demoralisiert und die des Feindes, wenn sie jung ist und die Defensive hält, diszipliniert und an den Krieg gewöhnt war also die f [ran]z[ösische] Armee 1794 keine rohe, brüllende, begeischterte Freischar „für Republik zu sterben" 2, sondern a very fair army3, den Feinden gewiß gleich. Die Generäle der Franzosen waren 1794 jedenfalls viel besser, obwohl sie Schnitzer genug machten; aber die Guillotine sicherte die Einheit des Kommandos und die Harmonie der Operationen da, wo nicht, was bloß ausnahms
1 Bataillonsschule - 2 siehe vorl. Band, S. 162-195 - 3 eine sehr beachtliche Armee
weise geschah, die Repräsentanten auf eigne Faust Dummheiten machten. Le noble Saint-just en fit plusieurs.1 Randglosse über die Massentaktik: 1. Die erste rohe Idee davon entstand aus dem glücklichen Manöver von jemappes, das mehr instinktiv war als militärisch kalkuliert. Sie entstand aus dem wüsten Zustand der französischen] Armee, die der Überzahl bedurfte, um nur einiges milit[ärisches] Selbstvertrauen zu haben; die Masse mußte die Disziplin ersetzen. Carnots Anteil an dieser Erfindung ist gar nicht klar. - 2. Diese Massentaktik blieb im rohesten Zustand und wurde z.B. 1794 bei Tourcoing und Fleurus gar nicht angewandt (die F[ran]z[osen] und Carnot selbst machten die gröbsten Schnitzer), bis endlich Napoleon 1796 durch den sechstägigen piemontesischen Feldzug und die wirkliche Vernichtung einer überlegnen Macht en detail den Leuten zeigte, worauf sie hinaussteuerten, ohne sich bisher darüber klargeworden zu sein. - 3. Was Carnot selbst angeht, wird mir der Kerl immer verdächtiger. Ich kann natürlich nicht definitiv urteilen, ich habe seine Depeschen an die Generale nicht. Aber nach dem, was vorliegt, scheint sein Hauptverdienst in der grenzenlosen Ignoranz und Unfähigkeit seiner Vorgänger Pache und Bouchotte bestanden zu haben und in der totalen Unbekanntschaft des ganzen übrigen comite de s[alut] p[ublic]2 mit militärischen Sachen. Dans le royaume des aveugles le borgne est roi.3 Carnot, alter Ingenieuroffizier, selbst als Repräs[entant] bei der Nordarmee gewesen, wußte, was eine Festung, eine Armee an Material etc. braucht, und speziell, was den Franzfosen] fehlt. Er hatte ebenfalls notwendigerweise eine gewisse Anschauung von der Manier, wie man die milit [ärischen] Ressourcen eines Landes wie Frankreich in Bewegung setzt, und da es bei einer revolutionären] levee en masse, wobei ohnehin viel waste4 gemacht wird, auf etwas mehr oder weniger Verschwendung von Ressourcen nicht ankommt, sobald nur der Hauptzweck, schnelle Mobilisierung dieser Ressourcen, erreicht wird, so braucht man Carnot gerade kein großes Genie zuzuschreiben, um seine Resultate zu erklären. Was mich an der ihm zugeschriebnen Erfindung des Massenkriegs pour sa part5 zweifeln macht, ist besonders, daß seine weitaus gellendsten Pläne von 1793/94 grade auf der entgegengesetzten Kriegsmanier beruhten; er teilte die f [ran]z[ösischen] Armeen, statt sie zu konzentrieren, und operierte gegen die Flügel des Feindes so, daß dieser dadurch selbst kpnzentriert wurde. Dann seine spätere Karriere, die Tugendritterei unter d[em] Konsulat etc., seine brave Verteidigung Antwerpens - die Verteidigung
1 Der edle Saint-Just machte deren mehrere. - 2 Wohlfahrtsausschusses - 3 Im Reiche der Blinden ist der Einäugige König. - 4 Verlust - 6 für seinen Teil
einer Festung ist im Durchschnitt der beste Posten für einen mittelmäßigen, methodischen, aber mit einiger Zähigkeit behafteten Offizier, um sich auszuzeichnen, und dann dauerte die Belagerung v[on] Antwerpen] 1814 keine 3 Monate -, endlich sein Versuch, dem Napoleon 1815, gegenüber den zentralisierten 1 200 000 Soldaten der Koalition und das bei gänzlich verändertem Kriegssystem, die Mittel von [17]93 aufzudrängen, und seine Philisterei überhaupt, alles das spricht nicht sehr für Carnots Genie. Und dann, wo ist es vorgekommen, daß ein ordentlicher Kerl sich, wie er getan, durch Thermidor, Fruktidor, Brumaire13191 usw. durchgepißt hätte. Summa summarum. Der Konvent wurde gerettet einzig und allein, weil die Koalition nicht zentralisiert war und er dadurch ein volles Jahr Zeit zum Rüsten bekam. Er wurde gerettet, wie der alte Fritz im Siebenjährigen Krieg gerettet wurde, wie Wellington 1809 in Spanien gerettet wurde, obwohl die Franzosen quantitativ und qualitativ mindestens dreimal stärker waren als ihre sämtlichen] Gegner und nur dadurch ihre kolossale Macht paralysierten, daß die Marschälle, als Napoleon fort war, einander allen möglichen Schabernack antaten.
II
Die Koalition ist heutzutage über die Dummheiten von [17]93 längst hinweg. Sie ist famos zentralisiert. Sie war es schon 1813. Die russische Kampagne von 1812 machte Rußland zum Schwerpunkt der ganzen Heiligen Allianz für den Kontinentalkrieg. Seine Truppen bildeten die Hauptmasse, um die sich erst später Preußen, Ostr[eich] pp. gruppierten, und sie blieben die Hauptmasse bis nach Paris hinein. Alexander war faktisch Kommandeur en chef1 aller Armeen (d.h. der russische Generalstab hinter Alex[ander]). Seit 1848 aber ist die Heilige Allianz noch auf einer viel solideren Basis konstruiert. Die Entwicklung der Kontrerevolution [18]49-51 hat den Kontinent, mit Ausnahme von Frankreich, gegenüber Rußland in die Lage gebracht, in der sich der Rheinbund und Italien gegen Napoleon befanden, reines Vasallentum. Nicolas, id est Paskewitsch, ist der unvermeidliche Diktator der Heiligen Allianz en cas de guerre2, wie Nesselrode es schon en temps de paix3 ist. Was ferner die moderne Kriegskunst betrifft, so ist sie von Napoleon vollständig ausgebildet worden. Bis zum Eintritt gewisser Verhältnisse, wovon weiter unten, bleibt nichts übrig, als Napoleon nachzuahmen, soweit die Verhältnisse es erlauben. Diese moderne Kriegskunst ist aber weltbekannt. In
? Oberkommandierender - 2 im Kriegsfall - 3 in Friedenszeiten
Preußen ist sie jedem Sekondeleutnant schon vor dem Portepeefähndrichsexamen eingepaukt, soweit sie sich einpauken läßt. Was die östreicher angeht, so haben sie in der ungarischen Kampagne ihre schlechten, spezifisch östreichischen Generale kennengelernt und beseitigt - die Windischgrätze, Weiden, Götz u.a. alte Weiber. Dagegen - da wir keine ,,N[eue] Rh[einische] Z[eitung]" mehr schreiben, brauchen wir uns keine Illusionen mehr zu machen sind die beiden Kampagnen Radetzkys in Italien, die erste vortrefflich, die zweite meisterhaft. Wer ihm dabei geholfen, ist einerlei, jedenfalls hat der alte Kerl bon sens1 genug, geniale Gedanken anderer zu erfassen. Die Defensivstellung 1848 zwischen den 4 Festungen Peschiera, Mantua, Legnago, Verona, alle 4 Seiten des Vierecks gut gedeckt, und seine Verteidigung dieser Stellung, bis er Hülfe bekam, mitten in einem insurgierten Lande, würde ein Meisterstück sein, wäre ihm nicht das Aushalten durch die miserable Führung, die Uneinigkeit und das ewige Schwanken der italienischen] Generale und die Intrigen Karl Alberts und die Unterstützung der reaktionären] Aristokraten] und Pfaffen im feindlichen] Lager enorm erleichtert worden. Auch ist nicht zu vergessen, daß er im fruchtbarsten Land der Welt saß und für den Unterhalt seiner Armee unbesorgt war. - Die Kampagne von [18]49 aber ist für Ostreicher anerhört. Die Piemontesen, statt mit konzentrierter Masse die Straße nach Turin bei Novara und Mortara (Linie 3 Meilen lang) zu versperren, was am besten war, oder von dort aus in 2-3 Kolonnen auf Mailand vorzurücken, stellen sich von Sesto bis Piacenza auf - Linie von 20 Meilen, a 70000 M„ nur 3 500 M. per d[eut]sche Meile2 und 3-4 starke Tagmärsche von einem Flügel zum andern. Elende konzentrische Operation gegen Mailand, wobei sie überall zu schwach waren. Radetzky, sehend, daß die Italiener] das alte östr[eichische] System von [17]92anwenden, operiert gegen sie, genau wie Napoleon getan hätte. Die piemontes[ische] Linie war vom Po in 2 Stücke geschnitten, ein sackgrober Fehler. Er durchbricht die Linie dicht amPo,trenntdie2südlichenvonden3 nördlichen] Divisionen, indem er einen Klumpen von 60000 M. dazwischenschiebt, greift die 3 nördlichen] Divisionen] (kaum 35 000 M. konzentriert) rasch mit seiner ganzen Macht an, wirft sie in die Alpen und trennt beide Korps der piemont[esischen] Armee voneinander und von Turin. Dies Manöver, das die Kampagne in 3 Tagen beendete und das fast buchstäblich dem von Napoleon 1809 bei Abensberg und Eggmühl[3201 gemachten, dem genialsten aller napoleonischen Manöver, nachkopiert ist, beweist jedenfalls, daß die östreicher weit entfernt davon sind, noch als die alten „immer langsam voran"13211 zu
1 gesunden Menschenverstand - a 7420 Meter
paradieren; es war grade die Rapidität hier, die alles entschied. Die Verrätereien der Aristokraten und Ramorinos haben die Sache erleichtert, besonders durch genaue Nachrichten über Stellung und Pläne der Italiener, auch die Gemeinheit der savoyischen Brigade bei Novara, die nicht focht, sondern plünderte. Aber militärisch gesprochen, ist die elende Aufstellung der Piemontesen und das Manöver Radetzkys vollständig hinreichend, den Erfolg zu erklären. Diese beiden Tatsachen mußten unter allen Umständen dies Resultat haben. Die Russen endlich sind durch die Natur ihrer Armee selbst auf ein Kriegssystem angewiesen, das dem modernen sehr nahkommt. Ihre Armee besteht der Hauptstärke nach aus massenhafter, halbbarbarischer, also schwerfälliger Infanterie und zahlreicher halbbarbarischer, leichter, unregelmäßiger Kavallerie (Kosaken). Die Russen haben in entscheidenden Gefechten, in großen Schlachten, nie anders als mit Massen gewirkt; Suworow verstand das schon beim Sturm von Ismail und v[on] Otschakow. Die Beweglichkeit, die ihnen fehlt, wird durch die unregelmäßige Kavallerie, die nach allen Seiten hin sie umschwärmt und jede Bewegung der Armee maskiert, teilweise ersetzt. Gerade diese schwere Massenhaftigkeit der russ [ischen] Armee macht sie aber vortrefflich geeignet, den Kern und Rückhalt, das Pivot, einer Koalitionsarmee zu bilden, deren Operationen immer etwas langsamer sein müssen als die einer nationalen Armee. Diese Rolle haben die Russen 1813 und [18] 14 mit Auszeichnung gespielt, und es kommt in diesen Jahren kaum ein Schlachtplan vor, wo nicht die massenhaften russischen Kolonnen vor allen andern durch ihre Tiefe und Dichtigkeit sogleich auffallen. Die Franzosen sind seit 1812 kaum noch als die vorzugsweisen Träger der napoleonischen Tradition anzusehn. Diese Tradition ist mehr oder weniger auf sämtliche europäische große Armeen übergegangen; in jeder hat sie, meist schon in den letzten Jahren des Empire, eine Revolution hervorgerufen; von jeder ist das napoleonische System, soweit dies mit dem Charakter der Armee harmoniert, in Strategik und Taktik adoptiert. Der nivellierende Einfluß der Bourgeoisepoche ist hier auch fühlbar; die alten nationalen Besonderheiten sind auch in den Armeen am Verschwinden, und die französische], östr[eichische] und preußische] Armee, großenteils sogar die englische, sind für napoleonische Manöver so ziemlich gleich gut organisierte Maschinen. Das hindert nicht, daß sie sonst, im Gefecht pp., sehr verschiedene Qualitäten haben. Aber von allen europäischen] Armeen (großen) ist nur die russische, halbbarbarische, einer eignen Taktik und Strategik fähig, weil sie allein für das vollständig entwickelte moderne Kriegssystem noch nicht reif ist. Was die Franzosen angeht, so haben sie durch den algerischen kleinen Krieg'1131 sogar den Faden der napoleonischen Tradition des großen Kriegs
unterbrochen. Es muß sich zeigen, ob dieser Räuberkrieg seine nachteiligen Folgen für die Disziplin durch die Vorteile der Krieggewöhnung aufwiegt; ob er die Leute an Strapazen gewöhnt oder sie durch Überanstrengung knickt; endlich, ob er nicht auch den Generälen den coup d'ceil1 für den großen Krieg verdirbt. Jedenfalls wird die französische] Kavallerie in Algier verdorben; sie verlernt ihre force2, den geschlossenen choc3, und gewöhnt sich an ein Schwärmsystem, in dem ihr die Kosaken, Ungarn und Polen immer überlegen bleiben werden. Von den Generälen hat Oudinot sich vor Rom blamiert und nur Cavaignac sich im Juni ausgezeichnet - alles das sind aber noch keine grandes epreuves4. Die Chancen der überlegenen Strategie und Taktik sind demnach im ganzen wenigstens ebensosehr auf Seiten der Koalition wie auf der der Revolution.
III
Aber wird nicht eine neue Revolution, die eine ganz neue Klasse zur Herrschaft bringt, auch, wie die erste, neue Kriegsmittel und eine neue Kriegführung hervorrufen, vor der die jetzige, napoleonische, ebenso veraltet und ohnmächtig erscheint wie die des Siebenjährigen] Kriegs vor der der ersten Revolution? Die moderne Kriegführung ist das notwendige Produkt der Französischen] Revolution. Ihre Voraussetzung ist die soziale und politische Emanzipation der Bourgeoisie und der Parzellenlauern. Die Bourgeoisie schafft das Geld, die Parzellenbauern stellen die Soldaten. Die Emanzipation beider Klassen von feudalen und Zunftfesseln ist nötig, um die jetzigen kolossalen Armeen stellen zu können; und der mit dieser gesellsch[aftlichen] Entwicklungsstufe verknüpfte Grad von Reichtum und Bildung ist ebenfalls nötig, um das für moderne Armeen nötige Material an Waffen, Munition, Lebensmitteln pp. zu schaffen, um die nötige Anzahl gebildeter Offiziere zu stellen und dem Soldaten selbst die nötige Intelligenz zu geben. Ich nehme das moderne Kriegssystem, wie Napoleon es vollständig ausbildete. Seine zwei Pivots sind: Massenhaftigkeit der Angriffsmittel an Menschen, Pferden und Geschützen und Beweglichkeit dieser Angriffsmittel. Die Beweglichkeit ist die notwendige Folge der Massenhaftigkeit. Die modernen Armeen können nicht, wie die kleinen Heere des Siebenjährigen] Kriegs, monatelang auf einem Gebiet von 20 Meilen hin und her marschieren.
1 raschen Überblick - 2 Stärke - 3 Angriff - 4 großen Bewährungsproben
Sie können nicht ihren sämtlichen Bedarf an Lebensmitteln in Magazinen nachführen. Sie müssen einen Bezirk wie ein Heuschreckenschwarm überfallen, im Bereich ihrer Kavallerie rechts und links ausfouragieren und müssen fort, wenn alles verzehrt ist. Die Magazine sind hinreichend, wenn sie nur für unvorhergesehene Zufälle ausreichen; sie werden jeden Augenblick geleert und neu gefüllt; sie müssen dem schnellen Marsch der Armee folgen und können daher selten dahin kommen, den Bedarf der Armee nur auf einen Monat zu decken. Das moderne Kriegssystem ist daher in einem armen, halbbarbarischen, dünnbevölkerten Land auf die Dauer unmöglich. Die Franzosen gingen an dieser Unmöglichkeit in Spanien langsam, in Rußland rasch zugrunde. Dafür aber gingen die Spanier auch an den Franzosen zugrunde, ihr Land wurde enorm ausgesogen, und die Russen können ihr eignes, schwerfälliges Massenkriegssystem selbst in Polen nicht auf die Dauer, im eigentlichen] Rußland, solange sie keine Eisenbahnen haben, aber gar nicht anwenden. Die Defensive am Dnepr und an der Dwina würde Rußland ruinieren. Zu dieser Beweglichkeit gehört aber auch ein gewisser Bildungsgrad des Soldaten, der sich in manchen Fällen selbst zu helfen wissen muß. Die bedeutende Ausdehnung des Patrouillierens und Fouragierens, des Vorpostendiensts pp., die größere Aktivität, die von jedem Soldaten gefordert wird, die häufigere Wiederholung von Fällen, in denen der Soldat einzeln agiert und auf seine eignen intellektuellen Ressourcen angewiesen ist, endlich die große Bedeutung des Tirailleurgefechts, dessen Erfolg von der Intelligenz, dem coup d'oeil und der Energie jedes einzelnen Soldaten abhängt, setzen alle einen größeren Bildungsgrad beim Unteroffizier und Soldaten voraus, als dies beim alten Fritz der Fall war. Eine barbarische oder halbbarbarische Nation hat aber keinen solchen Bildungsgrad bei den Massen aufzuweisen, daß die ersten besten 500 000-600 000 Mann, die man aushebt, einerseits diszipliniert, maschinenmäßig eingeübt werden und zugleich diesen coup d'ceil für den kleinen Krieg bekommen oder behalten könnten. Die Barbaren haben diesen coup d'oeil des Räubers von Natur, z. B. die Kosaken; aber sie sind dafür zum regelmäßigen Kriegsdienst ebenso incapabel1 wie umgekehrt die leibeignen russischen Infanteristen zum richtigen Tiraillieren. Dieser allgemeine Durchschnittsbildungsgrad, den das moderne Kriegssystem bei jedem Soldaten voraussetzt, findet sich nur in den entwickeltsten Ländern: in England, wo der Soldat, so roher Bauer er war, die zivilisierende Schule der Städte durchmacht; in Frankreich, wo die emanzipierten
1 unfähig
Parzellenbauern und der geriebene Mob der Städte (Rempla?ants x) die Armee bilden; in Norddeutschland, wo der Feudalismus entweder ebenfalls vernichtet ist oder plus ou moins2 bürgerliche Formen angenommen hat und wo die Städte ein bedeutendes Kontingent zur Armee stellen; endlich scheint er, nach den letzten Kriegen, wenigstens in einem Teil der östr[eichischen] Armee, die aus den am wenigsten feudalen Gegenden rekrutiert ist, auch zu existieren. Abgesehn von England, bildet die Parzellenkultur überall die Basis der Armee, und die Armee ist für das moderne Kriegssystem um so geeigneter, je mehr die Stellung des Parzellenbauern sich der des freien Eigentümers nähert. Aber nicht nur die Beweglichkeit des einzelnen Soldaten, auch die der Massen selbst setzt den Zivilisationsgrad der Bourgeoisepoche voraus. Die Schläfrigkeit der vorrevolutionären Armeen hängt genau mit dem Feudalismus zusammen. Die Masse der Offiziersequipagen allein verhinderte jede Bewegung. Die Armeen krochen ebenso langsam wie die ganze Bewegung. Die aufkommende Bürokratie der absoluten Monarchien brachte etwas mehr Ordnung in die Verwaltung des Materials, aber ihre Allianz mit der haute finance3 organisierte gleichzeitig den Unterschleif en gros, und wo die Bürokratie] den Armeen irgend etwas nützte, schadete sie ihnen doppelt durch den Geist des Schematismus und der Pedanterie, den sie ihnen beibrachte. Witness4 der alte Fritz allerhöchst selbst.13221 Rußland laboriert noch jetzt an diesen sämtlichen Übelständen; die russische] Armee, überall geprellt und geschunden, ist ausgehungert, und auf dem Marsch fallen die Kerls wie die Fliegen. Erst der Bourgeoisstaat ernährt seine Truppen erträglich und kann daher auf die Beweglichkeit seiner Armee rechnen. Was die Beweglichkeit angeht, so ist diese also in jeder Beziehung eine Eigenschaft der Bourgeoisarmeen. Die Beweglichkeit aber ist nicht nur die notwendige Ergänzung der Massenhaftigkeit, sie ersetzt sie oft auch (Napoleon in Piemont 1796). Aber die Massenhaftigkeit ist ebensosehr Spezialeigenschaft der modernen zivilisierten Armeen wie die Beweglichkeit. Wie verschieden die Methode der Aushebung sein mag - Konskription, preußische] Landwehr, Schweiz[er] Miliz, lev6e en masse13231 -, die Erfahrung der letzten 60 Jahre beweist, daß unter dem Regime der Bourgeoisie und der freien Parzellenbauern in keinem Volkskrieg mehr als 7% der Bevölkerung unter die Waffen gerufen, also etwa 5% aktiv verwendet werden können.
1 Ersatzleute für die sich vom Militärdienst Loskaufenden - 2 mehr oder weniger 3 Hochfinanz - 4 Zeuge
Frankreich 1793 im Herbst, a 25 Millionen] angenommen, hätte hiernach 1 750 000 Soldaten und 1 250 000 wirkliche Kombattanten stellen können. Die 1 250 000 waren um diese Zeit an den Grenzen, vor Toulon, in der Vendee beide Seiten hier gerechnet - so ziemlich vorhanden. In Preußen - jetzt 16 Mill. - würden 7 und 5% betragen 1 120 000 M. und 800 000 M. Die ganze preußische] Macht, Linie und Landwehr, beträgt aber kaum 600 000. Dies Beispiel zeigt, wieviel schon 5% für eine Nation sind. Eh bien1 - wenn Frankreich und Preußen 5% ihrer Bevölkerung leicht und im Notfall selbst 7% unter die Waffen rufen können, so ruft Ostreich im äußersten Fall höchstens 5 und Rußland kaum 3% zusammen. 5% für Ostreich wären 1 750 000 - zu 35 Mill. angenommen. 1849 hatte Ostreich alle seine Kräfte angestrengt. Es hatte ca. 550 000 Mann. Die Ungarn, deren Kräfte durch die Kossuthnoten verdoppelt waren, hatten vielleicht 350 000. Ich rechne noch 50 000 Lombarden, die sich der Konskription entzogen oder die im piemonte[sischen] Heer dienten - Summa 950 000 M., also noch nicht 22/3% der Bevölkerung; wobei die kroatischen] Grenzer, die in exzeptionellen] Verhältnissen lebten, wenigstens 15% ihrer Bevölkerung] stellten. Rußland hat, gering gerechnet, 72 Mill. Einwohner; müßte also bei 5% 3 600 000 stellen können. Statt dessen hat es nie über 1 500 000, reguläre und irregul[äre] zusammen, stellen und davon in s[einem] eignen Land höchstens 1 000 000 gegen d[en] Feind führen können, d.h.seine Gesamtmacht war nie über 21/12, seine aktive Macht nie über 17/ls oder 139/100%. Die dünne Bevölkerung auf enormem Raum, der Mangel an Kommunikationen und die geringe nationale Produktion erklären dies sehr einfach. Wie die Beweglichkeit, ist die Masse der Angriffsmittel notwendiges Resultat der höheren Zivilisationsstufe, und speziell ist die moderne Proportion der bewaffneten Masse zur Gesamtbevölkerung unvereinbar mit jedem Gesellschaftszustande, der unter der emanzipierten Bourgeoisie steht. Die moderne Kriegführung setzt also die Emanzipation der Bourgeois und Bauern voraus, sie ist der militärische Ausdruck dieser Emanzipation. Die Emanzipation des Proletariats wird auch einen besondern militärischen Ausdruck haben, wird eine aparte, neue Kriegsmethode erzeugen. Cela est clair.2 Es läßt sich sogar schon bestimmen, welcher Art die materiellen Grundlagen dieser neuen Kriegführung sein werden. Aber ebensoweit, wie die bloße Eroberung der politischen Herrschaft durch das jetzige konfuse, teilweise den Schwanz andrer Klassen bildende französische und deutsche Proletariat entfernt ist von der wirklichen Emanzipation
- Nun gut - 2 Das ist klar.
des Proletariats, die in der Aufhebung aller Klassengegensätze besteht, ebensoweit entfernt ist die anfängliche Kriegführung der zu erwartenden Revolution von der Kriegführung des wirklich emanzipierten Proletariats. Die wirkliche Emanzipation des Proletariats, die vollständige Beseitigung aller Klassenunterschiede und die vollständige Konzentrierung aller Produktionsmittel in D[eu]tschl[and] und Frankreich setzt voraus die Mitwirkung Englands und mindestens die Verdopplung der jetzt in D[eu]tschl[and] und F[ran]k[rei]ch vorhandenen Produktionsmittel. Gerade das aber setzt eine neue Art der Kriegführung ebenfalls voraus. Die großartigen Entdeckungen Napoleons in der Kriegswissenschaft können nicht durch ein Wunder beseitigt werden. Die neue Kriegswissenschaft muß ein ebenso notwendiges Produkt der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse sein, wie die von der Revolution und Napoleon geschaffene das notwendige] Resultat der durch die Revolution gegebenen neuen Verhältnisse war. Wie es sich aber in der proletarischen Revolution für die Industrie nicht darum handelt, die Dampfmaschinen abzuschaffen, sondern sie zu vermehren, so für die Kriegführung handelt es sich darum, die Massenhaftigkeit und Beweglichkeit nicht zu vermindern, sondern zu potenzieren. Die Voraussetzung der napol [eonischen] Kriegführung waren vermehrte Produktivkräfte; dieVoraussetzung j eder neuenVervollkommnung in der Kriegführung müssen ebenfalls neue Produktivkräfte sein. Die Eisenbahnen und elektrischen] Telegraphen werden schon jetzt bei europäischen] Kriegen einem talentvollen General oder Kriegsminister zu ganz neuen Kombinationen Anlaß geben. Die allmähliche Steigerung der Produktivkräfte und damit der Bevölkerung hat ebenfalls Gelegenheit zu größeren Massenanhäufungen gegeben. In Frankreich statt 25, 36 Millionen, gibt für 5% nicht mehr 1 250 000, sondern 1800 000 Mann. In beiden Fällen hat die Macht der zivilisierten Länder gegen die der barbarischen sich verhältnismäßig vermehrt. Sie allein haben große Eisenbahnnetze, und ihre Bevölkerung ist doppelt so rasch gewachsen wie die von Rußland z.B. - Alle diese Berechnungen beweisen, nebenbei gesagt, wie rein unmöglich eine dauernde Unterjochung Westeuropas unter Rußland ist und wie unmöglicher sie mit jedem Tage wird. Die Macht der neuen, durch die Abschaffung der Klassen zu erzeugenden Kriegführung kann aber nicht darin bestehen, daß die disponiblen 5% mit dem Wachstum der Bevölkerung immer bedeutendere Massen bilden. Sie muß darin bestehn, daß man instand gesetzt wird, nicht mehr 5, resp. 7%, sondern 12-16% der Bevölkerung, id est die Hälfte bis zwei Drittel der männlichen erwachsenen Bevölkerung - die gesunden Leute von 18-30 oder resp. 40 Jahren-, unter die Waffen zu rufen. Wie aber Rußland seine disponible
31 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
Macht nicht von 2-3% auf 5% steigern kann, ohne eine vollständige Revolution seiner ganzen innern sozialen] und politischen] Organisation und seiner Produktion vor allen Dingen, so kann D[eu]tschl[and] und F[ran]k[rei]ch nicht seine disponible] Macht von 5 auf 12% bringen, ohne seine Produktion zu revolutionieren und mehr als zu verdoppeln. Erst wenn die Durchschnittsarbeit jedes einzelnen durch Maschinen pp. doppelt soviel wert ist wie jetzt, kann die doppelte Zahl von der Arbeit entbehrt werden selbst nur für kurze Zeit, denn die 5% sind von keinem Land je lange auf den Beinen erhalten worden. Sind die Bedingungen dazu erfüllt, ist die nationale Produktion hinreichend gesteigert und zentralisiert, sind die Klassen abgeschafft, was durchaus notwendig ist - der preußische] Einjähr[ig]-Freiwillige[3241, solange er nicht Unteroffizier oder L[an]dwehroffizier ist, wird wegen seiner gesellschaftlichen], aristokratischen] Stellung nie ein brauchbarer Soldat neben den Bauern und Knoten -, so ist nur die Limite der waffenfähigen Bevölkerung die Schranke der wirklichen Aushebung, d.h., im äußersten Notfall können momentan 15-20% der Bevölkerung bewaffnet und 12-15% wirklich gegen den Feind geführt werden. Diese enormen Massen setzen aber eine ganz andre Beweglichkeit voraus als selbst die jetzigen Armeen. Ohne vollständiges Eisenbahnnetz können sie sich weder konzentrieren noch ernähren, noch mit Munition versehn halten, noch sich bewegen. Und ohne elektrische] Telegraphen] können sie gar nicht dirigiert werden; da es aber, nicht möglich ist, daß bei solchen Massen der Stratege und der Taktiker (der auf dem Schlachtfeld kommandiert) einer und derselbe ist, so tritt hier die Teilung der Arbeit ein. Die strategischen] Operationen, das Zusammenwirken der verschied[enen] Korps müssen vom Zentralpunkt der telegr[aphischen] Linien aus dirigiert werden; die taktischen von d[en] einzelnen Generalen. Daß unter diesen Umständen Kriege in noch weit kürzerer Zeit entschieden werden können und müssen als selbst durch Napoleon, ist klar. Der Kostenpunkt macht es nötig, die notwendige entscheidende Wirkung jedes Schlags mit solchen Massen macht es unvermeidlich.13251 An Masse und strategischer Beweglichkeit müssen diese Armeen also schon ganz unerhört furchtbar sein. Die taktische Beweglichkeit (beim Patrouillieren, Tiraillieren, auf d[em] Schlachtfeld) muß bei solchen Soldaten ebenfalls bedeutend größer sein, sie sind robuster, gelenkiger, intelligenter als alles, was die jetzige Gesellschaft leisten kann. Leider aber kann das alles erst nach langen Jahren und zu einer Zeit durchgeführt werden, wo derartige Massenkriege aus Mangel an einem adäquaten Feind nicht mehr vorkommen können.13261 In der ersten Zeit der proleta
rischen Revolution existieren zu alledem die ersten Bedingungen nicht, am allerwenigsten im Jahr 1852. Das Proletariat in Frankreich bildet jetzt gewiß kaum die doppelte Prozentzahl der Bevölkerung gegen 1789. Damals war das Proletariat - wenigstens [17]92-94 - so aufgewühlt und in tension1, wie es nächstens nur sein wird. Schon damals stellte es sich heraus, daß in Revolutionskriegen mit heftigen innern Konvulsionen die Masse des Proletariats zur Verwendung im Innern nötig ist. Dasselbe wird jetzt wieder und wahrscheinlich mehr als je der Fall sein, da die Chancen für den sofortigen Ausbruch von Bürgerkriegen mit dem Vorrücken der Alliierten zunehmen. Das Proletariat wird daher nur einen kleinen Kontingent zur aktiven Armee schicken können; die Hauptquelle der Aushebung bleibt der Mob und die Bauern. D.h., die Revolution wird Krieg zu führen haben mit den Mitteln und nach der Methode der allgemeinen modernen Kriegführung. Nur ein Ideologe könnte fragen, ob nicht mit diesen Mitteln, d.h. einer aktiven Armee von 4-5 % der Bevölkerung, neue Kombinationen zu machen, neue überraschende Verwendungsmethoden zu erfinden seien. Ebensowenig wie man auf dem Webstuhl das Produkt vervierfachen kann, ohne die bewegende Kraft, die Handarbeit, durch den Dampf zu ersetzen, ohne ein neues Produktionsmittel zu erfinden, das mit dem alten Handwebstuhl nur wenig mehr gemein hat, ebensowenig kann man in der Kriegskunst mit den alten Mitteln neue Resultate erzeugen. Erst die Herstellung neuer, gewaltigerer Mittel macht die Erzielung neuer, großartigerer Resultate möglich. Jeder große Feldherr, der in der Kriegsgeschichte durch neue Kombinationen Epoche macht, erfindet selbst entweder neue materielle Mittel oder er entdeckt zuerst den richtigen Gebrauch neuer, vor ihm erfundener materieller Mittel. Zwischen Turenne und dem alten Fritz liegt die Revolution in der Infanterie, die Verdrängung der Pike und des Luntenschlosses durch das Bajonett und das Steinschloß - und das Epochemachende in der Kriegswissenschaft des alten Fritz besteht darin, daß er innerhalb der Grenzen der damaligen Kriegführung überhaupt die alte Taktik den neuen Instrumenten gemäß umschuf und ausbildete. Gerade wie Napoleons epochemachendes Verdienst darin besteht, daß er für die durch die Revolution möglich gemachten kolossaleren Armeemassen die einzig richtige taktische und strategische Verwendung fand und diese obendrein so vollständig ausbildete, daß im ganzen und großen moderne Generäle, weit entfernt, über ihn hinausgehn zu können, in ihren glänzendsten und geschicktesten Operationen nur ihn zu kopieren versuchen.
1 Spannung
Summa summarum, die Revolution wird mit den modernen Kriegsmitteln und der modernen Kriegskunst gegen moderne Kriegsmittel und moderne Kriegskunst kämpfen müssen. Die Chancen des militärischen Talents sind für die Koalition mindestens ebensogroß wie für Frankreich: Ce seront alors les gros bataillons qui l'emporteront.1
IV
Sehen wir jetzt, was für Bataillone in die Schlachtlinie gebracht und wie sie verwendet werden können. 1. Rußland. Die russische Armee, Friedensfuß, beträgt nominell 1 100000 Mann, in Wirklichkeit gegen 750000. Seit 1848 hat die Regierung fortwährend gearbeitet, das Effektiv des Kriegsfußes von 1 500000 Mann zu erreichen, und Nikolaus und Paskewitsch haben möglichst überall selbst revidiert. Gering angenommen, hat Rußland j etzt also den vollen Friedensfuß -1 100000 Mann wirklich erreicht. Davon gehen ab, hoch gerechnet:
Für den Kaukasus 100 000 M. „ Rußland selbst 150 000 „ „ die polnischen] Provinzen 150 000 „ „ Kranke, Detachiertepp... 150000 „ 550 000 Mann
Bleiben disponibel 550 000 M. zur aktiven Verwendung gegen außen. Das ist kaum mehr gerechnet, als Rußland 1813 wirklich über die Grenzen schickte. 2. Preußen. Das herrliche Kriegsheer, wenn die ganze Landwehr 1. und 2. Aufgebots, Überzählige und alles einberufen würde, betrüge mindestens 650 000 M. Die Regierung kann aber höchstens für den Moment 550 000 M. mobilisieren. Ich rechne nur 500 000. Diese brauchen nur wenig über das 2. Aufgebot (150 000 M.) zu Besatzungen usw. zu detachieren, da überall die allmähliche Einberufung der Überzähligen und der neuen Konskription für das folgende Jahr - wofür Nikolaus schon sorgen wird - sowie die unaufhörlich durchmarschierenden Russen hinreichende Reserve gegen jeden inneren Aufstandsversuch bilden würden. Auch haben sie weniger Kranke, da sie sich im eignen Land konzentrieren und weniger weit bis an den Rhein zu marschieren haben als die Russen. Ich rechne indes wie bei den Russen die Hälfte ab, wobei die andre Hälfte disponibel bleibt: 250 000 M.
1 Es werden dann die stärkeren Bataillone den Sieg davontragen.
3. Ostreich. Hat unter den Waffen und beurlaubt, die ebenso rasch bei der Armee sind wie die preußische] Landwehr, gering gerechnet 600 000 M. Auch hier rechne ich die Hälfte ab, da wenigstens auf 2/s der Monarchie die nachrückenden Russen bis zur Bildung neuer Reserven als Reserve im Innern dienen und die Herde der Insurrektion in Schranken halten. Bleiben disponibel gegen den Feind - 300 000 M. 4. Der Deutsche Bund. Da die Herren nahe am Rhein wohnen und die ganze Koalition bei ihnen durchmarschiert, so brauchen sie fast gar keine Besatzung gegen das Inland; um so weniger, als bei den ersten Erfolgen der Koalition gegen Frankreich die Reservearmeen sich quer durch Deutschland aufstellen würden, von Norden nach Süden. Der DJeutsche] B[und] stellt wenigstens 120000 M. 5. Die italienischen] Regierungen, die Dänen, Belgier, Holländer, Schweden pp. nehme ich einstweilen auf 80 000 Mann an. Die ganze Masse der Koalitionstruppen beläuft sich hiernach auf 1 300 000 Mann, die entweder schon unter den Waffen stehn oder sofort einberufen werden können. Die sämtlichen Annahmen sind absichtlich zu gering. Die Abzüge für Kranke allein sind so stark, daß aus den Rekonvaleszenten usw. allein zwei Monate nach Beginn der Operationen eine zweite Armee von 350 000 M. an der f[ran]z[ösischen] Grenze gebildet werden kann. Da aber heutzutage keine Regierung so unvernünftig ist, einen Krieg anzufangen, ohne zugleich mit dem Ausmarsch der aktiven Armee neue Aushebungen, so stark wie möglich, zu machen und diese der ersten Armee nachzuschicken, so muß diese zweite Armee noch bedeutend stärker ausfallen. Die Truppen der ersten Armee (die 1 300 000 M.) sind in circa 2 Monaten vollständig zu konzentrieren, und zwar folgendermaßen: Daß die Preußen und Östreicher in 2 Monaten ihre obigen Kontingente disponibel haben können, daran kann seit den Rüstungen v[om] vorigen November kein Zweifel mehr sein. Was die Russen angeht, so sind ihre drei definitiven Konzentrationspunkte zunächst Berlin, BreslauundKrakauoder Wien(vgl.unten). Von Petersburg nach Berlin sind ungefähr 45 Tagemärsche; von Berlin an den Rhein 16, zusammen 61 Märsche ä 5 d[eu]tsche Meilen. Von Moskau nach Breslau 48 Märsche, von Breslau nach Mainz 20, zusammen 68 Märsche. Von Kiew nach Wien 40, von Wien nach Basel 22, zusammen 62 Märsche. Hierzu die Ruhetage gerechnet, die bei russischen Truppen und bei den obigen starken Märschen unter keiner Bedingung ausfallen können, so ist es klar, daß selbst die in Moskau, Petersburg und Kiew stationierten Truppen in drei Monaten bequem am Rhein sein können, und zwar in der Voraussetzung, daß die Leute bloß zu Fuß marschieren und daß die Eisenbahnen und der
Transport zu Wagen nicht in Anwendung gebracht werden. Diese Mittel aber können in Deutschland fast überall, in Rußland und Polen wenigstens teilweise in Anwendung kommen und würden den Transport der Truppen im ganzen gewiß um 15-20 Tage verkürzen. Die Hauptmasse der russischen] Truppen steht aber schon jetzt in den polnischen Provinzen konzentriert, und sowie die politischen Verhältnisse eine Krisis wahrscheinlich machen, wird man noch mehr Truppen dahin dirigieren, so daß die Anfangspunkte der Marschlinie nicht Petersburg, Moskau und Kiew, sondern Riga, Wilna, Minsk, Dubno, Kamieniec sein werden, d.h., daß die Marschlinie um ca. 60 Meilen - 12 Marsch- und 4 Ruhetage - verkürzt wird. Dabei wird ein großer Teil der Infanterie - besonders der, der aus den entfernteren Stationen kommt - wenigstens jeden dritten oder Ruhetag 5 Meilen weit gefahren werden können, so daß für diesen Teil die Ruhetage als Marschtage zählen. Das Material der Artillerie, die Munitionen und Vorräte würden dann die Eisenbahnen freibehalten, die Bespannung und Bedienung der Artillerie würde marschieren resp. fahren und so jedenfalls früher ankommen als nach der bisherigen Weise. Nach all diesem scheint mir nichts im Wege zu stehn, daß die Konzentrierung der Koalitionsarmee am Rhein zwei Monate nach dem Ausbruch der Revolution in folgender Weise erfolgen1 könnte:
Erste Armee: 1. Erste Linie am Rhein und vor Piemont: Pr[eußen], Östr. PP 750 000 M. Russen 300 000 M. 1050 000 M. 2. Zweite Linie, Reserve, 10 Märsche zurück, Russen 250 000 M. total 1300 000 M. wie oben ZweiteArmee: 1 .Reserve der klein[en] Koalierten] Preuß[en], Östrjeicher] usw. in der Konzentration begriffen 200 000 M. 2. Russische] Reserve, im Marsch, 20 Märsche zurück 150 000 M. 350 000 M. beide Armeen total 1 650 000 M.
1 Im Manuskript: verhindern
Im Grunde sind unter den jetzigen Verhältnissen kaum 5-6 Wochen nötig, um 300000 Russen an den Rhein zu bringen, und in derselben Zeit können Preußen, Östr[eich] und die kleinen Alliierten ihre obigen Kontingente an den Rhein bringen; aber um den unvorhergesehenen Hindernissen, die bei jeder Koalition sich einstellen, gehörig Rechnung zu tragen, nehme ich volle zwei Monate an. Die Aufstellung der alliierten Truppen im Moment, wo Napoleon von Elba kam, war in Beziehung auf einen Marsch nach Frankreich kaum so günstig wie die jetzige, und doch waren die Russen am Rhein, als Napoleon sich bei Waterloo gegen die Engländer und Preußen schlug. Welche Ressourcen hat Frankreich den Alliierten entgegenzusetzen? 1. Die Linie beträgt ca. 450 000 M„ wovon 50 000 in Algier nicht entbehrt werden können. Von den übrigen 400 000 gehen ab die Kranken, das notwendige Minimum für Festungsbesatzungen, kleinere Detachierungen in zweideutigen Gegenden des Innern - bleiben disponibel höchstens 250 000 Mann. 2. Das beliebte Mittel der jetzigen Roten: die ausgedienten Soldaten zur Fahne zurückzurufen, ist mit Erfolg zwangsweise höchstens bei 6 Altersklassen, d.h. vom 27.-32. Jahr, anzuwenden. Jede Altersklasse trägt zur Konskription bei 80 000 M. Die Ravagen1 des algerischen] Kriegs und Klimas, die gewöhnliche] Sterblichkeit während 12 Jahren, Ausfall der Untauglichgewordenen,Ausgewanderten und derer,die sich dem Wiedereintritt auf die eine oder die andre Weise zu entziehen wissen zu einer Zeit, wo die Verwaltung ohnehin in Unordnung gerät, reduzieren die 480 000 ehemaligen Rekruten dieser 6 Altersklassen auf höchstens 300 000 Wiedereintretende. Davon gehn 150 000 ab für Festungsbesatzungen, die man hauptsächlich aus dieser Klasse älterer, großenteils verheirateter Leute nehmen wird - bleiben 150 000 Mann. Diese sind ohne Schwierigkeit bei einigermaßen geschickter Direktion in 2 Monaten mobilzumachen. 3. Die Volkswehr, Freiwilligen, Volontärs, levee en masse oder wie man dies untergeordnete Kanonenfutter sonst nennen will. Mit Ausnahme von etwa 10 000 noch zusammenzubringenden garde mobile hat kein Mann davon mehr Bekanntschaft mit den Waffen als irgendein deutscher Bürgerwehrmann. Die Franzosen lernen das Handwerk rascher, aber 2 Monate sind eine sehr kurze Zeit, und wenn Napoleon seine Rekruten in 4 Wochen durch die Bataillonsschule passieren lassen konnte, so brachte er das nur mit ausgezeichneten Cadres fertig, während die erste Folge der nächsten Revolution die Desorganisation selbst der Cadres der Linie ist. Dazu sind unsre franz [ösischen]
1 Verwüstungen
Revolutionäre bekanntlich traditionell, und ihr erster Schrei wird sein: Levee en masse! Deux millions d'hommes au frontieres!1 Die deux millions d'hommes wären schön und gut, wenn man sich von der Koalition wieder solcher Dummheiten zu versehen hätte wie Anno [17]92 und [17]93 und Zeit hätte, die 2 000 000 M. nach und nach einzuüben. Aber davon kann keine Rede sein. Man muß sich darauf gefaßt machen, binnen zwei Monaten eine Million aktiver feindlicher Soldaten an der Grenze zu haben, und es handelt sich darum, dieser Million mit Chance des Erfolgs gegenüberzutreten. Wenn die Franzosen wieder als traditionelle Nachbeter von [17]93 auftreten, so unternehmen sie die Geschichte mit den 2 Millionen, d.h., sie unternehmen so viel, daß das wirkliche Resultat bei der kurzen Frist auf Null hinausläuft. Die Einübung und Organisation von 2 500 000 Mann in 8 Wochen, ohne Cadres, läuft in der Praxis auf eine sinnlose Verzettelung aller Ressourcen und auf die Verstärkung der Armee nicht einmal durch ein einziges brauchbares Bataillon hinaus. Wenn sie dagegen einen ordentlichen Kriegsminister haben, der einige Kenntnis hat von Revolutionskriegen und den Methoden, rasch eine Armee zu schaffen, und wenn man dem keine auf Unwissenheit und Popularitätssucht beruhenden dummen Hindernisse in den Weg legt, so wird er sich in den Grenzen des Möglichen halten und kann viel tun. Man wird dann mehr oder weniger auf folgenden Plan herauskommen müssen: Die bewaffnete Macht besteht zunächst aus zwei Bestandteilen: 1. proletarische Garde in den Städten, Bauerngarde auf dem Land, soweit das Land verläßlich ist zum Dienst im Innern; 2. regelmäßige Armee gegen die Invasion. - Der Festungsdienst wird von der proletarischen] und Bauerngarde geleistet; die Armee liefert nur die nötigsten Detachements. Paris, Straßburg, Lyon, Metz, Lille, Valenciennes, die wichtigsten Festungen, die zugleich große Städte sind, werden außer ihrer eignen Garde und wenigen Bauerndetachements aus der Umgegend nur wenig Linie zur Verteidigung nötig haben. Die im Innern disponiblen proletarischen Garden, soweit sie aus nichtbeschäftigten Arbeitern bestehn, werden in einem Übungslager vereinigt und von zum Felddienst untauglichen alten Offizieren und Unteroffizieren eingeübt, um die Lücken in den Reihen der aktiven Armee zu füllen. Das Lager kann bei Orleans angelegt werden - zugleich eine Drohung gegen die legitimistischen Gegenden. Die Linie, soweit sie in Frankreich ist, muß verdreifacht, von 400 000 auf 1 100 000 M. gebracht werden. Dies geschieht so: Jedes Bataillon wird in
1 Massenaushebung! Zwei Millionen Mann an die Grenzen!
ein Regiment verwandelt - das dabei unvermeidliche allgemeine Avancement wird den Offizieren und Unteroffizieren nicht weniger Respekt vor der Revolution einflößen als die Guillotine und das Kriegsgericht. Die unvermeidliche Erweiterung der Cadres geschieht dabei möglichst allmählich, und was von Offizieren zu gewinnen ist, wird gewonnen. Dies ist bei der Unmöglichkeit, in 2 Monaten Offiziere zu hexen, sehr wichtig. Ohnehin herrscht bei den mittleren und niedern Graden der französischen] Armee noch so viel Nationalgefühl, daß diese Leute mit etwas Avancement, einer energischen Leitung der Kriegsdepartements und einiger Chance des Erfolgs sich im Anfang ganz gut machen werden, besonders wenn ein paar Exempel an Meuterern und Deserteuren statuiert sind. Die Schüler der Militärschulen, die Beamten der Ponts-et-Chaussees1 geben vortreffliche Artillerie- und Genieoffiziere, und nach ein paar Aktionen werden sich jene bei den Franzosen so häufigen untergeordneten militärischen Talente zu entwickeln anfangen, die eine Kompanie zu führen verstehn, wenn sie einmal im Feuer gewesen sind.
Was die Soldaten selbst betrifft, so stellt die Linie 400 000 M. die Wiedereinberufenen 300 000 M. bleiben noch auszuheben und einzuüben 500 000 M. zusammen 1 200 000 M. wovon für Kranke 100 000 M. ab bleiben 1100 000 M.
Von diesen sind aktiv zu verwenden: Linie 250 000 M. Wiedereinberufene 150 000 M. Rekruten 400000 M. 800 000 M.
Was man damit anfangen kann, wird sich zeigen. Die Einübung von 400 000 bis 500 000 Mann aber als Rekruten zur Linienarmee, die mit den bisherigen und wiedereinberufenen Soldaten in den Regimentern und Bataillonen verschmolzen werden, innerhalb zwei Monaten, ist so überaus schwer nicht, wenn rasch, le lendemain de la revolution2, ans Werk gegangen wird. Alle diese Verstärkungen würden die Infanterie und Artillerie treffen; in 2 Monaten kann
1 Verwaltung des Brücken- und Straßenbaus - 2 am Tag nach der Revolution
man wohl einen Infanteristen und einen wenigstens zur einfachen Geschützbedienung brauchbaren Kanonier ausbilden, aber keinen Kavalleristen. Der Zuwachs der Kavallerie würde also sehr schwach sein. Bei dem ganzen Bewaffnungsplan wird vorausgesetzt, daß ein ordentlicher Kriegsminister da ist, der die politischen Verhältnisse zu würdigen versteht, der strategische, taktische und Detailkenntnisse über alle Waffen besitzt und der die gehörige Portion Energie, Raschheit und decisiveness1 hat und dem von den Eseln, die mit ihm regieren werden, freie Hand gelassen wird. Aber wo hat die „rote" Partei in Frankreich so einen Kerl! Die Chancen sind im Gegenteil, daß wie gewöhnlich ein unwissender Kerl, den man und der sich als bon democrate2 natürlich jedem Posten gewachsen glaubt, den Carnot zu spielen versuchen, daß er Massenaushebung dekretieren, alles vollständig auflösen, sehr bald am Ende seines Witzes ankommen, dann alles der Routine alter Unterbeamten überlassen und die feindlichen Armeen bis vor Paris kommen lassen wird. Heutzutage aber einer europäischen Koalition zu widerstehn, muß man nicht Pache und Bouchotte, auch nicht Carnot, man müßte Napoleon sein oder entsetzlich dumme Feinde und entsetzlich viel Glück haben. Es ist nicht zu übersehn, daß bei allen Berechnungen der Streitkräfte der Koalition das Minimum der Gesamtmacht und das Maximum der Abzüge angenommen worden, so daß bei nur einigermaßen erträglicher Direktion die disponible Truppenmasse größer und die nötige Zeit zur Konzentration geringer sein wird als hier angegeben. Bei Frankreich dagegen sind die Annahmen umgekehrt; die disponible Zeit ist möglichst lang, die möglicherweise zu organisierende Gesamtmacht ist sehr hoch, die Abzüge gering, also die disponible Truppenmasse möglichst groß angenommen. Mit einem Wort; alle diese Kalkulationen stellen - von unvorhergesehenen Ereignissen und von groben Böcken der Alliierten abstrahiert - den für die Revolution möglichst günstigen Fall dar. Dazu ist vorausgesetzt worden, daß die Revolution und Invasion nicht sogleich im Innern des Landes Bürgerkrieg hervorruft. Es ist jetzt, 60 Jahre nach dem letzten Bürgerkrieg in Frankreich, unmöglich zu bestimmen, inwiefern der legitimistische Fanatismus einer mehr als ephemeren Insurrektion fähig ist; es ist indes klar, daß in demselben Maß, wie die Alliierten vorrücken, auch die Chancen einer Erhebung wie 1793 in Lyon, Toulon pp., einer momentanen Allianz aller politisch gestürzten Klassen und Fraktionen zunimmt. Nehmen wir indes auch hier den für die Revolution günstigsten
1 Entschlossenheit - a guter Demokrat
Fall, nämlich daß die revolutionäre proletarische und Bauerngarde imstande ist, die rebellischen Departements und Klassen glücklich zu entwaffnen. Auf die Chancen, die durch Aufstände in Deutschland, Italien pp. der Revolution gegeben werden können, kommen wir gleich zu sprechen.
V
Wir kommen jetzt zur wirklichen Kriegführung. Wenn man den einen Fuß eines Zirkels auf der Karte auf Paris setzt und mit der Entfernung von Paris bis Straßburg als Radius einen Kreis um Paris beschreibt, so trifft die Peripherie dieses Kreises im Süden die französische] Grenze zwischen Grenoble und Chambery bei Pont de Beauvoisin, folgt ihr in nördlicher Richtung über Genf, den Jura, Basel, Straßburg und Hagenau und folgt dann dem Lauf des Rheins bis zu seiner Mündung; wenn sie sich an einzelnen Punkten von ihm entfernt, so erreicht diese Entfernung nie die Länge von zwei Tagemärschen. Wäre der Rhein die Grenze Frankreichs, so wäre Paris von dem Punkt an, wo die Alpen aufhören diese Grenze zu decken, bis zur Nordsee gleich weit von der Grenze entfernt. Das militärische System Frankreichs, mit Paris als Zentrum, hätte alle seine geographischen Bedingungen erfüllt. Dieser einfache Kreisbogen von Chambery bis Rotterdam, der alle Punkte der einzigen offnen Grenze Frankreichs, und noch dazu der Grenze, die der Hauptstadt am nächsten liegt, auf die gleichmäßige Entfernung von etwa 70 deutschen Meilen - 14 Tagemärschen - von Paris reduziert und zu gleicher Zeit die Grenze durch einen breiten Strom deckt - das ist die militärische reelle Basis der Behauptung, daß der Rhein die natürliche Grenze Frankreichs sei. Dieselbe eigentümliche Konfiguration seines Laufs macht den Rhein aber auch zum Ausgangspunkt aller konzentrischen Operationen gegen Paris, denn die verschiedenen Armeen, um gleichzeitig vor Paris ankommen, gleichzeitig Paris von verschiednen Seiten bedrohen zu können, müssen gleichzeitig von gleich weit entfernten Punkten aufbrechen. Die Operationen jeder kontrerevolutionären Koalitionsarmee gegen Frankreich müssen konzentrisch sein, so gefährlich alle konzentrischen Operationen sind, bei denen der Konzentrationspunkt im Bereich des Feindes liegt oder gar seine Operationsbasis bildet: 1. weil mit Paris Frankreich erobert ist; 2. weil kein Teil der im Bereich der Operationen französischer Armeen liegenden Grenze bloßgegeben werden darf, da sonst die Franzosen auf dem Gebiet der Koalition, im Rücken ihrer Armeen, durch Sendung von Armeen Insurrektionen provozieren
könnten; 3. weil die Massen, die jede Koalition gegen Frankreich schleudern muß, zu ihrer Ernährung mehrfache Operationslinien nötig haben. Die zu deckende Grenze für beide Armeen geht von Chambery bis Rotterdam. Die spanische Grenze bleibt einstweilen außer Betracht. Die italienische vom Var bis an die Isere ist durch die Alpen gedeckt und entfernt sich immer weiter von Paris, da sie die Tangente des obigen Kreises bildet. Sie kann nur in Betracht kommen: 1. wenn die befestigten Defileen der Savoyer Alpen, namentlich des Mont Cenis, in den Händen der Franzosen sind; 2. wenn man an der Küste eine Diversion machen will, zu der besondere Gründe vorliegen müssen; 3. wenn französische] Armeen, nachdem die Grenze an allen andern Punkten sichergestellt ist, offensiv vorgehn wollen wie 1796 Napoleon. Für alle andern Fälle liegt sie zu weit ab. Die aktiven Operationen, sowohl für die Koalition wie für Frankreich, beschränken sich also auf die Linie von Chambery oder der Isere bis nach der Nordsee und auf das Gebiet, das zwischen dieser Linie und Paris liegt. Und gerade dieser Teil von Frankreich bietet ein Terrain dar, das zur Verteidigung wie geschaffen ist und dessen Gebirgs- und Flußsysteme militärisch kaum besser gewünscht werden könnten. Von der Rhone bis zur Mosel ist die Grenze durch einen langen, schwer und nur an bestimmten Punkten passierbaren Gebirgszug gedeckt: den Jura, an den sich die Vogesen anschließen, deren Verlängerung wieder der Hochwald und Idarwald bilden. Beide Gebirge laufen der Grenze parallel, und die Vogesen werden noch dazu durch den Rhein gedeckt. Zwischen Mosel und Maas decken die Ardennen, jenseits der Maas die Argonnen den Weg nach Paris. Nur das Gebiet von der Sambre zur See ist offen, aber hier wird die Lage jeder vordringenden Armee auch gefährlicher mit jedem Schritt, den sie vorwärts tut - sie riskiert bei einigermaßen geschickten Operationen einer starken französischen Armee, von Belgien abgeschnitten und in die See geworfen zu werden. Dazu ist die ganze Linie von der Rhone bis zur Nordsee mit Festungen gespickt, von denen einige, z.B. Straßburg, ganze Provinzen beherrschen. Von dem Vereinigungspunkt des Jura und der Vogesen läuft ein Gebirgszug in südwestlicher Richtung nach der Auvergne zu, der die Wasserscheide zwischen der Nordsee und dem Ozean einerseits und dem Mittelmeer andrerseits bildet. Von ihm fließt nach Süden die Saone, nach Norden parallel die Mosel, die Maas, die Marne, die Seine, die Yonne. Zwischen je zweien dieser Flüsse, wie zwischen Yonne und Loire, zweigen sich lange Gebirgsketten ab, die, nur von wenigen Straßen durchschnitten, die einzelnen Flußtäler voneinander trennen. Dies ganze Gebirgsland ist zwar für alle Waffengattungen
größtenteils praktikabel, aber sehr unfruchtbar, und keine große Armee kann sich lange darauf halten. Ist auch dies Gebirge sowie die gleich unfruchtbaren Höhenstriche der Champagne, die das Maasgebiet vom Seinegebiet trennen, überstiegen, so tritt die feindliche Armee ins Gebiet der Seine. Und hier erst zeigen sich die auffallenden militärischen Vorteile der Lage von Paris vollständig. Das Flußgebiet der Seine abwärts bis zur Mündung der Oise wird von mehreren, in fast parallelen Bogen in nordwestlicher Richtung strömenden Flüssen gebildet - der Yonne, der Seine, der Marne, der Oise und Aisne, von denen jeder noch in gleicher Richtung strömende Nebenflüsse hat. Alle diese bogenförmigen Täler vereinigen sich ziemlich nahe beieinander, und im Zentrum dieser Vereinigungspunkte liegt Paris. Die Hauptstraßen nach Paris von allen Landgrenzen zwischen dem Mittelländischen Meer und der Scheide laufen durch diese Flußtäler und laufen mit ihnen konzentrisch in Paris zusammen. Die Armee, die Paris verteidigt, kann sich also immer in kürzerer Zeit konzentrieren und von einem bedrohten Punkt zum andern wenden als die angreifende Armee, weil von zwei konzentrischen Kreisen der innere die kleinere Peripherie hat. Die bewundernswürdige Benutzung dieser Vorteile, die unermüdliche Bewegung auf der Peripherie des inneren Kreises machte es Napoleon in seinem glänzenden Feldzug von 1814 möglich, mit einer Handvoll Soldaten zwei Monate lang die ganze Koalition im Seinegebiet im Schach zu halten.1
Geschrieben April 1851. Nach dem Manuskript.
1 Hier endet das Manuskript.
Karl Marx
Die Konstitution der Französischen Republik, angenommen am 4. November 1848t327]
[„Notes to the People" Nr. 7 vom 14. Juni 1851]
Die Konstitution wird durch eine rhetorische Präambel eingeleitet, in der folgende Stellen Beachtung verdienen: 1. Frankreich erklärt sich als Republik. 2. Die Französische Republik ist demokratisch, eins und unteilbar. 3. Ihre Grundsätze sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, und ihre Grundlagen sind die Familie, die Arbeit, das Eigentum und die öffentliche Ordnung. 5. Sie achtet die Unabhängigkeit anderer Nationen, wie sie ihrer eigenen Unabhängigkeit Achtung zu verschaffen weiß. Sie wird keinen Angriffskrieg führen und ihre Streitkräfte niemals gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen. (Roml)l3W] Vor dem Juniaufstand hatte die Nationalversammlung eine Konstitution ausgearbeitet1251, die, unter vielen anderen Anerkennungen der Menschenrechte und -pflichten, folgende Artikel enthielt:
Art. 6: Das Recht auf Bildung ist das Recht aller Bürger auf die Möglichkeit der vollen Entfaltung ihrer physischen, moralischen und intellektuellen Fähigkeiten vermittelst unentgeltlichen Unterrichts durch den Staat. Art. 7: Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden Mitgliedes der Gesellschaft, durch Arbeit leben zu können. Die Gesellschaft hat daher die Verpflichtung, allen arbeitsfähigen Personen, die anders keine Arbeit erhalten können, Arbeit zu verschaffen. Art. 9: Das Recht auf Unterstützung ist das Recht der Waisen, der Arbeitsunfähigen und der Greise, vom Staat ihre Existenzmittel zu erhalten. Nachdem die Siege des Juni 1848 der Bourgeoisie Mut gemacht hatten, merzte sie diese drei Artikel aus der KONSTITUTION aus, die nun wie folgt lautet:13291
KAP. I. [VON DER SOUVERÄNITÄT]
„[§ 1.] Die Souveränität beruht in der Gesamtheit der französischen Bürger. Sie ist unveräußerlich und unverjährbar. Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann sich die Ausübung dieser Souveränität zueignen."
KAP. II. RECHTE, DIE DURCH DIE KONSTITUTION VERBÜRGT WERDEN
„[§ 2.] Niemand kann anders festgenommen oder gefangengehalten werden, als es die Gesetze vorschreiben."
„§ 3. Die Wohnung eines jeden, der auf französischem Gebiet wohnt, ist unverletzlich; es ist nicht gestattet, anders als in den durch das Gesetz vorgeschriebenen Formen einzudringen."
Man beachte hier und im gesamten Text, daß die französische Konstitution die Freiheit garantiert, doch immer mit dem Vorbehalt der Ausnahmen, die das Gesetz macht oder die es noch machen wird! - und alle die Ausnahmen, die durch Kaiser Napoleon, durch die Restauration und durch LouisPhilippe gemacht wurden, sind nicht nur erhalten geblieben, sondern sind nach der Junirevolution maßlos vervielfacht worden. So z.B. das Gesetz vom 9. August 1849, das sich auf den Belagerungszustand bezieht, den die Nationalversammlung und während ihrer Tagungspausen der Präsident verhängen kann, und das den Militärbehörden das Recht gibt, alle Personen, die sich politischer Vergehen schuldig gemacht haben, vor ein Kriegsgericht zu bringen. Es gibt ihnen außerdem die Macht, in jedes Haus bei Tag oder Nacht einzudringen und es zu durchsuchen, alle Waffen zu beschlagnahmen und alle Personen auszuweisen, die in dem unter Belagerungszustand stehenden Ort keinen Wohnsitz haben. Was die Aasländer anbelangt, so ist ihr einziges „Recht", das sie auf französischem Boden genießen, eingesperrt und ausgewiesen zu werden, so oft es die Polizeibehörden für richtig halten. Was die Franzosen anbelangt, so kann jeder französische Bürger verhaftet werden, wenn ein einziger Beamter den Auftrag dazu erteilt!
„§ 4. Jeder darf ausschließlich von seinen natürlichen Richtern abgeurteilt werden. Eis dürfen keine Sondergerichte gebildet werden, gleichviel unter welcher Bezeichnung oder unter welchem Vorwand."
Wir haben bereits gesehen, daß im „Belagerungszustand" das Kriegsgericht alle anderen Gerichte außer Kraft setzt. Außerdem setzte die Nationalversammlung 1848 ein „Sondergericht" unter der Bezeichnung „Haute Cour" für einen Teil der Personen ein, die sich politischer Vergehen schul
dig gemacht haben; und nach dem Juniaufstand deportierte sie 15000 Aufständische ohne irgendein Gerichtsverfahren!
„§ 5. Die Todesstrafe für politische Vergehen ist abgeschafft." Aber man deportiert sie in fieberverseuchte Gegenden, wo sie nur etwas langsamer und viel qualvoller hingerichtet werden.
„§ 8. Die Bürger haben das Recht, sich zu verbinden, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Petitionen einzureichen und ihre Meinung durch die Presse oder auf andere Art zu äußern. Die Ausübung dieser Rechte ist nur beschränkt durch die gleichen Rechte der anderen und durch die öffentliche Sicherheit."
Daß die Einschränkung durch die „öffentliche Sicherheit" die Ausübung des Rechts überhaupt beseitigt, wird durch die folgenden Tatsachen klar bewiesen: 1 .Die Freiheit der Presse. Durch die Gesetze vom 11. August 1848 und vom 27. Juli 1849 wurden nicht nur wieder Kautionen für Zeitungen verlangt, sondern alle Beschränkungen, die vom Kaiser Napoleon und seitdem verfügt worden waren, erneuert und verschärft. Das Gesetz vom 16. Juli 18501 erhöht die Kautionen und dehnt sie auf alle Wochenschriften, Magazine, Zeitschriften usw. aus.[3301 Darüber hinaus verlangt es, daß jeder Artikel mit dem Namen des Verfassers unterzeichnet sei, und führt wieder den Stempel für Zeitungen ein. Damit nicht genug, fordert es sogar für den Unterhaltungsroman und die rein literarische Broschüre einen Stempel und erzwingt dies alles durch Androhung enormer Geldstrafen! Nach der Annahme des letztgenannten Gesetzes verschwand die revolutionäre Presse ganz und gar. Sie hatte lange gegen die Verfolgung gekämpft: Woche für Woche wurden Zeitung auf Zeitung und Broschüre auf Broschüre unter Anklage gestellt, bestraft, unterdrückt. Die Bourgeoisie saß auf der Geschworenenbank und vernichtete die Arbeiterpresse. Der Höhepunkt dieses Systems wurde mit dem Gesetz vom 30. Juli 1850 erreicht, das die Zensur über das Drama wiederherstellte. Damit wurde die Meinungsfreiheit aus ihrer letzten literarischen Zuflucht vertrieben. 2. Das Recht der Vereinigung und der öffentlichen Versammlungen. Durch die Dekrete vom 28. Juli bis 2. August 1848 werden die Klubs einer großen Zahl von Polizeiverordnungen unterworfen, die ihnen fast jede Freiheit nehmen. So dürfen sie z.B. keine Resolutionen in legislativer Form annehmen usw. Alle unpolitischen Zirkel und privaten Vereinigungen werden durch dieses Gesetz gänzlich der Aufsicht und den Launen der Polizei ausgeliefert.
1 In „Notes to the People ": 23. Juli 1850
THE CONSTITUTION» OF EÜBOPE,
ODUPILSD FSO» ORJOIMAE, SOl'HCEa; WITII THE A39I8hA.ME OF LEADING CONTINENTAL DKMOCIIATS.
Sc, l TBS OOHOT1TUTION OP THE FHKXl li HKI'UIIUC AIHIPTK1) NOVEMUEK, I, 1»(Ü.
A ;hvturlcal prcamblc introduce» tho Constitution, in wlucb the folhming paaaages descrve noüc»: 1, Franc« deelarea ituclf a rcpublic. 2. The Freacfe republic U democratic, one aud indiviBlble. 3. Ita principles are Liberty, Ktiuality, Fratemitv, and ita foundatioin are Family, Latour, Property, and Public Order, ."i. Ii rejpecu the indepemlenee of utlii'r nationa, eoi will mske iu uwn respccted also. It will wdertako so aggressive war, and will uever eiaploy ita force agakst tho liberty ol' auy jaople. [Ko»ie.'] liefere ths» Insuireetion of Jane, the National Astsubly bttd dravn up s Constitution, which ccctai&Td among' many other recognitions of the rights und duüea of man, the folIoHing a-'ticlas. Art. 0. Tha right to education is the right poeawted by all Citizens tu the mcans für the fuil development of their physical, mural, und IntcUectutl facultiea, by a graluitoat education at the handa of the etate. Art, 7. The right of labour is the right of every member of society to live by labour. Therefore it i» the duty of socicty to aupply with work alt able bodied persona wlto cannot otberwisa obtain it. Art. 9. The Aü/A? to «u/>/»>i ( is the right oi the orphsn, the Intimi and the agcd to be •ulnuined by the statt. After tho victoriea of June 1343 lud givcu courage to the middle-dass, thcy erasud thesc thrce articlea froia
THK CONSTITUTION, whidt now stand« as follows:— "CaP. I. Sovereign power rcsts in the cntirety of French ciUtens. It is inalienablc and eteroal. No individual, no fractiou of the people haa the right to ita exercise." " Caf. II. Kiohts uuaiuNrar.» by thk tioHaTITUTlox:—No one can I«arrested or impriaoiwd, except as prescribed by the laws. " S 8. Th« residence of every one on Kreisch territory ia iuviolablo—and it i» not «Ho&cd to tntn H othervri&y than in tho forma imnlM by law." Obwm Isen and tbroughout that the French coniÜtKÜon gtwsuteea liberty, but alvaya uiti> Ue proriso of txieplwn» macU by law, or wkkh 01*7 mix sis Made ! and ai! the ex9t$Mvtu mtAt by tb* £mptror Napobon, by
tbe reätoration, and by Louis Philippe, Itave not ouly beeil rctained, but, after the June-Kevolution, iiuineasurably multiplied. Thus, für instante, the law of the Utll August 181t), relative to the State of Siege, which the AsKenibly. and during its Prorogation, the President cau enuet, and wiiirii girea to the military authoritiea the right of bringing all politieal otTenders belbreacourt-raartial. It further Krauts them the power to enter aod March any houst; by day or night, to aeiga all arm«, and to remove all persous not havisg a domicile in the place declared uuder a stat« of siege. Ai to xtranycri, the only 41 right " th'-y enjoy on French soil, is to bc arrested aud driven out of it, a» often ay the police authoritiea think proper, As to Frenclnncii, any French Citizen cau be arrested, if a sititjU fandiouanj issues hia mandate to that etleet I " § 4. No one « an be judged by others than hia natural judge», Kxceptional tribunala can bc forined under »o denomination or pretext." We bave already see» that, under " the atatti of siege," x military tribunal supersedes all others. liesides this, the Assembly eatablished an " exceptional tribunal," called the " High Court," in 18-48 Tor a portion of the polttical ottenders; and, at'tcr the insurrection in June, transportoJ insurgetitswithoutany trial at all! " g Capital puni-slimeiit !*or politieal ofl'eHces is aunulled," Hut tbcy trausport to lever-strickeu settiementa, where they are cxecuted, ouly a little inore slowly, and far more painfully. *' § 8. Citizens have a right to aaaociate, to meet peacefully and unarnu'J, to Petition, aud express their opinions through the preaa and eisewhere. The enjoyment of these righta haa no other litnit, tiiau the ei|uai righta of othera, and the public safety," That the limitatiou inade by the " public safety," takes away the enjoynieiit of the right altogether, is clearly öiiewn by the lelluuiug facta:— 1. The liberty of the Preu.—Üy the law* of August 11,1848, aud of July 1!7, KS4U, not only aecuritie* for newspapora were redemanded, but all the reatrictions made by the Ktnperor Napoleon, and silKv, were ranevred and made moifi •tringent. Tho law of July 23,1860, rautt UM Mcaritjr*
Erste Seite des Artikels „Die Konstitution der Französischen Republik" von Karl Marx, veröffentlicht in „Notes to the People"

Durch das Gesetz vom 19.-22. Juni 1849 wird die Regierung ermächtigt, für die Dauer eines Jahres alle Klubs und Versammlungen, die ihr nicht genehm sind, zu verbieten. Durch das Gesetz vom 6.-12. Juni 1850 wird der Regierung diese Ermächtigung für ein weiteres Jahr gegeben und praktisch auf jene Versammlungen und Zusammenkünfte ausgedehnt, die mit der Wahl der Volksvertreter zusammenhängen und der Regierung mißfallen könnten! Das Ergebnis ist, daß im Prinzip seit Juli 1848 alle Klubs und öffentlichen Versammlungen, mit Ausnahme der cercles1 der Royalisten und Bonapartisten, aufgehoben wurden. Durch das Gesetz vom 29. November 1849 wird allen Arbeitern, die sich für eine Erhöhung ihrer Löhne zusammenschließen sollten, Gefängnis bis zu 3 Monaten und eine Geldstrafe bis zu 3000 Francs auferlegt. Und durch dasselbe Gesetz werden diese Arbeiter, nach Verbüßung ihrer Strafe, fünf Jahre lang unter Polizeiaufsicht gestellt (was Betteln, Ruin und Verfolgung bedeutet). Soviel über das Recht der Vereinigung und der öffentlichen Versammlung.
„§ 9. Der Unterricht ist frei. Die Freiheit des Unterrichts wird nach den durch das Gesetz festgelegten Bedingungen und unter Aufsicht des Staats ausgeübt." Hier wird der alte Witz wiederholt. „Der Unterricht ist frei", aber „nach den durch das Gesetz festgelegten Bedingungen", und das sind gerade die Bedingungen, die die Freiheit gänzlich beseitigen. Durch das Gesetz vom 15. März 1850 wird das Erziehungssystem völlig unter die Aufsicht der Geistlichkeit gestellt. An der Spitze dieses Regierungsdepartements steht ein conseil superieur de l'instruction publique2, dem vier französische Erzbischöfe vorstehen. Erunterwirft alle Schulmeister der Provinzen, obwohl sie von den Gemeinderäten oder den Kirchenräten gewählt wurden, der Macht der recteurs oder Pfarrherren. Die Lehrer sind in eine Lage versetzt, die der militärischen Unterordnung und Disziplin unter die Pfarrherren, Bürgermeister und Pfarrer gleichkommt, und die Freiheit des Unterrichts besteht nach dem bereits angeführten Gesetz darin, daß niemand ohne Genehmigung der Zivil- und Kirchenbehörden das Recht zum Unterrichten hat.
„§ 11. Das Eigentum ist unverletzlich." „§ 14. Die Staatsschuld ist gewährleistet." „§ 15. Steuern werden nur für den allgemeinen Nutzen erhoben. Jeder Bürger trägt entsprechend seinen Mitteln und seinem Vermögen dazu bei."
1 Klubs - 2 Oberster Rat für öffentlichen Unterricht
32 Marx /Engels, Werke, Bd. 7 '
KAP. III. VON DEN STAATSGEWALTEN Dieses Kapitel behauptet: 1. „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus und können nicht erblich übertragen werden." 2. „Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien Regierung." Hier haben wir den alten Verfassungsunsinn. Die Voraussetzung für eine „freie Regierung" ist nicht die Trennung, sondern die Einheit der Gewalten. Die Regierungsmaschinerie kann gar nicht einfach genug sein. Es ist immer die Kunst der Spitzbuben, sie kompliziert und geheimnisvoll zu machen.
KAP. IV. VON DER GESETZGEBENDEN GEWALT Die gesetzgebende Gewalt wird einer einzigen Versammlung von 750 Repräsentanten, einschließlich der Vertreter Algeriens und der Kolonien, übertragen. Jede Versammlung, die zur Revision der Verfassung einberufen werden sollte, muß aus 900 Personen bestehen. Das Wahlsystem stützt sich auf die Bevölkerungszahl. Jetzt folgen vier Paragraphen, die vollständig wiedergegeben werden müssen:
„§ 24. Das Wahlrecht ist direkt und allgemein, die Abstimmung ist geheim." „§ 25. Wähler sind alle Franzosen, welche 21 Jahre alt und im Genüsse ihrer politischen und zivilen Rechte sind, ohne Rücksicht auf irgendeinen Wahlzensus." „§ 26. Alle Wähler, die das Alter von 25 Jahren erreicht haben, können als Repräsentanten gewählt werden, ohne Beschränkung durch den Wohnsitz." „ § 27. Das Wahlgesetz wird die Gründe bestimmen, wodurch einem französischen Bürger das Recht zu wählen und gewählt zu werden entzogen werden kann." Die obigen Artikel sind genau in demselben Geist abgefaßt wie die ganze übrige Konstitution. „Alle Franzosen, die im Genüsse ihrer politischen Rechte sind, sind wahlberechtigt" - doch „das Wahlgesetz" hat zu entscheiden, welcher Franzose die politischen Rechte nicht besitzen soll! Das Wahlgesetz vom 15. März 1849 rechnet unter diese Kategorie alle kriminellen Verbrecher, aber nicht Personen, die sich politischer Vergehen schuldig gemacht haben. Das Wahlgesetz vom 31. Mai 1850 fügte nicht nur diese Personen hinzu - alle diejenigen, die wegen „Vergehens gegen die althergebrachten Ansichten" und gegen die Pressegesetze verurteilt wurden -, sondern führte praktisch Wohnortsbeschränkungen ein, durch die zwei Drittel des französischen Volkes des Wahlrechts beraubt wurden! Das versteht man in Frankreich unter „direktem und allgemeinem Wahlrecht".
„§ 28. Die Ausübung jedes bezahlten öffentlichen Amtes ist mit dem Mandat eines Volksrepräsentanten unvereinbar. Kein Volksrepräsentant kann während der Dauer der Session bezahlte öffentliche Ämter einnehmen, die von der vollziehenden Gewalt abhängen." Diese beiden Bestimmungen wurden durch spätere Entscheidungen eingeschränkt und sind im wesentlichen nahezu aufgehoben. „§ 30. Die Wahl erfolgt nach Departements, in dem Hauptort des Bezirks und mit Stimmschein." „§ 31. Die Nationalversammlung wird für drei Jahre gewählt; danach muß eine Neuwahl stattfinden." „§ 32. Sie ist permanent, kann sich jedoch vertagen und muß dann eine Kommission zu ihrer Vertretung ernennen, welche aus 25 Deputierten und den Mitgliedern des Büros der Versammlung besteht. Diese Kommission ist ermächtigt, die Versammlung im Notfalle einzuberufen." §§ 33-38. Die Repräsentanten sind wiederwählbar. Sie sind an keine bestimmten Weisungen gebunden, sie sind unverletzlich und können wegen der Meinungen, welche sie innerhalb der Nationalversammlung äußern, nicht verfolgt oder verurteilt werden. Sie erhalten eine Entschädigung, auf welche sie nicht verzichten dürfen. Was die „Unverletzlichkeit des Repräsentanten" und sein „Recht auf freie Meinungsäußerung" betrifft, so nahm die Mehrheit nach dem 13. Juni ein neues reglement an, das denPräsidenten der Nationalversammlung ermächtigt, über einen Abgeordneten die Zensur zu verhängen, ihn mit einer Geldstrafe zu belegen, ihm seine Entschädigung zu entziehen und ihn vorübergehend auszuschließen - womit die „Meinungsfreiheit" völlig aufgehoben ist. Im Jahre 1850 nahm die Versammlung ein Gesetz an, durch das Repräsentanten sogar während der Tagung des Hauses wegen Schulden verhaftet werden können und, wenn sie nicht in einer angegebenen Frist bezahlen, ihre Mandate als Repräsentanten verlieren. Somit gibt es in Frankreich weder das Recht der freien Meinungsäußerung noch die Unverletzlichkeit des Repräsentanten - sondern lediglich die Unverletzlichkeit des Gläubigers. §§39-42. Die Sitzungen der Versammlung sind öffentlich. Nichtsdestoweniger kann sich die Versammlung auf Verlangen der erforderlichen Anzahl Repräsentanten zu einem geheimen Komitee konstituieren. Um ein Gesetz rechtsgültig zu erlassen, muß es von einer Stimme mehr als der Hälfte aller Repräsentanten beschlossen werden. Abgesehen von dringenden Fällen kann ein Gesetz nur nach drei Lesungen mit einem Abstand von jeweils 5 Tagen angenommen werden.
Diese Ordnung, die aus der englischen „Konstitution" entlehnt wurde, wird in Frankreich bei wichtigen Anlässen nie eingehalten - gerade bei denjenigen nicht, bei denen sie am nötigsten wäre. Zum Beispiel wurde das Wahlgesetz vom 31. Mai nach einer Lesung angenommen.
KAP. V. VON DER VOLLZIEHENDEN GEWALT
§§43-44. Die vollziehende Gewalt wird einem Präsidenten übertragen. Der Präsident muß ein geborener Franzose sein, wenigstens 30 Jahre alt, und darf niemals die französischen Bürgerrechte verloren haben. Der erste Präsident der Französischen Republik, L. N. Bonaparte, hatte nicht nur seine französischen Bürgerrechte verloren, war nicht nur ein englischer Spezial-Konstabler gewesen, sondern auch ein naturalisierter Schweizer. §§ 45-70. Der Präsident der Republik ist für vier Jahre gewählt und erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsperiode wiederwählbar. Dieselben Beschränkungen gelten für seine Verwandten bis zum sechsten Grade einschließlich. Die Wahl soll am zweiten Sonntag des Monats Mai stattfinden. Wenn der Präsident zu einer anderen Zeit gewählt wurde, so erlöschen seine Vollmachten am zweiten Sonntag des Monats Mai im vierten Jahre nach seiner Wahl. Er wird in geheimer Abstimmung und mit absoluter Mehrheit gewählt. Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, jedoch wenigstens zwei Millionen erlangt, wählt die Nationalversammlung den Präsidenten unter den fünf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Der Präsident muß der Verfassung die Treue schwören; er hat das Recht, durch seine Minister der Nationalversammlung Gesetzentwürfe vorzulegen; er kann über die bewaffnete Macht verfügen, ohne sie persönlich zu befehligen; er darf keinen Teil des französischen Territoriums abtreten, die Nationalversammlung weder auflösen noch vertagen, noch die Konstitution außer Kraft setzen. Er schließt und ratifiziert alle Verträge, die aber nur verbindlich sind, wenn sie von der Nationalversammlung gebilligt wurden. Er darf keinen Krieg ohne Zustimmung der Nationalversammlung unternehmen; er kann das Begnadigungsrecht ausüben, aber keine Amnestie erlassen. Wer von dem Haute Cour1 verurteilt wurde, kann nur durch die Nationalversammlung begnadigt werden. Der Präsident kann die Verkündung eines Gesetzes aufschieben und fordern, daß die Versammlung noch einmal darüber berate.
1 Hochgericht
Eine solche Beratung beschließt dann jedoch endgültig. Er ernennt Botschafter und Minister und hat das Recht, die von den Bürgern gewählten Bürgermeister, Departementsräte, Nationalgarden usw. für drei Monate zu suspendieren. Alle seine Dekrete müssen durch die Minister gegengezeichnet sein, mit Ausnahme der Entlassungen der Minister selbst. Der Präsident, die Minister und die Beamten sind, jeder für seinen Teil, verantwortlich für alle Handlungen der Regierung. Jede Handlung, durch die der Präsident die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit der Nationalversammlung beeinflußt, verzögert oder verhindert, ist ein Akt des Hochverrats. Durch eine solche Handlung ist der Präsident sogleich seines Amtes enthoben - es wird zur Pflicht eines jeden Bürgers, seinen Anordnungen den Gehorsam zu verweigern; seine Amtsgewalt geht sofort an die Nationalversammlung über; die Richter des Haute Cour de Justice treten unverzüglich zusammen und berufen das Gericht an einen von ihnen festgesetzten Ort, um den Präsidenten und seine Mitschuldigen abzuurteilen. Der Präsident verfügt über einen offiziellen Wohnsitz und ein Jahresgehalt von 600000 Francs oder £24000. (Er erhält jetzt 2160000 Francs oder £ 86400.) Die Minister haben ex officio1 einen Sitz in der Nationalversammlung und können so oft sprechen, wie sie wünschen. Die Nationalversammlung wählt unter drei Kandidaten, die der Präsident innerhalb eines Monats nach seiner eignen Wahl benennt, einen Vizepräsidenten der Republik. Der Vizepräsident leistet den gleichen Eid wie der Präsident; er darf kein Verwandter des Präsidenten sein; er übernimmt die Stelle des Präsidenten, wenn dieser verhindert ist, und amtiert als Präsident des Staatsrates. Wenn das Amt des Präsidenten durch Todesfall oder aus anderen Gründen frei wird, muß binnen Monatsfrist eine Neuwahl stattfinden.
