segunda parte tomo 1

DEUTSCH-FRANZÖSISCHE
JAHRBUCHER
herausgegeben
TOB
ariulft äugt un) jßart JMar*.
igte und 2te Lieferung.
IM BUREAU DER JAHRBÜCHER AU BUREAU DES ANNALES» * RUE VANNEAU.22.
1844
Umschlagseite der „Deutsch-Französischen Jahrbücher"

Karl Marx [Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern"11443]
M. an R. Auf der Treckschuit nach D. im März 1843 Ich reise jetzt in Holland. Soviel ich aus den hiesigen und französischen Zeitungen sehe, ist Deutschland tief in den Dreck hineingeritten und wird es noch immer mehr. Ich versichere Sie, wenn man auch nichts weniger als Nationalstolz fühlt, so fühlt man doch Nationalscham, sogar in Holland. Der kleinste Holländer ist noch ein Staatsbürger gegen den größten Deutschen. Und die Urteile der Ausländer, über die preußische Regierung! Es herrscht eine erschreckende Übereinstimmung, niemand täuscht sich mehr über dies System und seine einfache Natur. Etwas hat also doch die neue Schule genützt. Der. Prunkmantel des Liberalismus ist gefallen, und der widerwärtigste Despotismus steht in seiner ganzen Nacktheit vor aller Welt Augen. Das ist auch eine Offenbarung, wenngleich eine umgekehrte. Es ist eine Wahrheit, die uns zum wenigsten die Hohlheit unsers Patriotismus, die Unnatur unseres Staatswesens kennen und unser Angesicht verhüllen lehrt. Sie sehen mich lächelnd an und fragen :Was ist damit gewonnen? Aus Scham macht man keine Revolution. Ich antworte: Die Schäm ist schön eine Revolution; sie ist wirklich der Sieg der französischen Revolution über den deutschen Patriotismus, durch den sie 1813 besiegt wurde. Scham ist eine Art Zorn, der in sich gekehrte. Und wenn eine ganze Nation sich wirklich schämte, so wäre sie der Löwe, der sich zum Sprunge in sich zurückzieht. Ich gebe zu, sogar die Scham ist in Deutschland noch nicht vorhanden; im Gegenteil, diese Elenden sind noch Patrioten. Welches System sollte ihnen aber den Patriotismus austreiben, wenn nicht dieses lächerliche des neuen Ritters1? Die Komödie des Despotismus, die mit uns aufgeführt wird, ist für ihn ebenso gefährlich, als es einst den Stuarts und Bourbonen die Tragödie war. Und selbst, wenn man diese Komödie lange Zeit nicht für das halten sollte, was sie ist,
1 Friedrich1 Wilhelm IV.
so wäre sie doch schon eine Revolution. Der Staat ist ein zu ernstes Ding, um zu einer Harlekinade gemacht zu werden. Man könnte vielleicht ein Schiff voll Narren eine gute Weile vor dem Winde treiben lassen; aber seinem Schicksal trieb* es entgegen eben darum, weil die Narren dies nicht glaubten. Dieses Schicksal ist die Revolution, die uns bevorsteht.
M. an R.
Köln, im Mai 1843 Ihr Brief, mein teurer Freund, ist eine gute Elegie, ein atemversetzender Grabgesang; aber politisch ist er ganz und gar nicht. Kein Volk verzweifelt, und sollt' es auch lange Zeit nur aus Dummheit hoffen, so erfüllt es sich doch nach vielen Jahren einmal aus plötzlicher Klugheit alle seine frommen Wünsche. ' Doch, Sie haben mich angesteckt, Ihr Thema ist noch nicht erschöpft, ich will das Finale hinzufügen, und wenn alles zu Ende ist, dann reichen Sie mir die Hand, damit wir von vorne wieder anfangen. Laßt die Toten ihre Toten begraben und beklagen. Dagegen ist es beneidenswert, die ersten zu sein, die lebendig ins neue Leben eingehen; dies soll unser Los sein. Es ist wahr, die alte Welt gehört dem Philister. Aber wir dürfen ihn nicht wie einen Popanz behandeln, von dem man sich ängstlich wegwendet. Wir müssen ihn vielmehr genau ins Auge fassen. Es lohnt sich, diesen Herrn der Welt zu studieren. Herr der Welt ist er freilich nur, indem er sie, wie die Würmer einen Leichnam, mit seiner Gesellschaft ausfüllt. Die Gesellschaft dieser Herren braucht darum nichts weiter als eine Anzahl Sklaven, und die Eigentümer der Sklaven brauchen nicht frei zu sein. Wenn sie wegen ihres Eigentums an Land und Leuten Herren im eminenten Sinne genannt werden, sind sie darum nicht weniger Philister als ihre Leute. Menschen, das wären geistige Wesen, freie Männer, Republikaner. Beides wollen die Spießbürger nicht sein. Was bleibt ihnen übrig, zu sein und zu wollen? Was sie wollen, leben und sich fortpflanzen (und weiter, sagt Goethe, bringt es doch keiner), das will auch das Tier, höchstens würde ein deutscher Politiker noch hinzuzusetzen haben, der Mensch wisse aber, daß er es wolle, und der Deutsche sei so besonnen, nichts weiter zu wollen. Das Selbstgefühl des Menschen, die Freiheit, wäre in der Brust dieser Menschen erst wieder zu erwecken. Nur dies Gefühl, welches mit den Griechen aus der Welt und mit dem Christentum in den blauen Dunst des Himmels
verschwindet, kann aus der Gesellschaft wieder eine Gemeinschaft der Menschen für ihre höchsten Zwecke, einen demokratischen Staat machen. Die Menschen dagegen, welche sich nicht als Menschen fühlen, wachsen ihren Herren zu, wie eine Zucht von Sklaven oder Pferden. Die angestammten Herren sind der Zweck dieser ganzen Gesellschaft. Diese Welt gehört ihnen. Sie nehmen sie, wie sie ist und sich fühlt. Sie nehmen sich selbst, wie sie sich vorfinden, und stellen sich hin, wo ihre Füße gewachsen sind, auf die Nacken dieser politischen Tiere, die keine andere Bestimmung kennen, als ihnen „Untertan, hold und gewärtig" zu sein. ' Die Philisterwelt ist die politische Tierwelt, und wenn wir ihre Existenz anerkennen müssen, so bleibt uns nichts übrig, als dem status quo einfacherweise recht zu geben. Barbarische Jahrhunderte haben ihn erzeugt und ausgebildet, und nun steht er da als ein konsequentes System, dessen Prinzip die entmenschte Welt ist. Die vollkommenste Philisterwelt, unser Deutschland, mußte also natürlich weit hinter der französischen Revolution, die den Menschen wieder herstellte, zurückbleiben; und der deutsche Aristoteles, der seine Politik aus unsern Zuständen abnehmen wollte, würde an ihre Spitze schreiben: „Der Mensch ist ein geselliges, jedoch völlig unpolitisches Tier", den Staat aber könnte er nicht richtiger erklären, als dies Herr Zöpfl, der Verfasser des „Konstitutionellen Staatsrechts in Deutschland", bereits getan hat. Er ist nach ihm ein „Verein vonFamilien", welcher, fahren wir fort, einer allerhöchstenFamilie, die man Dynastie nennt, erb- und eigentümlich zugehört. Je fruchtbarer die Familien sich zeigen, desto glücklicher die Leute, desto größer der Staat, desto mächtiger die Dynastie, weswegen denn auch in dem normaldespotischenPreußen auf den siebenten Jungen eine Prämie von fünfzig Reichstalern gesetzt ist. Die Deutschen sind so besonnene Realisten, daß alle ihre Wünsche und ihre hochfliegendsten Gedanken nicht über das kahle Leben hinausreichen. Und diese Wirklichkeit, nichts weiter, akzeptieren die, welche sie beherrschen. Auch diese Leute sind Realisten, sie sind sehr weit von allem Denken und von aller menschlichen Größe entfernt, gewöhnliche Offiziere und Landjunker, aber sie irren sich nicht, sie haben recht, sie, so wie sie sind, reichen vollkommen aus, dieses Tierreich zu benutzen und zu beherrschen, denn Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff, hier wie überall. Und wenn sie sich huldigen lassen und über die wimmelnden Köpfe dieser hirnlosen Wesen hinsehen, was liegt ihnen näher als der Gedanke Napoleons an der Beresina? Man sagt ihm nach, er habe hinuritergewiesen auf das Gewimmel der Ertrinkenden und seinem Begleiter zugerufen: Voyez ces crapaads!1 Diese
x Sehen Sie sich diese Kröten an!
Nachrede ist wahrscheinlich eine Lüge, aber wahr ist sie nichtsdestoweniger. Der einzige Gedanke des Despotismus ist die Menschenverachtung, der entmenschte Mensch, und dieser Gedanke hat vor vielen andern den Vorzug, zugleich Tatsache zu sein. Der Despot sieht die Menschen immer entwürdigt. Sie ersaufen vor seinen Augen und für ihn im Schlamm des gemeinen Lebens, aus dem sie auch, gleich den Fröschen, immer wieder hervorgehen. Drängt sich nun selbst Menschen, die großer Zwecke fähig waren, wie Napoleon vor seiner Dynastietollheit, diese Ansicht auf, wie sollte ein ganz gewöhnlicher König in einer solchen Realität Idealist sein? Das Prinzip der Monarchie überhaupt ist der verachtete, der verächtliche, der entmenschte Mensch; und Montesquieu hat sehr unrecht, die Ehre dafür auszugeben. Er hilft sich mit der Unterscheidung von Monarchie, Despotie und Tyrannei. Aber das sind Namen eines Begriffs, höchstens eine Sittenverschiedenheit bei demselben Prinzip. Wo das monarchische Prinzip in der Majorität ist, da sind die Menschen in der Minorität, wo es nicht bezweifelt wird, da gibt es keine Menschen. Warum soll nun ein Mann wie der König von Preußen, der keine Proben davon hat, daß er problematisch wäre, nicht lediglich seiner Laune folgen? Und nun er es tut, was kommt dabei heraus? Widersprechende Absichten? Gut, so wird nichts daraus. Ohnmächtige Tendenzen? Sie sind immer noch die einzige politische Wirklichkeit. Blamagen und Verlegenheiten? Es gibt nur eine Blamage und nur eine Verlegenheit, das Heruntersteigen vom Thron. Solange die Laune an ihrem Platze bleibt, hat sie recht. Sie mag dort so unbeständig, so kopflos, so verächtlich sein, wie sie will; sie ist immer noch gut genug, ein Volk zu regieren, welches nie ein anderes Gesetz gekannt hat als die Willkür seiner Könige. Ich sage nicht, ein kopfloses System und der Verlust der Achtung im Innern und nach außen werde ohne Folgen bleiben, ich nehme die Assekuranz des Narrenschiffes nicht auf mich; aber ich behaupte: Der König von Preußen wird so lange ein Mann seiner Zeit sein, als die verkehrte Welt die wirkliche ist. Sie wissen, ich beschäftige mich viel mit diesem Manne. Schon damals, als er nur noch das „Berliner politische Wochenblatt" zu seinem Organe hatte, erkannte ich seinen Wert und seine Bestimmung. Er rechtfertigte schon bei der Huldigung in Königsberg meine Vermutung, daß nun die Frage rein persönlich werden würde. Er erklärte sein Herz und sein Gemüt ' für das künftige Staatsgrundgesetz der Domäne Preußen, seines Staates, und in der Tat, der König ist in Preußen das System. Er ist die einzige politische Person. Seine Persönlichkeit bestimmt das System so oder so. Was er tut oder was man ihn tun läßt, was er denkt oder was man ihm in den Mund legt, das ist es,
was in Preußen der Staat denkt oder tut. Es ist also wirklich ein Verdienst, daß der jetzige König dies so unumwunden erklärt hat. Nur darin irrte man sich eine Zeitlang, daß man es für erheblich hielt, welche Wünsche und Gedanken der König nun zum Vorschein brächte. Dies konnte in der Sache nichts ändern, der Philister ist das Material der Monarchie und der Monarch immer nur der König der Philister; er kann weder sich noch seine Leute zu freien, wirklichen Menschen machen, wenn beide Teile bleiben, was sie sind. Der König von Preußen hat es versucht, mit einer Theorie, die wirklich sein Vater1 so nicht hatte, das System zu ändern. Das Schicksal dieses Versuches ist bekannt. Er ist vollkommen gescheitert. Ganz natürlich. Ist man einmal bei der politischen Tierwelt angelangt, so gibt es keine weitere Reaktion als bis zu ihr, und kein anderes Vordringen als das Verlassen ihrer Basis und den Übergang zur Menschenwelt der Demokratie. Der alte König wollte nichts Extravagantes, er war ein Philister und machte keinen Anspruch auf Geist. Er wußte, daß der Dienerstaat und sein Besitz nur der prosaischen, ruhigen Existenz bedurfte. Der junge König war munterer und aufgeweckter, von der Allmacht des Monarchen, der nur durch sein Herz und seinen Verstand beschränkt ist, dachte er viel größer. Der alte verknöcherte Diener- und Sklavenstaat widerte ihn an. Er wollte ihn lebendig machen und ganz und gar mit seinen Wünschen, Gefühlen und Gedanken durchdringen; und er konnte das verlangen, er in seinem Staate, wenn es nur gelingen wollte. Daher seine liberalen Reden Und Herzensergießungen. Nicht das tote Gesetz, das volle lebendige Herz des Königs sollte alle seine Untertanen regieren. Er wollte alle Herzen und Geister für seine Herzenswünsche und langgenährten Pläne in Bewegung setzen. Eine Bewegung ist erfolgt; aber die übrigen Herzen schlügen nicht wie das seinige, und die Beherrschten konnten den Mund nicht auftun, ohne von der Aufhebung der alten Herrschaft zu reden. Die Idealisten, welche die Unverschämtheit haben, den Menschen zum Menschen machen zu wollen, ergriffen das Wort, und während der König altdeutsch phantasierte, meinten sie, neudeutsch philosophieren zu dürfen. Allerdings war dies unerhört in Preußen. Einen Augenblick schien die alte Ordnung der Dinge auf den Kopf gestellt zu sein, ja, die Dinge fingen an, sich in Menschen zu verwandeln, es gab sogar namhafte Menschen, obgleich die Namensnennung auf den Landtagen nicht erlaubt ist; aber, die Diener des alten Despotismus machten diesem undeutschen Treiben bald ein Ende. Es war nicht schwer, die Wünsche des Königs, der für eine große