KAP. VI. VOM STAATSRAT
§§ 71-75. Der Staatsrat ist eine lediglich beratende Körperschaft zur Prüfung der Gesetzentwürfe der Regierung und derjenigen, welche von der Versammlung an ihn verwiesen werden.
KAP. VII. VON DER INNEREN VERWALTUNG Dieser Abschnitt handelt von den Beamten2, den höheren Beamten, den Gemeinde- und Kantonalräten. Der einzige Artikel von Bedeutung und der
1 von Amts wegen - 2 in „Notes to the People" offensichtlich ein Druckfehler: clergy (Geistlichkeit) statt clerks (Beamten)
jenige, von dem im größtmöglichen Ausmaß Gebrauch gemacht wird, ist der folgende:
„ § 80. Die Generalräte, die Kantonalräte und die Gemeinderäte können durch den Präsidenten mit Zustimmung des Staatsrates aufgelöst werden."
KAP. VIII. VON DER GERICHTLICHEN GEWALT
Im Grunde genommen wiederholt dieser Abschnitt lediglich die Verordnungen des Kaisers Napoleon. Die folgenden Zusätze sind jedoch bemerkenswert:
„§81. Im Namen des französischen Volkes wird die Rechtspflege unentgeltlich ausgeübt." Das trifft so wenig zu, daß man nicht einmal umsonst geköpft wird! §§91 -100 behandeln den Haute Cour de Justice, der allein berechtigt ist, über den Präsidenten Gericht zu halten, vor dem die Minister und alle Personen, von denen es die Nationalversammlung für richtig hält, sie wegen politischer Vergehen vor dieses Tribunal zu stellen, angeklagt werden können. Dieses „Hochgericht" besteht aus fünf Richtern, die der Kassationshof (das höchste Tribunal in Frankreich) aus seinen Mitgliedern wählt, und aus sechsunddreißig Geschworenen, welche sich aus Mitgliedern der Generalräte der Departements, einer völlig aristokratischen Körperschaft, zusammensetzen. Die einzigen Personen, die von diesem Gerichtshof bisher verurteilt wurden, sind die Angeklagten des ! 5. Mai 1848 (hier treten die Namen Barbes, Blanqui und andere im Urteil hervor!) und die Deputierten, die sich am 13. Juni 1849 kompromittiert hatten. Durch das Gesetz vom 7. August 1848 werden alle diejenigen, die nicht lesen und schreiben können, aus der Liste der Geschworenen gestrichen und somit zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung disqualifiziert!
KAP. IX. VON DER BEWAFFNETEN GEWALT
Das alte Militärgesetz bleibt vollständig bestehen. Für die Vergehen der Soldaten sind die Zivilgerichtshöfe nicht zuständig. Der folgende Paragraph kennzeichnet den Geist dieser Konstitution.
„§ 102. Jeder Franzose ist zum Dienst in der Armee und in der Nationalgarde verpflichtet, mit Ausnahme der Fälle, die das Gesetz bestimmt."
Jeder, der Geld hat, kann sich von der Dienstpflicht befreien. Durch das jetzt zur Beratung stehende Gesetz, das in zweiter Lesung bereits durchgegangen ist, werden die arbeitenden Klassen gänzlich aus den
Reihen der Nationalgarde ausgeschlossen! Darüber hinaus hat der Präsident das Recht, die Nationalgarden jeder Gemeinde für ein Jahr zu suspendieren und in der Tat wurde in halb Frankreich die Nationalgarde aufgelöst!
KAP. X. BESONDERE VERFÜGUNGEN
„ § 110. Die Nationalversammlung vertraut die Konstitution der Wachsamkeit und dem Patriotismus des gesamten Volkes an" - und vertraut die „Wachsamen" und „Patriotischen" der Barmherzigkeit des Haute Cour an! - 13. Juni!
KAP. XI. VON DER REVISION DER KONSTITUTION
„ § III. Sollte die Nationalversammlung am Ende ihrer Session den Wunsch nach einer vollständigen oder teilweisen Änderung der Konstitution aussprechen, dann soll die Revision in folgender Weise durchgeführt werden: Der durch die Nationalversammlung ausgesprochene Wunsch kann nur Gesetzeskraft erlangen nach drei aufeinanderfolgenden Verhandlungen, die mit je einem Monat Zwischenraum stattfinden müssen, und mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen, wobei die Anzahl der Stimmenden wenigstens 500 betragen muß. Die eigens für die Revision einberufene Versammlung wird nur auf drei Monate gewählt und soll sich, abgesehen von sehr dringenden Fällen, mit keinen anderen Fragen beschäftigen."
So sieht die „Konstitution der Französischen Republik" aus, und das ist die Art und Weise, in der von ihr Gebrauch gemacht wurde. Der Leser erkennt sofort, daß sie von Anfang bis Ende eine Menge schöner Worte ist, die eine höchst betrügerische Absicht verbergen. Schon durch ihren Wortlaut wird ihre Verletzung unmöglich gemacht, denn jede ihrer Bestimmungen enthält ihre eigene Antithese - hebt sich selbst vollständig auf. Zum Beispiel: „Das Wahlrecht ist direkt und allgemein" - „ausgenommen die Fälle, die das Gesetz bestimmen wird." Daher kann man nicht sagen, daß das Gesetz vom 31. Mai 1850 (das zwei Dritteln der Bevölkerung das Wahlrecht entzieht) die Konstitution überhaupt verletzt. Die Konstitution wiederholt immer wieder die Formulierung, daß die Regelung und Begrenzung der Rechte und Freiheiten des Volkes (z.B. des Vereinigungsrechts, des Wahlrechts, der Freiheit der Presse, des Unterrichts usw.) durch ein nachfolgendes organisches Gesetz festgelegt werden soll und diese „organischen Gesetze" „bestimmen" die versprochene Freiheit, indem sie sie vernichten. Diesen Trick, die volle Freiheit zu versprechen, die schönsten Prinzipien festzulegen und ihre Anwendung, die Details, der Ent
Scheidung „nachfolgender Gesetze" zu überlassen, hat die österreichische und preußische Bourgeoisie von ihren französischen Vorbildern übernommen, denn dasselbe wurde in der französischen Konstitution von 1830 und in den vorangegangenen Konstitutionen getan. Volk! Kümmere dich ebensosehr um die Details wie um die Prinzipien, bevor du zur Macht gelangst. Im englischen Konvent wurde deshalb gerade um diesen Punkt gekämpft!13311 Die einzigen bestimmten und endgültigen Klauseln der ganzen Konstitution sind diejenigen über die Präsidentenwahl (§45) und über die Revision der Konstitution (§111). Sie sind die einzigen Bestimmungen, die verletzt werden können, weil sie die einzigen sind, die sich nicht selbst widersprechen. Sie waren von der konstituierenden Versammlung des Jahres 1848 direkt gegen Bonaparte gerichtet, dessen Intrigen um das Präsidentenamt die Deputierten alarmierte. Die ewigen Widersprüche dieses Humbugs von einer Konstitution zeigen klar genug, daß die Bourgeoisie zwar in Worten demokratisch sein kann, aber nicht in ihren Handlungen, sie wird die Wahrheit eines Prinzips anerkennen, es aber nie in die Praxis umsetzen - und die wirkliche „Konstitution" Frankreichs findet sich nicht in der Charta, die wir wiedergegeben haben, sondern in den auf ihrer Grundlage erlassenen organischen Gesetzen, welche wir dem Leser kurz umrissen haben. Die Prinzipien waren vorhanden - die Details wurden der Zukunft überlassen, und mit jenen Details wurde die schamlose Tyrannei wieder zum Gesetz erhoben! Das in Frankreich erreichte Übermaß an Despotismus wird durch die folgenden Bestimmungen für die Arbeiter offensichtlich: Jeder Arbeiter erhält von der Polizei ein Buch, dessen erste Seite seinen Namen, Alter, Geburtsort, Gewerbe oder Beruf und eine Beschreibung seiner Person enthält. Er ist verpflichtet, den Namen des Unternehmers, für den er arbeitet, darin einzutragen sowie die Gründe, warum er ihn verläßt. Doch das ist noch nicht alles: Das Buch wird seinem Unternehmer übergeben und von diesem, versehen mit einer Charakterisierung des Arbeiters, im Polizeibüro hinterlegt. Wenn ein Arbeiter seine Stellung aufgibt, muß er zum Polizeibüro gehen und dieses Buch holen; er darf keine andere Stelle annehmen, ohne es vorzulegen. Dadurch hängt das Brot des Arbeiters völlig von der Polizei ab. Doch das ist wiederum noch nicht alles: Dieses Buch erfüllt den Zweck eines Passes. Wenn der Arbeiter sich unbeliebt gemacht hat, schreibt die Polizei hinein: „bon pour retourner chez lui"1, und er muß in seinen Heimatort zurück
1 „gilt für die Heimreise"
kehren! Die Enthüllung dieser furchtbaren Tatsache braucht keinen Kommentar! Überlassen wir es dem Leser, sich selbst die volle Auswirkung auszumalen und den tatsächlichen Konsequenzen nachzuspüren. Nicht einmal in der Leibeigenschaft der Feudalzeit oder in dem Pariawesen Indiens findet sich eine Parallele. Ist es da ein Wunder, wenn das französische Volk auf die Stunde des Aufstands wartet. Ist es ein Wunder, wenn sein Unwille einen Sturm entfesselt. Es war gnädig im Jahre 1830, es war gnädig im Jahre 1848; doch seitdem wurde seine Freiheit verschachert und sein Blut in Strömen vergossen; jedes Gefängnis in Frankreich ist mit lebenslänglich Verurteilten überfüllt, 15000 wurden auf einen Schub deportiert, und jetzt lastet auf ihm der fürchterliche Despotismus, den wir beschrieben haben. Ist es da ein Wunder, wenn die Bourgeoisie das Volk fürchtet und ihre letzte Kraft anspannt, um die Stunde der Vergeltung hinauszuschieben. Doch sie ist in sich gespalten. Sie hat zu viele widersprüchliche Bestrebungen, und als erste steht auf dem Programm: DAS SPIEL NAPOLEONS Die Frage ist jetzt, ob die Amtszeit des Präsidenten verlängert und die Konstitution revidiert werden soll. Napoleon kann ohne einen offenen Bruch der Konstitution nicht wiedergewählt werden, erstens weil er vor Ablauf einer Periode von vier Jahren nach seiner Amtszeit nicht wiedergewählt und zweitens weil die Konstitution nur durch eine Zweidrittelmehrheit geändert werden kann. Eine solche Mehrheit gibt es in dieser Frage nicht, und daher ist eine verfassungsmäßige Wiederwahl nicht möglich. Darum gibt es für Bonaparte nur die eine Alternative: der Konstitution zu trotzen, zu den Waffen zu greifen und die Sache auszufechten oder zum vorgeschriebenen Zeitpunkt sein Amt dem Gesetz entsprechend zu übergeben. Im letzteren Falle würde Cavaignac Präsident und die Republik der Bourgeoisie wäre vollendet. Im ersteren Falle sind die Folgen komplizierter. Das Spiel Napoleons geht deshalb jetzt darauf hinaus, die Unzufriedenheit des Volkes zu schüren. Die Bourgeoisie ist der Feind Napoleons - das Volk weiß das, und es besteht zwischen ihnen ein Band der Sympathie. Er teilt jedoch den Makel der Unterdrückung mit der Bourgeoisie; wenn er diesen völlig von seinen Schultern auf ihre abwälzen kann, dann ist ein großes Hindernis beseitigt. Daß er dies anstrebt, bewies seine kürzliche Rede in Dijon, wo er sagte: „Die Nationalversammlung hat alle schlechten Gesetze in Kraft gesetzt; jedes gute Gesetz, das ich vorgeschlagen habe, wurde von dieser Körperschaft verworfen oder verstümmelt. Sie haben alle meine Bemühungen, eure Bedingungen zu verbessern, vereitelt und den Verbesserungen Hindernisse entgegengestellt, wo es keine gab."
So bemüht er sich, den Blitz von seinem Haupt auf die Versammlung abzuleiten. Unterdessen ist die Armee eher für ihn als für die letztere Körperschaft - und das Elend des Volkes ist derart, daß nach Meinung der breiten Masse beinahe jede Änderung eine Besserung bedeuten müsse, während die Einsichtigen nur eine Minderheit sind. Deshalb würde das Volk, wenn vielleicht die Bourgeoisie angesichts der Entschlossenheit Napoleons unter Cavaignac den Kampf wagen würde, bestimmt gegen sie kämpfen - und Napoleon würde auf Seiten des Volkes kämpfen. Vereint würden sie sich für die Versammlung als zu stark erweisen. Doch dann würde der kritische Zeitpunkt eintreten, da die Versammlung herausfinden würde, daß das Volk im Begriff ist zu siegen, und sie würde das kleinere der beiden Übel wählen. Sie würde ein Kaiserreich oder eine Diktatur Napoleons einer demokratischen und sozialen Republik vorziehen und deshalb mit dem Präsidenten zu einer Einigung kommen. Da der letztere die demokratische Macht ebenso wie sie fürchtet, würde er ihre Hilfe annehmen. Die Armee oder zumindest ein Teil derselben würde durch die Erregung, die Gefahr und den „Ruhm" des Kampfes Napoleon noch mehr ergeben sein; und die Auseinandersetzung würde damit ein neues Gesicht bekommen - die Armee und die Bourgeoisie gegen das Volk. Der Ausgang hängt von dem Mut, der Klugheit und der Einigkeit des Volkes ab. Das Spiel Napoleons besteht darin, erst das Volk gegen die Bourgeoisie, dann die Bourgeoisie gegen das Volk auszuspielen und die Armee gegen beide zu gebrauchen. Die Zukunft geht mit großen Ereignissen schwanger, und das gegenwärtige Frankreich ist eines der interessantesten Studienobjekte, welche die Geschichte bietet.
Aus dem Englischen.
Beilagen
Verzeichnis der Beilagen
A. Friedrich Engels: Einleitung zu „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" von Karl Marx (Ausgabe 1895)
B. Friedrich Engels: Vorbemerkung zu „Der deutsche Bauernkrieg" (1870 und 1875)
C. Aufzeichnungen und Dokumente (September 1849 — Februar- 1851)
A. Friedrich Engels: Einleitung zu „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" von Karl Marx (Ausgabe 1895)

Einleitung [zu „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" von Karl Marx (Ausgabe 1895)l332Ij
Die hiermit neu herausgegebene Arbeit war Marx' erster Versuch, ein Stück Zeitgeschichte vermittelst seiner materialistischen Auffassungsweise aus der gegebenen ökonomischen Lage zu erklären. Im „Kommunistischen Manifest" war die Theorie in großen Umrissen auf die ganze neuere Geschichte angewandt, in Marx' und meinen Artikeln der „Neuen Rheinischen Zeitung" war sie fortwährend benutzt worden zur Deutung gleichzeitiger politischer Ereignisse. Hier dagegen handelte es sich darum, im Verlauf einer mehrjährigen, für ganz Europa sowohl kritischen wie typischen Entwicklung den inneren Kausalzusammenhang nachzuweisen, also, im Sinn des Verfassers, die politischen Begebenheiten zurückzuführen auf Wirkungen von in letzter Instanz ökonomischen Ursachen. Bei der Beurteilung von Ereignissen und Ereignisreihen aus der Tagesgeschichte wird man nie imstande sein, bis auf die letzten ökonomischen Ursachen zurückzugehn. Selbst heute noch, wo die einschlägige Fachpresse so reichlichen Stoff liefert, wird es sogar in England unmöglich bleiben, den Gang der Industrie und des Handels auf dem Weltmarkt und die in den Prcduktionsmethoden eintretenden Änderungen Tag für Tag derart zu verfolgen, daß man für jeden beliebigen Zeitpunkt das allgemeine Fazit aus diesen mannigfach verwickelten und stets wechselnden Faktoren ziehen kann, Faktoren, von denen die wichtigsten obendrein meist lange Zeit im verborgenen wirken, bevor sie plötzlich gewaltsam an der Oberfläche sich geltend machen. Der klare Uberblick über die ökonomische Geschichte einer gegebenen Periode ist nie gleichzeitig, ist nur nachträglich, nach erfolgter Sammlung und Sichtung des Stoffes, zu gewinnen. Die Statistik ist hier notwendiges Hülfsmittel, und sie hinkt immer nach. Für die laufende Zeitgeschichte wird man daher nur zu oft genötigt sein, diesen den entscheidendsten Faktor als konstant, die am Anfang der betreffenden Periode vorgefundene ökonomische Lage als für die ganze Periode gegeben und unveränderlich zu behandeln oder nur solche Veränderungen dieser Lage zu berücksichtigen, die aus den offen vorliegenden Ereignissen selbst entspringen und daher ebenfalls offen zutage liegen. Die materialistische Methode wird sich daher hier nur zu oft darauf
beschränken müssen, die politischen Konflikte auf Interessenkämpfe der durch die ökonomische Entwicklung gegebenen, vorgefundenen Gesellschaftsklassen und Klassenfraktionen zurückzuführen und die einzelnen politischen Parteien nachzuweisen als den mehr oder weniger adäquaten politischen Ausdruck dieser selben Klassen und Klassenfraktionen. Es ist selbstredend, daß diese unvermeidliche Vernachlässigung der gleichzeitigen Veränderungen der ökonomischen Lage, der eigentlichen Basis aller zu untersuchenden Vorgänge, eine Fehlerquelle sein muß. Aber alle Bedingungen einer zusammenfassenden Darstellung der Tagesgeschichte schließen unvermeidlich Fehlerquellen in sich; was aber niemanden abhält, Tagesgeschichte zu schreiben. Als Marx diese Arbeit unternahm, war die erwähnte Fehlerquelle noch viel unvermeidlicher. Während der Revolutionszeit 1848/49 die sich gleichzeitig vollziehenden ökonomischen Wandlungen zu verfolgen oder gar den Überblick über sie zu behalten, war rein unmöglich. Ebenso während der ersten Monate des Exils in London, Herbst und Winter 1849/50. Das war aber gerade die Zeit, wo Marx die Arbeit begann. Und trotz dieser Ungunst der Umstände befähigte ihn seine genaue Kenntnis, sowohl der ökonomischen Lage Frankreichs vor wie der politischen Geschichte dieses Landes seit der Februarrevolution, eine Darstellung der Ereignisse zu geben, die deren inneren Zusammenhang in einer auch seitdem unerreichten Weise aufdeckt und die später von Marx selbst angestellte zweifache Probe glänzend bestanden hat. Die erste Probe erfolgte dadurch, daß seit Frühjahr 1850 Marx wieder Muße gewann für ökonomische Studien und zunächst die ökonomische Geschichte der letzten zehn Jahre vornahm. Dadurch wurde ihm aus den Tatsachen selbst vollständig Idar, was er bisher aus lückenhaftem Material halb aprioristisch gefolgert hatte: daß die Welthandelskrise von 1847 die eigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolutionen gewesen und daß die seit Mitte 1848 allmählich wieder eingetretene, 1849 und 1850 zur vollen Blüte gekommene industrielle Prosperität die belebende Kraft der neuerstarkten europäischen Reaktion war. Das war entscheidend. Während in den drei ersten Artikeln (erschienen im Januar-, Februar- und Märzheft der „N. Rh. Z. Politisch-ökonomische Revue", Hamburg 18501) noch die Erwartung eines baldigen neuen Aufschwunges revolutionärer Energie durchgeht, bricht die von Marx und mir verfaßte geschichtliche Übersicht des letzten, Herbst 1850 erschienenen Doppelheftes (Mai bis Oktober) ein für allemal mit diesen Illusionen: „Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krisis. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese."2 Das war aber auch die einzige wesentliche Änderung, die vorzunehmen war. An der in den früheren Abschnitten gegebenen Deutung der Ereignisse, an den darin hergestellten ursächlichen Zusammenhängen war absolut nichts zu ändern, wie die in der
1 Siehe vorl. Band, S. 9-94 - 2 siehe vorl. Band, S. 440
selben Übersicht gegebene Fortführung der Erzählung vom 10. März bis in den Herbst 1850 beweist. Ich habe diese Fortsetzung daher als vierten Artikel in gegenwärtigen Neudruck mit aufgenommen.1 Die zweite Probe war noch härter. Gleich nach Louis Bonapartes Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 bearbeitete Marx aufs neue die Geschichte Frankreichs vom Februar 1848 bis auf dies die Revolutionsperiode einstweilen abschließende Ereignis. („Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte", dritte Auflage, Hamburg, Meißner 1885.) In dieser Broschüre ist die in unserer Schrift dargestellte Periode, wenn auch kürzer, wieder behandelt. Man vergleiche diese zweite, im Licht des über ein Jahr später fallenden, entscheidenden Ereignisses geschriebene Darstellung mit der unseren, und man wird finden, daß der Verfasser nur sehr wenig zu ändern hatte. Was unserer Schrift noch eine ganz besondere Bedeutung gibt, ist der Umstand, daß sie zuerst die Formel ausspricht, in welcher die allgemeine Einstimmung der Arbeiterparteien aller Länder der Welt ihre Forderung der ökonomischen Neugestaltung kurz zusammenfaßt: die Aneignung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft. Im zweiten Kapitel, gelegentlich des „Rechts auf Arbeit", das bezeichnet wird als „erste unbeholfene Formel, worin sich die revolutionären Ansprüche des Proletariats zusammenfassen", heißt es: „... aber hinter dem Recht auf Arbeit steht die Gewalt über das Kapital, hinter der Gewalt über das Kapital die Aneignung der Produktionsmittel, ihre Unterwerfung unter die assoziierte Arbeiterklasse, also die Aufhebung der Lohnarbeit wie des Kapitals und ihres Wechselverhältnisses."2 Hier ist also zum erstenmal - der Satz formuliert, durch den der moderne Arbeitersozialismus sich scharf unterscheidet ebensowohl von allen verschiedenen Schattierungen des feudalen, bürgerlichen, kleinbürgerlichen etc. Sozialismus wie auch von der konfusen Gütergemeinschaft des utopischen wie des naturwüchsigen Arbeiterkommunismus. Wenn später Marx die Formel ausdehnte auf Aneignung auch der Austauschmittel, so sprach diese Erweiterung, die übrigens nach dem „Kommunistischen Manifest" sich von selbst verstand, nur ein Korollar des Hauptsatzes aus. Einige weise Leute in England haben dann neuerdings noch hinzugefügt, daß auch die „Mittel der Verteilung' der Gesellschaft überwiesen werden sollen. Es würde diesen Herren schwer werden, zu sagen, welches denn diese, von den Produktions- und Austauschmitteln verschiedenen, ökonomischen Verteilungsmittel sind; es seien denn politische Verteilungsmittel gemeint, Steuern, Armenunterstützung, einschließlich der Sachsenwald-'3331 und andern Dotationen. Aber diese sind erstens ja schon jetzt Verteilungsmittel im Besitz der Gesamtheit, des Staates oder der Gemeinde, und zweitens wollen wir sie ja gerade abschaffen.
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1 Siehe vorl. Band, S. 95-107 - 2 siehe vorl. Band, S. 41-42
33 Marx'Engels, Werke, Bd. 7
Als die Februarrevolution ausbrach, standen wir alle, was unsere Vorstellungen von den Bedingungen und dem Verlauf revolutionärer Bewegungen betraf, unter dem Bann der bisherigen geschichtlichen Erfahrung, namentlich derjenigen Frankreichs. Diese letztere war es ja gerade, die die ganze europäische Geschichte seit 1789 beherrscht hatte, von der auch jetzt wieder das Signal zur allgemeinen Umwälzung ausgegangen war. So war es selbstredend und unvermeidlich, daß unsere Vorstellungen von der Natur und dem Gang der in Paris, im Februar 1848, proklamierten „sozialen" Revolution, der Revolution des Proletariats, stark gefärbt waren durch die Erinnerungen der Vorbilder von 1789-1830. Und vollends, als die Pariser Erhebung ihr Echo fand in den siegreichen Aufständen von Wien, Mailand, Berlin, als ganz Europa bis an die russische Grenze in die Bewegung hineingerissen war; als dann im Juni in Paris die erste große Schlacht um die Herrschaft zwischen Proletariat und Bourgeoisie geschlagen wurde; als selbst der Sieg ihrer Klasse die Bourgeoisie aller Länder so erschütterte, daß sie wieder in die Arme der eben erst gestürzten monarchisch-feudalen Reaktion zurückfloh - da konnte unter damaligen Umständen für uns kein Zweifel sein, daß der große Entscheidungskampf angebrochen sei, daß er ausgefochten werden müsse in einer einzigen langen und wechselvollen Revolutionsperiode, daß er aber nur enden könne mit dem endgültigen Sieg des Proletariats. Wir teilten nach den Niederlagen von 1849 keineswegs die Illusionen der um die provisorischen Zukunftsregierungen in partibus'721 gruppierten Vulgärdemokratie. Diese rechnete auf einen baldigen, ein für allemal entscheidenden Sieg des „Volkes" über die „Dränger"; wir auf einen langen Kampf, nach Beseitigung der „Dränger", unter den in eben diesem „Volk" sich verbergenden gegensätzlichen Elementen. Die Vulgärdemokratie erwartete den erneuten Losbruch von heute auf morgen; wir erklärten schon Herbst 1850, daß wenigstens der erste Abschnitt der revolutionären Periode abgeschlossen und nichts zu erwarten sei bis zum Ausbruch einer neuen ökonomischen Weltkrise. Weswegen wir auch in Acht und Bann getan wurden als Verräter an der Revolution, von denselben Leuten, die nachher fast ohne Ausnahme ihren Frieden mit Bismarck gemacht haben - soweit Bismarck sie der Mühe wert fand. Die Geschichte hat aber auch uns unrecht gegeben, hat unsere damalige Ansicht als eine Illusion enthüllt. Sie ist noch weiter gegangen: Sie hat nicht nur unseren damaligen Irrtum zerstört, sie hat auch die Bedingungen total umgewälzt, unter denen das Proletariat zu kämpfen hat. Die Kampfweise von 1848 ist heute in jeder Beziehung veraltet, und das ist ein Punkt, der bei dieser Gelegenheit näher untersucht zu werden verdient. Alle bisherigen Revolutionen liefen hinaus auf die Verdrängung einer bestimmten Klassenherrschaft durch eine andere; alle bisherigen herrschenden Klassen waren aber nur kleine Minoritäten gegenüber der beherrschten Volksmasse. Eine herrschende Minorität wurde so gestürzt, eine andere Minorität
ergriff an ihrer Stelle das Staatsruder und modelte die Staatseinrichtungen nach ihren Interessen um. Es war dies jedesmal die durch den Stand der ökonomischen Entwicklung zur Herrschaft befähigte und berufene Minoritätsgruppe, und gerade deshalb, und nur deshalb, geschah es, daß die beherrschte Majorität sich bei der Umwälzung entweder zugunsten jener beteiligte oder sich doch die Umwälzung ruhig gefallen ließ. Aber wenn wir vom jedesmaligen konkreten Inhalt absehen, war die gemeinsame Form aller dieser Revolutionen die, daß sie Minoritätsrevolutionen waren. Selbst wenn die Majorität dazu mittat, geschah es - wissentlich oder nicht - nur im Dienst einer Minorität; diese aber erhielt dadurch, oder auch schon durch die passive widerstandslose Haltung der Majorität, den Anschein, als sei sie Vertreterin des ganzen Volkes. Nach dem ersten großen Erfolg spaltete sich in der Regel die siegreiche Minorität; die eine Hälfte war mit dem Erlangten zufrieden, die andere wollte noch weiter gehn, stellte neue Forderungen, die wenigstens teilweise auch im wirklichen oder scheinbaren Interesse der großen Volksmenge waren. Diese radikaleren Forderungen wurden auch in einzelnen Fällen durchgesetzt; häufig aber nur für den Augenblick, die gemäßigtere Partei erlangte wieder die Oberhand, das zuletzt Gewonnene ging ganz oder teilweise wieder verloren; die Besiegten schrieen dann über Verrat oder schoben die Niederlage auf den Zufall. In Wirklichkeit aber lag die Sache meist so: Die Errungenschaften des ersten Sieges wurden erst sichergestellt durch den zweiten Sieg der radikaleren Partei; war dies und damit das augenblicklich Nötige erreicht, so verschwanden die Radikalen und ihre Erfolge wieder vom Schauplatz. Alle Revolutionen der neueren Zeit, angefangen von der großen englischen des siebzehnten Jahrhunderts, zeigten diese Züge, die untrennbar schienen von jedem revolutionären Kampf. Sie schienen anwendbar auch auf die Kämpfe des Proletariats um seine Emanzipation; anwendbar um so mehr, als gerade 1848 die Leute zu zählen waren, die auch nur einigermaßen verstanden, in welcher Richtung diese Emanzipation zu suchen war. Die proletarischen Massen selbst waren sogar in Paris noch nach dem Sieg absolut im unklaren über den einzuschlagenden Weg. Und doch war die Bewegung da, instinktiv, spontan, ununterdrückbar. War das nicht gerade die Lage, worin eine Revolution gelingen mußte, geleitet zwar von einer Minorität, aber diesmal nicht im Interesse der Minorität, sondern im eigentlichsten Interesse der Majorität? Waren in allen längeren revolutionären Perioden die großen Volksmassen so leicht durch bloße plausible Vorspiegelungen der vorwärtsdrängenden Minoritäten zu gewinnen, wie sollten sie weniger zugänglich sein für Ideen, die der eigenste Reflex ihrer ökonomischen Lage, die nichts anderes waren als der klare, verstandesgemäße Ausdruck ihrer von ihnen selbst noch unverstandenen, nur erst unbestimmt gefühlten Bedürfnisse? Allerdings hatte diese revolutionäre Stimmung der Massen fast immer, und meist sehr bald, einer Ermattung oder gar einem Umschlag ins Gegenteil Platz gemacht, so
bald die Illusion verraucht, die Enttäuschung eingetreten war. Aber hier handelte es sich nicht um Vorspiegelungen, sondern um die Durchführung der eigentlichsten Interessen der großen Mehrheit selbst, Interessen, die zwar damals dieser großen Mehrheit keineswegs klar waren, die ihr aber bald genug klar werden mußten, im Laufe der praktischen Durchführung, durch den überzeugenden Augenschein. Und wenn nun gar, wie im dritten Artikel von Marx nachgewiesen, im Frühjahr 1850 die Entwicklung der aus der „sozialen" Revolution von 1848 erstandenen bürgerlichen Republik die wirkliche Herrschaft in den Händen der - obendrein monarchistisch gesinnten - großen Bourgeoisie konzentriert, dagegen alle anderen Gesellschaftsklassen, Bauern wie Kleinbürger, um das Proletariat gruppiert hatte, derart, daß bei und nach dem gemeinsamen Sieg nicht sie, sondern das durch Erfahrung gewitzigte Proletariat der entscheidende Faktor werden mußte - war da nicht alle Aussicht vorhanden für den Umschlag der Revolution der Minorität in die Revolution der Majorität? Die Geschichte hat uns und allen, die ähnlich dachten, unrecht gegeben. Sie hat klargemacht, daß der Stand der ökonomischen Entwicklung auf dem Kontinent damals noch bei weitem nicht reif war für die Beseitigung der kapitalistischen Produktion; sie hat dies bewiesen durch die ökonomische Revolution, die seit 1848 den ganzen Kontinent ergriffen und die große Industrie in Frankreich, Österreich, Ungarn, Polen und neuerdings Rußland erst wirklich eingebürgert, aus Deutschland aber geradezu ein Industrieland ersten Ranges gemacht hat - alles auf kapitalistischer, im Jahre 1848 also noch sehr ausdehnungsfähiger Grundlage. Gerade diese industrielle Revolution aber ist es, die überall erst Klarheit geschaffen hat in den Klassenverhältnissen, die eine Menge von aus der Manufakturperiode und im östlichen Europa selbst aus dem Zunfthandwerk her überkommenen Zwischenexistenzen beseitigt, eine wirkliche Bourgeoisie und ein wirkliches großindustrielles Proletariat erzeugt und in den Vordergrund der gesellschaftlichen Entwicklung gedrängt hat. Dadurch aber ist der Kampf dieser beiden großen Klassen, der 1848 außerhalb Englands nur in Paris und höchstens in einigen großen Industriezentren bestand, erst über ganz Europa verbreitet worden und hat eine Intensität erlangt, wie sie 1848 noch undenkbar war. Damals die vielen unklaren Sektenevangelien mit ihren Panazeen, heute die eine allgemein anerkannte, durchsichtig klare, die letzten Zwecke des Kampfes scharf formulierende Theorie von Marx; damals die nach Lokalität und Nationalität geschiedenen und verschiedenen, nur durch das Gefühl gemeinsamer Leiden verknüpften, unentwickelten, zwischen Begeisterung und Verzweiflung ratlos hin und her geworfenen Massen, heute die eine große internationale Armee von Sozialisten, unaufhaltsam vorschreitend, täglich wachsend an Zahl, Organisation, Disziplin, Einsicht und Siegesgewißheit. Wenn sogar diese mächtige Armee des Proletariats noch immer nicht das Ziel erreicht hat, wenn sie, weit entfernt, den Sieg mit einem großen Schlag zu erringen, in hartem, zähem Kampf
von Position zu Position langsam vordringen muß, so beweist dies ein für allemal, wie unmöglich es 1848 war, die soziale Umgestaltung durch einfache Überrumpelung zu erobern. Eine in zwei dynastisch-monarchische Sektionen gespaltene Bourgeoisie13341, die aber vor allen Dingen Ruhe und Sicherheit für ihre Geldgeschäfte verlangte, ihr gegenüber ein zwar besiegtes, aber immer noch drohendes Proletariat, um das sich Kleinbürger und Bauern mehr und mehr gruppierten die stete Drohung eines gewaltsamen Ausbruchs, der bei alledem keine Aussicht auf endgültige Lösung bot -, das war die Situation, wie geschaffen für den Staatsstreich des dritten, des pseudo-demokratischen Prätendenten Louis Bonaparte. Vermittelst der Armee machte dieser am 2. Dezember 1851 der gespannten Situation ein Ende und sicherte Europa die innere Ruhe, um es dafür mit einer neuen Ära der Kriege13351 zu beglücken. Die Periode der Revolutionen von unten war einstweilen geschlossen; es folgte eine Periode der Revolutionen von oben. Der imperialistische Rückschlag von 1851 gab einen neuen Beweis von der Unreife der proletarischen Aspirationen jener Zeit. Aber er selbst sollte die Bedingungen schaffen, unter denen sie reifen mußten. Die innere Ruhe sicherte die volle Entwicklung des neuen industriellen Aufschwungs, die Notwendigkeit, die Armee zu beschäftigen und die revolutionären Strömungen nach außen abzulenken, erzeugte die Kriege, worin Bonaparte, unter dem Vorwand, das „Nationalitätsprinzip" zur Geltung zu bringen, Annexionen für Frankreich zu ergattern suchte. Sein Nachahmer Bismarck adoptierte dieselbe Politik für Preußen; er machte seinen Staatsstreich, seine Revolution von oben 1866 gegenüber dem deutschen Bund und Österreich, und nicht minder gegenüber der preußischen Konfliktskammer. Aber Europa war zu klein für zwei Bonapartes, und so wollte es die geschichtliche Ironie, daß Bismarck den Bonaparte stürzte und daß der König Wilhelm von Preußen nicht nur das kleindeutsche Kaisertum herstellte, sondern auch die französische Republik. Das allgemeine Ergebnis aber war, daß in Europa die Selbständigkeit und innere Einigung der großen Nationen, mit Ausnahme Polens, eine Tatsache geworden war. Freilich innerhalb relativ bescheidener Grenzen - aber immerhin so weit, daß der Entwicklungsprozeß der Arbeiterklasse nicht mehr an nationalen Verwicklungen ein wesentliches Hemmnis fand. Die Totengräber der Revolution von 1848 waren ihre Testamentsvollstrecker geworden. Und neben ihnen erhob sich schon drohend der Erbe von 1848, das Proletariat, in der Internationale. Nach dem Kriege von 1870/71 verschwindet Bonaparte vom Schauplatz und Bismarcks Mission ist vollendet, so daß er nun wieder zum ordinären Junker herabsinken kann. Den Abschluß der Periode aber bildet die Kommune vonParis. Ein heimtückischer Versuch von Thiers, der Pariser Nationalgarde ihre Geschütze zu stehlen, rief einen siegreichen Aufstand hervor. Es zeigte sich wieder, daß in Paris keine andere Revolution mehr möglich ist als
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eine proletarische. Die Herrschaft fiel der Arbeiterklasse nach dem Sieg ganz von selbst, ganz unbestritten in den Schoß. Und wiederum zeigte sich, wie unmöglich auch damals noch, zwanzig Jahre nach der in unserer Schrift geschilderten Zeit, diese Herrschaft der Arbeiterklasse war. Einerseits ließ Frankreich Paris im Stich, sah zu, wie es unter den Kugeln Mac-Mahons verblutete; andererseits verzehrte sich die Kommune im unfruchtbaren Streit der beiden sie spaltenden Parteien, der Blanquisten (Majorität) und der Proudhonisten (Minorität), die beide nicht wußten, was zu tun war. Ebenso unfruchtbar wie 1848 die Überrumpelung, blieb 1871 der geschenkte Sieg. Mit der Pariser Kommune glaubte man das streitbare Proletariat endgültig begraben. Aber ganz im Gegenteil, von der Kommune und vom DeutschFranzösischen Krieg datiert sein gewaltigster Aufschwung. Die totale Umwälzung des gesamten Kriegswesens durch die Einrangierung der ganzen waffenfähigen Bevölkerung in die nur noch nach Millionen zu berechnenden Armeen, durch Feuerwaffen, Geschosse und Explosivstoffe von bisher unerhörter Wirkungskraft machte einerseits der bonapartistischen Kriegsperiode ein jähes Ende und sicherte die friedliche industrielle Entwickelung, indem sie jeden anderen Krieg unmöglich machte als einen Weltkrieg von unerhörter Greuelhaftigkeit und von absolut unberechenbarem Ausgang. Andrerseits trieb sie durch die in geometrischer Progression steigenden Heereskosten die Steuern zu unerschwinglicher Höhe und damit die ärmeren Volksklassen in die Arme des Sozialismus. Die Annexion von Elsaß-Lothringen, die nächste Ursache der tollen Konkurrenz in Kriegsrüstungen, mochte die französische und deutsche Bourgeoisie gegeneinander chauvinistisch verhetzen; für die Arbeiter beider Länder wurde sie ein neues Band der Einigung. Und der Jahrestag der Kommune von Paris wurde der erste allgemeine Festtag des gesamten Proletariats. Der Krieg von 1870/71 und die Niederlage der Kommune hatten, wie Marx vorhergesagt, den Schwerpunkt der europäischen Arbeiterbewegung einstweilen von Frankreich nach Deutschland verlegt. In Frankreich brauchte es selbstverständlich Jahre, bis man sich von dem Aderlaß des Mai 1871 erholt hatte. In Deutschland dagegen, wo die obendrein von dem französischen Milliardensegen[3361 geradezu treibhausmäßig geförderte Industrie sich immer rascher entwickelte, wuchs noch weit rascher und nachhaltiger die Sozialdemokratie. Dank dem Verständnis, womit die deutschen Arbeiter das 1866 eingeführte allgemeine Stimmrecht benutzten, liegt das staunenerregende Wachstum der Partei in unbestreitbaren Zahlen offen vor aller Welt. 1871: 102000, 1874: 352000, 1877: 493000 sozialdemokratische Stimmen. Dann kam die hohe obrigkeitliche Anerkennung dieser Fortschritte in Gestalt des Sozialistengesetzes; die Partei war momentan zersprengt, die Stimmenzahl sank 1881 auf 312000. Aber das war rasch überwunden, und nun, unter dem Druck des Ausnahmegesetzes, ohne Presse, ohne äußere Organisation, ohne
Vereins- und Versammlungsrecht, nun fing die rasche Ausbreitung erst recht an: 1884: 550000, 1887: 763000, 1890: 1427000 Stimmen. Da erlahmte die Hand des Staats. Das Sozialistengesetz verschwand, die sozialistische Stimmenzahl stieg auf 1 787000, über ein Viertel der sämtlichen abgegebnen Stimmen. Die Regierung und die herrschenden Klassen hatten alle ihre Mittel erschöpft - nutzlos, zwecklos, erfolglos. Die handgreiflichen Beweise ihrer Ohnmacht, die die Behörden, vom Nachtwächter bis zum Reichskanzler, hatten einstecken müssen - und das von den verachteten Arbeitern! -, diese Beweise zählten nach Millionen. Der Staat war am Ende seines Lateins, die Arbeiter erst am Anfang des ihrigen. Die deutschen Arbeiter hatten aber zudem ihrer Sache noch einen zweiten großen Dienst erwiesen neben dem ersten, der mit ihrer bloßen Existenz als die stärkste, die disziplinierteste, die am raschesten anschwellende sozialistische Partei gegeben war. Sie hatten ihren Genossen aller Länder eine neue, eine der schärfsten Waffen geliefert, indem sie ihnen zeigten, wie man das allgemeine Stimmrecht gebraucht. Das allgemeine Stimmrecht hatte schon lange in Frankreich bestanden, war aber in Verruf gekommen durch den Mißbrauch, den die Bonapartische Regierung damit getrieben. Nach der Kommune war keine Arbeiterpartei vorhanden, es zu benutzen. Auch in Spanien bestand es seit der Republik, aber in Spanien war die Wahlenthaltung aller ernstlichen Oppositionsparteien von jeher Regel. Auch die Schweizer Erfahrungen mit dem allgemeinen Stimmrecht waren alles, nur nicht aufmunternd für eine Arbeiterpartei. Die revolutionären Arbeiter der romanischen Länder hatten sich angewöhnt, das Stimmrecht als einen Fallstrick, als ein Instrument der Regierungsprellerei anzusehn. In Deutschland war das anders. Schon das „Kommunistische Manifest" hatte die Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechts, der Demokratie, als eine der ersten und wichtigsten Aufgaben des streitbaren Proletariats proklamiert, und Lassalle hatte diesen Punkt wieder aufgenommen. Als nun Bismarck sich genötigt sah, dies Wahlrecht einzuführen als einziges Mittel, die Volksmassen für seine Pläne zu interessieren, da machten unsere Arbeiter sofort Ernst damit und sandten August Bebel in den ersten konstituierenden Reichstag. Und von dem Tage an haben sie das Wahlrecht benutzt in einer Weise, die sich ihnen tausendfach gelohnt und die den Arbeitern aller Länder als Vorbild gedient hat. Sie haben das Wahlrecht, in den Worten des französischen marxistischen Programms, transforme, de moyen de duperie qu'il a ete jusqu'ici, en instrument d'emancipation - es verwandelt aus einem Mittel der Prellerei, was es bisher war, in ein Werkzeug der Befreiung1-33'Und wenn das allgemeine Wahlrecht keinen anderen Gewinn geboten hätte, als daß es uns erlaubte, uns alle drei Jahre zu zählen; daß es durch die regelmäßig konstatierte, unerwartet rasche Steigerung der Stimmenzahl in gleichem Maße die Siegesgewißheit der Arbeiter wie den Schrecken der Gegner steigerte und so unser bestes Propagandamittel wurde; daß es uns genau unterrichtete über
unsere eigene Stärke wie über die aller gegnerischen Parteien und uns dadurch einen Maßstab für die Proportionierung unserer Aktion lieferte, wie es keinen zweiten gibt - uns vor unzeitiger Zaghaftigkeit ebensosehr bewahrte wie vor unzeitiger Tollkühnheit -, wenn das der einzige Gewinn wäre, den wir vom Stimmrecht haben, dann wäre es schon über und übergenug. Aber es hat noch viel mehr getan. In der Wahlagitation lieferte es uns ein Mittel, wie es kein zweites gibt, um mit den Volksmassen da, wo sie uns noch ferne stehen, in Berührung zu kommen, alle Parteien zu zwingen, ihre Ansichten und Handlungen unseren Angriffen gegenüber vor allem Volk zu verteidigen; und dazu eröffnete es unseren Vertretern im Reichstag eine Tribüne, von der herab sie mit ganz anderer Autorität und Freiheit zu ihren Gegnern im Parlament wie zu den Massen draußen sprechen konnten als in der Presse und in Versammlungen. Was half der Regierung und der Bourgeoisie ihr Sozialistengesetz, wenn die Wahlagitation und die sozialistischen Reichstagsreden es fortwährend durchbrachen? Mit dieser erfolgreichen Benutzung des allgemeinen Stimmrechts war aber eine ganz neue Kampfweise des Proletariats in Wirksamkeit getreten, und diese bildete sich rasch weiter aus. Man fand, daß die Staatseinrichtungen, in denen die Herrschaft der Bourgeoisie sich organisiert, noch weitere Handhaben bieten, vermittelst deren die Arbeiterklasse diese selben Staatseinrichtungen bekämpfen kann. Man beteiligte sich an den Wahlen für Einzellandtage, Gemeinderäte, Gewerbegerichte, man machte der Bourgeoisie jeden Posten streitig, bei dessen Besetzung ein genügender Teil des Proletariats mitsprach. Und so geschah es, daß Bourgeoisie und Regierung dahin kamen, sich weit mehr zu fürchten vor der gesetzlichen als vor der ungesetzlichen Aktion der Arbeiterpartei, vor den Erfolgen der Wahl als vor denen der Rebellion. Denn auch hier hatten sich die Bedingungen des Kampfes wesentlich verändert. Die Rebellion alten Stils, der Straßenkampf mit Barrikaden, der bis 1848 überall die letzte Entscheidung gab, war bedeutend veraltet. Machen wir uns keine Illusion darüber: Ein wirklicher Sieg des Aufstandes über das Militär im Straßenkampf, ein Sieg wie zwischen zwei Armeen, gehört zu den größten Seltenheiten. Darauf hatten aber die Insurgenten es auch ebenso selten angelegt. Es handelte sich für sie nur darum, die Truppen mürbe zu machen durch moralische Einflüsse, die beim Kampf zwischen den Armeen zweier kriegführender Länder gar nicht oder doch in weit geringerem Grad ins Spiel kommen. Gelingt das, so versagt die Truppe, oder die Befehlshaber verlieren den Kopf, und der Aufstand siegt. Gelingt das nicht, so bewährt sich, selbst bei einer Minderzahl auf Seiten des Militärs, die Überlegenheit der besseren Ausrüstung und Schulung, der einheitlichen Leitung, der planmäßigen Verwendung der Streitkräfte und der Disziplin. Das Höchste, wozu es die Insurrektion in wirklich taktischer Aktion bringen kann, ist die kunstgerechte Anlage und Verteidigung einer einzelnen Barrikade. Gegenseitige Unterstützung, Aufstellung resp. Verwendung von Reserven, kurz, das schon zur
Verteidigung eines Stadtbezirks, geschweige einer ganzen großen Stadt, unentbehrliche Zusammenwirken und Ineinandergreifen der einzelnen Abteilungen wird nur höchst mangelhaft, meist gar nicht zu erreichen sein; Konzentration der Streitkräfte auf einen entscheidenden Punkt fällt da von selbst weg. Damit ist die passive Verteidigung die vorwiegende Kampfform; der Angriff wird sich hier und da, aber auch nur ausnahmsweise, zu gelegentlichen Vorstößen und Flankenanfällen aufraffen, in der Regel aber sich nur auf Besetzung der von der zurückgehenden Truppe verlassenen Stellungen beschränken. Wozu noch auf Seite des Militärs die Verfügung über Geschütz und vollständig ausgerüstete und geübte Genietruppen kommt, Streitmittel, die den Insurgenten in fast allen Fällen gänzlich abgehn. Kein Wunder also, daß selbst die mit dem größten Heldenmut geführten Barrikadenkämpfe Paris Juni 1848, Wien Oktober 1848, Dresden Mai 1849 - mit der Niederlage des Aufstandes endigten, sobald die angreifenden Führer, ungehemmt durch politische Rücksichten, nach rein militärischen Gesichtspunkten handelten und ihre Soldaten zuverlässig blieben. Die zahlreichen Erfolge der Insurgenten bis 1848 sind sehr mannigfachen Ursachen geschuldet. In Paris Juli 1830 und Februar 1848, wie in den meisten spanischen Straßenkämpfen, stand zwischen den Insurgenten und dem Militär eine Bürgerwehr, die entweder direkt auf Seite des Aufstandes trat oder aber durch laue unentschiedene Haltung die Truppen ebenfalls ins Schwanken brachte und dem Aufstand obendrein Waffen lieferte. Da, wo diese Bürgerwehr von vornherein gegen den Aufstand auftrat, wie Juni 1848 in Paris, wurde dieser auch besiegt. In Berlin 1848 siegte das Volk teils durch den bedeutenden Zuwachs neuer Streitkräfte während der Nacht und des Morgens am 19. [März], teils infolge der Erschöpfung und schlechten Verpflegung der Truppen, teils endlich infolge der erlahmenden Befehlsgebung. In allen Fällen aber wurde der Sieg erkämpft, weil die Truppe versagte, weil den Befehlshabern die Entschlußfähigkeit ausging oder aber weil ihnen die Hände gebunden waren. Selbst in der klassischen Zeit der Straßenkämpfe wirkte also die Barrikade mehr moralisch als materiell. Sie war ein Mittel, die Festigkeit des Militärs zu erschüttern. Hielt sie vor, bis dies gelang, so war der Sieg erreicht; wo nicht, war man geschlagen. (Es ist dies der Hauptpunkt, der im Auge zu halten ist, auch wenn man die Chancen etwaiger künftiger Straßenkämpfe untersucht.)1 Diese Chancen standen2 schon 1849 ziemlich schlecht. Die Bourgeoisie hatte sich überall auf die Seite der Regierungen geschlagen, „Bildung und Besitz" begrüßten und bewirteten das gegen Aufstände ausziehende Militär. Die Barrikade hatte ihren Zauber verloren; der Soldat sah hinter ihr nicht mehr „das Volk", sondern Rebellen, Wühler, Plünderer, Teiler, den Auswurf der
1 Spitze Klammern kennzeichnen Textstellen, die aus Rücksicht auf die Zensur gestrichen wurden - 2 (2. Fassung:) Die Chancen standen übrigens
Gesellschaft; der Offizier war mit der Zeit bewandert geworden in den taktischen Formen des Straßenkampfes, er marschierte nicht mehr geradeaus und ungedeckt auf die improvisierte Brustwehr los, sondern umging sie durch Gärten, Höfe und Häuser. Und das gelang jetzt, bei einigem Geschick, in neun Fällen von zehn. Seitdem aber hat sich noch sehr viel verändert, und alles zugunsten des Militärs. Sind die Großstädte bedeutend größer geworden, so noch mehr die Armeen. Paris und Berlin sind seit 1848 nicht ums Vierfache gewachsen, ihre Garnisonen aber um mehr als das. Diese Garnisonen können vermittelst der Eisenbahnen in 24 Stunden sich mehr als verdoppeln, in 48 Stunden zu Riesenarmeen anschwellen. Die Bewaffnung dieser enorm verstärkten Truppenzahl ist unvergleichlich wirksamer geworden. 1848 der glatte PerkussionsVorderlader, heute der kleinkalibrige Magazin-Hinterlader, der viermal so weit, zehnmal so genau und zehnmal so rasch schießt wie jener. Damals die relativ schwach wirkenden Vollkugeln und Kartätschen der Artillerie, heute die Perkussionsgranaten, deren eine hinreicht, die beste Barrikade zu zertrümmern . Damals die Spitzhacke des Pioniers zum Durchbrechen von Brandmauern, heute die Dynamitpatrone. Auf Seiten des Insurgenten dagegen sind alle Bedingungen schlechter geworden. Ein Aufstand, mit dem alle Volksschichten sympathisieren, kommt schwerlich wieder; im Klassenkampf werden sich wohl nie alle Mittelschichten so ausschließlich ums Proletariat gruppieren, daß die um die Bourgeoisie sich scharende Reaktionspartei dagegen fast verschwinde. Das „Volk" wird also immer geteilt erscheinen, und damit fehlt ein gewaltiger, 1848 so äußerst wirksamer Hebel. Kommen1 auf Seite der Aufständischen mehr gediente Soldaten, so wird ihre Bewaffnung um so schwieriger. Die Jagd- und Luxusflinten der Waffenläden - selbst wenn nicht vorher von Polizei wegen durch Wegnahme eines Schloßteiles unbrauchbar gemacht - sind auch im Nahkampf dem Magazingewehr des Soldaten nicht entfernt gewachsen. Bis 1848 konnte man aus Pulver und Blei sich die nötige Munition selbst machen, heute ist die Patrone für jedes Gewehr verschieden, und nur in dem einen Punkt überall gleich, daß sie ein Kunstprodukt der großen Industrie, also nicht ex tempore2 anzufertigen ist, daß also die meisten Gewehre nutzlos sind, solange man nicht die speziell für sie passende Munition hat. Und endlich sind die seit 1848 neugebauten Viertel der großen Städte, in langen, graden, breiten Straßen angelegt, wie gemacht für die Wirkung der neuen Geschütze und Gewehre. Der Revolutionär müßte verrückt sein, der sich die neuen Arbeiterdistrikte im Norden und Osten von Berlin zu einem Barrikadenkampf selbst aussuchte. (Heißt das, daß in Zukunft der Straßenkampf keine Rolle mehr spielen wird? Durchaus nicht. Es heißt nur, daß die Bedingungen seit 1848 weit ungünstiger für die Zivilkämpfer, weit günstiger für das Militär geworden sind.
1 (2. Fassung:} Kämen auch - 2 aus dem Stegreif
Ein künftiger Straßenkampf kann also nur siegen, wenn diese Ungunst der Lage durch andere Momente aufgewogen wird. Er wird daher seltener im Anfang einer großen Revolution vorkommen als im weiteren Verlauf einer solchen, und wird mit größeren Kräften unternommen werden müssen. Diese aber werden dann wohl, wie in der ganzen großen französischen Revolution, am 4. September und 31. Oktober 1870 in Paris'3381, den offenen Angriff der passiven Barrikadentaktik vorziehen.) Versteht der Leser nun, weshalb die herrschenden Gewalten1 uns platterdings dahin bringen wollen, wo die Flinte schießt und der Säbel haut? Warum man uns heute der Feigheit zeiht, weil wir uns nicht ohne weiteres auf die Straße begeben, wo wir der Niederlage im voraus gewiß sind? Warum man uns so inständig anfleht, wir möchten doch endlich einmal Kanonenfutter spielen? Die Herren verschwenden ihre Bittgesuche wie ihre Herausforderungen für nichts und wieder nichts. So dumm sind wir nicht. Sie könnten ebensogut von ihrem Feind im nächsten Krieg verlangen, er solle sich ihnen stellen in der Linienformation des alten Fritz oder in den Kolonnen ganzer Divisionen ä la Wagram und Waterloo, und das mit dem Steinschloßgewehr in der Hand. Haben sich die Bedingungen geändert für den Völkerkrieg, so nicht minder für den Klassenkampf. Die Zeit der Uberrumpelungen, der von kleinen bewußten Minoritäten an der Spitze bewußtloser Massen durchgeführten Revolutionen ist vorbei. Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt, für was sie mit Leib und Leben eintreten2. Das hat uns die Geschichte der letzten fünfzig Jahre gelehrt. Damit aber die Massen verstehen, was zu tun ist, dazu bedarf es langer, ausdauernder Arbeit, und diese Arbeit ist es gerade, die wir jetzt betreiben, und das mit einem Erfolg, der die Gegner zur Verzweiflung bringt. Auch in den romanischen Ländern sieht man mehr und mehr ein, daß die alte Taktik revidiert werden muß. Überall hat man das deutsche Beispiel der Benutzung des Wahlrechts, der Eroberung aller uns zugänglichen Posten, nachgeahmt {, überall ist das unvorbereitete Losschlagen in den Hintergrund getreten). In Frankreich, wo doch der Boden seit über hundert Jahren durch Revolution auf Revolution unterwühlt ist, wo es keine einzige Partei gibt, die nicht in Konspirationen, Aufständen und allen anderen revolutionären Aktionen das ihrige geleistet hätte; in Frankreich, wo infolgedessen die Armee der Regierung keineswegs sicher ist und wo überhaupt die Umstände für einen insurrektionellen Handstreich weit günstiger liegen als in Deutschland selbst in Frankreich sehen die Sozialisten mehr und mehr ein, daß für sie kein dauernder Sieg möglich ist, es sei denn, sie gewinnen vorher die große Masse
1 (2. Fassung:) Klassen - 2 (2. Fassung:) für was sie eintreten sollen
des Volks, d.h. hier die Bauern. Langsame Arbeit der Propaganda und parlamentarische Tätigkeit sind auch hier als nächste Aufgabe der Partei erkannt. Die Erfolge blieben nicht aus. Nicht nur sind eine ganze Reihe von Gemeinderäten erobert worden; in den Kammern sitzen 50 Sozialisten, und diese haben bereits drei Ministerien und einen Präsidenten der Republik gestürzt. In Belgien haben sich die Arbeiter voriges Jahr das Wahlrecht erzwungen und in einem Viertel der Wahlkreise gesiegt. In der Schweiz, in Italien, in Dänemark, ja selbst in Bulgarien und Rumänien sind die Sozialisten in den Parlamenten vertreten. In Österreich sind alle Parteien darüber einig, daß uns der Zutritt zum Reichsrat nicht länger verwehrt bleiben kann. Hinein kommen wir, das ist gewiß, man streitet nur noch darüber: durch welche Tür. Und selbst wenn in Rußland der berühmte Semski Sobor'3391 zusammentritt, jene Nationalversammlung, gegen die der junge Nikolaus sich so vergebens sperrt, selbst da können wir mit Gewißheit darauf rechnen, daß wir auch dort vertreten sind. Selbstverständlich verzichten unsere ausländischen Genossen nicht auf ihr Recht auf Revolution. Das Recht auf Revolution ist ja überhaupt das einzige wirklich „historische Recht", das einzige, worauf alle modernen Staaten ohne Ausnahme beruhen, Mecklenburg eingeschlossen, dessen Adelsrevolution beendigt wurde 1755 durch den „Erbvergleich", die noch heute gültige glorreiche Verbriefung des Feudalismus. Das Recht auf Revolution ist so sehr im allgemeinen Bewußtsein unumstößlich anerkannt, daß sogar der General von Boguslawski aus diesem Volksrecht allein das Recht auf den Staatsstreich ableitet, das er seinem Kaiser vindiziert. Was aber auch in anderen Ländern geschehen möge, die deutsche Sozialdemokratie hat eine besondere Stellung und damit wenigstens zunächst auch eine besondere Aufgabe. Die zwei Millionen Wähler, die sie an die Urnen schickt, nebst den jungen Männern und den Frauen, die als NichtWähler hinter ihnen stehen, bilden die zahlreichste, kompakteste Masse, den entscheidenden „Gewalthaufen" der internationalen proletarischen Armee. Diese Masse liefert schon jetzt über ein Viertel der abgegebnen Stimmen; und wie die Einzelwahlen für den Reichstag, die einzelstaatlichen Landtagswahlen, die Gemeinderats- und Gewerbegerichtswahlen beweisen, nimmt sie unablässig zu. Ihr Wachstum geht so spontan, so stetig, so unaufhaltsam und gleichzeitig so ruhig vor sich wie ein Naturprozeß. Alle Regierungseingriffe haben sich ohnmächtig dagegen erwiesen. Auf 21/4 Millionen Wähler können wir schon heute rechnen. Geht das so voran, so erobern wir bis Ende des Jahrhunderts den größeren Teil der Mittelschichten der Gesellschaft, Kleinbürger wie Kleinbauern, und wachsen aus zu der entscheidenden Macht im Lande, vor der alle andern Mächte sich beugen müssen, sie mögen wollen oder nicht. Dies Wachstum ununterbrochen im Gang zu halten, bis es dem gegenwärtigen1
1 (2. Fassung:) herrschenden
Regierungssystem von selbst über den Kopf wächst, (diesen sich täglich verstärkenden Gewalthaufen nicht in Vorhutkämpfen aufreiben, sondern ihn intakt zu erhalten bis zum Tag der Entscheidung,) das ist unsere Hauptaufgabe. Und da ist nur ein Mittel, wodurch das stetige Anschwellen der sozialistischen Streitkräfte in Deutschland momentan aufgehalten und selbst für einige Zeit zurückgeworfen werden könnte: ein Zusammenstoß auf großem Maßstab mit dem Militär, ein Aderlaß wie 1871 in Paris. Auf die Dauer würde das auch überwunden. Eine Partei, die nach Millionen zählt, aus der Welt schießen, dazu reichen alle Magazingewehre von Europa und Amerika nicht hin. Aber die normale Entwicklung wäre gehemmt, (der Gewalthaufen wäre vielleicht im kritischen Moment nicht verfügbar,) der Entscheidungskampf1 würde verspätet, verlängert und mit schwereren Opfern verknüpft. Die Ironie der Weltgeschichte stellt alles auf den Kopf. Wir, die „Revolutionäre", die „Umstürzler", wir gedeihen weit besser bei den gesetzlichen Mitteln als bei den ungesetzlichen und dem Umsturz. Die Ordnungsparteien, wie sie sich nennen, gehen zugrunde an dem von ihnen selbst geschaffenen gesetzlichen Zustand. Sie rufen verzweifelt mit Odilon Barrot: la legalite nous tue, die Gesetzlichkeit ist unser Tod, während wir bei dieser Gesetzlichkeit pralle Muskeln und rote Backen bekommen und aussehen wie das ewige Leben. Und wenn wir nicht so wahnsinnig sind, ihnen zu Gefallen uns in den Straßenkampf treiben zu lassen, dann bleibt ihnen zuletzt nichts anderes, als selbst diese ihnen so fatale Gesetzlichkeit zu durchbrechen. Einstweilen machen sie neue Gesetze gegen den Umsturz. Es ist wieder alles auf den Kopf gestellt. Diese Fanatiker des Anti-Umsturzes von heute, sind sie nicht selbst die Umstürzer von gestern? Haben wir etwa den Bürgerkrieg von 1866 heraufbeschworen? Haben wir den König von Hannover, den Kurfürsten von Hessen, den Herzog von Nassau aus ihren angestammten, legitimen Erblanden vertrieben und diese Erblande annektiert? Und diese Umstürzer des Deutschen Bundes und dreier Kronen von Gottes Gnaden beklagen sich über Umsturz? Quis tulent Gracchos de seditione querentes?2 Wer könnte den Bismarckanbetern erlauben, auf den Umsturz zu schimpfen? Mögen sie indes ihre Umsturzvorlagen durchsetzen, sie noch verschlimmern, das ganze Strafgesetz in Kautschuk verwandeln, sie werden nichts erreichen als den neuen Beweis ihrer Ohnmacht. Um der Sozialdemokratie ernstlich auf den Leib zu rücken, werden sie noch ganz andere Maßregeln ergreifen müssen. Dem sozialdemokratischen Umsturz, der augenblicklich davon lebt3, daß er die Gesetze hält, können sie nur beikommen durch den ordnungsparteilichen Umsturz, der nicht leben kann, ohne daß er die
1 (2. Fassung:) die Entscheidung - 2 Wer wird den Gracchen erlauben, sich über einen Aufruhr zu beklagen? (Juvenal: „Satiren", II, 24) - 3 (2.Fassung:) dem es grade jetzt so gut bekommt
Gesetze bricht. Herr Rößler, der preußische Bürokrat, und Herr von Boguslawski, der preußische General, haben ihnen den einzigen Weg gezeigt, auf dem man den Arbeitern, die sich nun einmal nicht in den Straßenkampf locken lassen, vielleicht noch beikommen kann. Bruch der Verfassung, Diktatur, Rückkehr zum Absolutismus, regis voluntas suprema lex!1 Also nur Mut, meine Herren, hier hilft kein Maulspitzen, hier muß gepfiffen sein! Vergessen Sie aber nicht, daß das deutsche Reich, wie alle Kleinstaaten und überhaupt alle modernen Staaten, ein Produkt des Vertrages ist; des Vertrages erstens der Fürsten untereinander, zweitens der Fürsten mit dem Volk. Bricht der eine Teil den Vertrag, so fällt der ganze Vertrag, der andere Teil ist dann auch nicht mehr gebunden. (Wie uns das Bismarck 1866 so schön vorgemacht hat. Brechen Sie also die Reichsverfassung, so ist die Sozialdemokratie frei, kann Ihnen gegenüber tun und lassen, was sie will. Was sie aber dann tun wird - das bindet sie Ihnen heute schwerlich auf die Nase.) Es sind nun fast aufs Jahr 1600 Jahre, da wirtschaftete im römischen Reich ebenfalls eine gefährliche Umsturzpartei. Sie untergrub die Religion und alle Grundlagen des Staates; sie leugnete geradezu, daß des Kaisers Wille das höchste Gesetz, sie war vaterlandslos, international, sie breitete sich aus über alle Reichslande von Gallien bis Asien und über die Reichsgrenzen hinaus. Sie hatte lange unterirdisch, im verborgenen gewühlt; sie hielt sich aber schon seit längerer Zeit stark genug, offen ans Licht zu treten. Diese Umsturzpartei, die unter dem Namen der Christen bekannt war, hatte auch ihre starke Vertretung im Heer; ganze Legionen waren christlich. Wenn sie zu den Opferzeremonien der heidnischen Landeskirche kommandiert wurden, um dort die Honneurs zu machen, trieben die Umstürzlersoldaten die Frechheit so weit, daß sie zum Protest besondere Abzeichen - Kreuze - an ihre Helme steckten. Selbst die üblichen Kasernenschurigeleien der Vorgesetzten waren fruchtlos. Der Kaiser Diokletian konnte nicht länger ruhig zusehen, wie Ordnung, Gehorsam und Zucht in seinem Heere untergraben wurden. Er griff energisch ein, weil es noch Zeit war. Er erließ ein Sozialisten-, wollte sagen Christengesetz. Die Versammlungen der Umstürzler wurden verboten, ihre Saallokalitäten geschlossen oder gar niedergerissen, die christlichen Abzeichen, Kreuze etc., wurden verboten wie in Sachsen die roten Schnupftücher. Die Christen wurden für unfähig erklärt, Staatsämter zu bekleiden, nicht einmal Gefreite sollten sie werden dürfen. Da man damals noch nicht über so gut auf das „Ansehen der Person" dressierte Richter verfügte, wie Herrn von Kollers Umsturzvorlage1310' sie voraussetzt, so verbot man den Christen kurzerhand, sich vor Gericht ihr Recht zu holen. Auch dies Ausnahmegesetz blieb wirkungslos. Die Christen rissen es zum Hohn von den Mauern herunter, ja sie sollen dem Kaiser in Nikomedien den Palast über dem Kopf angezündet
1 des Königs Wille ist das oberste Gesetz!
haben. Da rächte sich dieser durch die große Christenverfolgung des Jahres 303 unserer Zeitrechnung. Sie war die letzte ihrer Art. Und sie war so wirksam, daß siebzehn Jahre später die Armee überwiegend aus Christen bestand, und der nächstfolgende Selbstherrscher des gesamten Römerreichs, Konstantin, von den Pfaffen genannt der Große, das Christentum proklamierte als Staatsreligion.
London, 6. März 1895 F. Engels

B. Friedrich Engels: Vorbemerkung zu „Der deutsche Bauernkrieg" (Ausgabe 1870 und 1875)

Vorbemerkung [zu „Der deutsche Bauernkrieg" (Ausgabe 1870 und 1875)]
Die nachstehende Arbeit wurde im Sommer 1850, noch unter dem unmittelbaren Eindruck der eben vollendeten Kontrerevolution, in London geschrieben; sie erschien im 5. und 6. Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", redigiert von Karl Marx, Hamburg 1850. Meine politischen Freunde in Deutschland wünschen ihren Wiederabdruck, und ich komme ihrem Wunsche nach, da sie, zu meinem Leidwesen, auch heute noch zeitgemäß ist. Sie macht keinen Anspruch darauf, selbständig erforschtes Material zu liefern. Im Gegenteil, der gesamte auf die Bauernaufstände und auf Thomas Münzer sich beziehende Stoff ist aus Zimmermann genommen. Sein Buch, obwohl hie und da lückenhaft, ist immer noch die beste Zusammenstellung des Tatsächlichen. Dabei hatte der alte Zimmermann Freude an seinem Gegenstand. Derselbe revolutionäre Instinkt, der hier überall für die unterdrückte Klasse auftritt, machte ihn später zu einem der Besten auf der äußersten Linken in Frankfurt. Seitdem soll er freilich etwas gealtert haben.1 Wenn dagegen der Zimmermannschen Darstellung der innere Zusammenhang fehlt; wenn es ihr nicht gelingt, die religiös-politischen Streitfragen jener Epoche als das Spiegelbild der gleichzeitigen Klassenkämpfe nachzuweisen; wenn sie in diesen Klassenkämpfen nur Unterdrücker und Unterdrückte, Böse und Gute und den schließlichen Sieg der Bösen sieht; wenn ihre Einsicht in die gesellschaftlichen Zustände, die sowohl den Ausbruch wie den Ausgang des Kampfes bedingten, höchst mangelhaft ist, so war dies der Fehler der Zeit, in der das Buch entstand. Im Gegenteil, für seine Zeit ist es, eine rühmliche Ausnahme unter den deutschen idealistischen Geschichtswerken, noch sehr realistisch gehalten. Meine Darstellung versuchte, den geschichtlichen Verlauf des Kampfes nur in seinen Umrissen skizzierend, den Ursprung des Bauernkriegs, die Stellung der verschiedenen darin auftretenden Parteien, die politischen und religiösen Theorien, in denen diese Parteien über ihre Stellung sich klarzuwerden
1 (1875) hinzugefügter Satz
suchen, endlich das Resultat des Kampfes selbst mit Notwendigkeit aus den historisch vorliegenden gesellschaftlichen Lebensbedingungen dieser Klassen zu erklären; also die damalige politische Verfassung Deutschlands, die Auflehnungen gegen sie, die politischen und religiösen Theorien der Zeit nachzuweisen, nicht als Ursachen, sondern als Resultate der Entwicklungsstufe, auf der sich damals in Deutschland Ackerbau, Industrie, Land- und Wasserstraßen, Waren- und Geldhandel befanden. Diese, die einzig materialistische Geschichtsanschauung, geht nicht von mir aus, sondern von Marx und findet sich ebenfalls in seinen Arbeiten über die französische Revolution von 1848/49 in derselben „Revue"1 und im „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte". Die Parallele zwischen der deutschen Revolution von 1525 und der von 1848/49 lag zu nahe, um damals ganz von der Hand gewiesen zu werden. Neben der Gleichförmigkeit des Verlaufs, wo immer ein und dasselbe fürstliche Heer verschiedene Lokalaufstände nacheinander niederschlug, neben der oft lächerlichen Ähnlichkeit des Auftretens der Städtebürger in beiden Fällen brach indes doch auch der Unterschied klar und deutlich hervor: „Wer profitierte von der Revolution von 1525? Die Fürsten. - Wer profitierte von der Revolution von 1848? Die großen Fürsten, Ostreich und Preußen. Hinter den kleinen Fürsten von 1525 standen, sie an sich kettend durch die Steuer, die kleinen Spießbürger, hinter den großen Fürsten von 1850, hinter Ostreich undPreußen, sie rasch unterjochend durch die Staatsschuld, stehen die modernen großen Bourgeois. Und hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier."2 Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß in diesem Satz der deutschen Bourgeoisie viel zuviel Ehre erwiesen wurde. Die Gelegenheit haben sie gehabt, sowohl in Ostreich wie in Preußen, die Monarchie „rasch durch die Staatsschuld zu unterjochen"; nie und nirgends ist diese Gelegenheit benutzt worden. Ostreich ist durch den Krieg von 1866 der Bourgeoisie als Geschenk in den Schoß gefallen. Aber sie versteht nicht zu herrschen, sie ist ohnmächtig und unfähig zu allem. Nur eins kann sie: gegen die Arbeiter wüten, sobald diese sich regen. Sie bleibt nur noch am Ruder, weil die Ungarn sie brauchen. Und in Preußen? Ja, die Staatsschuld hat sich allerdings reißend vermehrt, das Defizit ist in Permanenz erklärt, die Staatsausgaben wachsen von Jahr zu Jahr, die Bourgeois haben in der Kammer die Majorität, ohne sie können weder Steuern erhöht noch Anleihen aufgenommen werden - aber wo ist ihre Macht über den Staat? Noch vor ein paar Monaten, als wieder ein Defizit vorlag, hatten sie die beste Position. Sie konnten bei nur einiger Ausdauer hübsche Konzessionen erzwingen. Was tun sie? Sie sehen es als eine genügende Konzession an, daß die Regierung ihnen erlaubt, ihr an 9 Millionen, nicht für ein Jahr, nein jährlich und für alle Folgezeit zu Füßen zu legen.
1 Siehe vorl. Band, S. 9-107 - 2 siehe vorl. Band, S. 413
Ich will die armen „Nationalliberalen" in der Kammer nicht mehr tadeln, als sie verdienen, ich weiß, sie sind von denen, die hinter ihnen stehn, von der Masse der Bourgeoisie im Stich gelassen. Diese Masse will nicht herrschen. Sie hat 1848 noch immer in den Knochen. Weshalb die deutsche Bourgeoisie diese merkwürdige Feigheit entwickelt, darüber unten. Im übrigen hat sich obiger Satz vollständig bestätigt. Seit .1850 immer entschiedeneres Zurücktreten der Kleinstaaten, die nur noch als Hebel für preußische oder östreichische Intrigen dienen, immer heftigere Kämpfe zwischen Ostreich und Preußen um die Alleinherrschaft, endlich die gewaltsame Auseinandersetzung von 1866, wonach Ostreich seine eignen Provinzen behält, Preußen den ganzen Norden direkt oder indirekt unterwirft und die drei Südweststaaten vorläufig an die Luft gesetzt werden. Für die deutsche Arbeiterklasse ist bei dieser ganzen Haupt- und Staatsaktion nur dies von Bedeutung: Erstens, daß die Arbeiter durch das allgemeineStimmrecht die Macht erlangt haben, in der gesetzgebenden Versammlung sich direkt vertreten zu lassen. Zweitens, daß Preußen mit gutem Beispiel vorangegangen ist und drei andre Kronen von Gottes Gnaden verschluckt hat.'3411 Daß es nach dieser Prozedur noch dieselbe unbefleckte Krone von Gottes Gnaden besitzt, die es sich vorher zuschrieb, das glauben selbst die Nationalliberalen nicht. Drittens, daß es in Deutschland nur noch einen ernsthaften Gegner der Revolution gibt - die preußische Regierung. Und viertens, daß die Deutsch-Östreicher sich jetzt endlich einmal die Frage vorlegen müssen, was sie sein wollen: Deutsche oder Östreicher? Wozu sie lieber halten wollen - zu Deutschland oder zu ihren außerdeutschen transleithanischen Anhängseln? Daß sie eins oder das andre aufgeben müssen, war schon lange selbstredend, ist aber immer von der kleinbürgerlichen Demokratie vertuscht worden. Was die sonstigen wichtigen Streitfragen von wegen 1866 betrifft, die seitdem bis zum Überdruß zwischen den „Nationalliberalen" einerseits und der „Volkspartei" andrerseits verhandelt werden, so dürfte die Geschichte der nächsten Jahre beweisen, daß diese beiden Standpunkte sich nur deshalb so heftig befehden, weil sie die entgegengesetzten Pole einer und derselben Borniertheit sind. An den gesellschaftlichen Verhältnissen Deutschlands hat das Jahr 1866 fast nichts geändert. Die paar bürgerlichen Reformen - gleiches Maß und Gewicht, Freizügigkeit, Gewerbefreiheit usw., alles in den der Bürokratie angemessenen Schranken - erreichen noch nicht einmal das, was die Bourgeoisie andrer westeuropäischer Länder längst besitzt, und lassen die Hauptschikane, das bürokratische Konzessionswesen, unberührt. Für das Proletariat werden ohnehin alle Freizügigkeits-, Indigenats-, Paßaufhebungs- und andre Gesetze durch die landläufige Polizeipraxis ganz illusorisch gemacht.
Was viel wichtiger ist als die Haupt- und Staatsaktion von 1866, das ist die Hebung der Industrie und des Handels, der Eisenbahnen, Telegraphen und ozeanischen Dampfschiffahrt in Deutschland seit 1848. Soweit dieser Fortschritt auch hinter dem gleichzeitig in England, selbst in Frankreich gemachten zurücksteht, für Deutschland ist er unerhört und hat in zwanzig Jahren mehr geleistet, als sonst ein ganzes Jahrhundert tat. Deutschland ist erst jetzt ernstlich und unwiderruflich in den Welthandel hineingezogen worden. Die Kapitalien der Industriellen haben sich rasch vermehrt, die gesellschaftliche Stellung der Bourgeoisie hat sich dementsprechend gehoben. Das sicherste Kennzeichen industrieller Blüte, der Schwindel, hat sich in reichem Maße eingestellt und Grafen und Herzöge an seinen Triumphwagen gekettet. Deutsches Kapital baut jetzt russische und rumänische Eisenbahnen - möge ihm die Erde leicht sein! -, statt daß noch vor fünfzehn Jahren deutsche Bahnen bei englischen Unternehmern betteln gingen. Wie ist es da möglich, daß die Bourgeoisie sich nicht auch politisch die Herrschaft erobert hat, daß sie sich so feig gegen die Regierung benimmt? Die deutsche Bourgeoisie hat das Unglück, daß sie nach beliebter deutscher Manier zu spät kommt. Ihre Blütezeit fällt in eine Periode, wo die Bourgeoisie der andern westeuropäischen Länder politisch schon im Niedergang begriffen ist. In England hat die Bourgeoisie ihren eigentlichen Repräsentanten, Bright, nicht anders in die Regierung bringen können als durch eine Ausdehnung des Stimmrechts, die in ihren Folgen der ganzen Bourgeoisherrschaft ein Ende machen muß. In Frankreich, wo die Bourgeoisie als solche, als Gesamtklasse, nur zwei Jahre, 1849 und 1850, unter der Republik geherrscht hat, konnte sie ihre soziale Existenz nur fristen, indem sie ihre politische Herrschaft an Louis Bonaparte und die Armee abtrat. Und bei der so unendlich gesteigerten Wechselwirkung der drei fortgeschrittensten europäischen Länder ist es heutzutage nicht mehr möglich, daß in Deutschland die Bourgeoisie sich die politische Herrschaft gemütlich einrichtet, wenn diese sich in England und Frankreich überlebt hat. Es ist eine Eigentümlichkeit gerade der Bourgeoisie gegenüber allen früheren herrschenden Klassen: in ihrer Entwicklung gibt es einen Wendepunkt, von dem an jede weitere Steigerung ihrer Machtmittel, vorab also ihrer Kapitalien, nur dazu beiträgt, sie zur politischen Herrschaft mehr und mehr unfähig zu machen. „Hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier." In demselben Maß, wie die Bourgeoisie ihre Industrie, ihren Handel und ihre Verkehrsmittel entwickelt, in demselben Maß erzeugt sie Proletariat. Und an einem gewissen Punkt - der nicht überall gleichzeitig oder auf gleicher Entwicklungsstufe einzutreten braucht - beginnt sie zu merken, daß dieser ihr proletarischer Doppelgänger ihr über den Kopf wächst. Von dem Augenblick an verliert sie die Kraft zur ausschließlichen politischen Herrschaft; sie sieht sich um nach Bundesgenossen, mit denen sie, je nach Umständen, ihre Herrschaft teilt oder denen sie sie ganz abtritt.
In Deutschland ist dieser Wendepunkt für die Bourgeoisie bereits 1848 eingetreten. Und zwar erschrak die deutsche Bourgeoisie damals nicht so sehr vor dem deutschen wie vor dem französischen Proletariat. Die Pariser Junischlacht 1848 zeigte ihr, was sie zu erwarten habe; das deutsche Proletariat war gerade erregt genug, um ihr zu beweisen, daß auch hier die Saat für dieselbe Ernte schon im Boden stecke; und von dem Tage an war der politischen Aktion der Bourgeoisie die Spitze abgebrochen. Sie suchte Bundesgenossen, sie verhandelte sich an sie um jeden Preis - und sie ist auch heute noch keinen Schritt weiter. Diese Bundesgenossen sind sämtlich reaktionärer Natur. Da ist das Königtum mit seiner Armee und seiner Bürokratie, da ist der große Feudaladel, da sind die kleinen Krautjunker, da sind selbst die Pfaffen. Mit allen diesen hat die Bourgeoisie paktiert und vereinbart, nur um ihre liebe Haut zu wahren, bis ihr endlich nichts mehr zu schachern blieb. Und je mehr das Proletariat sich entwickelte, je mehr es anfing sich als Klasse zu fühlen, als Klasse zu handeln, desto schwachmütiger wurden die Bourgeois. Als die wunderbar schlechte Strategie der Preußen bei Sadowa1342' über die, wunderbarerweise noch schlechtere, der östreicher siegte, da war es schwer zu sagen, wer froher aufatmete - der preußische Bourgeois, der bei Sadowa mitgeschlagen war, oder der östreichische. Unsre großen Bürger handeln 1870 noch geradeso, wie die Mittelbürger von 1525 gehandelt haben. Was die Kleinbürger, Handwerksmeister und Krämer betrifft, so werden sie sich immer gleichbleiben. Sie hoffen in das Großbürgertum sich emporzuschwindeln, sie fürchten ins Proletariat hinabgestoßen zu werden. Zwischen Furcht und Hoffnung werden sie während des Kampfes ihre werte Haut salvieren und nach dem Kampf sich dem Sieger anschließen. Das ist ihre Natur. Mit dem Aufschwung der Industrie seit 1848 hat Schritt gehalten die soziale und politische1 Aktion des Proletariats. Die Rolle, die die deutschen Arbeiter heute in ihren Gewerkvereinen, Genossenschaften, politischen Vereinen und Versammlungen, bei den Wahlen und im sogenannten Reichstag spielen, beweist allein, welche Umwälzung Deutschland in den letzten zwanzig Jahren unvermerkt erlitten hat. Es gereicht den deutschen Arbeitern zur höchsten Ehre, daß sie allein es durchgesetzt haben, Arbeiter und Vertreter der Arbeiter ins Parlament zu schicken, während weder Franzosen noch Engländer dies bis jetzt fertigbrachten. Aber auch das Proletariat ist der Parallele mit 1525 noch nicht entwachsen. Die ausschließlich und lebenslänglich auf den Arbeitslohn angewiesene Klasse bildet noch immer bei weitem nicht die Mehrzahl des deutschen Volkes. Sie ist also auch auf Bundesgenossen angewiesen. Und diese können nur gesucht werden unter den Kleinbürgern, unter dem Lumpenproletariat der Städte, unter den kleinen Bauern und den Ackerbautaglöhnern. 1 (1875) praktische
Von den Kleinbürgern haben wir schon gesprochen. Sie sind höchst unzuverlässig, ausgenommen wenn man gesiegt hat, dann ist ihr Geschrei in den Bierkneipen unermeßlich. Trotzdem gibt es unter ihnen sehr gute Elemente, die sich den Arbeitern von selbst anschließen. Das Lumpenproletariat, dieser Abhub der verkommenen Subjekte aller Klassen, der sein Hauptquartier in den großen Städten aufschlägt, ist von allen möglichen Bundesgenossen der schlimmste. Dies Gesindel ist absolut käuflich und absolut zudringlich. Wenn die französischen Arbeiter bei jeder Revolution an die Häuser schrieben: Mort aux voleurs! Tod den Dieben! und auch manche erschossen, so geschah das nicht aus Begeisterung für das Eigentum, sondern in der richtigen Erkenntnis, daß man vor allem sich diese Bande vom Hals halten müsse. Jeder Arbeiterführer, der diese Lumpen als Garde verwendet oder sich auf sie stützt, beweist sich schon dadurch als Verräter an der Bewegung. Die kleinen Bauern - denn die größeren gehören zur Bourgeoisie - sind verschiedener Art. Entweder sind sie Feudalbauern und haben dem gnädigen Herrn noch Frondienste zu leisten. Nachdem die Bourgeoisie versäumt hat, was ihre Schuldigkeit war, diese Leute von der Fronknechtschaft zu erlösen, wird es nicht schwer sein, sie zu überzeugen, daß sie nur noch von der Arbeiterklasse Erlösung zu erwarten haben. Oder sie sind Pächter. In diesem Fall existiert meist dasselbe Verhältnis wie in Irland. Die Pacht ist so hoch getrieben, daß der Bauer mit seiner Familie bei Mittelernten nur eben knapp leben kann, bei schlechten Ernten fast verhungert, die Pacht nicht zahlen kann und dadurch ganz von der Gnade des Grundbesitzers abhängig wird. Für solche Leute tut die Bourgeoisie nur dann etwas, wenn sie dazu gezwungen wird. Von wem sollen sie Heil erwarten, außer von den Arbeitern? Bleiben die Bauern, welche ihren eigenen kleinen Grundbesitz bewirtschaften. Diese sind meistens so mit Hypotheken belastet, daß sie vom Wucherer ebenso abhängen wie die Pächter vom Grundherrn. Auch ihnen bleibt nur ein knapper und noch dazu wegen der guten und schlechten Jahre äußerst unsichrer Arbeitslohn. Sie können am allerwenigsten von der Bourgeoisie etwas erwarten, denn sie werden ja grade von den Bourgeois, den wuchernden Kapitalisten ausgesogen. Aber sie hängen meist sehr an ihrem Eigentum, obwohl es in Wirklichkeit nicht ihnen gehört, sondern dem Wucherer. Dennoch wird ihnen bei zubringen sein, daß sie nur dann vom Wucherer befreit werden können, wenn eine vom Volk abhängige Regierung die sämtlichen Hypothekenschulden in eine Schuld an den Staat verwandelt und dadurch den Zinsfuß erniedrigt. Und dies kann nur die Arbeiterklasse durchsetzen. Überall wo mittlerer und großer Grundbesitz herrscht, machen die Ackerbautaglöhner die zahlreichste Klasse auf dem Lande aus. Dies ist in ganz Nordund Ostdeutschland der Fall, und hier finden die Industriearbeiter der Städte ihre zahlreichsten und natürlichsten Bundesgenossen. Wie der Kapitalist dem
industriellen Arbeiter, so stellt der Grundbesitzer oder Großpächter dem Ackerbautaglöhner gegenüber. Dieselben Maßregeln, die dem einen helfen, müssen auch dem andern helfen. Die industriellen Arbeiter können sich nur befreien, wenn sie das Kapital der Bourgeois, d.h. die Rohprodukte, Maschinen und Werkzeuge und Lebensmittel, welche zur Produktion erforderlich sind, in das Eigentum der Gesellschaft, d.h. in ihr eignes, von ihnen gemeinsam benutztes verwandeln. Ebenso können die Landarbeiter nur aus ihrem scheußlichen Elend erlöst werden, wenn vor allem ihr Hauptarbeitsgegenstand, das Land selbst, dem Privatbesitz der großen Bauern und noch größeren Feudalherren entzogen und in gesellschaftliches Eigentum verwandelt und von Genossenschaften von Landarbeitern für ihre gemeinsame Rechnung bebaut wird. Und hier kommen wir auf den berühmten Beschluß des Baseler internationalen Arbeiterkongresses'3431: daß die Gesellschaft das Interesse habe, das Grundeigentum in gemeinsames, nationales Eigentum zu verwandeln. Dieser Beschluß ist gefaßt worden hauptsächlich für die Länder, wo großes Grundeigentum und, damit zusammenhängend, Bewirtschaftung großer Güter besteht und auf diesen großen Gütern ein Herr und viele Taglöhner. Dieser Zustand ist aber im ganzen und großen in Deutschland noch immer vorherrschend, und daher war der Beschluß, nächst England, gerade für Deutschland höchst zeitgemäß. Das Ackerbauproletariat, die Landtaglöhner - das ist die Klasse, aus der sich die Armeen der Fürsten der großen Masse nach rekrutieren; das ist die Klasse, die jetzt die große Menge der Feudalherren und Junker kraft des allgemeinen Stimmrechts ins Parlament schickt; das ist aber auch die Klasse, die den industriellen Arbeitern der Städte am nächsten steht, die mit ihnen dieselben Lebensbedingungen teilt, die sogar noch tiefer im Elend steckt als sie. Diese Klasse, die ohnmächtig ist, weil sie zersplittert und zerstreut ist, deren verborgene Macht Regierung und Adel so gut kennen, daß sie absichtlich die Schulen verkommen lassen, damit sie nur ja unwissend bleibe, diese Klasse lebendig zu machen und in die Bewegung hineinzuziehen, das ist die nächste, dringendste Aufgabe der deutschen Arbeiterbewegung. Von dem Tage an, wo die Masse der Landtaglöhner ihre eigenen Interessen verstehen gelernt hat, von dem Tage an ist eine reaktionäre, feudale, bürokratische oder bürgerliche Regierung in Deutschland unmöglich.