1 Friedrich Wilhelm III.
Vergangenheit voll Pfaffen, Ritter und Hörige schwärmt, mit den Absichten der Idealisten, welche lediglich die Folgen der französischen Revolution, also zuletzt doch immer Republik und eine Ordnung der freien Menschheit statt der Ordnung der toten Dinge wollen, in fühlbaren Konflikt zu bringen. Als dieser Konflikt schneidend und unbequem genug geworden und der jähzornige König hinlänglich aufgeregt war, da traten die Diener zu ihm, die früher den Gang der Dinge so leicht geleitet hatten, und erklärten: der König täte nicht wohl, seine Untertanen zu unnützen Reden zu verleiten, sie würden das Geschlecht der redenden Menschen nicht regieren können. Auch der Herr aller Hinterrussen1 war über die Bewegung in den Köpfen der Vorderrussen1145-1 unruhig geworden und verlangte Wiederherstellung des alten ruhigen Zustandes. Und es erfolgte eine neue Auflage der alten Ächtung aller Wünsche und Gedanken der Menschen über menschliche Rechte und Pflichten, das heißt die Rückkehr zu dem alten verknöcherten Dienerstaat, in welchem der Sklave schweigend dient und der Besitzer des Landes und der Leute lediglich durch eine wohlgezogene, stillfolgsame Dienerschaft möglichst schweigsam herrscht. Beide können, was sie wollen, nicht sagen, weder die einen, daß sie Menschen werden wollen, noch der andere, daß er keine Menschen in seinem Lande brauchen könne. Schweigen ist daher das einzige Auskunftsmittel. Muta pecora, prona et ventri oboedientia.a Dies ist der verunglückte Versuch, den Philisterstaat auf seiner eigenen Basis aufzuheben; er ist dazu ausgeschlagen, daß er die Notwendigkeit der Brutalität und die Unmöglichkeit der Humanität für den Despotismus aller Welt anschaulich gemacht hat. Ein brutales Verhältnis kann nur mit Brutalität aufrechterhalten werden. Und hier bin ich nun mit unserer gemeinsamen Aufgabe, den Philister und seinen Staat ins Auge zu fassen, fertig. Sie werden nicht sagen, ich hielte die Gegenwart zu hoch, und wenn ich dennoch nicht an ihr verzweifle, so ist es nur ihre eigene verzweifelte Lage, die mich mit Hoffnung erfüllt. Ich rede gar nicht von der Unfähigkeit der Herren und von der Indolenz der Diener und Untertanen, die alles gehn lassen, wie es Gott gefällt; und doch reichte beides zusammen schon hin, um eine Katastrophe herbeizuführen. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, daß die Feinde des Philistertums, mit einem Wort alle denkenden und alle leidenden Menschen, zu einer Verständigung gelangt sind, wozu ihnen früher durchaus die Mittel fehlten, und daß selbst das passive Fortpflanzungssystem der alten Untertanen jeden Tag Rekruten für den Dienst der neuen Menschheit wirbt. Das System des Erwerbs und Handels, des Besitzes und der Ausbeutung der
1 Nikolaus I. - 2 Die Herde ist stamm, kopfhängerisch und gehorcht dem Magen.
Menschen führt aber noch viel schneller als die Vermehrung der Bevölkerung zu einem Bruch innerhalb der jetzigen Gesellschaft, den das alte System nicht zu heilen vermag, weil es überhaupt nicht heilt und schafft, sondern nur existiert und genießt. Die Existenz der leidenden Menschheit, die denkt, und der denkenden Menschheit, die unterdrückt wird, muß aber notwendig für die passive und gedankenlos genießende Tierwelt der Philisterei ungenießbar und unverdaulich werden. Von unserer Seite muß die alte Welt vollkommen ans Tageslicht gezogen und die neue positiv ausgebildet werden. Je länger die Ereignisse der denkenden Menschheit Zeit lassen, sich zu besinnen, und der leidenden, sich zu sammeln, um so vollendeter wird das Produkt in die Welt treten, welches die Gegenwart in ihrem Schöße trägt.
M. an R.
Kreuznach, im September 1843 Es freut mich, daß Sie entschlossen sind und von den Rückblicken auf das Vergangene Ihre Gedanken zu einem neuen Unternehmen vorwärts wenden. Also in Paris1146-1, der alten Hochschule der Philosophie, absit ometi!1 und der neuen Hauptstadt der neuen Welt. Was notwendig ist, das fügt sich. Ich zweifle daher nicht, daß sich alle Hindernisse, deren Gewicht ich nicht verkenne, beseitigen lassen. Das Unternehmen mag aber zustande kommen oder nicht; jedenfalls werde ich Ende dieses Monats in Paris sein, da die hiesige Luft leibeigen macht und ich in Deutschland durchaus keinen Spielraum für eine freie Tätigkeit sehe. In Deutschland wird alles gewaltsam unterdrückt, eine wahre Anarchie des Geistes, das Regiment der Dummheit selbst ist hereingebrochen, und Zürich gehorcht den Befehlen aus Berlin; es wird daher immer klarer, daß ein neuer Sammelpunkt für die wirklich denkenden und unabhängigen Köpfe gesucht werden muß. Ich bin überzeugt, durch unsern Plan würde einem wirklichen Bedürfnisse entsprochen werden, und die wirklichen Bedürfnisse müssen sich doch auch wirklich erfüllen lassen. Ich zweifle also nicht an dem Unternehmen, sobald ernst damit gemacht wird. Größer noch als die äußern Hindernisse scheinen beinahe die inneren Schwierigkeiten zu sein. Denn wenn auch kein Zweifel über das „Woher", so
1 möge es nichts Schlimmes bedeutenl
herrscht desto mehr Konfusion über das „Wohin". Nicht nur, daß eine allgemeine Anarchie unter den Reformern ausgebrochen ist, so wird jeder sich selbst gestehen müssen, daß er keine exakte Anschauung von dem hat, was werden soll. Indessen ist das gerade wieder der Vorzug der neuen Richtung, daß wir nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen. Bisher hatten die Philosophen die Auflösung aller Rätsel in ihrem Pulte liegen, und die dumme exoterische Welt hatte nur das Maul aufzusperren, damit ihr die gebratenen Tauben der absoluten Wissenschaft in den Mund flogen. Die Philosophie hat sich verweltlicht, und der schlagendste Beweis dafür ist, daß das philosophische Bewußtsein selbst in die Qual des Kampfes nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich hineingezogen ist. Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik olles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten. Ich bin daher nicht dafür, daß wir eine dogmatische Fahne aufpflanzen, im Gegenteil. Wir müssen den Dögmatikern nachzuhelfen suchen, daß sie ihre Sätze sich klarmachen. So ist namentlich der Kommunismus eine dogmatische Abstraktion, wobei ich aber nicht irgendeinen eingebildeten und möglichen, sondern den wirklich existierenden Kommunismus, wie ihn Cabet, Dezamy, Weitling etc. lehren, im Sinn habe. Dieser Kommunismus ist selbst nur eine aparte, von seinem Gegensatz, dem Privatwesen, infizierte Erscheinung des humanistischen Prinzips. Aufhebung des Privateigentums und Kommunismus sind daher keineswegs identisch, und der Kommunismus hat andre sozialistische Lehren, wie die von Fourier, Proudhon etc., nicht zufällig, sondern notwendig sich gegenüber entstehn sehn, weil er selbst nur eine besondre, einseitige Verwirklichung des sozialistischen Prinzips ist. Und das ganze sozialistische Prinzip ist wieder nur die eine Seite, welche die Realität des wahren menschlichen Wesens betrifft. Wir haben uns ebensowohl um die andre Seite, um die theoretische Existenz des Menschen zu kümmern, also Religion, Wissenschaft etc. zum Gegenstande unserer Kritik zu machen. Außerdem wollen wir auf unsere Zeitgenossen wirken, und zwar auf unsre deutschen Zeitgenossen. Es fragt sich, wie ist das anzustellen? Zweierlei Fakta lassen sich nicht ableugnen. Einmal die Religion, dann die Politik sind Gegenstände, welche das Hauptinteresse des jetzigen Deutschlands bilden. An diese, wie sie auch sind, ist anzuknüpfen, nicht irgendein System wie etwa die „Voyage en /can'e"[147] ihnen fertig entgegenzusetzen.
Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form. Der Kritiker kann also an jede Form des theoretischen und praktischen Bewußtseins anknüpfen und aus den eigenen Formen der existierenden Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck entwickeln. Was nun das wirkliche Leben betrifft, so enthält grade der politische Staat, auch wo er von den sozialistischen Forderungen noch nicht bewußterweise erfüllt ist, in allen seinen modernen Formen die Forderungen der Vernunft. Und er bleibt dabei nicht stehn. Er unterstellt überall die Vernunft als realisiert. Er. gerät aber ebenso überall in den Widerspruch seiner ideellen Bestimmung mit seinen realen Voraussetzungen. Aus diesem Konflikt des politischen Staates mit sich selbst läßt sich daher überall die soziale Wahrheit entwickeln. Wie die Religion das Inhaltsverzeichnis von den theoretischen Kämpfen der Menschheit, so ist es der politische Staat von ihren praktischen. Der politische Staat drückt also innerhalb seiner Form sab specie rei publicae1 alle sozialen Kämpfe, Bedürfnisse, Wahrheiten aus. Es ist also durchaus nicht unter der haatear des principes2, die speziellste politische Frage - etwa den Unterschied von ständischem und repräsentativem System - zum Gegenstand der Kritik zu machen. Denn diese Frage drückt nur auf politische Weise den Unterschied von der Herrschaft des Menschen und der Herrschaft des Privateigentums aus. Der Kritiker kann also nicht nur, er muß in diese politischen Fragen (die nach der Ansicht der krassen Sozialisten unter aller Würde sind) eingehn. Indem er den Vorzug des repräsentativen Systems vor dem ständischen entwickelt, interessiert er praktisch eine große Partei. Indem er das repräsentative System aus seiner politischen Form zu der allgemeinen Form erhebt und die wahre Bedeutung, die ihm zugrunde liegt, geltend macht, zwingt er zugleich diese Partei, über sich selbst hinauszugehn, denn ihr Sieg ist zugleich ihr Verlust. Es hindert uns also nichts, unsre Kritik an die Kritik der Politik, an die Parteinahme in der Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit ihnen zu identifizieren. Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewußtsein ist eine Sache, die sie sich aneignen maß, wenn sie auch nicht will.
1 ah einer besonderen Staatsform - 2 dem Niveau der Prinzipien
Die Reform des Bewußtseins besteht nur darin, daß man die Welt ihr Bewußtsein innewerden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß man ihre eignen Aktionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck kann in nichts anderem bestehn, wie dies auch bei Feuerbachs Kritik der Religion der Fall ist, als daß die religiösen und politischen Fragen in die selbstbewußte menschliche Form gebracht werden. Unser Wahlspruch muß also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewußtseins, trete es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt. Wir können also die Tendenz unsers Blattes in ein Wort fassen: Selbstverständigung (kritischePhilosophie) derZeit über ihre Kämpfe und Wünsche. Dies ist eine Arbeit für die Welt und für uns. Sie kann nur das Werk vereinter Kräfte sein. Es handelt sich um eine Beichte, um weiter nichts. Um sich ihre Sünden vergeben zu lassen, braucht die Menschheit sie nur für das zu erklären, was sie sind.
Nach: „Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844.
Karl Marx Zur Judenfrage
1. Bruno Bauer: „Die Judenfrage". Braunschweig 1843. 2. Bruno Bauer: „Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden". „Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz". Herausgegeben von Georg Herwegh. Zürich und Winterthur, 1843, S. 56-71.
I
Bruno Bauer: „Die Judenfrage". Braunschweig 1843
Die deutschen Juden begehren die Emanzipation. Welche Emanzipation begehren sie? Die staatsbürgerliche, die politische Emanzipation. Bruno Bauer antwortet ihnen: Niemand in Deutschland ist politisch emanzipiert. Wir selbst sind unfrei. Wie sollen wir euch befreien? Ihr Juden seid Egoisten, wenn ihr eine besondere Emanzipation für euch als Juden verlangt. Ihr müßtet als Deutsche an der politischen Emanzipation Deutschlands, als Menschen an der menschlichen Emanzipation arbeiten und die besondere Art eures Drucks und eurer Schmach nicht als Ausnahme von der Regel, sondern vielmehr als Bestätigung der Regel empfinden. Oder verlangen die Juden Gleichstellung mit den christlichen Untertanen? So erkennen sie den christlichen Staat als berechtigt an, so erkennen sie das Regiment der allgemeinen Unterjochung an. Warum mißfällt ihnen ihr spezielles Joch, wenn ihnen das allgemeine Joch gefällt! Warum soll der Deutsche sich für die Befreiung der Juden interessieren, wenn der Jude sich nicht für die Befreiung des Deutschen interessiert? £ Der christliche Staat kennt nur Privilegien. Der Jude besitzt in ihm das Privilegium, Jude zu sein. Er hat als Jude Rechte, welche die Christen nicht haben. Warum begehrt er Rechte, welche er nicht hat und welche die Christen genießen! Wenn der Jude vom christlichen Staat emanzipiert sein will, so verlangt er, daß der christliche Staat sein religiöses Vorurteil aufgebe. Gibt er, der Jude,
23 Marx/Engels, Werke, Bd. 1
sein religiöses Vorurteil auf? Hat er also das Recht, von einem andern diese Abdankung der Religion zu verlangen? Der christliche Staat kann seinem Wesen nach den Juden nicht emanzipieren; aber, setzt Bauer hinzu, der Jude kann seinem Wesen nach nicht emanzipiert werden. Solange der Staat christlich und der Jude jüdisch ist, sind beide ebensowenig fähig, die Emanzipation zu verleihen als zu empfangen. Der christliche Staat kann sich nur in der Weise des christlichen Staats zu dem Juden verhalten, das heißt auf privilegierende Weise, indem er die Absonderung des Juden von den übrigen Untertanen gestattet, ihn aber den Druck der andern abgesonderten Sphären empfinden und um so nachdrücklicher empfinden läßt, als der Jude im religiösen Gegensatz zu der herrschenden Religion steht. Aber auch der Jude kann sich nur jüdisch zum Staat verhalten, das heißt zu dem Staat als einem Fremdling, indem er der wirklichen Nationalität seine chimärische Nationalität, indem er dem wirklichen Gesetz sein illusorisches Gesetz gegenüberstellt, indem er zur Absonderung von der Menschheit sich berechtigt wähnt, indem er prinzipiell keinen Anteil an der geschichtlichen Bewegung nimmt, indem er einer Zukunft harrt, welche mit der allgemeinen Zukunft des Menschen nichts gemein hat, indem er sich für ein Glied des jüdischen Volkes und das jüdische Volk für das auserwählte Volk hält. Auf welchen Titel hin begehrt ihr Juden also die Emanzipation? Eurer Religion wegen? Sie ist die Todfeindin der Staatsreligion. Als Staatsbürger? Es gibt in Deutschland keine Staatsbürger. Als Menschen? Ihr seid keine Menschen, sowenig als die, an welche ihr appelliert. Bauer hat die Frage der Judenemanzipation neu gestellt, nachdem er eine Kritik der bisherigen Stellungen und Lösungen der Frage gegeben. Wie, fragt er, sind sie beschaffen, der Jude, der emanzipiert werden, der christliche Staat, der emanzipieren soll? Er antwortet durch eine Kritik der jüdischen Religion, er analysiert den religiösen Gegensatz zwischen Judentum und Christentum, er verständigt über das Wesen des christlichen Staates, alles dies mit Kühnheit, Schärfe, Geist, Gründlichkeit in einer ebenso präzisen als kernigen und energievollen Schreibweise. Wie also löst Bauer die Judenfrage? Welches das Resultat? Die Formulierung einer Frage ist ihre Lösung. Die Kritik der Judenfrage ist die Antwort auf die Judenfrage. Das Resume also folgendes: Wir müssen uns selbst emanzipieren, ehe wir andere emanzipieren können. Die starrste Form des Gegensatzes zwischen dem Juden und dem Christen
ist der religiöse Gegensatz. Wie löst man einen Gegensatz? Dadurch, daß man ihn unmöglich macht. Wie macht man einen religiösen Gegensatz unmöglich? Dadurch, daß man die Religion aufhebt. Sobald Jude und Christ ihre gegenseitigen Religionen nur mehr als verschiedene Entwicklungsstufen des menschlichen Geistes, als verschiedene von der Geschichte abgelegte Schlangenhäute und den Menschen als die Schlange erkennen, die sich in ihnen gehäutet, stehn sie nicht mehr in einem religiösen, sondern nur noch in einem kritischen, wissenschaftlichen, in einem menschlichen Verhältnisse. Die Wissenschaft ist dann ihre Einheit. Gegensätze in der Wissenschaft lösen sich aber durch die Wissenschaft selbst. Dem deutschen Juden namentlich stellt sich der Mangel der politischen Emanzipation überhaupt und die prononcierte Christlichkeit des Staats gegenüber. In Bauers Sinn hat jedoch die Judenfrage eine allgemeine, von den spezifisch deutschen Verhältnissen unabhängige Bedeutung. Sie ist die Frage von dem Verhältnis der Religion zum Staat, von dem Widerspruch der religiösen Befangenheit und der politischen Emanzipation. Die Emanzipation von der Religion wird als Bedingung gestellt, sowohl an den Juden, der politisch emanzipiert sein will, als an den Staat, der emanzipieren und selbst emanzipiert sein soll.