Die vorstehenden Zeilen wurden vor mehr als vier Jahren niedergeschrieben. Sie behalten ihre Geltung auch heute noch. Was nach Sadowa und der Teilung Deutschlands richtig war, bestätigt sich auch nach Sedan und der Errichtung des heiligen deutschen Reichs preußischer Nation'3141. So wenig vermögen „welterschütternde" Haupt- und Staatsaktionen der sogenannten großen Politik an der Richtung der geschichtlichen Bewegung zu ändern. Was dagegen diese Haupt- und Staatsaktionen vermögen, das ist die Geschwindigkeit dieser Bewegung beschleunigen. Und in dieser Beziehung
haben die Urheber obiger „welterschütternden Ereignisse" unfreiwillige Erfolge gehabt, die ihnen selbst sicher höchst unerwünscht sind, die sie aber wohl oder übel in den Kauf nehmen müssen. Schon der Krieg von 1866 erschütterte das alte Preußen in seinen Grundfesten. Es hatte bereits Mühe gekostet, nach 1848 das rebellische industrielle bürgerliche wie proletarische - Element der Westprovinzen wieder unter die alte Zucht zu bringen; indes, es war gelungen, und das Interesse der Junker aus den Ostprovinzen war, nächst dem der Armee, wieder das herrschende im Staat. 1866 wurde fast ganz Nordwestdeutschland preußisch. Abgesehen von dem unheilbaren moralischen Schaden, den die preußische Krone von Gottes Gnaden nahm, indem sie drei andere Kronen von Gottes Gnaden verschluckte, verlegte sich jetzt der Schwerpunkt der Monarchie bedeutend nach Westen. Die 5 Millionen Rheinländer und Westfalen wurden verstärkt, zunächst durch die 4 Millionen direkt und sodann durch die 6 Millionen indirekt, durch den Norddeutschen Bund, annektierter Deutschen. Und 1870 kamen dazu noch die 8 Millionen Südwestdeutschen, so daß nun im „neuen Reich" den 141/2 Millionen Altpreußen (aus den sechs ostelbischen Provinzen, darunter obendrein 2 Millionen Polen) an 25 Millionen gegenüberstanden, die dem altpreußischen Junkerfeudalismus längst entwachsen waren. So verschoben gerade die Siege der preußischen Armee die ganze Grundlage des preußischen Staatsgebäudes; die Junkerherrschaft wurde mehr und mehr selbst der Regierung unerträglich. Aber gleichzeitig hatte die reißend schnelle industrielle Entwicklung den Kampf zwischen Junkern und Bourgeois verdrängt durch den Kampf zwischen Bourgeois und Arbeitern, so daß auch im Innern die gesellschaftlichen Grundlagen des alten Staats eine vollständige Umwälzung erfuhren. Die seit 1840 langsam verwesende Monarchie hatte zur Grundbedingung gehabt den Kampf zwischen Adel und Bourgeoisie, worin sie das Gleichgewicht erhielt; von dem Augenblick, wo es darauf ankam, nicht mehr den Adel gegen das Andrängen der Bourgeoisie, sondern alle besitzenden Klassen gegen das Andrängen der Arbeiterklasse zu schützen, mußte die alte absolute Monarchie völlig übergehen in die eigens zu diesem Zweck herausgearbeitete Staatsform: die bonapartistische Monarchie. Ich habe diesen Übergang Preußens zum Bonapartismus bereits an einem andern Ort auseinandergesetzt („Wohnungsfrage", 2. Heft, S. 26ff.[3451). Was ich dort nicht zu betonen hatte, was aber hier sehr wesentlich, ist, daß dieser Übergang der größte Fortschritt war, den Preußen seit 1848 gemacht, so sehr war Preußen hinter der modernen Entwicklung zurückgeblieben. Es war eben noch immer ein halbfeudaler Staat, und der Bonapartismus ist jedenfalls eine moderne Staatsform, die die Beseitigung des Feudalismus zur Voraussetzung hat. Preußen muß sich also entschließen, mit seinen zahlreichen feudalen Resten aufzuräumen, das Junkertum als solches zu opfern. Natürlich geschieht dies in der mildesten Form und nach der beliebten Melodie: Immer langsam voran!13211 So z.B. in der vielberühmten Kreisordnung. Sie hebt die feudalen Privilegien
des einzelnen Junkers auf seinem Gut auf, aber nur um sie als Vorrechte der Gesamtheit der großen Grundbesitzer für den ganzen Kreis wiederherzustellen. Die Sache bleibt, nur wird sie aus dem feudalen in den bürgerlichen Dialekt übersetzt. Man verwandelt den altpreußischen Junker zwangsweise in etwas wie einen englischen Squire, und er brauchte sich gar nicht so sehr dagegen zu sträuben, denn der eine ist so dumm wie der andere. Somit hat also Preußen das sonderbare Schicksal, seine bürgerliche Revolution,die es 1808 bis 1813 begonnen und 1848 ein Stück weitergeführt, Ende dieses Jahrhunderts in der angenehmen Form des Bonapartismus zu vollenden. Und wenn alles gut geht und die Welt fein ruhig bleibt und wir alle alt genug werden, so können wir es vielleicht im Jahr 1900 erleben, daß die Regierung in Preußen wirklich alle feudalen Einrichtungen abgeschafft hat, daß Preußen endlich auf dem Punkt ankommt, wo Frankreich 1792 stand. Abschaffung des Feudalismus, positiv ausgedrückt, heißt Herstellung bürgerlicher Zustände. In demselben Maß, wie die Adelsprivilegien fallen, verbürgert sich die Gesetzgebung. Und hier stoßen wir auf den Kernpunkt des Verhältnisses der deutschen Bourgeoisie zur Regierung. Wir sahen, daß die Regierung genötigt ist, diese langsamen und kleinlichen Reformen einzuführen. Aber der Bourgeoisie gegenüber stellt sie jede dieser kleinen Konzessionen dar als ein den Bourgeois gebrachtes Opfer, ein der Krone mit Mühe und Not abgerungenes Zugeständnis, wofür sie, die Bourgeois, nun auch wieder der Regierung etwas zugestehen müßten. Und die Bourgeois, obwohl ziemlich klar über den Sachverhalt, gehn auf diese Täuschung ein. Daraus ist denn jener stillschweigende Vertrag entstanden, der die stumme Grundlage aller Reichstags- und Kammerdebatten in Berlin bildet: Einerseits reformiert die Regierung die Gesetze im Schneckengalopp im Interesse der Bourgeoisie, beseitigt die feudalen und aus der Kleinstaaterei entstandenen Hindernisse der Industrie, schafft Münz-, Maß- und Gewichtseinheit, Gewerbefreiheit usw., stellt dem Kapital durch die Freizügigkeit die Arbeitskraft Deutschlands zur unbeschränkten Verfügung, begünstigt Handel und Schwindel; andrerseits überläßt die Bourgeoisie der Regierung alle wirkliche politische Macht, votiert Steuern, Anleihen und Soldaten und hilft alle neuen Reformgesetze so abfassen, daß die alte Polizeigewalt über mißliebige Individuen in voller Kraft bleibt. Die Bourgeoisie erkauft ihre allmähliche gesellschaftliche Emanzipation mit dem sofortigen Verzicht auf eigene politische Macht. Natürlich ist der Hauptbeweggrund, der der Bourgeoisie einen solchen Vertrag annehmbar macht, nicht Furcht vor der Regierung, sondern Furcht vor dem Proletariat. So jämmerlich indes unsere Bourgeoisie auch auf politischem Gebiet auftritt, so ist nicht zu leugnen, daß sie in industrieller und kommerzieller Beziehung endlich einmal ihre Schuldigkeit tut. Der Aufschwung der Industrie und des Handels, auf den in der Einleitung zur zweiten Ausgabe hingewiesen wurde, hat seitdem sich mit noch weit größerer Energie entwickelt. Was in dieser Beziehung im rheinisch-westfälischen Industriebezirk seit 1869
geschehen, ist für Deutschland geradezu unerhört und erinnert an den Auf- i schwung in den englischen Fabrikdistrikten im Anfang dieses Jahrhunderts. Und in Sachsen und Oberschlesien, in Berlin, Hannover und den Seestädten wird es ebenso sein. Wir haben endlich einen Welthandel, eine wirklich große Industrie, eine wirklich moderne Bourgeoisie; wir haben dafür aber auch einen wirklichen Krach13461 gehabt und haben ebenfalls ein wirkliches, gewaltiges Proletariat bekommen. Für den zukünftigen Geschichtsschreiber wird in der Geschichte Deutschlands von 1869 bis 1874 der Schlachtendonner von Spichern, Mars-la-Tour und Sedan'3471, und was daranhängt, weit weniger Bedeutung haben als die anspruchslose, ruhig, aber stetig fortschreitende Entwicklung des deutschen Proletariats. Gleich 1870 trat eine schwere Prüfung an die deutschen Arbeiter heran: die bonapartistische Kriegsprovokation und ihre natürliche Wirkung: der allgemeine nationale Enthusiasmus in Deutschland. Die deutschen sozialistischen Arbeiter ließen sich keinen Augenblick irremachen. Nicht eine Regung von nationalem Chauvinismus trat bei ihnen hervor. Mitten im tollsten Siegestaumel blieben sie kalt, verlangten „einen billigen Frieden mit der Französischen Republik und keine Annexionen"1348und selbst der Belagerungszustand konnte sie nicht zum Schweigen bringen. Kein Schlachtenruhm, kein Gerede von deutscher „Reichsherrlichkeit" zog bei ihnen; ihr einziges Ziel blieb die Befreiung des gesamten europäischen Proletariats. Man darf wohl sagen: einer so schweren, so glänzend bestandenen Probe sind die Arbeiter keines andern Landes bisher unterworfen worden. Auf den Belagerungszustand des Krieges folgten die Hochverrats-, Majestäts- und Beamtenbeleidigungsprozesse, die stets sich steigernden Polizeischikanen des Friedens. Der „Volksstaat"13491 hatte in der Regel drei bis vier Redakteure gleichzeitig im Gefängnis, die andern Blätter im Verhältnis. Jeder einigermaßen bekannte Parteiredner mußte mindestens einmal im Jahr vor Gericht, wo er fast regelmäßig verurteilt wurde. Ausweisungen, Konfiskationen, Auflösungen von Versammlungen folgten hintereinander hageldicht. Alles umsonst. An die Stelle jedes Verhafteten oder Ausgewiesenen trat alsbald ein anderer; für jede aufgelöste Versammlung berief man zwei neue und ermüdete die Polizeiwillkür an einem Ort nach dem andern durch Ausdauer und genaues Einhalten der Gesetze. Alle Verfolgungen bewirkten das Gegenteil des beabsichtigten Zweckes; weit entfernt, die Arbeiterpartei zu brechen oder auch nur zu beugen, führten sie ihr nur stets neue Rekruten zu und befestigten die Organisation. In ihrem Kampf mit den Behörden wie mit den einzelnen Bourgeois zeigten sich die Arbeiter überall als die intellektuell und moralisch Überlegenen und bewiesen namentlich in ihren Konflikten mit den sogenannten „Arbeitgebern", daß sie, die Arbeiter, jetzt die Gebildeten und die Kapitalisten die Knoten sind. Und dabei führen sie den Kampf vorwiegend mit einem Humor, der der beste Beweis ist, wie sehr sie ihrer Sache sicher und ihrer Überlegenheit sich bewußt sind. Ein so geführter Kampf, auf
geschichtlich vorbereitetem Boden, muß große Resultate liefern. Die Erfolge der Januarwahlen'3501 stehen bisher einzig da in der Geschichte der modernen Arbeiterbewegung, und das Erstaunen, das sie in ganz Europa hervorriefen, war vollständig gerechtfertigt. Die deutschen Arbeiter haben vor denen des übrigen Europas zwei wesentliche Vorteile voraus. Erstens, daß sie dem theoretischsten Volk Europas angehören und daß sie sich den theoretischen Sinn bewahrt haben, der den sogenannten „Gebildeten" Deutschlands so gänzlich abhanden gekommen ist. Ohne Vorausgang der deutschen Philosophie, namentlich Hegels, wäre der deutsche wissenschaftliche Sozialismus - der einzige wissenschaftliche Sozialismus, der je existiert hat - nie zustande gekommen. Ohne theoretischen Sinn unter den Arbeitern wäre dieser wissenschaftliche Sozialismus nie so sehr in ihr Fleisch und Blut übergegangen, wie dies der Fall ist. Und welch ein unermeßlicher Vorzug dies ist, zeigt sich einerseits an der Gleichgültigkeit gegen alle Theorie, die eine der Hauptursachen ist, weshalb die englische Arbeiterbewegung, trotz aller ausgezeichneten Organisation der einzelnen Gewerke, so langsam vom Flecke kommt, und andererseits an dem Unfug und der Verwirrung, die der Proudhonismus in seiner ursprünglichen Gestalt bei Franzosen und Belgiern, in seiner durch Bakunin weiter karikierten Form bei Spaniern und Italienern angerichtet hat. Der zweite Vorteil ist der, daß die Deutschen in der Arbeiterbewegung der Zeit nach ziemlich zuletzt gekommen sind. Wie der deutsche theoretische Sozialismus nie vergessen wird, daß er auf den Schultern Saint-Simons, Fouriers und Owens steht, dreier Männer, die bei aller Phantasterei und bei allem Utopismus zu den bedeutendsten Köpfen aller Zeiten gehören und zahllose Dinge genial antizipierten, deren Richtigkeit wir jetzt wissenschaftlich nachweisen - so darf die deutsche praktische Arbeiterbewegung nie vergessen, daß sie auf den Schultern der englischen und französischen Bewegung sich entwickelt hat, ihre teuer erkauften Erfahrungen sich einfach zunutze machen, ihre damals meist unvermeidlichen Fehler jetzt vermeiden konnte. Ohne den Vorgang der englischen Trade-Unions und der französischen politischen Arbeiterkämpfe, ohne den riesenhaften Anstoß, den namentlich die Pariser Kommune gegeben, wo wären wir jetzt? Man muß den deutschen Arbeitern nachsagen, daß sie die Vorteile ihrer Lage mit seltnem Verständnis ausgebeutet haben. Zum erstenmal, seit eine Arbeiterbewegung besteht, wird der Kampf nach seinen drei Seiten hin nach der theoretischen, der politischen und der praktisch-ökonomischen (Widerstand gegen die Kapitalisten) - im Einklang und Zusammenhang und planmäßig geführt. In diesem sozusagen konzentrischen Angriffe liegt gerade die Stärke und Unbesiegbarkeit der deutschen Bewegung. Einerseits durch diese ihre vorteilhafte Stellung, andererseits durch die insularen Eigentümlichkeiten der englischen und die gewaltsame Niederhaltung der französischen Bewegung sind die deutschen Arbeiter für den Augenblick
in die Vorhut des proletarischen Kampfes gestellt worden. Wie lange die Ereignisse ihnen diesen Ehrenposten lassen werden, läßt sich nicht vorhersagen. Aber solange sie ihn einnehmen, werden sie ihn hoffentlich so ausfüllen, wie es sich gebührt. Dazu gehören verdoppelte Anstrengungen auf jedem Gebiet des Kampfes und der Agitation. Es wird namentlich die Pflicht der Führer sein, sich über alle theoretischen Fragen mehr und mehr aufzuklären, sich mehr und mehr von dem Einfluß überkommener, der alten Weltanschauung angehöriger Phrasen zu befreien und stets im Auge zu behalten, daß der Sozialismus, seitdem er eine Wissenschaft geworden, auch wie eine Wissenschaft betrieben, d. h. studiert werden will. Es wird darauf ankommen, die so gewonnene, immer mehr geklärte Einsicht unter den Arbeitermassen mit gesteigertem Eifer zu verbreiten, die Organisation der Partei wie der Gewerksgenossenschaften immer fester zusammenzuschließen. Wenn auch die im Januar abgegebenen sozialistischen Stimmen schon eine hübsche Armee repräsentieren, so machen sie doch bei weitem noch nicht die Majorität der deutschen Arbeiterklasse aus; und so ermutigend auch die Erfolge der Propaganda unter der ländlichen Bevölkerung sind, so bleibt doch gerade hier noch unendlich viel zu tun. Es gilt also nicht zu ermatten im Kampf, es gilt dem Feinde eine Stadt, einen Wahlkreis nach dem andern zu entreißen; vor allem aber gilt es, sich den echt internationalen Sinn zu wahren, der keinen patriotischen Chauvinismus aufkommen läßt und der jeden neuen Schritt in der proletarischen Bewegung mit Freuden begrüßt, einerlei von welcher Nation er ausgeht. Wenn die deutschen Arbeiter so vorangehen, so werden sie nicht gerade an der Spitze der Bewegung marschieren - es ist gar nicht im Interesse dieser Bewegung, daß die Arbeiter irgendeiner einzelnen Nation an ihrer Spitze marschieren -, aber doch einen ehrenvollen Platz in der Schlachtlinie einnehmen; und sie werden gerüstet dastehen, wenn entweder unerwartet schwere Prüfungen oder gewaltige Ereignisse von ihnen erhöhten Mut, erhöhte Entschlossenheit und Tatkraft erheischen.
London, den 1. Juli 1874 Friedrich Engels
C. Aufzeichnungen und Dokumente (September 1849-Februar 1851).

Aufzeichnungen und Dokumente (September 1849-Februar 1851)
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Aufruf zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge
[„Neue Deutsche Zeitung" Nr. 228 vom 26. September 1849] Seitdem in Deutschland im wilden Kriegsgetümmel „die Ordnung und die Ruhe" wieder eingeführt; seitdem auf dem Schutte rauchender Städte und unter dem mörderischen Donner der Kanonen die „Sicherheit des Eigentums und der Person" wiederhergestellt ist; seit das Kriegsgericht kaum genügt, um einen „Rebellen" über den andern mit zerschmettertem Haupte ins Grab hinabzuschicken; seit die Kerker nicht mehr ausreichen, um all die „Hochverräter" zu fassen; seit das einzige übriggebliebene Recht noch das Standrecht ist - seitdem irren Tausende und abermals Tausende ohne Obdach im fremden Lande umher. Von Tag zu Tag steigt die Menge und mit ihr das Unglück der Heimatlosen; von einem Orte zum andern verstoßen, wissen sie am Morgen nicht, wohin des Abends ihr Haupt legen, und am Abend nicht, woher des Morgens ihr Brot nehmen. Es ist eine zahllose Auswanderung, welche die Gegenden der Schweiz, Frankreichs und Englands erfüllt. Aus allen Provinzen Deutschlands sind die Unglücklichen herbeigekommen. Wer in Wien gegen die schwarzgelbe „Liga" auf den Barrikaden stand und mit den Sereschanern Jellachichs rang; wer in Preußen vor der Soldateska Wrangeis und Brandenburgs floh; wer in Dresden die Reichsverfassung mit der Büchse verteidigte und wer in Baden als republikanischer Soldat wider das vereinigte Kreuzheer der Fürsten im Felde lag - ob Liberaler, ob Demokrat, ob Republikaner, ob Sozialist: die Anhänger der verschiedensten poli
35 Marx/Eneels, Werte, Bd. 7
tischen Lehren und Interessen, sie sind alle im gleichen Exil und in gleichem Elend vereinigt. In zerrissenem Kleide bettelt eine halbe Nation vor den Türen der Fremden. Auch auf dem kalten Pflaster der glänzenden Weltstadt London irren unsere flüchtigen Landsleute umher. Jedes Schiff, das den Kanal durchschnitt, bringt von jenseits des Meeres eine neue Schar Heimatloser; in allen Straßen der Stadt klagt der Kummer eines Verbannten in unserer Sprache. Diese Not hat viele deutsche Freiheitsfreunde in London tief ergriffen. Am 18. September des Jahres wurde daher eine allgemeine Versammlung der Bildungsgesellschaft für deutsche Arbeiter und der angekommenen Flüchtlinge unserer Nation abgehalten, um einen Ausschuß zur Unterstützung bedürftiger Demokraten zu errichten. Es gingen aus der Wahl hervor: Karl Marx, ehemaliger Redakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung"; Karl Blind, ehemaliger Abgesandter der badisch-pfälzischen Regierung zu Paris; Anton Füster, ehemaliges Mitglied des österreichischen Reichstages zu Wien; Heinrich Bauer, Schuhmachermeister in London; und Karl Pfänder, Maler dahier. Dieser Ausschuß wird jeden Monat öffentliche Rechenschaft ablegen, sowohl in der allgemeinen Versammlung als auch auszugsweise in deutschen Zeitungen. Um allen Mißdeutungen vorzubeugen, ist die Bestimmung getroffen worden, daß kein Mitglied des Komitees irgendeine Unterstützung aus der Kasse beziehen darf. Sollte ein Komiteemitglied je unterstützungsbedürftig Werdens so verliert es dadurch seine Eigenschaft als Komiteemitglied. Wir bitten Euch nun, Freunde und Brüder, zu tun, was in Euren Kräften steht. Wenn Euch daran liegt, daß die niedergeworfene und gefesselte Freiheit wieder ersteht, und wenn Ihr ein Herz habt für die Leiden Eurer besten Vorkämpfer, so bedarf es von unserer Seite keiner großen Mahnung. Alle Gaben möge man adressieren an: „Heinrich Bauer, Schuhmachermeister, Dean Street, 64, Soho Square, London". Die Einlage möge bezeichnet werden mit der Aufschrift: „Für das Flüchtlingskomitee." Der Ausschuß zur Unterstützung deutscher politischer Flüchtlinge: Anton Füster Karl Marx Karl Blind Heinrich Bauer Karl Pfänder
London, den 20. September 1849
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Rechnungsablage des Ausschusses zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in London
[„Westdeutsche Zeitung" Nr. 173 vom 12. Dezember 1849] Am 18. November d.J. hielt der deutsche Arbeiterverein in London mit der Mehrzahl der daselbst anwesenden politischen Flüchtlinge eine Generalversammlung, um die Rechnungsablage des in einer früheren Versammlung ernannten Unterstützungsausschusses in Empfang zu nehmen. Es waren im ganzen seit dem 22. Sept. c.1 eingegangen: Pfd.St. sh. d. 1. Vom Arbeiterverein in London 2 8 41/2 2. Von der deutschen Lesegesellschaft in London .... 2 15 3. Von der Redaktion des „Northern Star" in London - 5 4. Von dem Bürger Eddäus in London - 1 5. Durch den Bürger Siefert in London gesammelt .. - 9 6 6. Vom Bürger Görringer in London 1 5 9 7. Durch den Bürger H. Bauer in London gesammelt .7 19 8. Von den deutschen Arbeitern aus Paris, durch Bürger Heidecker - 12 1 9. Aus Huddersfield durch Bürger Krepp 3 - 10. Aus Stettin in Preußen 18 14 Summa 36 12 51/2
Die Ausgaben betrugen vom 22. September bis zum 18. November c. an die Flüchtlinge: Pfd.St. sh. d. 1.Kleine r 3 17 2 2. Zschinski 3 17 4 3. Fröhlich 2 2 1 4. Henser 3 7 6 5. Egener 1 19 6. W. Töpffer 1 11 7 7. J. Töpffer 1 4 4
1 current, d. h. des laufenden (Jahres)
Pfd. St. sh. d. 8. An die Flüchtlinge Blei, Bergmann, Osoba, Wessely, Braulichy und Klein, zusammen 2 8 10 9. An den Flüchtling Kaufmann Schopp nebst Familie gegen Solawechsel 4 - 10. Für Druckkosten und Subskriptionslisten 1 15 21/a Summa 26 3 1/2
Summa der Einnahme: 36 Pfd. St. 12 sh. 51/2 d. Summa der Ausgabe: 26 „ 3 „ 1/2 „ Kassenbestand: 10 Pfd. St. 9sh. 5 d.
Es gingen ferner Kleidungsstücke ein, die an die Flüchtlinge verteilt wurden. Obige Rechnungsablage wurde einstimmig von der Versammlung angenommen. Über sämtliche Ausgaben liegen die Quittungen vor, und werden die in der erwähnten Versammlung nicht vertretenen Geber von Huddersfield und Stettin aufgefordert, Kommittenten in London zu ernennen, um diese Quittungen einzusehen. Da durch die Abreise zweier Glieder des Ausschusses, A. Füster und K. Blind, derselbe unvollzählig geworden war und da ferner ein Gegenkomitee, unabhängig vom Arbeiterverein und den Flüchtlingen der sozialdemokratischen Richtung, sich hier zu bilden sucht, gab der Ausschuß sein Mandat in die Hände der Gesellschaft zurück. Die Gesellschaft beschloß hierauf: 1. Der deutsche Arbeiterverein ernennt, unter Anerkennung der Tätigkeit des bisherigen Ausschusses, ein neues Komitee von fünf Gliedern aus seiner Mitte unter dem Titel: „Sozial-demokratisches Unterstützungskomitee für deutsche Flüchtlinge". Dieses Komitee übernimmt das Saldo des früheren Ausschusses. - 2. Das Komitee nimmt vorzugsweise die Mitglieder der sozial-demokratischen Partei in Anspruch, wird aber, soweit seine Mittel es erlauben, auch Flüchtlinge anderer Richtungen von der Unterstützung nicht ausschließen. - 3. Das Komitee legt dem Arbeiterverein monatliche Rechnung ab und wird sodann erneuert. Die Rechnungsablage wird veröffentlicht in der „Deutschen Londoner Zeitung", im „Northern Star", in der Frankfurter „Neuen Deutschen Zeitung", in Köln in der „Westdeutschen Zeitung", in der „Norddeutschen Freien Presse" in Hamburg, in der Berliner „Demokratischen Zeitung", in der „Schweizerischen National-Zeitung", in der „Schnellpost" und in der „Staatszeitung" zu New York. - 4. Die Geber von Beiträgen sind berechtigt, bei den monatlichen Rechnungsablagen persönlich oder, wenn sie nicht in London anwesend sind, durch Kommittenten zu erscheinen und die Bücher, Quittungen und die Kassenbestände zu prüfen.
5. Der Arbeiterverein ernennt zu Komiteegliedern: Karl Marx, August Willich, Friedrich Engels, Heinrich Bauer, Karl Pfänder. Indem das unterzeichnete Komitee obige Rechnungsablage nebst den Beschlüssen des Arbeitervereins zur öffentlichen Kenntnis bringt, bittet es, die Beiträge an Heinrich Bauer, 64, Dean Street, Soho, London, einzusenden.
London, 3. Dezember 1849 Das Komitee: Karl Marx August Willich Friedrich Engels Heinrich Bauer Karl Pfänder
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Einleitung zur Aktienzeichnung auf die „Neue Rheinische Zeitung • Politisch-ökonomische Revue" redigiert von Karl Marx
Die „Neue Rheinische Zeitung" erschien bekanntlich vom I.Juni 1848 bis zum 15. Mai 1849 unter der Direktion von Karl Marx als Tagblatt in Köln am Rhein. Sie vertrat die entschiedenste Richtung der Demokratie in Deutschland mit solchem Glück, daß trotz aller Suspensionen und Belagerungszustände, trotz aller Preßprozesse und Verfolgungen, trotz der größten Schwierigkeiten, Anfeindungen und Hindernisse aller Art sie nach nur elfmonatlichem Bestehen 5600 Abonnenten zählte. Nachdem die Redaktion zweimal von den Geschworenen freigesprochen, blieb der preußischen Regierung nur noch ein Gewaltstreich zur Unterdrückung dieses gefürchteten Blattes übrig: Als die partiellen Aufstände im Mai v.J. in Rheinpreußen unterdrückt waren, wurde die momentane Säbelherrschaft dazu benutzt, die Redaktion gewaltsam aus Preußen zu entfernen und so das Forterscheinen der „Neuen Rheinischen Zeitung" unmöglich zu machen. Die Redakteure der „Neuen Rheinischen Zeitung", nachdem sie, sei es in Süddeutschland, sei es in Paris, an den revolutionären Bewegungen des letzten Sommers teilgenommen, haben sich der Mehrzahl nach in London wieder zusammengefunden und beschlossen, die Zeitung von hier aus fortzusetzen. Die Zeitung kann zunächst nur als Revue in monatlichen Heften von ca. fünf Bogen erscheinen. Das Unternehmen wird aber erst dann seinen Zweck vollständig erfüllen, eine ununterbrochene, dauernde Wirkung auf die öffentliche Meinung ausüben und auch in finanzieller Beziehung ganz andere
Chancen bieten, wenn die Redaktion in den Stand gesetzt wird, die einzelnen Nummern rascher aufeinanderfolgen zu lassen. Sie beabsichtigt] deshalb, sobald die Mittel es erlauben, die „Neue Rheinische Zeitung" in vierzehntägigen Heften von fünf Bogen oder womöglich als großes wöchentliches Blatt nach Art der amerikanischen und englischen Wochenblätter erscheinen zu lassen und, sobald die Verhältnisse ihr die Rückkehr nach Deutschland gestatten, das Wochenblatt sofort wieder in eine tägliche Zeitung zu verwandeln. Eine vorläufige Berechnung stellt heraus, daß die Revue bei nur 14tägigem Erscheinen und bei einem Absatz von 3000 Exemplaren einen jährlichen Reingewinn von T[aler] 1900 abwirft. Um das Unternehmen sicherzustellen und das 14tägige oder wöchentliche Erscheinen der Revue möglich zu machen, ist ein Kapital von 500 Pfd. Sterling nötig, für welchen Betrag hiermit eine Aktienzeichnung unter folgenden Bedingungen eröffnet wird: 1. Jede Aktie beträgt 50 Francs und wird sogleich gegen vorläufige Quittung ausbezahlt. Die vorläufigen Quittungen werden später gegen die Originalaktien ausgetauscht. 2. Jeder Aktionär ist nur für den Betrag seiner Aktie verbindlich. 3. Die Aktionäre haben das Recht, Kommittenten in London zur Einsicht der Geschäftsführung zu ernennen. 4. Jedes Vierteljahr wird eine Generalversammlung berufen, die den Bericht über den Fortgang des Unternehmens sowie die Rechnungsablage entgegennimmt, über die weitere Kontrollierung der Geschäftsführung Beschlüsse faßt. Den einzelnen Aktionären wird ein lithographierter Geschäftsbericht zugeschickt. 5. Der aus dem Geschäft sich ergebende Gewinn wird solange zum Geschäftskapital geschlagen, bis die „Neue Rheinische Zeitung" wöchentlich erscheinen kann. Ist das Unternehmen soweit gediehen, so wird der Gewinn in drei gleiche Teile geteilt, von denen ein Drittel als Reservefonds stehenbleibt, ein zweites Drittel als Dividende an die Aktionäre verteilt wird und das letzte Drittel der Redaktion zufällt. London, I.Januar 1850 K. Schramm Gerant der „Neuen Rhein. Zeitung. [Politisch-ökonomische Revue]"
Nach dem Manuskript.
Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London
1. Ausgaben
Nov. 1849 16 Unterstützungen zu Dez. „ 29 3
Jan. 1850 20
Febr. 1.-23. 18 2 1 5
sh. 7 7 4 6 3 5 5/6 8 12 10 7 2/6 4 7 5 2 10 3 13 1/3
[„Westdeutsche Zeitung" Nr. 68 vom 21. März 1850]
Pfd.St. sh. d. 5 10 12 3 12 6 3 10 5 8 12
2 12 6 10 2 10 3 13 2
114 Unterstützungen zusammen 38 13 6 Porto, Stempel, Inkassospesen und Schreibmaterial I 5 1 Summe 39 18 7
Unter den Ausgaben befinden sich 26 Pfd. St. Vorschuß an verschiedene inzwischen beschäftigte Flüchtlinge zur Anschaffung von Handwerkszeug, Kleidungsstücken etc., deren spätere Rückzahlung versprochen worden ist.
2. Einnahmen
Pfd.St. sh. d. Nov. 19. Saldo 10 9 5 Dezbr. 1. Vom Arbeiterverein - 3 6 „ 10. Durch die „Westdeutsche] Z[eitung]" in Köln Tlr. 30 ab[zü]gl. Kosten 4 1 „ 15. Von deutschen Arbeitern in Paris 2 5 10 „ 17. Durch Hr. Prof. Türk in Rostock 16 12 6 Febr. 11. Vom Hülfskomitee in Cincinnati 20 ,18 „ 20. Von den Arbeitern in Schwerin 3 - Summe 57 10 3 Ab obige Ausgaben 39 18 7 Bleibt in Kasse 17 11 8
Die vorstehende Rechnung ist in der Sitzung des hiesigen deutschen Arbeitervereins vom 4. März abgelegt und richtig befunden worden. Die Quittungen und Bücher des Komitees liegen zur Einsicht der Geber oder ihrer Kommittenten beim Kassierer bereit. Seit dem Abschluß dieser Rechnung sind noch zwei Posten von Köln und New York eingegangen, welche in der nächsten Ablage verrechnet werden. Dagegen hat sich durch die fortwährenden Ausweisungen aus der Schweiz und aus Frankreich die Zahl der hiesigen unterstützungsbedürftigen Flüchtlinge in einem hohen Grade vermehrt. Fast täglich kommen neue Flüchtlinge hier an und meistens in einem Zustande, worin sie nicht nur die gewöhnliche notdürftige Unterstützung bedürfen, sondern auch ebenso dringende Auslagen für Kleidung nötig machen. Das unterzeichnete Komitee wird unter diesen Umständen um so mehr in Anspruch genommen, je weniger die Versuche, von anderer Seite her Mittel zur Unterstützung der hiesigen Flüchtlinge aufzutreiben, von Erfolg gewesen zu sein scheinen und jemehr daher alle hier ankommenden Flüchtlinge ihm sofort zugewiesen werden. Es ist den Bemühungen der hiesigen deutschen Arbeiter und der Flüchtlinge selbst gelungen, für manche der letztern Beschäftigung zu finden. Aber eine Menge Geschäftszweige, die den Flüchtlingen anderwärts offenstehen, sind ihnen aus verschiedenen Gründen und namentlich durch die Hetzjagd der Konkurrenz in dem übervölkerten London verschlossen. Und dann ist der Andrang der neuen Ankömmlinge so rasch, daß trotzdem die Liste der zu Unterstützenden jede Woche anschwillt. Obwohl bei der Verwendung der dem Komitee überwiesenen Gelder die größte Sparsamkeit beobachtet und die regelmäßige Unterstützung auf das Notdürftigste beschränkt wird, was die hiesigen hohen Preise der Lebensbedürfnisse gestatten, so haben unter diesen Umständen die Fonds des
Komitees sehr rasch zusammenschmelzen müssen. Wir müssen sogar befürchten, daß wir vielleicht bald außerstand gesetzt werden, die hiesigen unbeschäftigten Flüchtlinge vor der Obdachlosigkeit und dem äußersten Elend zu schützen. Wir appellieren daher nochmals an die Mittel der Partei in Deutschland selbst. Wir rufen ihr zu, daß in demselben Maße, in dem die Zahl und damit die Not der Flüchtlinge in der Schweiz und in Frankreich abnimmt, in demselben Maße sie zunimmt in London, und wir hoffen, daß es nicht dahin kommen wird, daß Leute, die für die Freiheit und die Ehre des deutschen Volkes die Waffen geführt haben, ihr Brot an den Straßenecken von London erbetteln müssen. Alle Beiträge werden erbeten unter der Adresse: Mr. Henry Bauer 64, Dean Street, Soho London London, Anfangs März 1850 Das Sozial-demokratische Flüchtlingskomitee: Karl Marx Fr. Engels H. Bauer A. Willich Karl Pfänder
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Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten12761
Art. 1. Das Ziel der Assoziation ist der Sturz aller privilegierten Klassen, ihre Unterwerfung unter die Diktatur der Proletarier, in welcher die Revolution in Permanenz erhalten wird bis zur Verwirklichung des Kommunismus, der die letzte Organisationsform der menschlichen Familie sein wird. Art. 2. Zur Verwirklichung dieses Zieles wird die Assoziation ein Band der Solidarität zwischen allen Fraktionen der revolutionären kommunistischen Partei bilden, indem sie, dem Prinzip der republikanischen Brüderlichkeit entsprechend, alle nationalen Schranken verschwinden läßt. Art. 3. Das Gründungskomitee der Assoziation konstituiert sich zum Zentralkomitee. Es wird überall, wo es zur Durchführung der Aufgaben notwendig ist, Komitees einsetzen, die mit dem Zentralkomitee in Verbindung stehen. Art. 4. Die Mitgliederzahl der Assoziation ist unbegrenzt, aber niemand darf aufgenommen werden, der nicht einstimmig gewählt wird. Die Wahl darf aber keinesfalls geheim sein.
Art. 5. Alle Mitglieder der Assoziation verpflichten sich eidlich, den ersten Artikel der Satzungen unbedingt einzuhalten. Eine Änderung, die möglicherweise eine Abschwächung der im ersten Artikel ausgesprochenen Absichten zur Folge hätte, entbindet die Mitglieder der Assoziation ihrer Verpflichtung. Art. 6. Alle Beschlüsse der Gesellschaft werden mit Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden gefaßt.
Adam J. Vidil Ch. Marx August Willich F. Engels G. Julian Harney
Geschrieben Mitte April 1850. Nach dem Manuskript. Aus dem Französischen.
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Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London
[„Norddeutsche Freie Presse" Nr. 349 vom 10. Mai 1850]
Einnahme
Pfd.St. sh. d. Febr. 25. Saldo in Kasse 17 11 8 Vom Sozial-Reform-Verein in London 30 18 5 März 13. Vom Kölner Flüchtlingskomitee 36 Von A. F., Mitglied des Arbeitervereins .... - 5 März 18. Durch Herrn Wichmann in Hamburg 6 April 16. „ „ Rempel in Bielefeld 3 „ „ Engels von E. B.1 1 April 20. Von mehreren engl. Arbeitern - 7 95 2 1
Ausgaben März 53 Unterstützungen a 7 [sh.] 18 11 7 „ ilO „ 3 10 1 „ ä 9 „ 6d. 9 6
1 vermutlich Elberfeld-Barmen
[März] 1 [Unterstützungen] ä 2 [sh.] 81/2 d. 6 „ i 5 2 „ k 1 2 „ i 4 1 12 Vorschüsse Porto und kleine Ausgaben Pfd.St. sh. d. - 2 8 V2 1 10 2 8 2 ..2 3 27 6 10V2
Pfd.St. sh. d. April 56 Unterstützungen k 6 [sh.] 16 16 18 ä 5 „ 4 10 >» 2 k 2 „ 6 d. - 5 1 > 14 ä 1 „ 6 d. 1 1 9> 52 ä 7 „ 18 4 JJ 1 a 8 „ - 8 !) 54 ä 3 „ 8 2 !» 49 k 3 „ 6 d. 8 11 6 99 1 a 6 „ 4 d. - 6 4 Kleine Ausgaben . 6 5 58 10 3 85 17 Kassenbestand
Das Komitee, gestiftet am 24. September 1849, hat seit seiner Gründung ungefähr hundert Flüchtlinge kürzere oder längere Zeit unterstützt, und die Gesamtsumme der durch seine Hände gegangenen Gelder beläuft sich auf 161 Pfd. St. 3 sh. 81/2 d. Außerdem hat der hiesige Arbeiterverein außerordentliche Bedürfnisse einzelner Flüchtlinge durch Kollekten gedeckt, andern Arbeit verschafft und sämtlichen Flüchtlingen sein Lokal nebst Zeitungen zur Verfügung gestellt. Uber obige Rechnungsablage, die dem deutschen Arbeiterverein vorgelegt und von ihm genehmigt worden ist, hegen die Bücher und Quittungen beim Kassierer des Komitees zur Einsicht der Geldabsender oder ihrer Mandatare bereit. Die Herren Struve, Bobzin, Bauer (Stolpe) und andere haben neuerdings ihre Namen für nötig gehalten, um hinreichende Geldsubsidien aus Deutschland für die Flüchtlinge heranzuziehen. Sie haben demgemäß eine Anzahl von Flüchtlingen um sich gruppiert und gestern in einer Versammlung ein
eigenes Komitee konstituiert. Es versteht sich, daß dies abermalige Projekt zur Bildung eines Nebenkomitees uns in unserer Tätigkeit für die Flüchtlinge nicht mehr beirren kann als die früheren gescheiterten Projekte. Wie die Rechnungsablage zeigt, ist die Kasse des Komitees so erschöpft, daß sie kaum noch für die Bedürfnisse einer Woche ausreicht. Dazu melden sich noch täglich neue Flüchtlinge um Unterstützung. Wir fordern daher nochmals die deutsche sozial-demokratische Partei auf, ihre Flüchtlinge nicht im Stiche zu lassen und möglichst bald ihre Beiträge an den Kassier K. Pfänder, 21, King Street, Soho, London einzusenden.
London, den 23. April 1850
K. Marx, Präsident August Willich K. Pfänder Friedrich Engels Heinrich Bauer
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Die deutschen Flüchtlinge in London
[„Westdeutsche Zeitung" Nr. 149 vom 25. Juni 1850] Seit einiger Zeit sind die Gelder für die hiesigen deutschen Flüchtlinge so spärlich eingegangen, daß diese dem größten Elende preisgegeben sind. Eine Anzahl von ihnen, die in ihrem Geschäft hier bisher keinen Erwerb finden konnten, schlafen fast seit einer Woche in den Straßen und den Parks und kämpfen mit dem Hunger. Von verschiedenen Seiten sind die Differenzen zwischen den Komitees und die angeblich parteiische Verteilung des Geldes zum Vor wand genommen worden, um keine Gelder für die Flüchtlinge herzuschicken. Die Herren Struve, Bobzin und andere haben dazu beigetragen, indem sie erklärten, das unterzeichnete Komitee unterstütze nur „Kommunisten". Wir erklären hier nochmals, daß wir jeden ohne Unterschied unterstützt haben, der sich als unterstützungsbedürftiger deutscher Flüchtling legitimierte. Unsere Bücher und Quittungen sind da, um es zu beweisen, und liegen den Geldsendern oder deren Mandataren jeden Augenblick zur Einsicht bereit. Der Mitunterzeichnete Willich hat in voller Sitzung des Komitees der Herrn Struve, Bobzin und anderer die dort unterstützten Flüchtlinge gefragt, wer von ihnen gefragt worden, ob er „Kommunist" sei. Nicht ein einziger meldete sich!
Wir erklären die obige Behauptung der Herren Struve, Bobzin und anderer für eine Lüge und Verleumdung. Hiernach fällt der Vorwand weg, unter dem bisher von verschiedenen Seiten den Londoner Flüchtlingen die Unterstützung entzogen wurde.
London, den 14.Juni 1850 Das Sozial-demokratische Flüchtlingskomitee K. Marx F. Engels K. Pfänder A. Willich H. Bauer
Briefe und Beiträge erbeten unter der Adresse K. Pfänder, 21, King Street, Soho, London.
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Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London für Mai, Juni und Juli 1850
[„Norddeutsche Freie Presse" Nr. 425 vom 8. August 1850]
Einnahme
Pfd.St. sh. d. April 24. Kassenbestand laut voriger Rechnung 9 4 II1/; Mai Von Hanau durch Bürger Schärttner .... Pfd.St. 13 - ab Einkommensteuer n -7 9.... 12 12 3 Von einem Engländer - 2 Frankfurt a.M. Pfd. St. 5 und Pfd. St. 20 .. 25 - 46 19 2Va Juni Von Trier 2 2 6 „ Paris (deutsche Arbeiter) 1 18 6 Durch Bürger Betzier - 5 4 6
Juli Von Frankfurt a.M 30 - „ Köln - 11 4 „ Wiesbaden (Arb.-Ver.) ^ 4 10 „ Hamburg („Nordd. Freie Presse") 11 11 10 „ Londoner Arb.-Ver 7 9 6
Pfd.St. sh. d. [Juli] von Frankfurt a.M 20 „ Neustadt a.d. Haardt 4 - „ Hamburg (Expedition des „Freischütz'") 20 10 10 „ Lachaur de fonds 5 - „ Hamburg (St. Georger Arbeiterverein) . - 17 6
Ausgabe
bis 27 Mai 30. 26 31
Juni
Juli
ä 3 h 2 a 1 „ 25 „ ä 5 „ Gelegentliche Unterstützungen Schuhmacherarbeit für Flüchtlinge Kleine Auslagen
58 Unterstützungen k 2 sh 59 „ kl 25 „ kl „ 6 d. . Gelegentliche Unterstützungen Kleine Ausgaben
28 Unterstützungen k 2 sh 24 „ kl, 93 „ h - „ 6 d Gelegentliche Unterstützungen An die Flüchtlingsmenage 7 Pfd. St. 9 sh. 6 d.
Für Arbeitseinrichtung
5 ,
,, »» 10 „ -„ 5 , 10 „ -„ 6 , ~~ »» ~~ »» 6 ,
Vorschüsse an einen Flüchtling mit Familie . Kleine Ausgaben
Totalausgabe
104 11 fd. St. sh. d. 22 Ä 8
2
i 12
l 6
11 5 _ 1 5 - 14 - 6 11 39 2 11 5 16 2 19 1 17 6 - 10 - 11 6 11 14 2 16 1 4 2 6 6 1 6
•35 9 6
6 7 i
12 6
l
19 37. 58 13 97» 109 10 87»
Totaleinnahme Ab Ausgabe .. Kassenbestand
Pfd.St. sh. d. 155 16 21/a 109 10 46 5 6
Obige Rechnungsablage wurde in der Sitzung des Arbeitervereins vom 30. Juli d. J. vorgelegt und genehmigt. Bücher und Quittungen liegen zur Einsicht der Geldabsender oder ihrer Mandatare bereit. Da während des Monats Juni die Beiträge sehr spärlich eingingen und die Not der Flüchtlinge oft unerträglich war, wurde die Einrichtung eines gemeinsamen Wohn- und Speisehauses für die Flüchtlinge beschlossen. Der hiesige Arbeiterverein sowie ein Teil der Flüchtlinge, die schon Arbeit gefunden hatten, machten es durch ihre Beiträge möglich, mit der Ausführung dieses Planes zu beginnen. Von den später eingegangenen Geldern konnte das Haus mit den nötigen Utensilien und Möbeln versehen werden. Wohnung haben bis jetzt 18 Flüchtlinge darin gefunden und Beköstigung circa 40. Zunächst wurden die unbeschäftigten Schuster unter den Flüchtlingen verwandt, um ihre Kameraden mit dem nötigen Schuhwerke zu versehen. Das Komitee hat später Fonds ausgesetzt und die nötigen Schritte getan, um eine gemeinsame, industrielle Beschäftigung der Flüchtlinge in dem angegebenen Lokale einzurichten und diese einen Teil ihrer Unterhaltungskosten selbst verdienen zu
Wenn der erste Versuch sich bewährt, wird die Sache in einem größeren Maßstabe ausgeführt und seinerzeit dem Publikum darüber die weitere Mitteilung gemacht werden. Das Komitee erwartet, daß dieses doppelte Unternehmen der Unterstützung und der industriellen Beschäftigung der Flüchtlinge durch zahlreiche Beiträge aus Deutschland so lange aufrechterhalten werden kann, bis die Flüchtlinge sich selbst zu ernähren imstande sind. lassen.
London, vom 30. Juli 1850
Das Sozial-demokratische Flüchtlingskomitee: Karl Marx Friedrich Engels August Willich Karl Pfänder Heinrich Bauer
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Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London vom 1. August bis 10. September [18501
[„Deutsche Londoner Zeitung" Nr. 287 vom 27. September 1850]
Einnahme
Pfd.St. sh. d. August Saldo 46 5 6 Durch Miß Berg gesammelt 12 - Vom Arbeiterverein in St. Georg Hamburg . . 2 10 Von demselben 1 10 Von Neustadt an der Haardt 8 - Von Herrn C. Flory durch die Redaktion der „Deutschen Londoner Zeitung" - 8 Septbr. Vom deutschen Arbeiterverein in Paris 2 - Gesammelt durch Herrn John Berg 17 10 Summa: 90 3 6
Ausgabe August In die Flüchtlingsmenage 28 9 3 An die Bürstenmacherei 7 10 Für Leder etc - 13 6 56 Unterstützungen k 6 d 1 8 23 dto. „ 1 sh 1 3 6 dto. „ 2 sh. 6 d - 15 Diverse Unterstützungen - 5 6 4 Unterstützungen ä 10 sh 2 Vorschüsse an Flüchtlinge 8 4 An 4 Flüchtlinge zur Reise nach Amerika ... 5 - Reisekosten nach Schleswig-Holstein 7 3 Kleine Unkosten, Porto, Inkasso etc - 11 3 Septbr. In die Menage 14 4 8 39 Unterstützungen ä 6 d - 19 6 2 dto. „ 1 sh - 2 1 Unterstützung a 10 sh. und 1 k 5 sh - 15
[Pfd.St. sh. d.]
Verteilt nach Vorschrift des Gebers, Herrn Berg 8 15 Vorschüsse an Flüchtlinge 1 18 Kleine Spesen - 6 10 Summa: 90 3 6
Da die vier unterzeichneten Mitglieder des bisherigen Sozial-demokratischen Komitees bei Ablegung dieser Rechnung ihren Austritt aus dem Komitee erklärten, ernannte die Gesellschaft in Great Windmill Street eine Kommission zur Prüfung der Bücher und Quittungen, welche am 15. d. ihren Bericht dahin erstattete, daß sie alles in Ordnung gefunden hat. Die Unterzeichneten hielten es für nötig, sämtliche Bücher und Quittungen über ihre Verwaltung bei dem bisherigen Kassierer, K.Pfänder, 21, King Street, Soho Square, zu belassen, da sie nicht nur aus dem Komitee, sondern auch aus der Gesellschaft getreten sind und sie Dokumente bei etwaigen Reklamationen von Seiten des Publikums nicht entbehren können. Die Geldsender werden daher ersucht, Mandatare in London zu ernennen, um Bücher und Quittungen bei dem genannten bisherigen Kassierer einzusehen. London, den 18. September 1850 Karl Marx H.Bauer K.Pfänder Fr.Engels
10
[Ansprache der Kölner Zentralbehörde an den Bund[351]]
[„Dresdner Journal und Anzeiger" Nr. 171 vom 22. Juni 1851]
Die Zentralbehörde an den Bund Brüder! Obwohl die Veränderungen, welche während der letzten Monate in den Verhältnissen des Bundes stattgefunden haben, den Kreisen und auch dem größten Teile der Gemeinden bekannt gemacht worden sind, so müssen wir doch in diesem allgemeinen Rundschreiben darauf zurückkommen, teils um manche Einzelberichte zu ergänzen, teils um notwendig gewordene Maßregeln daran zu knüpfen. Von den Vorfällen, welche sich in London zugetragen und dort zu einer Spaltung unter den Bundesmitgliedern geführt hatten, erhielt der Kreis Köln
36 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
zuerst Nachricht durch das Protokoll der ehemaligen Zentralbehörde über ihre Sitzung vom 15. September, in welcher mit einer Majorität von 4 unter 10 (7 gegen 3) Stimmen folgende Beschlüsse gefaßt worden waren: 1. den Sitz der Zentralbehörde von London nach Köln zu verlegen und durch den Kreis Köln eine neue Zentralbehörde bilden zu lassen; 2. die Statuten des Bundes für aufgehoben zu erklären, und die neue Zentralbehörde mit der Abfassung neuer zu beauftragen; 3. an die Stelle des einen bisherigen Kreises London zwei Kreise daselbst zu bilden, welche, voneinander unabhängig, nur mit der gemeinsamen Zentralbehörde in Verbindung stehen würden. Aus den Motiven zu diesen Beschlüssen und dem das Protokoll begleitenden Berichte der Majorität ersahen wir, daß es in London zu einem unheilbaren Bruche unter den Bundesmitgliedern gekommen war, und daß die Gefahr einer vollständigen Auflösung nur durch die vorgeschlagene Trennung zu beseitigen sei. Die Größe dieser Gefahr zeigte uns aber erst der kurz darauf eingehende Bericht der Minorität der Zentralbehörde, laut welchem diese, verstärkt durch einige Mitglieder des Kreises London, dessen Majorität sich ihnen angeschlossen hatten, sich als neue Zentralbehörde konstituiert, die Mitglieder der ehemaligen Zentralbehörde und eine Anzahl ihrer Freunde aus dem Bunde ausgeschlossen hatten und zu einem früher angemeldeten Kongresse auf den 20. Oktober in London einlud. Letzterer sollte ihre Beschlüsse, deren offenbare Illegalität sie noch nicht zu leugnen wagten, als „rettende Tat" sanktionieren. Der Inhalt dieses Schriftstückes überzeugt uns aber, daß jene Beschlüsse nicht bloß illegal, sondern auch auf Prinzipien gegründet waren, welche den Prinzipien des Bundes und der auf Grund derselben bisher vom Bunde befolgten Politik schnurstracks entgegenliefen. So suchte man die Ausschließung der Majorität der Zentralbehörde neben der Anklage, die man gegen einzelne Personen richtete, auch auf den allgemeinen Grundsatz zu basieren, daß der Bund alle schriftstellerischen Elemente auszuscheiden habe, daß er lediglich eine Verbindung der Handwerker und Fabrikarbeiter sei, die, wenn sie nur den rechten Willen hätten, bei der nächsten Revolution sofort zur Herrschaft gelangen und die kommunistische Umgestaltung der Gesellschaft durchführen könnte. Es war damit ausgesprochen, daß die proletarische Partei auf jenen alten Standpunkt eines allgemeinen Asketismus1 (s. „Manifest" III. 3.2) und eine rohe Gleichmacherei zurückzukehren habe, welcher in den Zeiten der ersten Bewegungen des Proletariats Berechtigung gehabt hätte, als es sich noch darum handelte, den verschiedenen politischen und ökonomischen Doktrinen der bürgerlichen Gesellschaft das allgemeine Prinzip des proletarischen Klassenkampfes gegenüberzustellen. Dieses negative Verhalten richtet sich aber jetzt nicht mehr gegen irgendeinen Bourgeoissozialismus;
1 „Dresdner Journal": Ascalismus - 2 siehe Band 4 unserer Ausgabe, S. 489-492
es verdammte die Verfasser des Parteimanifestes vom Jahre 1848 und der ersten „Ansprache der Zentralbehörde"1 von diesem Jahre, in welcher die Politik der Partei ausführlich entwickelt ist, ja es verurteilte damit das „Manifest" und die Politik der Partei selber. Während nämlich das „Manifest" und die „Ansprache" das als den Entwickelungsgang der proletarischen Bewegung hinstellen, daß das Proletariat, nachdem es einmal zum Bewußtsein seiner Klassenstellung gekommen, innerhalb dieser alle Bildungselemente der alten Gesellschaft in sich aufnehme und so theoretisch zur Einsicht in die Bewegungen einer kommunistischen Revolution gelange, praktisch aber die Entwickelung dieser Bedingungen verfolge und aus dem Kampfe der verschiedenen nationalen Parteien seine eigene politische und ökonomische Herrschaft erobere: - erklärt dieser neu-alte Standpunkt alle theoretische Arbeit für abgetan, stellt sich zu aller schriftstellerischen Tätigkeit in einen feindlichen Gegensatz und glaubt, auf Grundlage der gegenwärtigen Entwickelung, namentlich einer neuen deutschen Revolution, das Endziel der Bewegung herbeiführen zu können. Daher ist es denn auch ganz natürlich, daß dieselben Leute, welche scheinbar so exklusiv die Interessen des „reinen Proletariats" vertreten, in ihrer neuesten Proklamation, die sie unter dem Titel eines „demokratisch-sozialistischen Komitees" in Gemeinschaft mit Franzosen, Polen und Ungarn in die Welt geschickt haben, lediglich auf die Phrase Revolution lospauken und sich als die Vorkämpfer der kleinbürgerlichen sozial-demokratischen Republik hinstellen. Hiermit ist denn das Proletariat auch für die Zeit der Bewegung auf seinen alten unpolitischen Standpunkt zurückgeworfen; es wird von neuem für die Interessen einer andern Klasse in den Kampf gerufen, um hinterher um die Früchte seines Sieges betrogen zu werden. Gegenüber einer so bedenklichen Erscheinung, wie das Ausschreiben der neuen Minoritäts-Zentralbehörde darbot, mußte der Kreis Köln alle Bedenken fallen lassen, welche sich gegen die Beschlüsse der Majorität der Zentralbehörde erheben ließen. Auf den Grund oder Ungrund der persönlichen Streitigkeiten und Anfeindungen, welche übrigens in dem Minoritätsschreiben den widerlichst-gehässigen Charakter angenommen hatten, ein Urteil zu fällen, war unmöglich und unzulässig. Was die formelle Legalität anlangt, so hatten beide Parteien den Weg der Statuten verlassen, denn hiernach hätten beide an den Kongreß appellieren müssen. Wir überzeugten uns aber auch bald, daß beide insofern richtig gehandelt hatten, als ein Kongreß in London damals, wenn er überhaupt nicht an äußern Schwierigkeiten gescheitert wäre, zu einer völligen Auflösung im Bunde geführt haben würde. Uns galt es vor allem, die Prinzipien, die Politik und den Bestand des Bundes zu retten, und so blieb nichts übrig, als die Beschlüsse der Majorität der Zentralbehörde als die allein vernünftigen und den Umständen angemessenen zu adoptieren.
1 Siehe vorl. Band, S. 244-254
Der Kreis Köln konstituierte daher die neue Zentralbehörde, indem er die drei Mitglieder ernannte, welche heute diese Ansprache an Euch richten. Zur Ausführung des dritten von uns angenommenen BeschlusSes beauftragten wir die Bürger Schapper und Eccarius, jeder für sich in London einen selbständigen Kreis zu bilden. Den Auftrag an Schapper, den Hauptrepräsentanten der Minorität, gaben wir in einem Schreiben an den alten Kreis London, worin wir ausführlich die Motive unserer Beschlüsse entwickelten und alle entgegenstehenden, vom Kreis London gefaßten, für nichtig erklärten. Als Antwort auf dieses Schreiben erschien unter uns ein Emissär von London, welcher im Namen der dortigen Zentralbehörde mit dem Kreis Köln zu verhandeln verlangte. Als ihm dieses abgeschlagen wurde, verlas er ein weitläufiges Schreiben seiner Vollmachtgeber, worin diese teils mit neuen persönlichen Anfeindungen nicht nur der gehässigsten, sondern auch der sinnlosesten Art, teils durch Verteidigung ihrer früher aufgestellten Grundsätze, teils endlich durch die ziemlich schamlose Behauptung, völlig statutgemäß gehandelt zu haben, ihre frühern Beschlüsse zu rechtfertigen suchten. Wir machten unsererseits einen letzten Versuch, die traurigen Verirrungen, in welche die Leute sich hatten einfangen lassen, aufzuklären; es war natürlich vergebens. Als aber der Emissär Miene machte, uns für ausgeschlossen zu erklären, erwiderten wir, daß das auf Gegenseitigkeit beruhe, nur mit dem Unterschiede, daß damit der alte Kreis London und seine Zentralbehörde sich selber aus dem Bunde ausschlössen, eine Ausschließung, die wir keinen Anstand nähmen, durch eigenen Beschluß zu sanktionieren. Diese Ausschließung ist nicht sofort dem ganzen Bunde angezeigt worden, weil die Mitteilung davon Gegenstand dieses Rundschreibens sein sollte, welches wir früher, als es die Umstände erlaubt haben, glaubten ausgehen lassen zu können. Nachdem der Beschluß gefaßt worden war, ist uns daher von dem durch Eccarius in London gebildeten Kreise auch der formelle Antrag zugegangen, „sämtliche Mitglieder des Sonderbundes[352], speziell Schapper, Willich, Schärttner, Lehmann, Dietz (Oswald), Gebert, Fränkel, letztere sieben mit Namennennung, auszustoßen und diesen Beschluß sämtlichen Kreisen und Gemeinden des Bundes mitzuteilen, ebenso dem Sonderbunde in London und seinen Leitern". Dieser Antrag wurde auf folgende, allerdings höchst triftige Gründe gestützt, welche wir zur nähern Kenntnis der Personen ebenfalls dem ganzen Bunde mitteilen: „ 1. Sie haben an außerhalb des Bundes bestehende Behörden geheimer Gesellschaften, an Flüchtlinge aller Nationalitäten über den Zwiespalt in London berichtet und dazu falsch berichtet; 2. sie befinden sich in offener Rebellion gegen die legale Zentralbehörde in Köln, handeln ihren Beschlüssen zum Trotz und lassen zur Gründung eines Sonderbundes einen Emissär in Deutschland herumreisen; 3. sie haben sämtliche Verpflichtungen, welche Mitgliedern geheimer Gesellschaften obliegen, gegen die Glieder des Kreises London verletzt und verletzen sie noch fortwährend; 4. sie haben seit der Trennung alle Gesetze geheimer Gesell
Schäften übertreten, und ein längeres Bleiben derselben im Bunde würde ihnen nur Vorschub zur Auflösung desselben leisten." Brüder, wir haben uns namentlich durch die Tätigkeit, welche der am Rheine erschienene Emissär Haude - der übrigens, da er nirgendwo in Deutschland Anklang fand, bereits wieder nach London zurückgekehrt ist auszuüben versucht hat, von der Richtigkeit dieser zum Teil neuen Gründe überzeugt - und erklären demnach, auf Grund unsers frühern Beschlusses und des von unserm Londoner Kreise uns gestellten Antrags, feierlich vor der Gesamtheit des Bundes wie folgt. Sämtliche Mitglieder des in London bestehenden Sonderbundes, namentlich dessen Vorsteher und Bevollmächtigte, die Bürger Schapper, Willich, Schärttner (A), Oswald Dietz, A. Gebert, Adolph Maier, Mitglied des obenerwähnten demokratisch-sozialistischen Komitees, also wahrscheinlich auch Mitglied der Sonderbundsbehörde, Fränkel und Haude sind aus dem Bunde ausgestoßen; sämtliche Bundesmitglieder sind aufgefordert, alle freundschaftlichen Beziehungen zu Mitgliedern dieses Bundes abzubrechen, sämtliche Bundesbehörden, alle Umtriebe und Versuche desselben, sich in Deutschland oder andern Bundesländern, wo er bisher noch nirgendwo Fuß gefaßt hat, festzusetzen, aufs sorgfältigste zu überwachen und der Zentralbehörde sofort anzuzeigen ... Köln, den 1. Dezember 1850
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Statuten des Kommunistischen Bundes13531
1. Der Zweck des Kommunistischen Bundes ist, durch alle Mittel der Propaganda und des politischen Kampfes die Zertrümmerung der alten Gesellschaft —und Sturz der Bourgeoisie1 —, die geistige, politische und ökonomische Befreiung des Proletariats, die kommunistische Revolution durchzuführen. Der Bund vertritt in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf des Proletariats zu durchlaufen hat, stets das Interesse der Gesamtbewegung, wie er stets alle revolutionären Kräfte des Proletariats in sich zu vereinigen und zu organisieren sucht; er ist geheim und unauflöslich, solange die proletarische Revolution ihr Endziel nicht erreicht hat. 2. Mitglied kann nur werden, wer folgende Bedingungen vereinigt: a) Freiheit von aller Religion, praktische Lossagung von jedem kirchlichen Verbände und allen nicht durch die bürgerlichen Gesetze gebotenen Zeremonien; b) Einsicht in die Bedingungen, den Entwicklungsgang und das Endziel der proletarischen Bewegung;
1 Einfügung von Marx
c) Fernhaltung von allen Verbindungen und partiellen Bestrebungen, welche dem Zwecke des Bundes feindlich oder hinderlich sind; d) Fähigkeit und Eifer für die Propaganda, unerschütterliche Überzeugungstreue, revolutionäre Tatkraft; e) strengste Verschwiegenheit in allen Bundesangelegenheiten. 3. Über die Befähigung zur Aufnahme entscheidet die Einstimmigkeit der Gemeinde. Die Aufnahme geschieht gewöhnlich vor versammelter Gemeinde durch den Vorsteher. DieMitglieder geloben, sich den Beschlüssen desBundes unbedingt zu unterwerfen. 4. Wer die Bedingungen der Mitgliedschaft verletzt, wird ausgeschlossen. Über die Ausschließung einzelner entscheidet die Stimmenmehrheit der Gemeinde. Ganze Gemeinden kann die Zentralgewalt ausschließen, wenn von einer Kreisgemeinde darauf angetragen ist. Die Ausgeschlossenen werden dem ganzen Bunde angezeigt und gleich allen verdächtigen Subjekten von Bundes wegen überwacht. 5. Der Bund gliedert sich in Gemeinden, Kreise, Zentralbehörde und Kongreß. 6. Die Gemeinden bestehen aus wenigstens drei Mitgliedern derselben Lokalität. Sie wählen jede einen Vorsteher, der die Sitzungen leitet, und einen Stellvertreter, der die Kasse führt. 7. Die Gemeinden eines Landes oder einer Provinz stehen unter einer Hauptgemeinde, dem Kreise, welcher von der Zentralbehörde ernannt wird. Die Gemeinden stehen direkt nur mit ihrem Kreise in Verbindung, die Kreise mit der Zentralbehörde. 8. Die Gemeinden versammeln sich regelmäßig wenigstens alle 14 Tage; sie stehen in wenigstens monatlicher Korrespondenz mit ihren Kreisen; die Kreisgemeinden in wenigstens zweimonatlicher mit der Zentralbehörde; die Zentralbehörde gibt alle drei Monate Bericht über die Lage des Bundes. 9. Die Vorsteher und Stellvertreter der Gemeinden und Kreise sind auf ein Jahr gewählt und jederzeit von ihren Wählern absetzbar; die Mitglieder der Zentralbehörde sind nur absetzbar durch den Kongreß. 10. Jedes Bundesmitglied hat einen monatlichen Beitrag zu zahlen, dessen Minimum von dem Kongreß festgesetzt wird. Diese Beiträge gehen zur Hälfte an die Kreise, zur Hälfte an die Zentralbehörde und werden verwandt zur Deckung der Verwaltungskosten, zur Verbreitung propagandistischer Schriften und zur Aussendung von Emissären. Die Kreise tragen die Kosten der Korrespondenz mit ihren Gemeinden. Die Beiträge werden alle drei Monate an die Kreise gesandt, welche die Hälfte der Gesamteinnahmen an die Zentralbehörde schicken und gleichzeitig über Ausgabe und Einnahme ihren Gemeinden Rechenschaft geben. Die Zentralbehörde legt dem Kongreß Rechnung über die ihr zugegangenen Gelder. Außerordentliche Kosten werden durch außerordentliche Beiträge bestritten.
11. Die Zentralbehörde ist das Vollziehungsorgan des ganzen Bundes. Sie besteht aus wenigstens drei Mitgliedern, wird gewählt und ergänzt von dem Kreise, wohin der Kongreß den Sitz derselben verlegt, und ist nur dem Kongreß Rechenschaft schuldig, 12. Der Kongreß ist das gesetzgebende Organ des ganzen Bundes. Er besteht aus den Abgeordneten der Kreisversammlungen, welche jede für je fünf Gemeinden einen Deputierten wählen. 13. Die Kreisversammlung ist die Repräsentation des Kreises, welche regelmäßig alle Vierteljahre an dem Kreisorte unter der Leitung des Vorstandes der Hauptgemeinde zur Beratung der Kreisangelegenheiten zusammentritt. Jede Gemeinde sendet dazu einen Abgeordneten. Die Kreis Versammlung zur Wahl der Bundesabgeordneten geschieht unabänderlich in der Mitte Juli jedes Jahres. xArt. 5 Gemeinde Art. 8 Kongreß Art. 6 Kreis Art. 9 Aufnahme in den Bund Art. 7 Zentralbehörde Art. 10 Ausstoßung aus dem Bund/Geld.. ?
14. Vierzehn Tage nach dem Schluß der Kreiswahl Versammlungen tritt der Kongreß von Rechts wegen an dem Sitze der Zentralbehörde, wenn diese keinen andern Ort bestimmt hat, zusammen. 15. Der Kongreß empfängt von der Zentralbehörde, welche in ihm Sitz, aber keine Stimme hat, den Rechenschaftsbericht über ihre gesamte Tätigkeit und über die Lage des Bundes; er erklärt die Grundsätze der vom Bunde zu befolgenden Politik, entscheidet über Abänderungen in den Statuten und bestimmt den Sitz der Zentralbehörde für das nächste Jahr. 16. Die Zentralbehörde kann in dringenden Fällen einen außerordentlichen Kongreß berufen, welcher alsdann aus den von den Kreisen zuletzt gewählten Abgeordneten besteht. 17. Streitigkeiten unter einzelnen Mitgliedern derselben Gemeinde entscheidet endgültig die Gemeinde; desselben Kreises die Kreisgemeinde, verschiedener Kreise die Zentralbehörde; persönliche Klagen über Mitglieder der Zentralbehörde gehören vor den Kongreß. Streitigkeiten unter Gemeinden desselben Kreises entscheidet die Kreisgemeinde, unter Gemeinden und ihrem Kreise oder unter Verschiedeneri Kreisen die Zentralbehörde; doch steht im ersten Falle die Berufung an die KreisV ersammlungen, im zweiten an den Kongreß offen. Der Kongreß entscheidet auch alle Konflikte der Zentralbehörde mit den Unterbehörden des Bundes.
Nach einer Abschrift mit Bemerkungen von Marx.
1 Art. 5-Art. 10 von Marx auf den unteren Rand der hier abgeschlossenen dritten Manuskriptseite geschrieben - 2 unleserlich
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Vorbemerkung [zur deutschen Ubersetzung des Toastes von L.-A. Blanqui13541]
[Mit dem Text des Toastes]
Einige elende Betrüger des Volkes, das sogenannte Zentralkomitee der europäischen Sozial-Demokraten, in Wahrheit ein Komitee des europäischen Zentralmobs, unter Vorstand der Herrn Willich, Schapper usw. feierten in London den Jahrestag der Februarrevolution. Louis Blanc, der Vertreter des sentimentalen Phrasensozialismus, hatte sich aus Intrige gegen einen andern Volksverräter, Ledru-Rollin, dieser Sippschaft untergeordneter Prätendenten angeschlossen. Sie verlasen auf ihrem Bankett verschiedene Adressen, die ihnen zugekommen sein sollten. Von Deutschland hatten sie aller Anstrengungen ungeachtet keine einzige Zuschrift zu erbetteln gewußt. Günstiges Zeichen für die Entwicklung des deutschen Proletariats! Sie schrieben auch an Blanqui, den edlen Märtyrer des revolutionären Kommunismus, um eine Adresse. Er antwortete ihnen mit dem folgenden Toast:
Warnung an das Volk
Welche Klippe bedroht die Revolution von morgen? Die Klippe, an welcher die Revolution von gestern gescheitert ist, die beklagenswerte Popularität verkappter Bourgeois, die die Rolle von Volkstribunen spielen. Ledru-Rollin, Louis Blanc, Cremieux, Marie, Lamartine, Garnier-Pages, Dupont (de l'Eure,) Flocon, Albert, Arago, Marrast! Verderbenschwere Liste! Unheilvolle Namen, mit Blut geschrieben auf alle Pflaster des demokratischen Europas! Die provisorische Regierung hat die Revolution getötet! auf ihr Haupt falle die Verantwortung für alles Unglück, auf ihr Haupt das Blut von so viel tausend Schlachtopfern ! Die Reaktion hat nur ihr Handwerk geübt, indem sie die Demokratie erwürgte. Das Verbrechen fällt den Verrätern zur Last, die das vertrauende Volk zu Führern genommen hatte und die es der Reaktion überlieferten. Miserabele Regierung! Den Angstrufen, den Bitten zum Trotz schleudert sie die 45-Centime-Steuer unter das Landvolk und treibt es zur Verzweiflung, zum Aufstand. Sie behält die royalistischen Generalstäbe, den royalistischen Richterstand, die royalistischen Gesetze bei. Verrat!
Sie fällt am 16. April über die Pariser Arbeiter her, wirft die von Limoges ins Gefängnis und kartätscht am 27. die von Rouen zusammen; sie läßt alle ihre Hetzhunde los und hält eine Treibjagd auf alle wahren Republikaner. Verrat, Verrat! Auf sie, auf sie allein die furchtbare Last der Unglücksfälle, die die Revolution von 1848 vernichtet haben! 0. es gibt große Verbrecher, aber die größten von allen sind sie, in denen das Volk, getäuscht durch Tribünenphrasen, sein Schwert und Schild erblickte, die es begeisterungsvoll für die Schiedsrichter seiner Zukunft erklärte. Wehe uns, wenn am nahen Tage des Volkstriumphs die vergeßliche Nachsicht der Massen einen dieser Menschen, die ihr Mandat geschändet haben, wieder zur Gewalt gelangen ließe! Zum zweiten Male wäre es um die Revolution geschehen. Mögen die Arbeiter unablässig dies Verzeichnis verfluchter Namen vor Augen haben, und wenn je ein einziger, ja nur ein einziger in einer revolutionären Regierung wiedererscheint, alle mit einer Stimme schreien: Verrat! Reden, Sermone, Programme wären nochmals nur Lug und Trug; dieselben Taschenspieler würden wiederkehren, um ihre alten Stücke von neuem zu spielen, sie würden den ersten Ring bilden in einer neuen Kette noch wütenderer Reaktionen. Fluch ihnen und Rache, wenn sie wiederzuerscheinen wagten! Schmach und Verachtung der einfältigen Menge, die sich wieder in ihre Netze fangen ließe! Doch es ist nicht genug, daß die Eskamoteure des Februar auf immer aus dem Hotel de Ville verbannt sind, es gilt, sich sicherzustellen gegen neuen Verrat. Verräter wären diejenigen, die, auf den Schultern des Proletariats zur Regierung erhoben, nicht sogleich folgendes ins Werk setzten:
1. die allgemeine Entwaffnung der Bourgeoisgarden; 2. die Bewaffnung und militärische Organisation aller Arbeiter.
Eis gibt ohne Zweifel noch viele andere unerläßliche Maßregeln, aber sie ergeben sich von selbst aus diesem ersten Akte, der die nächste Bürgschaft, das einzige Unterpfand der Sicherheit für das Volk ist. Nicht ein einziges Gewehr darf in den Händen der Bourgeois bleiben. Ohne das kein Heil! Die verschiedenen Doktrinen, die sich heute die Sympathien der Massen streitig machen, können ihrer Zeit ihre Versprechungen von Verbesserung und Wohlstand verwirklichen, aber nur unter der Bedingung, daß die Beute nicht fahrengelassen werde für den Schatten. Sie würden zu nichts führen als zu einer elenden Fehlgeburt, wenn das Volk, ausschließlich mit Theorien beschäftigt, das einzig praktische, das einzige sichere Mittel geringschätzen wollte, die Gewalt! Waffen und Organisation — das ist das entscheidende Element des Fortschritts, das einzig ernste Mittel, dem Elende ein Ende zu machen. Wer Eisen hat, hat Brot. Man sinkt auf die Knie vor den Bajonetten, man fegt waffenlose Haufen wie Spreu hinweg. Frankreich, gespickt mit bewaffneten Arbeitern das ist die Ankunft des Sozialismus.
Vor dem bewaffneten Proletariate wird alles verschwinden, Hindernisse, Widersetzlichkeiten, Unmöglichkeiten. Aber für die Proletarier, die sich mit lächerlichen Straßenpromenaden, mit Freiheitsbäumen, mit wohlklingenden Advokatenphrasen die Zeit vertreiben lassen, gibt es zuerst Weihwasser, dann Beleidigungen, endlich Kartätschen und immer Elend! Das Volk mag wählen!
Gefängnis von Belle-Ile-en-Mer, 10. Februar 1851
Frühjahr 1851 in Bern als Broschüre gedruckt.
Anhang und Register

Anmerkungen
1 Nachdem die „Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie", die Marx und Engels vom 1. Juni 1848 bis zum 19. Mai 1849 in Köln herausgaben - nach Lenins Worten „das beste, unübertroffene Organ des revolutionären Proletariats" — ihr Erscheinen einstellen mußte, bemühte sich Marx, „eine politisch-ökonomische Zeit-(Monats-)schrift ... zustande zu bringen". Dies teilte er Engels mit, der sich in der Schweiz aufhielt, und lud ihn ein, nach London zu kommen, um die Herausgabe gemeinsam in Angriff zu nehmen. Marx' Bemühungen, Mittel zu sammeln und einen Verleger zu finden, hatten Erfolg. Mitte Dezember 1849 wurde zwischen Konrad Schramm als Gerant und dem Hamburger Verlag Schubert & Co. ein Abkommen über die Herausgabe der Zeitschrift „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" abgeschlossen. Die Zeitschrift machte es sich zur Aufgabe, auf der Grundlage der historisch-materialistischen Analyse die Lehren aus der Revolution von 1848/49 zu ziehen, den Charakter der neuen historischen Situation zu bestimmen und die Taktik der revolutionären proletarischen Partei weiter auszuarbeiten. Marx und Engels, die den weitaus größten Teil der Beiträge (Abhandlungen, Artikel, internationale Ubersichten und Rezensionen) schrieben, zogen auch ihre nächsten Anhänger zur Mitarbeit heran. Im Doppelheft fünf und sechs wurde z.B. der Artikel „Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capitals" (siehe auch Anmerkung 277) von Johann Georg Eccarius abgedruckt und im vierten Heft unter dem Titel „Nachträgliches ,aus dem Reich'" auszugsweise ein Brief von Wilhelm Wolff wiedergegeben. Außerdem wurden im ersten Heft eine Skizze von Blind, „Oesterreichische und preußische Parteien in Baden", und im vierten Heft ein Gedicht des französischen Demokraten Louis Menard veröffentlicht.
Auf dem Umschlag standen als Erscheinungsorte neben London, wo sich Marx und Engels aufhielten, auch Hamburg, wo die Zeitschrift gedruckt wurde, sowie New York, weil Marx und Engels meinten, dort sei ein guter Boden für den Absatz der Zeitschrift, da eine große Zahl der Teilnehmer an der deutschen Revolution von 1848/49 nach Amerika emigriert war. Da Marx und Engels mit der Möglichkeit eines neuen revolutionären Aufschwungs rechneten, beabsichtigten sie, die Monatszeitschrift in kurzer Frist in ein Wochenblatt und dann in eine Tageszeitung zu verwandeln (siehe vorl. Band, S. 549/550). Dieser Plan konnte jedoch nicht verwirklicht werden. Insgesamt erschienen sechs H efte der Zeitschrift, die letzten beiden Ende November 1850 als Doppelheft. Alle weiteren Versuche, die Herausgabe der Zeitschrift fortzusetzen, scheiterten an den Polizeischikanen in Deutschland und an dem Mangel an materiellen Mitteln.
Den Text der „Ankündigung" sandte Marx am 19. Dezember 1849 an Joseph Weydemeyer nach Frankfurt am Main mit der Bitte, diese in der „Neuen Deutschen Zeitung" unterzubringen, wo sie in den Nummern 14, 23 und 31 vom 16. und 26. Januar und vom 5.Februar 1850 erschienen ist. Gleichfalls erschien sie am 8. und 9.Januar 1850inNr.6 und 7 der von Hermann Becker in Köln herausgegebenen „Westdeutschen Zeitung", am 27. Dezember 1849 in Nr. 361 der „Berner Zeitung" und am 10. Januar 1850 in Nr. 9 der „Düsseldorfer Zeitung" und in Nr. 8 der „Schweizerischen National-Zeitung". 5 2 „77ie Northern Star" - englische Wochenzeitung, Hauptorgan der Chartisten; erschien von 1837 bis 1852, anfangs in Leeds und ab November 1844 in London. Begründer und Redakteur der Zeitung war Feargus Edward O'Connor; in den vierziger Jahren wurde sie von George Julian Harney redigiert. Engels war von September 1845 bis März 1848 Mitarbeiter dieser Zeitung. 7 445 8 „The Times" - größte englische Tageszeitung konservativer Richtung; sie wurde am I.Januar 1785 in London unter dem Namen „Daily Universal Register" gegründet; am 1. Januar 1788 wurde der Titel in „The Times" geändert. 7 292 444 * Karl Heinzen veröffentlichte in den Nummern 241 und 242 der „Deutschen Londoner Zeitung" vom 9. und 16. November 1849 das Pamphlet „Lehren der Revolution". Die demagogischen radikalen Phrasen, die in diesem Pamphlet zu finden sind, brachten die ganze revolutionäre deutsche Emigration in London in eine gefährliche Lage; so bezog sich der Verfasser des am 23. November 1849 in der „Times" mit der Unterschrift „AntiSozialist" veröffentlichten Briefes auf die Äußerungen Heinzens, als er den englischen Innenminister aufforderte, „die Personen, die solche höllischen Doktrinen verbreiten, innerhalb von 24 Stunden aus England auszuweisen".
„Deutsche Londoner Zeitung" - Tageszeitung der deutschen Emigranten in London, die von April 1845 bis Februar 1851 erschien und vom entthronten Herzog Karl von Braunschweig materiell unterstützt wurde. Redakteure waren die kleinbürgerlichen Demokraten Ludwig Bamberger und Schabelitz. Von 1849 bis 1850 wurden in der Zeitung hauptsächlich Artikel von Karl Heinzen, Gustav Struve und anderen kleinbürgerlichen Demokraten veröffentlicht. Neben diesen Artikeln erschienen auf ihren Seiten das „Manifest der Kommunistischen Partei" (März 1848), das erste Kapitel der „Klassenkämpfe in Frankreich" von Karl Marx (April 1850), ein Teil der „Revue, Mai bis Oktober 1850" von Karl Marx und Friedrich Engels (Februar 1851) und mehrere von Marx und Engels unterzeichnete Erklärungen. 7 5 Ein deutscher Sozial-Demokrat - Diese von Engels benutzte Bezeichnung ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Sozialdemokratie, wie er seit der Gründung der „Eisenacher" Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (1869) für die marxistische Massenpartei des deutschen Proletariats im 19. Jahrhundert gebräuchlich wurde. Marx und Engels wählten diese Bezeichnung niemals zur Charakterisierung ihres eigenen speziellen Standpunktes. In den Jahren 1849/50 bezeichnete man mit Sozial-Demokratische Partei vor allem die Koalition zwischen den kleinbürgerlichen Demokraten und den Sozialisten in Frankreich, die von Ledru-Rollin und Louis Blanc geführt wurde (siehe auch Anm. 106). Marx kennzeichnet sie folgendermaßen: „Auflehnung gegen die Bourgeoisdiktatur, Bedürfnis einer Veränderung der Gesellschaft, Festhaltung der demokratisch-republikanischen Institutionen als ihrer Bewegungsorgane, Gruppierung um das Proletariat als die entscheidende revolutionäre Macht - das sind die gemeinschaftlichen Charakterzüge der sogenannten Partei der Sozial-Demokratie, der Partei der roten Republik" (siehe vorl. Band, S. 87/88). 8
e Karl Marx' Arbeit „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" erschien als Artikelserie unter der Überschrift „1848 bis 1849" in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue". Marx erläutert in ihr eine ganze Periode der französischen Geschichte vom Standpunkt des historischen Materialismus und formuliert die wichtigsten Leitsätze der revolutionären Taktik des Proletariats. Der ursprüngliche Arbeitsplan sah vier Artikel vor: „Die Juniniederlage 1848", „Der 13. Juni 1849", „Rückwirkung des 13. Juni auf den Kontinent 'und „Jetzige Situation;England". Es wurden jedoch nur drei Artikel in den Heften 1 bis 3 der Zeitschrift veröffentlicht: „Die Juniniederlage 1848", „Der 13. Juni 1849" und „Folgen des 13. Juni 1849". Der Einfluß der Pariser Ereignisse im Juni 1849 auf die Lage in den übrigen westeuropäischen Ländern wurde in anderen Beiträgen beleuchtet, insbesonders in den „Revuen", die Marx und Engels gemeinsam für die Hefte 2, 4 und 5/6 verfaßten. Im Jahre 1895 gab Engels • Marx' Arbeit unter dem allgemein bekannten Titel „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" neu heraus, indem er die drei in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" erschienenen Artikel mit den Überschriften „Vom Februar bis Juni 1848", „Vom Juni 1848 bis 13. Juni 1849" und „Vom 13. Juni 1849 bis 10. März 1850" versah. Als viertes Kapitel fügte er die Abschnitte über Frankreich aus der „Revue, Mai bis Oktober 1850" (siehe vorl. Band, S. 438^140 und 446-456) unter der Überschrift „Die Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts 1850" hinzu. Er schreibt darüber an Richard Fischer am 13.Februar 1895, daß das vierte Kapitel „als wesentliche Vervollkommnung der Arbeit im ganzen" dient, „ohne die die Broschüre einen fragmentarischen Charakter tragen würde".
In der vorliegenden Ausgabe stehen an erster Stelle die von Marx, an zweiter die von Engels 1895 gegebenen Überschriften. Engels versah die Neuausgabe von 1895 mit einer Einleitung (siehe vorl. Band, S. 511 bis 527). Unserem Abdruck liegt die von Engels 1895 besorgte Ausgabe zugrunde. Sie wurde mit der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" von 1850 verglichen. 9 ' Der Aufstand in Paris am 5. und 6. Juni 1832 war vom linken Flügel der republikanischen Partei, sowie von den revolutionären Geheimgesellschaften, unter ihnen die Gesellschaft der Volksfreunde, vorDereitet worden; Anlaß zum Aufstand war die Beerdigung des Generals Lamarque, der zur Regierung Louis-Philippes in Opposition stand. Die am Aufstand teilnehmenden Arbeiter errichteten mehrere Barrikaden und verteidigten sich äußerst tapfer. Der Aufstand der Arbeiter von Lyon im April 1834 unter der Führung der republikanischen geheimen Gesellschaft der Menschen- und Bürgerrechte war eine der ersten Massenerhebungen des französischen Proletariats. Der Aufstand, den die Republikaner in einigen anderen Städten, besonders aber in Paris, unterstützten, wurde grausam unterdrückt. Der Aufstand in Paris vom 12. Mai 1839, in dem ebenfalls die revolutionären Arbeiter die Hauptrolle spielten, wurde von der republikanisch-sozialistischen geheimen Gesellschaft der Jahreszeiten unter der Leitung von Auguste Blanqui und Armand Barbis vorbereitet; er wurde durch Militär und Nationalgarde niedergeschlagen. 12 270 8 Robert Macaire - Typ des durchtriebenen Geschäftemachers, dargestellt von dem seinerzeit berühmten französischen Schauspieler Frederick Lemaitre und verewigt in den Karikaturen von Honor6 Daumier. Die Gestalt Robert Macaires war eine Satire auf die Herrschaft der Finanzaristokratie zur Zeit der Julimonarchie. 14
9 Sonderbund - Separatbund von sieben ökonomisch rückständigen katholischen Schweizer Kantonen, der 1843 zum Zwecke des Widerstandes gegen fortschrittlich bürgerliche Umgestaltungen in der Schweiz und zur Verteidigung der Privilegien der Kirche und der Jesuiten geschlossen wurde. Der Beschluß des Schweizer Bundestages (Tagsatzung) vom Juli 1847 über die Auflösung des Sonderbundes diente diesem als Anlaß, Anfang November militärische Aktionen gegen die übrigen Kantone zu beginnen. Am 23. November 1847 wurde die Armee des Sonderbundes von den Truppen der Bundesregierung geschlagen (siehe hierzu auch den Artikel von Engels „Der Schweizer Bürgerkrieg" in Band 4 unserer Ausgabe, S. 391-398). Guizot unterstützte die Versuche Österreichs und Preußens, sich zugunsten des Sonderbundes in die Schweizer Angelegenheiten einzumischen. 15 10 In Buzanfais (Departement l'Indre) überfielen im Januar 1847 hungernde Arbeiter und Einwohner der umliegenden Dörfer Getreidespeicher von Spekulanten; dabei kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und Truppenteilen. Die Ereignisse in Buzanijais riefen grausame Repressalien seitens der Regierung hervor: drei Teilnehmer an den Ereignissen wurden am 4. März 1847 zum Tode und viele andere zu Zwangsarbeit und Zuchthaus verurteilt. Die Todesurteile wurden trotz des Protestes der französischen Öffentlichkeit vollstreckt. 15 11 ,JLe National" - französische Tageszeitung, die von 1830 bis 1851 in Paris erschien. Die um diese Zeitung gruppierte politische Richtung vereinigte in sich gemäßigte bürgerliche Republikaner; sie stützten sich in den vierziger Jahren auf die Industriebourgeoisie und waren mit ihr durch einen Teil der liberalen Intelligenz verbunden. In der provisorischen Regierung von 1848 war diese politische Gruppierung vor allem durch Marrast, Bastide und Garnier-Pages vertreten. 16 277 451 12 ,JLa Gazetie de France ' - französische Tageszeitung, die seit 1631 in Paris erschien; in den vierziger Jahren des 19.Jahrhunderts war sie das Organ der Legitimisten, der Anhänger einer Restaurierung der Bourbonen-Dynastie. 18 13 In den ersten Tagen des Bestehens der provisorischen Regierung wurde über die Nationalflagge der Französischen Republik verhandelt. Die revolutionären Arbeiter von Paris forderten, die rote Fahne, die im Juniaufstand 1832 in den Arbeitervorstädten von Paris gehißt worden war, zur Nationalflagge zu erklären. Die Abgeordneten der Bourgeoisie bestanden auf der trikoloren (blauweißroten) Flagge, die in der bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts und während der Herrschaft Napoleons I. die Flagge Frankreichs war. Diese Flagge war schon vor der Revolution von 1848 das Emblem der Bourgeoisrepublikaner, die sich um die Zeitung „Le National" gruppierten. Die Arbeitervertreter mußten zustimmen, daß die Trikolore zur Nationalflagge der Französischen Republik erklärt wurde. An dem Fahnenstock wurde jedoch eine rote Rosette befestigt. 21
14 „Le Moniteur universel" - französische Tageszeitung, die unter diesem Namen von 1789 bis 1868 in Paris erschien. Sie war 1799-1814 und 1816-1868 das offizielle Regierungsorgan. Auf den Seiten des „Moniteur universel" wurden in feststehender Ordnung Regierungserlasse, Parlamentsberichte und andere offizielle Materialien veröffentlicht. 21 57 297 455 15 Erklärung Lamartines in der Deputiertenkammer am 24. Februar 1848, verö ffentlicht in „Le Moniteur universel" Nr. 56 vom 25.Februar 1848. 21 16 Jacques le bonhomme (Jakob der Tölpel) - so nannten die Adligen Frankreichs verächtlich die Bauern. 24
17 oktroyierte Milliarde - Es handelt sich um die 1825 von der französischen Königsmacht assignierte Summe zur Entschädigung der Aristokraten, deren Eigentum während der bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts beschlagnahmt worden war. 25 18 warkhouses - Nach dem 1834 in England angenommenen Armengesetz war nur eine Form der Hilfe für die Armen gestattet - ihre Unterbringung in Arbeitshäusern mit Zuchthausregime; das Volk nannte diese Häuser „Bastillen für die Armen". 26 233 237 263 19 In den spanischen Komödien des 16. und besonders des 17.Jahrhunderts tauschen oft Herren und Bediente ihre Rollen, so daß es zu verwirrenden Situationen und urkomischen Verwicklungen kommt. Die bedeutendsten Dichter dieser zahlreichen Komödien sind Lope de Vega und Calderon. 27 20 Es handelt sich um die Wahlen zum Generalstab der Nationalgarde, die für den 18. März, sowie um die Wahlen zur Nationalversammlung, die für den 9. April ausgeschrieben waren. Die Pariser Arbeiter, die sich um Blanqui, Dfaamy u. a. gruppierten, bestanden auf einen Aufschub der Wahlen, wobei sie auf die Notwendigkeit hinwiesen, unter der Bevölkerung eine entsprechende Aufklärungsarbeit durchzuführen. 28 21 Das revolutionäre Auftreten der Volksmassen am 15. Mai 1848, bei dem die Pariser Arbeiter mit Blanqui und anderen an der Spitze die Hauptrolle spielten, verlief unter der Losung einer weiteren Vertiefung der Revolution und der Unterstützung der revolutionären Bewegung in Italien, Deutschland und Polen. Die Demonstranten, die in den Sitzungssaal der Nationalversammlung eingedrungen waren, forderten die Einlösung der Versprechungen, die Arbeiter mit Brot und Arbeit zu versorgen und ein Arbeitsministerium zu gründen. Sie machten den Versuch, die konstituierende Nationalversammlung auseinanderzujagen und eine neue provisorische Regierung zu bilden. Der Volksaufstand vom 15. Mai wurde niedergeschlagen, seine Führer - Blanqui, Barbes, Albert und Raspail - wurden verhaftet. 30 278 22 „Die Revolution ist tot! Es lebe die Revolution/" - Marx gebraucht hier zur Charakteristik der revolutionären Dialektik der Juniniederlage bewußt eine Formulierung, die an das im französischen Volk bekannte Wortspiel erinnert, in das die feudale Monarchie Frankreichs ihre Unsterblichkeitsansprüche kleidete: „Le roi est mort! Vive le roi!"-„Der König ist tot! Es lebe der König!" 34 23 ,£,a Reforme" - französische Tageszeitung, Organ einer politischen Gruppierung kleinbürgerlicher Demokraten und Republikaner mit Ledru-Rollin an der Spitze; ihr schlössen sich die kleinbürgerlichen Sozialisten unter der Führung von Louis Blanc an. „La R£forme" erschien von 1843 bis 1850 in Paris. 35 267 24 Aus dem Leitartikel des „Journal des Debats" vom 28. August 1848. „Journal des Debats politiques et littiraires" - französische bürgerliche Tageszeitung, die 1789 in Paris gegründet wurde. Während der Julimonarchie war sie als Regierungszeitung das Organ der orleanistischen Bourgeoisie. Während der Revolution von 1848 vertrat die Zeitung die Auffassungen der konterrevolutionären Bourgeoisie, der sog. Partei der Ordnung. 37 25 Der Konstitutionsentwurf wurde von einer Kommission ausgearbeitet und am 19. Juni 1848 von Armand Marrast der Nationalversammlung vorgelegt. Er wurde im „Moniteur universel" Nr. 172 vom 20. Juni 1848 veröffentlicht. Die „Neue Rheinische Zeitung" Nr. 24 vom 24. Juni 1848 brachte eine deutsche Übersetzung dieses Verfassungsentwurfs. 41 494
37 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
26 Nach der biblischen Legende hat Saul, der erste König der Juden, im Kampf mit den Philistern tausend Feinde besiegt, sein Waffenträger David aber, der Sauls Schützling war, zehntausend. 44 27 Die Lilie war das Wappenzeichen der Bourbonenmonarchie, das Veilchen das Emblem der Bonapartisten. 45 13 Marx spielt auf eine Meldung aus Paris vom 18. Dezember an, die unter dem Korrespondentenzeichen Ferdinand Wolffs in der „Neuen Rheinischen Zeitung" Nr. 174 vom 2 i. Dezember 1848 erschienen war. 45 s" Abgewandeltes Zitat aus Laurence Sternes Roman „The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman", Bd. 1, Kapitel 11. 47 80 Midasohren - Eselsohren, mit denen nach antiker Überlieferung Apollo den phrygischen König Midas bedacht hat. 47 31 Soulouque, Faustin - Präsident der Republik Haiti, proklamierte sich am 26. August 1849 zum Kaiser Faustin I., berüchtigt durch Unwissenheit, Grausamkeit und Eitelkeit. Die antibonapartistische Presse legte dem Präsidenten Louis Bonaparte diesen Namen bei. Toussaint-'Louverture ~ Führer der revolutionären Bewegung der Neger von Haiti, die während der französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts gegen die Herrschaft der Spanier und Engländer kämpften. 47 32 Den Wortlaut des Manifests vom 27. Januar 1849 veröffentlichte die „Neue Rheinische Zeitung" Nr. 209 vom 3I.Januar 1849. 52 33 Der englische General George Monk. richtete 1660 mit Hilfe der ihm unterstellten Regierungstruppen die Dynastie der Stuarts wieder auf. 53 84 Prozeß in Bourges - In Bourges wurde vom 7.März bis 3. April 1849 ein Prozeß gegen die Teilnehmer an den Ereignissen des 15.Mai 1848 durchgeführt (siehe Anm. 21). Blanqui wurde zu zehn Jahren Einzelhaft, Barbes und Albert zu lebenslänglicher Deportation, de Flotte, Sobrier, Raspail zu verschieden langen Gefängnisstrafen, Louis Blanc, Caussidiere Huber u. a. zur Verbannung verurteilt. 61 85 General Brea, der bei der Niederschlagung des Juniaufstandes des Pariser Proletariats einen Truppenteil befehligte, wurde am 25. Juni 1848 von Insurgenten vor Fontainebleau getötet. Daraufhin wurden zwei Aufständische hingerichtet. 61 36 Artikel V bezieht sich auf den einleitenden Teil der „Constitution de la Republique franCaise"; die Artikel ihres Haupttextes wurden mit arabischen Ziffern numeriert. 64 37 Sinngemäß gleiche Worte sprach Ledru-Rollin in der Sitzung der französischen Nationalversammlung vom 11. Juni 1849, deren stenographischer Bericht im „Moniteur universel" Nr. 163 vom 12. Juni 1849 veröffentlicht ist. 65 38 Im Gebäude der Redaktion der Tageszeitung der Fourieristen, „La Democratie pacijique", die von 1843 bis 1851 unter der Redaktion von ConsidÄrant in Paris erschien, fand am Abend des 12. Juni 1849 eine Versammlung der Abgeordneten der Montagne statt. Die Versammlungsteilnehmer lehnten es ab, zur Waffengewalt zu greifen, und beschlossen, sich auf* eine friedliche Demonstration zu beschränken. 67 36 In ihrem Manifest, das am 13. Juni 1849 in Nr. 206 der Zeitung „Le Peuple" veröffentlicht wurde, rief die Demokratische Assoziation der Verfassungsfreunde die Pariser Bürger auf, sich zu einer friedlichen Demonstration zu versammeln, um gegen die „unverschämten Eingriffe" der Exekutive zu protestieren. 67
10 Marx entnimmt dieses Bild einer Episode aus dem Buch des griechischen Dichters Athenaeus, „Gastmahl der Gelehrten" („Deipnosophistai"), wo es heißt: „... und Tachos, der König der Ägypter, sehend den König der Lakedämonier, der kurz von Gestalt war und sein Bundesgenosse, sagte ihm: ,Der Berg kreißte; Zeus aber fürchtete sich. Der Berg jedoch gebar eine Maus.'" Die Proklamation des Bergs (der Montagne) wurde in den Zeitungen „La Rdforrne" und „La Dcimocratie pacifique" sowie in Proudhons Organ „LePeuple" am 13.Juni 1849 veröffentlicht. 68 41 Am 10. August 1849 verabschiedete die Nationalversammlung ein Gesetz, nach dem „die Anstifter und Helfershelfer der Verschwörung und des Attentats vom 13. Juni" vor das Hochgericht zu stellen sind. 70 42 Siehe den Bericht über die Sitzung der Nationalversammlung am 19. Juni 1849, veröffentlicht im „Moniteur universel" Nr. 171 vom 20.Juni 1849. 72 43 Siehe den Bericht über die Sitzung der Nationalversammlung am 7. Juli 1849, veröffentlicht im „Moniteur universel" Nr. 189 vom 8.Juli 1849. 72 44 rote Eminenzen - eine Kommission des Papstes Pius IX., bestehend aus drei Kardinälen, die, unterstützt von der französischen Armee, nach der Niederschlagung der Römischen Republik ein reaktionäres Regime in Rom errichteten. Die Kardinäle trugen rote Gewänder. 72 45 „Le Sikcle" - französische Tageszeitung, die von 1836 bis 1939 in Paris erschien; in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts widerspiegelte sie die Ansichten jenes Teils des Kleinbürgertums, der sich auf die Forderung gemäßigter konstitutioneller Reformen beschränkte. 72 218 451 46 ,JLa Presse" - französische Tageszeitung, die ab 1836 in Paris erschien. 1848/49 unterstützte sie die bürgerlichen Republikaner, später die Bonapartisten. 1836-1857 war Emile de Girardin Redakteur der Zeitung. 72 47 Enkel des heiligen Ludwig - Graf Chambord (der sich Heinrich V. nannte), Prätendent auf den französischen Thron, aus einem alten Zweig der Bourbonendynastie. Eine der ständigen Residenzen, die Graf Chambord in Deutschland besaß, war neben Wiesbaden auch Ems. 73 48 In der Nähe Londons, in Claremont, lebte der nach der Februarrevolution aus Frankreich geflohene Louis-Philippe. 74 40 „motu proprio" (aus eigenem Antrieb) - Anfangsworte besonderer Botschaften des Papstes, die ohne Einvernehmen mit den Kardinälen erlassen wurden und gewöhnlich innerpolitische und administrative Angelegenheiten des Kirchenstaates betrafen. In diesem Fall handelt es sich um die Botschaft des Papstes Pius IX. vom 12. September 1849. 74 50 Nach einem Wort aus Georg Herweghs Gedicht „Aus den Bergen". 75 61 Die Schlußfolgerung, daß der Sieg der proletarischen Revolution nur gleichzeitig in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern möglich und ein Sieg der Revolution in einem Lande unmöglich ist, fand ihre bestimmteste Formulierung in Friedrich Engels' Arbeit „Grundsätze des Kommunismus" (1847) (sieheBand 4 unserer Ausgabe, S.361-380). Sie war richtig in der Periode des vormonopolistischen Kapitalismus. Unter den neuen historischen Bedingungen in der Periode des monopolistischen Kapitalismus kam W. I. Lenin, ausgehend von dem von ihm entdeckten Gesetz der Ungleichmäßigkeit der
ökonomischen und politischen Entwicklung des Kapitalismus in der Epoche des Imperialismus, zu der neuen Schlußfolgerung, daß der Sieg der sozialistischen Revolution ursprünglich in einigen Ländern oder sogar in einem einzeln genommenen Lande möglich und der gleichzeitige Sieg der Revolution in allen Ländern oder in der Mehrheit der Lander unmöglich ist. Die Formulierung dieser neuen Schlußfolgerung wurde zuerst im Artikel W.I.Lenins „Über die Losung der Vereinigten Staaten vonEuropa" (1915) gegeben. 79 62 Statt 538 Millionen müssen es 578178000 sein; anscheinend hat sich in die Zahlenangabe ein Druckfehler eingeschlichen. Diese Differenz ändert jedoch nichts an den Proportionen und hat keinen Einfluß auf die allgemeine Schlußfolgerung: in beiden Fällen beträgt das Nettoprodukt pro Köpf der Bevölkerung weniger als 25 Francs. 84 63 Im Departement du Card fanden Zusatzwahlen statt, da der Deputierte de Beaune, ein Legitimist, verstorben war. Mit absoluter Mehrheit (20000 Stimmen von 36 000) wurde der Kandidat der Montagne Favaune gewählt. 85 218 64 Um auf die Wähler bei den Zusatzwahlen zur gesetzgebenden Versammlung, die am 10. März 1850 stattfinden sollten, einen Druck auszuüben, teilte die Regierung das Territorium Frankreichs in fünf große Militärbezirke ein, wodurch Paris und die angrenzenden Departements von den übrigen vier Bezirken umgeben waren, an deren Spitze die verrufensten Reaktionäre gestellt wurden. Die republikanische Presse nannte diese Bezirke Paschaliks, um auf die unbeschränkte Macht dieser reaktionären Generale, die der despotischen Macht der türkischen Paschas ähnelte, hinzuweisen. 86 65 Soulouques Botschaft - Botschaft des Präsidenten Louis Bonaparte an die gesetzgebende Versammlung vom 31. Oktober 1849, in der er die Entlassung des Ministeriums Barrot und die Bildung eines neuen Ministeriums anzeigte („Moniteur universel" Nr. 305 vom I.November 1849). Inder Botschaft vom 10. November 1849 rief der wiederernannte Polizeipräfekt Carlier auf, eine „soziale Liga gegen den Sozialismus" zu gründen, um „Religion, Arbeit, Familie, Eigentum und Regierungstreue" zu schützen („Moniteur universel" Nr. 315 vom 11. November 1849). 86 56 „Le Napoleon' - bonapartistische Tageszeitung, Organ Louis Bonapartes, erschien in Paris vom 6. Januar bis 19. Mai 1850. 87 57 Freiheitsbäume wurden in Pariser Straßen nach dem Sieg der Februarrevolution 1848 gepflanzt. Das Anpflanzen von Freiheitsbäumen - gewöhnlich Eichen oder Pappeln - wurde in Frankreich schon während der bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts zur Tradition und seinerzeit durch einen Konventsbeschluß festgelegt. 90 58 Die auf dem Platz der Bastille errichtete Julisäule wurde am 28. Juli 1840 zum zehnten Jahrestag der Julirevolution 1830 eingeweiht und seit der Februarrevolution 1848 mit Immortellenkränzen geschmückt. 90 59 Als der Deputierte Pascal Duprat am 16. Februar 1850 in der gesetzgebenden Versammlung sagte, Louis Bonaparte habe zu wählen zwischen der Rolle seines Onkels oder Washingtons, rief ein Abgeordneter der Linken dazwischen: „oder Soulouques" (siehe auch Anm. 31). 90 60 de Flotte, ein Anhänger Blanquis und Vertreter des revolutionären Proletariats von Paris, erhielt bei der Wahl am 15.März 1850 126643 Stimmen. 92 61 Koblenz war während der Französischen Revolution das Zentrum der konterrevolutionären Emigration. 93
62 Ein solcher Standpunkt wurde von Proudhon in seiner Polemik gegen den bürgerlichen Ökonomen Fr6d6ric Bastiat bezogen, der seine Ansichten in der Zeitung „Voix du Peuple" vom November 1849 bis Februar 1850 propagierte. Diese Polemik wurde in einer Broschüre wiedergegeben, die 1850 in Paris unter dem Titel: „Gratuit^ du credit. Discussion entre M. Fr. Bastiat et M. Proudhon" erschien. 97 439 6" 1797 gab die englische Regierung einen Sonderakt über die Bankrestriktion (Einschränkung) heraus, durch den ein Zwangskurs für Banknoten festgesetzt und der Austausch von Banknoten gegen Gold eingestellt wurde. Dieser „Restriction act of 1797" legalisierte den Banken die Einstellung der Zahlungen; das Gold wurde aus dem Verkehr gezogen. Der Austausch von Banknoten gegen Gold wurde erst 1821 auf Grund eines Gesetzes aus dem Jahre 1819 wiederaufgenommen (siehe auch Anm. 298). 97 439 64 die siebzehn Burggrafen - Kommission aus 17 Orleanisten und Legitimisten, Deputierte der gesetzgebenden Versammlung, die auf Anordnung des Innenministers vom l.Mai 1850 ernannt wurde, um den Entwurf eines neuen Wahlgesetzes zu verfassen. Die Mitglieder dieser Kommission wurden Burggrafen genannt, wobei man auf die unbegründeten Machtansprüche und die reaktionären Bestrebungen dieser Monarchisten anspielte. Der Spottname ist dem gleichlautenden Drama von Victor Hugo entlehnt. 99 447 66 ,J-.'AssemhUe nationale" - französische Tageszeitung monarchistisch-legitimistischer Richtung, die in Paris von 1848 bis 1857 erschien. 1848 bis 1851 vertrat sie die Ansichten der Anhänger einer Verschmelzung beider dynastischer Parteien - der Legitimisten und der Orleanisten. 101 218 320 449 66 ltLe Constitutionnel" - französische Tageszeitung, die von 1815 bis 1870 in Paris erschien; in den vierziger Jahren war sie dasOrgan des gemäßigten Flügels der Orleanistenjwährend der Revolution von 1848 vertrat sie die Ansichten der konterrevolutionären royalistischen Bourgeoisie, die sich um Thiers gruppierte; nach dem Staatsstreich im Dezember 1851 war sie eine bonapartistische Zeitung. 101 449 07 zwei Manifeste - „Bericht der Montagne an das Volk", veröffentlicht in Nr. 6 der Zeitung „Le Peuple de 1850" vom 11 .August 1850, und der Aufruf „An das Volk", veröffentlicht in Nr. 7 der gleichen Zeitung vom 14. August 1850. 101 449 68 baiser-Lamourette (der Kuß des Lamourette) - Anspielung auf eine bekannte Episode aus der Französischen Revolution. Am 7. Juli 1792 schlug der Deputierte der gesetzgebenden Versammlung Lamourette vor, allen Parteizwistigkeiten durch den Bruderkuß ein Ende zu machen. Auf diesen Vorschlag hin warfen sich die Vertreter der feindlichen Parteien einander in die Arme, aber schon am nächsten Tage war, wie nicht anders zu erwarten, dieser heuchlerische „Bruderkuß" vergessen. 102 450 69 „Le Pouvoir" - bonapartistisches Organ, das in Paris von April 1849 bis Juni 1850 unter dem Titel „Le Dix d^cembre, journal de l'ordre" und dann unter dem Titel „Le Pouvoir, journal du dix d^cembre" von Juni 1850 bis Januar 1851 unter der Redaktion von Granier de Cassagnac erschien. 103 451 ,0 Nach Artikel 32 der Verfassung der Französischen Republik war für die Dauer der Ferien der gesetzgebenden Versammlung eine ständige Kommission vorgesehen, die aus 25 gewählten Mitgliedern und dem Büro der Versammlung bestand. Diese Kommission hatte das Recht, im Notfalle die gesetzgebende Versammlung einzuberufen. 1850 bestand diese Kommission faktisch aus 39 Personen: 11 Mitgliedern des Büros, 3 Quästoren und 25 gewählten Mitgliedern. 103 451
71 Es handelt sich um ein von den Legitimisten geplantes Ministerkabinett, für das de Levis, de Saint-Priest, Berryer, dePastoret und d'Escars vorgesehen waren. Es wurde für den Fall aufgestellt, daß der legitimistische Prätendent Graf Chambord zur Macht kommen Würde. 104 452 72 in partibus infidelium (im Lande der Ungläubigen) - Zusatz zum Titel katholischer Bischöfe, die für das rein nominelle Amt eines Bischofs in den nichtchristlichen Ländern ernannt worden sind. Dieser Ausdruck wird des öfteren von Marx und Engels auf die verschiedenen Emigrantenregierungen angewandt, die sich im Auslande gebildet hatten, ohne die reale Situation im eigenen Lande zu berücksichtigen. 104 263 431 452 514 73 Gemeint ist das sog. Wiesbadener Manifest, ein Zirkular, das im Auftrage des Grafen Chambord am 30. August 1850 von de Barthelemy, dem Sekretär der legitimistischen Fraktion in der gesetzgebenden Versammlung, verfaßt worden ist. In diesem Zirkular wird die Politik der Legitimisten festgelegt für den Fall, daß sie an die Macht kommen; Graf Chambord erklärte, daß er „offiziell und kategorisch jeden Appell an das Volk ablehne, da ein solcher Appell der Verzicht auf das große nationale Prinzip der Erbmonarchie bedeute" (siehe „Le Peuple de 1850", Nr. 25 vom 25. September 1850). Diese Erklärung rief eine Pressepolemik hervor, die mit dem Protest mehrerer Monarchisten zusammenhing, an deren Spitze der Deputierte Larochejacquelein stand. 104 452
74 Gesellschaft Vom 10. Dezember — In Kapitel V der Schrift „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" schreibt Marx: „Diese Gesellschaft datiert vom Jahre 1849. Unter dem Vorwande, eine Wohltätigkeitsgesellschaft zu stiften, war das Pariser Lumpenproletariat in geheime Sektionen organisiert worden, jede Sektion von bonapartistischen Agenten geleitet, an der Spitze des Ganzen ein bonapartistischer General. Neben zerrütteten Roues [Wüstlingen] mit zweideutigen Subsistenzmitteln und von zweideutiger Herkunft, neben verkommenen und abenteuernden Ablegern der Bourgeoisie Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Lazzaroni, Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Maquereaus [Kuppler], Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin und her geworfene Masse, die die Franzosen laBoheme nennen; mit diesem ihm verwandten Elemente bildete Bonaparte den Stock der Gesellschaft vom 10. Dezember." 105 453
76 „Die deutsche Reichsverfassungskampagne" sind Skizzen zur Geschichte des badischpfälzischen Aufstandes, an denen Engels bald, nachdem er mit den letzten Kämpfern der geschlagenen aufständischen Armee in der Schweiz eingetroffen war, zu arbeiten begann. Auf Anraten von Marx, der ihm darüber noch aus Paris in der ersten Augusthälfte 1849 geschrieben hatte, gab Engels seiner Arbeit den Charakter eines gegen die kleinbürgerlichen Demokraten gerichteten Pamphlets. Zuerst wollte er die Arbeit als Broschüre herausbringen und suchte dafür mit Unterstützung der Mitglieder des Bundes der Kommunisten Jakob Schabelitz und Joseph Weydemeyer einen Verleger. Jedoch ließen die von Marx zur Herausgabe einer eigenen Zeitschrift unternommenen Schritte Engels auf seine ursprüngliche Absicht verzichten. In der Schweiz hatte sich Engels augenscheinlich in der Hauptsache mit der Sammlung von Materialien beschäftigt; im Oktober mußte er anläßlich seiner Übersiedlung nach London, wo sich Marx schon aufhielt, seine Arbeit unterbrechen. In London nahm er die Arbeit an diesen Skizzen wieder auf. Die Arbeit als Ganzes wurde im Februar 1850 beendet. Sie erschien in den Heften 1, 2 und 3 der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue".
„Die deutsche Reichsverfassungskampagne" wurde zu Lebzeiten des Verfassers nicht wieder herausgegeben. In deutscher Sprache hat sie Franz Mehring in seinem 1902 erschienenen Saminelband „Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle", Bd. 3, zum erstenmal wieder veröffentlicht. 109
76 Diese zwei Zeilen bilden den abgewandelten Refrain des nach der Melodie „SchleswigHolstein meerumschlungen" gesungenen „Heckerliedes", wie er in der Reichsverfassungskampagne populär war (siehe hierzu W. Liebknecht: „Robert Blum und seine Zeit", Nürnberg 1889, S. 377). Aus Zensurrücksichten haben Schuberth & Co., Hamburg, am Text Veränderungen vorgenommen. Drei Textstellen konnten wiederhergestellt werden: S. III haben sie aus dem vorangestellten Refrain die Worte „deutschen Fürsten", S. 114, 4. Zeile von oben die Worte „der Fürsten" weggelassen und S. 115, 10. Zeile von oben das Wort „feiger" durch „kläglicher" ersetzt. Franz Mehring schreibt dazu: „.Einen Hauptpunkt* machten dann noch Schuberth und Kompanie geltend: preßgesetzliche Bedenken. .Herr Marx ist Herausgeber; er ist verpflichtet, die uns zu sendenden Manuskripte zu prüfen; er hat ja die Sprache so in der Gewalt, wie kein Zweiter auf Erden.' Wie dürfe man in Hamburg, das preußische Besatzung habe, von .feigen Preußen' sprechen? Auch sei es ganz undenkbar, die Verszeile auszudrucken: Bringt die deutschen Fürsten um. ,Die deutschen Fürsten' sind denn auch fortgefallen, in dem Eingange zu den Aufsätzen über die Reichsverfassungskampagne." („Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle", herausgegeben von Franz Mehring, Bd.3, Stuttgart 1902, S. 275.) III 114 115 157
77 Die Reichsverfassung wurde von der Frankfurter Nationalversammlung am 28. März 1849 beschlossen. Sie trug einen widersprüchlichen Charakter und widerspiegelte den Kompromiß, der sich zu dieser Zeit in der Versammlung zwischen der demokratischen Linken und dem bürgerlich-liberalen Zentrum herausgebildet hatte. Durch sie wurden die demokratischen Freiheiten verkündet, gleichzeitig aber der Reichsregierung mit dem Kaiser an der Spitze die Exekutivgewalt übertragen. Alle am Grund und Boden haftenden Feudallasten wurden nicht abgeschafft, sondern unterlagen dem Loskauf. Diese Verfassung bedeutete einen Schritt zur Einheit Deutschlands; ihr Hauptmangel bestand jedoch darin, daß sie, wie Engels hervorhob, nur ein Fetzen Papier war und keine Kraft zur Durchsetzung ihrer Bestimmungen hinter sich hatte. Die Regierungen fast aller deutschen Staaten (Preußen, Sachsen, Bayern, Hannover u. a.) weigerten sich, die Verfassung anzuerkennen; ihre einzigen Verteidiger waren die Volksmassen, die den bewaffneten Kampf in der Rheinprovinz, in Dresden, Baden und in der Pfalz unter kleinbürgerlichdemokratischer Führung begannen. 111
78 Die Märzvereine in verschiedenen Städten Deutschlands waren Filialen des ZentralMärzvereins, der Ende November 1848 in Frankfurt am Main von den Linken der Frankfurter Nationalversammlung gegründet wurde. Die Führer des Märzvereins - die kiembürgerlichen Demokraten Fröbel. Simon, Wesendonck, Raveaux, Eisenmann, Vogt— ersetzten revolutionäres Handeln durch Phrasen, zeigten feige Halbheiten und Unentschlossenheit und waren unfähig, gegen die Konterrevolution zu kämpfen. In mehreren Artikeln in der „Neuen Rheinischen Zeitung" haben Marx und Engels die Tätigkeit des Märzvereins und seine kleinbürgerlichen Führer schonungslos kritisiert (siehe Band 6 unserer Ausgabe, S. 334/335 und 357/358). 111
73 Crütlischwur - eine der Legenden, die um die Gründung der Schweizer Eidgenossenschaft entstanden sind. Nach dieser Sage trafen sich ) 307 auf der Bergwiese Grütli (oder Rüth) die Vertreter der drei Bergkantone Schwyz, Uri und Unterwaiden und schworen, im gemeinsamen Kampf gegen die Herrschaft der Habsburger dem Bunde die Treue zu halten. 111 80 Die äußerste Linke der Frankfurter Nationaloersammlung (Rüge, Schlöffe], Zitz, Trützschler, Simon u. a.) vertrat in der Hauptsache das Kleinbürgertum, gencß aber die Unterstützung eines Teils der deutschen Arbeiter. Diese Fraktion, die sich für Republik und für revolutionäre Kampfmethoden erklärt hatte, legte gleichzeitig ständiges Zaudern und Unentschlossenheit bei der Durchführung revolutionärer Maßnahmen und bei der Mobilisierung der Massen gegen die herannahende Konterrevolution an den Tag. Die kleinbürgerlich-föderalistischen Ansichten der Führer dieser Fraktion hinderten sie, in der Frage der nationalen Einheit Deutschlands eine genau umrissene Position einzunehmen. Im April/Mai 1849, nachdem sowohl die konservativen als auch ein bedeutender Teil der liberalen Abgeordneten die Versammlung verlassen hatten, erhielten die kleinbürgerlichen Demokraten (die Linken und die äußersten Linken) in der Versammlung die Mehrheit. Dazu befürchten war, daß sie auseinandergejagt werde, verlegte die Versammlung am 30. Mai 1849 ihren Tagungsort nach Stuttgart, in die Hauptstadt Württembergs, deren Regierung eine abwartende Neutralität wahrnahm. Auch hier setzte die Versammlung ihre alte Politik fort, durch die sie das Volk vom offenen revolutionären Kampf zurückhielt. Da der preußische König die Kaiserkrone zurückwies und der Reichsverweser, der österreichische Erzherzog Johann, Verrat beging, wählte die Versammlung am 6. Juni 1849 aus ihrer Mitte eine aus fünf Mitgliedern (Raveaux, Vogt, Simon, Schüler und Becher) bestehende Reichsregentschafi. Der Versuch der Regentschaft, durch parlamentarische Mittel den Sieg der Revolution zu sichern, scheiterte völlig; am 18. Juni wurde die Nationalversammlung von württembergischen Truppen auseinandergejagt. 112
81 „Cut und Blut einsetzen" - Der König von Preußen sowie auch einige andere Landesfürsten, z.B. der König von Sachsen und der König von Bayern, hatten die Reichsverfassung abgelehnt. Damit war der Vormarsch der Konterrevolution offensichtlich geworden. Deshalb wandten sich einige bayrische Abgeordnete in einer Proklamation an das bayrische Volk, zu dem auch die Pfälzer seit dem Wiener Kongreß 1815 gehörten. In dieser Proklamation, die in der „Kölnischen Zeitung" Nr. 109 vom 8. Mai 1849 abgedruckt ist, heißt es, daß sich jeder Bürger verpflichten solle, „mit Gut und Blut für das Reichsgrundgesetz einzustehen". 112
82 Der versprochene Artikel über den Feldzug Mieroslawskis wurde in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" nicht veröffentlicht. 114
83 Der bewaffnete Aufstand in Dresden fand vom 3. bis 8. Mai 1849 statt. Anlaß zum Aufstand gaben die Weigerung des sächsischen Königs, die Reichsverfassung anzuerkennen, und die Tatsache, daß er den Erzreaktionär Zschinsky zum Ministerpräsidenten ernannt hatte. Bourgeoisie und Kleinbürgertum nahmen kaum am Aufstand teil; die Arbeiter spielten in den Barrikadenkämpfen die Hauptrolle. Geführt wurde der Aufstand von Samuel Tzschirner, Michael Bakunin u. a. Auf den Hilferuf der Dresdener Barrikadenkämpfer antworteten die Leipziger kleinbürgerlichen Demokraten mit wortreichen Deklarationen. Der Stadtrat und die Bürgerwehr Leipzigs weigerten sich nicht nur, den Dresdener Aufständischen zu Hilfe zu eilen, sondern schlugen den in Leipzig aufflam
menden Aufstand der Arbeiter und Handwerker, die versuchten, der Entsendung von Truppenteilen der Leipziger Garnison nach Dresden entgegenzutreten, grausam nieder. 115 84 Code Napoleon — französisches Zivilgesetzbuch, 1807 unter der Herrschaft Napoleons I. nach dem 1804 proklamierten „Code civil des Franfais" neu gefaßt. Dieses bürgerliche Gesetzbuch wurde von Frankreich in den eroberten Gebieten West- und Südwestdeutschlands eingeführt. In der Rheinprovinz blieb es auch nach der Vereinigung mit Preußen gültig. Der Code Napoleon behielt im wesentlichen die Errungenschaften der Französischen Revolution bei und stand auf dem Boden der formalen bürgerlichen Gleichheit. Engels nannte ihn „das klassische Gesetzbuch der bürgerlichen Gesellschaft". 116 85 Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 war eine Zusammenfassung des bürgerlichen Rechts, des Handels-, Wechsel-, See-, Versicherungs-, Straf-, Kirchen-, Staats- und Verwaltungsrechts; es verankerte den rückständigen Charakter des feudalen Preußen in der Rechtsprechung und galt in wesentlichen Teilen bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900. 117 88 Landwehr - ursprünglich die allgemeine Landesbewaffnung, das Aufgebot aller Wehrfähigen zur Verteidigung; mit Einführung der stehenden Heere trat diese Bedeutung der Landwehr zurück; erst mit dem zunehmenden Bedarf an Streitkräften in den Napoleonischen Kriegen griff man auf sie zurück. In Preußen veranlaßte Scharnhorst nach dem Tilsiter Frieden die Einrichtung einer Landwehr als selbständige milizartige Form neben dem aktiven Heer, mit dem sie in engste Verbindung gebracht wurde. Die Landwehrordnung von 1815 teilte die Landwehr in zwei Aufgebote. Das erste umfaßte alle aus dem Heer entlassenen Leute vom 26. bis zum 32. Lebensjahr (die ausgedienten Reservisten) und diente neben dem stehenden Heer zur Bildung der Feldarmee, das zweite die Leute vom 32. bis 40. Lebensjahr als Festungsbesatzung. Nach den preußischen Gesetzen war die Einberufung der Landwehr nur im Falle eines Krieges möglich. 118
87 Der Beschluß des Kongresses der Deputierten der rheinischen Gemeinderäte vom 8. Mai 1849 in Köln ist abgedruckt in der „Kölnischen Zeitung" Nr. 110 vom 9. Mai 1849, Zweite Ausgahe. 119 ss Das Frankfurter Reichsministerium ist auf Beschluß der Frankfurter Nationalversammlung vom 28. Juni 1848 gebildet worden. Es sollte, zusammen mit dem sog. Reichsverweser, die provisorische Zentralgewalt darstellen. Diese Gewalt verfügte aber weder über ein eigenes Budget noch eine eigene Armee und war damit jeglicher realen Macht beraubt; sie unterstützte die konterrevolutionäre Politik der deutschen Fürsten. 119 89 Der Sturm auf das Zeughaus in Prüm am 17. und 18. Mai 1849 wurde von Demokraten mit Unterstützung der Arbeiter von Trier und der umliegenden Ortschaften unternommen. Das Ziel der Angreifer war es, Waffen zu erbeuten, um einen Aufstand zum Schutz der Reichsverfassung zu entfachen. Obwohl das Zeughaus zeitweilig von Aufständischen besetzt war, wurde die Bewegung bald von herbeieilenden Regierungstruppen unterdrückt. 124 80 trikolore Fahne - hier schwarzrotgoldene Fahne; sie war als Symbol der Bewegung für die nationale Einheit Deutschlands in der Revolution von 1848/49 zur Nationalflagge Deutschlands erklärt worden. 124 81 Von den Redakteuren der „Neuen Rheinischen Zeitung" fuhren, nachdem die Zeitung ihr Erscheinen eingestellt hatte, Karl Marx, Ferdinand Wolff und Ernst Dronke nach
Paris. In Paris waren zu dieser Zeit die Bergpartei und die revolutionären Klubs dabei, gegen die herrschende Partei der Ordnung eine Massendemonstration vorzubereiten (siehe Anm. 104). 132 82 Am 12. Mai 1849 fand in Offenburg (Baden) ein Landeskongreß der Volksvereine Badens statt; die Leiter des Kongresses beschränkten sich auf die Forderung nach Ablösung des Ministeriums und Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Erst nachdem die Truppen Badens auf die Seite des Volkes übergetreten waren, wurde in der Massenversammlung am 13. Mai 1849 ein revolutionäres Programm aufgestellt und die Macht in die Hände des Landesausschusses der badischen Volksvereine gelegt. 133
03 .Senat — Verwaltungsorgan der Freien Stadt Frankfurt, das sowohl gesetzgeberische als auch Verwaltungsfunktionen innehatte. 134 84 „Schill unternahm 1809 - als zwar in Preußen Frieden war, aber Österreich gegen Frankreich Krieg führte - mit seinem Regiment auf eigne Faust einen Feldzug gegen Napoleon" (Engels). 135 95 Die Militärrevolte in der Festung Rastatt am 11. Mai 1849 war der Beginn der offenen Erhebung in Baden. Bereits am 8. Mai erklärten ca. 3000 Soldaten auf einer Versammlung, daß sie sich nicht von den Offizieren als Werkzeug gegen das Volk mißbrauchen lassen würden, und vereinigten sich mit der Bürgerwehr. Am 11. Mai verhafteten reaktionäre Offiziere mehrere Agitatoren der revolutionären Soldaten. Daraufhin brach unter den Truppen der Aufstand aus; sie befreiten mit Waffengewalt die verhafteten Soldaten. Die reaktionären Offiziere schlichen sich aus der Festung. Am 12.Mai zwangen Soldaten und demokratische Bürger gemeinsam den mit Truppen aus Karlsruhe herbeieilenden badischen Kriegsminister General Hoff mann zur Flucht. 136
96 Krawall in Karlsruhe - A.m 13. Mai 1849 erhob sich die Garnison in der badischen Hauptstadt Karlsruhe und vertrieb ihre Offiziere. Hier verteidigte die Bürgerwehr das Zeughaus gegen die revolutionären Truppen, dieselbe Bürgerwehr, auf die sich Brentano in seiner Politik stützte. Der Großherzog mußte fliehen. Am 14. Mai kam Brentano mit dem Landesausschuß nach Karlsruhe und trat „im Namen des abwesenden Großherzogs" an die Spitze einer provisorischen Regierung. 136
97 Fiedler, eine der fortschrittlichsten Gestalten der badischen Bewegung, wurde von Brentano zu Unterhandlungen mit der württembergischen Regierung über die Neutralität des Königreichs nach Stuttgart gesandt. Am 3. Juni 1849 wurde er dort verhaftet. Die badische provisorische Regierung antwortete mit einer matten Kriegserklärung, die niemand ernst nahm und auch niemals zur Ausführung kam. 136
88 Der Klub des entschiedenenFortschritts wurde am 5. Juni 1849 in Karlsruhe gegründet und vereinigte den radikaleren Flügel der kleinbürgerlichen Demokraten und Republikaner (Struve, Tzschirner, Heinzen u. a.), die mit der kapitulantenhaften Politik der Regierung Brentano und der Verstärkung ihrer rechten Elemente unzufrieden waren. Der Klub schlug Brentano vor, die Revolution über die Grenzen von Baden und der Pfalz hinweg auszudehnen und die Regierung durch radikale Elemente aufzufüllen. Als die Klubmitglieder eine Absage erhielten, versuchten sie am 6. Juni auf die Regierung einzuwirken, indem sie mit einer bewaffneten Demonstration drohten. Die Regierung zwang sie jedoch mit Hilfe der Bürgerwehr und anderer bewaffneter Einheiten zur Kapitulation. Der Klub des entschiedenen Fortschritts wurde daraufhin aufgelöst. 136 173
88 Die „sechs Geißeln der Menschheit", gegen die man nach Gustav Struve kämpfen mußte, waren: die Königsmacht, der Erbadel, das Beamtentum, das stehende Heer, die Geistlichkeit und die Herrschaft der Finanzmagnaten. (Siehe den Brief Gustav Struves, der in der „Deutschen Londoner Zeitung" Nr. 239 vom 26. Oktober 1849 veröffentlicht wurde.) 138 100 Atta Troll - Gestalt aus dem gleichnamigen Poem von Heine, das eine Satire auf gewisse kleinbürgerliche deutsche Demokraten darstellt. Als Vorbild für die Gestalt des Bären Atta Troli, der in dem Poem der Verfechter der allgemeinen Gleichheit ist, diente Arnold Rüge, worauf Marx und Engels in ihrer Arbeit „Die großen Männer des Exils" (siehe Band 8 unserer Ausgabe) hingewiesen haben. Arnold Rüge und G. B. Oppenheim gaben von April bis Juni 1848 in Leipzig und von Juli bis November 1848 in Berlin als Organ der kleinbürgerlichen Demokratie „Die Reform" heraus. 143 101 Die „Karlsruher Zeitung" wurde nach 1830 gegründet. Sie war vor und nach 1848 das offizielle Organ der Regierung, auch der Regierung Brentano. Die „Karlsruher Zeitung", die schon früher als Organ der großherzoglichen Regierung existiert hatte, erschien während des Aufstandes für die Reichsverfassung vom 15. Mai bis 2. Juni 1849 als „Organ des Landesausschusses" und vom 3. bis 24. Juni als „Organ der provisorischen Regierung". Nach dem Einmarsch der preußischen Truppen in Karlsruhe nahm sie wieder ihre alte Stellung ein. 144 102 Die konstituierende Versammlung Badens bestand aus 74 gewählten Abgeordneten, von denen jedoch nicht alle zu den Sitzungen erschienen. Sie wurde am 10. Juni 1849 in Karlsruhe eröffnet; ihre letzte Sitzung fand am 2. Juli in Freiburg statt, nachdem die Versammlung ihren Sitz Ende Juni dorthin verlegt hatte. 144 192 103 Das „Gesetz, die Errichtung einer provisorischen Regierung mit diktatorischer Gewalt betreffend" ist abgedruckt in der „Karlsruher Zeitung. Organ der provisorischen Regierung" Nr. 34 vom 21. Juni 1849. In der provisorischen Regierung waren Brentano (Vorsitzender), Goegg und Werner. 144 104 13. Juni in Paris - Die Partei der Montagne von 1848/49, die „eine zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat schwebende Masse" (Marx) vertrat, verlangte die Einstellung der Intervention der französischen Truppen gegen die Rönvsche Republik und rief zur friedlichen Demonstration am 13. Juni 1849 für den Schutz der Verfassung, gegen die Regierung auf. Aus Angst vor dem Proletariat verhinderte das Kleinbürgertum den bewaffneten Aufstand. Diese Haltung führte zur Niederlage der Aktion vom 13. Juni. Die Partei der Ordnung benutzte diese Niederlage der Montagne, um sie aus allen republikanischen Körperschaften auszuschalten und damit die Herrschaft der Großbourgeoisie und den Sieg der Konterrevolution zu festigen (siehe auch vorl. Band, S. 64-70). 145 197 105 Görgey, Oberkommandierender der ungarischen Revolutionsarmee und Anhänger eines Abkommens mit den Habsburgern, sabotierte den revolutionären Krieg. Im Oktober 1848 z. B. weigerte er sich, dem revolutionären Wien zu Hilfe zu kommen, und brachte die Verfolgung der österreichischen Truppen verräterisch zum Stillstand. Im April 1849 hatte die ungarische Armee wiederum eine solche günstige Position erkämpft, daß es ihr möglich war, durch einen Marsch auf Wien den Sieg davonzutragen und gleichzeitig der revolutionären Bewegung in Europa neuen Auftrieb zu geben. Görgey gab jedoch durch die Belagerung von Buda (Ofen) im Mai 1849 der österreichischen Armee die Möglichkeit, sich zur Gegenoffensive vorzubereiten. 145
106 Es handelt sich um die Koalition der kleinbürgerlichen Demokraten und Sozialisten, die sich um die Zeitung „La R6forme" gruppierten und von Ledru-Rollin und Louis Blanc geführt wurden. Diese sog. Partei der Sozial-Demokratie trat mit der Forderung auf, demokratische und soziale Reformen durchzuführen. Ein gewisser Teil der französischen Arbeiter stand unter dem Einfluß der Sozial-Demokraten. Mit dem bevorstehenden, entscheidenden Ereignis meint Engels die Ereignisse des 13. Juni 1849 in Paris (siehe Anm. 104). 146 107 ,JFliegende Blätter" - satirische Wochenschrift, die 1845 in München gegründet wurde. 147 103 Es handelt sich um die Zeitung „Der Bote für Stadt und Land. Pfälzisches Volksblatt", die das offizielle Organ der Pfälzer revolutionären provisorischen Regierung war. Der einzige Artikel von Engels, den diese Zeitung brachte, erschien in Nr. 110 vom 3. Juni 1849 und ist unter der Überschrift „Die revolutionäre Erhebung in der Pfalz und in Baden" in Band 6 unserer Ausgabe, S. 524-526, abgedruckt. 151 109 „Frankfurter Journal"- Tageszeitung, die vom 17. Jahrhundert bis 1903 in Frankfurt a. M. erschien. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts vertrat sie eine gemäßigt-liberale Richtung. 152 110 „Kölnische Zeitung" - Tageszeitung, die unter diesem Titel seit 1802 in Köln erschien; 1848/49 spiegelte sie die feige und verräterische Politik der preußischen liberalen Bourgeoisie wider und führte einen ständigen erbitterten Kampf gegen die „Neue Rheinische Zeitung". 152 m Aus dem Heldengedicht „Ilias" von Homer (Zweiter Gesang, Vers 408 u. a.) nach der Übersetzung von Johann Heinrich Voss (1793). 154 112 Berliner Zeughaussturm - Am 14. Juni 1848 stürmten die Arbeiter und Handwerker Berlins das Zeughaus, nachdem sie erfolglos versucht hatten, die Regierung CamphausenHansemann zur Herausgabe von Waffen an das Volk zu bewegen. Die Aktion der Berliner Arbeiter war jedoch spontan und unorganisiert. Den herbeieilenden militärischen Verstärkungen und Abteilungen der Bürgerwehr gelang es schnell, das Volk zurückzudrängen und zu entwaffnen. 155 113 Im April 1830 begann die herrschende Klasse Frankreichs einen Krieg zur Eroberung Algeriens. Damit wollte sie zugleich die unzufriedenen Massen im Innern des Landes ablenken. Der Krieg dauerte jahrelang. Die algerische Bevölkerung leistete den französischen Eindringlingen zähen Widerstand und wandte vor allem die Methoden des kleinen Krieges an. Darunter verstand man bewaffnete Auseinandersetzungen feiner Truppenteile bei Überfällen, Hinterhalten, Ausheben kleiner Besatzungen und Vermeidung von Zusammenstößen starker Truppeneinheiten in größeren Gefechten oder Schlachten. In der Regel wurde der kleine Krieg im Rücken der feindlichen Armee geführt. 156 476 111 Diese Strophe ist dem Kampflied „Wenn die Fürsten ihre Söldnerscharen ..." aus der Revolution 1848/49 entnommen. Es lehnte sich an eine Hymne der Französischen Revolution, den Girondistenchor (le Choeur des Girondins), an und erfreute sich großer Beliebtheit. Ursprünglich lautete der Refrain: „Fürs Vaterland zu sterben, ist ein Los, hehr und groß, ist das Ziel unsres Muts". Gegen Ende der Revolution wurde statt der Worte „Fürs Vaterland zu sterben" fast ausschließlich „Für Republik zu sterben" gesungen. 162
116 Pistol und Falstaff - Gestalten in mehreren Werken Shakespeares („König Heinrich der Vierte", „Die lustigen Weiber von Windsor" u. a.). Beide verkörpern Müßiggänger, Prahler, Lügner und Feiglinge. 165
116 „kerrliches Kriegsheer" - Ausspruch aus der Neujahrsbotschaft Friedrich Wilhelms IV. an die preußische Armee und Landwehr vom I.Januar 1849 („Preußischer StaatsAnzeiger" Nr. 3 vom 3. Januar 1849). 166
117 Engels spielt auf den Ausspruch Friedrich Wilhelms IV. in seiner Thronrede anläßlich der Eröffnung des preußischen Vereinigten Landtages am 11. April 1847 an: „Als Erbe einer ungeschulächten Krone, die Ich Meinen Nachfolgern ungeschwächt bewahren muß und will ...". 167 118 Franz Zitz protestierte am 17. September 1848 in Frankfurt am Main in einer starkbesuchten Volksversammlung gegen die Untätigkeit des Frankfurter Parlaments, gegen seine verräterische Politik in der Schleswig-Holstein-Frage. Er sprach sich dagegen aus, dem Parlament irgendeine Adresse zu senden, und erklärte, man müsse jetzt Fraktur reden bzw. schreiben; es sei die Zeit für entschlossenes Handeln gekommen. 183
119 Der Deutsche Bildungsverein für Arbeiter in London wurde am 7.Februar 1840 von Karl Schapper, Joseph Moll, Heinrich Bauer und anderen Mitgliedern des Bundes der Gerechten gegründet. Nachdem der Bund der Kommunisten organisiert war, spielten im Arbeilerbildungsverein die Gemeinden des Bundes die führende Rolle. 1847 und 1849/50 nahmen Marx und Engels an der Tätigkeit des Vereins aktiven Anteil. Am 17. September 1850 traten Marx, Engels und mehrere ihrer Mitkämpfer aus dem Verein aus, weil er im Kampf zwischen der von Marx und Engels geführten Mehrheit der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten und der sektiererischen abenteuerlichen Minderheit (Willich, Schapper) für die letztere Partei ergriff (siehe Anm. 275 sowie vorl. Band, S. 414). Seit Ende der fünfziger Jahre nahmen Marx und Engels erneut an der Tätigkeit des Bildungsvereins teil. Der Verein bestand bis zu seiner Auflösung durch die englische Regierung im Jahre 1918. 184 311 464 120 Der Kölner Arbeiterverein wurde von Mitgliedern des Bundes der Kommunisten am 13.April 1848 in Köln gegründet. In der ersten Zeit hatte Andreas Gottschalk, der unter dem Einfluß des „wahren" Sozialismus stand und eine sektiererische Haltung einnahm, die leitende Rolle inne. Er ignorierte die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution, verfolgte die Taktik des Boykotts der indirekten Wahlen zur gesamtdeutschen und zur preußischen Nationalversammlung, trat gegen die Unterstützung demokratischer Kandidaten auf und forderte demagogisch die sofortige Konstituierung einer „Arbeiterrepublik". Der Kampf von Marx, Engels und ihren Mitkämpfern gegen die sektiererische Taktik Gottschalks führte zur Festigung des Vereins und zur Änderung seiner politischen Linie. Im August 1848 hatte er bereits 7000 Mitglieder. Nach der Verhaftung Gottschalks wurde am 6. Juli Moll zum Präsidenten gewählt, der dieses Amt bis September 1848 innehatte, als er gezwungen wurde, wegen drohender Verhaftung zu emigrieren. Im Oktober 1848 wurde Marx zum Präsidenten des Vereins gewählt und im Februar 1849 Schapper. Der Verein wurde reorganisiert; in einem neuen, am 25. Februar beschlossenen Statut machte sich der Verein die Hebung des Klassen- und politischen Bewußtseins der Arbeiter zur Hauptaufgabe. Nach dem Sieg der Konterrevolution in Deutschland 1849 hat der Kölner Arbeiterverein seinen politischen Charakter verloren und sich in einen gewöhnlichen Arbeiterbildungsverein verwandelt. 184
121 Septemberkrawall 1848 - Am 25. September 1848 verhafteten die Kölner Behörden mit Unterstützung der Bourgeoisie mehrere Funktionäre der Arbeiterbewegung in Köln, um eine Erhebung zu provozieren und dann mit der Arbeiterbewegung abzurechnen. Die von Marx und Engels geführten Kölner Arbeiter ließen sich jedoch nicht zu einem vorzeitigen Aufstand provozieren. Am 26. September wurde über Köln der Belagerungszustand verhängt und die Herausgabe der „Neuen Rheinischen Zeitung" und anderer demokratischen Zeitungen zeitweilig unterbrochen. Engels, Dronke, Moll u. a. waren gezwungen, ins Ausland zu emigrieren. 184 122 Während des Rückzugs der badisch-pfalzischen Armee brach am 23. Juni 1849 in einer Abteilung eine Revolte aus. Die Soldaten machten unter Führung ihres Kommandeurs Thome denVersuch, Mieroslawski und Sigel zu verhaften und sie der preußischen Armee auszuliefern. 185 123 Siehe darüber im Buch von Johann Philipp Becker und Christian Essellen: „Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849", Genf 1849, S. 430-433. 191 124 Struve brachte diese Erklärung am 28. Juni 1849 in Form eines Antrages in der konstituierenden Versammlung in Freiburg ein. 192 126 Die in diesem Band enthaltenen Rezensionen wurden in den Heften 2 und 4 der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" ohne Unterschrift veröffentlicht. Im Jahre 1892 schrieb Engels in einer biographischen Marx-Skizze über dessen Arbeiten in der „Revue", daß Marx „ferner (mit Engels gemeinsam) Rezensionen und politisch e Ubersichten" geschrieben habe. Noch zu Lebzeiten von Engels, im Jahre 1886, hatte die Redaktion der „Neuen Zeit", der Engels ständig Ratschläge und Hinweise gab, die Rezension der Broschüren von Adolphe Chenu und Lucien de la Hodde unter dem Namen von Marx und Engels erneut veröffentlicht. Hinsichtlich einiger Rezensionen, wie beispielsweise der über die Bücher von Emile de Girardin und Guizot, kann man mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie Marx geschrieben hat, während die Rezension des Buches von Thomas Carlyle wahrscheinlich von Engels geschrieben wurde. Weil das jedoch nicht ganz eindeutig zu beweisen ist, sind im vorliegenden Band alle Rezensionen als gemeinsame Arbeiten von Marx und Engels zu finden. 198 255 128 „Correspondent Von und für Deutschland" - bürgerlich-liberale Zeitung, 1804 in Nürnberg unter dem Titel „Fränkischer Correspondent" gegründet. Unter dem obengenannten Titel erschien das Blatt ab 1806. 198 127 Aus Schillers Gedicht „Das Lied von der Glocke". 199 128 „Nürnberger Bote" - gemeint ist die Tageszeitung „Nürnberger Courier", die von 1842 bis 1862 ils Fortsetzung der 1673 gegründeten Zeitung „Friedens- und Kriegs-Courier" erschien. 199 120 Die „Blätter für literarische Unterhaltung" erschienen erstmalig 1818 in Weimar unter dem Namen „Literarisches Wochenblatt". Nach mehrmaligem Verbot durch die preußische Regierung und nachdem sie ihren Namen von 1820 bis 1826 in „Literarisches Conversationsblatt" verändert hatte, wurde die Zeitschrift von F. A. Brockhaus, der sie bereits 1820 gekauft hatte, ab I.Juli 1826 unter dem erstgenannten Titel in Leipzig herausgegeben. Sie erschien bis 1851 täglich und später bis 1898 wöchentlich. 199 130 „Bayerische Land^ötin" - Münchner Tageszeitung, erschien von 1830 bis 1864, ab 1848 unter dem Titel „Isar-Zeitung".