„Gut, sagt man, und der Jude sagt es selbst, der Jude soll auch nicht als Jude, nicht weil er Jude ist, nicht weil er ein so treffliches allgemein menschliches Prinzip der Sittlichkeit hat, emanzipiert werden, der Jude wird vielmehr selbst hinter dem Staatsbürger zurücktreten und Staatsbürger sein, trotzdem daß er Jude ist und Jude bleiben soll; d. h., er ist und bleibt Jude, trotzdem daß er Staatsbürger ist und in allgemeinen menschlichen Verhältnissen lebt: Sein jüdisches und beschränktes Wesen trägt immer und zuletzt über seine menschlichen und politischen Verpflichtungen den Sieg, davon. Das Vorurteil bleibt, trotzdem daß es von allgemeinen Grundsätzen überflügelt ist. Wenn es aber bleibt, so überflügelt es vielmehr alles andere." „Nur sophistisch, dem Scheine nach, würde der Jude im Staatsleben Jude bleiben können; der bloße Schein würde also, wenn er Jude bleiben wollte, das Wesentliche sein und den Sieg davontragen, d. h., sein Leben im Staat würde nur Schein oder nur momentane Ausnahme gegen das Wesen und die Regel sein." („Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden." „Einundzwanzig Bogen", p. 57.)
Hören wir andrerseits, wie Bauer die Aufgabe des Staats stellt.
„Frankreich", heißt es, „hat uns neuerlich" (Verhandlungen der Deputiertenkammer vom 26.Dezember 1840) „ih bezug auf die Judenfrage - sowie in allen andern politischen Fragen beständig - den Anblick eines Lebens gegeben, welches frei ist, aber seine Freiheit im Gesetz revoziert, also auch für einen Schein erklärt und auf der andern Seite sein freies Gesetz durch die Tat widerlegt." („Judenfrage'', p. 64.)
„Die allgemeine Freiheit ist in Frankreich noch nicht Gesetz, die Judenfrage auch noch nicht gelöst, weil die gesetzliche Freiheit - daß alle Bürger gleich sind - im Leben, welches von den religiösen Privilegien noch beherrscht und zerteilt ist, beschränkt wird und diese Unfreiheit des Lebens auf das Gesetz zurückwirkt und dieses zwingt, die Unterscheidung der an sich freien Bürger in Unterdrückte und Unterdrücker zu sanktionieren." (p. 65.) Wann also wäre die Judenfrage für Frankreich gelöst?
„Der Jude z.B. müßte aufgehört haben, Jude zu sein, wenn er sich durch sein Gesetz nicht verhindern läßt, seine Pflichten gegen den Staat und seine Mitbürger zu erfüllen, also z.B. am Sabbat in die Deputiertenkammer geht und an den öffentlichen Verhandlungen teilnimmt. Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche, müßte aufgehoben, und wenn einige oder mehrere oder auch die uberwiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen seihst überlassen sein." (p. 65.) „Es gibt keine Religion mehr, wenn es keine privilegierte Religion mehr gibt. Nehmt der Religion ihre ausschließende Kraft, und sie existiert nicht mehr." (p.66.) „So gut, wie Herr Martin du Nord in dem Vorschlag, die Erwähnung des Sonntags im Gesetze zu unterlassen, denAntrag auf dieErklärung sah, daß das Christentum aufgehört habe, zu existieren, mit demselben Rechte (und dies Recht ist vollkommen begründet) würde die Erklärung, daß das Sabbatgesetz für den Juden keine Verbindlichkeit mehr habe, die Proklamation der Auflösung des Judentums sein." (p- 71.) Bauer verlangt also einerseits, daß der Jude das Judentum, überhaupt der Mensch die Religion aufgebe, um staatsbürgerlich emanzipiert zu werden. Andrerseits gilt ihm konsequenterweise die politische. Aufhebung der Religion für die Aufhebung der Religion schlechthin. Der Staat, welcher die Religion voraussetzt, ist noch kein wahrer, kein wirklicher Staat.
„Allerdings gibt die religiöse Vorstellung dem Staat Garantien. Aber welchem Staat ? Welcher Art des Staates?" (p. 97.) An diesem Punkt tritt die einseitige Fassung der Judenfrage hervor. Es genügte keineswegs zu untersuchen: Wer soll emanzipieren? Wer soll emanzipiert werden? Die Kritik hatte ein Drittes zu tun. Sie mußte fragen: Von Welcher Art der Emanzipation handelt es sich? Welche Bedingungen sind im Wesen der verlangten Emanzipation begründet? Die Kritik der politischen Emanzipation selbst war erst die schließliche Kritik der Judenfrage und ihre wahre Auflösung in die „allgemeine Frage der Zeit". Weil Bauer die Frage nicht auf diese Höhe erhebt, verfällt er in Widersprüche. Er stellt Bedingungen, die nicht im Wesen der politischen Emanzipation selbst begründet sind. Er wirft Fragen auf, welche seine Aufgabe nicht
enthält, und er löst Aufgaben, welche seine Frage unerledigt lassen. Wenn Bauer von den Gegnern der Judenemanzipation sagt: „Ihr Fehler war nur der, daß sie den christlichen Staat als den einzig wahren voraussetzten und nicht derselben Kritik unterwarfen, mit der sie das Judentum betrachteten" (p. 3), so finden wir Bauers Fehler darin, daß er nur den „christlichen Staat", nicht den „Staat schlechthin" der Kritik unterwirft, daß er das Verhältnis der politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation nicht untersucht und daher Bedingungen stellt, welche nur aus einer unkritischen Verwechslung der politischen Emanzipation mit der allgemein menschlichen erklärlich sind. Wenn Bauer die Juden fragt: Habt ihr von eurem Standpunkt aus das Recht, die politische Emanzipation zu begehren? so fragen wir umgekehrt: Hat der Standpunkt der politischen Emanzipation das Recht, vom Juden die Aufhebung des Judentums, vom Menschen überhaupt die Aufhebung der Religion zu verlangen? Die Judenfrage erhält eine veränderte Fassung, je nach dem Staate, in welchem der Jude sich befindet. In Deutschland, wo kein politischer Staat, kein Staat als Staat existiert, ist die Judenfrage eine rein theologische Frage. Der Jude befindet sich im religiösen Gegensatz zum Staat, der das Christentum als seine Grundlage bekennt. Dieser Staat ist Theologe ex professo. Die Kritik ist hier Kritik der Theologie, zweischneidige Kritik, Kritik der christlichen, Kritik der jüdischen Theologie. Aber so bewegen wir uns immer noch in der Theologie, sosehr wir uns auch kritisch in ihr bewegen mögen. In Frankreich, in dem konstitutionellen Staat, ist die Judenfrage die Frage des Konstitutionalismus, die Frage von der Halbheit der politischen Emanzipation. Da hier der Schein einer Staatsreligion, wenn auch in einer nichtssagenden und sich selbst widersprechenden Formel, in der Formel einer Religion der Mehrheit beibehalten ist, so behält das Verhältnis der Juden zum Staat den Schein eines religiösen, theologischen Gegensatzes. Erst in den nordamerikanischen Freistaaten - wenigstens in einem Teil derselben - verliert die Judenfrage ihre theologische Bedeutung und wird zu einer wirklich weltlichen Frage. Nur wo der politische Staat in seiner vollständigen Ausbildung existiert, kann das Verhältnis des Juden, überhaupt des religiösen Menschen, zum politischen Staat, also das Verhältnis der Religion zum Staat, in seiner Eigentümlichkeit, in seiner Reinheit heraustreten. Die Kritik dieses Verhältnisses hört auf, theologische Kritik zu sein, sobald der Staat aufhört, auf theologische Weise sich zur Religion zu verhalten, sobald er sich als Staat, d. h. politisch, zur Religion verhält. Die Kritik wird dann zur Kritik des politischen Staats. An diesem Punkt, wo die Frage aufhört, theologisch zu sein, hört Bauers Kritik auf, kritisch zu sein.
„II n'existe aux Etats-Unis ni religion de VEtat, ni religion declaree celle de la maforite ni preeminence d'un culte sur an autre. L'Etat est itranger ä tous les cultes."1 (Marie ou l'esclavage aux Etats-Unis etc., parG.de Beaumont. Paris 1835, p.214.) Ja es gibt einige nordamerikanische Staaten, wo „la Constitution n impose pas les croyances religieuses et la pratique d'un culte comme condition des Privileges politiques"a (l. c. p. 225). Dennoch „<m ne croit pas aux Etats-Unis qu'un homme sans religion puisse etre un honnete homme"3 (l.c.p.224).
Dennoch ist Nordamerika vorzugsweise das Land der Religiosität, wie Beaumont, Tocqueville1-148-1 und der Engländer Hamilton1149-1 aus einem Munde versichern. Die nordamerikanischen Staaten gelten uns indes nur als Beispiel. Die Frage ist: Wie verhält sich die vollendete politische Emanzipation zur Religion? Finden wir selbst im Lande der vollendeten politischen Emanzipation nicht nür die Existenz, sondern die lebensfrische, die lebenskräftige Existenz der Religion, so ist der Beweis geführt, daß das Dasein der Religion der Vollendung des Staats nicht widerspricht. Da aber das Dasein der Religion das Dasein eines Mangels ist, so kann die Quelle dieses Mangels nur noch im Wesen des Staats selbst gesucht werden. Die Religion gilt uns nicht mehr als der Grund, sondern nur noch als das Phänomen der weltlichen Beschränktheit. Wir erklären daher die religiöse Befangenheit der freien Staatsbürger aus ihrer weltlichen Befangenheit. Wir behaupten nicht, daß sie ihre religiöse Beschränktheit aufheben müssen, um ihre weltlichen Schranken aufzuheben. Wir behaupten, daß sie ihre religiöse Beschränktheit aufheben, sobald sie ihre weltliche Schranke aufheben. Wir verwandeln nicht die weltlichen Fragen in theologische. Wir verwandeln die theologischen Fragen in weltliche. Nachdem die Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der politischen Emanzipation zur Religion wird für uns die Frage von dem Verhältnis der politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation. Wir kritisieren die religiöse Schwäche des politischen Staats, indem wir den politischen Staat, abgesehen von den religiösen Schwächen, in seiner weltlichen Konstruktion kritisieren. Den Widerspruch des Staats mit einer bestimmten Religion, etwa dem Judentum, vermenschlichen wir in den Widerspruch des Staats mit bestimmten weltlichen Elementen, den Wider
1 „In den Vereinigten Staaten gibt es weder eine Staatsreligion noch eins offizielle Religion der Mehrheit,noch den Vorrang einesKults über den anderen. Der Staat befaßt sich mit keinem der Kulte." -2 „die Verfassung keinerlei religiösen Glauben oder die Ausübung eines bestimmten Kults zur Bedingung politischer Privilegien macht" - 3 „glaubt man in den Vereinigten Staaten nicht, daß ein Mensch ohne Religion ein anständiger Mensch sein könnte"
spruch des Staats mit der Religion überhaupt, in den Widerspruch des Staats mit seinen Voraussetzungen überhaupt. Die politische Emanzipation des Juden, des Christen, überhaupt des religiösen Menschen, ist die Emanzipation des Staats vom Judentum, vom Christentum, überhaupt von der Religion. In seiner Form, in der seinem Wesen eigentümlichen Weise, als Staat emanzipiert sich der Staat von der Religion, indem er sich von der Staatsreligion emanzipiert, d. h., indem der Staat als Staat keine Religion bekennt, indem der Staat sich vielmehr als Staat bekennt. Die politische Emanzipation von der Religion ist nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Emanzipation von der Religion, weil die politische Emanzipation nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Weise der menschlichen Emanzipation ist. Die Grenze der politischen Emanzipation erscheint sogleich darin, daß der Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne daß der Mensch wirk' lieh von ihr frei wäre, daß der Staat ein Freistaat sein kann, ohne daß der Mensch ein freier Mensch wäre. Bauer selbst gibt dies stillschweigend zu, wenn er folgende Bedingung der politischen Emanzipation setzt:
„Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevoirechteten Kirche, müßte aufgehoben, und wenn einige oder mehrere oder auch die über' wiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen selbst überlassen sein." Der Staat kann sich also von der Religion emanzipiert haben, sogar wenn die überwiegende Mehrzahl noch religiös ist. Und die überwiegende Mehrzahl hört dadurch nicht auf, religiös zu sein, daß sie privatim religiös ist. Aber das Verhalten des Staats zur Religion, namentlich des Freistaats, ist doch nur das Verhalten der Menschen, die den Staat bilden, zur Religion. Es folgt hieraus, daß der Mensch durch das Medium des Staats, daß er politisch von einer Schranke sich befreit, indem er sich im Widerspruch mit sich selbst, indem er sich auf eine abstrakte und beschränkte, auf partielle Weise über diese Schranke erhebt. Es folgt ferner, daß der Mensch auf einem Umweg, durch ein Medium, wenn auch durch ein notwendiges Medium sich befreit, indem er sich politisch befreit. Es folgt endlich, daß der Mensch, selbst wenn er durch die Vermittlung des Staats sich als Atheisten proklamiert, d.h., wenn er den Staat zum Atheisten proklamiert, immer noch religiös befangen bleibt, eben weil er sich nur auf einem Umweg, weil er nur durch ein Medium sich selbst anerkennt. Die Religion ist eben die Arterkennung des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine ganze religiöse Befangenheit
aufbürdet, so ist der Staat der Mittler, in den er seine ganze Ungöttlichkeit, seine ganze menschliche Unbefangenheit verlegt. Die politische Erhebung des Menschen über die Religion teilt alle Mängel und alle Vorzüge der politischen Erhebung überhaupt. Der Staat als Staat annulliert z. B. das Privateigentum, der Mensch erklärt auf politische Weise das Privateigentum für aufgehoben, sobald er den Zensus für aktive und passive Wählbarkeit aufhebt, wie dies in vielen nordamerikanischen Staaten geschehen ist. Hamilton interpretiert dies Faktum von politischem Standpunkte ganz richtig dahin: „Der große Haufen hat den Sieg über die Eigentümer und den Geldreichtum davongetragen." Ist das Privateigentum nicht ideell aufgehoben, wenn der Nichtbesitzende zum Gesetzgeber des Besitzenden geworden ist? Der Zensus ist die letzte politische Form, das Privateigentum anzuerkennen. Dennoch ist mit der politischen Annullation des Privateigentums das Privateigentum nicht nur nicht aufgehoben, sondern sogar vorausgesetzt. Der Staat hebt den Unterschied der Geburt, des Standes, der Bildung, der ßeschäftigung in seiner Weise auf, wenn er Geburt, Stand, Bildung, Beschäftigung für unpolitische Unterschiede erklärt, wenn er ohne Rücksicht auf diese Unterschiede jedes Glied des Volkes zum gleichmäßigen Teilnehmer der Volkssouveränität ausruft, wenn er alle Elemente des wirklichen Volkslebens von dem Staatsgesichtspunkt aus behandelt. Nichtsdestoweniger läßt der Staat das Privateigentum, die Bildung, die Beschäftigung auf ihre Weise, d. h. als Privateigentum, als Bildung, als Beschäftigung wirken und ihr besondres Wesen geltend machen. Weit entfernt, diese faktischen Unterschiede aufzuheben, existiert er vielmehr nur unter ihrer Voraussetzung, empfindet er sich als politischer Staat und macht er seine Allgemeinheit geltend nur im Gegensatz zu diesen seinen Elementen. Hegel bestimmt das Verhältnis des politischen Staats zur Religion daherJganz richtig, wenn er sagt:
„Damit der Staat als die sich wissende sittliche Wirklichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seine Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens notwendig," diese Unterscheidung tritt aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung kommt; nur so über die besondern Kirchen hat der Staat die Allgemeinheit des Gedankens, das Prinzip seiner Form gewonnen und bringt sie zur Existenz". (Hegels Rechtsphilosophie, 1. Ausgabe, p. 346.) Allerdings! Nur so über den besondern Elementen konstituiert sich der Staat als Allgemeinheit. Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materiellen Leben. Alle Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in
der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d. h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt. Der Konflikt, in welchem sich der Mensch als Bekenner einer besondern Religion mit seinem Staatsbürgertum, mit den andern Menschen als Gliedern des Gemeinwesens befindet, reduziert sich auf die weltliche Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft. Für den Menschen als bourgeois1 ist das „Leben im Staate nur Schein oder eine momentane Ausnahme gegen das Wesen und die Regel". Allerdings bleibt der bourgeois, wie der Jude, nur sophistisch im Staatsleben, wie der citoyen nur sophistisch Jude oder bourgeois bleibt; aber diese Sophistik ist nicht persönlich. Sie ist die Sophistik des politischen Staates selbst. Die Differenz zwischen dem religiösen Menschen und dem Staatsbürger ist die Differenz zwischen dem Kaufmann und dem Staatsbürger, zwischen dem Taglöhner und dem Staatsbürger, zwischen dem Grundbesitzer und dem Staatsbürger, zwischen dem lebendigen Individuum und demStaatsbürger. Der Widerspruch, in dem sich der religiöse Mensch mit dem politischen Menschen befindet, ist derselbe Widerspruch, in welchem sich der bourgeois mit dem citoyen, in welchem sich das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft mit seiner politischen Löwenhaut befindet. Diesen weltlichen Widerstreit, auf welchen sich die Judenfrage schließlich reduziert, das Verhältnis des politischen Staates zu seinen Vorausset
1 Hier: Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft
zungen, mögen dies nun materielle Elemente sein, wie das Privateigentum etc., oder geistige, wie Bildung, Religion, den Widerstreit zwischen dem allgemeinen Interesse und dem Privatinteresse, die Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft, diese weltlichen Gegensätze läßt Bauer bestehen, während er gegen ihren religiösen Ausdruck polemisiert.
„Gerade ihre Grundlage, das Bedürfnis, welches der bürgerlichen Gesellschaft ihr Bestehen sichert und ihre Notwendigkeit garantiert, setzt ihr Bestehen beständigen Gefahren aus, unterhält in ihr ein unsicheres Element und bringt jene in beständigem Wechsel begriffene Mischung von Armut und Reichtum, Not und Gedeihen, überhaupt den Wechsel hervor." (p. 8.) Man vergleiche den ganzen Abschnitt: „Die bürgerliche Gesellschaft" (p. 8-9), der nach den Grundzügen der Hegeischen Rechtsphilosophie entworfen ist. Die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Gegensatz zum politischen Staat wird als notwendig anerkannt, weil der politische Staat als notwendig anerkannt wird. Die politische Emanzipation ist allerdings ein großer Fortschritt, sie ist zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber sie ist die letzte Form der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung. Es versteht sich: Wir sprechen hier von wirklicher, von praktischer Emanzipation. Der Mensch emanzipiert sich politisch von der Religion, indem er sie aus dem öffentlichen Recht in das Privatrecht verbannt. Sie ist nicht mehr der Geist des Staats, wo der Mensch - wenn auch in beschränkter Weise, unter besonderer Form und in einer besondern Sphäre - sich als Gattungswesen verhält, in Gemeinschaft mit andern Menschen, sie ist zum Geist der bürgerlichen Gesellschaft geworden, der Sphäre des Egoismus, des bellum omnium contra omnes1. Sie ist nicht mehr das Wesen der Gemeinschaft, sondern das Wesen des Unterschieds. Sie ist zum Ausdruck der Trennung des Menschen von seinem Gemeinwesen, von sich und den andern Menschen geworden was sie ursprünglich war. Sie ist nur noch das abstrakte Bekenntnis der besondern Verkehrtheit, der Privatschrulle, der Willkür. Die unendliche Zersplitterung der Religion in Nordamerika z. B. gibt ihr schon äußerlich die Form einer rein individuellen Angelegenheit. Sie ist unter die Zahl der Privatinteressen hinabgestoßen und aus dem Gemeinwesen als Gemeinwesen exiliert. Aber man täusche sich nicht über die Grenze der politischen Emanzipation. Die Spaltung des Menschen in den öffentlichen und in den Privat
1 Krieges aller gegen alle