„Allgemeine Zeitung" — konservative Tageszeitung, gegründet 1798, erschien von 1810 bis 1882 in Augsburg. 199 131 Anspielung auf Daumers Buch „Der Feuer- und Molochdienst der alten Hebräer..." und auf die beiden Bände „Die Geheimnisse des christlichen Alterthums", in denen Daumer zu beweisen suchte, daß die Juden in der ältesten Zeit und auch die Christen in den ersten Jahrhunderten dem Kult der Menschenopferung anhingen. 200 132 Die Prophezeiungen des Nostradamus, eines im 16. Jahrhundert bekannten französischen Astrologen und Leibarztes von Karl IX., waren in Versform gekleidet und zeichneten sich durch äußerste Undurchsichtigkeit und Rätselhaftigkeit aus. Das ztfeite Gesicht der Schotten - die angebliche Fähigkeit, die Zukunft zu deuten und Erscheinungen zu- erkennen, die gewöhnlichen Menschen nicht zugänglich sind. Diese Fähigkeit schreibt der Aberglaube besonders den Bewohnern des schottischen Hochlands zu. Der animalische Magnetismus - Lehre des im 18. Jahrhundert lebenden österreichischen Arztes Mesmer über die Möglichkeit, z.B. Nervenkranke durch Bestreichen mit den Händen zu heilen. Die Erfolge sind durch die moderne Suggestivtherapie erklärbar. Mesmer allerdings glaubte an einen geheimnisvollen Stoff. Die Lehre war stark verbreitet und wurde ins Unsinnige übertrieben. 202 133 In Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre" gibt es Szenen, in denen auf das gedrückte Abhängigkeitsverhältnis von Künstlern und Wissenschaftlern zu adligen Gönnern hingewiesen wird. 203 134 Aus der Rede von Ludwig Simon in der Frankfurter Nationalversammlung vom 11. April 1849, enthalten in „Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Ma?n", Bd. 8. 204 135 Kaiserdeputation - Am 28. März 1849 wählte die Frankfurter Nationalversammlung König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum deutschen Kaiser und sandte eine Delegation nach Berlin, um ihm die Kaiserkrone anzubieten. Die Abordnung kehrte unverrichteter Dinge nach Frankfurt zurück, weil Friedrich Wilhelm IV. sich weigerte, die Kaiserkrone ohne Einverständnis der deutschen Fürsten aus den Händen der Versammlung entgegenzunehmen. 204 130 Deutsche Reichsbarrots - die liberalen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung. Odilon Barrot - französischer bürgerlicher Staatsmann, Monarchist, 1848/49 Ministerpräsident, gehörte zu den Häuptern der Konterrevolution. Marx charakterisiert Barrot in seiner Arbeit „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" (siehe vorl. Band, S. 37 und 46/47). 205 137 Simon schreibt in seiner Broschüre, daß die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung das Vorgehen der Regierung von Württemberg gegen die Reichsverfassung entschieden verurteilt und sich mit dem bewaffneten Kampf in der Pfalz und in Baden zum Schutz dieser Verfassung solidarisch erklärt hätten. Insbesondere verweist Simon auf die Resolution, die von den Resten der Versammlung am 8. Juni 1849 nach ihrer Ubersiedlung nach Stuttgart beschlossen wurde. Indessen trug die Resolution, die Baden und die Pfalz unter Schutz und Schirm des Reiches, d.h. der Frankfurter Nationalversammlung stellte, rein deklarativen Charakter. Da die Versammlung eine breite Volksbewegung fürchtete, ließ sie den Aufständischen keine konkrete Hilfe zukommen; mehr als das, sie
weigerte sich, Insurrektionstruppen aus Baden und aus der Pfalz zu ihrem Schutz herbeizurufen, wie das Marx und Engels während ihrer Verhandlungen mit führenden Frankfurter Linken im Mai 1849 vorgeschlagen hatten. 205 138 Die Gründung der Bank von England erfolgte im Jahre 1694. Ihre Gründer stellten das Grundkapital der Regierung als Anleihe zur Verfügung; damit war der Anfang zu einer Staatsschuld gemacht. 208
138 Die Volksaufstände in Lissabon (1640), in Neapel (1647/48) und in Messina (1674 bis 1676) richteten sich gegen die spanische Herrschaft. 210 140 Die „Revuen", die in den Heften 2, 4 und 5/6 der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politischökonomische Revue" abgedruckt wurden, tragen keine Unterschrift, Zahlreiche Äußerungen von Marx und Engels in Schriften und Briefen zeugen davon, daß diese Revuen von ihnen gemeinsam verfaßt worden sind. 213 292 421 141 Es handelt sich um die Vereinbarung zwischen der konterrevolutionären Großbourgeoisie und dem reaktionären preußischen Königtum, die gleich zu Beginn der Revolution von 1848 auf der Grundlage des gemeinsamen Kampfes gegen die demokratischen Forde rungen des Volkes getroffen worden ist. Mit dem Erstarken der Konterrevolution jedocl wurde dem König Friedrich Wilhelm IV. sein Bundesgenosse immer lästiger, und immer mehr zügelte er die Großbourgeoisie in ihren konstitutionellen Ansprüchen. Diese fuhr fort, sich an das Bündnis mit dem Königtum zu klammern, gab sich aber im preußischen Abgeordnetenhaus den Anschein einer „Opposition". Nachdem Friedrich Wilhelm IV. am 5.Dezember 1848 die preußische konstituierende Versammlung auseinandergejagt hatte, oktroyierte er am gleichen Tage eine Verfassung, der ein Entwurf zugrunde lag, den die konstituierende Versammlung im Laufe des Jahres 1848 erörtert hatte und an dem reaktionäre Änderungen im Interesse der feudalen Partei vorgenommen worden waren. Dem König wurde das Recht zuerkannt, jeden Beschluß der Kammern aufzuheben und „im Falle dringender Umstände" nicht nur unabhängig von den Kammern Gesetze zu erlassen, sondern auch die einzelnen Artikel der Verfassung zu revidieren. Die Verfassung enthielt aber noch gewisse demokratische Errungenschaften, insbesondere das allgemeine Wahlrecht. Dies führte bei den Wahlen zur Zweiten Kammer, dem Abgeordnetenhaus, im Januar 1849 zu einem Erfolg der bürgerlich-liberalen Elemente, die mit ihrer Kritik dem König manche Unannehmlichkeit bereiteten. Friedrich Wilhelm IV. löste im April 1849 die Kammer auf und erließ am 30. Mai 1849 ein neues Wahlgesetz, das Dreiklassenwahlrecht, das auf einem hohen Besitzzensus und der ungleichen Vertretung der verschiedenen Bevölkerungsschichten basierte. Auf solche Weise gelang es dem König, die Wahl von Abgeordneten zu erreichen, die in ihrer Mehrheit ihm sklavisch ergeben waren. Diese Mehrheit beschloß in der Sitzung der Kammer am 7. August 1849 die von der Regierung vorgeschlagene Verfassung. 213
143 Entsprechend der von den Kammern beschlossenen und von Friedrich Wilhelm IV. am 3I.Januar 1850 bestätigten Verfassung blieb in Preußen eine Erste Kammer (Herrenhaus oder Haus der Pairs) bestehen, in der hauptsächlich der Feudaladel vertreten war, dazu eine Zweite Kammer (Abgeordnetenhaus), die auf Grund des Dreiklassenwahlrechts gewählt wurde. Die Verfassung gab der Regierung das Recht, einen Schwurgerichtshof zu schaffen, zuständig für Strafsachen des Hochverrats und der Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit des Staates. Da laut Verfassung auch das Gesetz über den Landsturm, d. h. über die allgemeine Wehrpflicht, erhalten blieb, stellte sie der reaktionären
preußischen Regierung die ganze wehrfähige Bevölkerung Preußens zur Verfügung. Gemäß den Artikeln 40 bis 42 der Verfassung blieb das Fideikommiß bestehen - die feudale Form der Erbfolge am Grundbesitz, nach welcher der Besitz unveräußerlich ist und stets dem Ältesten des Geschlechts zukommt. 213 143 Diese Formulierung ist der Botschaft Friedrich Wilhelms IV. vom 7. Januar 1850 entnommen, die seine Vorschläge zur Änderung der preußischen Verfassung vom S.Dezember 1848 zum Inhalt hat. Diese Botschaft ist im „Preußischen Staats-Anzeiger" Nr. 10 vom 10. Januar 1850 veröffentlicht. 213 141 Der erste Vereinigte Landtag trat auf Grund eines Königlichen Patents am 11 .April 1847 zusammen und tagte bis zum 26.Juni 1847. Er stellte die Vereinigung aller acht bestehenden Provinziallandtage dar, sollte nach königlichem Ermessen berufen werden und war in zwei Kurien geteilt. Die Kurie des Herrenstandes bestand aus 70 Vertretern des hohen Adels, die Kurie der übrigen drei Stände umfaßte 237 Vertreter der Ritterschaft, 182 der Städte und 124 der Landgemeinden. Die Befugnisse des Vereinigten Landtages beschränkten sich auf die Bewilligung neuer Anleihen in Friedenszeiten und auf die Zustimmung zu neuen Steuern oder Steuererhöhungen. Mit seiner Bildung wollte der preußische König die Erfüllung der gegebenen konstitutionellen Versprechungen und die Bestimmungen des Staatsschuldengesetzes umgehen. Der König berief ihn 1847 ein, um durch Gewährung von Garantien für eine Auslandsanleihe aus den Finanzschwierigkeiten herauszukommen. Auf dem Landtage machte sich eine starke liberale Opposition bemerkbar, die von den Vertretern der rheinischen Großbourgeoisie (Hansemann, Camphausen, von Beckerath) und einem Teil des ostpreußischen Adels (von Vincke, vonAuerswald) ausging. Da der Landtag sich für die Bewilligung einer Anleihe nicht kompetent erklärte, wurde er vom König nach Hause geschickt. Das verstärkte die oppositionelle Stimmung im Lande und beschleunigte die revolutionäre Entwicklung. 214 146 Ende 1849 und Anfang 1850 fanden in Berlin gegen Waldeck und in Trier gegen Grün Gerichtsprozesse statt. Beide wurden für ihre politische Tätigkeit als Abgeordnete der Linken in der preußischen Nationalversammlung und in der Zweiten Kammer gerichtlich belangt. In den Prozessen zeigten sich deutlich die schmutzigen Methoden der reaktionären preußischen Regierung, die im Kampf gegen ihre Gegner vor Fälschungen nicht zurückschreckte; andererseits haben sich die Vertreter der „Demokratie" - Waldeck und Grün - äußerst beschämend verhalten, sich feige von der Revolution losgesagt und auf jede Art und Weise ihre Loyalität gegenüber der preußischen Regierung beteuert. Ungeachtet dessen zollte ihnen das bürgerliche und kleinbürgerliche Publikum im Gerichtssaal Beifall. 214 299
146 Im Jahre 1850 versuchte Friedrich Wilhelm IV. im Bündnis mit den Königen von Hannover und Sachsen sowie 17 anderen deutschen Fürsten, Deutschland mit Ausnahme von Österreich unter der Hegemonie Preußens zu vereinen und auf solche Weise den Plan zur Schaffung eines „Kleindeutschland" zu verwirklichen. Dieser Plan fand Unterstützung seitens der rechten Liberalen, der Vertreter der konterrevolutionären Großbourgeoisie, die die Frankfurter Nationalversammlung verlassen und im Juni 1849 die sog. Gothaer Partei (siehe Anm. 307) gegründet hatten. Diese Partei beteiligte sich aktiv an den Wahlen zu einem „Unionsparlament", das sich am 20. März 1850 in Erfurt versammelte, um den im Geiste der Konterrevolution gehaltenen preußischen Entwurf einer Bundesverfassung für den geplanten kleindeutschen Bundesstaat anzunehmen, Die darauf folgenden Ereignisse haben die Prognose von Marx und Engels bestätigt, daß das Erfurter
38 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
Parlament keine lange Lebensdauer haben werde. Unter dem Druck der österreichischen Monarchie und des russischen Zarismus gingen mehrere deutsche Fürsten,die vorher Preußen unterstützt hatten, auf die Seite Österreichs über. Daraufhin vertagte die preußische Regierung, die es nicht wagte, gegen Nikolaus I. aufzutreten, am 29. April 1850 das Erfurter Parlament, das auch nicht wieder zusammentrat. Im Vertrag zu Olmütz vom 29,November 1850 verzichtete dann Preußen auf seine Vereinigungspläne. 214 349 456 147 Frosehmäuslerhrieg (Batrachomyomachia) - altgriechisches komisches Epos eines unbekannten Verfassers, eine Travestie auf Homers Heldengedicht „Ilias". 214
148 Interim - vorläufige Vereinbarung. Hier handelt es sich um den Vertrag, der im September 1849 zwischen Preußen und Osterreich über die gemeinsame Verwaltung der Angelegenheiten Deutschlands bis zur endgültigen Lösung der deutschen Verfassungsfrage abgeschlossen wurde. In Übereinstimmung mit dieser Vereinbarung, die die Kräfte der Reaktion in Deutschland stärkte, wurde die österreichisch-preußische Bundeskommission gegründet, die eine Art Wiederbelebung des Bundestages war; diese Vereinbarung stand im Widerspruch zu den Vereinigungsplänen Preußens. 214
143 Seehandlung - „Preußische Seehandlungsgesellschaft". Sie wurde 1772 als Handelskreditgesellschaft gegründet und war mit einer Reihe wichtiger staatlicher Privilegien ausgestattet. Sie stellte der Regierung große Darlehen zur Verfügung und war eigentlich ihr Bankier und Makler. 1810 wurden die Aktien und Obligationen der Gesellschaft in Staatsschuldscheine umgewandelt und damit die Gesellschaftsform beseitigt. Durch Kabinettsorder vom 17. Januar 1820 wurde sie zum Finanz- und Bankhaus des preußischen Staates umgestaltet; damit schuf sich die Regierung eine Möglichkeit, das gleichzeitig erlassene Staatsschuldengesetz zu umgehen. 21 4
150 Grenzer - Bewohner des südlichen Teils des österreichischen Kaiserreichs, der Grenzgebiete von Dalmalien, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen und des Banats. Sie mußten für die Benutzung des Bodens Militärdienst zum Schutz der Grenze leisten. 215 151 Redewendung Alexanders I., die er 1808 in einem Gespräch mit dem französischen Botschafter Caulaincourt gebraucht hat. 215 152 Die russische Regierung, im Bunde mit der österreichischen, verlangte seit August 1849 von der Türkei die Auslieferung der ungarischen und polnischen Revolutionäre, die nach der blutigen Niederwerfung der ungarischen Revolution dort Asyl gefunden hatten. Die türkische Regierung lehnte es ab, die Flüchtlinge auszuliefern. Unter diesem Vorwand brachen Rußland und Österreich ihre Beziehungen zur Türkei ab. Es kam aber 1849 zu keinem Krieg; Rußland mußte nachgeben, da England und Frankreich die Türkei unterstützten. Ende 1849 wurde der Konflikt beigelegt. 215 153 Saint-Jean d'Acre - Festung an der Küste Syriens. Im Jahre 1832, während des ägyptischtürkischen Krieges (1831-1833), wurde sie von ägyptischen Truppen eingenommen, aber 1840 von der vereinten englisch-österreichisch-türkischen Flotte wiedererobert und der Türkei zurückgegeben. San Juan de Ulua - Festung von Veracruz an der Ostküste Mexikos. Sie war die letzte Festung, die im Unabhängigkeitskrieg Mexikos in den Händen der Spanier blieb; sie fiel 1825. 216 154 Die Heilige Allianz war ein Bund der konterrevolutionären Mächte gegen alle fortschrittlichen Bewegungen in Europa. Sie wurde am 26. September 1815 auf Initiative des Zaren
Alexander I. von den Siegern über Napoleon geschaffen. Ihr schlössen sich, neben Österreich und Preußen, fast alle europäischen Staaten an. Die Monarchen verpflichteten sich zur gegenseitigen Unterstützung bei der Unterdrückung von Revolutionen, wo immer sie ausbrechen sollten. In den Jahren 1848/49 gab es von seiten der konterrevolutionären Kräfte in Europa eine Reihe Versuche, im Kampf gegen die revolutionäre Bewegung die Heilige Allianz von 1815 wiederzubeleben. Es kam jedoch nicht zum Abschluß eines Vertrages. 216 245 314 317 165 Militärkapitulationen - Dienstverpflichtungsverträge, die von Schweizer Kantonen von Mitte des 15. bis Mitte des 19. Jahrhunderts mit europäischen Staaten über die Bereitstellung von Söldnern abgeschlossen wurden. In einer Reihe bürgerlicher Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts waren die Schweizer Söldner das Werkzeug der monarchistischen Konterrevolution. 217
156 Urkantönler - Bewohner der Bergkantone Schwyz, Uri und Unterwaiden. Diese Kantone bildeten den Kern der 1332 bis 1353 entstandenen Schweizer Eidgenossenschaft. 217 157 Sonderbundskrieg - Sieben ökonomisch rückständige, katholische Schweizer Kantone schlössen 1843 zum Zwecke des Widerstandes gegen fortschrittliche bürgerliche Umgestaltungen in der Schweiz und zur Verteidigung der Privilegien der Kirche und der Jesuiten einen Separatbund. Der Beschluß des Schweizer Bundestages (Tagsatzung) vom Juli 1847 über die Auflösung des Sonderbundes diente diesem als Anlaß, Anfang November militärische Aktionen gegen die übrigen Kantone zu beginnen. Am 23. November 1847 wurde die Armee des Sonderbundes von den Truppen der Bundesregierung geschlagen (siehe hierzu auch Engels' Artikel „Der Schweizer Bürgerkrieg" in Band 4 unserer Ausgabe, S. 391 -398). 217 158 Das Gesetz über die Abschaffung der Korngesetze wurde am 26. Juni 1846 vom englischen Parlament beschlossen. Die sog. Korngesetze, die auf eine Beschränkung oder das Verbot der Getreideeinfuhr aus dem Ausland gerichtet waren, wurden 1815 in England im Interesse der großen Grundbesitzer, der Landlords, eingeführt. Die Annahme des Gesetzes von 1846 bedeutete einen Sieg der industriellen Bourgeoisie, die unter der Losung des Freihandels gegen die Korngesetze kämpfte, um billigere Arbeitskräfte zu erhalten. 219 236 442 159 Friedrich Wilhelm IV. leistete den Eid auf die Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 am 6. Februar 1850. Die bei dieser Gelegenheit gehaltene Ansprache an die versammelten Kammern ist im „Preußischen Staats-Anzeiger" Nr. 37 vom 7. Februar 1850 veröffentlicht. 222 160 Friedrich Engels' Artikel „Die Zehnstundenfrage", der speziell für den englischen Leser geschrieben wurde, ist einer der Beweise für den engen Kontakt, den Marx und Engels mit dem revolutionären Flügel der Chartistenpartei und ihren Führern, Julian Harney und Ernest Jones, hatten. Die Monatsschrift „The Democratic Review of British and Foreign Politics, History and Literalure" wurde von Harney von Juni 1849 bis September 1850 in London herausgegeben. Neben dem vorliegenden Artikel von Engels wurde in ihr eine verkürzte Übersetzung des ersten Kapitels von Karl Marx' Schrift „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" veröffentlicht. Seit dem 1. Juli 1850 gab Harney auch die Wochenschrift „The Red Republican" heraus, in dem die erste englische Über
setzung des „Manifestes der KommunistischenPartei" veröffentlicht wurde. Die Wochenschrift erschien bis November 1850. Ab Dezember begann Harney eine neue Wochenschrift herauszugeben, den bis Sommer 1851 erschienenen „Friend of thePeople", für den Engels eine Artikelfolge zur Kritik an der kleinbürgerlichen Demokratie versprochen hatte. Die zweideutige Haltung, die Harney im Zusammenhang mit der Spaltung des Bundes der Kommunisten einnahm, sowie seine freundschaftlichen Beziehungen zu Vertretern der kleinbürgerlichen Emigration veranlaßten jedoch Marx und Engels bald, mit Harney zu brechen. Marx und Engels hielten weiter die Verbindung mit Ernest Jones aufrecht und veranlaßten einige ihrer engsten Mitarbeiter (Eccarius, Schramm, Pieper) zur Mitarbeit an der von Jones im Mai 1851 gegründeten Wochenschrift „Notes to the People", wobei sie ihnen bei ihrer literarischen Tätigkeit halfen. Wenn Marx und Engels die Chartistenpresse unterstützten, so in dem Bestreben, die Traditionen des revolutionären Chartismus der vierziger Jahre zu festigen und die revolutionäre Theorie in die Massenbewegung der englischen Arbeiter zu tragen. 226 161 Manchesterschule — ökonomische Lehrmeinung, die besonders von den englischen bürgerlichen Ideologen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertreten wurde. Die Vertreter des Freihandels, Anhänger dieser Richtung, bildeten die sog. Manchesterpartei, die Partei der englischen Industriebourgeoisie. Sie verteidigten die Freiheit des Handels, die Nichteinmischung des Staates in das wirtschaftliche Leben des Landes, die uneingeschränkte Ausbeutung der Arbeiterklasse. Manchester war Zentrum der Agitation. An der Spitze der Bewegung standen die beiden Textilfabrikanten Cobden und Bright, die 1838 die Anti-Corn-Law League gründeten. In den vierziger und fünfziger Jahren waren die Anhänger des Freihandels eine besondere politische Gruppierung; sie bildeten den linken Flügel der liberalen Partei in England. 226 162 In ihren späteren Arbeiten gaben Marx und Engels eine genauere Charakteristik des Gesetzes über den Zehnstundentag (siehe u. a. Karl Marx „Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation" und „Das Kapital", Erster Band, Kapitel 8, Abschnitt 5,6 und 7). 228 240 103 Volkscharte (peoples charter) - ein Dokument, das die Forderungen der Chartisten enthielt; es wurde am 8. Mai 1838 als Gesetzentwurf, der im Parlament eingebracht werden sollte, veröffentlicht und bestand aus sechs Punkten; Allgemeines Wahlrecht (für Männer über 21 Jahre), jährliche Parlamentswahlen, geheime Stimmabgabe, gleiche Wahlkreise, Abschaffung des Vermögenszensus für die Kandidaten zu den Parlamentswahlen, Diäten für die Abgeordneten. Nach diesem Dokument erhielt der Chartismus, der eine revolutionäre, aber keine sozialistische Bewegung war, seinen Namen. Uber die Bedeutung des Chartismus sagte Lenin, daß „England der Welt die erste wirkliche, breite, politisch klar ausgeprägte, proletarisch-revolutionäre Massenbewegung... gab" (Lenin, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Band II, S. 551). 228 164 Court of Exchequer - eines der ältesten englischen Gerichte, befaßte sich ursprünglich meist mit Finanzangelegenheiten, gehörte im 19. Jahrhundert zu den höchsten Gerichten Englands. Im Februar 1850 wurden die Fabrikbesitzer, die das Gesetz über den zehnstündigen Arbeitstag vom 8. Juni 1847 verletzt hatten, vom Court of Exchequer freigesprochen. Der Freispruch, der faktisch die Aufhebung des Gesetzes bedeutete, stieß auf Widerstand der Arbeiter. Daraufhin wurde in einem am 5.August 1850 erlassenen Parlamentsakt festgelegt, daß die tägliche Arbeitszeit für Jugendliche und Arbeiterinnen 1 OVü Stunden nicht überschreiten soll; auch wurden Beginn und Ende des Arbeitstages bestimmt, 229 233
165 Beschränkung der Sinekuren — Unter dem Druck der Industriebourgeoisie wurden in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts Gesetze erlassen, die gegen den Handel mit Ämtern sowie gegen die Verteilung von Pfründen an Mitglieder aristokratischer Familien gerichtet waren. 237
166 Navigationsgesetze - von Cromwell 1651 erlassene und später mehrmals erneuerte bzw. ergänzte Schiffahrtsgesetze, die sich besonders gegen den holländischen Zwischenhandel richteten und das Ziel verfolgten, die englische Kolonialherrschaft zu festigen. Sie bestimmten, daß die wichtigsten Waren aus Europa sowie alle Waren aus Rußland und der Türkei nur auf englischen Schiffen oder auf denen des Ursprungslandes eingeführt werden durften, und daß die englische Küstenschiffahrt gänzlich den englischen Schiffen vorbehalten bliebe. Die Gesetze wurden in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts bedeutend eingeschränkt und 1849 bis auf geringe Überbleibsel, die 1854 beseitigt wurden, aufgehoben. 239
167 Die Ansprache der Zentralbehörde an den Bund der Kommunisten wurde von Marx und Engels Ende März 1850 geschrieben und unter den Mitgliedern des Bundes der Kommunisten in der Emigration sowie in Deutschland illegal verbreitet. 1851 wurde dieses Dokument, das von der preußischen Polizei bei einigen verhafteten Mitgliedern des Bundes beschlagnahmt worden war, in der bürgerlichen „Kölnischen Zeitung" sowie im ebenfalls bürgerlichen „Dresdner Journal und Anzeiger" veröffentlicht, später auch in dem Buch „Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts"; dieses Buch wurde von zwei Polizeibeamten, Wermuth und Stieber, zusammengestellt, die Engels als „zwei der elendsten Polizeilumpen" charakterisierte. Im vorliegenden Band wird die Arbeit nach dem Text gebracht, den Engels durchgesehen und 1885 als Beilage zur Neuausgabe von Marx' Schrift „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" veröffentlicht hat. 244
168 Vereinbarer nannten Marx und Engels die Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung, die im Mai 1848 in Berlin zur Ausarbeitung der Verfassung „durch Vereinbarung mit der Krone" einberufen wurde. Marx und Engels nannten die Berliner Versammlung, die auf das Prinzip der Volkssouveränität verzichtete, „Vereinbarungsversammlung". Steuerverweigerer wurden jene „linken" bürgerlichen Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung genannt, die den am 1. November 1848 über Berlin verhängten Belagerungszustand, die Einsetzung des Ministeriums Brandenburg am 4. November, die Besetzung Berlins durch Truppen des Generals von Wrangel am 10. November sowie die geplante Verjagung der konstituierenden Nationalversammlung (diese war am 22. Mai 1848 eröffnet, am 9.November nach Brandenburg verlegt und am 5.Dezember aufgelöst worden) mit passivem Widerstand und mit „Steuerverweigerung" bekämpfen wollten. 246
169 Die Frankfurter Nationalversammlung, die seit dem 18. Mai 1848 in Frankfurt am Main getagt hatte, war gezwungen, nachdem fast alle Abgeordneten der Rechten und, auf Grund der Aufforderung des preußischen Königs vom 14. Mai 1849, die Abgeordneten Preußens ihren Austritt erklärt hatten, ihren Sitz nach Stuttgart zu verlegen, wo sie am 6. Juni 1849 mit noch etwa 100 Mitgliedern ihre erste Tagung abhielt und am 18. Juni 1849 durch Militär auseinandergejagt wurde (siehe auch Anm.80). 246
1,0 „Neue Oder-Zeilung" - bürgerlich-demokratische Tageszeitung, die unter diesem Namen von 1849 bis 1855 in Breslau erschien. In den fünfziger Jahren galt sie als die radikalste Zeitung in Deutschland und wurde von den Regierungsorganen verfolgt. 249 171 Die hier geäußerten Ansichten zur Agrarfrage stehen mit der allgemeinen Einschätzung der Entwicklungsperspektiven der Revolution in engem Zusammenhang, die Marx und Engels in den vierziger und fünfziger Jahren gegeben haben. Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus waren damals der Meinung, daß der Kapitalismus schon hinfällig sei und der Sozialismus nahe bevorstehe. Davon ausgehend traten Marx und Engels in ihrer „Ansprache" gegen die Übergabe der bei den Feudalherren konfiszierten Ländereien an die Bauern auf; sie waren für deren Verwandlung in staatliches Eigentum und deren Übergabe an Arbeiterkolonien des assoziierten Landproletariats. Gestützt auf die Erfahrungen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland sowie auf die Erfahrungen der revolutionären Bewegung in anderen Ländern, entwickelte Lenin die marxistischen Ansichten zur Agrarfrage weiter. Indem er die Zweckmäßigkeit der Erhaltung der meisten landwirtschaftlichen Großbetriebe nach der proletarischen Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern anerkannte, schrieb er: „Es wäre jedoch der größte Fehler, wollte man diese Regel übertreiben oder zur Schablone erheben und niemals zulassen, daß die Klein- und mitunter auch die Mittelbauernschaft der Umgegend kostenlos einen Teil der Ländereien der expropriierten Expropriateure zugewiesen bekommen" (W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Band 11, S. 765). 252 172 Pecksniff - Gestalt aus Charles Dickens' Werk „Leben und Abenteuer des Herrn Martin Chuzzlewit, seiner Verwandten, Freunde und Feinde" - ein Scheinheiliger und Heuchler. 256 173 Freimaurer - Mitglieder einer religiös-ethischen Männervereinigung, die in England um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert entstand (in London wurde bereits 1717 die erste Großloge gebildet) und auch in anderen Ländern Europas sowie in Nordamerika Verbreitung fand. Ihre Organisationsform (Loge, Großloge usw.) ist den mittelalterlichen Zunftvereinigungen der Maurer und Zimmerleute entlehnt. Auch deren Bräuche, zu mystischen Riten und Symbolen verzerrt, wurden übernommen. Die Freimaurerlogen vereinigen vorwiegend Männer aus den privilegierten Schichten der Gesellschaft. Auf den obersten Stufen ihrer vielstufigen Hierarchie stehen gewöhnlich Vertreter der Großbourgeoisie und auch der Aristokratie und hohen Bürokratie. Die einfachen Mitglieder haben den Willen ihrer Führer ohne Widerspruch zu erfüllen. Die Freimaurer halten sich in ihren philosophischen Anschauungen meist an eine besondere Form des Deismus, an die sog. Religion der Vernunft, und predigen die Ideen der bürgerlichen Moral. Charakteristisch ist ihr Glaube an ein ewiges, unveränderliches Naturgesetz, das auch die gesellschaftliche Entwicklung bestimme. Im Erkennen dieses Gesetzes und in der moralischen Selbstvervollkommnung bestehe die Weisheit großer Männer. Dabei lehren sie neue, raffiniertere Formen des religiösen Aberglaubens und verbreiten Mystik, Symbolik, Zauberei. Gegenwärtig spielt das Freimaurertum eine reaktionäre Rolle. Es ist in allen größeren kapitalistischen Ländern und am meisten in den USA verbreitet, wo sich sein Organisationszentrum befindet. Illuminaien (Erleuchtete) - Mitglieder eines den Freimaurern nahestehenden Geheimbunds, der hauptsächlich in Bayern im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wirkte. Jeder Uluminat war zugleich Freimaurer, aber nicht jeder Freimaurer war Illuminat. 261
174 Hodges emanzipierte Pferde - Carlyle verhöhnt die Emanzipation der Arbeiter; er vergleicht die Arbeiter mit den Pferden des tölpelhaften Bauern Hodge (hodge - englischer Schmähname der Bauern, gleichbedeutend mit Tölpel, Lümmel). Hodges emanzipierte Pferde wollten „im Namen der Freiheit" nicht mehr arbeiten und waren dem Hungertode geweiht. Die emanzipierten Pferde tragen bei Carlyle viele Züge der Houyhnhnms und Yahoos aus dem Roman „Gullivers Reisen" von Jonathan Swift. 263 175 laissez faire, laissez aller (laßt machen, laßt gehen) - Grundsatz der Manchesterschule (siehe Anm. 161), jener bürgerlichen Ökonomen, die für Freihandel (free-trade) und Nichteinmischung des Staates in Wirtschaftsangelegenheiten eintraten. 263 170 Harvey Birch, der Hauptheld des Romans „Der Spion" von James Fenimore Cooper, erfüllte Spionageaufträge aus patriotischem Idealismus. 266 177 „Le Charivari" - französische satirische Tageszeitung bürgerlich-republikanischer Richtung, erschien seit 1832 in Paris. Während der Julimonarchie richtete „Le Charivari" bissige Angriffe gegen die Regierung; im Jahre 1848 ging das Blatt ins Lager der Konterrevolution über und unterstützte die Diktatur Cavaignacs. 267 178 DieSociete des nouvelles saisons (Gesellschaft der neuen Jahreszeiten) entstand bald nach der Zerschlagung (1839) der Soci6te des saisons (Gesellschaft der Jahreszeiten) und war eigentlich ihre Fortsetzung. Den Kern dieser Geheimgesellschaft bildeten Arbeiter; auch Studenten gehörten ihr an. Die Mitglieder befanden sich unter starkem Einfluß des revolutionären utopischen Kommunismus von Babeuf und von Dezamy. 267 178 Brandbombenverschvoörung-abenteuerlicher Versuch einer kleinen Gruppe von Mitgliedern revolutionärer Geheimgesellschaften, selbstgefertigte Brandbomben für Terrorakte zu benutzen. An diesem Abenteuer nahmen von Anfang an Polizeiagenten teil, was die Verhaftung der Verschwörer ermöglichte. Der Prozeß fand 1847 statt und zeigte, daß die Polizeiagentur es verstanden hatte, tief in die Geheimgesellschaften einzudringen. 270 180 Restauration - Wiedereinsetzung der reaktionären Bourbonendynastie in Frankreich nach der Niederwerfung Napoleons I. 1814/15. Die Herrschaft der Bourbonen endete mit der Julirevolution von 1830. 271 181 Gemeint sind folgende Werke von Charles Fourier: „Theorie des quatre mouvements et des destinees generales"; „La fausse industrie morcelee, rfipugnante, mensongere et I'antidote, I'industrie naturelle, combinee, attrayante, veridique"; „Theorie de Turnte universelle"; bei der ersten Ausgabe trug diese Arbeit den Titel „Traite de I'association domestique agricole". Die aus dem Nachlaß Fouriers stammende, 1845 in der Zeitschrift „La Phalange" veröffentlichte unvollendete Arbeit „Des trois unitös externes" beinhaltet teilweise Fragen des Handels. Bedeutende Abschnitte dieser Arbeit wurden von Engels ins Deutsche übertragen und 1846 im „Deutschen Bürgerbuch" veröffentlicht (siehe Friedrich Engels' „Ein Fragment Fouriers über den Handel [Einleitung und Nachwort]" in Band 2 unserer Ausgabe, S. 604-610). 277 182 Am 10. März 1850 wurden in Frankreich in Ergänzungswahlen für die ausgeschlossenen Montagnards neue Deputierte der gesetzgebenden Versammlung gewählt. Die Wahlen endeten mit einem großen Sieg der demokratisch-sozialistischen Partei. 280 183 droit d'enregistrement (Registergebühren) - eine Steuer, die für die Registrierung und Ausfertigung verschiedener Dokumente, Kauf- und Verkaufskontrakte, Schenkungsurkunden, Gerichtsbeschlüsse u. a., erhoben wurde. Eine solche Registrierung der Doku
mente, mit der ihre Echtheit bestätigt wurde, war damals eine Quelle zur Auffüllung des Staatssäckels. 282 184 Taille - direkte Steuer in Frankreich vor der Revolution von 1789. Sie lastete hauptsächlich auf den Bauern; Adel und Geistlichkeit waren von ihr befreit. Aide (aides) - indirekte Steuer in Frankreich vor der Revolution von 1789. Von ihr besteuert waren Lebensmittel und Gebrauchsartikel, besonders jedoch Getränke. Creffe - gemeint sind Gerichts- und Kanzleigebühren. Oktroi - ehemaliger Stadtzoll auf die in die Stadt eingeführten Lebensmittel und Waren. 283 186 Diese These wurde von Marx und Engels in den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" aufgestellt (siehe Band 5 unserer Ausgabe, S. 3-5). 291 186 „Punch, or the London Charivari" - englische humoristische Wochenschrift bürgerlichliberaler Richtung, gegründet 1840 in London. 292 187 Union ilectorale - Block aller monarchistischen Parteien und Gruppierungen, der Orleanisten, Legitimisten, Bonapartisten, Katholiken usw., bei den Ergänzungswahlen zur französischen gesetzgebenden Versammlung im März 1850. „La Patrie" - französische Tageszeitung, 1841 gegründet; im März 1850 vertrat sie die Interessen des monarchistischen Wahlblocks, der sog, Partei der Ordnung; später wurde sie ein Organ der Bonapartisten. 296 188 Auf der Pariser Börse wurden die Geschäfte von 1 bis 3 Uhr nachmittags getätigt. 297 189 Im Pariser Cafe Tortoni auf dem Boulevard des Italiens und in seiner näheren Umgebung wickelte man in den Stunden, in denen die Börse geschlossen war, Börsengeschäfte ab. Zum Unterschied von der offiziellen Börse nannte man das Cafö Tortoni und das dazugehörige Viertel die „kleine Börse". 298 190 Im Frühjahr 1848 gab es in Mainz blutige Zusammenstöße zwischen der Bürgerwehr und preußischen Soldaten. Diese Ereignisse riefen in Deutschland ein breites Echo hervor und wurden Gegenstand einer Debatte im Frankfurter Parlament; das Parlament begnügte sich damit, eine Kommission zu ernennen. Diese legte ihren Bericht vor, als die Mainzer Bürgerwehr schon von preußischen Soldaten entwaffnet war. 300 191 Es handelt sich um den Beschluß, der am 18. November 1849 auf der Generalversammlung des Deutschen Bildungovereins für Arbeiter in London gemeinsam mit deutschen politischen Emigranten in London gefaßt wurde. Dieser Beschluß ist im Rechenschaftsbericht des Komitees zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in London vom S.Dezember 1849 angeführt (siehe vorl. Band, S. 547-549). 301 192 Gustav Struve und Thomas Fothergill gaben sich gegenüber dem Londoner Stadtrat Gibbs, damals gerade Stellvertreter des Lord Mayor, als Vertreter der deutschen politischen Emigranten in London aus und baten ihn, die 100 deutschen Emigranten, die sich ohne jegliche Existenzmittel in London befänden, mit Arbeit zu versorgen; Gibbs lehnte das ab und wies auf die gleiche Lage vieler englischer Arbeiter hin. Eine Notiz darüber brachte die „Times" vom 24. Mai 1850. 305 193 Es handelt sich um eine zahlenmäßig kleine Geheimorganisation, die von deutschen Emigranten in der Schweiz gegründet wurde und sich Revolutionäre Zentralisation nannte. An der Spitze ihres Zentralkomitees, das seinen Sitz in Zürich hatte, stand Tzschirner, einer der Führer des Dresdener Aufstandes im Mai 1849; eine große Rolle spielten in
dieser Organisation Fries, Greiner, Sigel, Techow, Schurz und Johann Philipp Becker, die 1849 aktive Teilnehmer des badisch-pfälzischen Aufstandes waren. Von den Mitgliedern des Bundes der Kommunisten gehörten d'Ester, Bruhn u. a. der Organisation an, sowie Wilhelm Wolff, der im Auftrage des Bundes der Kommunisten handelte. Im Juli/August 1850 begannen die Führer der Revolutionären Zentralisation Verhandlungen mit Vertretern der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten über die Vereinigung beider Organisationen. Marx und Engels lehnten im Namen der Zentralbehörde dieses Anerbieten ab, weil es den Prinzipien des Bundes der Kommunisten, der die organisatorische Selbständigkeit der proletarischen Partei verteidigte, widersprach. Die Revolutionäre Zentralisation zerfiel Ende 1850 infolge der Massenausweisungen deutscher politischer Emigranten aus der Schweiz. 306 104 Als Marx und Engels aus dem ausführlichen Brief Wilhelm Wolffs vom 9. Mai 1850 von der Tätigkeit der Revolutionären Zentralisation und von den Intrigen des von ihr nach Deutschland beorderten Agenten Bruhn erfahren hatten, sandten sie Ernst Dronke als Emissär des Bundes der Kommunisten in die Schweiz. In seinem Brief an die Zentralbehörde vom 3. Juli 1850 und in seinen Briefen an Engels vom 3. und 18. Juli 1850 gab Dronke einen ausführlichen Bericht über seine erfolgreiche Tätigkeit in Deutschland und in der Schweiz. 308 105 Struve, der im Oktober 1849 nach England gekommen war, sowie Heinzen, Rudolf Schramm, Rüge, Bauer (aus Stolpe) und einige andere kleinbürgerliche Demokraten hatten versucht, eine selbständige Organisation des Proletariats zu verhindern, und intrigierten deshalb gegen das von Marx und Engels geleitete Sozial-demokratische Flüchtlingskomitee. Sie führten im Januar, Februar und April 1850 mehrere Versammlungen deutscher Emigranten durch und gründeten ihre besondere Demokratische Union. Im April verbreiteten sie unter den Emigranten in London das „Zirkular an alle Freunde der deutschen Emigranten" und sandten es auch nach Deutschland. Darin gaben sie die Gründung einer einheitlichen Organisation deutscher demokratischer Emigranten unter der Leitung des Zentralbüros der ganzen deutschen Emigration bekannt. 308 196 Der Zentralausschuß der Europäischen Demokratie wurde im Juni 1850 in London auf Initiative Mazzinis, der schon Ende 1849 in der Schweiz die ersten Vorbereitungen dafür getroffen hatte, gegründet. Der Versuch, die bürgerlichen und die kleinbürgerlichen Emigranten in einer internationalen Organisation zu vereinen, fand bei Struve und Rüge volle Unterstützung. Auf Empfehlung von Struve trat Rüge als Vertreter der deutschen demokratischen Partei dem Ausschuß bei. Die Organisation, die sowohl ihrer Zusammensetzung als auch ihrer ideologischen Position nach äußerst widerspruchsvoll war, bestand nicht lange; wegen des sich zuspitzenden Verhältnisses zwischen den italienischen und den französischen demokratischen Emigranten fiel der Zentralausschuß der Europäischen Demokratie schon im März 1852 faktisch auseinander. Sein Manifest „An die Völker" vom 22. Juli 1850, veröffentlicht im Presseorgan dieser Vereinigung, „Le Proscrit", Nr. 2 vom 6. August 1850, wurde von Marx in der „Revue, Mai bis Oktober 1850" einer vernichtenden Kritik unterworfen (siehe vorl. Band, S. 459 bis 463). 308 459 197 Es handelt sich um die Aufstände für die Reichsverfassung, die im Frühjahr und im Sommer 1849 in West- und Südwestdeutschland stattgefunden hatten. 309 198 Anfang 1846 hielten sich Marx und Engels in Brüssel auf und gründeten dort das Kommunistische Korrespondenz-Komitee, das fortschrittliche belgische und deutsche Sozia
listen miteinander vereinte. Nachdem dank der erfolgreichen Tätigkeit von Marx und Engels der Bund der Gerechten zum Bund der Kommunisten umgewandelt war, wurde im August 1847 in Brüssel auf der Grundlage des Kommunistischen KorrespondenzKomitees eine Gemeinde des Bundes der Kommunisten geschaffen. Die revolutionären Elemente der belgischen Sozialisten, wie Gigot und Tedesco, nahmen an der Tätigkeit der Brüsseler Gemeinde des Bundes der Kommunisten großen Anteil. Nach der Februarrevolution 1848 in Frankreich wurden die deutschen revolutionären Emigranten - Marx, Wilhelm Wolff und andere Mitglieder des Bundes der Kommunisten - durch die Repressalien der belgischen Regierung gezwungen, Belgien zu verlassen. Im August 1848 wurden Tedesco und andere belgische Mitglieder der Gemeinde im sog. Prozeß RisquonsTout vor Gericht gestellt. Dieser Prozeß war von der Regierung des belgischen Königs Leopold zur Abrechnung mit den Demokraten inszeniert worden. Tedesco und mehrere andere belgische Demokraten wurden zum Tode verurteilt; die Strafe wurde später in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt. 309
180 Der Deutsche Arbeiterverein wurde von Marx und Engels Ende August 1847 in Brüssel mit dem Ziel gegründet, die in Belgien lebenden deutschen Arbeiter politisch aufzuklären und mit den Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus bekannt zu machen. Unter der Leitung von Marx und Engels sowie deren Kampfgefährten entwickelte sich der Verein zu einem legalen Zentrum der deutschen revolutionären Arbeiter. Der Deutsche Arbeiterverein stand in direkter Verbindung mit den flämischen und wallonischen Arbeitervereinen. Die fortschrittlichsten Mitglieder des Vereins traten der Brüsseler Gemeinde des Bundes der Kommunisten bei. Der Verein spielte eine hervorragende Rolle bei der Gründung der Brüsseler Association democratique. Bald nach der Februarrevolution 1848 in Frankreich, als die belgische Polizei die meisten seiner Mitglieder verhaftete nnd auswies, stellte der Deutsche Arbeiterverein seine Tätigkeit ein. 309
200 Arbeiterverbrüderung - Vereinigung deutscher Arbeiter und Handwerker, die im September 1848 in Berlin vom Mitglied des Bundes der Kommunisten Stephan Born gegründet wurde. Born als Vertreter der reformistischen Linie in der Arbeiterbewegung beschränkte die Tätigkeit der Verbrüderung auf die Durchführung ökonomischer Streiks und auf Versuche, eng berufsgebundene Maßnahmen im Interesse der Handwerker zu verwirklichen (Kreditgewährung an Kleingewerbetreibende, Bildung von Genossenschaften). Die Programmdokumente der Verbrüderung waren ein Mischmasch aus Bruchstücken falsch ausgelegter Ideen des „Manifestes der Kommunistischen Partei" und kleinbürgerlichen Doktrinen von Louis Blanc und Proudhon. Die einzelnen Gemeinden der Verbrüderung jedoch, die nicht selten von Mitgliedern des Bundes der Kommunisten geführt wurden, nahmen unter dem unmittelbaren Einfluß der revolutionären Ereignisse von 1848/49 aktiven Anteil am revolutionären Kampf. Marx und Engels, die im Frühjahr 1849 die Vorbereitung der Gründung einer von der kleinbürgerlichen Demokratie unabhängigen proletarischen Partei in Angriff nahmen, schlugen vor, die Arbeiterverbrüderung zu diesem Ziele auszunutzen. 1851 verbot die Regierung die Verbrüderung; einige ihrer Gemeinden bestanden jedoch noch mehrere Jahre. 310
201 „The Sun" - englische bürgerlich-liberale Tageszeitung, die von 1792 bis 1871 in London erschien. Der Artikel „Die preußischen Flüchtlinge" wurde außerdem im „Northern Star" vom 15. Juni 1850 veröffentlicht. 313
202 Die Fremdenbill (Alien Bill), veröffentlicht in „The Statutes of the United Kingdom of Great Britain and Ireland", London 1848, S. 78-80, wurde vom englischen Parlament zuerst 1793, dann 1802, 1803, 1816, 1818 und endlich 1848 im Zusammenhang mit den revolutionären Ereignissen auf dem europäischen Kontinent und der Chartistendemonstration vom 10. April 1848 angenommen. Die Regierung wurde durch die Fremdenbill von 1848 ermächtigt, Ausländer jederzeit aus Großbritannien auszuweisen. Diese Bill war bis 1850 in Kraft. 313 317 442 303 Treuband - ein konterrevolutionärer, monarchistischer Verein, gegründet Ende 1848 in Berlin. Ende 1849 spaltete sich der Treubund: die Ultramonarchisten bildeten einen neuen Treubund, die Anhänger der konstitutionellen Monarchie verblieben im alten. Beide Vereine existierten nicht lange. 313 318 204 „The Spectator" - englische Wochenschrift liberaler Richtung, die seit 1828 in London erschien. 315 205 „Neue Preußische Zeitung" - Tageszeitung, die seit Juni 1848 in Berlin herausgegeben wurde; sie war das Organ der konterrevolutionären Hofkamarilla und des preußischen Junkertums. Diese Zeitung ist auch unter dem Namen „Kreuz-Zeitung" bekannt, da sie in ihrem Titel ein Landwehrkreuz (Eisernes Kreuz) trug, das von den Worten „Mit Gott für König und Vaterland" umgeben war. 318 S0I! Es handelt sich hier um Marx. In einer Notiz, die in Nr. 117 der „Neuen Preußischen Zeitung" vom 25. Mai 1850 abgedruckt wurde, behauptete das Blatt, Marx habe im März 1850 angeblich Deutschland bereist und sich im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Attentats auf den preußischen König in Berlin aufgehalten. 318 207 Chevalier (Edelmann) - Anspielung auf den Freiherrntitel Christian Karl Josias von Bunsens. 319 208 „The Globe and Traveller" - englische Tageszeitung, die seit 1803 in London erschien; als Organ der Whigs war sie, während diese an der Macht waren, Regierungsorgan; seit 1866 ist sie ein Organ der Konservativen. 320 444 200 „Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe" - Tageszeitung, die vom 1. Januar 1842 bis 3I.März 1843 in Köln erschien. Die Zeitung war von Vertretern der rheinischen Bourgeoisie gegründet worden, die dem preußischen Absolutismus gegenüber oppositionell eingestellt waren. Zur Mitarbeit wurden auch einige Junghegelianer herangezogen. Ab April 1842 wurde Karl Marx Mitarbeiter der „Rheinischen Zeitung" und ab Oktober des gleichen Jahres ihr Chefredakteur. Die Zeitung veröffentlichte auch eine Reihe Artikel von Friedrich Engels. Unter der Redaktion von Karl Marx begann die „Rheinische Zeitung" einen immer ausgeprägteren revolutionär-demokratischen Charakter anzunehmen. Diese Richtung der „Rheinischen Zeitung", deren Popularität in Deutschland ständig wuchs, rief Besorgnis und Unzufriedenheit in Regierungskreisen und eine wütende Hetze der reaktionären Presse gegen sie hervor. Am 19. Januar 1843 erließ die preußische Regierung eine Verordnung, die die „Rheinische Zeitung" mit dem I.April 1843 verbot und bis dahin eine besonders strenge Zensur über sie verhängte. 321 210 „Neue Deutsche Zeitung" - demokratische Zeitung, die 1848 bis 1850 in Frankfurt am Main erschien. Ihr Redakteur war Otto Lüning, ein Verfechter des „wahren" Sozialismus in der Mitte der vierziger Jahre und während der Revolution 1848/49 kleinbürgerlicher Demokrat. Lüning brachte in seiner Zeitung eine Rezension der bis dahin erschienenen vier Hefte der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" und widmete
den Arbeiten „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" von Karl Marx und „Die deutsche Reichsverfassungskampagne" von Friedrich Engels besondere Aufmerksamkeit, 323 211 „Weser-Zeitung" - deutsche bürgerlich-liberale Zeitung, die 1844 in Bremen gegründet wurde. 325 212 „Der deutsche Bauernkrieg" wurde von Engels im Sommer 1850 in London geschrieben und noch im gleichen Jahr in Heft 5/6 der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politischökonomische Revue" veröffentlicht. Im Jahre 1870 wurde die Arbeit als Broschüre neu herausgegeben und von Engels mit einer Vorbemerkung versehen (siehe vorl. Band, S. 531-537). Auf Grund des großen Anklangs, den die Schrift bei den deutschen Arbeitern fand, folgte 1875 ein weiterer Nachdruck; seine Vorbemerkung von 1870 ergänzte Engels (siehe vorl. Band, S. 537—542). In den achtziger Jahren begann Engels mit einer Neubearbeitung des „Deutschen Bauernkrieges", den er mit umfangreichem Material zur Geschichte Deutschlands zu erweitern beabsichtigte. „Meinen .Bauernkrieg' arbeite ich ganz um; wird Angelpunkt der ganzen deutschen Geschichte", schrieb er am 31.Dezember 1884 an Sorge. Die Herausgabe des 2. und 3.Bandes des „Kapitals" und andere unaufschiebbare Arbeiten hinderten Engels jedoch, dieses Vorhaben zu verwirklichen. Es sind nur ein unvollendetes Manuskript der beabsichtigten Ergänzungen und mehrere flüchtig hingeworfene Aufzeichnungen erhalten geblieben. Im vorliegenden Band wird „Der deutsche Bauernkrieg" nach der letzten von Engels besorgten Ausgabe von 1875 gebracht. Alle Abweichungen von der Erstveröffentlichung, die den Inhalt berühren, werden in Fußnoten festgehalten. Die Schreibweise einer Reihe von Orts- und Familiennamen, die sich als unrichtig erwies, wurde berichtigt. Die einzelnen Abschnitte der Arbeit wurden mit Überschriften versehen, die auf den jeweiligen Inhalt hinweisen. Engels stützte sich bei seiner Arbeit fast ausschließlich auf Wilhelm Zimmermanns „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1-3, Stuttgart 1841-1843. Auch die Auszüge aus Schriften Münzers, Luthers u. a. sind nach diesem Werk zitiert. Darum wird im Literaturverzeichnis nur Zimmermann angeführt, in den Anmerkungen jedoch auch auf die betreffenden Stellen in Ausgaben der Schriften Münzers, Luthers u. a. verwiesen. 327 213 Hanse, auch Hansa (Genossenschaft, Verband) - kommerzielles und politisches Bündnis deutscher Städte an der Nord- und Ostsee sowie an ihren Küstenflüssen vom 13. bis 17. Jahrhundert. Ihr Ziel war es, ein Handelsmonopol in Nordeuropa zu errichten. Ferner ging es ihr um die Aufrechterhaltung der Herrschaf t des Kauf mannskapitals, derpatrizialischen Oberschicht; das große Statut der Hanse sah darum auch Maßnahmen für den Kampf mit den sozialen Strömungen im Innern der Städte vor. Die Hanse war als unabhängige politische Macht ein selbständiger Bestandteil des Deutschen Reiches. Die Blütezeit der Hanse fällt in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach erfolgreichen Kämpfen gegen Dänemark und Norwegen (1370 Friede von Stralsund) war die Hanse ein Jahrhundert lang Handelsvormacht des Nordens, verlor ihre Bedeutung jedoch im 16. Jahrhundert und löste sich im 17. Jahrhundert auf. Im Gegensatz zu den oberdeutschen Städten spielte in den Hansestädten die Produktion eine untergeordnete Rolle. Das Kaufmannskapital profitierte vor allem am Zwischenhandel. 330
214 „gemeiner Pfennig" - eine Reichssteuer im alten Deutschen Reich; sie war eine Kombination von Kopf- und Besitzsteuer, Die Hauptlast der Steuer fiel auf die Bauernschaft. 335
215 Annaten (Jahrgelder) - die zur Verleihung einer Kirchenpfründe (Benefizium) an Papst und Kardinäle je zur Hälfte zu zahlenden Abgaben. Früher nur außerordentlich oder transitorisch, wurden die Annaten seit Papst Bonifacius IX. in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu einer regelmäßigen, teils in dem ganzen Jahresertrage einer Pfründe, teils in der Hälfte desselben bestehenden Steuer. Die Inhaber der Pfründe ließen sich die Steuersumme von der Bevölkerung doppelt und dreifach in Form von Zwangsabgaben und erpreßten Geldern zurückzahlen. 336
216 Pfahlbürger - im Mittelalter außerhalb der Grenzpfähle des ursprünglichen Stadtgebiets ansässig Gewordene, denen von der Stadt (meist zur Erhöhung ihrer Verteidigungskraft) das Bürgerrecht verliehen war. 336
217 Die deutschen bürgerlichen Liberalen hatten während der Revolution 1848/49 in der Frankfurter Nationalversammlung und in den Nationalversammlungen der einzelnen deutschen Staaten die Mehrheit. In den ersten Monaten der Revolution standen in einer Reihe von Staaten (z.B. in Preußen) Liberale an der Spitze der konstitutionellen Regierungen, wurden aber dann durch Vertreter der Bürokratie und des Adels ersetzt. Die konstitutionellePartei wollte die Königsmacht durch eine bürgerlich-liberale Konstitution beschränken und sie so als Bollwerk gegen eine weitere Entwicklung und Vertiefung der Revolution erhalten. Ihre Vereinbarungstaktik und verräterische Kompromißpolitik mit den reaktionären Parteien war einer der Hauptgründe für die Niederlage der deutschen Revolution von 1848/49. 337
213 Carolina (Constitutio criminalis Carolina) - die sog. „peinliche" Halsgerichtsordnung Karls V. (bestätigt auf dem Reichstag zu Regensburg 1532), die sich durch besondere Grausamkeit der Strafen auszeichnete; auf ihrer Grundlage entwickelte sich drei Jahrhunderte lang das deutsche Strafrecht. 340 219 Julirevolution - Am 29. Juli 1830 stürzte das Volk von Paris durch seinen Sieg über die königlichen Truppen die Dynastie der Bourbonen in Frankreich. Ans Ruder kam der sog, Bürgerkönig Louis-Philippe. Februarrevolution - Am 24. Februar 1848 führte der siegreiche Aufstand der Volksmassen von Paris zum Sturz der Monarchie Louis-Philippes in Frankreich und bald darauf zur Ausrufung der Republik. 343
220 Walclcnser (auch die „Armen von Lyon" genannt) - religiöse Sekte, die Ende des 12. Jahrhunderts unter den ärmsten Plebejern der südfranzösischen Städte entstanden ist. Nach der Uberlieferung wai ihr Gründer der Lyoner Kaufmann Pierre Wald (Petrus Waldus), der seinen ganzen Besitz unter die Armen verteilte. Die Waldenser predigten das Ideal der Armut und Verzicht auf das Eigentum, verurteilten die Anhäufung von Reichtümern bei der katholischen Kirche und riefen dazu auf, zu den Gebräuchen des frühen Christentums zurückzukehren. Ursprünglich traten sie nicht gegen die katholische Kirche auf. Erst durch den Bannspruch des Papstes (1184) wurden sie in das Lager der Opposition getrieben. Die Ketzerei der Waldenser verbreitete sich dann unter der Landbevölkerung besonders in den Bergbezirken der südwestlichen Schweiz und Savoyens, wo sie den Charakter einer Verteidigung der Überreste der Urgemeinschaft sowie der patriarchalischen Verhältnisse trug. Das Waldensertum war ein „nach Form und Inhalt reaktionärer Versuch der Absperrung gegen die geschichtliche Bewegung", war der Versuch „der patriarchalischen Alpenhirten ..., die zu ihnen vordringende Feudalität" abzuwehren (Engels). 344
221 Albigenser - religiöse Sekte, die im 12. und 13. Jahrhundert in Südfrankreich und Norditalien weit verbreitet war. Ihr Hauptherd war die südfranzösische Stadt Albi. Die Albigenser, die gegen die prunkvollen katholischen Gebräuche und die Kirchenhierarchie auftraten, brachten in religiöser Form den Protest der handel- und handwerktreibenden städtischen Bevölkerung gegen den Feudalismus zum Ausdruck. Ihm schloß sich ein Teil des südfranzösischen Adels an, der die Kirchenländereien säkularisieren wollte. Papst Innocenz III. organisierte 1209 einen Kreuzzug gegen die Albigenser. In einem zwanzigjährigen Krieg und durch grausame Repressalien wurde ihre Bewegung niedergeschlagen. 344 222 John Wycliffe - Professor an der Universität Oxford, war der Ideologe der englischen reformatorischen Bewegung (der Wycliffeschen Bewegung). Er vertrat durch seine Kritik an den Hauptdogmen der katholischen Kirche die Interessen des englischen Bürgertums und der Ritterschaft sowie die Bestrebungen der königlichen Macht, die englische Kirche vom Einfluß des Papstes zu befreien und sie dem König zu unterstellen. Dabei unterstützten ihn auch die großen weltlichen Feudalherren, die an der Säkularisierung der kirchlichen Ländereien interessiert waren. Wycliffes Kritik und seine Ideen übten zwei Jahrhunderte hindurch großen Einfluß auf die Lehren aller westeuropäischen bürgerlichen Reformatoren der Kirche aus. 345 223 Calixtiner (lat. calix - der Kelch) - gemäßigte Richtung in der Hussitenbewegung, der reformatorischen und nationalen Befreiungsbewegung des tschechischen Volkes (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts), die gegen den deutschen Adel, das Deutsche Reich und die katholische Kirche gerichtet war. Die Calixtiner (oder Anhänger des Kelches, die forderten, daß beim Abendmahl nicht nur das Brot, sondern auch der Kelch mit dem Wein gereicht werde), die sich auf das wohlhabende Bürgertum und einen Teil des tschechischen Adels stützten, beschränkten ihre Forderungen auf die Gründung einer tschechischen Nationalkirche und die Säkularisierung der Kirchenländereien. Sie wurden auch Utraquisten genannt, weil sie das Abendmahl sub utraque specie (unter beiderlei Gestalt) forderten. 345 224 Aujstand Wat Tylers - eine gegen die Feudalherren gerichtete Bauernbewegung in England, die 1381 in den Grafschaften Kent und Essex ausbrach und ihren Namen von dem Führer des Aufstandes in Kent, Wat Tyler, erhielt. Der Aufstand, der dem Feudalismus in England einen harten Schlag versetzte, konnte schließlich infolge des isolierten und unorganisierten Auftretens der Bauern und des Fehlens einer führenden Kraft (die städtische Armut war noch zu schwach und unorganisiert) niedergeschlagen Werden. 345 226 Taboriten (nach der Stadt Tabor in Südböhmen, dem Zentrum der Bewegung) - die zweite Strömung in der Hussitenbewegung, die - im Gegensatz zu den Calixtinern - ihr revolutionärer, demokratischer Flügel war. Die Taboriten gaben in ihren Forderungen das Streben der Bauernmassen und der untersten städtischen Volksschichten nach Liquidierung der gesamten Feudalordnung, nach nationaler Unabhängigkeit und einer demokratisch-republikanischen Ordnung wieder. Das verräterische Auftreten der Calixtiner gegen die Taboriten wurde vom Lager der feudalen Reaktion zur Unterdrückung der Hussitenbewegung ausgenutzt. So wurde die Taboriten-Bewegung 1434 durch die Calixtiner zerschlagen und 1452 ihr letzter Stützpunkt, Tabor, genommen. Danach verlor sie ihren früheren revolutionären Charakter. 345 226 Geißler (auch Flagellanten genannt) - religiös-asketische Sekte, die vom 13. bis zum 15. Jahrhundert in Italien und Deutschland bestand. Ihre Angehörigen glaubten, durch Selbstgeißelung Sündenvergebung zu erlangen. 346
227 Lollards auch Lollarden, Lollharden (wörtlich „Gebetsmurmler", vom althochdeutschen „lollen" — „leise singen") - religiöse Sekte in England und in anderen Ländern Europas (entstand im 14. Jahrhundert in Holland), war eine erbitterte Feindin der katholischen Kirche, übernahm die Lehre des englischen Reformators Wycliffe, zog aus dieser radikalere Schlußfolgerungen und trat in religiös-mystischer Form gegen die feudalen Privilegien auf. Die Lollards verkündeten das Evangelium der urchristlichen Brüderlichkeit und Gleichheit der Menschen. Ihr Zentrum war die ostenglische Grafschaft Norfolk. Viele Lollards, vor allem die aus den Volksmassen stammenden, nahmen am Aufstand Wat Tylers im Jahre 1381 teil. Seit Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Lollards grausam verfolgt. 346
888 Chiliastische Schwärmereien (griech. chilioi — tausend) - mystische religiöse Lehre über die sichtbare Wiederkunft Christi und die Errichtung eines „Tausendjährigen Reiches" der Gerechtigkeit, der allgemeinen Gleichheit und des Wohllebens. Die chiliastische Glaubenslehre entstand in der Zeit des Zerfalls der Sklavenhaltergesellschaft infolge der unerträglichen Unterdrückung und der Leiden der Werktätigen, die in den phantastischen Träumereien von der Erlösung einen Ausweg suchten. Diese Glaubenslehre fand zur Zeit des frühen Christentums weite Verbreitung (so auch durch die Schriften Joachims des Calabresen) und lebte immer wieder in den Lehren der verschiedensten Sekten des Mittelalters auf. 346
229 Engels zitiert Luther nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 364/365. Die Stelle ist entnommen aus Luthers „Epitoma responsionis ad Martinum Luther" [(Prierias) Auszug einer Erwiderung an Martin Luther] (1520). 348
230 Engels zitiert Luther nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 366. Die Stelle ist einem Brief Luthers an Hutten, zitiert in Luthers Schreiben an Spalatin vom 16. Januar 1521, entnommen. 348 231 Augsburger Konfession - Bezeichnung für die Grundlagen des Luthertums, wie sie 1530 vor Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg dargelegt wurden. Sie war das Ergebnis der Anpassung der bürgerlichen Ideale von „einer wohlfeilen Kirche" (Abschaffung der prunkvollen Gebräuche, Vereinfachung der Kirchenhierarchie usw.) an die Interessen der Fürsten. Zum Haupt der Kirche erklärte sich anstelle des Papstes der regierende Fürst. Die Augsburger Konfession wurde vom Kaiser verworfen. Der Krieg, den die Fürsten lutherischer Konfession gegen ihn führten, endete 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden, der das Recht eines jeden Fürsten festlegte, nach eigenem Ermessen die Religion seiner Untertanen zu bestimmen. 349 232 Scylla und Charybdis - zwei Klippen in der Meerenge von Messina nahe der sizilianischen Küste, zwischen denen ein früher von den Seeleuten sehr gefürchteter Meeresstrudel tost. Nach der griechischen Mythologie waren diese Klippen furchtbare Ungeheuer, die kein Schiff passieren konnte, ohne entweder dem einen oder dem anderen zum Opfer zu fallen. 349 233 Dieser Ausspruch ist der Titel eines von Luther im Mai 1525 (als der Bauernkrieg in vollem Gange war) herausgegebenen Pamphlets „Widder die reubischen und mordischen rotten der andern bawren", auch „Widder die stürmenden bawren" genannt (enthalten in Weimarer kritische Gesamtausgabe der Werke Luthers, Band 18, Weimar 1908, S.357). Das folgende Zitat ist von Engels aus Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 3, Seite 713, entnommen. Der Luthersche Text lautet im Original:
„Drumb sol hie zuschmeyssen, würgen und stechen heymlich odder öffentlich, wer da kan, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teuffelischers seyn kan, denn eyn auffrurischer mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahen mus... Drumb, lieben herren, loset hie, rettet hie, helfft hie, Erbarmet euch der armen leute, Steche, Schlahe, würge hie, wer da kan, bleybstu druber tod, wol dyr, seliglichern tod kanstu nymer mehr uberkomen." (Aus „Ermanunge zum fride auff die zwelff artickel der Bawrschaft ynn Schwaben. Auch widder die reubischen und mordischen rotten der andern bawren".) 350 234 Engels zitiert hier aus Zimmermanns „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 3, S. 714. Der Text ist aus Luthers „Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern" (1525), enthalten in Weimarer kritische Gesamtausgabe der Werke Luthers, Band 18, Weimar 1908, S. 384. 350 235 Engels zitiert hier aus Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 3, S. 714. Der Text ist aus Luthers Schreiben an Johann Rühel vom 30. Mai 1525, enthalten in Weimarer kritische Gesamtausgabe der Werke Luthers, Abt. Briefwechsel, 3. Band, Weimar 1933, S. 515. 350 236 Thomas Miinzer, der, wie es zu seiner Zeit üblich war, selber seinen Namen sehr unterschiedlich schrieb (Munczer, Müntzer usw.), benutzte auch die Schreibweise Müntzer. So schrieben seinen Namen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Historiker und Biographen. Auch Wilhelm Zimmermann, auf dessen Werk über den deutschen Bauernkrieg sich Friedrich Engels stützte, folgte im zweiten Band der ersten Auflage (1842 erschienen) diesem Brauch. In dem ein Jahr später erschienenen dritten Band bringt Zimmermann Münzers Namen bereits vorwiegend ohne t. Es setzte sich, nicht zuletzt gestützt auf die lateinische Form seines Namens (Muncerus, Moncerus usw.) die Schreibweise Münzer durch, die auch von Marx und Engels angewandt wurde. 351 237 Geburtsjahr und Geburtsdatum Thomas Münzers konnten bis heute nicht genau festgestellt werden. Wahrscheinlich liegt das Geburtsjahr um das Jahr 1490 (1489-1493), obwohl es auch Historiker und Biographen gibt, die das Ende des 15. Jahrhunderts nennen. Engels stützt sich auf Wilhelm Zimmermann, der in der ersten Auflage seiner „Allgemeinen Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 53, das Jahr 1498 angibt. 351 238 Engels bezieht sich auf das Lutherzitat in Zimmermanns „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 55; dort sagt Luther über Münzer: „Er ließ unwillig über seine Aufgabe, die Worte der Wandlung aus, behielt eitel Brot und Wein, und aß die Herrgötter, wie er die Oblaten nannte, ungeweiht." Das Zitat ist Luthers Schrift von der Winkelmesse (Ausgabe Walch der Lutherwerke, Bd. XIX, 1511) entnommen. 351 239 WieJertäufer nannten sich die Mitglieder dieser religiösen Sekte nach der von ihnen erhobenen Forderung, die Taufe im bewußten Alter zu wiederholen. 351 240 Die von Münzer in Prag verfaßte Proklamation ist inhaltlich in Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges". Th. 2, S. 64-67, wiedergegeben. Die wörtliche Fassung in Deutsch und Latein ist abgedruckt bei Strobel, „Leben, Schriften und Lehren Thomä Müntzers, des Urhebers des Bauernaufruhrs in Thüringen", Nürnberg und Altdorf 1795, S. 19-39 („Th. Müntzers Ankündigung mit eigner Hand geschrieben, und in Prag 1521 angeschlagen wider die Papisten"). 352 241 Engels zitiertaus der Fürstenpredigt Münzers nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 69. Der Originaltext ist enthalten in „Thomas
Müntzer. Politische Schriften", mit Kommentar herausgegeben von Carl Hinrichs, Halle 1950, S. 23-26 („Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten gepredigt auffm schlos zu Alstet vor den tetigen thewren Herzcogen vnd Vorstehern zu Sachssen durch Thomä Müntzer diener des wordt gottes. Alstedt MDXXIIII"). 352 242 Engels hat die Ansichten des idealistischen Philosophen Strauß und anderer Junghegelianer im Auge, die in ihren Frühwerken in Fragen der Religion als Pantheisten auftraten. 353 243 Die gedruckte Antwort Münzers an Luther aus dem Jahre 1524, in der er Luther auch als „Doktor Lügner" bezeichnet, trug den Titel: „Hochverursachte Schutzrede vnd antwwort / wider das Gaistloße Sanfft lebende fleysch zu Wittenberg / welches mit verkärter weyße / durch den Diepstal der heiligen schrift die erbermdhche Christenheit / also gatz jämmerlichen besudelt hat. Thomas Müntzer Alstedter. Auß der holen Helie / welches ernst niemant verschonet ... Anno MDXXIIII." Neu gedruckt in „Thomas Müntzer. Politische Schriften", mit Kommentar herausgegeben von Carl Hinrichs, Halle 1950, S. 71. Engels gibt den Inhalt dieser Rede nach Zimmermann wieder. 354 357 244 Das von Zimmermann angeführte Zitat Thomas Münzers besteht aus Stellen zweier verschiedener Reden. Sie lauten im Original: „Die herren machen das selber / daß jn der arme man feyndt wirdt / dye vrsach des Auffrurß wollen sye nit weg thun / wie kann es die lenge gut werden? So ich das sage / muß ich auffrürisch sein / wolhyn." (Aus „Hochverursachte Schutzrede vnd antwwort / wider das Gaistloße Sanfft lebende fleysch zu Wittenberg ...") („Thomas Müntzer. Politische Schriften", S. 81/82.) „Ach lieben herren wie hübsch wirt der herr do vnter die alten töpff schmeissen mit einer eysern Stangen." (Aus der „Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten gepredigt auffm schlos zu Alstet vor den tetigen thewren Herzcogen vnd Vorstehern zu Sachssen durch Thomä Müntzer diener des wordt gottes. Alstedt MDXXI III".) (Ebendort, S.21.) 355 245 Die 1524 in Mühlhausen gedruckte Schrift Thomas Münzers hat den Titel „Außgetrückte emplössung des falschen Glaubens der ungetrewen weit / durchs gezeügnus des Evangelions Luce / vorgetragen der elenden erbermlichen Christenheyt / zur innerung jres irsals. Ezechie. am. 8. Cap. Lieben gesellen last vns auch das loch weytter machen / auff das alle wellt sehen vnnd greyffen müg / wer vnser grosse Hansen sind / die Got also lesterlich zum gemalten mendleyn gemacht haben. Jere. am. 23.Cap. Thomas Müntzer mit dem hammer. Mülhausen. MDXXIIII." („Thomas Müntzer.Politische Schriften", S. 29, 41, 31). Engels zitiert nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 77-78. 355 248 Engels zitiert Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 76. Die Textstelle ist einem Brief Münzers an Melanchthon vom 29. März 1524 entnommen. (Enthalten in „Leben, Schriften und Lehren Thomä Müntzers, des Urhebers des Bauernaufruhrs in Thüringen", beschrieben von Georg Theodor Strobel, Nürnberg und Altdorf 1795, S. 175.) 356 247 Engels zitiert nach Zimmermann, Th. 2, S. 7, aus Münzers „Außgetrückte emplössung des falschen Glaubens der ungetrewen weit ..." („Thomas Müntzer, Politische Schriften", S. 32.) Die betreffende Stelle lautet bei Münzer: „Vnsere geleiten wolten gern das gezeügnus des geysts Jesu / auff die Hohenschul bringen / es wirt jn gar weit feylen / nach dem sie nicht drumb gelert sind das der gemeyn man jn durch yre lere soll gleych werden /..." 356
39 Marx/Engels, Werke. Bd. 7
248 Nach späteren, präzisierten Angaben wandte sich Münzer zuerst zur Reichsstadt Mühlhausen und wurde von dort im September 1524 wegen Teilnahme an den Unruhen der unteren städtischen Volksschichten ausgewiesen. Von Mühlhausen ging Münzer nach Nürnberg. 357
249 Engels zitiert nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 81, aus einem Brief Luthers an Johann Brießmann vom 4. Februar 1525, der im Original in der Weimarer kritischen Gesamtausgabe der Werke Luthers, Abt. Briefwechsel, Bd. 3, S. 433, enthalten ist. Die Stelle bei Luther lautet: „Huc scilicet it Satanas, spiritus Alsteteri..." 357 250 Engels zitiert nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 118. 359 251 Puritaner (lat. purus - rein) - Anhänger der im 16. Jahrhundert entstandenen protestantischen Bewegung in England und Schottland, spielten eine große Rolle in der Vorbereitung und Durchführung der englischen bürgerlichen Revolution des U.Jahrhunderts. Ihre beiden Hauptströmungen in England: die Presbyterianer (Vertreter der großen Londoner Bourgeoisie und der Oberschicht des neuen Adels) und die Independenten. Der Kampf der Puritaner, anfangs im Rahmen der anglikanischen Kirche, war auf Beseitigung der Reste des Katholizismus in der anglikanischen Kirche, gegen ihren Charakter als Kirche der Adelsmonarchie und gegen das feudal-absolutistische Regime überhaupt gerichtet. Sie predigten als höhere Tugenden: bürgerliche Sparsamkeit, Strenge im geschäftlichen Leben, eine eigentümliche bürgerliche Askese (im Interesse einer schnelleren Entwicklung des bürgerlichen Reichtums, der erweiterten Reproduktion). Independenten (engl, independent — unabhängig) - ursprünglich seit Ende des 16. Jahrhunderts die radikalere der beiden Hauptströmungen des Puritanismus in England, die unter der Losung der religiösen Unabhängigkeit gegen den englischen Absolutismus und die anglikanische Staatskirche auftrat. Zu Beginn der englischen bürgerlichen Revolution des 17. Jahrhunderts bildeten die Independenten eine besondere politische Partei, die die Interessen der mittleren Handels- und Industriebourgeoisie und des verbürgerlichten mittleren Adels vertrat. Unter dem Einfluß des revolutionären Aufschwungs der Massen stürzten die Independenten den König; nachdem sie ihn hingerichtet, proklamierten sie die Republik (1649), beseitigten das Oberhaus (Haus der Lords). Gleichzeitig fürchteten sie die revolutionär-demokratischen Strömungen; sie zerschlugen, zur Macht gekommen, die Bewegungen der Leveller und Digger und errichteten 1653 die Militärdiktatur - das sog. Protektorat. Gerade damit bereiteten sie den Boden für die Restauration der Monarchie (1660) vor. 360 252 Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 121/122, gibt die Worte aus der Predigt Pfeiferhänsleins sinngemäß, dem ungefähren Inhalt nach, wieder. 361 253 Rottweilsches Gericht - ein in Rottweil unter dem erblichen Vorsitz der Grafen von Sulz bis 1784 amtierendes kaiserliches Hofgericht, das das Recht besaß, Rechtssachen auch aus anderen Gerichtsbezirken zu entscheiden. 362 254 Der Schwäbische Bund der Fürsten, Adligen und der patrizischen Oberschicht der Reichsstädte Südwestdeutschlands wurde 1488 gegründet. Sein Hauptziel war der Kampf gegen die Bewegung der Bauern und Plebejer. Die süd- und westdeutschen Fürsten, die diesen
reaktionären Bund leiteten, hatten dabei die Absicht, ihn auch zur Festigung ihrer Oligarchie auszunutzen. Der Bund hatte eigene Verwaltungs- und Gerichtsorgane und eigene Streitkräfte. 1534 zerfiel er infolge innerer Zwistigkeiten. 364
255 Nach der Darstellung von Zimmermann in „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 182-190, erhoben sich die Bauern in Bern, Solothurn und Luzern im Jahre 1513. Die Zimmermannsche Darstellung stimmt sowohl in der Zeitangabe wie in dem Verlauf der Kämpfe völlig überein mit der von Müller in „Geschichten Schweizerischer Eidgenossenschaft", Fünften Theils, Zweyte Abtheilung von Robert Blozheim, Zürich 1816, Viertes Buch, Zweyter Abschnitt „Das Jahr fünfzehnhundert und dreyzehn", S. 330-343. 366 266 Zimmermann schreibt hierüber, daß die Abgesandten der Bauern am 27. Juli 1514 „mit etlichen Abgeordneten des Landtags und Hans von Gaisberg, der im Namen des Herzogs sprach, sich dahin einigten, daß sie sich wechselseitig Friede und sicheres Geleit verhießen, bis zu Ausgang des eben zu Stuttgart versammelten Landtags, der die Beschwerden der Bauern erledigen sollte; die Bauern sollten mit Frieden heimziehen, der Herzog aber sie zu dem Tübinger Vertrag nicht nötigen noch drängen, sondern alles zur Erkenntnis des Landtags gestellt sein, wie sie sich wegen der einzelnen Artikel des Tübinger Vertrags zu halten hätten". („Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1, S. 244/245.) 368 267 Szedier - Teil der ungarischen nationalen Minderheit in der heutigen Volksrepublik Rumänien. Sie leben in den transsilvanischen Alpen und zählen etwa 500000 Menschen. Ihre Herkunft ist stark umstritten. Höchstwahrscheinlich sind sie Nachfahren solcher Ungarn, die vor dem Aufkommen der feudalen Klassengesellschaft in die Randgebiete zogen. Sie haben die alte ungarische Stammesorganisation und deren Kultur (z. B. Keilschrift, Heerwesen) lange bewahrt. 369 258 Sizilianische Vesper - durch Vesperläuten als Zeichen des Losschlagens eingeleiteter Volksaufstand in Palermo gegen die französische Fremdherrschaft (31. März 1282), bei dem die Aufständischen mehrere Tausend Ritter und Soldaten vernichteten. Der Aufstand führte zur Befreiung von ganz Sizilien. 369 269 Thesen des thüringischen Augustiners - die 95 Thesen, die Luther (der seine geistliche Laufbahn als einfacher Mönch eines Augustinerklosters in Thüringen begonnen hatte) am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg in lateinischer Schrift angeschlagen hatte. Die Thesen enthielten einen scharfen Protest gegen die Ablaßzahlung und die Mißstände in der katholischen Kirche sowie die ersten Bestandteile der im Geist der bürgerlichen Ideale konzipierten religiösen Lehre Luthers. (Vgl. Dr. Karl Zimmermann, „Die reformatorischen Schriften Dr. Martin Luthers", Darmstadt 1846, Erster Band: „Fünfundneunzig Thesen oder Sprüche über die Kraft des Ablasses gegen den Abläßprediger Tetzel am Allerheiligen Tage (3I.Oktober) 1517 an der Tür der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen"). 372 260 satirisch-burleske Schriftstelleropposition - Die humanistischen Schriftsteller der Renaissance bedienten sich gern in ihrem literarischen Schaffen der Burleske, einer satirischen derbkomischen Dichtung, um den schwülstigen Stil der Hofpoesie und die affektierten Sitten der Oberschicht der Feudalgesellschaft der Lächerlichkeit preiszugeben. 372 261 Rosenkriege (1455-1485) - die Kämpfe zweier englischer Feudalgeschlechter um den Thron: der Yorks, mit einer weißen Rose im Wappen, und der Lancasters, die eine rote
Rose im Wappen führten. Um die Yorks gruppierten sich ein Teil der großen Feudalherren aus dem in ökonomischer Hinsicht weiterentwickelten Süden, das Rittertum und das städtische Bürgertum; die Lancasters wurden von der Feudalaristokratie der nördlichen Grafschaften unterstützt. Der Krieg begann 1455 unter Heinrich VI. aas dem Hause Lancaster und endete mit dem Sturz Richards III. aus dem Hause York. Er führte zur fast völligen Vernichtung der alten Feudalgeschlechter und wurde 1485 mit der Machtergreifung HeinrichsVII. aus der neuen Dynastie derTudors abgeschlossen, die in England den Absolutismus errichteten. 374
262 Vor der Österreich, auch Vorlande - alte Bezeichnung für die südwestdeutschen Lande der Habsburger. Kaiser Maximilian I. schuf 1491 das Verwaltungsgebiet Vorderösterreichs, das das Oberelsaß, den Breisgau, einen Teil des Schwarzwaldes und die vier Waldstädte Rheinfelden, Säckingen, Laufenburg und Waldshut umfaßte. 377
263 Es handelt sich um den Krieg von 1521-1525, den Franz I. von Frankreich gegen Kaiser Karl V. zur Wiedererlangung seiner Machtstellung in Italien führte. In der Schlacht bei Pavia (24. Februar 1525) wurde Franz I. gefangengenommen und am 14. Januar 1526 zum Madrider Frieden gezwungen. 378
264 Aus dem Ultimatum vom 15. Februar 1525, das vom Truchseß, der die Strafarmee des Schwäbischen Bundes befehligte, den aufständischen Hegauer Bauern gestellt wurde, als der Adel bereits die konterrevolutionären Kräfte gesammelt hatte. Zitiert nach Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 33/34. 378 265 zwölf Artikel - siehe Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 99-106 („Die gründlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, von welchen sie sich beschwert vermeinen"). Artikelbrief - ebendort, S. 111 -113. 379 382 266 Gemeint ist das Anfang 1525 in Nürnberg gedruckte anonyme Pamphlet: „An die Versammlung gemeiner Pawerschaft, so in Hochteutscher Nation und viel anderer Ort, mit empörung und uffruhr entstanden, ob ihr Empörung billicher oder unbillicher gestalt geschehn, und was sie der Oberkeit schuldig oder nicht schuldig seind, gegründet aus der heil, göttlichen Geschrift, von Oberlendischen Mitbrüdern guter maynung ausgangen und beschriben." W.Zimmermann hielt Thomas Münzer für den Verfasser dieses Pamphlets (vgl. Zimmermann, „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 2, S. 113). 379 267 Dieser Beschluß wurde auf einer Beratung der Obrigkeiten des Schwäbischen Bundes in Ulm im März 1525 gefaßt, zu einem Zeitpunkt, als seine Vertreter noch mit den Aufständischen verhandelten. Er ist in einem Dokument des Ulmer Archivs fixiert, das Zimmermann zitiert („Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th.2, S. 167). 381 268 großer Zehnt und kleiner Zehnt - zwei Arten von Feudalabgaben, die ursprünglich die Kirche von den Bauern erhob und die im späten Mittelalter auch an die weltlichen Feudalherren zu leisten waren. Der Umfang und der Charakter dieser Abgaben waren in den verschiedenen Gegenden Deutschlands unterschiedlich, überstiegen aber meistens den zehnten Teil des Produkts der bäuerlichen Produktion beträchtlich, besonders im Spätmittelalter, wo diese Abgaben den 6. bis 5. Teil betrugen. In der Regel bestand der große Zehnt in der Abgabe von Getreide und Wein, während sich der kleine Zehnt auf die
übrigen landwirtschaftlichen Kulturen erstreckte. Außerdem gab es den Blutzehnt - die Vieh- und Geflügelabgaben. 382 869 Deutschordensherren - Angehörige des Deutschen Ordens (auch Deutschritter-, Deutschherren-, Kreuzritterorden genannt), der 1190 zur Zeit des 3. Kreuzzuges in Palästina gegründet wurde. Der Orden riß in Deutschland und anderen Ländern zahlreiche Besitztümer an sich. Im 13. Jahrhundert eroberte er Ostpreußen (damals nach den litauischen Pruzzen Preußen genannt), indem er die einsässige litauische Bevölkerung unterwarf und ausrottete, und machte es zu einem Aggressionsstützpunkt gegen Polen, Litauen und die russischen Fürstentümer. 1237 vereinigte er sich mit einem anderen deutschen Orden, dem livländischen Schwertbrüderorden, der, 1202 gegründet, Livland und Estland erobert hatte. 1242 wurde der Deutsche Orden am Peipussee (in der berühmten Schlacht auf dem Eise) von Alexander Newski geschlagen. Seine größte Machtausdehnung erreichte er in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Er geriet in Verfall, unterlag 1410 bei Grunwald (Tannenberg) jagiello, dem Großfürsten von Litauen und König von Polen, und kam 1466 unter polnische Lehnshoheit. 385
270 Der Vertrag zu Ojfenburg wurde von den Aufständischen des Breisgaus mit der österreichischen Regierung am 18. September 1525 abgeschlossen und sah vor, die alten bäuerlichen Verpflichtungen erneut aufzuerlegen und strenge Vorschriften gegen Bauernbünde und „Ketzereien" zu erlassen. Ihrerseits verpflichtete sich die Regierung, die einfachen Teilnehmer an der Bewegung zu amnestieren und sich auf verhältnismäßig kleine Strafen zu beschränken. Auf die Führer des Aufstandes wurde die Amnestie jedoch nicht ausgedehnt. Nichtsdestoweniger wurde selbst dieser für die Bauern so nachteilige Vertrag sehr bald von den österreichischen Behörden und den örtlichen Feudalherren wortbrüchig verletzt; sie setzten die Aufständischen blutigsten Repressalien aus, sobald diese die Waffen niedergelegt hatten. 398
271 Entsprechend den Bedingungen dieses erzwungenen Vertrages mußten die Schwarzwälder Bauern erneut den Habsburgern den Eid schwören, die alten Feudallasten wieder auf sich nehmen, und durften der blutigen Abrechnung der Sieger mit dem Zentrum der Bewegung, der Stadt Waldshut, keinen Widerstand entgegensetzen. Die Verteidiger der Stadt hielten sich jedoch noch mehrere Wochen; erst durch Verrat der bürgerlichen Oberschichten wurde die Stadt zur Übergabe gezwungen. 398 272 Durch spätere Forschungen ist festgestellt worden, daß Münzer keine offiziellen Posten im Mühlhausener „Ewigen Rat" innehatte. Da er jedoch an den Sitzungen des Rates teilnahm und seine Tätigkeit leitete, stand er faktisch der neuen revolutionären Regierung vor. 400 273 Engels meint den kleinbürgerlichen Sozialisten Louis Blanc und den Arbeiter Albert (Alexandre Martin), die als Vertreter des Proletariats in die bürgerliche provisorische Regierung eintraten, die nach der Februarrevolution 1848 in Frankreich gebildet wurde (siehe darüber den vorl. Band, S. 16-34). 401 274 Die Artikel der elsässischen Bauern formulierten die antifeudalen Forderungen, die in den „zwölf Artikeln" der schwäbisch-fränkischen Bauernschaft niedergelegt waren (Abschaffung der Leibeigenschaft, Rückgabe der vom Adel usurpierten Gemeindeländereien usw.), nicht nur schärfer, sondern gingen in vielem weiter als dieses Programm. Sie waren auch gegen die Wucherer gerichtet (Punkt über die Abschaffung des Wucherzinses u. a.); sie forderten nicht nur die Aufhebung des kleinen, sondern auch des großen Zehnt und
verkündeten das Recht der örtlichen Bevölkerung, beamtete Personen, die den Unwillen des Volkes hervorgerufen hatten, abzusetzen und durch neue zu ersetzen. 405
275 Die Erklärung über den Austritt aus dem Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London bezieht sich auf eines der wichtigsten Momente in der Geschichte des Kampfes, den Marx und Engels für die proletarische Partei geführt haben, auf die Spaltung des Bundes der Kommunisten im September 1850. Bereits im Sommer 1850 waren die Gründer des Marxismus zu dem Schluß gekommen, daß sich die Wirtschaftskrise von 1847 erschöpft habe und daß man folglich bei dem beginnenden allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung in der nächsten Zeit keine neue Revolution erwarten könne. Daher zogen Marx und Engels die Schlußfolgerung, daß unter den neuen Bedingungen die Hauptaufmerksamkeit auf die Propaganda der Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus sowie auf die ideologische und organisatorische Festigung einer von der kleinbürgerlichen Demokratie unabhängigen proletarischen Partei zu richten ist. Gegen diese nüchterne Analyse und sich auf wissenschaftliche Schlußfolgerungen stützende Taktik traten die Mitglieder der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten Willich und Schapper auf. Willich, Schapper und ihre Anhänger ersetzten die materialistische Analyse der objektiven Wirklichkeit durch „revolutionäre" Phrasen und versuchten, neue Aufstände in Deutschland hervorzurufen, wobei sie zu einer abenteuerlichen Taktik und zu einem Bündnis mit den kleinbürgerlichen Demokraten griffen. Die auf diesem Boden entstandenen Meinungsverschiedenheiten in der Zentralbehörde des Bundes traten schon auf ihren Sitzungen im August und in der ersten Septemberhälfte scharf hervor und nahmen den schärfsten Charakter auf der Sitzung am 15. September 1850 an, auf der die Spaltung des Bundes vollzogen wurde. Marx begründete das Auseinandergehen mit Willich und Schapper auf der Sitzung wie folgt: „An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minorität eine dogmatische, an die Stelle der materialistischen eine idealistische. Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße Wille zum Triebrad der Revolution. Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt ihr im Gegenteil: ,Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen.' Während wir speziell die deutschen Arbeiter auf die unentwickelte Gestalt des deutschen Proletariats hinweisen, schmeichelt ihr aufs plumpste dem Nationalgefühl und dem Standesvorurteil der deutschen Handwerker, was allerdings populärer ist. Wie von den Demokraten das Wort Volk zu einem heiligen Wesen gemacht wird, so von euch das Wort Proletariat. Wie die Demokraten schiebt ihr der revolutionären Entwicklung die Phrase der Revolution unter." (Siehe Karl Marx, „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln", Band 8 unserer Ausgabe.) Auf dieser Sitzung wurde beschlossen, den Sitz der Zentralbehörde des Bundes nach Köln zu verlegen und die Kölner Kreisbehörde zu beauftragen, eine neue Zentralbehörde des Bundes zu bilden. Für diesen Vorschlag stimmten sechs Mitglieder der Zentralbehörde - Marx, Engels, Schramm, Bauer, Eccarius und Pfänder; gegen ihn stimmten die übrigen Mitglieder der Behörde - Willich, Schapper, Lehmann und Fränkel. Diese, in der Minderheit geblieben, verließen die Sitzung und appellierten an die Bundesmitglieder des Londoner Kreises, bei denen sie Unterstützung fanden. Auf der Seite der Spalterfraktion Willich-Schapper befand sich auch die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London, was Marx, Engels und deren Anhänger veranlaßte, diesen Verein zu verlassen. 414
276 Mitte April 1850 haben Marx und Engels im Namen des Bundes der Kommunisten mit den in London lebenden französischgn blanquistischen Emigranten und mit Vertretern des revolutionären Flügels der Chartisten eine Vereinbarung über die Gründung einer Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten getroffen. Es wurde ein Grundsatzvertrag unterzeichnet (von August Willich geschrieben) (siehe vorl. Band, S. 553/554). Nach der Spaltung der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten stellten sich die französischen Blanquisten auf die Seite der abenteuerlich-sektiererischen Minderheit unter der Leitung von Willich und Schapper und gingen gemeinsam mit ihnen ein enges Bündnis mit der kleinbürgerlich-demokratischen Emigration ein. Unter diesen Bedingungen hielten es Marx und Engels für angebracht, Anfang Oktober 1850 den Vertrag mit den Blanquisten zu lösen, worauf auch das hier veröffentlichte Dokument hinweist. 415 553 277 ,J)ie Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capiials", eine Arbeit von Johann Georg Eccarius, die in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", Heft 5/6 veröffentlicht wurde, war unter unmittelbarer Anleitung von Marx geschrieben worden, der sie redigiert hat. Eine Analyse des Textes zeugt davon, daß einzelne Stellen von Marx selbst formuliert wurden. 416 278 Der vorliegende unvollendete Artikel war von Engels für Heft 5 der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" vorgesehen. Anlaß war das bürgerlich-individualistische und anarchistische Auftreten der Berliner Junghegelianer Eduard Meyen, Julius Faucher, Ludwig Buhl und Max Stirner in der Presse. Sie waren seit 1842 Mitglieder des Zirkels der „Freien" und hatten sich Anfang der fünfziger Jahre um die Zeitung „Abend-Post" gruppiert. Die ökonomischen Ansichten dieser Literatengruppe waren durch die Ideen des bürgerlichen Freihändlertums bestimmt. Charakteristisch für ihre politischen Ansichten sind die Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts und der Volksvertretung sowie äußerster Individualismus und die Verherrlichung der Anarchie als Verwirklichung einer „höheren Demokratie" und einer „freien menschlichen Assoziation". Die antidemokratische und antirevolutionäre Richtung dieser Gruppe kam auch darin zum Ausdruck, daß im April 1850 im Titelkopf ihres Organs der Untertitel „Demokratische Zeitung" fortgelassen wurde; dazu erklärte die „Abend-Post", daß sie eine Anarchie anstrebe, in der der Mensch angeblich „weder ein Sklave eines anderen Menschen noch ein Sklave der Masse sei". Die „Abend-Post" begann systematisch gegen die „Leute des Gesetzes aus den Reihen der Demokratie", gegen den Sozialismus und Kommunismus wie auch gegen den „Terror der Revolution" aufzutreten. Diese anarchistischen und halbanarchistischen Ideen fanden unter einem Teil der kleinbürgerlichen deutschen Emigration merkliche Verbreitung. 417 279 Engels hat offensichtlich Karl Grün und Arnold Rüge im Sinn, die einzelne Schriften von Proudhon ins Deutsche übersetzt und in der Presse propagiert haben. 417 280 Die Abgeordneten des Stuttgarter Parlaments Ludwig Simon und Karl Vogt (Vogt war einer der fünf Reichsregenten) veröffentlichten 1850 in der „Deutschen Monatsschrift" (Stuttgart) Artikel, in denen sie die Anarchie priesen und die Abschaffung jeglicher Staatsmacht propagierten. 418 281 Max Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigenthum" wurde von Marx und Engels in ihrer Arbeit „Die deutsche Ideologie" einer vernichtenden Kritik unterzogen (siehe Band 3 unserer Ausgabe). 418 282 Aus Wielands Gedicht „Oberon". 419
283 die Zeiten von Law - Gemeint sind die finanziellen Operationen und die riesigen Spekulationen, die der Bankier und Ökonom John La^von 1716 bis 1720 in Frankreich durchgeführt hat. Law gründete 1716 eine Privatbank in Paris, die Ende 1718 zu einer Staatsbank umgewandelt wurde. Seitdem gab Law bis 1720 für über drei Milliarden Livres ungedecktes Papiergeld aus. Außerdem begründete Law die Mississippi-Gesellschaft für den Handel mit Nordamerika, die eine Reihe Privilegien und Monopole in Frankreich selbst erhielt - das Tabaksmonopol, die Generalpacht der Steuern, das Münzregal und die Verwaltung der allgemeinen Einnahmen des Staats. Die Aktien der Gesellschaft und der Bank stiegen durch eine bis dahin nie gekannte Spekulation und Agiotage immer höher, bis dann im Jahre 1720 sowohl die Bank als auch die Gesellschaft bankrott gingen. Law floh ins Ausland. Die Südseegesellschaft wurde in England 1711 unter dem Vorwand gegründet, mit Südamerika und den umliegenden Inseln im Stillen Ozean Handel zu treiben; ihr wahres Ziel war die Spekulation mit Staatspapieren. Die Gesellschaft erhielt von der Regierung eine Reihe Privilegien und Monopolrechte, insbesondere das Recht auf Herausgabe von Schatzkammerscheinen, und entfaltete eine gigantische spekulative Tätigkeit, die 1720 zum Bankrott der Gesellschaft führte. 422
284 Die Rede Disraelis ist veröffentlicht in „Hansard's Parliamentary Debates: Third Series... Vol. CI", London 1848, S. 674. 426 285 Siehe Thomas Tooke, „A History of Prices, and of the State of the Circulation, from 1839 to 1847 inclusive", London 1848. Aus diesem Band, dem vierten einer fünf Bände umfassenden Untersuchung über die Geschichte der Preise in der Periode von 1793 bis 1856, machte Marx zahlreiche Auszüge, die in der vorliegenden „Revue, Mai bis Oktober 1850" weitgehend Verwendung fanden. 427 286 Das Bankgesetz vom 19. Juli 1844 sah die Teilung der Bank von England in zwei vollständig unabhängige Departements mit gesondertem Barfonds vor: das Banking-Department, welches reine Bankoperationen ausführte, und das Issue-Department, welches die Herausgabe der Banknoten vornahm. Diese Noten mußten eine solide Dekkung in Gestalt eines speziellen Goldfonds besitzen, der stets verfügbar sein mußte. 427 442 287 David Morier Evans, „The Commercial Crisis 1847-1848", London 1848. Aus diesem Buch machte Marx zahlreiche Auszüge, die in der vorliegenden Arbeit benutzt wurden. 427 288 „The Economist" - englische Wochenschrift zu Fragen der Ökonomie und der Politik, die seit 1843 als Organ der industriellen Großbourgeoisie in London erscheint. 429 288 In Bregenz fand vom 10. bis M.Oktober 1850 ein Treffen der Regenten von Österreich, Bayern und Württemberg statt, die unter sich eine gegen die Ansprüche Preußens auf die Hegemonie im Deutschen Bund gerichtete Konvention abschlössen. In Warschau fand am 28. Oktober 1850 ein Treffen des russischen Zaren Nikolaus I. mit dem Kaiser von Österreich Franz Joseph und dem Chef der preußischen Regierung, dem Grafen von Brandenburg, statt; letzterer war gezwungen, Zugeständnisse zu machen. Diese beiden Konferenzen zeigten die Stärkung der Rolle Österreichs und die Schwächung der Position Preußens. 431 290 ]833 wurde vom englischen Parlament ein Gesetz über das Verbot der Sklaverei in den Kolonien beschlossen. Als Entschädigung zahlte die Regierung den Besitzern der mit
Sklavenarbeit betriebenen Plantagen eine Summe von 20 Millionen Pfund Sterling aus Steuergeldern. 432
291 In der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" steht irrtümlich 2 Prozent. Der Diskontsatz der Bank von England wurde am 2. November 1848 auf 3 Prozent festgesetzt und am 22. November 1849 auf 21/2 Prozent reduziert; dieser Satz galt bis Ende Dezember 1850. 433 292 die schleswig-holsteinischen Wirren - Gemeint ist der nationale Befreiungskrieg SchleswigHolsteins gegen Dänemark, der im März 1848 begann und mit Unterbrechungen bis Ende Juli 1850 dauerte. Unter dem Einfluß der Februarrevolution in Frankreich und der Märzrevolution in Deutschland erhob sich die Bevölkerung Schleswig-Holsteins, die einen Anschluß an Deutschland erstrebte, gegen die dänische Herrschaft. Es bildete sich eine provisorische Regierung. Diese wandte sich an den Deutschen Bundestag um Hilfe. Der Bundestag übergab Preußen die Vollmacht zur Kriegführung gegen Dänemark. Indem sie in Rechnung stellte, daß sich die öffentliche Meinung Deutschlands auf seiten Schleswig-Holsteins befand, begann die preußische Regierung einen Scheinkrieg gegen Dänemark, in dessen Verlauf die schleswig-holsteinische Armee ständig von den preußischen Truppen im Stich gelassen wurde. Am 26. August 1848 schloß Preußen mit Dänemark in Malmö einen verräterischen Waffenstillstand auf sieben Monate ab; nach den Bedingungen des Waffenstillstands wurden faktisch alle demokratischen Errungenschaften der Bevölkerung Schleswig-Holsteins beseitigt. Da die Widersprüche zwischen den kämpfenden Seiten nicht gelöst waren, wurde nach Ablauf der sieben Monate, Anfang April 1849, der Krieg wiederaufgenommen. Die Kriegshandlungen, die mit wechselndem Erfolg verliefen, endeten mit einem neuen Verrat Preußens, das mit Dänemark am 10. Juli 1849 wiederum einen Waffenstillstand und am 2. Juli 1850 einen Frieden gegen die nationalen Interessen Deutschlands abschloß. Die Bevölkerung Schleswig-Holsteins, mit diesem schändlichen Abkommen unzufrieden, beschloß, den Krieg mit eignen Kräften fortzusetzen. Die schleswig-holsteinische Armee wurde jedoch in der Schlacht bei Idstedt (24./25.JuIi 1850) von den dänischen Truppen geschlagen und stellte den Widerstand ein. die fyirhessischen Wirren - In Kurhessen entstand im September 1850 ein Konflikt zwischen dem Kurfürsten und seinem reaktionären Minister Hassenpflug einerseits und der Repräsentantenkammer andererseits. Hassenpflug hatte die Kammer aufgelöst, weil sie eine Anleihe abgelehnt hatte, und verhängte im Lande den Belagerungszustand, was wiederum Proteste seitens der gesamten Bevölkerung hervorrief. Der Kurfürst und Hassenpflug, die nicht imstande waren, die Bewegung zu unterdrücken, wandten sich am 15. Oktober an den wiederhergestellten Bundestag und an Österreich um Hilfe, ungeachtet dessen, daß Kurhessen zur sog. Union gehörte, die unter der Hegemonie Preußens stand. In diesem Zusammenhang entbrannte zwischen Österreich und Preußen ein Konflikt. Zu größeren Kriegshandlungen zwischen den beiden Staaten kam es damals nicht, da Preußen auf der Warschauer Konferenz am 28. Oktober 1850 (siehe Anm. 289) Zugeständnisse machen mußte. 438
293 Es handelt sich um den internationalen Kongreß, der von bürgerlichen Pazifisten im August 1850 nach Frankfurt am Main einberufen wurde. Auf dem Kongreß traten besonders der amerikanische bürgerliche Philanthrop Elihu Burritt, der Führer der englischen Freihändler, Cobden, und der deutsche Liberale und ehemaliges Mitglied der liberalen Regierung in Hessen, Jaup, hervor; am Kongreß nahmen Vertreter der
religiösen Sekte der Quäker teil. Die Reden, die auf dem Kongreß gehalten wurden, trugen einen scheinheiligen und heuchlerischen Charakter. 441 294 In den Debatten über Griechenland, die im englischen Parlament vor allem im Juni 1850 geführt wurden, ging es um folgende Vorgänge: Die englische Regierung hatte im November 1849 der griechischen Regierung ein strenges Ultimatum gestellt und im Januar, später noch einmal im April 1850 die englische Flotte zur Blockade des Hafens Piräus ausgeschickt. England wollte damit die griechische Regierung zur Abtretung ihrer Inseln Sapienza und Elafonisi an die englische Krone zwingen. Diese Inseln hatten für Englands Stellung im Mittelmeer große strategische Bedeutung. Als Anlaß diente der Schaden, der am Hause des portugiesischen Kaufmanns und ehemaligen Konsuls Pacifico in Athen während eines Volksauflaufes einige Jahre vorher entstanden war. Pacifico befand sich unter englischem Schutz. Rußland und Frankreich protestierten gegen das Vorgehen Englands, und die französische Regierung rief ihren Botschafter aus London ab. Während dieser Debatten hielt Lord Palmerston im Unterhaus eine Rede, in der er die Politik der reaktionären europäischen Staaten demagogisch anprangerte und sich als Verteidiger der bürgerlichen Rechte und liberalen Freiheiten aufspielte. 441 295 Der österreichische Feldmarschall Haynau, der äußerst grausam die revolutionäre Bewegung in Ungarn und in Italien unterdrückt hatte, wurde 1850 während seines Aufenthalts in London von Arbeitern der Bierbrauerei Barclay, Perkins & Co. verprügelt. Diese Tat fand bei den englischen Volksmassen stürmische Zustimmung. 442 296 Emanzipation der Katholiken - Aufhebung der Beschränkungen der politischen Rechte der Katholiken durch das englische Parlament 1829. Die Katholiken, deren Mehrheit Iren waren, erhielten das Recht, ins Parlament gewählt zu werden und gewisse Regierungsstellen einzunehmen; gleichzeitig wurde der Besitzzensus für die Wahl auf das Fünffache erhöht. Mit Hilfe dieses Manövers dachten die englischen Regierungskreise, die Oberschicht der irischen Bourgeoisie und der katholischen Grundbesitzer auf ihre Seite zu ziehen und auf solche Weise die irische nationale Bewegung zu spalten. 442 297 Robert Peel legte als Innenminister den Grundstein für ein modernes bürgerliches System der Polizeiorganisation in England. Am 19. Juni 1829 erließ er das Gesetz über die Unterstellung der hauptstädtischen Polizei unmittelbar unter den Innenminister und über die Aufstellung eines speziellen Polizeikorps in London. Im übrigen England blieb die Polizei noch gewisse Zeit den örtlichen Behörden unterstellt; dem Innenminister wurde jedoch das Recht der Gesamtleitung und Kontrolle über die Aktionen der örtlichen Polizei vorbehalten. Diese Maßnahme führte zur Verstärkung der Polizeimacht des bürgerlichen Staates. 442 298 1818 wurde im englischen Parlament ein Gesetzentwurf eingebracht, wonach die Bank von England ab 1823 den Austausch von Banknoten gegen Gold wieder genehmigen sollte. Das Parlament stimmte dieser Vorlage im Jahre 1819 zu; die Austauschbarkeit der Banknoten gegen Gold wurde jedoch bereits 1821 wieder eingeführt (siehe auch Anm. 63). 442 299 Nach der Tarif reform von 1842 wurden die Einfuhrzölle für Getreide und eine ganze Reihe anderer Importwaren gesenkt. Um die Verluste des Fiskus zu ersetzen, wurde die Einkommensteuer eingeführt. 442 300 Aus dem Artikel „Das Peel-Monument"', der in dem von George Julian Harney redigierten Chartistenorgan „Red Republican" Nr. 9 vom 17. August 1850 veröffentlicht wurde. 443
801 Puseyismus - dem römischen Katholizismus zugewandte Strömung innerhalb der anglikanischen Kirche in den dreißiger bis sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Genannt nach dem Namen eines ihrer Gründer, des Theologen der Universität Oxford, Pusey, rief sie zur Wiederherstellung der katholischen Zeremonien und einiger Dogmen des Katholizismus in der anglikanischen Kirche auf. Der Puseyismus war eine religiöse Widerspiegelung des Kampfes der englischen Aristokratie, die ihren Einfluß im Lande erhalten wollte, gegen die industrielle Bourgeoisie, die in ihrer Masse den verschiedenen protestantischen Sekten angehörte. Viele Anhänger des Puseyismus traten zur katholischen Kirche über. 443
802 Hochkirche (hoheKirche) - Richtung der anglikanischen Kirche, die ihre Anhänger hauptsächlich unter der Aristokratie hatte; sie wahrte die alten prunkvollen Zeremonien und suchte die Annäherung an den Katholizismus. Im Gegensatz zur Hochkirche war die zweite Richtung der anglikanischen Kirche, die niedere Kirche, hauptsächlich unter der Bourgeoisie und der niederen Geistlichkeit verbreitet. Die Anhänger der niederen Kirche richteten ihr Hauptaugenmerk auf die Propaganda der bürgerlich-christlichen Moral. Dissenters - Vertreter der religiösen Sekten und Strömungen, die in diesem oder jenem Maße von den Dogmen der offiziellen anglikanischen Kirche abwichen. 443
303 Gemeint ist die Bulle des Papstes, die am 30. September 1850 erlassen wurde. 443 804 die römische Konstituante - die verfassunggebende Versammlung der Römischen Republik, die am 21. Januar 1849 gewählt wurde, bestand in ihrer Mehrheit aus bürgerlichen Demokraten, Anhängern Mazzinis. Die Versammlung entzog dem Papst die weltliche Macht und führte eine Reihe fortschrittlicher sozialer Maßnahmen durch. Nach dem Sturz der Römischen Republik im Juli 1849 emigrierte eine bedeutende Zahl der Abgeordneten nach England, wo sie aus ihren Reihen ein provisorisches Italienisches Nationalkomitee bildeten; zu ihm gehörten Mazzini und seine Anhänger. Das Komitee war von seinen Wählern bevollmächtigt, im Interesse der nationalen Angelegenheiten Darlehen aufzunehmen und sich mit allen Fragen zu beschäftigen, die italienische Bürger betrafen. 444 305 Im Frühjahr 1850 legte die österreichische Regierung im Gebiet Lombardei-Venedig eine sog. freiwillige Anleihe von 120 Millionen Lire auf. 444 306 Erschreckt durch den Sieg des Aufstandes in Berlin am 18. März 1848, erließ am 21. März 1848 der preußische König Friedrich Wilhelm IV. einen verlogenen Aufruf „An mein Volk und die deutsche Nation"; darin versprach er heuchlerisch, eine ständische Vertretungskörperschaft zu schaffen, eine Verfassung zu geben, die Verantwortlichkeit der Minister, das öffentliche und mündliche Gerichtsverfahren, Geschworenengerichte usw. einzuführen. Er ritt in einem komödienhaften Aufzug mit schwarzrotgoldener Fahne durch Berlin und verkündete, daß Preußen in Deutschland aufgehen solle, daß er die deutsche Einheit und Freiheit retten und sich an die Spitze eines konstitutionellen Deutschland stellen wolle. 456 807 Die Gothaer Partei wurde im Juni 1849 von rechten Liberalen, Vertretern der konterrevolutionären Großbourgeoisie, gegründet, die nach der Weigerung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., aus den Händen der Frankfurter Nationalversammlung die K aiserkrone entgegenzunehmen, und nach dem Beschluß der linken Mehrheit der Versammlung, eine Reichsregentschaft zu gründen, die Frankfurter Versammlung verlassen hatten. Diese Partei, die den Sieg der Revolution fürchtete, machte sich die Vereinigung
ganz Deutschlands ohne Österreich unter Führung eines Hohenzollern-Preußens zur Aufgabe. Die Führer dieser Partei waren Dahlmann, Simson, Bassermann, Gagern, Brüggemann, Mathy u. a. 456 308 Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und das Kurfürstentum Hessen-Kassel (Kurhessen), die 1849 das Einverständnis gegeben hatten, einer Vereinigung deutscher Staaten unter der Hegemonie Preußens (der sog. Union) beizutreten, traten 1850 unter dem Druck Österreichs und Rußlands aus der Union aus und gingen auf die Seite Österreichs über (siehe auch Anm. 146). 457 309 Am 3. April 1849 erwiderte Friedrich Wilhelm IV. einer Deputation der deutschen Nationalversammlung, die ihm die erbliche Kaiserwürde antrug, großsprecherisch: „Dessen aber möge Deutschland gewiß sein, und das, meine Herren, verkündigen Sie in allen seinen Gauen: Bedarf es des preußischen Schildes und Schwertes gegen äußere oder innere Feinde, so werde ich, auch ohne Ruf, nicht fehlen. Ich werde dann getrost den Weg meines Hauses und meines Volkes gehen, den Weg der deutschen Ehre und Treue!" 457 310 Ltporello - Gestalt aus der Oper „Don Juan" von Mozart, Diener Don Juans. Er führte ein genaues Register über sämtliche Liebschaften seines Herrn. 461 311 Hier wird auf die Polemik angespielt, die Ende der dreißiger Jahre zwischen dem reaktionären und klerikalen Historiker und Publizisten Heinrich Leo und dem bürgerlichen Radikalen und Junghegelianer Arnold Rüge geführt wurde. Leo, der ein erbitterter Gegner der Hegeischen Philosophie war, beschuldigte in seiner Broschüre „Die Hegelingen" (erschien 1838 in Halle) Arnold Rüge und alle Junghegelianer des Atheismus und insbesondere, daß sie den Unterschied zwischen Gottheit und Menschheit nicht erkennen könnten. 463 312 „Bremer Tages-Chronik" ~ Tageszeitung, die unter diesem Titel ab Januar 1851 als Fortsetzung der von dem kleinbürgerlichen Demokraten Dulon 1849 bis 1850 herausgegebenen „Tageschronik" erschien. 464 313 Ausdruck Ruges in seiner Korrespondenz in der „Bremer Tages-Chronik" Nr. 474 vom 17. Januar 1851. 464 314 Great Windmill-Verein - der Deutsche Bildungsverein für Arbeiter in London (siehe Anm. 119), der seinen Sitz in der Great Windmill Street hatte. 464 315 Marx und Engels beziehen sich offensichtlich auf vorbereitetes Material, das erst in der Mai bis Juni 1852 abgefaßten Schrift „Die großen Männer des Exils" (siehe Band 8 unserer Ausgabe) verwandt wurde. Dort wird Arnold Rüge im 5. Abschnitt „an seinen Schriften charakterisiert" als „Gosse, in der alle Widersprüche der Philosophie, der Demokratie und der Phrasenwirtschaft überhaupt wunderlich zusammenlaufen". 465 516 ,Jiankett der Gleichen" - internationale Kundgebung, die in London am 24. Februar 1851 aus Anlaß des Jahrestages der Februarrevolution stattfand. Das Bankett wurde von einem Teil der kleinbürgerlichen französischen Emigration unter der Leitung von Louis Blanc und den Führern des bLnquistischen Emigrantenvereins - Barthelemy, Adam u. a. gemeinsam mit der Fraktion Willich-Schapper organisiert. Um Informationen zu erhalten, sandten Marx und Engels ihre Anhänger Konrad Schramm und W.Pieper zum Bankett, die jedoch aus dem Saal gejagt und von Anhängern Wiilichs und Schappers verprügelt wurden. Der Trinkspruch, den Auguste Blanqui aus dem Gefängnis rechtzeitig nach London gesandt hatte Und in dem er Louis Blanc und die anderen Mitglieder der
provisorischen Regierung entlarvte, wurde von den Organisatoren des Banketts absichtlich verheimlicht. Von Freunden Blanquis wurde er in verschiedenen französischen Zeitungen veröffentlicht (siehe vorl. Band, S. 568-570 und Anm. 354). 446 817 An diesem Manuskript, das nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, arbeitete Engels im April 1851. Am 3. April schrieb er an Marx: „Wenn übrigens im nächsten Jahr eine Revolution in Frankreich ausbricht, so ist gar kein Zweifel, daß die heilige Allianz wenigstens bis vor Paris kommt. Und bei den merkwürdigen Kenntnissen und der raren Energie unsrer französischen Revolutionäre ist noch sehr die Frage, ob die Forts und die Enceinte von Paris auch nur bewaffnet und approviantiert sind. Sind aber zwei Forts genommen, z. B. St. Denis und das nächste nach Osten zu, so ist Paris und die Revolution jusqu h nouvel ordre im Arsch. Ich werde Dir das nächstens einmal genau militärisch auseinandersetzen und zugleich die einzige Maßregel, die dagegen getroffen werden kann, um wenigstens die Invasion zu schwächen: die Okkupation der belgischen Festungen durch die Franzosen und der rheinischen durch einen sehr zweifelhaften insurrektionellen coup de main." Das Manuskript wurde zum erstenmal am 4. Dezember 1914 in der „Neuen Zeit", dem theoretischen Organ der deutschen Sozialdemokratie, veröffentlicht. Hier war es falsch datiert und mit der nicht ganz treffenden Überschrift „Die Möglichkeiten und Voraussetzungen eines Krieges der Heiligen Allianz gegen Frankreich im Jahre 1852" versehen worden. In der vorliegenden Ausgabe wurde das Manuskript mit einer neuen, seinem Inhalt entsprechenden Überschrift versehen. 468 318 Ministerium des 10.August-das nach dem Volksaufstand vom 10.August 1792 gebildete Ministerium der Girondisten. 472 319 9.Thermidor (27. Juli 1794) - konterrevolutionärer Staatsstreich, der zum Sturz derjakobiner-Regierung und zur Errichtung der Herrschaft der Großbourgeoisie führte. An der Vorbereitung dieses Staatsstreiches nahm Carnot tätigen Anteil. 18. Fruktidor (4. September 1797) - Staatsstreich, der von der bürgerlichen Regierung, dem Direktorium, mit Unterstützung Napoleon Bonapartes vollzogen wurde, um einem monarchistischen Staatsstreich zuvorzukommen. Carnot, der den royalistischen Verschwörern nahestand und sich dadurch kompromittiert hatte, floh aus Frankreich. 18.Brttmaire (9.November 1799) - Staatsstreich Napoleon Bonapartes, der zur Errichtung seiner Militärdiktatur führte. Carnot billigte den Staatsstreich, obwohl er mitunter eine schüchterne Opposition Napoleon gegenüber verlauten ließ, wurde zurückberufen und im April 1800 zum Kriegsminister ernannt. 474 820 Die Schlachten bei Abensberg und Eckmühl waren Etappen der fünftägigen Schlacht in der Umgebung Regensburgs im April 1809 zwischen den Armeen Napoleons und den österreichischen Truppen während des österreichisch-französischen Krieges. Die Regensburger Schlacht endete mit der Niederlage und dem Rückzug der österreichischen Armee. 475 321 „Nur immer langsam Voran" heißt es im Refrain des 1813 entstandenen Volksliedes „Die Krähwinkler Landwehr". 475 538 822 Über den Schematismus und die Pedanterie der preußischen Armee schrieb Engels in seiner Arbeit „Infanterie": „Als seine Armee das Vorbild für Europa wurde, begann Friedrich, zur Täuschung der Militärfachleute anderer Nationen, das System der taktischen Evolutionen, die alle für einen wirklichen Krieg ungeeignet waren, in einem verblüffenden Maße zu kompli
zieren, und beabsichtigte damit nur, die Einfachheit der Mittel zu vertuschen, die ihm zum Siege verholten hatten. Er war darin so erfolgreich, daß niemand mehr getäuscht wurde als seine eigenen Untergebenen, die tatsächlich glaubten, daß diese komplizierten Methoden der Linienaufstellung der wirkliche Inhalt seiner Taktik seien. Auf diese Weise bereitete Friedrich die Armee tatsächlich auf die unvergleichliche Schande von Jena und Auerstedt vor und schuf außerdem die Grundlage für jene Pedanterie und strenge Zucht, die seitdem die Preußen kennzeichnete." (Siehe Friedrich Engels, Ausgewählte militärische Schriften, Band I, Berlin 1958, S. 581.) 479
823 Konskription - besonderes System der Aushebung der wehrfähigen Männer für den Kriegsdienst. Hatten die nach Altersklassen eingeteilten Männer das entsprechende Dienstalter erreicht, so wurde unter ihnen die gesetzlich festgelegte Anzahl durch das Los ausgewählt. Diejenigen, die ein Freilos zogen, bildeten die Reserve und wurden zum Dienst in der Nationalgarde im Innern des Landes herangezogen. Nach 1815 konnten sich Dienstpflichtige durch freiwillige nicht konskriptionspflichtige Stellvertreter vertreten lassen; es war auch möglich, sich loszukaufen. Preußische Landwehr - siehe Anm. 86. Schweizer Miliz - ein auf obligatorischer allgemeiner Militärpflicht beruhendes System. Die Bürger waren verpflichtet, neben ihrem Beruf die militärische Ausbildung zu absolvieren und standen jederzeit für den Kriegsdienst zur Verfügung. levee en masse - während der französischen Revolutionskriege entstandene Form der Massenaushebung. Sie war das allgemeine Aufgebot, das fast die gesamte männliche Bevölkerung zur Verteidigung des Landes gegen eine feindliche Invasion zu den Waffen rief. 479 324 Nach den preußischen Gesetzen hatten junge Leute mit besonderer wissenschaftlicher Vorbildung, die zudem über genügend Mittel verfügten, um die Kosten selbst zu tragen, nach Ablegung der Einjährig-Freiwilligen-Prüfung das Privilegium, nur ein Jahr mit der Waffe zu dienen. Nach Ablauf dieser Frist konnten sie auf den Posten eines Offiziers der Reserve oder der Landwehr Anspruch erheben. 482 325 Diese Auffassung vertrat Engels 1850 auf Grund seiner Analyse des damaligen Standes der gesellschaftlichen Hauptfaktoren, die für den Fall eines Krieges in Rechnung zu stellen sind. Engels verfolgte ständig die weitere Entwicklung dieser Faktoren und kam etwa 30 Jahre später in genialer Voraussicht über den Verlauf und das Ergebnis eines kommenden Weltkrieges zu der Schlußfolgerung, daß dieser Krieg drei bis vier Jahre andauern werde. (Siehe Engels' „Einleitung" zu Sigismund Borkheims Schrift „Zur Erinnerung an die deutschen Mordspatrioten 1806-1807", Hottingen-Zürich 1888.) 482
326 Dieser Gedanke stand im engen Zusammenhang mit der von Marx und Engels entwickelten Lehre von der proletarischen Revolution. Sie vertraten die für die damaligen Verhältnisse richtige These, daß die Revolution nur siegen könne, wenn sie in mehreren Ländern zugleich durchgeführt wird. Lenin entdeckte, von der Lehre Marx' ausgehend, das Gesetz von der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung des Kapitalismus im Stadium des Imperialismus und die damit bestehende Möglichkeit und Notwendigkeit des Sieges des Sozialismus in wenigen oder einem Lande. Die Geschichte hat die Leninsche These bestätigt. Der Sieg der Sowjetunion über das faschistische Deutschland hat aber auch die Richtigkeit der Engelsschen These von der überlegenen Stärke der Armee eines Landes bewiesen, in dem sich das ,.Proletariat wirklich emanzipiert" hat. 482
327 Der Artikel ,J)ie Konstitution der Französischen Republik". der im Organ des revolutionären Flügels der Chartistenbewegung „Notes to the People" Nr. 7 vom 14. Juni 1851 veröffentlicht wurde, sollte eine den Verfassungen der europäischen Staaten gewidmete Artikelserie eröffnen. Der Chefredakteur der Zeitschrift, Ernest Jones, hatte die Absicht, hervorragende Funktionäre der proletarischen und demokratischen Bewegung Europas als Verfasser heranzuziehen. Daß dieser Artikel von Marx geschrieben wurde, bestätigen Jones' Briefe an Marx vom 23., 25. und 30. Mai 1851 sowie auch der Vergleich dieses Artikels mit dem ,,18.Brumaire des Louis Bonaparte". Aus der vorgesehenen Artikelserie erschien in „Notes to the People" nur noch ein Artikel, „Die preußische Verfassung", der nicht von Marx verfaßt wurde. 494 328 Roml - Marx erinnert an die Intervention, die die französische Regierung im Jahre 1849 trotz der Verfassung gegen die Römische Republik unternommen hat (siehe vorL Band, S. 55-57 und 64-66). Darum spricht Marx von einer rhetorischen Präambel. 494 329 Der Text der Verfassung ist in französischer und deutscher Sprache veröffentlicht unter dem Doppeltitel „Constitution de la Republique Fran?aise" - „Constitution der Französischen Republik", Stuttgart 1848. 494 330 Die gesetzliche Pflicht auf Hinterlegung einer Kaution bei der Registrierung eines Presseorgans war eins der Mittel der französischen Bourgeoisie, die demokratische und besonders die Arbeiterpresse zu knebeln. Nach dem französischen Pressegesetz vom 9. Juni 1819 war die Höhe der Kaution unterschiedlich; sie hing von der Erscheinungsweise und dem Erscheinungsort ab. Der höchste Satz war für Publikationen festgelegt worden, die öfter als dreimal in der Woche erschienen und in Paris sowie in den drei angrenzenden Departements gedruckt wurden. Das Gesetz vom 16. Juli 1850 dehnte diese hohen Sätze auch auf Publikationen aus, die in Lyon und im umliegenden Departement Rhone erschienen. 496 331 Unter Details verstanden die englischen Chartisten in ihrer Agitation die Punkte 2 bis 6 der Volkscharte (siehe Anm. 163). 504 382 Diese Einleitung Engels* wurde seinerzeit von der opportunistischen Führung der deutschen Sozialdemokratie entstellt. Im März 1895 veröffentlichte W.Liebknecht im „Vorwärts", dem Zentralorgan der Partei, eine Reihe aus der Einleitung willkürlich herausgegriffener Auszüge, und zwar entnahm er alles das, „was ihm dazu dienen konnte, die um jeden Preis friedliche und Gewaltanwendung verwerfende Taktik zu stützen ..." (Engels anP.Lafargue am 3.April 1895.) An Kautsky schrieb Engels aus diesem Anlaß am I.April 1895: „Zu meinem Erstaunen sehe ich heute im .Vorwärts* einen Auszug aus meiner Einleitung ohne mein Vorwissen abgedruckt und derartig zurechtgestutzt, daß ich als friedfertiger Anbeter der Gesetzlichkeit quand meme dastehe. Um so lieber ist es mir, daß das Ganze jetzt in der .Neuen Zeit* erscheint, damit dieser schmähliche Eindruck verwischt wird." Aber weder in der „Neuen Zeit" noch in der Einzelausgabe der Broschüre vom Jahre 1895 wurde die Einleitung vollständig veröffentlicht. Auf nachdrückliches Verlangen der deutschen sozialdemokratischen Parteiführung, die in Briefen an Engels von der Gefahr eines neuen Sozialistengesetzes in Deutschland sprach, war Engels gezwungen, einige der politisch schärfsten Stellen der Einleitung zu streichen, in denen vom bevorstehenden bewaffneten Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie die Rede war. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie, in deren Händen sich das MarxEngels-Archiv befand, war bemüht, den gekürzten Text des Engelsschen Artikels zur
Begründung ihrer opportunistischen Politik auszunutzen, weshalb sie ihn auch niemals vollständig veröffentlicht hat. Der vollständige Text der Engelsschen Einleitung wurde zum erstenmal in der Sowjetunion veröffentlicht. Der vorliegende Abdruck fußt auf den Setzereifahnen von 1895. Dort gestrichene Textstellen sind durch spitze Klammern gekennzeichnet und Änderungen, die den Inhalt berühren, in Fußnoten mitgeteilt. 511
833 Der Sachsenwald wurde im Jahre 1871 von Wilhelm I. dem Reichskanzler Bismarck geschenkt. 513 334 Legitimisten - Anhänger der „legitimen" Bourbonenmonarchie, die in Frankreich bis 1792 wie auch während der Restaurationszeit (1815-1830) an der Macht war. Orleanisten - Anhänger der Dynastie Orleans, die zur Zeit der Julirevolution von 1830 an die Macht gelangte und durch die Revolution von 1848 gestürzt wurde. 517
336 Unter Napoleon III. beteiligte sich Frankreich am Krimfeldzug (1854 bis 1855), führte Krieg mit Österreich wegen Italien (1859), nahm zusammen mit England an den Kriegen gegen China teil (1856-1858 und 1860), begann mit der Eroberung Indochinas, organisierte eine Expedition nach Syrien (1860/61) und Mexiko (1862-1867) und führte schließlich 1870/71 Krieg gegen Deutschland. 517 336 Gemäß dem Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 mußte Frankreich an Deutschland eine Kontribution in Höhe von 5 Milliarden Francs zahlen. 518 837 Dieser Satz ist dem von Marx geschriebenen einführenden Teil des Programms der französischen Arbeiterpartei entnommen. Das Programm wurde 1880 auf der Tagung von Le Havre angenommen. 519 838 Am 4.September 1870 wurde die Regierung Napoleons III. gestürzt und die Republik ausgerufen. Am 31.Oktober 1870 fand der mißglückte Aufstandsversuch der Blanquisten gegen die Regierung der „nationalen Verteidigung" statt. 523 339 Semski Sobor - mittelalterliche gesamtrussische Ständeversammlung im 16. und 17. Jahrhundert. Seit 1864 bestanden im zaristischen Rußland die aus äußerst undemokratischen Wahlen hervorgegangenen Kreis- und Gouvernementsvertretungen (die sog. Semstwos). Sie dienten den Interessen der adligen Gutsbesitzer und der Kapitalisten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigten sich in den Semstwos konstitutionelle Bestrebungen. Liberale Großgrundbesitzer und Kapitalisten forderten unter dem Druck der wachsenden revolutionären Bewegung eine oberste Volksvertretung. Zar Nikolaus II. nannte jedoch in seiner Rede vor den Deputierten der Semstwos und Städte am 17. Januar 1895 alle Hoffnungen auf eine Konstitution, „unsinnige Träumereien . 524 840 Herrn von Kollers Umsturzvorlage - Am 5. Dezember 1894 wurde im Reichstag der Entwurf eines neuen Sozialistengesetzes eingebracht; er wurde am 1 I.Mai 1895 abgelehnt. 526 841 Im Jahre 1866 entthronte Bismarck nach dem Krieg Preußens gegen Österreich den König von Hannover, den Kurfürsten von Hessen und den Herzog von Nassau; ihre Länder sowie Schleswig-Holstein und die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main wurden Preußen einverleibt. Durch den Krieg hatte der Deutsche Bund, der seit 1815 alle deutschen
Staaten umfaßt hatte, zu existieren aufgehört, und Bismarck gründete den Norddeutschen Bund, der die 22 Kleinstaaten nördlich des Mains unter preußischer Führung vereinigte, während die drei süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden sowie ein Teil Hessens außerhalb des Bundes blieben. Der Norddeutsche Bund bestand vom 18. August 1866 bis zum 3I.Dezember 1870. 533
342 Die Schlacht hei Sadowa - auch Schlacht bei Königgrätz genannt - am 3. Juli 1866 entschied Preußens Sieg im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866. 535
343 Der Baseler internationale Arbeiterkpngreß (6. bis 11.September 1869) nahm folgenden Beschluß an: „Der Kongreß erklärt, daß es eine Notwendigkeit ist. den Grund und Boden zu Kollektiveigentum zu machen." (Siehe „Verhandlungen des IV. Congresses des internationalen Arbeiterbundes in Basel", Bulletin 1 -7, S. 63.) 537
344 Nachdem am 1 .September 1870 die deutschen Truppen bei Sedan einen entscheidenden Sieg über Napoleon III. erkämpft hatten, schlössen die drei süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden im November in Versailles Verträge über ihre Vereinigung mit dem Norddeutschen Bund zu einem Deutschen Reich, in dem Preußen die Vorherrschaft hatte. Die Proklamierung des Deutschen Reiches erfolgte anläßlich der Kaiserkrönung am 18. Januar 1871 in Versailles. 537 345 Engels hat folgende Stelle aus den Artikeln „Zur Wohnungsfrage", geschrieben im Jahre 1872, im Auge: „In Wirklichkeit aber ist auch in Deutschland der Staat, wie er besteht, das notwendige Produkt der gesellschaftlichen Unterlage, aus der er herausgewachsen ist. In Preußen - und Preußen ist jetzt maßgebend - besteht neben einem immer noch starken, großgrundbesitzenden Adel eine verhältnismäßig junge und namentlich sehr feige Bourgeoisie, die sich bisher weder die direkte politische Herrschaft, wie in Frankreich, noch die mehr oder weniger indirekte, wie in England, erkämpft hat. Neben beiden Klassen aber besteht ein sich rasch vermehrendes, intellektuell sehr entwickeltes und sich täglich mehr und mehr organisierendes Proletariat. Wir finden also hier neben der Grundbedingung der alten absolutenMonarchie: dem Gleichgewicht zwischen Grundadel und Bourgeoisie, die Grundbedingung des modernen Bonapartismas: das Gleichgewicht zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Sowohl in der alten absoluten wie in der modernen bonapartistischen Monarchie aber liegt die wirkliche Regierungsgewalt in den Händen einer besonderen Offiziers- und Beamtenkaste, die sich in Preußen teils aus sich selbst, teils aus dem kleinen Majoratsadel, seltener aus dem großen Adel, zum geringsten Teil aus der Bourgeoisie ergänzt. Die Selbständigkeit dieser Kaste, die außerhalb und sozusagen über der Gesellschaft zu stehen scheint, gibt dem Staat den Schein der Selbständigkeit gegenüber der Gesellschaft." (Karl Marx und Friedrich Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Bd. I, Berlin 1954, S. 574.) 538
846 Mit dem Krach von 1873 endete in Deutschland die nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 einsetzende Periode der sog. Gründerjahre, eine Zeit wilder Spekulationen und Börsenmanipulationen. 540
347 Spichern (ö.August 1870), Mars-la-Tour (lö.August 1870), Sedan (I.September 1870) Schlachten während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, in denen die deutschen Truppen die Heere Napoleons III. besiegten. 540
348 Diese Losung erschien nach dem Sieg der deutschen Truppen über Napoleon III. vom 2I.September 1870 an in der Zeitung „Der Volksstaat". 540
40 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
849 „Der Volksstaat" - das von Wilhelm Liebknecht redigierte Organ der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei, der sog. Eisenacher; erschien von 1869 bis 1876 in Leipzig. 540 850 Eei den Reichstagswahlen vom 10. Januar 1874 erhielt die Sozialdemokratie über 350000 Stimmen und neun Sitze. 541 351 Mit dieser Ansprache vom 1.Dezember 1850 informierte die neugebildete Zentralbehörde in Köln die Gemeinden des Bu ndes in erster Linie über die Trennung von der Fraktion Willich-Schapper und sprach sich entschieden gegen die Auffassungen und Handlungen dieser Gruppe aus. In der Ansprache werden der Beschluß der Londoner Zentralbehörde vom 15. September 1850 über die Bildung einer neuen Zentralbehörde in Köln und der Antrag des Londoner Kreises des Bundes der Kommunisten an die Kölner Zentralbehörde auf Ausschluß sämtlicher Mitglieder des Sonderbundes wiedergegeben. Dieses Dokument wurde bei dem am 10. Mai 1851 in Leipzig verhafteten Emissär der Kölner Zentralbehörde, dem Schneidergesellen Peter Nothjung, gefunden und von der sächsischen Polizei dem „Dresdner Journal und Anzeiger" zur Veröffentlichung übergeben, urn auf die für „Staat und Gesellschaft gefährlichen Umtriebe der demokratischsozial-kommunistischen Partei aufmerksam zu machen". ,J)resdner Journal und Anzeiger" - erste von der sächsischen Regierung zugelassene politische Tageszeitung Dresdens, gegründet 1848, zuerst demokratisch-liberaler Richtung, ab I.Oktober 1848 Sprachrohr der sächsischen Regierung und ab I.April 1849 Staatseigentum; erschien noch 1904. 561 852 Sonderbund nannten Marx und Engels die abenteuerlich-sektiererische Fraktion WillichSchapper, die sich nach dem 15. September 1850 vom Bui.d der Kommunisten abgespalten und eine besondere Organisation mit eigener Zentralbehörde gebildet hatte (siehe auch Anm. 275). Mit seiner Tätigkeit begünstigte der Sonderbund die Aufdeckung illegaler Gemeinden des Bundes der Kommunisten in Deutschland durch die preußische Polizei und gab dieser den Anlaß, 1852 in Köln einen Gerichtsprozeß gegen bekannte Funktionäre des Bundes der Kommunisten zu inszenieren. 564 363 Die Statuten des Kommunistischen Bundes waren nach der Spaltung des Bundes im September 1850 von der Zentralbehörde in Köln entsprechend den Hinweisen von Marx und Engels verfaßt worden. Am 10.Dezember 1850 wurden diese Statuten zusammen mit anderen Dokumenten der Zentralbehörde an den Londoner Kreis des Bundes gesandt und auf dessen Sitzung am 5. Januar 1851, an der auch Marx teilnahm, gebilligt. Der Text der Statuten, die die preußische Polizei zusammen mit anderen Dokumenten bei der Verhaftung von Mitgliedern des Bundes der Kommunisten beschlagnahmt hatte, wurde in dem von Wermuth und Stieber verfaßten Buch „Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts" veröffentlicht. 565 354 Im Frühjahr 1851 übersetzten Marx und Engels den Trinkspruch Blanquis, den dieser am 1 O.Februar 1851 aus dem Gefängnis Belle-Ile-en-Mer an das Vorbereitungskomitee des „Banketts der Gleichen" (siehe Anm. 316) gesandt hatte, aUs dem Französischen ins Deutsche und Englische und versahen ihn mit einer kurzen Vorbemerkung. Die deutsche Ubersetzung wurde in einer Auflage von 30000 Exemplaren gedruckt und sowohl in Deutschland als auch in England verbreitet. 568
Literaturverzeichnis einschließlich der von Marx und Engels erwähnten Schriften
Bei den von Marx und Engels zitierten Schriften werden, soweit sie sich feststellen ließen, die vermutlich von ihnen.benutzten Ausgaben angegeben. In einigen Fällen, besonders bei allgemeinen Quellen- und Literaturhinweisen, werden neuere Ausgaben der Schriften angeführt. Gesetze und Dokumente werden nur dann nachgewiesen, wenn aus ihnen zitiert wurde. Einige Quellen konnten nicht ermittelt werden.
/. Werke ttrtd Aufsätze genannter und anonymer Autoren
„Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten". Neue Ausg., 2 Th. in 4 Bdn„ Berlin 1817 (siehe auch Anm. 85). 117
Ariosto, Lodovico „L'Orlando furioso" [Der rasende Roland], Bd. 1, Venedig 1811. 26 50
Arndt, Ernst Moritz „Des Deutschen Vaterland", Gedicht. In: „Ernst Moritz Arndts ausgewählte Werke", hrsg. und mit Einl. und Anm. vers. von Heinrich Meisner und Robert Geerds, Bd. 1 -16, Leipzig o. J. Bd. 3. 214
[Bastiat, Frederic, et Pierre-Joseph Proudhon] „Gratuite du credit. Discussion entre M.Fr.Bastiat et M. Proudhon" [Die Unentgeltlichkeit des Kredits. Diskussion zwischen Herrn Fr. Bastiat und Herrn Proudhon], Paris 1850 (siehe auch Anm. 62). 97 439
„Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des alten und neuen Testaments", nach der deutschen Übers. Martin Luthers. 65 343 350-354 357
- I.Buch Mose 2, 1-3; 39, 7-12. 48 73
- 5. Buch Mose 7, 5-6.354
- I.Buch Samuelis 18. 44
- Die Sprüche Salomos. Das Hohelied Salomos. 201
- Ev. Matthäi 6, 3. 57
Blanqui, L[ouis~] A\uguste\ „Trinkspruch", gesandt durch den Bürger L.A.Blanqui an die Kommission der Flüchtlinge zu London für die Jahresfeier des 24. Februar 1851. Veröffentlicht durch die Freunde der Gleichheit, Bern 1851. 466 467 568-570
40*
Boisguillebert, [Pierre lePesant] „Le detail de la France". In: Eugene Daire, „Economistes financiers du XVIIIe siecle" [Frankreich im Einzelnen. In: Eugene Daire, Finanz-Ökonomen des 18. Jahrhunderts], Paris 1843. 81
- „Dissertation sur la nature des richesses, de l'argent et des tributs ou l'on ddcouvre la fausse idee qui regne dans le monde ä l'egard de ces trois articles" [Abhandlung über das Wesen der Reichtümer, des Geldes und der Abgaben, in der die falsche Idee enthüllt wird, die in der Welt herrscht bezüglich dieser drei Artikel], ebendort. 81
- „Factum de la France" [Frankreich in Tatsachen], ebendort. 81
Carlyle, Thomas „Chartism" [Der Chartismus], London 1840. 255
- „The French Revolution: AHistory" [Geschichte der Französischen Revolution], Vol. 1-3, London 1837. 255
- „Latter-Day Pamphlets" [Zeitgenössische Pamphlete], London 1850. 255-265
- „The Present Time" [Die Gegenwart], ebendort, No. I. 255-265
- „Model Prisons" [Mustergefängnisse], ebendort, No. II. 255-265
- „Oliver CromWell's Letters and Speeches" with Elucidations [Oliver Cromwells Briefe und Reden mit Erläuterungen], Vol. 1-4, London 1902. 255
- „On Heroes, Hero-Worship, and the Heroic in History" [Über Helden, Heldenverehrung und das Heroische in der Geschichte], London 1841. 256
- „Past and Present" [Vergangenheit und Gegenwart], London 1843. 255
Cervantes Saavedra, Miguel de „Vida y Hechos del ingenioso Hildalgo Don Quixote de la Mancha" [Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote von La Mancha], En Haia 1744.135 203 442
Chenu, A[dolphe\ „Les Conspirateurs". Les socidtds secretes; La prefecture de police sous Caussidiere; Les ccrps-francs [Die Verschwörer. Die Geheimgesellschaften; Die Polizeipräfektur unter Caussidiere; Die Freikorps], Paris 1850. 266-280
„Code Napoleon\ Paris und Leipzig 1808 (siehe auch Anm. 84). 116
„Code penal", ou code des delits et des peines [Strafgesetzbuch oder Kodex der Verbrechen und der Strafen], Cologne 1810. 277
[„Constitutio criminalis Carolina"] „Die Carolina und ihre Vorgängerinnen". Text, Erläuterung, Geschichte. In Verbindung mit anderen Gelehrten hrsg. und bearb. von J. Kohler. I. „Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Constitutio criminalis Carolina". Kritisch hrsg. von J. Kohler und Willy Scheel, Halle 1900 (siehe auch Anm. 218). 340
„Constitution de la Republique frangaise", votee par TAssemblee nationale dans sa seance du 4 novembre 1848. „Constitution der französischen Republik", von der Nationalversammlung in ihrer Sitzung vom 4. November 1848 beschlossen [Französisch und Deutsch], Stuttgart 1848 (siehe auch Anm. 36 und 329). 64 494-506
Cooper, James Fenimore „Der Spion". Eine Erzählung aus dem amerikanischen Kriege, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1841 (siehe auch Anm. 176). 266 267 269
Dataner, G[eorg] Fr[iedrich] „Die Religion des neuen Weltalters". Versuch einer combinatorisch-aphoristischen Grundlegung, Bd. 1-3, Hamburg 1850. 198—203 - „Der Feuer- und Molochdienst der alten Hebräer als urväterlicher, legaler, orthodoxer Cultus der Nation", historisch-kritisch nachgewiesen durch G. Fr. Daumer, Braunschweig 1842 (siehe auch Anm. 131). 200 - „Die Geheimnisse des christlichen Alterthums", Bd. 1-2, Hamburg 1847 (siehe auch Anm. 131). 200 - „Hafis". Neue Sammlung, Nürnberg 1852. 201 - „Mahomed und sein Werk". Eine Sammlung orientalischer Gedichte, Hamburg 1848. 201 [Dickens, Charles] „Leben und Abenteuer des Herrn Martin Chuzzlewit, seiner Verwandten, Freunde und Feinde". Hrsg. von Boz. Frei nach dem Englischen von Erwin von Moosthal und Ludwig Hauff, Th. 1-17, Stuttgart 1844 (siehe auch Anm. 172). 256
Eccarius, J[ohann] G[eorg] „Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capitals". In: „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", H. 5/6, Mai bis October 1850, London, Hamburg und New-York 1850 (siehe auch Anm. 277). 416 Engels, Friedrich „Der Deutsche Bauernkrieg", Zweiter, mit einer Einl. vers. Abdr., Leipzig 1870. 531-537 539 - „Der Deutsche Bauernkrieg", Dritter Abdr., Leipzig 1875. 537-542 - „Zur Wohnungsfrage". Separatabdruck aus dem „Volksstaat", Leipzig 1872 (siehe auch Anm. 345). 538 Evans, D[avid\ Morier „The Commercial Crisis 1847-1848" [Die Handelskrise 1847-1848], London 1848 (siehe auch Anm. 287). 427
Fourier, Ch[arles] „La fausse industrie morcelee, repugnante, mensongere et l'antidote, l'industrie naturelle, combin6e: attrayante, v6ridique" [Falsche wirtschaftliche Tätigkeit, unzusammenhängend, abstoßend und lügnerisch, und das Gegengift dazu - eine natürliche, kombinierte, anziehende und wahre wirtschaftliche Tätigkeit], Paris 1836 (siehe auch Anm. 181). 277 - (anonym) „Section 6bauch6e des trois unit6s externes" [Entwurf des Abschnitts von den drei äußeren Einheiten]. In: „La Phalange". Revue de la Science Sociale, XIVeann6e, Ire s6rie in 8°, T. 1, Paris 1845 (siehe auch Anm. 181). 277 - „Theorie des quatre mouvements et des destinees generales". In: „CEuvres completes" [Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen. In: Sämtliche Werke], 2. 6d., T. 1, Paris 1841 (siehe auch Anm. 181). 277 - „Theorie de l'unit6 universelle". In: „CEuvres completes" [Theorie der universellen Einheit. In: Sämtliche Werke], 2.6d. T. 2-5, Paris 1841-1845. T. 4 (siehe auch Anm. 181). 277 - „Trait6 de l'association domestique-agricole" [Abhandlung über die häuslich-landwirtschaftliche Vereinigung], Paris, Londres 1822 (siehe auch Anm. 181). 277 drosch- und Mäusekrieg" (Batrachomyomachia). Freie Übertragung in Jamben von Johannes Kern, Breslau 1848 (siehe auch Anm. 147). 214
Girardin, Emile de „Le socialisme et l'impot" [Der Sozialismus und die Steuer], Paris 1849. 280-291
Goethe, Johann Wolf gang von „Wilhelm Meisters Lehrjahre". In: „Goethe's Werke", Bd. 1-20, Stuttgart und Tübingen 1815-1819. Bd. 4 (siehe auch Anm. 133). 203
Guizot, [jFranqois-Pierre-Guillaume\ vPourquoi la revolution d'Angleterre a-t-elle reussi? Discours sur l'histoire de la revolution d'Angleterre" [Warum hatte die Revolution in England Erfolg? Vortrag zur Geschichte der englischen Revolution], Paris 1850. 207-212 255
Heine, Heinrich „Atta Troll. Ein Sommernachtstraum". In: „Heinrich Heine's sämmtliche Werke", Bd. 1-18, Hamburg 1867-1868, Bd. 17 (siehe auch Anm. 100). 143
[Herwegh, Georg] „Aus den Bergen". In: „Gedichte eines L ebendigen". Neue wohlfeile Ausg., Th. 2, Zürich 1848 (siehe auch Anm. 50). 74 75
Hodde, Luden de la „La naissance de la Republique en F'6vrier 1848" [Die Geburt der Republik im Februar 1848], Paris 1848. 266-280
,Jjomers Ilias" von Johann Heinrich Voss, 1.-12. Gesang, Altona 1793 (siehe auch Anm. III und 147). 154 214
Hugo, Victor „Les Burgraves" [Die Burggrafen], Trilogie, Berlin 1843 (siehe auch Anm. 64). 99 447
[Juvenalis] „Decimi Junii Juvenalis Satirae" [Die Satiren des Decimus Junius Juvenalis], Berlin und Leipzig 1775. 525
Kant, Immanuel „Der Rechtslehre Zweiter Theil. Das öffentliche Recht". In: „Immanuel Kant's sämmtliche Werke", hrsg. von Karl Rosenkranz und Friedr. Wilh. Schubert, Bd. 1-12, Leipzig 1838-1840. Th. 9. 76
Klopstock, [Friedrich Gottlieb] „Dem Allgegenwärtigen". In: „Klopstocks Oden und Elegien" mit erkl. Anm. und einer Ein!, von dem Leben und den Schriften des Dichters. Von C. F. R. Vetterlein, Bd. 1-3, Leipzig 1827-1828, Bd. 2. 202 Knigge, Adolph [Franz Friedrich Ludwig] v[on\ „Ueber den Umgang mit Menschen". Im Auszuge, 3 Th., Hildburghausen und New York 1830. 201
Leo, Heinrich „Die Hegelingen". Actenstücke und Belege zu der s. g. Denunciation der ewigen Wahrheit, Halle 1838 (siehe auch Anm. 311). 463 [Lesage, Alain Rene] „Geschichte des Gil Blas von Santillana", aus dem Franz. des Le Sage von G.Fink, 2. unveränd. Ausg., Pforzheim 1842. 271
Luther, Martin „An den Christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen standes besserung", Wittemberg 1520. In: „D.Martin Luthers Werke", Kritische Gesamtausgabe, Bd. 6, Weimar 1888. 348
- „Eyn brieff an die Fürsten zu Sachsen von dem auffrurischen geyst", 1524. Ebendort, Bd. 15, Weimar 1899. 356
.- „Widder die reubischen und mordischen rotten der andern bawren", 1525. Ebendort, Bd. 18, Weimar 1908 (siehe auch Anm. 233). 350
Marx, Karl „Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte", 3. Aufl., Hamburg 1885. 513 532 [Marx, Karl „Einleitung zum Programm der französischen Arbeiterpartei von 1880"]. In: „Le Programme du Parti Ouvrier" [Das Programm der Arbeiterpartei] par Jules Guesde et Paul Lafargue, Paris [1883] (siehe auch Anm. 337). 519
Marx, Karl „Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln". Neuer Abdr., mit Einl. von Friedrich Engels, und Dokumenten, Hottingen-Zürich [1885]. 254 312 Marx, Karl „Mis&re de la philosophie. Reponse ä la philosophie de la misere de M. Proudhon" [Das Elend der Philosophie. Antwort auf Proudhons Philosophie des Elends], Paris, Bruxelles 1847. 323 Marx, Karl „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850", Berlin 1895. 511-527 [Marx, Karl, und Friedrich Engels] „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850". In: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" von Karl Marx. Neuer Abdr., mit Einl. von Friedrich Engels, und Dokumenten, Hottingen-Zürich [1885] (siehe auch Anm. 167). 306 563 Marx, Karl, und Friedrich Engels „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland", gedruckt als Flugblatt, Köln 1848 (siehe auch Anm. 185). 291 [Marx, Karl, und Friedrich Engels] „Manifest der Kommunistischen Partei", London 1848. 244 323 511 513 562 563
[Mieroslawski, Ludwig von] „Berichte des Generals Mieroslawski über den Feldzug in Baden", Bern 1849. 177 [Mozart, Wolf gang Amadeus] „Don Juan". Oper in zwei Akten. Nach dem Italienischen des Abb. da Ponte frei bearbeitet von riedrich Rochlitz, Leipzig 1801 (siehe auch Anm. 310). 461 - „Die Zauberflöte". Eine Große Oper in zwey Aufzügen. Von Emmanuel Schikaneder. Die Musik ist von Herrn Wolf gang Amade Mozart, Wien 1791. 261
[Ovidius Naso, Publius] „Tristium" [Klagelieder], Berolini 1837. 467
Schiller, Friedrich von „Das Lied von der Glocke". In: „Friedrich von Schiller[s] sämmtliche Werke", Bdch. 1-18, Stuttgart und Tübingen 1822-1826. Bdch. 2 (siehe auch Anm. 127). 199 Shak[c]speare, [William] „König Heinrich der Vierte". In: „Shakspeare's dramatische Werke", übers, von August Wilhelm von Schlegel, erg. und erl. von Ludwig Tieck, Th. 1-9, Berlin 1825-1833. Th. 1 (siehe auch Anm. 115). 165
- „Die lustigen Weiber von Windsor", ebendort, Th. 8 (siehe auch Anm. 115). 165
Simon, Ludwig „Ein Wort des Rechts für alle Reichsverfassungs-Kämpfer an die deutschen Geschwornen", Frankfurt am Main 1849. 203-206
Sterne, Lawrence „The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman". In: „The Works of Laurence Sterne in ten Volumes complete" [Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys. In: Die Werke von Laurence Sterne in zehn Bänden vollständig], London 1793. Bd. 1 (siehe auch Anm. 29). 47
Stirner, Max [Johann Caspar Schmidt] „Der Einzige und sein Eigenthum", Leipzig 1845 (siehe auch Anm. 281). 418-420
Struve, Gustav „Geschichte der drei Volkserhebungen in Baden", Bern 1849. 179-181 192 193 - „Die Grundrechte des deutschen Volkes", Birsfelden 1848. 138 Sue, Eugene „Les mysteres de Paris" [Die Geheimnisse von Paris], T. 1-14, Bruxelles 1843. 87
Tooke, Thomas „A History of Prices, and of the State of the Circulation, from 1839 to 1847 inclusive" [Geschichte der Preise und des Geldumlaufs von 1839 bis einschließlich 1847J, London 1848 (siehe auch Anm. 285). 427
Vaaban, [Sebastien le Pretre is] „Projet d'une dime royale". In: Eugene Daire, „Economistes financiers du XVIIIe si&cle" [Projekt einer königlichen Zehntsteuer. In: Eugene Daire, Finanz-Ökonomendes 18. Jahrhunderts], Paris 1843. 81
Vidal, F[ranfois] „De la r6partition des richesses ou de la justice distributive en economie sociale" [Über die Verteilung der Reichtümer oder die Gerechtigkeit der Verteilung in der Sozialökonomie], Paris 1846. 91 Voltaire, Frangois-Marie-Arouet de „La Henriade", Paris 1823. 73
Wieland, C[hristoph] M[artin] „Oberon". Ein romantisches Heldengedicht in zwölf Gesängen. In: „C.M. Wielands sämmtliche Werke", Bd. 1-38 und Supp.-Bd. 1-6, Leipzig 1794-1805. Bd. 22 und 23 (siehe auch Anm. 282). 419
Zimmermann, W[ilhelm] „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges", Th. 1 -3, Stuttgart 1841-1843. 359 531 - Th. 1 (siehe auch Anm. 229 230 250 252). 347 348 359 361 - Th. 2 (siehe auch Anm. 238 240 241 244-247 249 264 265-267). 351-357 378 379 381 382 - ebendort, Th. 3 (siehe auch Anm. 233-235). 350
II. Periodica
,Abend-Post. Demokratische Zeitung", Berlin, Nr. 78 vom 6. April 1850. 299-301 - Nr. 79 vom 7.APril 1850. 299-301 - Nr. 86 vom 14. April 1850. 302 ,Allgemeine Zeitung", Augsburg (siehe auch Anm. 130). 199 JJAssemblde nationale", Paris (siehe auch Anm. 65). 101 218 320 449
Nürnberger Zeitung", Bamberg. 199 ,ßayerische Landbötin", München (siehe auch Anm. 130). 199 glätter für literarische Unterhaltung", Leipzig (siehe auch Anm. 129). 199
„Der Bote für Stadt und Land". Pfälzisches Volksblatt, Kaiserslautern (siehe auch Anm. 108). 151
„Bremer Tages-Chronik- Organ der Demokratie". Norddeutsche Abendzeitung,Bremen (siehe auch Anm. 312). 464 465 - Nr. 474 vom 17. Januar 1851 (siehe auch Anm. 313). 464 465
„Le Charivari", Paris (siehe auch Anm. 177). 267 268 „Le Constitutionnel". Journal politique, litt6raire, universel, Paris (siehe auch Anm. 66). 101 449 „Correspondent von und für Deutschland", Nürnberg (siehe auch Anm. 126). 198 199
„La Democratie pacifique", Paris (siehe auch Anm. 38). 67 - Nr. 161 vom 13. Juni 1849 (siehe auch Anm. 40). 68 „The Democratic Review of British and Foreign Politics, History and Literature", London 1850 (siehe auch Anm. 160). 232 demokratische Zeitung", Berlin. 548 ,JDeutsche Londoner Zeitung". Blätter für Politik, Literatur und Kunst, London (siehe auch Anm. 4). 548 560 - Nr. 239 vom 26. Oktober 1849 (siehe auch Anm. 99). 138 - Nr. 241 vom 9. November 1849. 7 - Nr. 242 vom 16. November 1849. 7 „Deutsche Schnellpost für europäische Zustände, öffentliches und sociales Leben Deutschlands", New-York. 548 „Deutscher Zuschauer", Mannheim. 136 „Dresdner Journal und Anzeiger", Dresden (siehe auch Anm. 351). 561
„The Economist", Weekly Commercial Times, Bankers' Gazette, and Railway Monitor: A Political, Literary, and General Newspaper, London (siehe auch Anm. 288). 438 - Nr. 369 vom 21. September 1850. 432 - Nr. 373 vom 19. Oktober 1850. 429
„Fliegende Blätter", München (siehe auch Anm. 107). 147 ,frankfurter Journal", Frankfurt a. M. (siehe auch Anm. 109). 152 ,J)er Freischütz", Hamburg. 558
„La Gazette de France", Paris (siehe auch Anm. 12). 18 „The Globe and Traveller", London (siehe auch Anm. 208). 320 444
JHansard's Parliamentary Debates: Third Serics; Commencing with the Accession of William IV. Vol. CI. Comprising the Period from the tenth Day of August to the fifth Day of September, 1848" [Hansards parlamentarische Debatten: 3.Serie; beginnend mit der Thronbesteigung von William IV. BandCI. Umfassend die Periode vom 10. August bis 5.September 1848], London 1848 (siehe auch Anm. 284). 426
„Journal des Ddbats politiques et litteraires", Paris (siehe auch Anm. 24). 37 101 449 - Nr. vom 28. August 1848 (siehe auch Anm. 24). 37
„KarlsruherZeitung". Organ des Landesausschusses, Karlsruhe (siehe auch Anm. 101). 144 Karlsruher Zeitung". Organ der provisorischen Regierung, Karlsruhe (siehe auch Anm. 101). 144 152 - Nr. 34 vom 21. Juni 1849 (siehe auch Anm. 103). 144 ,Kölnische Zeitung", Köln (siehe auch Anm. 11 u). 152 - Nr. 109 vom 8. Mai 1849 (siehe auch Anm. 81). 112 - Nr. 110 vom 9. Mai 1849, 2.Ausg. (siehe auch Anm. 87). 118 119
„Le Moniteur universel", Paris (siehe auch Anm. 14). 21 33 71 77 297 - Nr. 56 vom 25.Februar 1848 (siehe auch Anm. 15). 21 - Nr. 172 vom 20. Juni 1848 (siehe auch Anm. 25). 41 494 - Nr. 174 vom 22. Juni 1848. 31 - Nr. 130 vom 10. Mai 1849.57 - Nr. 163 vom 12. Juni 1849 (siehe auch Anm. 37). 65 - Nr. 171 vom 20.Juni 1849 (siehe auch Anm. 42). 72 - Nr. 189 vom 8. Juli 1849 (siehe auch Anm. 43). 72 - Nr. 250 vom 7. September 1849. 74 - Nr. 305 vom I.November 1849 (siehe auch Anm. 55). 76 86 - Nr. 315 vom 1 I.November 1849 (siehe auch Anm. 55). 86 - Nr. 303 vom 30. Oktober 1850. 107 455 „Le Moniteur du Soir", Paris. 297
,Xe Napoleon", Paris (siehe auch Anm. 56). 87 „Le National". Paris (siehe auch Anm. 11). 16 17 22 29 36 40-48 52 54 55 58 59 62 70 72 88 103 277 278 458 „Neue Deutsche Zeitung. Organ der Demokratie", Frankfurt [a.M.] (siehe auch Anm. 210). 323 324 541 - Nr. vom 22. Juni 1850. 323 324 „Neue Oder-Zeitung", Breslau (siehe auch Anm. 170). 249 „Neue Preußische Zeitung", Berlin (siehe auch Anm. 205). 318 320 - Nr. 117 vom 25. Mai 1849 (siehe auch Anm. 206). 318 321 „Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie", Köln 1848/49. 56114117131 141 146 151 161 314 319 321 324 464 465 511 546 549 - Nr. 29 vom 29. Juni 1848. 31 32 - Nr. 174 vom 21.Dezember 1848 (siehe auch Anm. 28). 45 - Nr. 209 vom 31. Januar 1849 (siehe auch Anm. 32). 52
„Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", H. 1-6, London, Hamburg und New York 1850 (siehe auch Anm. 1). 5 6 114 464 465 549 550 - H. 1. 324 512 - H.2. 145 255 292 435 512 513 - H. 3. % 101 102 282 292 2% 323 449 450 512 -H. 4. 295 417 - H. 5/6. 95 512 513 531 532
„New-Yorker Staatszeitung", New York. 548
„Norddeutsche Freie Presse' ', Hamburg-Altona. 548 557
„The Northern Star, and National Trades' Journal", London (siehe auch Anm. 2). 7 445 547 548
„Notes to the People", London (siehe auch Anm. 327). 494
„Nürnberger Courier", Nürnberg (siehe auch Anm. 128). 199
,JM Patrie". Journal du Commerce, Paris (siehe auch Anm. 187). 296-298 - Nr. 67 vorn 8. März 1850. 296 - Nr. 74 vom 15. März 1850. 298 „Le Peuple", Paris, Nr. 206 vom 13. Juni 1849 (siehe auch Anm. 39 und 40). 67 68 ,Xe Peuple de 1850", Paris, Nr. 6 vom 1 I.August 1850 (siehe auch Anm. 67). 101 449 - Nr. 7 vom 14. August 1850 (siehe auch Anm. 67). 101 449 - Nr. 25 vom 25. September 1850 (siehe auch Anm. 73). 104 452 „La Phalange". Revue de la Science Sociale, Paris, Jg. 1845 (siehe auch Anm. 181). 277 „Le Pouvoir", Paris (siehe auch Anm. 69). 103 451 „La Presse", Paris (siehe auch Anm. 46). 72 88 ,preußischer Staats-Anzeiger", Berlin, Nr. 3 vom 3. Januar 1849 (siehe auch Anm. 116). 166 - Nr. 10 vom 10. Januar 1850 (siehe auch Anm. 143). 213 - Nr. 37 vom 7. Februar 1850 (siehe auch Anm. 159). 222 ,Xe Proscrit". Journal de la Republique universelle, Paris, Londres, Nr. 2 vom 6. August 1850 (siehe auch Anm. 196). 308 459-463 tfunch, or the London Charivari", London (siehe auch Anm. 186). 292 „The Red Republican", London, Nr. 9 vom 17. August 1850 (siehe auch Anm. 300). 443
,J)ie Reform". Politische Zeitung, Leipzig (siehe auch Anm. 100). 143 „La Reforme", Paris (siehe auch Anm. 23). 35 52 267 268 270 271 275 277 - Nr. 160 vom 13. Juni 1849 (siehe auch Anm. 40). 68 ,Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe", Köln 1842/43 (siehe auch Anm. 209). 320 321
„Schweizerische National-Zeitung", Basel. 223 548 J-e Siede", Paris (siehe auch Anm. 45). 72 88 103 218 451 „The Spectator", London (siehe auch Anm. 204). 315 325 - Nr. 1146 vom 15. Juni 1850. 325 326 „TheStatutes of the United Kingdom of Great Britain and Ireland [Gesetzsammlung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland], London 1848(sieheauch Anm. 202). 313-315 317 442 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main", hrsg. auf Beschluß der Nationalversammlung durch die Redactions-Commission und in deren Auftrag von Franz Wigard, Bd. 1 -9, Frankfurt a. M. und Leipzig 1848-1849. 204-206 - Bd. 8 (siehe auch Anm. 134). 204 „The San", London (siehe auch Anm. 201). 313
„The Times", London (siehe auch Anm. 3). 7 8 292 444 466 467 - Nr. vom 23. November 1849. 7 8 - Nr. vom 24. Mai 1850 (siehe auch Anm. 192). 305 - Nr. vom 5. März 1851. 466
„Verhandlungen des IV.Congresses des internationalen Arbeiterbundes in Basel", Bulletin 1 -7, Basel 1869 (siehe auch Anm. 343). 537 ,J)er Volksstaat". Organ der sozial-demokratischen Arbeiterpartei und der internationalen Gewerksgenossenschaften, Leipzig (siehe auch Anm. 349). 540
„Weser-Zeitung", Bremen (siehe auch Anm. 211). 325 - Nr. 2037 vom 22. Juni 1850. 325 „Westdeutsche Zeitung", Köln. 548 552
Marx und Friedrich Engels ihrem Leben und ihrer Tätigkeit
(August 1849 bis Juli 1851)
1849
Etwa 26.August Marx, aus Paris ausgewiesen, trifft in London ein, wo er bis an sein Lebensende wohnen bleibt.
Ende August bis Marx und einige Mitglieder der früheren Londoner Zentralbehörde reAnfang September konstituieren die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten.
Ende August bis Engels arbeitet in Lausanne an Skizzen unter dem Titel „Die deutsche September Reichsverfassungskampagne". In Genf trifft Engels mit Wilhelm Liebknecht zusammen, der bald darauf in den Bund der Kommunisten eintritt. Anfang September Marx tritt in den Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London ein, der von den örtlichen Gemeinden des Bundes der Kommunisten geleitet wird.
September bis Marx bereitet intensiv die Herausgabe eines Presseorgans vor, das als Dezember Fortsetzung der „Neuen Rheinischen Zeitung" erscheinen soll. Auf der Suche nach Geld, einem Verleger und Mitarbeitern wendet er sich an Freunde und Bekannte in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Paris und anderen Städten. 15.September Engels trifft in Bern mit Wilhelm Wolff zusammen. Etwa 17.September Marx' Frau trifft mit den Kindern, aus Paris kommend, in London ein. Die Familie Marx bezieht ein möbliertes Zimmer am Leicester Square, von wo sie bald nach Chelsea, Anderson Street 4, am Londoner Stadtrand, umzieht. Die Generalversammlung des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London wählt gemeinsam mit deutschen politischen Emigranten Marx in den Ausschuß zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in London. Marx unterzeichnet mit anderen Ausschußmitgliedern den ersten „Aufruf zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge"; der Aufruf wird in mehreren deutschen Zeitungen veröffentlicht. Engels verläßt auf Marx' Anraten die Schweiz, um sich zur gemeinsamen Arbeit mit Marx nach England zu begeben. Da ihm die französische
Karl Daten aus
18.September
20.September
Anfang Oktober
Regierung die Durchreise verweigert, benutzt er von Italien aus den Seeweg. 5.Oktober Engels trifft in Genua ein, wo er sich am 6. Oktober nach England einschifft. In einem Brief teilt er Julian Harney, dem Führer der linken Chartisten, mit, daß er Mitte November in London eintreffen werde, und bittet, Marx davon Mitteilung zu machen. Etwa Mitte Marx trifft sich mit dem Mitglied des Bundes der Kommunisten August Okiober Willich, der mit einer Empfehlung von Engels aus der Schweiz eingetroffen ist; auf Marx' Vorschlag wird Willich in die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten aufgenommen. November 1849 bis Marx hält im Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London LekSepternber 1850 tionen, in denen er die Grundlagen der Politischen Ökonomie und die wichtigsten Thesen des „Manifestes der Kommunistischen Partei" darlegt. Daneben liest er eine Reihe ausführlicher Lektionen zu den gleichen Fragen für aktive Funktionäre des Bundes der Kommunisten in seiner Wohnung. Einige dieser Lektionen beabsichtigt Marx in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" zu veröffentlichen. Seine Absicht konnte jedoch nicht verwirklicht werden.
Etwa 10. November Nach fünfwöchiger Seereise trifft Engels in London ein. Er wird in die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten aufgenommen, beteiligt sich an den Vorbereitungsarbeiten zur Herausgabe des neuen Presseorgans und tritt in den Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London ein. 18. November Die Versuche der kleinbürgerlich-demokratischen Emigranten (Struve, Heinzen und andere), die proletarischen Elemente der Londoner Emigranten durch Gründung einer eigenen Emigrantenorganisation unter ihren Einfluß zu bringen, veranlassen Marx und andere Führer des Bundes der Kommunisten, auf der Generalversammlung des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London den Ausschuß zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in ein Sozial-demokratisches Unterstützungskomitee für deutsche Flüchtlinge umzuwandeln. Die Versammlung bestätigt die neue Zusammensetzung des Komitees, dem auch Marx und Engels angehören. 28. November Engels schreibt für „The Northern Star", das Hauptorgan der Chartisten, den Brief „Die deutschen Sozial-Demokraten und die .Times'", in dem er sich gegen das demagogische, die deutsche revolutionäre Partei kompromittierende Auftreten Karl Heinzens wendet. Der Brief erscheint in der Zeitung am I.Dezember. 3.Dezember Marx und Engels unterzeichnen mit anderen die „Rechnungsablage des Ausschusses zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in London". 15.Dezember Marx und Engels schreiben die „Ankündigung der .Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue ". Die Ankündigung wurde in deutschen und Schweizer Zeitungen Ende Dezember 1849 und Anfang Januar 1850 veröffentlicht.
Etwa 25.Dezember Marx und Engels nehmen an der Weihnachtsfeier des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London teil.
31. Dezember Marx, Engels und andere Mitglieder der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten nehmen an einer Neujahrsfeier der Gesellschaft Fraternal Democrats (Brüderliche Demokraten) teil, bei der Vertreter der revolutionären Emigranten einer Reihe Länder anwesend sind, unter ihnen Vertreter der französischen blanquistischen Emigranten.
1850
Januar bis Februar Die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten, die von Marx und Engels geleitet wird, beginnt mit der Reorganisation des Bundes.
Marx und Engels beteiligen sich an der Abfassung der „Einleitung zur Aktienzeichnung auf die ,Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue'". Marx und Engels», die für eine unabhängige Organisation der Arbeiterpartei eintreten, weisen den Versuch der Führer der Londoner kleinbürgerlich-demokratischen Emigration (Struve, Rudolf Schramm, Bamberger und anderer), die deutschen Emigranten unter ihrer Führung zu vereinigen, zurück. Marx lehnt zugleich im Namen von Engels, Seiler, Weerth, Willich, Konrad Schramm und Ferdinand Wo Iff, die Einladung zu der für den 3. Januar einberufenen Einigungsversammlung unter anderem mit der Begründung ab, daß „kein einziger der Arbeiter zugezogen" worden sei, „die seit Jähren an der Spitze der Londoner deutschen Demokratie standen".
Marx erhält von Rudolf Schramm eine abermalige Einladung zur Versammlung am 3. Januar, die er unbeantwortet läßt.
Marx schreibt an das Mitglied des Bundes der Kommunisten Röser nach Köln und schlägt ihm vor, eine Bundesgemeinde in Köln und nach Möglichkeit auch in anderen Städten der Rheinprovinz zu gründen; er weist darauf hin, daß es die faktische Unterdrückung der Rede- und Pressefreiheit notwendig macht, den illegalen Bund wiederherzustellen; die kommunistische Propaganda könne in der nächsten Zeit nur im geheimen betrieben werden. Anfang Januar bis Marx arbeitet angestrengt an der Vorbereitung des ersten Heftes der Anfang Februar „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue"; unter der Überschrift „Die Jüniniederlage 1848" schreibt er den ersten Artikel der Reihe „1848 bis 1849", die Engels 1895 unter dem Titel „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" neu herausgegeben hat. 10. Januar Auf Marx' Vorschlag faßt die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten den Beschluß, Konr ad Schramm als Emissär des Bundes, zugleich versehen mit Mandaten der Chartisten und der französischen blanquistischen Emigranten, nach Amerika zu senden, um dort die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" zu propagieren und für ihre Herausgabe wie auch für andere propagandistische Zwecke Geld
1.Januar
2. Januar
Anfang Januar
aufzubringen. Marx wendet sich an seine Parteifreunde in Deutschland mit der Bitte, Geldbeträge für die Reise Schramms zu sammeln. Wegen finanzieller Schwierigkeiten kommt die Reise nicht zustande.
Ende Januar Durch Marx' Krankheit und Schwierigkeiten in der Manuskriptbeschaffung verzögert sich die Drucklegung des ersten Heftes der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue".
31. Januar Marx und Engels schreiben den Hauptteil der „Revue, Januar/Februar 1850", die im zweiten Heft der Zeitschrift erscheint.
Anfang Februar Auf eine Anfrage Rösers antwortet Marx, die Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten solle ihrer Propaganda das „Manifest der Kommunistischen Partei" zugrunde legen; die Statuten des Bundes von 1847 seien schon veraltet und die von der Londoner Zentralbehörde 1848 ausgearbeiteten fänden hier auch keine Billigung. Neue Statuten würden auf dem bevorstehenden Kongreß des Bundes der Kommunisten ausgearbeitet werden.
Etwa 2J'ebruar Marx und Engels senden das Manuskript des ersten Heftes der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" an den Verleger nach Hamburg. Wegen Marx' schwer lesbarer Handschrift und infolge der Angst des Verlegers Schuberth vor Verfolgungen zieht sich der Druck in die Länge.
Mitte Februar Engels schreibt für die Zeitschrift der Chartisten „The Democratic Review" den Artikel „Die Zehnstundenfrage". Der Artikel erscheint am 2. März.
25. Februar Engels spricht auf einem Bankett, das französische blanquistische Emigranten zu Ehren des Jahrestages der französischen Revolution von 1848 organisiert haben. Er beendet seine Rede mit einem Trinkspruch auf die Pariser Juniinsurgenten.
Ende Februar Marx und Engels schreiben den Schlußteil der „Revue, Januar/Februar 1850". Engels beendet seine Arbeit „Die deutsche Reichs Verfassungskampagne".
März Engels schreibt für die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" den Artikel „Die englische Zehnstundenbill".
4.März Die „Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London", an der auch Marx und Engels mitgearbeitet haben, wird auf der Versammlung des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London gebilligt. Die Rechnungsablage wird mit dem Appell „an die Mittel der Partei in Deutschland selbst" in der „Westdeutschen Zeitung" vom 21. März wie auch in anderen Zeitungen veröffentlicht.
6. März In Hamburg erscheint das erste Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue". Es enthält unter anderem den Artikel „Die Juniniederlage 1848" von Karl Marx und die ersten beiden Kapitel aus Engels' Arbeit „Die deutsche Reichsverfassungskampagne".
Etwa 7. März Marx beendet den zweiten Artikel der Reihe „1848 bis 1849" mit dem Titel „Der 13.Juni 1849".
Etwa 7. bis Marx schreibt unter dem Titel „Folgen des 13. Juni 1849" den dritten Ende März Artikel der Reihe „1848 bis 1849". In diesem Artikel spricht Marx von der Notwendigkeit des Bündnisses des Proletariats mit der Bauernschaft und weist darauf hin, daß das Wesen des revolutionären Kommunis mus in der Verkündung der ununterbrochenen Revolution und der Anerkennung der Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Ubergangsstufe zur Beseitigung der Klassenunterschiede überhaupt besteht.
Mitte März bis Marx und Engels schreiben die „Revue, März/April 1850", die hauptsäch18. April lieh der ökonomischen Lage Englands gewidmet ist.
Ende März In Hamburg erscheint das zweite Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", das folgende Beiträge enthält: Karl Marx' zweiten Artikel der Reihe „1848 bis 1849" mit dem Titel „Der 13. Juni 1849", das dritte Kapitel von Engels* Arbeit „Die deutsche Reichsverfassungskampagne", mehrere von Marx und Engels gemeinsam verfaßte Rezensionen und die „Revue, Januar/Februar 1850". Marx und Engels schreiben die „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850", in der sie die Bilanz der deutschen Revolution von 1S48/49 ziehen, die deutschen kleinbürgerlichen Demokraten scharf kritisieren, zur Festigung des Bundes und zur Schaffung einer selbständigen proletarischen Partei aufrufen und die Taktik des proletarischen Kampfes in der bevorstehenden Revolution ausarbeiten. Die Ansprache enthält Marx' und Engels' Grundthesen der Lehre von der ununterbrochenen Revolution.
Ende März bis Um die Reorganisation des Bundes der Kommunisten in den unteren Anfang April Einheiten durchführen zu können, sendet die von Marx und Engels geleitete Zentralbehörde des Bundes Heinrich Bauer mit der Ansprache als Emissär nach Deutschland. April Marx und Engels unterhalten gemeinsam mit Willich als Delegierte der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten einen ständigen Kontakt mit den französischen blanquistischen Emigranten und den revolutionären Chartisten; sie nehmen an der Gründung der Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten teil, die die Vertreter dieser drei Organisationen vereint. Marx schreibt den Artikel „Louis-Napoleon und Fould". Wegen rückständiger Miete werden die Haushaltungsgegenstände der Familie Marx gepfändet; die ganze Familie ist gezwungen, vorübergehend in ein Hotel zu ziehen, von wo sie bald in eine Wohnung im Hause Dean Street Nr. 64 umzieht.
5. April Marx und Engels nehmen an einer internationalen Kundgebung teil, die von der Gesellschaft Fraternal Democrats (Brüderliche Demokraten) zum Geburtstag Robespierres organisiert worden ist. In seiner Rede ruft Engels auf, nach den revolutionären Traditionen der Engländer zu handeln, und hebt hervor, daß schon zur Zeit der englischen Revolution
41 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
eine Partei wie die Leveller entstand. Er bringt einenTrinkspruch auf die englischen Arbeiter aus. Konrad Schramm, der wie Engels im Namen der deutschen Kommunisten spricht, verteidigt in seiner Rede Marx' Idee von der Notwendigkeit der Diktatur der Arbeiter für die völlige Aufhebung der Klassen und der gesellschaftlichen Bedingungen, die sie hervorbringen; er beendet seine Rede mit einem Trinkspruch auf Auguste Blanqui als fortgeschrittensten Vertreter des französischen Proletariats.
9.April bis Mai Marx und Engels schreiben mehrere Briefe an Joseph Weydemeyer und Theodor Schuster mit der Bitte, in Deutschland eine Geldsammlung für die deutschen Emigranten zu organisieren.
Etwa Mitte April Die von Marx und Engels geleitete Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten entsendet Dronke als Emissär in die Schweiz und beauftragt ihn, gemeinsam mit Wilhelm Wolff, der sich in Zürich aufhält, die Gemeinden des Bundes der Kommunisten wiederherzustellen bzw. zu festigen und den Intrigen der Geheimorganisation Revolutionäre Zentralisation, die von kleinbürgerlichen Demokraten geleitet wurde, entgegenzuwirken. Dronke wird außerdem beauftragt, Baden zu besuchen und Verbindungen zu den örtlichen Gemeinden des Bundes der Kommunisten herzustellen.
Mitte April Marx und Engels schreiben den Artikel „Gottfried Kinkel", in dem sie das kleinmütige und ehrlose Verhalten dieses typischen Vertreters der deutschen kleinbürgerlichen Demokratie vor dem preußischen Militärgericht entlarven.
Etwa 17. April In Hamburg erscheint das dritte Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", in dem der dritte Artikel der Reihe,, 1848 bis 1849" von Karl Marx mit dem Titel „Folgen des 13. Juni 1849" und das Schlußkapitel von Engels' Arbeit „Die deutsche Reichsverfassungskampagne" veröffentlicht werden.
20. April Marx und Engels schreiben im Namen des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees eine „Erklärung", in der sie die Verleumdungen zurückweisen, die von den Führern der kleinbürgerlichen Emigration verbreitet worden sind. Die Erklärung wird in der „Neuen Deutschen Zeitung" vom 28. April sowie in anderen Zeitungen veröffentlicht.
23. April Marx und Engels unterzeichnen neben anderen Mitgliedern die offizielle „Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees", in der die gegen die proletarische Partei gerichteten Intrigen der kleinbürgerlichen Demokraten Struve, Bobzin, Bauer (aus Stolpe) und anderer entlarvt werden. Die Rechnungsablage schließt mit dem Aufruf, die Emigranten in ihrer schweren materiellen Lage nicht zu verlassen. Sie wird in der „Norddeutschen Freien Presse" vom 10. Mai und in anderen Zeitungen veröffentlicht.
Ungefähr Mai Marx und Engels stellen im Auftrage der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten die Verbindung zum linken Flügel der ungarischen Emigration her.
Etwa l.Mai Engels übermittelt Wilhelm Wolff brieflich den Auftrag der Zentralbehörde des Burides der Kommunisten, die Tätigkeit der Revolutionären Zentralisation zu verfolgen und die Zentralbehörde systematisch zu informieren. 6. Mai Marx und Engels warnen Pardigon, einen Führer der französischen blanquistischen Emigrantenvereinigung in London, vor einer Annäherung an den unter der Leitung Struves stehenden kleinbürgerlichen Emigrantenverein und machen darauf aufmerksam, daß sich der Bund der Kommunisten sonst gezwungen sähe, die freundschaftlichen Beziehungen zur blanquistischen Vereinigung abzubrechen.
Etwa Mitte Mai Marx lernt auf einem vom Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London organisierten Ausflug Wilhelm Liebknecht kennen, der nach seiner Ausweisung aus der Schweiz in London eingetroffen ist. Etwa 19. Mai Es erscheint das vierte Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politischökonomische Revue". Dieses Heft enthält die von Marx und Engels gemeinsam geschriebenen Rezensionen, die „Revue, März/April 1850", den Artikel „Gottfried Kinkel" sowie die Artikel „Louis-Napoleon und Fould" von Marx und „Die englische Zehnstundenbill" von Engels. Anfang Jtmi Marx und Engels schreiben die „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom Juni 1850", in der sie ausführlich über den Zustand der Organisation in Belgien, Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich und in England berichten und den unteren Einheiten taktische und organisatorische Hinweise geben. Marx und Engels unterzeichnen neben anderen Mitgliedern des Sozialdemokratischen Flüchtlingskomitees eine Erklärung, in der verleumderische Beschuldigungen zurückgewiesen werden, die von den Führern der kleinbürgerlichen Emigration gegen das Komitee erhoben worden sind. Die Erklärung wird in der „Westdeutschen Zeitung" vom 25. Juni und auch in anderen Zeitungen veröffentlicht. Marx und Engels richten an die englischen Zeitungen „Sun", „Spectator", „Globe" und „Northern Star" offene Briefe, in denen sie gegen die auf Drängen der preußischen Regierung organisierten polizeilichen Verfolgungen politischer Emigranten in London und gegen die Versuche reaktionärer englischer Kreise, die Fremdenbill gegen die deutschen Flüchtlinge anzuwenden, protestieren. Marx und Engels schreiben jeder eine „Erklärung" an den Redakteur der Frankfurter „Neuen Deutschen Zeitung" Otto Lüning zu dessen Rezension über die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue". Marx wendet sich gegen die Entstellung seiner These von der Diktatur des Proletariats. Engels verteidigt seine Einschätzung der „Neuen Rheinischen Zeitung" als des einzigen Organs, das in der deutschen Revolution von 1848/49 konsequent auf der revolutionären Position des Proletariats stand. Beide Erklärungen werden am 4. Juli in der „Neuen Deutschen Zeitung" veröffentlicht. 14. Juni Mitte Juni 25. Juni
Ungefähr Juli Marx beginnt mit dem systematischen Studium der Geschichte der Ökonomie der letzten zehn Jahre. Er benutzt die Fachliteratur zur Geschichte der Preise, des Banksystems und der Wirtschaftskrisen in England und auf dem europäischen Kontinent sowie die vollständige Sammlung der Londoner Zeitschrift „Economist". Juli Das von Marx und Engels geleitete Sozial-demokratische Flüchtlingskomitee richtet für Emigranten ein Wohnheim, eine Gemeinschaftsküche und für die Arbeitsuchenden eine Produktionsstätte ein. Nach dem 3. Juli Marx und Engeis erhalten für die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten von Dronke einen ausführlichen Bericht über seine Tätigkeit zur Festigung des Bundes in der Schweiz und über seine Verhandlungen mit den Führern der Revolutionären Zentralisation. Marx, der für die Unabhängigkeit der proletarischen Partei eintritt, schlägt der Zentralbehörde vor, den von der Revolutionären Zentralisation gemachten Vereinigungsvorschlag abzulehnen. 30. Juli Marx und Engels unterzeichnen neben anderen Mitgliedern des Sozialdemokratischen Flüchtlingskomitees in London die „Rechnungsabiage" des Komitees für Mai, Juni und Juli 1850. Die Rechnungsablage wird in der „Norddeutschen Freien Presse" vom 8. August veröffentlicht. Ende Juli In der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten zeigen sich starke Meinungsverschiedenheiten zwischen Marx, Engels und der Mehrheit der Zentralbehörde einerseits und Willich andererseits infolge seiner Forderung, sich den kleinbürgerlichen Emigrantenorganisationen in London organisatorisch zu nähern. Marx und Engels kommen in der „Revue, Mai bis Oktober 1850" zu der Schlußfolgerung, daß sich die Wirtschaftskrise erschöpft habe und bei der allgemeinen Prosperität und der stürmischen Entwicklung der Produktivkräfte von einer wirklichen Revolution vorerst keine Rede mehr sein kann. Diese neue Einschätzung der Lage bestimmt Marx' und Engels' neue taktische Linie, die in einer geduldigen Vorbereitung der proletarischen Partei für die künftigen revolutionären Kämpfe besteht; Marx und Engels verteidigen diese Taktik in der Zentralbehörde. Etwa 28. August Auf der Sitzung des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees entsteht ein heftiger Konflikt zwischen Willich und der von Marx geführten Mehrheit des Komitees. Willich erklärt seinen Austritt aus dem Komitee. Am folgenden Tage üben Marx und Engels in der Versammlung des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London scharfe Kritik an Willich, der seinen Austritt aus dem Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitee bekanntgab. Ende des Sommers Engels beendet seine Arbeit „Der deutsche Bauernkrieg", die in der Zeit der Reaktion die revolutionären Traditionen im Bewußtsein des deutschen Volkes beleben soll. 10. September Engels nimmt an einer Kundgebung der Fraternal Democrats teil, auf der sich diese mit den Arbeitern der Bierbrauerei Barceley, Perkins &Co., die den Henker des ungarischen Volkes, den österreichischen Feldmarschall Haynau, verprügelt haben, solidarisch erklären. Engels dankt
10. bis 15. September
15. September
in seiner Rede den englischen Arbeitern dafür, daß sie seinem Landsmann in gebührender Weise einen Denkzettel gegeben haben.
Marx, Engels, Heinrich Bauer und Pfänder erklären ihren Austritt aus dem Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitee. Die Kommission, die vom Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London zur Überprüfung der Tätigkeit des Komitees ernannt wurde, befindet die Kassenbelege für richtig.
Marx kritisiert in der Sitzung der Zentralbehörde des'Bundes der Kommunisten Willich und Schapper scharf wegen ihrer falschen Einschätzung der politischen Lage und ihrer damit im Zusammenhang stehenden abenteuerlichen Taktik. Sie ersetzen die materialistische Analyse der wirklichen Verhältnisse durch „revolutionäre" Phrasen. In dieser Sitzung kommt es zur Spaltung des Bundes. Die Mehrheit der Zentralbehörde unterstützt Marx und Engels. Gegen die Stimmen der Spalterfraktion Willich-Schapper wird der Beschluß gefaßt, den Sitz der Zentralbehörde nach Köln zu verlegen; der Kölner Kreis wird beauftragt, eine neue Zentralbehörde zu bilden.
Marx erhält von den Kölner Kommunisten einen Brief, datiert vom 14. September, in dem sie ihn bitten, das „Manifest der Kommunistischen Partei" unter Berücksichtigung der letzten Ereignisse zu überarbeiten und neu herauszugeben sowie sein Buch über die Politische Ökonomie abzuschließen, dessen Herausgabe große Bedeutung für die Propaganda habe. Marx, Engels und ihre Anhänger treten aus dem Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London aus, weil sich die Mehrheit seiner Mitglieder auf die Seite Willichs und Schappers gestellt hat.
Marx und Engels unterzeichnen neben Heinrich Bauer und Karl Pfänder die letzte „Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees" für die Zeit vom I.August bis 10.September 1850. Die Rechnungsablage wird in der „Deutschen Londoner Zeitung" vom 27. September veröffentlicht. 24. September Marx sendet durch den Emissär der Zentralbehörde Haupt einen Brief an Röser nach Köln über die im Bund der Kommunisten erfolgte Spaltung. Etwa 28. September Marx erhält von Röser einen Brief, datiert vom 25. September, in dem dieser das vorläufige Einverständnis der Kölner Kreisbehörde des Bundes der Kommunisten mitteilt, wegen der in London eingetretenen Spaltung des Bundes die Aufgaben der Zentralbehörde zu übernehmen, und um Zusendung aller notwendigen Dokumente und Adressen bittet.
Ende September bis Marx und Engels berichten in Briefen an ihre Parteifreunde - Wilhelm Anfang Oktober Wolff, Joseph Weydemeyer, Ernst Dronke und andere - von der Spaltung im Bund der Kommunisten. Marx nimmt die Arbeit an der von ihm schon im Frühjahr 1844 geplanten Kritik der bürgerlichen Politischen Ökonomie wieder auf; er
Etwa 17. September
17. September
18. September
besucht systematisch die Bibliothek des Britischen Museums, wo er unter anderem Werke von John Stuart Mill, John Fullarton, Robert Torrens, Thomas Tooke studiert. Ungefähr Oktober Marx hilft Eccarius beim Schreiben eines Artikels für die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" unter dem Titel „Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capitals", redigiert ihn und schreibt eine redaktionelle Anmerkung dazu. Oktober Engels arbeitet an einem für die „Neue Rheinische Zeitung. Politischökonomische Revue" bestimmten Artikel gegen das anarchistische Auftreten eines Teds der ehemaligen Junghegelianer, die sich um die „Abend-Post" gruppiert haben. Das Manuskript bleibt jedoch unvollendet und wird nicht veröffentlicht. 9.Oktober Marx und Engels lehnen den Vorschlag der französischen blanquistischen Emigranten Adam, Vidil und Barthelemy ab, sich zu einer Aussprache über das weitere Bestehen der Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten zu treffen; sie weisen darauf hin, daß diese Gesellschaft in Wirklichkeit schon nicht mehr existiere. I.November Marx und Engels beenden die „Revue, Mai bis Oktober 1850", in der sie eine Analyse der ökonomischen Entwicklung und der politischen Ereignisse dieser Periode in England, Frankreich, den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland geben, die Veränderungen in den Perspektiven der revolutionären Bewegung feststellen und die abenteuerlichen Pläne der Führer der europäischen kleinbürgerlichen Demokratie kri
6. November I m „Red Republican", dem Organ der linken Chartisten, wird mit dem Abdruck der ersten englischen Ubersetzung des „Manifestes der Kommunistischen Partei" von Karl Marx und Friedrich Engels begonnen. 11. November Der von Marx und Engels geleitete Londoner Kreis des Bundes der Kommunisten schlägt der Zentralbehörde des Bundes in Köln vor, die führenden Funktionäre der in London gebildeten Spalterorganisation, insbesondere Willich, Schapper, Schärttner, Dietz, Lehmann, Herbert und Fränkel aus dem Bund auszuschließen und dem ganzen Bund davon Mitteilung zu machen. Mitte November Engels zieht nach Manchester und arbeitet erneut in der Firma Ermen & Engels, hauptsächlich von dem Wunsch geleitet, Marx materiell zu helfen und ihm zu ermöglichen, die Ausarbeitung seiner ökonomischen Theorie fortzusetzen. Seit dieser Zeit führen Marx und Engels einen fast täglichen Schriftwechsel. 29. November In Hamburg erscheint das letzte Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", das Doppelheft 5/6. Es enthält die „Revue, Mai bis Oktober 1850", geschrieben von Marx und Engels, Engels* Arbeit „Der deutsche Bauernkrieg" und als Wiederabdruck das dritte Kapitel des „Manifestes der Kommunistischen Partei". Ende November Engels beginnt in Manchester mit dem systematischen Studium des Kriegswesens.
Ende Marx führt mit Mitgliedern des Bundes der Kommunisten in Köln und November 1850 Hamburg sowie mit Verlegern Verhandlungen über die weitere Herausbis Februar 1851 gäbe der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" als Vierteljahresschrift.
Dezember 1850 Marx führt mit Hermann Becker in Köln einen Schriftwechsel wegen der bis Januar 1851 Herausgabe einer Sammlung seiner Aufsätze. Die Familie Marx zieht nach Soho, Dean Street 28.
3. Dezember Marx erhält vom Mitglied des Bundes der Kommunisten Haupt einen Bericht über die Lage des Bundes in Hamburg.
18. Dezember Marx erhält das „Rundschreiben der Kölner Zentralbehörde an den Bund" vom I.Dezember 1850 und den Entwurf der neuen Statuten des Bundes.
30.Dezember Marx, seine Frau und Engels, der für kurze Zeit nach London gekommen ist, nehmen an einer Neujahrsfeier teil, die von der Gesellschaft Fraternal Democrats veranstaltet wird. In seiner Rede spricht Engels eingehend über die Ursachen der Niederlage der Revolution auf dem Kontinent. Ende Dezember Engels beginnt mit dem Studium der russischen Sprache.
1851
Marx beschäftigt sich weiter intensiv mit der Politischen Ökonomie; er besucht regelmäßig die Bibliothek des Britischen Museums und führt mit Verlegern Verhandlungen über die Veröffentlichung seiner Arbeiten, die der Kritik an der bürgerlichen Politischen Ökonomie und der Ausarbeitung einer ökonomischen Theorie des Proletariats gewidmet sind.
Marx nimmt an der Sitzung des Londoner Kreises des Bundes der Kommunisten teil, auf der die neuen Statuten bestätigt werden, die die Kölner Zentralbehörde vorgeschlagen hat. Engels nimmt an einer Versammlung der Chartisten Manchesters teil, auf der Ernest Jones die Plattform der linken Chartisten verteidigt. Engels teilt Marx seine Absicht mit, die Ideen des „Manifestes der Kommunistischen Partei" unter den revolutionärsten Chartisten in Manchester zu propagieren.
27. Januar Marx und Engels schreiben eine Erklärung zu einem am 17. Januar in der „Bremer Tages-Chronik" erschienenen Artikel Ruges, der gehässige Angriffe auf Marx und Engels sowie auf die „Neue Rheinische Zeitung" enthielt. Die Erklärung, die an die Redaktion der Bremer „WeserZeitung" gesandt wurde, blieb unveröffentlicht.
Ende Januar bis Engels schreibt für das von Harney redigierte Organ der Chartisten Anfang Februar „Friend of the People" eine Artikelserie, die gegen mehrere bürgerliche Demokraten, die Leiter des sogenannten Zentralausschusses
Januar bis Dezember
5. Januar
8. Januar
der Europäischen Demokratie Mazzini, Ledru-Rollin, Rüge und andere, gerichtet ist.
12. Februar Engels berichtet Marx über seine Teilnahme an der Gründung einer neuen örtlichen Organisation der linken Chartisten in Manchester.
Mitte Februar Marx und Engels äußern ihre Mißbilligung über die Teilnahme Harneys an einer internationalen Kundgebung, die von den Führern der kleinbürgerlichen Emigration (Louis Blanc u. a.) gemeinsam mit Willich, Schapper und den französischen blanquistiscnen Emigranten, weiche eine Verleumdungskampagne gegen Marx, Engels und ihre Anhänger führen, am 11. Februar organisiert worden war. Im Zusammenhang damit zieht Engels seinen für Harneys „Friend of the People" geschriebenen Artikel zurück.
21. Februar Marx empfiehlt dem revolutionären Chartisten Ernest Jones, sich nicht am Bankett der Gleichen zu beteiligen, das von Louis Blanc und den französischen blanquistischen Emigranten gemeinsam mit der Fraktion Willich-Schapper anläßlich des Jahrestages der Februarrevolution 1848 organisiert wird.
24. Februar Marx sendet Konrad Schramm und Wilhelm Pieper zum Bankett der Gleichen, um Informationen zu erhalten. Die Anhänger Willichs und Schappers jagen Schramm und Pieper aus dem Saal und verprügeln sie.
26. Februar Engels richtet im Einvernehmen mit Marx an Harney einen Brief, in dem er ihn wegen seiner Teilnahme am Bankett der Gleichen und wegen seiner Annäherung an Willich und Schapper scharf verurteilt.
28. Februar Marx übermittelt den Mitgliedern des Bundes der Kommunisten in Köln Einzelheiten über das Bankett der Gleichen vom 24. Februar und bittet, die deutschen Arbeiter darüber zu informieren.
Etwa 3.14. März Engels fährt auf einige Tage zu Marx, um Maßnahmen zur Entlarvung der kleinbürgerlichen Demokraten Landolphe, Louis Blanc und anderer sowie Willichs, Schappers und deren Anhänger anläßlich ihres Verhaltens auf dem Bankett der Gleichen vom 24. Februar zu ergreifen. Marx und Engels übersetzen den Text des Trinkspruches, den Auguste Blanqui dem Bankett der Gleichen gesandt hatte und der von den Organisatoren des Banketts vor den Teilnehmern verborgen gehalten worden war, ins Deutsche und Englische. Die deutsche Übersetzung des Trinkspruches wurde mit einem von Marx und Engels verfaßten Vorbemerkung in einer Auflage von 30000 Exemplaren gedruckt und in Deutschland und England verbreitet.
5.März Engels entlarvt in einem offenen Brief an den Redakteur der „Times" die Organisatoren des Banketts der Gleichen; er legt dem Brief die englische Übersetzung des Trinkspruches von Blanqui bei. Der Brief wurde in der „Times" nicht veröffentlicht.
April Engels arbeitet an dem Manuskript „Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im
Jahre 1852". In diesem Manuskript gibt Engels zum ersten Male in der militärischen Literatur eine materialistische Erklärung der Entwicklung des Kriegswesens. April bis Anfang Marx führt mit Hermann Becker einen Briefwechsel über die HerausMai gäbe einer deutschen Übersetzung seiner Arbeit „Misere de la philosophie". Dieser Plan kann nicht verwirklicht werden. April bis Mai Marx studiert Literatur über die Anwendung von Elektroenergie zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Etwa 2.April In einem Brief an Daniels kritisiert Marx scharf die philosophischen Anschauungen Feuerbachs, von dessen Einfluß sich seiner Meinung nach Daniels noch nicht völlig freigemacht hat. Ende April In Köln erscheint das erste Heft der „Gesammelten Aufsätze von Karl Marx", herausgegeben von Hermann Becker. Die Lieferung enthält den Artikel „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion" und einen Teil des 1842 geschriebenen Artikels „Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen", der den ersten Artikel innerhalb der Serie „Die Verhandlungen des sechsten rheinischen Landtags" darstellt. Wegen der Verhaftung Hermann Bekkers wurde die Herausgabe der „Gesammelten Aufsätze" nach Erscheinen des ersten Heftes eingestellt. Marx erhält aus Deutschland mehrere Mitteilungen über die Verhaftung der Mitglieder des Bundes der Kommunisten Peter Nothjung, Hermann Becker, Peter Röser und über die gegen sie erhobene Anklage auf Hochverrat und schreibt darüber an Engels. Um die Verbindung mit Köln aufrechtzuerhalten, beginnt Marx einen Briefwechsel mit Bermbach, einem Mitglied des Bundes der Kommunisten. Marx erklärt sich auf die Bitte Daniels bereit, eine Vorrede zu dessen Werk über Anthropologie zu schreiben und äußert folgenden Gedanken: „Die Kommunisten haben zu zeigen, daß nur unter kommunistischen Verhältnissen die schon erreichten technologischen Wahrheiten praktisch werden können." Um Ernest Jones bei der Herausgabe der Zeitschrift „Notes to the People" zu unterstützen, schreibt Marx den Artikel „Die Konstitution der Französischen Republik, angenommen am 4. November 1848". Der Artikel wird in „Notes to thePeople"am 14. Juni veröffentlicht. Marx und Engels, die zu dieser Zeit mit Harney gebrochen haben, arbeiten weiter in den von Jones redigierten Chartistenorganen mit, helfen diesem beim Schreiben einiger Artikel und bei der allgemeinen Redaktion dieser Organe. 31. Juli In einem Brief an Engels äußert Marx die Absicht, gemeinsam mit Wilhelm Wolff eine Korrespondenz für die deutschamerikanische Presse zu verfassen. In seinem Antwortbrief unterstützt Engels diese Absicht; er betrachtet sie als Möglichkeit, die „Neue Rheinische Zeitung" lithographiert fortzusetzen. Etwa 24. bis 28. Mai Ende Mai Erste Junihälfte
Personenverzeichnis
Abt von Fulda (um 1525). 403 Adam französischer Arbeiter, Blanquist, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie; 1850 einer der Führer der französischen blanquistischen Emigrantenvereinigung in London. 415 554 Adolf Wilhelm Karl August (1817-1905) Herzog von Nassau (1839-1866); als Adolf V. Großherzog von Luxemburg (1890-1902). 525 Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von (1507-1582) spanischer Feldherr und Staatsmann, Statthalter der Niederlande; blutiger Unterdrücker der niederländischen Revolution (1566-1568). 379 Albert (Martin, Alexandre) (1815-1895) französischer Arbeiter, Sozialist, Teilnehmer an blanquistischen Geheimorganisationen während der Julimonarchie, 1848 Mitglied der provisorischen Regierung. 17 19 30 267-269 271 275 278 568 Albrecht III. (der Beherzte) (1443-1500) Herzog von Sachsen (1464-1500), stand an der Spitze der Straftruppen, die den Volksaufstand in den Niederlanden von 1491 bis 1492 und den Aufstand der friesischen Bauern 1497 niedergeschlagen haben. 362 Alexander der Große (356-323 v. u. Z.) Heerführer und Staatsmann der Antike; seit 336 König von Makedonien. 106 454 Alexanderl. (1777-1825) Zar von Rußland (1801-1825). 474 Alter Fritz siehe Friedrich II. Amphitryon griechische Sagengestalt, Sohn des Königs Alkaios von Tiryns; sein Name ist zum Inbegriff eines wohlhabenden und gastfreundlichen Mannes geworden. 40 Anna Stuart (1665-1714) Königin von Großbritannien und Irland (1702-1714). 208 Annexe,Friedrich (Fritz) (etwa 1817 bis etwa 1872) ehemaliger preußischer Artillerieoffizier, Mitglied der Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten; 1848 einer der Begründer und Sekretär des Kölner Arbeitervereins, Anhänger Gottschalks; Herausgeber der „Neuen Kölnischen Zeitung", Mitglied des Rheinischen Kreisausschusses der Demokraten, von Juli bis Dezember 1848 in Haft; 1849 Mitglied der Militärkommission im badisch-pfälzischen Aufstand; nahm später auf Seiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg in den USA teil. 154 155 179 Antäus (Antaios) ein Riese der altgriechischen Sage, Sohn des Meergottes Poseidon und der Erdgöttin Gäa; solange er mit seiner Mutter, der Erde, in Berührung war, konnte ihn niemand besiegen; Herakles riß ihn von der Erde los und erwürgte ihn, 67 Anton (1489-1544) Herzog von Lothringen (1508-1544), unterdrückte grausam den Aufstand der Bauern im Elsaß; Gegner der Reformation. 405 406
Arago, Dominique-Frangois(] 786-1853) französischer Astronom, Physiker und Mathematiker, bürgerlicher Politiker, während der Julimonarchie Republikaner, 1848 Mitglied der provisorischen Regierung, beteiligte sich an der Unterdrückung des Juniaufstands des Pariser Proletariats. 568 Ariosto, Lodovico (1474-1533) italienischer Dichter der Renaissance; Hauptwerk „L'Orlando furioso". 26 50 Arndt, Ernst Moritz (1769-1860) Schriftsteller, Historiker und Philologe, beteiligte sich aktiv am Befreiungskampf des deutschen Volkes gegen die Herrschaft Napoleons, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (rechtes Zentrum), Anhänger der konstitutionellen Monarchie. 214 300 Arnold von Brescia (etwa 1100-1155) italienischer kirchlicher Reformator und Volkstribun, Führer der demokratisch-republikanischen Bewegung der italienischen Städte; stand 1145-1155 an der Spitze der Römischen Republik, kämpfte gegen den Papst und die kirchlichen Feudalherren, wurde als Ketzer hingerichtet. 344 345 Ashley, Lord siehe Shaftesbury, Anthony
Ashley Cooper Aston, Luise (Pseudonym für Meier, Luise) (1814-1871) Schriftstellerin und Frauenrechtlerin kleinbürgerlich-demokratischer Richtung. 199 Atta Troll siehe Rüge, Arnold Auerbach, Berthold (1812-1882) liberaler Schriftsteller, später Anhänger Bismarcks. 199 201 Aylva, Syaard 1497 Anführer des friesischen Bauernaufstands. 362
Bach, Walter Landsknecht, schloß sich 1525 dem Aufstand der süddeutschen Bauern an, war dann einer der Anführer des Allgäuer Bauernhaufens; im entscheidenden Augenblick des Aufstands verriet er die Bauern und floh in die Schweiz. 397 399 Bakunin, Michail Alexandrowitsch (1814 bis 1876) russischer Emigrant in Westeuropa, demokratischer Publizist; 1848/49 Teil
nehmer an der Revolution in Deutschland; später ein Ideologe des Anarchismus, Gegner des Marxismus; trat 1869 der I. Internationale bei, wurde 1872 auf dem Haager Kongreß wegen seiner zersetzenden Tätigkeit ausgeschlossen. 541 Ball, John (hingerichtet 1381) englischer Landgeistlicher, einer der Führer des Bauernaufstands von 1381 in England. 344 345 Bamberger, Ludwig (1823-1899) Publizist, bürgerlicher Demokrat, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Auf stand; später nationalliberaler Reichstagsabgeo rdneter. 156 183 Bantelhans (Bantel, Hans) Bürger aus Dettingen, einer der Anführer des Armen Konrad und des Bauernaufstands, von 1514 in der Schwäbischen Alb. 367 Baraguay d'Hilliers, Achille, comte (1795 bis 1878) französischer General, in der Periode der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Bonapartist. 72 Barbks, Armand (1809-1870) französischer Revolutionär, kleinbürgerlicher Demokrat, während der Jubmonarchie einer der Führer der geheimen Gesellschaft der Jahreszeiten, 1839 wegen Teilnahme am Aufstandsversuch zu lebenslänglicher Haft verurteilt; 1848 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung, unterstützte die Politik von Ledru-Rollin; als Teilnehmer an der Aktion vom 15. Mai 1848 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, 1854 amnestiert, lebte danach in der Emigration. 52 92 271 466 502 Barnabas ungarischer Geistlicher, 1514 einer der Anführer der aufständischen Bauern in Ungarn. 369 Baroche, Pierre-Jules (1802-1870) französischer Staatsmann und Jurist, während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Anhänger der Partei der Ordnung, Bonapartist; 1849 Generalstaatsanwalt des Appellationsgerichts,
gehörte vor und nach dem Staatsstreich 1851 verschiedenen Kabinetten an, 92 Barrot, Camille-Hyacinthe-Odilon (1791 bis 1873) französischer bürgerlicher Politiker, während der Julimonarchie Führer der liberalen dynastischen Opposition; von Dezember 1848 bis Oktober 1849 Ministerpräsident, stützte sich auf den konterrevolutionären monarchistischen Block. 16 37 46-48 50-53 57 65 66 71 74 76 205 525 Barthäemy, Emmanuel (etwa 1820-1855) französischer Arbeiter, Blanquist, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonärchie und Teilnehmer des Juniaufstands 1848 in Paris, danach Emigrant in England, einer der Führer der französischen blanquistischen Emigrantenvereinigung in London; wegen eines kriminellen Verbrechens angeklagt, wurde er 1855 hingerichtet. 415 Bartholomäus Gestalt aus dem Neuen Testament. 41 Bastiat, Frederic (1801-1850) französischer Vulgärökonom, Apologet des Kapitalismus. 12 Bastide, Jules (1800-1879) französischer Politiker und Publizist, bürgerlicher Republikaner, Direktor der Zeitung „Le National" (1836-1846), 1848 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung und Außenminister. 40 Bdtori(Bdtory), Istvän, Graf (gest. 1535) gehörte einem feudalen Magnatengeschlecht Siebenbürgens an, befehligte 1514 ein Adelsheer bei der Unterdrückung des Bauernaufstandes in Ungarn; Palatin von Ungarn (1519-1535). 370 Bauer, Heinrich Schuhmacher aus Franken, einer der Führer des Bundes der Gerechten und des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London; Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; von April bis Mai 1850 als Emissär des Bundes in Deutschland; ging 1851 nach Australien. 304 306 307 310 414546549 553 556 557 559 561 Bauer, Ludwig (Louis) Arzt, 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversamm
lung (linker Flügel); 1849 siedelte er nach London über, wo er sich den bürgerlichen Kreisen der deutschen Emigration anschloß; Vorsitzender des Hilfskomitees beim Demokratischen Verein in London. 303 555 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de (1732-1799) französischer Dramatiker. 52 Bebel, August (1840-1913). 519 Becker, Johann Philipp (1809-1886) Bürstenbinder, Teilnehmer an der demokratischen Bewegung der dreißiger und vierziger Jahre in Deutschland und der Schweiz; als Offizier der Schweizer Armee nahm er am Kriege gegen den Sonderbund teil, aktiver Teilnehmer der Revolution von 1848/49; während des badischpfälzischen Aufstandes kommandierte er die badische Volkslandwehr; wurde nach der Revolution von 1848/49 Kommunist; in den sechziger Jahren ein bedeutender Führer der I.Internationale, Redakteur der Zeitschrift „Vorbote"; Freund und Kampfgefährte von Marx und Engels. 141 181-183 189 191-193 195 Becker, Max Joseph (gest. 1896) Ingenieur aus der Rheinprovinz, Demokrat, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, emigrierte nach dessen Niederlage in die Schweiz, dann in die USA. 169 Bern, Jözej (1795-1850) polnischer General und Freiheitskämpfer, einer der Führer des polnischen Aufstandes von 1830/31; nahm im Oktober 1848 an der Verteidigung des revolutionären Wiens teil, 1849 einer der Heerführer der Ungarischen Revolutionsarmee; trat danach in die türkische Armee ein. 130 Benz Wirt in Bern. 206 Berlichingen, Götz von (1480-1562) Ritter aus Franken, schloß sich dem Bauernaufstand 1525 aus eigennützigen Gründen an; zum Anführer des hellen lichten Haufens der Odenwalder Bauern gewählt, übte er im entscheidenden Augenblick Verrat. 384-386 393 394 Berlin, Hans Ratsherr in Heilbronn, nach der Einnahme der Stadt durch die aufständi
sehen Bauern 1525 versuchte er, den Aufständischen ein gemäßigtes Programm aufzuzwingen, führte im Namen des Patriziats und der Bürgerschaft hinter den Rücken der Bauern Unterhandlungen mit dem Truchseß über die Übergabe der Stadt. 385 392 Bernigau Kölner Demokrat, ehemaliger preußischer Offizier, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, wurde von einem preußischen Feldgericht zum Tode verurteilt und erschossen. 300 Berryer, Pierre-Anioine (1790-1868) französischer Advokat und Politiker, während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Legitimist. 75 Beseler, Wilhelm Hartwig (1806-1884) bürgerlicher Politiker, 1848 Präsident der provisorischen Regierung von SchleswigHolstein, Vizepräsident der Frankfurter Nationalversammlung (rechtes Zentrum). 458 Beust, Friedrich von (1817-1899) ehemaliger preußischer Offizier, trat wegen seiner politischen Uberzeugung in den Ruhestand, 1848 Komiteemitglied des Kölner Arbeitervereins, Redakteur der „Neuen Kölnischen Zeitung" (September 1848 bis Februar 1849); 1849 Mitglied der Militärkommission im badisch-pfälzischen Aufstand; danach Emigrant in der Schweiz. 176 Bischof von Bamberg siehe Weigand von Redwitz Bischof von Straßburg siehe Honstein, Wilhelm, Graf von Bischof von Würzburg (1519-1540) siehe Konrad III. von Thüngen Bischof von Würzburg (1466-1495) siehe Rudolf II. von Stherenberg Bismarck, Otto, Fürst von (1815-1898) deutscher Reichskanzler (1871-1890). 514 517 519 525 Blanc, Jean-Joseph-Louis (1811-1882) französischer kleinbürgerlicher Sozialist, Journalist und Historiker; 1848 Mitglied der provisorischen Regierung und Präsident
der Luxembourg-Kommission, vertrat den Standpunkt der Klassenversöhnung und des Paktierens mit der Bourgeoisie; emigrierte im August 1848 nach England. 17 19 22 27 28 30 37 49 61 91 262 466 467 568 Blanqui, Louis-Auguste (1805-1881) französischer Revolutionär, utopischer Kommunist; Organisator mehrerer Geheimgesellschaften und des Aufstands vom 12. Mai 1839; in der Revolution von 1848 einer der Führer des revolutionären französischen Proletariats, vertrat die gewaltsame Machtergreifung durch eine Verschwörerorganisation und die Notwendigkeit einer revolutionären Diktatur; verbrachte 36 Jahre im Gefängnis. 28 52 89 91 92 271 278 312 466 467 502 518 568 Blenker, Ludwig (1812-1863) ehemaliger Offizier, bürgerlicher Demokrat, 1849 Befehlshaber der rheinhessischen und pfälzischen Freischaren im badisch-pfälzischen Aufstand, emigrierte dann in die USA, nahm dort im Range eines Brigadegenerals am Bürgerkrieg auf Seiten der Nordstaaten teil. III 156-158 165 168 185 189 191 192 Blind, Karl (1826-1907) Schriftsteller und Journalist, kleinbürgerlicher Demokrat, 1848/49 Teilnehmer an der revolutionären Bewegung in Baden; 1849 Mitglied der badischen provisorischen Regierung; in den fünfziger Jahren einer der Führer der deutschen kleinbürgerlichen Emigration in London, später Nationalliberaler und Anhänger Bismarcks. 136 143 546 548 Bloem (II), Anton (1814-1885) Rechtsanwalt in Düsseldorf, Führer der Düsseldorfer Demokraten, Stadtverordneter; 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung (linkes Zentrum), nahm im Mai 1849 an einem Kongreß der rheinischen Gemeinderäte in Köln teil. 118 Blum, Robert (1807-1848) Journalist und Buchhändler in Leipzig, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Vizepräsident des Vorparlaments und Führer der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung; nahm
im Oktober 1848 am Wiener Aufstand teil; nach dem Fall von Wien standrechtlich erschossen. III 157 178 181 Bobzin, Friedrich Heinrich Karl (geb. 1826) Handwerker, 1847 Mitglied des deutschen Arbeitervereins in Brüssel, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand; in der Emigration leitete er gemeinsam mit Struve den kleinbürgerlichen Demokratischen Verein in London. 555-557 Boccaccio, Giovanni(\3\3-\375) italienischer Dichter und Humanist der Renaissance, Verfasser des „Decamerone". 344 Bocquet, Jean-Baptiste französischer Lehrer, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie, Parteigänger der Zeitung „La R6forme" ; zu Beginn der Revolution 1848 Stellvertreter des Bürgermeisters des ^.Verwaltungsbezirks (Arrondissement) von Paris, Teilnehmer an der Demonstration vom 15. Mai, emigrierte dann nach England; 269 Boecker Stadtverordneter in Köln, nahm im Mai 1849 an einem Kongreß der rheinischen Gemeinderäte in Köln teil. 118 Boguslamki, Albert von (1834-1905) preußischer Generalleutnant und reaktionärer Militärschriftsteller. 524 526 Böheim, Hans (Pfeiferhänslein, Pauker) Hirte und Volksprediger in Nikiashausen, Anführer der Bauernbewegung im Bistum Würzburg, 1476 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 359-361 Boisguillebert, Pierre Le Pesant, sieur de (1646-1714) französischer Ökonom, Vorläufer der Physiokraten, Begründer der klassischen bürgerlichen Politischen Ökonomie in Frankreich. 81 Bolinghroke, Henry Saint John, Viscount (1678-1751) englischer deistischer und skeptischer Philosoph, einer der Führer der Torypartei. 209 Bonaparte siehe Napoleon III. Bonaparte, Jerome (1784-1860) jüngster Bruder Napoleons I., König von Westfalen (1807-1813). 75 Bonaparte, (abl $47) Jerdme-Napoleon- JosephCharles-Paul (1822-1891) Sohn von J6r6me Bonaparte, Vetter Napoleons III.; während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung. 75 Bouchotte, Jean-B aptiste-Noel (1754-1840) französischer General, Teilnehmer der Französischen Revolution, Jakobiner, Kriegsminister (1793/94). 473 490 Bourbon(en) französische Königsdynastie; regierte in Frankreich (1589-1792 und 1815-1830), Spanien (1701-1931), Neapel-Sizilien (1735-1860) und Parma (1748-1859). 58 Brandenburg, Friedrich Wilhelm, Graf Von (1792-1850) preußischer General und Staatsmann, Präsident des konterrevolutionären Ministeriums (November 1848 bis November 1850). 119 545 Brea, Jean-Bapiiste-Fidele (1790-1848) französischer General; 1848 an der Unterdrückung des Pariser Juniaufstandes beteiligt, von den Aufständischen erschossen. 61 Breitenstein, Sebastian von Fürstabt von Kempten (um 1525). 410 Brentano, Lorenz Peter (1813-1891) Rechtsanwalt in Mannheim, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Mitglied der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung; 1849 Vorsitzender der badischen provisorischen Regierung, emigrierte nach der Niederschlagung des badisch-pfälzischen Aufstandes in die Schweiz und später nach Amerika. 135-137 139-141 143-145 148 149 173 178 192 196 197 Bright, John (1811-1889) englischer Fabrikant, führender liberaler Politiker, Anhänger des Freihandels, Mitbegründer der Anti-Corn-Law League (Anti-Korngesetz-Liga); mehrmals Minister in liberalen Kabinetten. 79 227 534 Brougham, Henry Peter, Lord (1778-1868) englischer Jurist, Schriftsteller und Staatsmann, einer der Führer der Whigs, Mitglied des Parlaments, Lordkanzler (1830 bis 1834). 442
Brüggemann, Karl Heinrich (1810 bis etwa 1887) Nationalökonom und liberaler Publizist, Chefredakteur der „Kölnischen Zeitung" (1846-1855). 456 Bruhn, Karl von (geb. 1803) Journalist, Mitglied des Bundes der Geächteten und des Bundes der Gerechten, dann des Bundes der Kommunisten (1850 ausgeschlossen); 1848/49 Teilnehmer an den Aufständen in Frankfurt a.M. und in Baden; später Redakteur der lassalleanischen Zeitung „Nordstern" in Hamburg. 307 Bucher, Lothar (1817-1892) preußischer Justizbeamter, Publizist, 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung (linkes Zentrum); nach der Niederlage der Revolution von 1848 Emigrant in London; später Nationalliberaler, Mitarbeiter von Bismarck im Auswärtigen Amt und Freund von Lassalle. 302 Bugeaud de la Piconnerie, Thomas-Robert (1784-1849) Marschall von Frankreich, Orleanist, Mitglied der Deputiertenkammer während der Julimönarchie; 1848/49 Oberbefehlshaber der Alpenarmee, Deputierter der gesetzgebenden Nationalversammlung. 47 Bunsen, Christian Karl Josias, Freiherr von (1791 -1860) preußischer Diplomat, Publizist und Theologe; stand dem preußischen Hofe nahe; Gesandter in London (1842-1854). 318319 326 442 Burritt, Elihu (1810-1879) amerikanischer Sprachwissenschaftler, bürgerlicher Philanthrop undPazifist.Organisatormehrerer internationaler pazifistischer Kongresse. 441
Cabet, Etienne (1788-1856) französischer Jurist und Publizist, utopischer Kommunist, Verfasser des utopischen Romans „Voyage en Icarie" (1842). 28 275 Camphausen, Ludolf (1803-1890) Bankier in Köln, einer der Führer der rheinischen liberalen Bourgeoisie; 1847 Mitglied des Vereinigten Landtages; preußischer Ministerpräsident (März bis Juni 1848), betrieb eine verräterische Vereinbarungs
politik mit den konterrevolutionären Kräften. 117 CapeJigue, Jean-Baptiste-Honore-Raymond (1812-1872) französischer Schriftsteller und Historiker; ultramontaner Journalist und Politiker. 101 449 Carlier, Pierre-Charles-Joseph (1799-1858) Polizeipräfekt von Paris (1849-1851), Bonapartist. 86 87 292 Carlyle, Thomas (1795-1881) englischer Schriftsteller, Historiker und idealistischer Philosoph, Verfechter des Heroenkults; vertrat Auffassungen, die dem feudalen Sozialismus der vierziger Jahre nahekamen; kritisierte die englische Bourgeoisie vom Standpunkt der reaktionären Romantik, schloß sich den Tories an; nach 1848 offener Feind der Arbeiterbewegung. 255 265 Carnot, Lazare-Hippolyte (1801-1888) französischer Publizist und Politiker, gemäßigter bürgerlicher Republikaner, 1848 Unlerrichtsminister in der provisorischen Regierung, Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung, entschiedener Gegner der Partei der Ordnung. 91 92 298 Carnot, Lazare-Nicolas (1753-1823) französischer Mathematiker und Physiker, Politiker und Militärfachmann, bürgerlicher Republikaner; während der Französischen Revolution zuerst Jakobiner, später Teilnehmer des konterrevolutionären Staatsstreichs vom 9.Thermidor; 1795 Mitglied des Direktoriums, unter Napoleon zeitweilig Kriegsminister. 91 468 473 474 490 Carri&re, Moriz (1817-1895) deutscher idealistischer Philosoph, Professor der Ästhetik in Heidelberg. 199 Cäsar, Gajus Julius (etwa 100-44 v. u. Z.) römischer Feldherr und Staatsmann. 74 Cato, Marcus Porcius (Cato der Ältere) (234 bis 149 v. u. Z.) römischer Staatsmann und Historiker, verteidigte die aristokratischen Privilegien. 40 Caussidiere, Marc (1808-1861) französischer kleinbürgerlicher Sozialist; 1834 Teilnehmer am Lyoner Aufstand, einer der
Organisatoren revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie; 1848 Polizeipräfekt von Paris (Februar bis Mai), Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung; emigrierte nach der Niederwerfung des Juniaufstandes nach England. 22 37 61 266 268-271 276-280 Cavaignac, Louis-Eugene (1802-1857) französischer General und Politiker, gemäßigter bürgerlicher Republikaner; 1848 Gouverneur von Algier, ab Mai Kriegsminister; von der konstituierenden Nationalversammlung mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet, unterdrückte er grausam den Juniaufstand des Pariser Proletariats; Ministerpräsident (Juni bis Dezember 1848). 31 32 36 39-46 49 51 55-57 62 68 477505 506 Cervantes Saavedra, Miguel de (1547-1616) spanischer realistischer Schriftsteller, Verfasser des Romans „Don Quijote". 135 203 442 Chambord, Henri-Charles d'Artois, duc de Bordeaux, comte de (1820-1883) Enkel Karls X., unter dem Namen Heinrich V. französischer legitimistischer Thronprätendent. 73 104 452 Changarnier, Nicolas-Anne-Theodule (1793 bis 1877) französischer General und Staatsmann, Monarchist; 1848/49 Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, wirkte mit bei der Unterdrückung des Pariser Juniaufstandes; nach dem Juni 1848 Oberbefehlshaber der Nationalgarde und der Garnison von Paris; nahm an der Auseinanderjagung der Demonstration vom 13. Junil 849 in Paris teil. 47 53 54 63 68 72 103 106 107 451 454 455 Chenu, Adolphe Teilnehmer an revolutionären Geheimgesellschaften in Frankreich während der Julimonarchie, Polizeiagent. 266-271 275-280 Christoph I. (1453-1527) Markgraf von Baden (1473-1527). 366 Clemens VII. (1478-1534) römischer Papst (1523-1534). 335 350360411 Clement, Albert 1849 Bataillonskommandeur der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 174 176 Cobbett, William (1762-1835) englischer Politiker und Publizist, kleinbürgerlicher radikaler Demokrat, kämpfte für die Demokratisierung der politischen Zustände Englands. 255 Cobden, Richard (1804-1865) Fabrikant in Manchester, Liberaler, Anhänger des Freihandels, Mitbegründer der Anti-CornLaw League; Teilnehmer an mehreren pazifistischen Kongressen, u.a. 1850 in Frankfurt am Main. 79 220 242 441 Cooper, James Fenimore (1789-1851) nordamerikanischer realistischer Schriftsteller. 266 267 269 Corvin-Wiersbitzki, Otto von (1812-1886) ehemaliger preußischer Leutnant, demokratischer Schriftsteller, nahm 1848 am republikanischen Aufstand in Baden und 1849 am badisch-pfälzischen Aufstand teil, Generalstabschef in Rastatt. 182 Cremieux, Adolphe (1796-1880) französischer Advokat und liberaler Staatsmann; nach der Februarrevolution 1848 Justizminister der provisorischen Regierung (Februar bis Mai 1848), Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung (1848-1851); Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung (1870/71). 17 55 568 Creton, Nicolas-Joseph (1798-1864) französischer Advokat und Politiker, während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Orleanist. 80 Cromwell, Oliver (1599-1658) englischer Staatsmann; Führer der Bourgeoisie und des verbürgerlichten Adels während der englischen bürgerlichen Revolution des 17. Jahrhunderts; von 1653-1658 LordProtektor (Staatsoberhaupt) von England, Schottland und Irland. 212 255 256 Csäky, Miklos (Nikolaus) Bischof von Csanad, 1514 während des Bauernaufstands in Ungarn von den Aufständischen gepfählt. 370
Cubieres, Amedee-Louis Desfians de (1786 bis 1853) französischer General und Staatsmann, Orleanist, 1839/40 Kriegsminister; 1847 wegen Bestechlichkeit und Mißbrauch der Amtsgewalt degradiert. 80 Cyrus (Kyros) Begründer des persisch-medischen Reiches (etwa 558 bis etwa 529 v. u. Z.), befreite die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft und baute Jerusalem wieder auf. 352
Daniel Gestalt aus dem Alten Testament. 352 Danton, Georges-Jacques (1759-1794) Advokat in Paris; Politiker der Französischen Revolution, Führer des rechten Flügels der Jakobiner. 125 256 Darasz, Albert (1808-1852) einer der Führer der nationalen Befreiungsbewegung Polens, Teilnehmer am Aufstand 1830/31, führendes Mitglied demokratischer polnischer Emigrantenorganisationen und Mitglied des Zentralausschusses der Europäischen Demokratie. 459 Daumer, Georg Friedrick (1800-1875) Schriftsteller, verfaßte Werke zur Geschichte der Religion. 198-203 David Gestalt aus dem Alten Testament. 44 Delamarre, Theodore-Casimir (1797-1870) französischer Bankier, Publizist, seit 1844 Besitzer der Zeitung „La Patrie", Bonapartist. 296 Delessert, Gabriel-Abraham-Marguerite (1786 bis 1858) Polizeipräfekt von Paris (1836-1848). 267275 Dembinski, Henryk (1791-1864) polnischer Freiheitskämpfer und General; 1830/31 Teilnehmer am polnischen Aufstand; 1848/49 einer der Heerführer der ungarischen Revolutionsarmee. 113 130 Demosthenes (384-322 v. u. Z.) hervorragender Redner des griechischen Altertums, stritt in seinen antimakedonischen Reden (Philippiken) für Griechenlands Unabhängigkeit. 75 Devaisse Teilnehmer der Revolution von 1848 in Paris, Montagnard. 276
42 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
Dickens, Charles (Pseudonym Boz) (1812 bis 1870) englischer realistischer Schriftsteller. 256 Dietrichstein, Sigmund, (seit 1515) Freiherr von (1484-1540) kaiserlicher Feldhauptmann in Kärnten, Steiermark und Oberösterreich ;schlug1515/16den Bauernaufstand in den Alpenländern Österreichsnieder; während des Aufstands vonl 525wurde er von den Bauern gefangengenommen, jedoch wieder freigelassen. 371 407 Dietz, Oswald (etwa 1824-1864) Architekt aus Wiesbaden, Teilnehmer an der Revolution von 1848/49, dann Sekretär des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London; Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; bei der Spaltung des Bundes 1850 gehörte er zur sektiererischen Fraktion Willich-Schapper; nahm später am amerikanischen Bürgerkrieg teil. 564 565 Dingelstedt, Franz, (seit 1876) Freiherr von (1814-1881) Dichterund Schriftsteller; in seiner Jugend Liberaler, wurde in den vierziger Jahren Monarchist; Dramaturg am Hoftheater zu Stuttgart (1846-1851). 199 Diokletian (Diocletianus),GajusAurelius Valerius (etwa 245-313) römischer Kaiser (284-305). 524 Disraeli (D'Israeli), Benjamin, (seit 1867) Earl of Beaconsjield (1804-1881) englischer Staatsmann und Schriftsteller, in den vierziger Jahren schloß er sich der Gruppe Junges England an; später einer der Führer der Tories, dann der Konservativen Partei; Schatzkanzler (1852, 1858/59 und 1866-1868), Premierminister (1868 und 1874-1880). 426 Doli kleinbürgerlicher Demokrat aus Rheinpreußen, 1848 Teilnehmer an republikanischen Aufständen in Baden, 1849 Divisionskommandeur im badisch-pfälzischen Aufstand; von Beruf Geschäftsreisender. 191 194 Don Quijote (Quixote) Gestalt aus dem gleichnamigen Roman von Cervantes. 135 442 Dortu, Max (1825-1849) revolutionärer Demokrat, ehemaliger preußischer Offizier,
nahm am Aufstand vom 18. März 1848 in Berlin und am badisch-pfälzischen Aufstand 1849 teil, wurde von einem preußischen Feldgericht zum Tode verurteilt und erschossen. 300 Dozsa, Georg (etwa 1474-1514) gehörte dem niederen ungarischen Adel Siebenbürgens an; 1514 Führer des Bauernaufstands in Ungarn, wurde von dem Adelsheer gefangengenommen und grausam hingerichtet. 369 370 Dozsa, Gregor Bruder von Georg Dosza, nahm 1514 am Bauernaufstand in Ungarn teil, wurde zusammen mit seinem Bruder gefangengenommen und hingerichtet. 370 Dreher, Ferdinand 1849 Kommandeur eines badischen Volkslandwehrbataillons im badisch-pfälzischen Auf stand. 162 163 168 170 171 192 Dronke, Ernst (1822-1891) Publizist und Schriftsteller, anfangs „wahrer" Sozialist, später Mitglied des Bundes der Kommunisten; 1848/49 einer der Redakteure der „Neuen Rheinischen Zeitung"; emigrierte nach der Niederlage der Revolution in die Schweiz, später nach England und zog sich aus dem politischen Leben zurück. 308 Duclerc, CharleS'Theodore-Eugene (1812 bis 1888) französischer Journalist und Staatsmann, Redaktionsmitglied der Zeitung „Le National" (1840-1846); 1848/49 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung, Finanzminister (Mai bis Juni 1848); später einer der Direktoren der Bank „Cr6dit Mobilier"; 1875 Vizepräsident der französischen Nationalversammlung, 1882/83 Ministerpräsident. 55 Dufaure, Jules-Armand-Stanislas (1798 bis 1881) französischer Advokat und Politiker, Orleanist, 1848 bürgerlicher Republikaner; 1848-1851 Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung; Innenminister in der Regierung Cavaignac (Oktober bis Dezember 1848) und unter Louis Bonaparte (Juni bis Oktober 1849); später Justizminister (1871-1873, 1875-1876, 1877-1879) und
Ministerpräsident (1876, 1877-1879). 42 45 80 Dumouriez, Charles-Fr angois (1739-1823) französischer General und Politiker, während der Französischen Revolution schloß er sich den Girondisten an; Außenminister (1792). Oberbefehlshaber der Nordarmee (1792/93), übte im Frühjahr 1793 Verrat. 468 471 Dupin, Andre-Marie- Jean- Jacques (1783 bis 1865) französischer Jurist und Politiker, Orleanist, Präsident der Deputiertenkammer (1832-1839) und Präsident der gesetzgebenden Nationalversammlung (1849-1851), dann Bonapartist. 100 448 Dapont de l'Eure, Jacques-Charles (1767 bis 1855) französischer liberaler Politiker, nahm an der Französischen Revolution 1789-1794 und an der Revolution von 1830 teil; in den vierziger Jahren Vertreter der dynastischen Opposition, stand den gemäßigten bürgerlichen Republikanern nahe; 1848 Präsident der provisorischen Regierung. 17 568 Dupoty, Michel-Auguste (1797-1864) französischer Publizist, während der Julimonarchie Herausgeber und Redakteur mehrerer republikanisch-demokratischer Zeitungen. 267
Eccarius, Johann Georg (1818-1889) Schneider aus Thüringen, Mitglied des Bundes der Gerechten, danach des Bundes der Kommunisten, Mitglied des Generalrats der I. Internationale; beteiligte sich später an der englischen trade-unionistischen Bewegung. 414 416 564 Eckart, der getreue Held der deutschen Volkssage, Sinnbild eines zuverlässigen Wächters. 198 Eckermann, Johann Peter (1792-1854) Schriftsteller, Sekretär Goethes, Verfasser und Herausgeber der „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens". 199 Eichfeld, Karl ehemaliger Leutnant, 1849 Kriegsminister der badischen provisorischen Regierung. 141
Eisenhut, Anton (hingerichtet 1525) Geistlicher, 1525 Führer des Bauernaufstands in Eppingen (Pfalz). 391 Eitel, Hans Bauer aus Bermatingen, während des Bauernkrieges 1525 Führer des Seehaufens in Schwaben, unterzeichnete den Vertrag mit dem Truchseß in Weingarten, worauf er seine Abteilung auflöste. 380 Elias Gestalt aus dem Alten Testament. 352 Emmermann, Karl Oberförster aus der Rheinprovinz, kommandierte 1849 in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee eine Schützenabteilung; nach der Niederlage der Revolution emigrierte er in die Schweiz. 187 Engelhard, Magdalene Philippine (geborene Gatterer) (1756—1831) wenig bekannte Dichterin. 199 Engels, Friedrich (1820-1895). 124-195 324bis 326 414 415 464 511-513 531 532 538 Enkel des heiligen Ludwig siehe Chambord, Henri-Charles d'Artois Ernst II. (1464-1513) Erzbischof von Magdeburg und Primas von Deutschland (1476 bis 1513). 351 Erzbischof von Bamberg siehe Weigand von Redwitz Erzbischof von Magdeburg siehe Ernst II. Erzbischof von Salzburg siehe Lang, Matthäus Erzbischof von Trier siehe Richard von Greifenklau Erzherzog von Österreich siehe Ferdinand I. d'Ester, Karl Ludwig Johann (1811-1859) Arzt in Köln, Mitglied der Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten; 1848 Mitglied des Vorparlaments und einer der Führer der Linken in der preußischen Nationalversammlung; Teilnehmer am zweiten Demokratenkongreß im Oktober 1848 in Berlin, wo er in den Zentralausschuß der Demokraten Deutschlands gewählt wurde; 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer (äußerste Linke); spielte 1*849 eine bedeutende Rolle im badisch-pfälzischen Aufstand, emigrierte danach in die Schweiz. 146 149-152 160 161 178 183 192
Eugen, Prinz von Savoyen (1663-1736) österreichischer Heerführer und Staatsmann. 158 Evans, David Morier (1819-1874) englischer Ökonom und Journalist. 427 Ewerbeck, August Hermarm (1816-1860) Arzt und Schriftsteller, leitete die Pariser Gemeinde des Bundes der Gerechten, später Mitglied des Bundes der Kommunisten (1850 ausgetreten). 311 Exkönig von Westfalen siehe Bonaparte, Jerome
Falloux, Alfred-Freddric-Pierre, comte de (1811-1886) französischer Politiker und Schriftsteller, Legitimist und Klerikaler, auf dessen Initiative 1848 die Auflösung der Nationalateliers erfolgte und der Juniaufstand in Paris blutig niedergeschlagen wurde; Unterrichtsminister (1848-1849). 47 56 66 76 Faucher, Julius (1820-1878) deutscher Publizist, Junghegelianer, Vulgärökonom, Anhänger des Freihandels; Anfang der fünfziger Jahre propagierte er bürgerlich-individualistische, anarchistische Ansichten; später Fortschrittler. 289 417 Faucher, Leon (1803-1854) französischer Publizist, Ökonom und Politiker, Orleanist, später Bonapartist; von 1848—1851 Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Innenminister (Dezember 1848 bis Mai 1849 und 1851); erbitterter Feind der Arbeiterbewegung. 12 47 52 54 Fenner von Fenneberg, Daniel (1820-1863) ehemaliger österreichischer Offizier, 1848 Kommandeur der Wiener Nationalgarde, 1849 kurze Zeit Kommandeur der pfälzischen Revolutionsarmee, nach dem erfolglosen Versuch, die Festung Landau zu nehmen, wurde er seines Postens enthoben. 154 Ferdinand I. (1503-1564) Erzherzog von Osterreich und Herzog von Württemberg und Teck; deutscher Kaiser (1556-1564). 379 387 397 398 407 408 Feuerbach, Ludwig (1804-1872). 418
Feuerbacher, Matern Ratsherr und Führer der bürgerlichen Opposition in Bottwar (Württemberg), stand 1525 an der Spitze des hellen christlichen Haufens der aufständischen Bauern und Städter; nach der Niederlage der Aufständischen floh er in die Schweiz. 387 388 390 391 Fickler, Joseph (1808-1865) Journalist, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848/49 einer der Führer der radikal-demokratischen Bewegung in Baden; 1849 Mitglied der badischen provisorischen Regierung, danach Emigrant in der Schweiz, in England und in Amerika. 136 Flocon, Ferdinand (1800-1866) französischer Publizist und Politiker, kleinbürgerlicher Demokrat; Redakteur der Zeitung „La Reforme", 1848 Mitglied der provisorischen Regierung. 16 278 568 Florian siehe Greisel, Florian Flotte, Paul-Louis-Fratifois-Rene de (Deflotte) (1817-1860) französischer Marineoffizier, Demokrat und Sozialist, Anhänger Blanquis, aktiver Teilnehmer an den Ereignissen des 15. Mai und am Juniauf stand 1848 in Paris, 1850/51 Deputierter dergesetzgebendenNationalversammlung.
91 92 298 Fohi (Fuhi) sagenhafter Begründer der chinesischen Kultur. 222 Forner, Anton Bürgermeister der Reichsstadt Nördlingen (Franken), schloß sich 1525 den aufständischen Bauern an und leitete in der Stadt den revolutionären Teil der Bevölkerung. 383 Fothergill, Thomas englischer Offizier, Ehrensekretär des Bundes deutscher Emigranten, der 1850 von kleinbürgerlichen Demokraten in London organisiert wurde. 305 Fouche, Joseph (1759-1820) zur Zeit der Französischen Revolution Jakobiner, unter Napoleon I. Polizeiminister; zeichnete sich durch äußerste Prinzipienlosigkeit aus. 86 301 Fould, Achille (1800—1867) französischer Bankier und Politiker, Orleanist, später Bonapartist; 1848/49 Deputierter der
konstituierenden Nationalversammlung; Finanzminister (1849-1860 und 1861 bis 1867). 25 39 50 77 79 80 296 Fouquier~Tinville, Antoine-Quentin (1746 bis 1795) während der Französischen Revolution öffentlicher Ankläger beim Revolutionstribunal. 57 Fourier, Frangois-Marie'Charles (1772-1837) französischer utopischer Sozialist. 277 541 Foy, J. Kandidat der Partei der Ordnung bei den Ergänzungswahlen zur französischen gesetzgebenden Nationalversammlung vom 10. März 1850. 298 Frankel deutscher Arbeiter in London, 1847 Mitglied des Bundes der Kommunisten und des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London; Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten (1849-1850); bei der Spaltung des Bundes schloß er sich der sektiererischen Fraktion Willich-Schapper an. 564 565 Franz I. (1494-1547) König von Frankreich (1515-1547). 282 378 Franz Joseph I. (1830-1916) Kaiser von Österreich (1848-1916). 459 Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen (1740-1786). 208 474 478 479 483 523 Friedrich III. (der Weise) (1463-1525) Kurfürst von Sachsen (1486-1525), Begründer der Universität Wittenberg; gewährte Luther auf der Wartburg Schutz, verfolgte Thomas Münzer. 348 Friedrich Wilhelm I. (1802-1875) Kurfürst von Hessen (1847-1866). 458 525 Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) König von Preußen (1786-1797). 468 Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) König von Preußen (1840-1861). 132 213 214 216 222 223 317 318 320 456 457 459 Fries, A. Jurist aus der Pfalz, kleinbürgerlicher Demokrat, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Mitglied der Pfälzer revolutionären provisorischen Regierung, danach Emigrant in der Schweiz. 307 Frundsberg, Georg von (1473-1528) Führer der deutschen Landsknechte, die beim Schwäbischen Bund dienten; 1525/26
nahm er an der Unterdrückung der Bauernaufstände in Schwaben und im Bistum Salzburg teil. 398 408 Fürstabt von Kempten siehe Breitenstein, Sebastian von Füster, Anton (1808-1881) österreichischer Theologe, Professor an der Wiener Universität, 1848 Reichstagsabgeordneter, kleinbürgerlicher Demokrat; danach Emigrant in London, später in den USA. 546 548
Gagern, Heinrich Wilhelm August, Freiherr von (1799-1880) hessischer Politiker, gemäßigter Liberaler; 1848 Mitglied des Vorparlaments und Präsident der Frankfurter Nationalversammlung (rechtes Zentrum); Präsident des Reichsministeriums (Dezember 1848 bis März 1849); später einer der Führer der Gothaer Partei. 441 456 Galeer, Albert-Frideric-Jean (1813 oder 1816-1851) Schweizer Lehrer und Publizist, 1847 Teilnehmer am Kriege gegen den Sonderbund und 1849 am badischpfälzischen Aufstand; war das Haupt der Genfer Demokraten. 303 Garnier-Pages, Louis-Antoine (1803-1878) französischer Politiker, gemäßigter Republikaner; 1848 Mitglied der provisorischen Regierung und Maire von Paris. 278 279 568 Gatterer siehe Engelhard, Magdalene Philippine Gebert, August Tischler aus Mecklenburg, Mitglied des Bundes der Kommunisten in der Schweiz und dann in London; bei der Spaltung des Bundes 1850 schloß er sich der sektiererischen Fraktion WillichSchapper an. 564 565 Geismaier (Gaißmayr), Michael (geb. zwischen 1490 und 1495, ermordet 1527) Sekretär des Bischofs von Tirol, 1525/26 Anführer der Bauernaufstände in Tirol und im Bistum Salzburg, Anhänger Thomas Münzers. 407-409 Georg (der Reiche oder der Bärtige) (1471 bis 1539) Herzog von Sachsen (1500-1539), 1525 einer der Organisatoren des Blutbads
unter den aufständischen Bauern Thüringens; Gegner der Reformation. 356 Georg I. (1660-1727) König von Großbritannien und Irland (1714-1727) und Kurfürst von Hannover (1698-1727). 207 Georg II. (1683-1760) König von Großbritannien und Irland (1727-1760) und Kurfürst von Hannover (1727-1760). 207 Georg V. (1819-1878) König von Hannover (1851-1866). 525 Georg Truchseß von Waldburg siehe Truchseß von Waldburg, Georg Gerber, Erasmus 1525 einer der Anführer der aufständischen elsässischen Bauern; nach der Niederlage der Aufständischen wurde er bei Zabern gefangengenommen und gehängt. 405 Gerber, Theus Führer des aus Stuttgarter Plebejern bestehenden Haufens, der sich 1525 den württembergischen Aufständischen unter Feuerbacher angeschlossen hatte; nach der Niederlage des Bauernaufstands in Württemberg floh er nach Eßlingen. 391 Geyer, Florian (von Geiersberg) (umgekommen 1525) Ritter, kämpfte 1525 auf Seiten der aufständischen fränkischen Bauern, Anführer der Schwarzen Schar. 384 bis 386 393-395 Ghillany, Friedrich Wilhelm (1807-1876) Historiker und Theologe. 199 Gibbs Londoner Stadtrat und stellvertretender Oberbürgermeister (1850). 305 Gil Blas Titelgestalt eines Romans von Lesage. 271 Girardin, Emile de (1806-1881) französischer Publizist und Politiker, von 1830-1857 mit Unterbrechungen Redakteur der Zeitung „La Presse"; zeichnete sich in der Politik durch äußerste Prinzipienlosigkeit aus. 100 280-291 418 448 Goegg, Amand (1820-1897) Journalist, kleinbürgerlicher Demokrat; 1849 Mitglied der badischen provisorischen Regierung; einer der Führer der pazifistischen Liga für Frieden und Freiheit; in den siebziger Jahren schloß er sich der deutschen Sozialdemokratie an. 143 178
Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832). 198 199 Görgey, Arthur von (1818-1916) General der ungarischen Revolution 1848/49, Oberbefehlshaber der ungarischen Armee (April bis Juni 1849), stützte sich auf den reaktionären Teil des Offizierskorps, sabotierte den revolutionären Krieg. 145 Götz siehe Berlichingen, Götz von Götz, Christian (1783-1849) österreichischer Generalmajor, nahm 1848/49 an der Unterdrückung der Revolutionen in Italien und Ungarn teil. 475 Goudchaux, Michel (1797-1862) französischer Bankier, bürgerlicher Republikaner, 1848 Finanzminister in der provisorischen Regierung. 37 Gracchen die Brüder Gajus Gracchus (4 53 bis 121 v. u. Z.) und Tiberius Gracchus (162 bis 133 v. u. Z.) Führer einer Agrarbewegung, die die Interessen der Kleinbauernschaft im alten Rom vertrat. 525 Graf Von Paris siehe Louis-Philippe-Albert Grandin, Victor (1797-1849) französischer Fabrikant und konservativer Politiker, 1839-1848 Mitglied der Deputiertenkammer, 1848/49 ultrareaktionärer Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung. 12 Grandmenil französischer Journalist, kleinbürgerlicher Demokrat, führendes Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie, einer der Gründer und Herausgeber der „Reforme". 268
Granier de Cassagnac, Bernard-Adolphe (1806-1880) französischer Journalist, prinzipienloser Politiker, vor der Revolution 1848 Orleanist, dann Bonapartist, Deputierter des Corps legislatif (1852 bis 1870). 101 449 Grebel, Konrad Führer der Sekte der Wiedertäufer in Zürich, Anhänger Münzers, revolutionärer Agitator in Süddeutschland. ~ 357 Gregor von Burgbernheim 1525 Führer der aufständischen Bauern der Markgrafschaft Ansbach. 394 395
Greiner, Theodor Ludwig Jurist, kleinbürgerlicher Demokrat; 1849 Mitglied der pfälzischen revolutionären provisorischen Regierung, emigrierte nach der Niederlage der Revolution in die Schweiz, später in die USA. 160 161 307 Greisel, Florian Pastor aus Aichstetten, nahm 1525 am Bauernaufstand in Schwaben teil; nachdem die schwäbischen Bauern den Weingartener Vertrag abgeschlossen hatten, floh er in die Schweiz. 389 Grey, Georg (1799-1882) englischer Staatsmann, Whig, Innenminister (1846 bis 1852, 1855-1858, 1861-1866), Kolonialminister (1854/55). 240 Großherzog von Baden siehe Karl Leopold Friedrich Grün, Karl (Pseudonym von Ernst Von der Haide) (1817-1887) kleinbürgerlicher Publizist, in den vierziger Jahren ein Hauptvertreter des „wahren" Sozialismus; 1848/49 trat er als kleinbürgerlicher Demokrat auf; 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung (linker Flügel), 1849 Zivilkommissär in Baden. 299 Gugel-Bastian Anführer des Bauernaufstandes bei Bühl in Baden, 1514 in Freiburg hingerichtet. 369 Guinard, Auguste-Joseph (1799-1874) französischer kleinbürgerlicher Demokrat, 1848/49 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung, wegen seiner aktiven Teilnahme an der Demonstration vom 13. Juni 1849 zu lebenslänglicher Verbannung verurteilt. 92 Guizot, Frangois-Pierre-Guillaume (1787 bis 1874) französischer Historiker und Staatsmann, Orleanist; leitete von 1840 bis 1848 die Innen- und Außenpolitik Frankreichs, vertrat die Interessen der großen Finanzbourgeoisie. 12 15 16 32 40 47 53 71 76 207-212 255 Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878) Schriftsteller, führender Vertreter des Jungen Deutschlands; Redakteur der Zeitschrift „Telegraph für Deutschland" (1838-1843); Dramaturg am Hoftheater zu Dresden (1847-1850). 199
Gützlaff, Karl Friedrich August (1803 bis 1851) evangelischer Missionar in China. 221 222
Habern, Wilhelm pfälzischer Marschall, Militärbefehlshaber des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz, nahm 1525 an der Unterdrückung des Bauernaufstandes in der Pfalz teil. 386 397 Hafis, Scherns ed-Din-Mohammed (etwa 1300 bis etwa 1389) gebürtiger Tadshike, bedeutender persischer Dichter, Klassiker der tadshikischen Literatur. 201 Hannoversche Dynastie Dynastie englischer Könige (1714-1837). 208 Hansemann, David Justus (1790-1864) Großkapitalist, einer der Führer der rheinischen liberalen Bourgeoisie; 1847 Mitglied des Vereinigten Landtags; 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung und von März bis September preußischer Finanzminister. 117 Harney, George Julian (1817-1897) einflußreicher englischer Arbeiterführer, einer Her Führer des linken Flügels der Chartisten; Redakteur der Zeitungen „The Northern Star", „Democratic Review", „Friend of the People", „Red Republican" und anderer Publikationen der Chartisten; bis Anfang der fünfziger Jahre eng mit Marx und Engels verbunden. 415 445 554 Hassenpflug, Hans Daniel Ludwig Friedrich (1794-1862) Staatsmann, Anhänger des Absolutismus, kurhessischer Justiz- und Innenminister (1832-1837), Ministerpräsident (1850-1855). 458 Haude Mitglied des Bundes der Kommunisten, nach der Spaltung des Bundes 1850 Emissär der sektiererischen Fraktion Willich-Schapper in Deutschland. 564 565 Haupt, Hermann Wilhelm (geb. etwa 1831) Handlungsgehilfe, Mitglied des Bundes der Kommunisten in Hamburg; wurde vor dem Kölner Kommunistenprozeß verhaftet, machte verräterische Angaben, wurde wieder freigelassen und flüchtete nach Brasilien. 414
Häusner, Karl Ingenieur, 1849 Kommandeur einer rheinhessischen Abteilung der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 156 Haussez, Charles Lemercher de Longpre, baron d' (1778-1854) französischer reaktionärer Staatsmann, 1829/30 Marineminister. 91 Hautpoul, Alphonse-Henri, marquis d' (1789 bis 1865) französischer General, Legitimist, danach Bonapartist, 1849/50 Kriegsminister. 76 90 100 106 107 217 448 454 455 Haynau, Julius Jakob, Freiherr von (1786 bis 1853) österreichischer Feldmarschall, der 1848/49 die revolutionären Bewegungen in Italien und Ungarn grausam unterdrückte. 73 441 442 Hecker, Friedrich Franz Karl (1811-1881) Rechtsanwalt in Mannheim, kleinbürgerlicher Demokrat, radikaler Republikaner; 1848 Mitglied des Vorparlaments, einer der führenden Männer des badischen Aufstandes im April 1848; emigrierte danach in die Schweiz, später in die USA nahm als Oberst auf seiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg teil. III 157 191 197 Hecker, Karl einer der Führer im Elberfelder Aufstand von 1849. 125 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831). 204 222 256 353 419 420 461 541 Hein deutscher Emigrant in London, Mitglied des Bundes der Kommunisten, während der Spaltung des Bundes Anhänger von Marx. 414 Heine, Heinrich (1797-1856). 143 Heinrich IV. (1553-1610) König von Frankreich (1589-1610). 209 Heinrich V. siehe Chambord, Henri-Charles Heinrich VIII. (1491-1547) König von England (1509-1547). 210 Heintzmann, Alexis (geb. etwa 1812) Staatsanwalt in Elberfeld, liberaler Politiker, Mitglied des Sicherheitsausschusses während des Elberfelder Autstands im Mai 1849, danach Emigrant in London. 125 Heinzen, Karl (1809-1880) radikaler Publizist, kleinbürgerlicher Demokrat; trat gegen Marx und Engels auf, nahm 1849
kurze Zeit am badisch-pfälzischen Aufstand teil, emigrierte danach in die Schweiz, später nach England und siedelte schließlich im Herbst 1850 in die USA über. 7 8 144 Helfenstein, Ludwig, Graf von (etwa 1498 bis 1525) österreichischer Statthalter in Weinsberg (Württemberg), bekannt durch seinen Treuebruch und seine Grausamkeit gegenüber den Bauern, 1525 von den Bauern hingerichtet. 384 385 393 Helvetius, Claude-Adrien (1715-1771) französischer Philosoph, Vertreter des mechanischen Materialismus, Atheist; einer der Ideologen der französischen revolutionären Bourgeoisie. 63 Herwegh, Georg Friedrich (1817-1875) revolutionärer Dichter. 74 75 Herzog Albrecht von Sachsen siehe .4/brecht IV. Herzog von Braunschweig siehe Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von Nassau siehe Adolf Wilhelm Karl August Herzog von Orleans siehe Louis-Philippe Herzogin von Orleans siehe Orleans, Helene Hipler, Wendel Adliger, ehemaliger Kanzler des Grafen von Hohenlohe, 1525 Haupt der aufständischen Bauern im Odenwald, unter seiner Leitung wurde das Heilbronner Programm verfaßt, floh nach der Niederlage der Bauern, wurde aber 1526 verhaftet und starb im Gefängnis. 383-385 392-394 Hirschfeld, Moritz von (1791-1859) preußischer General, 1849 Kommandeur eines Armeekorps, das gegen die badisch-pfälzischen Aufständischen kämpfte. 166 Hishias Gestalt aus dem Alten Testament. 352 Höchster, Ernst Hermann (geb. etwa 1811) Rechtsanwalt in Elberfeld, kleinbürgerlicher Demokrat; während des Maiaufstands 1849 Vorsitzender des Elberfelder Sicherheitsausschusses; emigrierte nach der Niederlage des Aufstands nach Paris, zog sich später von der politischen Tätigkeit zurück. 125 136
Hodde, Luden de la (Delahodde) (1808 bis 1865) französischer Publizist, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Restauration und der Julimonarchie; Polizeiagent. 266-271 275 278 279 Hohenlohe, Albrecht und Leopold, Grafen von Vertreter eines fränkischen Fürstengeschlechts. 383384 Hohenzollern Dynastie brandenburgischer Kurfürsten (1415-1701), preußischer Könige (1701-1918) und deutscher Kaiser (1871-1918). 167 301 Homer legendärer epischer Dichter der griechischen Antike, dem die Epen „Ilias" und „Odyssee" zugeschrieben werden. 154 214 Honstein, Wilhelm, Graf von (etwa 1470-1541) Landgraf von Elsaß, als Wilhelm III. Bischof von Straßburg (1506-1541), unterdrückte 1525 den Bauernaufstand im Erzbistum Mainz, wo er seit 1524 Statthalter war. 396 Hosszu, Anton 1514 einer der Führer des Bauernaufstands in Ungarn. 370 Hubmaier, Balthasar (etwa 1480-1528) Pfarrer der Gemeinde Waldshut im Schwarzwald, Anhänger Münzers und Prediger der Volksreformation; wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 357 377 Hugo, Victor (1802-1885) französischer Schriftsteller, bürgerlicher Republikaner; 1848-1851 Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung. 75 99 449 Hus, Jan (Johannes) (etwa 1369-1415) Professor an der Prager Universität, Führer der Reformation in Böhmen und der tschechischen nationalen Befreiungsbewegung, wurde als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt; Nationalheld des tschechischen Volkes. 345 352 Hutten, Frowin von Vetter Ulrich von Huttens, Anhänger Sickingens während des Adelsaufstandes 1522, diente am Hofe des Kurfürsten von Mainz, beteiligte sich 1525 an der Unterdrückung des Bauernaufstands. 396
Hutten, Ulrich von (1488-1523) Humanist, Dichter, theoretischer Repräsentant der reichsunmittelbaren Ritterschaft zur Zeit des Adelsaufslands (1522/23). 348 373-376 396
Jakob Prediger, einer der Führer des Bauernaufstands der „Hirten" in der Pikardie (Frankreich); laut Chronik stammte er aus Ungarn. 344 Jamen, Johann Joseph (1825-1849) Geometerkandidat, Mitglied der Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten; 1848 stellvertretender Präsident des Kölner Arbeitervereins, Anhänger Gottschalks, Mitglied des Rheinischen Kreisausschusses der Demokraten; 1849 wegen Teilnahme am badisch-pfälzischen Aufstand zum Tode verurteilt und erschossen. 300 Jaup, Heinrich Karl (1781-1860) Jurist, Liberaler, Ministerpräsident von HessenDarmstadt (1848-1850), im August 1850 Präsident des Friedenskongresses in Frankfurt am Main. 441 Jean Paul (Pseudonym von Johann Paul Friedrich Richter) (1763-1825) kleinbürgerlicher satirischer Schriftsteller. 256 Jellachich (Jelacic), Josip, Graf von Buzim (1801-1859) österreichischer General, wurde 1848 Banus von Kroatien, Slawonien und Dalmatien; war aktiv an der Niederschlagung der Revolution 1848/49 in Osterreich und Ungarn beteiligt. 545 Jeremia(s) Gestalt aus dem Alten Testament. 203 441 545 Joachim von Floris (der Calabreser) (etwa 1132-1202) italienischer Abt, mittelalterlicher Mystiker; seine Lehren wurden von der Katholischen Kirche verdammt. 351 Johann (der Beständige) (1468-1532) Herzog von Sachsen, seit 1525 Kurfürst von Sachsen, verfolgte Münzer, unterdrückte 1525 die aufständischen Bauern in Thüringen. 355 Jones, Emest Charles (1819-1869) englischer proletarischer Dichter und Publizist;
hervorragender Führer des revolutionären Chartismus; einer der Redakteure des „Northern Star"; Herausgeber der chartistischen Blätter „Notes to the People" und „The People's Paper"; bis in die fünfziger Jahre eng mit Marx und Engels verbunden. 445 Joseph Gestalt aus dem Alten Testament. 73 Josias Gestalt aus dem Alten Testament. 352 Joß, Fritz aus Untergrombach (gest. etwa 1517) Reorganisator der Bundschuhbewegung am Oberrhein und im Schwarzwald. 364-366 371
Kaiser von China siehe Taukuang Kaiser von Österreich siehe Franz Joseph I. Kant, Immanuel (1724-1804). 76 Karl /. (1600-1649) König von England (1625-1649), während der englischen bürgerlichen Revolution hingerichtet. 209 210 KarlX. (1757-1836) König von Frankreich (1824-1830). 91 Karl Albert (1798-1849) König von Sardinien und Piemont (1831-1849). 54 475 Karl Leopold Friedrich (1790-1852) Großherzog von Baden (1830-1852). 123 136 140141144 173 Karl Wilhelm Ferdinand (1735-1806) Herzog von Braunschweig (1780-1806), Heerführer in den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich (1792-1794) ; als Oberbefehlshaber des preußischen Heeres gegen Napoleon verlor er 1806 die Schlacht von Jena und Auerstedt. 468 Kasimir (1481 -1527) Markgraf vonBrandenburg-Ansbach-Bayreuth (1519-1527) Vertreter des fränkischen Zweiges des Geschlechts der Hohenzollern, richtete ein Blutbad unter den aufständischen Ansbacher und Rothenburger Bauern und Städtern an. 393 395-397 Kinkel, Gottfried Johann (1815-1882) Schriftsteller und Publizist, kleinbürgerlicher Demokrat, Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand von 1849; wurde vom preußischen Gericht zu lebenslänglicher
Festungshaft verurteilt, flüchtete aus dem Gefängnis und emigrierte nach England; einer der Führer der kleinbürgerlichen Emigration in London; kämpfte gegen Marx und Engels. 173 185 187 299-301 Klopstock,Friedrich Gottlieb {\724-1803). 202 Klose, G. deutscher Emigrant in London, Mitglied des Bundes der Kommunisten, während der Spaltung des Bundes stand er auf der Seite von Marx. 414 Knierim 1849 Bataillonskommandeur in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 178 bis 180 Knigge, Adolph Franz Friedrich Ludwig, Freiherr von (1752-1796) Schriftsteller. 201 Knopf von Leulas siehe Sckmid, Jörg Koller,Emst Matthias t)on(1841 -1928) preußischer konservativer Politiker; Innenminister (1894/95). 526 Kolumbus, Christoph (etwa 1446-1506) italienischer Seefahrer in spanischen Diensten, Entdecker Amerikas. 286 289 König von Hannover siehe Georg V. Koni? von Preußen (1786-1797) siehe Friedrich Wilhelm IL König von Preußen (1840-1861) siehe Friedrich Wilhelm IV. Konrad III. von Thiingen (etwa 1466-1540) Fürstbischof von Würzburg (1519-1540), einer der grausamsten Unterdrücker der aufständischen Bauern und städtischen Plebejer in Franken (1525). 386 396 Konstantin I. (der Große), Flavius Valerius (etwa 274-337) römischer Kaiser (306 bis 337). 527 Körner, Hermann Joseph Alois (1805-1882) Zeichenlehrer, kleinbürgerlicher Demokrat, Teilnehmer an der Revolution 1848/49; einer der Organisatoren des Maiauf stands 1849 in Elberfeld, emigrierte nach der Niederschlagung des Aufstands in die Schweiz, danach in die USA. 307 Kossuth, Lajo s (Ludwig) (1802-1894) Führer ' der ungarischen nationalen Befreiungsbewegung, stand in der Revolution von 1848/49 an der Spitze der bürgerlich
demokratischen Elemente; Haupt der ungarischer. revolutionären Regierung; nach der Niederlage der Revolution floh er in die Türkei, lebte später als Emigrant in England und Amerika. 144 159 164 172 480 Kriegsminister von Preußen siehe Stockhausen Krug, Wilhelm Traugott (1770-1842) idealistischer Philosoph, Anhänger Kants, seit 1805 Professor der Philosophie in Königsberg; liberaler Publizist. 199 Kunowski Major. 314 318 Kunze, August Publizist. 199 Kurfürst Von Hessen siehe Friedrich Wilhelm I. Kurfürst von der Pfalz siehe Ludwig V. Kurfürst Von Sachsen siehe Friedrich III. Kurz Schweizer Offizier. 195
Lacrosse, Bertrand-Theobald-Joseph, baron de (1796-1865) französischer Staatsmann, Orleanist, später Bonapartist; Minister für öffentliche Arbeiten (1848/49,1851), Vizepräsident der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung. 67 Lafayette (La Fayette), Marie-Joseph-Paul, marquis de (1757-1834) französischer Staatsmann und General, einer der Führer der Großbourgeoisie während der Französischen Revolution, 1830 einer der Wegbereiter für die Thronbesteigung LouisPhilippes. 471 Laffitte, Jacques (1767-1844) französischer Bankier und Politiker, Orleanist, Vertreter der französischen Finanzbourgeoisie. 12 La Hitte, Jean-Ernest Ducos, vicomte de (1789-1878) französischer General, Bonapartist, Außenminister und Kriegsminister (1849-1851). 91 La Hodde, Luden de siehe Hodde, Luden de la Lamartine, Alphonse-Marie-Louis de (1790 bis 1869) französischer Dichter, Historiker und Politiker; in den vierziger Jahren einer der Führer der gemäßigten Republikaner; 1848 Außenminister und eigentliches Haupt der provisorischen Regierung, Mitglied der konstituierenden Nationalver
Sammlung und der Exekutivkommission. 17 21 28 31 257 258 445 461 568 Lamourette, Adrien (1742-1794) französischer Bischof, 1792 Deputierter der gesetzgebenden Nationalversammlung, als Konterrevolutionär 1794 hingerichtet. 102450 Lamparter, Gregor (1463-1523) Rat des Herzogs Ulrich von Württemberg, später Kanzler. 368 Landgraf von Hessen siehe Philipp I. Lang, Matthäus (etwa 1468-1540) Erzbischof von Salzburg und Kardinal (1519-1540), verfolgte streng die Anhänger der Reformation, unterdrückte 1525/26 grausam die aufständischen Bauern und Städter des Bistums Salzburg. 406 408 Larocheja(c)quelein (La Rochefaquelein), Henri-Auguste-Georges, marquis de (1805 bis 1867) französischer Politiker, einer der Führer der Legitimisten, Mitglied der Kammer derPairs; 1848 Deputierter der konstituierenden und 1849 der gesetzgebenden Nationalversammlung; unter Napoleon III. Senator. 18 Lassalle, Ferdinand (1825-1864). 519 Laurentius siehe Meszäros Lau), John of Lauriston (1671-1729) englischer bürgerlicher Ökonom und Finanzier, Generalkontrolleur der Finanzen in Frankreich (1719 bis 1720), bekannt durch seine Spekulationsaffären bei der Herausgabe von Papiergeld, die 1720 mit einem gewaltigen Krach endeten. 442 Leclerc, Alexandre Pariser Kaufmann, Anhänger der Partei der Ordnung, 1848 Teilnehmer an der Niederschlagung des Juniaufstands der Pariser Arbeiter. 98 446 Ledru-Rollin, Alexandre-Auguste (1807-1874) französischer Publizist und Politiker, einer der Führer der kleinbürgerlichen Demokraten, Redakteur der Zeitung „La Reforme"; 1848 Innenminister der provisorischen Regierung und Mitglied der Exekutivkommission; Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung (Montagne); nach
dem 13. Juni 1849 emigrierte er nach England. 16 25 28 35 37 45 52 55-57 61-66 69 80 92 98 99 278 447 459 467 568 Lehmann, Albert deutscher Arbeiter in London, führendes Mitglied des Bundes der Gerechten und des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London; Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; schloß sich 1850 bei der Spaltung des Bundes der sektiererischen Fraktion Willich-Schapper an. 564 Lemoinne, John-Emile (1815-1892) französischer Publizist, englischer Korrespondent des „Journal des Debats". 101 449 Leo, Heinrich (1799-1878) Historiker und Publizist, Verfechter reaktionärer politischer und religiöser Anschauungen, einer der Ideologen des preußischen Junkertums. 463 Lerminier, Jean-Louis-Eugene (1803-1875) französischer Jurist und Publizist; Ende der dreißiger Jahre Konservativer, Professor der vergleichenden Rechtswissenschaft am College de France (1831 bis 1839); legte auf Grund eines Protestes der Studentenschaft sein Lehramt nieder. 53 Lesage, Allain-Renl (1668-1747) französischer Schriftsteller, Verfasser des Romans „Die Abenteuer des Gil Blas aus Santillane". 271 Liebknecht, Wilhelm (1826-1900). 414 Limpurg ehemaliges Grafengeschlecht in Franken (Württemberg); die Grafen von Limpurg waren Reichserbschenken. 386 Lochner, Georg Wolfgang-Karl (1798-1882) Philologe und Historiker. 199 Locke, John (1632-1704) bedeutender englischer dualistischer Philosoph, Sensualist, bürgerlicher Ökonom. 209 Lorcher Rat des Herzogs Ulrich von Württemberg. 368 Louis XIV. siehe Ludwig XIV. Louis Bonaparte siehe Napoleon III. Louis-Napoleon siehe Napoleon III. Louis-Philippe (1773-1850) Herzog von Orleans, König der Franzosen (1830-1848). 12-14 16 40 42 45 71 74 77 78 80 101 103 104 207 218 266 276 449-452 467 490
Louis-Philippe-Albert <TOrleans, comte de Paris (1838-1894) Enkel Louis-Philippes, orleanistischer Thronprätendent. 104 452 Löwenstein, Ludwig und Friedrich, Grafen von Herren der Grafschaft Löwenstein im württembergischen Neckarkreis. 384 Lucas (Lukas) Gestalt aus dem Neuen Testament. 352 Ludwig V. (1478-1544) Kurfürst von der Pfalz (1508-1544) nahm an der Unterdrückung des Adelsaufstands 1522/23 teil; organisierte 1525 Gewaltakte gegen die aufständischen Bauern in Franken. 368 375 385 386 391 392 397 Ludwig IX. (der Heilige) (1215-1270) König von Frankreich (1226-1270). 73 Ludwig XI. (1423-1483) König von Frankreich (1461-1483). 332 374 Ludwig XIII. (1601 -1643) König von Frankreich (1610-1643). 209 Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich (1643-1715). 81 208 Ludwig Philipp siehe Louis-Philippe Luther,Martin (1483-1546). 346-352354-358 360 372 377
Ma c Mahon, Marie-Edme-Patrice-Maurice de, duc de Magenta (1808-1893) Marschall von Frankreich, Oberbefehlshaber der Versailler Armee gegen die Kommune; Präsident der Dritten Republik (1873 bis 1879). 516 Maier, Adolph Mitglied des Bundes der Kommunisten, bei der Spaltung des Bundes 1850 schloß er sich der sektiererischen Fraktion Willich-Schapper an. 565 Malthus, Thomas Robert (1766-1834) englischer Geistlicher und Ökonom, stellte die reaktionäre Theorie von der Übervölkerung auf, die das Elend der Werktätigen im Kapitalismus rechtfertigen sollte. 47 Mantel, Johann (etwa 1468-1530) Theologe, Prediger in Stuttgart, Anhänger Thomas Münzers. 358 Manteuffel 1849 Hauptmann der badischpfälzischen Revolutionsarmee, Mitglied von Sport- und Gymnastikorganisationen,
Verwandter des Freiherrn Otto Theodor von Manteuffel. 171 Manteuffel, Otto Theodor, Freiherr von (1805 bis1882) preußischer Staatsmann,Vertreter der reaktionären Adelsbürokratie, Innenminister (November 1848 bis Dezember 1850); 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer; Ministerpräsident und Außenminister (1850-1858). 119 143 171 Marat, Jean-Paul (1743-1793) französischer Publizist; während der Französischen Revolution einer der konsequentesten Führer des Jakobinerklubs; Herausgeber der Zeitung „L'Ami du peuple". 466 Marche französischer Arbeiter, forderte 1848 im Namen des Volkes von der provisorischen Regierung die Verkündung des Rechts auf Arbeit. 18 Marie de Saint-Georges, Alexandre-Thomas (1795-1870) französischer Advokat und Politiker, bürgerlicher Republikaner; 1848 Minister für öffentliche Arbeiten in der provisorischen Regierung, organisierte die Nationalateliers, Mitglied der Exekutivkommission, Präsident der konstituierenden Nationalversammlung, Justizminister in der Regierung Cavaignac. 26 27 568 Markgraf von Baden siehe Christoph I. Markgraf Kasimir von Ansbach siehe Kasimir Markgraf von Brandenburg-Arnbach siehe Kasimir
Marrast, Armand (1801-1852) französischer Publizist und Politiker, einer der Führer der gemäßigten bürgerlichen Republikaner; Chefredakteur der Zeitung „Le National"; 1848 Mitglied der provisorischen Regierung und Maire von Paris, 1848/49 Präsident der konstituierenden Nationalversammlung. 28 36 40 41 43 55 62 63 218 270 275 448 568 Marschall von Habern siehe Habern, Wilhelm Marx, Karl (1818-1883) 5 131 141 144 146 318-323 414 415 464 511-513 516 518531 532 Mathieu de la Drome, Philippe-Antoine (1808 bis 1865) französischer kleinbürgerlicher Demokrat; 1848-1851 Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden
Nationalversammlung (Montagne); nach dem Staatsstreich 1851 emigrierte er nach Belgien. 53 Maurer, Friedrich Wilhelm German (1813 bis etwa 1882) demokratischer Schriftsteller, Mitglied des Bundes der Geächteten und danach des Bundes der Gerechten. 199 Maximilianl. (1459-1519) römisch-deutscher Kaiser (1493-1519). 199 364 366371 Mayerhof er 1849 Stellvertreter des Kriegsministers in der badischen provisorischen Regierung, sabotierte in verräterischer Weise die notwendigenmilitärischen Maßnahmen. 137 141 Mazzini, Giuseppe (1805-1872) italienischer bürgerlich-demokratischer Revolutionär, einer der Führer der nationalen Befreiungsbewegung in Italien; 1849 Chef der provisorischen Regierung der Römischen Republik, 1850 einer der Organisatoren des Zentralausschusses der Europäischen Demokratie in London. 444 459 463 467 Meißner, Alfred (1822-1885) demokratischer Schriftsteller; Mitte der vierziger Jahre Vertreter der Poesie des „wahren" Sozialismus, später Liberaler. 199 Meister, Wilhelm Titelgestalt aus Goethes Werk „Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre". 203 Melanchthon, Philipp (1497-1560) deutscher Theologe, nächster Mitarbeiter Luthers, paßte mit ihm gemeinsam das Luthertum den fürstlichen Interessen an, stand den revolutionären Ideen Münzers feindlich gegenüber. 355 Menelaos in der griechischen Sage König von Sparta, mit Helena vermählt. 154 Menzingen, Stephan von Adliger, leitete im März 1525 den Aufstand der Rothenburger Kleinbürger und Plebejer; wurde nach der Niederlage des Aufstands hingerichtet. 383 396 Mersy Oberleutnant, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Kommandeur der 3. Division; nach der Niederlage der Revolution 1848/49 emigrierte er in die USA und nahm am Bürgerkrieg auf seiten der Nordstaaten teil. 185 186 188 191
Meszäros, Laurentius (1514 hingerichtet) Geistlicher in Szeged, 1514 Anführer im ungarischen Bauernaufstand. 369 370 Metzler, Georg Wirt in Ballenberg, 1525 einer der Anführer des Bauernaufstands im Odenwald und Führer des hellen lichten Haufens; floh nach der Niederlage des Haufens. 383-385 392 394 Mieroslawski, Ludwig (1814-1878) polnischer Revolutionär, Historiker und Militärfachmann, Teilnehmer an den polnischen Erhebungen von 1830/31 und 1846; 1848 militärischer Führer des Aufstandes in Posen, später Führer des Aufstandes auf Sizilien; 1849 Befehlshaber der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 114 140 145 154 155 165 171 177 181 182 185 189 190 Mniewski, Theophil (1809-1849) polnischer Revolutionär, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Regimentskommandeur, wurde von einem preußischen Feldgericht in Rastatt zum Tode verurteilt und erschossen. 177 Mohammed (Muhammed, Mahomed) Ahul Kasim ihn Abdallah (etwa 570-632) Stifter des Islam. 201 Mole, Louis-Mathieu, comte (1781-1855) französischer Staatsmann, Orleanist; Ministerpräsident (1836-1839); während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung (1848-1851), einer der Führer der konservativ-monarchistischen „Ordnungspartei". 71 72 Moll, Joseph (1812-1849) Uhrmacher aus Köln, einer der Führer des Bundes der Gerechten und des Deutschen Eildungsvereins für Arbeiter in London, Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; von Juli bis September 1848 Präsident des Kölner Arbeitervereins, Mitglied des Rheinischen Kreisausschusses der Demokraten und des Kölner Sicherheitsausschusses; 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, fiel im Gefecht an der Murg. 159 160 184 185 187 244 245
Moloch semitische Gottheit, der Menschenopfer dargebracht wurden. 200 Monk (Monckj, George, duke of Albemarle (1608-1669) englischer General und Staatsmann, erst Royalist, dann General in der Armee Cromwells, ermöglichte 1 660 die Restauration der Dynastie der Stuarts. 53 Monnier Teilnehmer an revolutionären Geheimgesellschaften zur Zeit der Julimonarchie; nach der Februarrevolution 1848 war er Generalsekretär der Polizeipräfektur unter Caussidiere. 268 Montalembert, Charles, comte de (1810- 1870) französischer Politiker und Publizist; während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Haupt der katholischen Partei, unterstützte den Staatsstreich Louis Bonapartes. 81 99 447 Mordes, Florian 1849 Außenminister in der badischen provisorischen Regierung. 137 Moreaa, Jean-Victor (1763-1813) französischer General, nahm am Feldzuge der Französischen Republik gegen die Koalition europäischer Staaten teil, schlug die Österreicher 1800 bei Hohenlinden. 194 Mose(s) Gestalt aus dem A/ten Testament. 79 352 354 Mozart, Wolf gang Amadeus (1756-1791). 261 461 Müller, Hans, von Bulgenbach 1525 Führer der Schwarzwälder Bauern, ließ die Bauern im Stich ; wurde nach der Niederlage des Aufstands hingerichtet. 377 378 380 397 Müller, Jakob (geb. 1823) Jurist, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Zivilkommissar in Kirchheimbolanden; nach der Unterdrückung des Aufstands emigrierte er in die USA. 160 Mündt, Theodor (1808-1861) Schriftsteller, gehörte dem liberalen Schriftstellerkreis Junges Deutschland an; seit 1848 Professor für Literatur und Geschichte in Breslau und ab 1850 in Berlin. 199 Münzer, Thomas (etwa 1490-1525). 339 344 346 347 350-358 363 372 377 379 381 392 400-404 407 531
Napoleon I. Bonaparte (1769-1821) Kaiser der Franzosen (1804-1814 und 1815). 13 46 47 81 85 86 105-107 115 157 159 216 253 301 453 454 468 472-477 479 481 bis 483 487 490 493 495 496 502 Napoleon III. Louis Bonaparte (1808-1873) Neffe Napoleons I., Präsident der Zweiten Republik (1848-1852), Kaiser der Franzosen (1852-1870). 39 44-51 53-57 60 61 63-66 68-70 73-76 80-82 85-87 90-92 101-106 217 218 296 441 449-456 459500 504-506 513 517 532 534 Natzmer, von (gest. 1890) preußischer Hauptmann, 1848 Kommandeur einer Truppenabteilung zur Bewachung des Berliner Zeughauses, weigerte sich beim Zeughaussturm im Juni 1848, auf das Volk schießen zu lassen; zu zehn Jahren Festungshaft verurteilt, später begnadigt. 155 Necker, Jacques (1732-1804) französischer Bankier und Politiker, in den Jahren 1770 bis 1789 mehrmals Finanzminister, versuchte am Vorabend der bürgerlichen Revolution einige Reformen durchzuführen. 220 256 Neriinger kleinbürgerlicher Demokrat, 1848 Teilnehmer an der demokratischen Bewegung in Offenburg, 1849 Major beim Stab der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 192 Nesselrode, Karl Wassilewitsch, Graf von (1780-1862) russischer Staatsmann und Diplomat, Außenminister (1816-1856), seit 1844 Staatskanzler. 474 Neuhaus Arzt aus Thüringen, kommandierte 1849 eine Abteilung in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 188 Neumayer, Maximilian-Georg-Joseph (1789 bis 1866) französischer General, Anhänger der Partei der Ordnung. 107 455 Ney, Napoleon-Henri-Edgar, comte de (1812 bis 1882) französischer General, Bonapartist, Adjutant des Präsidenten Louis Bonaparte. 74 Nikolaus I. (1796-1855) Zar von Rußland (1825-1855). 214 215 218 430 441 454 459 474 484
Nikolaus II. (1868-1918) Zar von Rußland (1894-1917). 524 Noack, Ludwig (1819-1885) Theologe und Philosoph, lehrte an der Universität zu Gießen. 199 Nostradamus (eigentlich Michel de NotreDame) (1503-1566) französischer Arzt und Astrolog, berühmt durch seine gereimten Prophezeiungen. 202
Oastier, Richard (1789-1861) englischer Politiker und Sozialreformer, Tory; im Kampf gegen die Freihandelsbourgeoisie trat er für die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages ein. 234 236 241 Obermüller Publizist aus Baden, nahm 1849 am badisch-pfälzischen Aufstand teil. 162 163 170 192 Oborski, Ludwig (1787-1873) polnischer Oberst, Revolutionär, Teilnehmer am polnischen Aufstand (1830/31), Emigrant, Funktionär der Gesellschaft Fraternal Democrats (Brüderliche Demokraten), 1849 Divisionskommandeur der badischpfälzischen Revolutionsarmee, später Mitglied des Generalrats der I. Internationale. 185 186 190 O'Connor, Feargus Edward (1794-1855) einer der Führer des linken Flügels der Chartistenbewegung, Gründer und Redakteur der Zeitung „The Northern Star"; nach 1848 Reformist. 312 445 Orleans französische Königsdynastie (1830 bis 1848). 45 59 75 Orleans, Helene, Prinzessin von MecklenburgSchwerin, Herzogin d' (1814-1858) Witwe Ferdinands, des ältesten Sohnes LouisPhilippes. 74 Orpheus sagenhafter griechischer Sänger. 63 Oßwald, Eugen (1826-1912) 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Bataillonskommandeur der pfälzischen Revolutionsarmee, Mitglied der Militärkommission der pfälzischen revolutionären provisorischen Regierung; später Journalist und Sprachlehrer in London. 178 Oudinot, Nicolas-Charles-Victor (1791-1863) französischer General, Orleanist, befeh
ligte die 1849 gegen die Römische Republik entsandten Truppen. 57 64 65 477 Ovid (Publius Ovidius Naso) (43 v. u Z. bis etwa 17 u. Z.) römischer Dichter. 467 Owen, Robert (1771-1858) englischer utopischer Sozialist. 541
Pache, Jean-Nicolas (1746-1823) Politiker der Französischen Revolution, Jakobiner; Kriegsminister (Oktober 1792 — Januar 1793), Maire von Paris (Februar 1793 bis Mai 1794). 473 490 Pagnerre, Laurent-Antoine (1805-1854) französischer Verleger und Politiker, bürgerlicher Republikaner, 1848 Generalsekretär der provisorischen Regierung und der Exekutivkommission, Deputierter der konstituierendenNationalversammlung.55 Palmerston, Henry John Temple, Lord (1784 bis 1865) englischer Staatsmann, zuerst Tory, ab 1830 einer der rechten Führer der Whigs; Außenminister (1830-1841, 1846 bis 1851). Innenminister (1852-1855) und Premierminister (1855-1865). 441 442 444 Papst (1523-1534) siehe Clemens VII. Papst (1846-1878) siehe Pius IX. Parmentier französischer Fabrikant und Finanzier, 1847 wegen Beamtenbestechung vor Gericht gestellt. 80 Paskewitsch, Iwan Fjodorowitsch, Fürst zu Warschau, Graf zu Eriwan (1782-1856) russischer Generalfeldmarschall, seit Juni 1831 Oberbefehlshaber der zaristischen Armee, die den Unabhängigkeitskampf Polens von 1830/31 unterdrückte; 1849 Oberbefehlshaber der russischen Truppen, die an der blutigen Niederwerfung der Revolution in Ungarn teilnahmen. 474 484 Passy, Hippolyte-Philibert (1793-1880) französischer Ökonom und Politiker, Orleanist; während der Julimonarchie gehörte er mehrmals der Regierung an, 1848/49 Finanzminister. 74 79 80 Peel, Sir Robert (1788-1850) englischer Staatsmann und Ökonom, gemäßigter Tory; gründete 1832 die Neukonservative Partei; Innenminister (1822-1827,1828 bis
1830), Premierminister (1841-1846), hob mit Unterstützung der Liberalen 1846 die Korngesetze auf. 236 427 442 443 Peucker, Eduard von (1791-1876) preußischer General, Kriegsminister der Reichsregierung (1848/49), kommandierte 1849 die Reichstruppen gegen die badischpfälzische Revolutionsarmee. 119 158 189 Pfänder, Karl (etwa 1818-1876) Miniaturenmaler, Mitglied des Bundes der Gerechten und des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London, Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten und des Generalrats der I.Internationale; Freund und Kampfgenosse von Marx und Engels. 546 549 553 556 557 559 561 Pfeifer (Pfeiffer), Heinrich (hingerichtet 1525) Volksprediger, Anhänger Münzers; 1525 einer der Führer des Aufstands der städtischen Bevölkerung in Mühlhausen. 400 404 Pfeiferhänslein siehe Böheim, Hans Philipp /. (1479-1533) Markgraf von Baden, nahm 1525 an der Unterdrückung' des Bauernaufstands in Süddeutschland teil. 369 Philipp I. (der Großmütige) (1504-1567) Landgraf von Hessen, nahm an der Zerschlagung des Adelsaufstands 1522/23 teil; 1525 unterdrückte er den Bauernaufstand in Thüringen. 375 403 404 410 Pilhes, Victor französischer Journalist, Demokrat, Teilnehmer an revolutionären Geheimgesellschaften zur Zeit der Julimonarchie, Anhänger der Zeitung „La Reforme"; während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung. 267 Pistol Gestalt aus dem Lustspiel „Die lustigen Weiber von Windsor" von Shakespeare. 165 188 Pius IX. (1792-1878) römischer Papst (1846 bis 1878). 56 74 256 257 443 444 463 Plato(n) (427-347 v. u. Z.) griechischer idealistischer Philosoph, Ideologe der Sklavenhalteraristokratie. 42 Potiphar Gestalt aus dem Alten Testament. 73 Pradie, Pierre (1816-1892) französischer Advokat, bürgerlicher Republikaner, zur Zeit der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Verfasser von Broschüren zur Verteidigung der Republik gegen Louis-Napoleon. 219 Praßler, Kaspar 1525 Anführer der aufständischen Bauern und Bergleute im Bistum Salzburg. 406 Pregizer, Kaspar Messerschmied in Schorndorf (Württemberg), einer der Organisatoren des Bundes Armer Konrad, nahm 1514 am Aufstand der Bauern und Städter in Württemberg teil, floh nach der Niederlage des Aufstands. 367 Prinz von Preußen siehe Wilhelm I. Proudhon, Pierre-Joseph (1809-1865) französischer Publizist, Soziologe und Ökonom; Ideologe des Kleinbürgertums, einer der theoretischen Begründer des Anarchismus; 1848 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung. 97 323 417418 439 467 518 541 Rabmann, Franz Volksprediger in Grießen, Anhänger Thomas Münzers, nahm an den Aufständen der Schwarzwälder und Klettgauer Bauern und Plebejer teil; im Herbst 1525 wurde er gefangengenommen und hingerichtet. 357 Radetzky, Joseph, Graf (1766-1858) österreichischer Feldmarschall, Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in Italien. 475 476 Raffael (eigentlich Raffaelo Santi) (1483 bis 1520) italienischer Maler zur Zeit der Renaissance. 266 Rakpw Offizier, beteiligte sich 1848 am Befreiungskampf Schleswig-Holsteins und nahm 1849 am badisch-pfälzischen Aufstand als Kommandeur des Kaiserslauterner Bataillons der badischen Revolutionsarmee teil. 165
Ramorino, Gerolamo (1792-1849) italienischer General, kommandierte die piemontesische Armee während der Revolution 1848/49 in Italien; durch seine verräterische Taictik trug er zum Sieg der konterre volu tionären österreichischen Truppen bei. 476 Raquilliet, Felix (1778-1863) polnischer Revolutionär, 1830/31 Offizier in der polnischen aufständischen Armee, danach Emigrant in Frankreich; 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, hatte zeitweilig den Posten eines Oberbefehlshabers der Streitkräfte der Pfalz inne. 154 Raspail, Francis- Vincent (1794-1878) französischer Naturwissenschaftler und Publizist, sozialistischer Republikaner, stand dem revolutionären Proletariat nahe; Teilnehmer der Revolutionen von 1830 und 1848, Herausgeber der Zeitung „L'Ami du Peuple"; 1848 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung; 1849 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, lebte nach Abänderung des Urteils auf Verbannung in Belgien. 17 28 39 45 52 Rateaa, Jean-Pierre Lamotte (1800-1887) französischer Advokat, während der Zweiten Republik Deputierter der konstituierenden und der gesetzgebenden Nationalversammlung, Bonapartist. 50 53 54 Raumer, Friedrich von (1781 -1873) Professor der Geschichte in Berlin, Liberaler; 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (rechtes Zentrum), Reichsgesandter in Paris. 199 Reichardt, Joseph Martin (1803-1872) Jurist, kleinbürgerlicher Demokrat, 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel) und 1849 der pfälzischen Revolutionsregierung; nach der Niederlage des Aufstands emigrierte er in die USA. 154 Rembrandt (eigentlich R.Harmensz van Rijn) (1606-1669) holländischer Maler und Radierer. 266 Reventlow, Friedrich, Graf von (1797-1874) deutscher konservativer Politiker, 1848
Mitglied der provisorischen Regierung Schleswig-Holsteins. 458 Rhadamanth Gestalt aus der griechischen Mythologie. 264 Ricardo, David (1772-1823) englischer Ökonom, Vertreter der klassischen bürgerlichen Politischen Ökonomie. 289 461 Richard von Greifenklau (1467-1531) Kurfürst und Erzbischof von Trier (1511 bis 1531), Gegner der Reformation, nahm an der Unterdrückung des Adelsaufstands (1522/23) und des Bauernaufstands (1525) teil. 375 397 Riotte, Karl Nikolaus (geb. etwa 1816) Advokat, Demokrat; 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer; während des Maiaufstands 1849 in Elberfeld Mitglied des Sicherheitsausschusses; emigrierte nach Amerika. 125 Robespierre, Maximilien-Marie-Isidor de (1758-1794) Politiker der Französischen Revolution, Führer der Jakobiner; 1793 bis 1794 Haupt der revolutionären Regierung. 41 125 466 Robinson, IV.R. Gouverneur der Bank von England (um 1847). 424 Rohrbach, Jäcklein 1525 einer der Führer des Bauernaufstands in Franken, zeichnete sich durch Unversöhnlichkeit gegenüber den Adligen aus; auf Befehl des Truchseß zu Tode gefoltert. 383-385 387 388 391 392 Ronge, Johannes (1813-1887) Geistlicher; Gründer und Führer der deutsch-katholischen Bewegung, die den Katholizismus den Belangen der deutschen Bourgeoisie anpassen wollte; wurde kleinbürgerlicher Demokrat, nahm an der Revolution 1848 bis 1849 teil; von 1849 bis 1861 Emigrant in England. 198 199 463 Rößler, Konstantin (1820-1896) Publizist, Professor für Staatswissenschaft, Anhänger Bismarcks. 526 Rothschild internationales Bankhaus. 219 Rothschild, James, baron de (1792-1868) Chef des gleichnamigen Bankhauses in Paris; besaß während der Julimonarchie großen politischen Einfluß. 14 15 223
43 Mars/Engels, Werke, Bd. 7
Rudolf II. von Scherenberg (etwa 1405 bis 1495) Fürstbischof von Würzburg (1466 bis 1495), unterdrückte 1476 den von Hans Böheim geleiteten Bauernaufstand. 361 Rüge, Arnold (1802-1880) radikaler Publizist, Junghegelianer, kleinbürgerlicher Demokrat; 1844 mit Marx Herausgeber der „Deutsch-Französischen Jahrbücher"; 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel), in den fünfziger Jahren einer der Führer der deutschen kleinbürgerlichen Emigration; nach 1866 Nationalliberaler. 143 459 463 464 465 Russell, John, Lord (1792-1878) englischer Staatsmann, Führer der Partei der Whigs; Premierminister (1846-1852 und 1865/66), Außenminister (1852/53 und 1859-1865). 441
Sachs, Hans (1494-1576) Schuhmacher in Nürnberg, Dichter und Meistersinger, Anhänger Luthers; Begründer der Nürnberger Meistersingerschule. 203 Sadler, Michael Thomas (1780-1835) englischer Politiker und Publizist, Tory, Sozialreformer. 234 241 Saint-Just, Louis-Antoine-Leon de (1767 bis 1794) Politiker der Französischen Revolution, führender Jakobiner. 473 Saint'Simon, Claude-Henri de Rouvroy, comte de (1760-1825) französischer utopischer Sozialist. 261 541 Salomo Gestalt aus dem Alten Testament. 201 Sancho Panza Gestalt aus dem Roman „Don Quijote" von Cervantes. 203 Saphir, Moritz Gottlieb (1795-1858) österreichischer Journalist und humoristischer Dichter. 199 Saulus (Saul) Gestalt aus dem Alten Testament. 44 Schappeler, Christoph (1472-1551) Theologe, Anhänger Münzers; 1524/25 Führer der plebejischen Bewegung in Memmingen (Oberschwaben). 357 398 Schapper, Karl (etwa 1812-1870) einer der Führer des Bundes der Gerechten
und des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London, Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; 1848 Korrektor der „Neuen Rheinischen Zeitung", Mitglied des Rheinischen Kreisausschusses der Demokraten; Februar bis Mai 1849 Präsident des Kölner Arbeitervereins; 1850 bei der Spaltung des Bundes der Kommunisten zusammen mit Willich Führer der gegen Marx gerichteten sektiererischen Fraktion; erkannte bald seinen Irrtum und schloß sich 1856 wieder Marx an; 1865 Mitglied des Generalrats der I.Internationale. 184 564 565 568 Schärttner, August Böttcher aus Hanau, nahm 1848 an der Revolution und 1849 am badisch-pfälzischen Aufstand teil;emigrierte dann nach London, wo er ein Restaurant besaß, in dem sich die deutsche kleinbürgerliche Emigration versammelte; war Mitglied des Bundes der Kommunisten, nach der Spaltung des Bundes 1850 schloß er sich der sektiererischen Fraktion Willich-Schapper an. 557 564 565 Schill, Ferdinand von (1776-1809) preußischer Offizier, Anführer einer Freischar gegen die napoleonische Fremdherrschaft, versuchte 1809 einen bewaffneten Aufstand des deutschen Volkes zu organisieren; er fiel im Kampf. 135 Schiller, Friedrich von (1759-1805). 198 199 204 Schimmelpfennig, Alexander (1824-1865) ehemaliger preußischer Offizier, kleinbürgerlicher Demokrat, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, danach Emigrant; nahm auf seiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg in den USA teil. 156 168-171 Schlinke Ludwig ehemaliger preußischer Offizier, Handlungsgehilfe; 1848 Teilnehmer an den revolutionären Erhebungen in Breslau, 1849 Generalquartiermeister der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 194 Schmid, Jörg genannt Knopf von Leubas . Bauer aus Oberschwaben, 1525 Teilnehmer
am Bauernkrieg und einer der Anführer des Allgäuer Haufens, nach der Zerschlagung des Haufens wurde er 1525 hingerichtet. 399 Schmid, Ulrich Schmied, 1525 Anführer des Baltringer Bauernhaufens. 380 Schmitt, Nikolaus (etwa 1806-1860) Journalist und Jurist, kleinbürgerlicher Demokrat, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, 1849 Innenminister der pfälzischen revolutionären provisorischen Regierung, emigrierte nach der Niederlage des Aufstandes nach Amerika. 161 Schneider, Georg ehemaliger Hauptmann der Landsknechte in französischem Dienst, beteiligte sich an der Verschwörung des Bundschuhs und an der Vorbereitung des erfolglosen Bauernaufstands am Oberrhein 1513. 365 Schön, Ulrich 1525 Teilnehmer am Bauernkrieg, einer der Anführer des Leipheimer Haufens, wurde gefangengenommen und hingerichtet. 381 389 Schönhals, Karl Freiherr von (1788-1857) österreichischer General, Feldzeugmeister. 224 Schramm, Konrad (etwa 1822-1858) deutscher Revolutionär, Mitglied des Bundes der Kommunisten, seit 1849 Emigrant in London, verantwortlicher Verleger der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politischökonomische Revue"; stand bei der Spaltung des Bundes der Kommunisten auf der Seite von Marx; Freund und Kampfgenosse von Marx und Engels. 6 414 550 Schramm, Rudolf (1813-1882) Publizist, kleinbürgerlicher Demokrat, 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung (linker Flügel); nach der Revolution emigrierte er nach England, trat gegen Marx auf; in den sechziger Jahren Anhänger Bismarcks. 302 303 Schurz, Karl (1829-1906) kleinbürgerlicher Demokrat, 1849 Teilnehmer am badischpfälzischen Aufstand, befreite 1850 Kinkel aus dem Gefängnis, emigrierte in die Schweiz, 1852 in die USA, Teilnehmer
am Bürgerkrieg, später Gesandter der USA in Spanien, Senator und Innenminister. 307 S&astiani, Horace-Frangois-Bastien, comte (1772-1851) französischer Staatsmann und Diplomat, Marschall von Frankreich, Außenminister (1830-1832) und Botschafter in London (1835-1840). 32 Sefeloge, Max (1820-1859) abgedankter Soldat, unternahm am 22. Mai 1850 einen Attentatsversuch auf Friedrich Wilhelm IV., starb im Irrenhaus. 313 314 317 318 321 Sigur d'Aguesseau, Raymond'Joseph-Paul, comte de (1803-1889) französischer Advokat und Politiker, schloß sich der Reihe nach allen Parteien an, die an der Macht waren; Vertreter der Partei der Ordnung in der gesetzgebenden Nationalversammlung. 92 Seiler, Sebastian Publizist, 1846 Mitglied des Brüsseler kommunistischen Korrespondenz-Komitees und des Bundes der Kommunisten, Teilnehmer an der Revolution 1848/49 in Deutschland. 414 Shaftesbary, Anthony Ashley Cooper, Karl of (1671-1713) englischer Moralphilosoph, bedeutender Vertreter des Deismus, Politiker, Whig. 209 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of (1801-1885) englischer konservativer Parlamentarier, in den vierziger Jahren Führer der aristokratisch-philanthropischen Bewegung für die Zehnstundenbill. 227 234 236 240 241 Shakespeare, William (1564-1616). 165 Sickingen, Franz von (1481-1523) deutscher Ritter, schloß sich der Reformation an, militärischer und politischer Führer des Adelsaufstands 1522/23. 348 373 375 412 Sigel, Franz (1824-1902) ehemaliger badischer Offizier, kleinbürgerlicher Demokrat, Teilnehmer an den revolutionären Bewegungen in Baden 1848/49, Oberkommandierender, danach Stellvertreter des Oberkommandierenden der badischen Revolutionsarmee zur Zeit des badischpfälzischen Aufstands (1849); danach Emi
grant in der Schweiz und in England; 1852 siedelte er nach Amerika über, Teilnehmer am Bürgerkrieg auf seiten der Nordstaaten. 135 140 185 189-195 307 308 Simon, Ludwig (1810-1872) Advokat aus Trier, kleinbürgerlicher Demokrat, 1848/49 Mitglied der FrankfurterNationalversammlung (linker Flügel), emigrierte 1849 in die Schweiz. 203-206 Simson (Samson) Gestalt aus dem Alten Testament. 67 Singerhans (Singer, Hans) einer der Führer des Bundes Armer Konrad und des Bauernaufstands 1514 in der Schwäbischen Alb. 367 Smith, Adam (1723-1790) englischer Ökonom, Vertreter der klassischen bürgerlichen Politischen Ökonomie. 462 Sobrier, Marie-Joseph (etwa 1825-1854) französischer Journalist, demokratischer Republikaner, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie; März bis Mai 1848 Herausgeber der Zeitung „La Commune de Paris"; einer der Führer der Arbeiterdemonstration vom 15. Mai 1848, zu. sieben Jahren Haft verurteilt. 268 Soulouque, Faustin (etwa 1782-1867) Präsident der Negerrepublik Haiti, ließ sich 1849 unter dem Namen Faustin I. zum Kaiser ausrufen. 47 86 90 Spät, Dietrich (gest. 1536) feudaler Größgrundbesitzer, befehligte 1525 eine Abteilung, die zur Strafarmee des Truchseß gehörte. 388 390 393
Sternberg siehe Ungem-Sternberg, Alexander Freiherr von Stirner, Max (Pseudonym von Johann Kaspar Schmidt) (1806-1856) Philosoph, Junghegeüaner, einer der Ideologen des ' bürgerlichen Individualismus und Anarchismus; schrieb „Der Einzige und sein Eigenthum". 289 417 420 Stockhausen, August Wilhelm Ernst von (1791-1861) preußischer Generalleutnant, Kriegsminister (1850-1851). 223 Stoffel von Freiburg 1513 einer der Organisatoren des Bundschuhs am Oberrhein und
im Schwarzwald; nach der Aufdeckung der Verschwörung floh er. 365 Stolberg, Bodo, Graf von (1467-1538) kaiserlicher Rat, Hofmeister der Klöster Magdeburg und Halberstadt und Rat des Kardinals Albrecht. 351 Storch, Niklas (gest. 1525) Weber aus Zwickau, Anfang des 16. Jahrhunderts Haupt der dortigen Sekte der Wiedertäufer; unter dem Einfluß Münzers wurde er ein Prediger des Volksaufstands gegen die kirchlichen und weltlichen Feudalherren. 351 Straßer, Friedrich Maler aus Elberfeld, 1848 Teilnehmer an der Revolution in Österreich, 1849 Oberstleutnant in der badischpfälzischen Revolutionsarmee. 168 Strauß, David Friedrich (1808-1874) Philosoph und Publizist, Junghegelianer; nach 1866 Nationalliberaler. 256 Struve, Gustav (1805-1870) Rechtsanwalt und Publizist, kleinbürgerlicher Demokrat ! und föderativer Republikaner; 1848 Mitglied des Vorparlaments; einer der Führer der badischen Aufstände im April und September 1848 und des badisch-pfälzischen Aufstandes 1849; Mitglied des Badener Komitees; nach der Niederlage der Revolution emigrierte er aus Deutschland, war einer der Führer der klein. bürgerlichen Emigration in England und nahm später auf seiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg in den USA teil. 111 136 138 141 157 179-181 192-194 303 305 308 555-557 Stuart Königsdynastie, herrschte in Schottland (1371-1714) und in England (1603 bis 1649, 1660-1714). 210 Sue, Eugene (1804-1857) französischer Schriftsteller, Verfasser spießbürgerlichsentimentaler Romane über soziale Themen. 87 98-100 446-448 Sulz, Rudolf, Graf von Richter im Reichsgericht zu Rottweil, einer der Organisatoren des Blutbades an den aufständischen Bauern in Süddeutschland zur Zeit des Bauernkrieges 1525; Landvogt von Oberösterreich (1529). 398
Sttworou), Alexander Wassilewitsch (1729 bis 1800) russischer Feldherr. 476 Szaleresi, Ambros Pester Bürger, schloß sich 1514 dem Bauernaufstand in Ungarn an, wurde Anführer eines Bauernhaufens, ging mit den bürgerlichen Elementen des Bauernheeres zum Feind über. 370 Sznayde, Franz {1790-1850) Teilnehmer am polnischen Aufstand 1830/31; 1849 General der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 154-156 159 164168177179
Talleyrand-Perigord, Charles-Maurice de, prince de Benevent (1754 bis 1838) französischer Staatsmann, prinzipienloser Diplomat; in den Jahren 1797-1799, 1799 bis 1807 und 1814/15 Außenminister; Vertreter Frankreichs auf dem Wiener Kongreß. 301 Taukuang Kaiser von China (1821 -1850). 222 Techow, Gustav Adolf (1813-1893) ehemaliger preußischer Offizier, kleinbürgerlicher Demokrat, 1848 Teilnehmer an den revolutionären Ereignissen in Berlin, Chef des Generalstabs der pfälzischen Revolutionsarmee; nach der Niederlage des . badisch-pfälzischen Aufstands 1849 emigrierte er in die Schweiz, 1852 siedelte er nach Australien über. 155 179 Teleki, Istvän Wojewode von Siebenbürgen, königlicher Rat, später Schatzmeister in Ungarn, wurde während des Bauernaufstands 1514 von den Aufständischen erschlagen. 370 Teste, Jean-Baptiste (1780-1852) französischer Advokat und Staatsmann, Orleanist, Minister für Handel, Justiz und öffentliche Arbeiten während der Julimonarchie; wurde wegen Bestechlichkeit und Mißbrauchs der Amtsgewalt vor Gericht gestellt. 80 Thiers, Louis-Adolphe (1797-1877) französischer Historiker und Staatsmann, Orleanist; Ministerpräsident (1836, 1840); 1848 Deputierter der konstituierenden Nationalversammlung; Präsident der Republik (1871 bis 1873), Henker der Pariser Kommune. 71 75 76 87 99 102 211 447 450 517
Thome Oberst, 1849 Divisionskommandeur in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee, nahm gegen Ende des Feldzugs eine kapitulantenhafte Haltung ein. 185 Thumb, Konrad (1465-1525) Rat des Herzogs Ulrich von Württemberg. 368 Thunfeld, Kunz von Ritter, Lehnsmann des Bischofs von Würzburg, Anführer des Bauernaufstandes von 1476 in Nikiashausen (Bistum Würzburg). 361 Thunfeld, Michael von Sohn des vorigen, nahm 1476 am Bauernaufstand in Nikiashausen teil. 361 Tiphaine, Jean-Laurent (geb. etwa 1805) französischer Demokrat, Mitglied revolutionärer Geheimgesellschaften während der Julimonarchie, zu Beginn der Revolution von 1848 Sekretär der Pariser Polizeipräfektur. 268 Tooke, Thomas (1774-1858) englischer Ökonom und eifriger Vorkämpfer für den Freihandel, kritisierte die Geldtheorie Ricardos. 427 Toussaint-Louverture (UOuverture, dit Toussaint), Frangois-Dominique (1743-1803) Führer der revolutionären Negerbewegung auf Haiti, die zur Zeit der Französi-? sehen Revolution gegen die Herrschaft der Spanier und Engländer gerichtet war. 47 Trelat, Ulysse (1795-1879) französischer Arzt und Politiker, bürgerlicher Republikaner, einer der Redakteure der Zeitung „Le National"; 1848 Vizepräsident der konstituierenden Nationalversammlung, Minister für öffentliche Arbeiten (Mai bis Juni 1848). 30 Trocinslfi, Feltks Teilnehmer am polnischen Aufstand 1830/31, danach Emigrant, 1849 Kommandeur der polnischen Abteilung der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee. 168 Truchseß von Waldburg, Georg (1488-1531) 1519 Heerführer des Schwäbischen Bundes gegen Ulrich von Württemberg und 1525 gegen die aufständischen Bauern und Städter. 379-381 384 388-396 398 399 403
Turenne, Henri de la Tour d'Auvergne, vicomte de (1611-1675) protestantischer französischer Heerführer im Dreißigjährigen Krieg. 483 Turgot, Anne-Robert-Jacques, baron de VAulne (1727-1781) Finanzminister Ludwigs XVI. (1774-1776), versuchte durch Reformen die katastrophale Finanzlage zu bessern. 256 Tzschirner, Samuel Erdmann (etwa 1812 bis 1870) Advokat aus Bautzen, kleinbürgerlicher Demokrat; während der Revolution 1848/49 Führer der äußersten Linken in Sachsen, 1849 einer der Führer des Maiaufstands in Dresden und Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand; nach der Niederlage der Revolution emigrierte er in dieSchweizund dann nachEngland. 160161
Ulrich (1487-1550) seit 1498 Herzog von Württemberg, wurde 1519 vom Schwäbischen Bund verjagt, versuchte die Bauernbewegung von 1525 auszunutzen, um seine Macht wiederherzustellen; 1534 konnte er erneut den württembergischen Thron besteigen. 367-369 379-381 Ungern-Sternberg, Alexander, Freiherr Von (1806-1868) reaktionärer Schriftsteller, verherrlichte die mittelalterliche feudale Aristokratie. 199 Uttenhoven, von (getötet 1849) preußischer Offizier. 121 Vasco da Gama (1469-1524) portugiesischer Seefahrer, entdeckte 1497/98 den um Afrika führenden Seeweg nach Indien. 330 Vauban, Sebastien le Preire, marquis de (1633-1707) französischer Marschall, Militäringenieur, Verfasser der ökonomischen Schrift „Projet d'une dime royale". 81 Venedey, Jakob (1805-1871) radikaler Publizist und Politiker, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Mitglied des Vorparlaments und der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel); später Liberaler. 214 441 Vetter des Präsidenten siehe Bonaparte, Napoleon-Joseph-Charles-Paul
Vidal, Frangois (1814-1872) französischer kleinbürgerlicher Ökonom, Sozialist, Anhänger Louis Blancs. 91 92 98 298 446 Vidil, Jules französischer Offizier, Sozialist, einer der Führer der französischen blanquistischen Emigrantenvereinigung in London. 415 554 Vidocq, Frangois-Eugene (1775-1857) französischer Kriminalverbrecher, Geheimagent der Polizei, dann Chef der Sicherheitspolizei in Paris; ihm werden die „Memoiren Vidocqs" zugeschrieben; sein Name wurde zum Inbegriff für die Charakterisierung eines geschickten Häschers und Spitzbuben. 275 Vivien, Alexandre-Frangois-Auguste (1799 bis 1854) französischer Advokat und Politiker, Orleanist, 1840 Justizminister, 1848 Minister für öffentliche Arbeiten in der Regierung Cavaignac. 42 Vogt, Karl (1817-1895) Professor in Gießen, Naturwissenschaftler, Vulgärmaterialist, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Mitglied des Vorparlaments und der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel); 1849 Mitglied der provisorischen Reichsregentschaft; emigrierte in die Schweiz und wurde Professor in Genf; erbitterter Gegner der proletarischen und kommunistischen Bewegung; wurde bezahlter Agent Napoleons III. 214 Vogt von Reichenweier im Elsaß (1525). 406 Voltaire, Frangois-Marie Arouet de (1694 bis 1778) französischer deistischer Philosoph, satirischer Schriftsteller, Historiker; Vertreter der bürgerlichen Aufklärung im 18. Jahrhundert, kämpfte gegen Absolutismus und Katholizismus. 47 73
Waldau, Max (Pseudonym für Richard Georg Spiller von Hauenschild) (1825-1855) Schriftsteller, Gutsbesitzer in Oberschlesien. 199 Waldeck, Benedikt Franz Leo (1802-1870) Obertribunalratin Berlin, Demokrat; 1848 einer der Führer der Linken und Vizepräsident der preußischen Nationalversammlung; später Fortschrittler. 214 299
Walpole, Sir Robert, Earl of Oxford (1676 bis 1745) englischer Staatsmann, einer der Führer der Whigs, von 1721-1742 Premierminister, legte den Grundstein zu einem vom König unabhängigen, auf die Parlamentsmehrheit gestützten Kabinettssystem; bediente sich in breitem Maße der Bestechung. 208 Wat Tyler (ermordet 1381) Führer des englischen Bauernaufstands von 1381. 345 Wehe, Hans Jakob Pfarrer aus Leipheim, Anhänger Thomas Münzers, 1525 einer der Anführer des Leipheimer Bauernhaufens, wurde nach dessen Niederlage hingerichtet. 358 381 384 389 Weigand von Redwitz Bischof von Bamberg (1522-1556) unterdrückte 1525 blutig den Bauernaufstand in Franken, Gegner der Reformation. 383 396 Weiß, Guido Arzt, 1849 Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Zivilkommissar in Zweibrücken. 169 Weitling, Christian Wilhelm (1808-1871) von Beruf Schneider, Funktionär der deutschen Arbeiterbewegung in der Periode ihrer Entstehung,Theoretiker des utopischen Gleichheitskommunismus. 416 430 Weitmoser, Erasmus Handwerker. 1525 Anführer der Salzburger Bergleute und Bauern im Bauernkrieg. 406 Weiden, Franz Ludwig, Freiherr von (1782 bis 1853) österreichischer General, nahm 1848 am Feldzug gegen Italien teil; Gouverneur von Wien (November 1848 bis April 1849); Oberbefehlshaber der zur Unterwerfung der Revolution in Ungarn eingesetzten österreichischen Truppen (April bis Juni 1849). 475 Wellington, Arthur Wellesley, Duke of (1769 bis 1852) englischer Feldherr und Staatsmann, Tory; Premierminister (1828 bis 1830), Außenminister (1834/35). 442 474 Welser Augsburger Kaufleute und Bankiers im 15. und 16. Jahrhundert, Kreditgeber europäischer Monarchen. 379 Werner, Johann Peter Rechtsanwalt in Koblenz, 1848 Mitglied der Frankfurter
Nationalversammlung (linkes Zentrum). 118 Wilhelm III., Bischof Von Straßburg siehe Honstein, Wilhelm, Graf von Wilhelm I. (1797-1888) König von Preußen (1861-1888) und deutscher Kaiser (1871 bis 1888); 1848 als Prinz von Preußen Anführer der konterrevolutionären Hofkamarilla, 1849 Oberbefehlshaber der zur Niederschlagung des badisch-pfälzischen Aufstandes eingesetzten preußischen Truppen („Kartätschenprinz"). 166 172 301 314 318 517 524 Wilhelm III. von Oranitn (1650-1702) Statthalter der Niederlande (1672-1702) und König von England (1689-1702). 207-209 Willich, August (1810-1878) ehemaliger preußischer Leutnant, trat wegen seiner politischen Uberzeugungen in den Ruhestand; Mitglied des Bundes der Kommunisten, 1849 Führer eines Freikorps im badisch-pfälzischen Aufstand; 1850 bei der Spaltung des Bundes der Kommunisten zusammen mit Schapper Führer der gegen Marx gerichteten sektiererischen Fraktion; 1853 emigrierte er in die USA, im amerikanischen Bürgerkrieg General der Nordstaaten. 130 146 156 157 161-164 168-174 176 178-180 182 184-191 193 bis 195 300 304 314 325 549 553 554 556 557 559 564 565 568 Windischgrätz, Alfred, Fürst zu (1787-1862) österreichischer Feldmarschall, 1848/49 einer der Führer der Konterrevolution in Österreich, leitete 1848 die Niederschlagung des Prager Juniaufstandes und des Wiener Oktoberauistandes; danach an der Spitze der zur Niederwerfung der Revolution in Ungarn eingesetzten österreichischen Armee. 475 Winkelried, Arnold legendärer Volksheld aus dem Befreiungskampf der Schweizer gegen die Herrschaft der Habsburger im 14. Jahrhundert. 463 Wiseman, Nicolas (1802-1865) englischer katholischer Geistlicher, 1850 vom Papst zum Erzbischof von Westminster und zum Kardinal ernannt. 443 444
Wolf(i), Ferdinand (1812-1895) Journalist, 1846/47 Mitglied des Brüsseler kommunistischen Korrespondenz-Koniitees; Mitglied des Bundes der Kommunisten; 1848/49 einer der Redakteure der „Neuen Rheinischen Zeitung"; danach Emigrant in Paris und London, stand 1850 bei der Spaltung des Bundes der Kommunisten auf der Seite von Marx; zog sich später vom politischen Leben zurück. 414 Wolff, Wilhelm (Lupus) (1809-1864) Lehrer und Journalist, Sohn eines leibeigenen Bauern aus Schlesien, beteiligte sich an der Burschenschaftsbewegung, Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten; 1848/49 einer der Redakteure der „Neuen Rheinischen Zeitung", Mitglied des Rheinischen Kreisausschusses der Demokraten und des Kölner Sicherheitsausschusses; danach Emigrant in der Schweiz, ab 1851 in England; engster Freund von Marx und Engels. 308 Wrangel, Friedrich Heinrich Ernst, Graf von (1784-1877) preußischer General, einer der Führer der reaktionären Militärkamarilla; 1848 Kommandierender General des 3. Armeekorps in Berlin, war am konterrevolutionären Staatsstreich im November 1848 in Berlin beteiligt. 545 Wycliffe (Wiclif), John (etwa 1324-1384) englischer Theologe und Reformator, Vertreter der Interessen der Städter und des Rittertums, Führer der Lollarden, kämpfte für die Schaffung einer von Rom unabhängigen englischen Kirche, wurde nach
seinem Tode von der katholischen Kirche für einen Ketzer erklärt. 345
Zdpolya, Janos (Johan n^ (1487—1540) siebenbürgischer Heerführer, seit 1511 Wojwode von Siebenbürgen; leitete 1514 die Zerschlagung des Bauernaufstands in Ungarn; 1526 wurde er zum König von Ungarn proklamiert. 370 Zar von Rußland siehe Nikolaus I. Zell Friedrich Joseph (1814-1881) Advokat und Stadtverordneter in Trier, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (linkes Zentrum); 1849 Kommissar des Reichsministeriums in Baden. 118 119 Zimmermann, Wilhelm (1807-1878) Historiker, kleinbürgerlicher Demokrat, Teilnehmer an der Revolution von 1848/49, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel), Verfasser der 1841-1843 erschienenen „Allgemeinen Geschichte des großen Bauernkrieges". 355 359 531 Zinn, Christian Journalist aus Kaiserslautern, kleinbürgerlicher Demokrat, 1849 Hauptmann in der pfälzischen Revolutionsarmee . 165 188 Zitz, Franz Heinrich (1803-1877) Rechtsanwaltin Mainz, demokratischerPolitiker; 1848 Mitglied des Vorparlaments und der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel); 1849 Teilnehmer am badischpfälzischen Aufstand, danach Emigrant
in Amerika. III 156 157 160 183 Zychlinski 1849 Tednehmer am Maiaufstand in Dresden und am badisch-pfälzischen Aufstand. 173 176 187
Erklärung der Fremdwörter, der fremdsprachigen und seltenen Ausdrücke
Absolution Freisprechung, Sündenvergebung absorbieren aufsaugen, in Anspruch nehmen adäquat angemessen, entsprechend additionell zusätzlich Adept ein in die Geheimnisse der Kunst oder Wissenschaft Eingedrungener, Eingeweihter affektieren zur Schau tragen Affiliierter Angeschlossener Ägide Schutz, Schild; Obhut agieren handeln, angreifen agitabel beweglich Agonie Todeskampf agrikol landwirtschaftlich akfilamieren zustimmen, Beifall spenden Alderman Gemeindeältester, Ratsherr Allokution feierliche Ansprache al pari zum gleichen Kurs- und Nennwert, dem Nennwert gleich Ambition Ehrgeiz, hohes Streben ambulant beweglich, veränderlich Amendement Abänderung; Verbesserungsoder Zusatzantrag Anachronismus nicht in ein Zeitalter hineinpassende Handlung; Zeitwidrigkeit Analogon Ähnliches, gleichartiger Fall Anathem Fluch, Bannfluch Annalen Jahrbücher, chronologische Geschichtswerke Antezedens (Mz. Antezedenzien) Vorausgegangenes, frühere Verhältnisse Antizipation Vorwegnahme Aplomb Sicherheit im Auftreten
apokryphisch (apogryph) zweifelhaft, unecht, untergeschoben Apologie Verteidigung (einer Lehre oder Ansicht), Rechtfertigung; Verteidigungsschrift Apostasie Abtrünnigkeit, Glaubensabfall; Abfall von einer Partei oder Parteiansicht Apotheose Vergötterung, Verherrlichung aprioristisch aus Vernunftgründen, nicht aus Erfahrung erkannt Äquivalent Gegenwert, Ersatz, Entschädigung Arabeske schnörkelhafte Verzierung, Rankenmuster Arkadien reizvolle, von Hirten bewohnte altgriechische Gebirgslandschaft; in der Dichtung als paradiesisches Hirtenland vorgestellt Armatur Bewaffnung, Ausrüstung Arrieregarde Nachhut eines Heeres, die die Rückendeckung übernimmt Arrondissement Verwaltungsbezirk (in Frankreich) artikulieren zergliedern, deutlich aussprechen Asketismus Entsagung, enthaltsame Lebensweise Aspiration Bestrebung, Hoffnung Assekuranzkompanie Versicherungsgesellschaft Assekuranzpolice Versicherungsurkunde Assefoiranzprämie Versicherungsgebühr assignieren anweisen Associe Teilhaber, Gesellschafter Assoziation Vereinigung, Verbindung
44 Marx/Engels, Werke, Bd. 7
Attila mit Schnüren besetzter Husarenrock Attraktionszentrum Mittelpunkt der Anziehung Aureole Heiligenschein, Glanz Auspizium (Mz. Auspizien) Vorbedeutung; unter den Auspizien unter dem Schutz, während des Amtes Avancement Beförderung avancieren vorschreiten, aufrücken, befördert werden Aventurier Abenteurer, Glücksritter, Hochstapler avertieren benachrichtigen, warnen, aufmerksam machen Axiom unbestrittener, anerkannter Grundsatz
bacchusgeliebt von Bacchus, dem Weingott, geliebt Bagno Kerker, Strafverbüßungsort für Schwerverbrecher Bankerott (Bankerutt) Zahlungsunfähigkeit, wirtschaftlicher Zusammenbruch BankokTatic Herrschaft der Bankkapitalisten; Finanzkapital Bannwart Flurwächter Baronie Besitz bzw. Herrschaftsbereich eines Barons Barreau Advokatenstand (in Frankreich) Bede feudaler Bodenzins im Mittelalter belletristisch schöngeistig (im Gegensatz zu wissenschaftlich) Bevue Versehen, Mißgriff Bill Gesetz, Gesetzentwurf biwakieren im Freien lagfern Bonhomie Gutmütigkeit, Treuherzigkeit; Einfalt Bonvivant Lebemann, Genußmensch Boulevard Promenade, breite Straße mit Bäumen Boutique Kaufladen, Kramladen Boutiquier Kleinhändler, Krämer Brumaire Nebelmonat, zweiter Monat des französischen Revolutionskalenders (22. Oktober bis 20.November); am 18. Brumaire 1799 führte Napoleon I. seinen Staatsstreich durch. Bukett Duft (Blume) edler Weine
Bulle versiegelte Urkunde, päpstlicher Erlaß Bulletin Tagesbericht, amtliche Bekanntmachung burlesk possenhaft, derb-komisch
Cadre (Kader) Stamm eines Truppenkörpers Centime kleine Münze in Frankreich und Belgien (Vigg Franc) Chaise Kutsche; Tragstuhl Champion Wortführer, Vorkämpfer Charivari Katzenmusik, lärmende Verhöhnung Charte Verfassungsurkunde, Grundgesetz Chevalier Ritter, Edelmann Chevauleger leichter Reiter chiliastisch entsprechend dem Glauben an das Kommen eines „Tausendjährigen Reiches Christi" chimärisch trügerisch, phantastisch (nach dem griechischen Fabeltier Chimära) Cicerone Fremdenführer, Erklärer der Sehenswürdigkeiten Citoyen Bürger, Staatsbürger City Stadtzentrum, Geschäftsviertel Claqueur gedungener Beifallsklatscher Cockney waschechter Londoner Commerce Handel, Geschäft Coup Schlag, Streich; Unternehmen coup de main Handstreich
d.(denarius) Abkürzung für penny Dalai Lama oberster Priester der lamaistischen Buddhisten; seit dem U.Jahrhundert gleichzeitig weltlicher Herrscher von Tibet Damoklesschwert eine stets drohende Gefahr d. d., de dato am, vom debandieren zerstreuen, in Unordnung auflösen, auseinanderlaufen Debouche Ausgang, Ende (eines Engpasses); Aussicht; Warenabsatz, Absatzgebiet debauchieren aus einem Engpaß hervorrükken und sich ausbreiten Deduktion logische Beweisführung, Herleitung des Besonderen aus dem Allgemeinen Defilee Engpaß, Hohlweg; Vorbeimarsch
defilieren vorbeimarschieren, vorüberziehen; einen Engpaß durchschreiten Degradation Erniedrigung, Herabsetzung dekretieren anordnen, verfügen Demiurg Weltschöpfer Denunziation Anschwärzung, gerichtliche Anzeige; Anprangerung deponieren niederlegen, hinterlegen Depositen hinterlegte Summe, anvertrautes Gut Depression Unlust, Niedergeschlagenheit; tiefste Stufe der zyklischen Krise Depreziation Entwertung Derangement Verwirrung, Zerrüttung desavouieren nicht anerkennen, verleugnen, für unbefugt erklären designieren bestimmen, bezeichnen, vorsehen Desperado Verzweifelter, zu allem fähiger Mensch; Bandit Detachement abgesonderte Heeresabteilung, abkommandierter Truppenteil detachieren entsenden, absondern, abordnen (für besondere Aufgaben) determiniert bestimmt, entschlossen Devouement Ergebenheit, Hingebung Dezennium Jahrzehnt Diatribe Schmähung, Schmähschrift; Streitschrift Diskont Zinssatz; Zinsabzug, Zinsvergütung diskontieren abrechnen, abziehen; Wechsel vor der Verfallzeit gegen Zinsabzug kaufen; Wechsel einlösen dislozieren verlegen, auseinanderlegen, verteilen, verschieben Dislozierung Verteilung, Verlegung, Verschiebung (von Truppen) disponibel zu Gebote stehend, verfügbar Disputation Meinungsaustausch, gelehrtes Streitgespräch Dissen ter Andersdenkender, Andersgläubiger dissolut aufgelöst, zügellos, liederlich Distribution Verteilung Dithyrambus schwärmerisches Loblied; begeisternde Würdigung diversierend (divergent) auseinandergehend, auseinanderstrebend Diversion Scheinangriff, Ablenkung, Störungsmanöver
Doktrin Lehre, Lehrmeinung; wirklichkeitsfremder Standpunkt doktrinär starr an einer Lehre festhaltend; einseitig, wirklichkeitsfremd Domäne Herrschaftsgut; Staatsgut Domestik Dienstbote, Hausdiener Dominialbauer zum Herrschaftsgut gehörender Bauer Dotation Schenkung, Belohnung für Verdienste Douane Zoll, Zollamt; Zollgrenze Duodez (Zwölftelformat) Westentaschenformat; etwas lächerlich Kleines düpieren überlisten, täuschen Dynastie Herrscherfamilie, Fürstenhaus
echelonieren (Truppen) staffelweise aufstellen Effekten Wertpapiere einrollieren einreihen, aufnehmen; anwerben Eklat Aufsehen, Lärm eklatant glänzend, aufsehenerregend; schlagend, deutlich eklatieren zum Ausbruch kommen Eklektizismus prinzipienloses Verschmelzen verschiedener Standpunkte und Ansichten zu einem System; Auswahl des Passenden ekrasieren vernichten, zermalmen Eldorado Wunschland, Paradies elegisch wehmütig, klagend Elysee (Palais de VElysee) Sitz des Präsidenten der Französischen Republik Emanzipation Befreiung aus gesellschaftlicher Abhängigkeit und Unterdrückung; gesellschaftliche Gleichstellung embryonisch unentwickelt, im Keimzustand Erneute Aufruhr, Empörung, Aufstand Eminenz Hoheit; Titel der Kardinäle Emissär Abgesandter, Geheimbote; Agent Emission Ausgabe von Wertpapieren oder Banknoten Emittierung siehe Emission Emphase Nachdruck; Redeschwung Emporium Handelsplatz, Stapelplatz; Handelsmetropole Enceinte Umwallung Enquete Untersuchung, Erhebung
enragiert leidenschaftlich eingenommen, rasend enthusiasmieren begeistern, entzücken Entree Eintritt, Eingang; Eröffnung Entrepot Niederlassung ephemer kurzfristig, vorübergehend Epicier Krämer, Spezereihändler; Spießbürger Epigramm Aufschrift; Sinn- oder Spottgedicht, beißendes Wort Epopöe Epos, Heldengedicht; großer historischer Roman Epuration (moralische) Reinigung, Säuberung Equipage elegante Kutsche; Reisegepäck; Offiziersausrüstung Eruption gewaltsamer Ausbruch Eskamotage Taschenspielerei eskamotieren nach Taschenspielerart verschwinden lassen, wegzaubern etablieren festsetzen, niederlassen, einrichten Etablissement Einrichtung; Betrieb; Gaststätte Etalage Schaustellung exaltiert begeistert, aufgeregt, überspannt exekutiv ausführend, vollziehend Exekutor Vollstrecker, Vollzieher Exerzitium Übung, Übungsstück Exit (Exitus) Abgang, Abtreten, Ende Exklamation Ausruf, Ausrufung exklusiv unnahbar; ausschließlich; abgeschlossen exploitabel ausbeutbar Exploitation Ausbeutung explosibel entzündbar, leicht explodierend Expostulation Beschwerde, Verweis; Wörtwechsel Expulsion Ausstoßung, Ausweisung, Verbannung Exterieur das Äußere, Ansehen, Außenseite Extremitäten Gliedmaßen Exuberanz, Überfluß, Übermaß exzeptionell einen Ausnahmefall bildend, außergewöhnlich Exzeß Ausschreitung, Ausschweifung
Fadaise Abgeschmacktheit, Albernheit, dummes Zeug
Faiseur Schwindler, Macher fallieren zahlungsunfähig werden, in Konkurs geraten Fallite (Falliment) Zahlungsunfähigkeit, Bankrott Farce Posse, Schabernack; Verhöhnung fashionabei modisch, elegant, vornehm Faubourg Stadtteil von Paris, der früher Vorstadt war Favoritin die Begünstigte, Geliebte (eines Fürsten) Fideikommiß (im Feudalrecht) unveräußerliches und unteilbares Familiengut, das sich auf den männlichen Erstgeborenen forterbt; Stammgut figurieren in Erscheinung treten, eine Rolle spielen, tätig sein Fiskus Staatskasse; der Staat als Inhaber von Vermögen und Vermögenswerten föderalistisch Selbständigkeit der Teile innerhalb eines Staatsganzen erstrebend Force Stärke, Kraft, Gewalt forcieren erzwingen, überwinden, erobern formidabel furchtbar, schrecklich fouragieren Futter beschaffen, Lebensmittel auftreiben fr. (Mz. /rs.) franc, Franc französische Währungseinheit (100 Centimes) fraternisieren sich verbrüdern Freetrader Anhänger des Freihandels frenetisch, rasend, toll frikassieren zubereiten, zerhacken; zusammenhauen Frontispiz Vorderansicht, Vorderseite, Titelblatt Fruktidor Fruchtmonat, zwölfter Monat des französischen Revolutionskalenders (18. August bis 16. September) fundieren begründen, untermauern; fundierte Schuld eine (Staats-)Schuld, deren Verzinsung durch bestimmte Einkünfte sichergestellt ist Füsilier Schütze, Infanterist füsilieren standrechtlich erschießen Füsillade Erschießung
galvanisieren hier: künstlich beleben Genietruppe Pioniertruppe
Gentry niederer Adel (in England) geometrische Progression mathematische Reihe, bei der jedes Glied aus dem vorangehenden durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor entsteht (z.B.: 2, 6, 18, 54, 162 usw.) Gerant verantwortlicher Herausgeber einer Zeitung Girondin (Girondist) Anhänger der Gironde, des gemäßigten Flügels der Republikaner in der Französischen Revolution Glacis Festungswall, deckungsloses Vorgelände einer Festung Gourmand Feinschmecker, eigentlich Vielesser Grisette junge Pariser Näherin oder Putzmacherin große Hansen vornehme, reiche Herren Gülten (oberdeutsch für) Zins
harangieren eine feierliche Ansprache halten; das große Wort führen, leer daherreden hektisch schwindsüchtig heterodox andersgläubig, irrgläubig heterogen ungleichartig, verschieden, entgegengesetzt Hierarchie (wörtlich Priesterherrschaft) stufenweiser Aufbau, strenge Rangordnung der Gewalten Hieroglyphe heiliges Zeichen; rätselhafte Schrift Hippogryph Flügelroß der Dichtkunst Histrione altrömischer Schauspieler; Gaukler, Possenreißer Homunkulus kleiner Mensch; künstlich in der Retorte erzeugter Mensch honett ehrbar, rechtschaffen, anständig Honneur Ehrenbezeugung hyperboreisch im äußersten Norden gelegen
ignobel unedel, schmutzig, schändlich illegitim unrechtmäßig, ungesetzlich imaginär eingebildet, nur in der Vorstellung vorhanden Immatrikulation Aufnahme, Einschreibung Immortelle Strohblume, die getrocknet Form und Farbe behält
Impertinenz Ungebührlichkeit,Unverschämtheit implizieren mit einbeziehen, in sich enthalten Inauguration Einweihung, feierliche Einsetzung in ein Amt oder eine Würde Indemnität Entschädigung, Vergütung; Straflosigkeit, Entlastung Indigenat Bürgerrecht, Heimatrecht Indignation Entrüstung, Empörung, gerechter Unwille Indolenz Gleichgültigkeit, Trägheit, Schlaffheit Indossent Person, die einen Wechsel an einen andern überträgt in extenso in aller Breite inkapabel unfähig, untauglich Inkapazität Unfähigkeit, Untauglichkeit Inkarnation Verkörperung inkompetent unbefugt, nicht zuständig, unsachverständig Inkorporation Einverleibung, Aufnahme inokulieren einimpfen, aufpfropfen Inquisition peinliche Untersuchung, strenges Verhör; Ketzergericht der katholischen Kirche Insinuation Unterstellung, Unterschiebung; Zustellungs- und Protokollgebühren, z.B. bei Schenkungen Inskription Eintragung, Einschreibung Insolenz Anmaßung, Unverschämtheit,Überheblichkeit Insolvenz Zahlungsunfähigkeit Inspiration Eingebung, Erleuchtung installieren einquartieren, einrichten, in ein Amt einweisen Insult Beschimpfung, Beleidigung Insurgent Aufständischer Insurrektion Aufstand, Aufruhr, Erhebung Integrität Unantastbarkeit, Vollständigkeit, Unversehrtheit; Lauterkeit Interdiktion Verbot, Untersagung interimistisch einstweilig, vorläufig Interjektion Ausrufungswort, Empfindungswort; Zwischenruf interpellieren Einspruch erheben introduzieren einführen, einweisen Intuition Anschauung, gefühlsmäßige Erkenntnis, instinktives Erfassen
Inüektive Schmährede, Beleidigung, Anzüglichkeit Inzidenzpunkt Zwischenfall, der während des Verlaufs einer anderen Angelegenheit auftritt Isthmus Landenge
Janitschar Soldat der infanteristischen Kerntruppe der alten Türkei (bis 1826) Januskopf Kopf mit zwei Gesichtern (nach dem römischen Gott Janus); zwiespältige Erscheinung Jeremiade Klagelied (des Jeremias) Jurisprudenz Rechtswissenschaft Jury Schwurgericht oder Geschworenenbank (in England und USA) jusquä nouvel ordre bis auf neue Order
kabalieren intrigieren, Ränke schmieden kajolieren schmeicheln, liebkosen; jemanden zu gewinnen suchen Kamarilla geheime Clique; einen Fürsten beherrschende Hofpartei Kannegießerei politische Schwätzerei kanonisieren heilig sprechen karessieren schmeicheln, liebkosen Karrenbinder Lohnarbeiter in Elberfeld, die die Frachtgüter der Kaufleute bei der Stadtwaage auf die Frachtkarren aufluden und mit Stricken festbanden Kassation Nichtigkeitserklärung Kataster Grundbuch, Flurbuch Knoten früher besonders von Studenten gebrauchter, abfälliger Ausdruck für Handwerksburschen und Arbeiter Koalition Vereinigung, Verbindung, Bündnis kodifizieren verstreute Rechtsbestimmungen zu einem Gesetzbuch zusammenfassen kollidieren zusammenstoßen, widerstreiten, gegeneinander wirken kolportieren in Umlauf setzen, verbreiten Kombattant Kämpfer, zum Kampf eingesetzter Soldat kombinatorisch-aphoristisch aus Gedankensplittern und Sinnsprüchen zusammengewürfelt Kommis Handlungsgehilfe, Angestellter Kommittent Auftraggeber
Kommunikation Verbindung, Verkehr, freier Zugang kondensieren verdichten, zusammenziehen Konfiguration Bildung, Gestaltung Konfiskation Vermögenseinziehung, Beschlagnahme; Besitzergreifung konfrontieren gegenüberstellen konsekrieren weihen, segnen Konservaüon Erhaltung, Aufbewahrung, Sicherung konsignieren Soldaten marschbereit halten Konskription Aushebung zum Kriegsdienst Konsol Staatsschuldschein Konsolidierung Sicherung, Festigung; Vereinigung mehrerer Staatsanleihen; Umwandlung schwebender Schulden in langfristige Konspiration Verschwörung, geheime revolutionäre Tätigkeit Konstabier Polizist (in England und USA), Sicherheitswächter Konstituante verfassunggebende Versammlung; französische Nationalversammlung von 1798-1791 und 1848/49 konstituierend verfassunggebend, sich einrichtend, zusammentretend Konstitutionalismus Regierungsform mit verfassungsmäßiger Beschränkung des Monarchen (konstitutionelle Monarchie) Konsult Beschluß kontrahieren einen Vertrag schließen Kontrakt Vertrag, Übereinkunft kontrasignieren gegenzeichnen Kontrebandier Schmuggler, Schleichhändler kontremandieren widerrufen, Gegenbefehl geben Kontribution Zwangserhebung in Geld- oder Naturalform während oder nach einem Krieg, Kriegssteuer, Kriegsentschädigung Kontroverse, Streit, Streitfrage, Auseinandersetzung konvenieren übereinkommen, entsprechen, einverstanden sein Konvent die französische Nationalversammlung 1792-1795 Konvulsion Zuckung, Krampf konzedieren zugestehen, gewähren
Koran das heilige Religionsbuch der Mohammedaner Korollar Ergänzung, erläuternder Zusatz Koterie Sippschaft, Klüngel, Parteigruppe Kothurn dicksohlige Fußbekleidung der Schauspieler des antiken Theaters zur Erhöhung der Gestalt Kotsasse Kleinbauer kreditieren Kredit gewähren, Geld vorschießen Kreditiv Beglaubigungsschreiben, Vollmacht Kretin körperlicher und geistiger Krüppel; Trottel Kulmination Höhepunkt einer Entwicklung, Gipfelung
laborieren sich mit etwas abmühen lamentabel kläglich, erbärmlich lancieren in Gang bringen, etwas oder jemanden an die gewollte Stelle bringen Landammann in der Schweiz die höchste obrigkeitliche Person eines Kantons Laudemium (Mz. Laudemien) Lehnsgeld, Besitzveränderungsabgabe an den Grundherrn bei Veräußerung bäuerlicher Grundstücke Lazzarone (Mz. Lazzaroni) Bettler; in Italien Bezeichnung für deklassierte Elemente, Lumpenproletarier, die oft von den absolutistischen Regierungen zu konterrevolutionären Zwecken ausgenutzt wurden legislativ gesetzgebend Legislative gesetzgebende Versammlung legitim rechtmäßig Levante die Länder um das östliche Mittelmeer Ligue (League) Liga, Bund, Vereinigung Limit(e) Grenze, Schranke litre Liter Lorette leichtfertiges, galantes Frauenzimmer in Paris losen (mhd.) zuhören, horchen
Machination Machenschaft, Hinterlist, Umtrieb Maire Bürgermeister Maine Rathaus, Bürgermeisteramt, Standesamt
malkontent unzufrieden, mißvergnügt malträtieren mißhandeln, quälen, peinigen Manufaktur Handanfertigung; Gewerbebetrieb mit Handarbeit, dem Fabrikbetrieb vorangehende typische Betriebsform des Frühkapitalismus Marode Ermattete, Wegmüde melodramatisch überschwenglich, theatralisch Mediatisierung Vermittlung; der Hoheitsgewalt für verlustig erklären Menage Verpflegung; Wirtschaftsgemeinschaft Mesalliance Mißheirat, eheliche Verbindung von Personen aus ungleichen Ständen mesquin armselig, erbärmlich; kleinlich messianisch auf den Messias, den Erlöser, bezüglich metamorphosieren verwandeln, umgestalten Misanthropie Menschenscheu, Menschenhaß Misere Elend, Not, trauriger Zustand modifizieren verändern, abwandeln, einschränken molestieren belästigen, beunruhigen Monographie Einzeldarstellung Möntagnard Mitglied der Bergpartei (Montagne), der äußersten Linken in der französischen Nationalversammlung mutatis mutandis mit den nötigen Abänderungen; mit entsprechender Anpassung mystisch geheimnisvoll, rätselhaft, dunkel Mythe Götter- oder Heldensage; Erdichtetes
naturalisieren einbürgern, die Staatsbürgerrechte verleihen Neglige Hauskleid, Morgenkleid, Schlafrock Nemesis Göttin der strafenden Gerechtigkeit; Vergeltung Nepotismus Begünstigung von Verwandten, Vetternwirtschaft, Bevorzugung Nonchalance Lässigkeit, Ungezwungenheit, Formlosigkeit Notabilität Berühmtheit; vornehme, angesehene Persönlichkeit Novum (Mz. Nova) Neuheit, Neuigkeit, Neuerscheinung
obskur dunkel, unbekannt; verdächtig Oligarchie Herrschaft einer kleinen privilegierten Gruppe orthodox rechtgläubig, strenggläubig
p., pagina Seite, Seitenzahl Pairie Würde und Gesamtheit der Pairs, der Angehörigen des hohen Adels in Frankreich Palatin höchster Würdenträger und Stellvertreter des Königs bzw. Kaisers in Ungarn Palliativ Linderungsmittel, Vorbeugungsmittel; unzulängliches Heilmittel, das nicht die Ursache der Krankheit beseitigt Panazee Allheilmittel, Wundermittel Pantheismus Lehre, nach der Gott und Welt (Natur) eins sind Pantheon antiker Rundtempel für alle Götter in Rom paralysieren lähmen, schwächen, unwirksam machen Paria Entrechteter, Ausgestoßener Parkett (Parquet) Staatsanwaltschaft Partikularismus Voranstellung der Sonderrechte und Sonderinteressen der Einzelstaaten vor den allgemeinen Interessen des Reiches oder der Nation; Politik der Loslösung der Kleinstaaten vom Reich; Kleinstaaterei Paschalik Amtsbezirk eines Paschas (in der alten Türkei) Paternoster das Vaterunser pathetisch feierlich, würdevoll; hochtrabend Patschouli (Patschuli) Riechstoff Pauper Armer, Almosenempfänger pazifizieren in Friedenszustand versetzen p.c. (per cent) Prozent Peloton kleine, geschlossene militärische Einheit von 20 bis 40 Mann, die stets zu gleicher Zeit schössen Pelotonfeuer Sperr-, Salvenfeuer pence, penny kleine englische Münze (V12 Shilling); siehe auch d. (denarius) peremptorisch (peremtorisch) endgültig, entscheidend, gebieterisch perfide hinterlistig, heimtückisch Perkussion Stoß, Erschütterung; der einen Zündstoff entzündende Schlag
permanent dauernd, ständig, ununterbrochen persiflieren geistvoll spotten, lächerlich machen Pfd. St. (Pfund Sterling) siehe pound Sterling Pfründe die mit einem Kirchenamt verbundenen laufenden Einkommen Phalanx geschlossene Schlachtreihe, Kerntruppe Phantasmagorie Truggebilde, Bildzauberei Philanthropie (tätige) Menschenliebe Philhellene Griechenfreund; Bezeichnung für Sympathisierende mit dem Freiheitskampf der Griechen gegen die Türkei 1821-1829 Physiognomie äußere Erscheinung, Gesichtsausdruck Physiokrat Anhänger einer im 18. Jahrhundert in Frankreich verbreiteten ökonomischen Lehre, die die Quelle des Mehrwerts nicht im Handel, sondern in der Produktion sieht, jedoch die Grundrente für die einzige Form des Mehrwerts hält und daher die landwirtschaftliche Arbeit als die einzige produktive Arbeit betrachtet Piedestal Fußgestell, Sockel, Säulenfuß Pietismus Frömmelei, Muckertum (nach einer Ende des 17. Jahrhunderts entstandenen schwärmerischen und stark gefühlsbetonten protestantischen Strömung) pistonieren Gewehr mit einem Zündstift (Piston) versehen Plagiat Diebstahl an geistigem Eigentum Pointe Spitze; springender Punkt Polarisation Gruppierung um die entgegengesetzten Pole; feindliche Gegenüberstellung Police Versicherungsurkunde Portefeuille Ministerposten; Aktenmappe, Aufbewahrungsort für Wertsachen Postulat Forderung, Verlangen; Voraussetzung pound Sterling englische Währungseinheit (20 Shilling) Präfekt in Frankreich seit 1800 oberster Verwaltungsbeamter eines Departements
praktikabel brauchbar, gangbar, ausführbar Prätendent Ansprucherhebender; Thronbewerber Prätension (Prätention) Anspruch, Anmaßung, Dünkel Preiskurant Preislage, Preisstand Professionist Handwerker, Gewerbetreibender Progressivsteuer Steuer mit wachsenden Sätzen für größere Einkommen und Vermögen Prohibitivsystem Handelssperre, System von Ein- und Ausfuhrverboten Prokurator Staatsanwalt; Bevollmächtigter prononciert scharf ausgeprägt, entschieden, betont präskribieren ächten Proszenium Vorbühne, vorderer Teil der Bühne Protektion Gönnerschaft, Unterstützung, Schutz Protektionist Anhänger des Protektionismus, der Schutzzollpolitik Protestation Einspruch, Widerspruch
Quarter englisches Gewicht (12,7 kg) und Hohlmaß (290,79 1)
Race Geschlecht, Stamm; Rasse rallieren wieder vereinigen, sammeln Ranküne Rachsucht, Heimtücke, heimliche Feindschaft Ravage Verheerung, Verwüstung, Plünderung Reflexion Überlegung, Betrachtung Reglement Geschäftsordnung, Dienstvorschrift Rekognoszierung Aufklärung, Erkundung Rekonstitution Wiederaufrichtung, Wiederherstellung renitent widerspenstig Renommage (Renommisterei) Aufschneiderei, Prahlerei Repression Unterdrückung, Zurückdrängung reprimieren unterdrücken, zurückdrängen Requisition Beschlagnahme, Beitreibung; Ersuchen, Anforderung
Requisitorium die Darlegung des juristischen Be- und Entlastungsmaterials bei Gerichtsprozessen Ressourcen Hilfsmittel, Erwerbsmittel, Rohstoffquellen Restauration Wiederherstellung; besonders Wiedereinsetzung der Bourbonendynastie in Frankreich nach 1814 Restitution Wiederherstellung, Wiedereinsetzung Restriktion Beschränkung, Vorbehalt resümieren zusammenfassen Retirade Rückzug, Abtritt rhetorisch schönrednerisch Rodomontade Prahlerei, Aufschneiderei royalistisch königstreu, königlich
Säkularisation Verweltlichung, Umwandlung kirchlichen Besitzes in weltlichen Salbaderei langweiliges, inhaltsleeres Geschwätz salvieren retten, bewahren, erhalten sanguinisch lebhaft, feurig; schwärmerisch Sanktion Bestätigung, Genehmigung Sansculotte revolutionärer Proletarier oder Kleinbürger der Französischen Revolution, der nicht die höfischen Kniehosen (culottes) trug Sarkasmus beißender Spott Schibboleth Losungswort, Erkennungszeichen Schutzgeld (Jurisdikfionszins) Abgabe für die Gerichtsbarkeit, die in den Händen der Feudalherrn lag (Patrimonialgerichtsbarkeit) Scylla und Charybdis zwei sagenhafte Ungeheuer (Felsklippen), die die zwischen ihnen hindurchfahrenden Schiffe vernichteten; zwei gleich große Gefahren Seide fanatischer Anhänger, blindes Werkzeug Seigneur Grundherr, Gebieter; Titel im feudalen Frankreich Sentenz Sinnspruch; Erkenntnis Sentiment Empfindung, Gefühl Sermon Predigt, moralische Vorlesung servil unterwürfig, knechtisch, kriecherisch Session Sitzung, Tagungsperiode
sh., Shilling, Schilling englische Münze (Väo pound Sterling) Signalement genaue Personenbeschreibung, Kennzeichnung Sinekure müheloses, einträgliches Amt, Einkünfte ohne Arbeit Sodoma Ort in Jordanien, nach der biblischen Sage zusammen mit Gomorrha wegen der Unzucht seiner Bewohner durch Vulkanausbruch vernichtet; Sinnbild der Unzucht Solawechsel einzige Ausfertigung eines Wechsels, eigener Wechsel solenn feierlich, festlich; regelmäßig Sonntag Judika der zweite Sonntag vor Ostern (1525 : 2. April) Sou früher kleinste französische Münze Souverän Landesherr, unumschränkter Herrscher Sozietät Gesellschaft spartanisch abgehärtet, tapfer, streng (wie die Spartaner) spedieren versenden, befördern splendid glänzend, prachtvoll; sehr freigebig Squire Gutsherr in England, Angehöriger des niederen Adels Status quo der bisherige, der bestehende Zustand Sterbfallabgabe (Besthaupt) Abgabe des besten Stücks Vieh, die der Erbe eines Abhängigen an den Grundherrn zu leisten hatte Stock jobber Börsenspekulant, Aktienwucherer Subalterner Untergebener, Untergeordneter sublim fein, erhaben Subsistenz Lebensunterhalt Sukkursale Filiale, Zweigbetrieb sukzessiv aufeinanderfolgend, nach und nach Superiorität Überlegenheit, Übergewicht supplizieren um etwas nachsuchen, Bittschriften einreichen Suprematie Oberherrschaft, Obergewalt; Vorrang Sure Abschnitt des Korans suspendieren zeitweilig aufheben, unterbrechen, einstellen sympathetisch geheimwirkend, geheimkräftig
Tableau Bild, Gemälde; Übersicht Tangente Berührungslinie; Gerade, die eine Kurve in einem Punkte berührt temporär zeitweilig, vorübergehend tertiär die dritte Stelle einnehmend theokratisch gottesherrschaftlich, priesterherrschaftlich Thermidor Hitzemonat, elfter Monat des französischen Revolutionskalenders (19.Juli bis 17.August); am 9.Thermidor 1794 begann nach dem Sturz Robespier res die Terrorherrschaft des rechten Flügels der Bourgeoisie, der Thermidoristen oder Thermidorianer Tirade leeres Geschwätz, Wortschwall Tirailleur Plänkler, in aufgelöster Ordnung kämpfender Soldat tiraillieren Kampf der Schützen in zerstreuter aufgelöster Ordnung tolerieren dulden, ertragen, gewähren lassen Tory Anhänger der Konservativen Partei in England Trade Union Gewerkschaft Traktat Unterhandlung, Vertrag; Flugschrift Transaktion Übereinkunft, Vergleich transleithanisch das jenseits der Leitha liegende Gebiet (Ungarn, Siebenbürgen, • Kroatien) betreffend Travestie Verkleidung; lächerliche Darstellung oder Umgestaltung ernster Dinge tributär tributpflichtig trikfilor dreifarbig (entsprechend der Fahne der Französischen Republik) Troubadour Minnesänger
Umgeld alte Bezeichnung für Akzise (indirekte Verbrauchssteuer) Usurpation widerrechtliche Inbesitznahme oder Machtergreifung usurpatorisch widerrechtlich herrschend, auf angemaßter Macht beruhend
Vasall Lehnsmann, Untertan Vedette Reiterwache, berittener Vorposten Vendemiaire Weinmonat, erster Monat des französischen Revolutionskalenders (22. September bis 21. Oktober)
vexatorisch quälend; irreführend vindizieren zuerkennen, zusprechen, geltend machen votieren beschließen, für etwas stimmen, durch Abstimmung annehmen Votum Urteil, Gutachten, Stimme bei einer Abstimmung
Whig Anhänger der Liberalen Partei in England
Yankee Spitzname für Nordamerikaner englischer Abkunft
Yard englisches Längenmaß (91,4 cm)
Zensus Vermögenseinschätzung; Abhängigkeit politischer Rechte, besonders des Wahlrechts, von einem bestimmten Vermögen Zerberus grimmiger Wächter (nach dem Höllenhund der griechischen Sage) zernieren einschließen, umzingeln zertifizieren bestätigen, beglaubigen, amtlich bescheinigen Zölibat Eheverbot für die katholischen Geistlichen, Ehelosigkeit
Inhalt
Vorwort . . V Karl MarxlFriedrich Engels. Ankündigung der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" 5 Friedrich Engels. Die deutschen Sozial-Demokraten und die „Times " 7 Karl Marx. Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 9-107 I. Die Juniniederlage 1848 12 II. Der 13. Juni 1849 35 III. Folgen des 13.Juni 1849 64 IV. Die Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts 1850 ... . 95 Friedrich Engels. Die deutsche Reichsverfassungskampagne 109-197
I. Rheinpreußen 115 II. Karlsruhe 133 III. Die Pfalz 146 IV. Für Republik zu sterben! 162 Karl Marx)Friedrich Engels. Rezensionen aus der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue". Zweites Heft, Februar 1850 198-212
I. G. Fr. Daumer, ,,Die Religion des neuen Weltalters. Versuch einer combinatorisch-aphoristischen Grundlegung" 198 II. Ludwig Simon von Trier, „Ein Wort des Rechts für alle Reichsverfassungskämpfer an die deutschen Geschwornen" .... 203 III. Guizot, „Pourquoi la Evolution d'Angleterre a-t-elle r&issi? Discours sur l'histoire de la Evolution d'Angleterre" 207
Marx KarljFriedrich Engels. Revue, Januar/Februar 1850 213 Friedrich Engels. Die Zehnstundenfrage 226
Friedrich Engels. Die englische Zehnstundenbill 233
Karl Marx/Friedrich Engels. Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850 244
Karl Marx/Friedrich Engels. Rezensionen aus der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue". Viertes Heft, April 1850 255-291
I. „Latter-Day Pamphlets", edited by Thomas Carlyle - Nr. I „The Present Time", Nr. II „Model Prisons" 255 II. „Les Conspirateurs", par A. Chenu, ex-capitaine des gardes du citoyen Caussidiere - Les societ6s secretes; La pröfecture de police sous Caussidiere; Les corps-francs -. „La naissance de la Republique en F6vrier 1848", par Luden de la Hodde 266
III. „Le socialisme et l'impot", par Emile de Girardin .... 280
Karl Marx/Friedrich Engels. Revue, März/April 1850 292
Karl Marx. Louis-Napoleon und Fould , 296 Karl Marx/Friedrich Engels. Gottfried Kinkel 299 Karl MarxjFriedrich Engels. Erklärung 302 Karl Marxj Friedrich Engels. Brief an den Redakteur der „Times" . 305 Karl Marxl Friedrich Engels. Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom Juni 1850 .. 306
Karl Marx/Friedrich Engels. Die preußischen Flüchtlinge 313
Karl Marx/Friedrich Engels. Begleitbrief zum Artikel „Preußische Spione in London" 315 Karl Marx)Friedrich Engels. Preußische Spione in London 316 Karl Marx. Brief an den Redakteur des „Globe" 320 Karl MarxlFriedrich Engels. Erklärung 323 Karl Marx/Friedrich Engels. An die Redaktion der „Weser-Zeitung" 325
Friedrich Engels. Der deutsche Bauernkrieg 327-413
I. Die ökonomische Lage und der soziale Schichtenbau Deutschlands.... 330 II. Die großen oppositionellen Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Münzer 342 III. Vorläufer des großen Bauernkriegs zwischen 1476 und 1517 ... 359 IV. Der Adelsaufstand 372
V. Der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg 377 VI. Der thüringische, elsässische und östreichische Bauernkrieg 400 VII. Die Folgen des Bauernkriegs 409
Karl Marx/Friedrich Engels. Erklärung über den Austritt aus dem Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London 414 Karl Marx/Friedrich Engels. Brief an Adam, Barthelemy und Vidil 415 Karl Marx /Friedrich Engels. Redaktionelle Anmerkung zu dem Artikel „Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen und des kleinen Capitals" von J. G. Eccarius 416 Friedrich Engels. Über die Losung der Abschaffung des Staates und die deutschen „Freunde der Anarchie" 417
Karl Marx/Friedrich Engels. Revue, Mai bis Oktober 1850 421 Karl Marx/Friedrich Engels. Erklärung gegen Arnold Rüge 464 Friedrich Engels. Brief an den Redakteur der „Times" 466 Friedrich Engels. Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im Jahre 1852 468
Karl Marx. Die Konstitution der Französischen Republik, angenommen am 4.November 1848 494
Beilagen
• A. Friedrich Engels Einleitung zu „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" von Karl Marx (Ausgabe 1895) 511
B. Friedrich Engels Vorbemerkung zu „Der deutsche Bauernkrieg" (Ausgabe 1870 und 1875) 531
C.Aufzeichnungen und Dokumente (September 1849—Februar 1851) 1. Aufruf zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge 545 2. Rechnungsablage des Ausschusses zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge in London 547 3. Einleitung zur Aktienzeichnung auf die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" redigiert von Karl Marx 549 4. Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London 551 5. Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten 553 6. Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London 554 7. Die deutschen Flüchtlinge in London 556
8. Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlingskomitees in London für Mai, Juni und Juli 1850 557 9. Rechnungsablage des Sozial-demokratischen Flüchtlings komitees in London vom 1. August bis 10. September 1850 560 10. Ansprache der Kölner Zentralbehörde an den Bund 561 11. Statuten des Kommunistischen Bundes 565 12. Vorbemerkung zur deutschen Ubersetzung des Toastes von L.-A. Blanqui (Mit dem Text des Toastes) 568
Anhang und Register
Anmerkungen 573 Literaturverzeichnis 627 Karl Marx und Friedrich Engels - Daten aus ihrem Leben und ihrer Tätigkeit (August 1849 bis Juli 1851) 637 Personenverzeichnis 650 Erklärung der Fremdwörter, der fremdsprachigen und seltenen Ausdrücke . . .... 681
Illustrationen
Titelblatt der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" 3 Karte: Baden und die Pfalz während der Reichsverfassungskampagne (Mai-Juli 1849) gegenüber S. 160 Karte: Der Bauernkrieg in Deutschland gegenüber S. 368 Karte: Der Bauernkrieg im schwäbischen und fränkischen Gebiet (1525).. gegenüber S. 384 Erste Seite des Manuskriptes „Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im Jahre 1852" von Friedrich Engels : 469 Erste Seite des Artikels „Die Konstitution der Französischen Republik" von Karl Marx, veröffentlicht in „Notes to the People" gegenüber S. 496
I.-25. Tausend Dietz Verlag GmbH, Berlin • 1. Auflage 1960 • Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten Gestaltung und Typographie: Dietz Entwurf • Lizenznummer 1 Satz und Druck: VEB Offizin Andersen Nexö in Leipzig III/I8/38 Offsetdruck: Aufbau-Druckerei Kothen Mit 3 Faksimiles und 3 Kartenbeilagen „Mdl der DDR Nr. 5254" ES IC

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