nterischen, die Dislokation der Religion aus dem Staate in die bürgerliche Gesellschaft, sie ist nicht eine Stufe, sie ist die Vollendung der politischen Emanzipation, die also die wirkliche Religiosität des Menschen ebensowenig aufhebt als aufzuheben strebt. Die Zersetzung des Menschen in den Juden und in den Staatsbürger, in den Protestanten und in den Staatsbürger, in den religiösen Menschen und in den Staatsbürger, diese Zersetzung ist keine Lüge gegen das Staatsbürgertum, sie ist keine Umgehung der politischen Emanzipation, sie ist die politische Emanzipation selbst, sie ist die politische Weise, sich von der Religion zu emanzipieren. Allerdings: In Zeiten, wo der politische Staat als politischer Staat gewaltsam aus der bürgerlichen Gesellschaft heraus geboren wird, wo die menschliche Selbstbefreiung unter der Form der politischen Selbstbefreiung sich zu vollziehen strebt, kann und muß der Staat bis zur Aufhebung der Religion, bis zur Vernichtung der Religion fortgehen, aber nur so, wie er zur Aufhebung des Privateigentums, zum Maximum, zur Konfiskation, zur progressiven Steuer, wie er zur Aufhebung des Lebens, zur Guillotine fortgeht. In den Momenten seines besondern Selbstgefühls sucht das politische Leben seine Voraussetzung, die bürgerliche Gesellschaft und ihre Elemente, zu erdrücken und sich als das wirkliche, widerspruchslose Gattungsleben des Menschen zu konstituieren. Es vermag dies indes nur durch gewaltsamen Widerspruch gegen seine eigenen Lebensbedingungen, nur indem es die Revolution für permanent erklärt, und das politische Drama endet daher ebenso notwendig mit der Wiederherstellung der Religion, des Privateigentums, aller Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, wie der Krieg mit dem Frieden endet. Ja, nicht der sogenannte christliche Staat, der das Christentum als seine Grundlage, als Staatsreligion bekennt und sich daher ausschließend zu andern Religionen verhält, ist der vollendete christliche Staat, sondern vielmehr der atheistische Staat, der demokratische Staat, der Staat, der die Religion unter die übrigen Elemente der bürgerlichen Gesellschaft verweist. Dem Staat, der noch Theologe ist, der noch das Glaubensbekenntnis des Christentums auf offizielle Weise ablegt, der sich noch nicht als Staat zu proklamieren wagt, ihm ist es noch nicht gelungen, in weiflicher, menschlicher Form, in seiner Wirklichkeit als Staat die menschliche Grundlage auszudrücken, deren überschwenglicher Ausdruck das Christentum ist. Der sogenannte christliche Staat ist nur einfach der Nichtstaat, weil nicht das Christentum als Religion, sondern nur der menschliche Hintergrund der christlichen Religion in wirklich menschlichen Schöpfungen sich ausführen kann. Der sogenannte christliche Staat ist die christliche Verneinung des Staats,
aber keineswegs die staatliche Verwirklichung des Christentums. Der Staat, der das Christentum noch in der Form der Religion bekennt, bekennt es noch nicht in der Form des Staats, denn er verhält sich noch religiös zu der Religion, d. h., er ist nicht die wirkliche Ausführung des menschlichen Grundes der Religion, weil er noch auf die Unwirklichkeit, auf die imaginäre Gestalt dieses menschlichen Kernes provoziert. Der sogenannte christliche Staat ist der unvollkommene Staat, und die christliche Religion gilt ihm als Ergänzung und als Heiligung seiner Unvollkommenheit. Die Religion wird ihm daher notwendig zum Mittel, und er ist der Staat der Heuchelei. Es ist ein großer Unterschied, ob der vollendete Staat wegen des Mangels, der im allgemeinen Wesen des Staats liegt, die Religion unter seine Voraussetzungen zählt, öder ob der unvollendete Staat wegen des Mangels, der in seiner besondern Existenz liegt, als mangelhafter Staat, die Religion für seine Grundlage erklärt. Im letztern Fall wird die Religion zur unvollkommenen Politik. Im ersten Fall zeigt sich die Unvollkommenheit selbst der vollendeten Politik in der Religion. Der sogenannte christliche Staat bedarf der christlichen Religion, um sich als Staat zu vervollständigen. Der demokratische Staat, der wirkliche Staat, bedarf nicht der Religion zu seiner politischen Vervollständigung. Er kann vielmehr von der Religion abstrahieren, weil in ihm die menschliche Grundlage der Religion auf weltliche Weise ausgeführt ist. Der sogenannte christliche Staat verhält sich dagegen politisch zur Religion und religiös zur Politik. Wenn er die Staatsformen zum Schein herabsetzt, so setzt er ebensosehr die Religion zum Schein herab. Um diesen Gegensatz zu verdeutlichen, betrachten wir Bauers Konstruktion des christlichen Staats, eine Konstruktion, welche aus der Anschauung des christlich-germanischen Staats hervorgegangen ist. „Man hat neuerlich", sagt Bauer, „um die Unmöglichkeit oder Nichtexistenz eines christlichen Staates zu beweisen, öfter auf diejenigen Aussprüche in dem Evangelium hingewiesen, die der Staat nicht nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht vollständig auflösen will." „So leicht aber ist die Sache nicht abgemacht. Was verlangen denn jene evangelischen Sprüche? Die übernatürliche Selbstverleugnung, die Unterwerfung unter die Autorität der Offenbarung, die Abwendung vom Staat, die Aufhebung der weltlichen Verhältnisse. Nun, alles das verlangt und leistet der christliche Staat. Er hat den Geist des Evangeliums sich angeeignet, und wenn er ihn nicht mit denselben Buchstaben wiedergibt, mit denen ihn das Evangelium ausdrückt, so kommt das nur daher, weil er diesen Geist in Staatsformen, d. h. in Formen ausdrückt, die zwar dem Staatswesen in dieser Welt entlehnt sind, aber in der religiösen Wiedergeburt, die sie erfahren müssen, zum Schein herabgesetzt werden. Es ist die Abwendung vom Staat, die sich zu ihrer Ausführung der Staatsformen bedient." (p. 55.)
Bauer entwickelt nun weiter, wie das Volk des christlichen Staats nur ein Nichtvolk ist, keinen eignen Willen mehr hat, sein wahres Dasein aber in dem Haupte besitzt, dem es Untertan, welches ihm jedoch ursprünglich und seiner Natur nach fremd, d.h. von Gott gegeben und ohne sein eignes Zutun zu ihm gekommen ist, wie die Gesetze dieses Volkes nicht sein Werk, sondern positive Offenbarungen sind, wie sein Oberhaupt privilegierter Vermittler mit dem eigentlichen Volke, mit der Masse bedarf, wie diese Masse selbst in eine Menge besondrer Kreise zerfällt, welche der Zufall bildet und bestimmt, die sich durch ihre Interessen, besonderen Leidenschaften und Vorurteile unterscheiden und als Privilegium die Erlaubnis bekommen, sich gegenseitig voneinander abzuschließen, etc. (p. 56.)
Allein Bauer sagt selbst:
„Die Politik, wenn sie nichts als Religion sein soll, darf nicht Politik sein, sowenig, wie das Reinigen der Kochtöpfe, wenn es als Religionsangelegenheit gelten soll, als eine Wirtschaftssache betrachtet werden darf." (p. 108.) Im christlich-germanischen Staat ist aber die Religion eine „Wirtschaftssache", wie die „Wirtschaftssache" Religion ist. Im christlich-germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der Herrschaft. Die Trennung des „Geistes des Evangeliums" von den „Buchstaben des Evangeliums" ist ein irreligiöser Akt. Der Staat, der das Evangelium in den Buchstaben der Politik sprechen läßt, in andern Buchstaben als den Buchstaben des heiligen Geistes, begeht ein Sakrilegium, wenn nicht vor menschlichen Augen, so doch vor seinen eigenen religiösen Augen. Dem Staat, der das Christentum als seine höchste Norm, der die Bibel als seine Charte bekennt, muß man die Worte der heiligen Schrift entgegenstellen, denn die Schrift ist heilig bis auf das Wort. Dieser Staat sowohl als das Menschenkehricht, worauf er basiert, gerät in einen schmerzlichen, vom Standpunkte des religiösen Bewußtseins aus unüberwindlichen Widerspruch, wenn man ihn auf diejenigen Aussprüche des Evangeliums verweist, die er „nicht nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht als Staat vollständig auflösen will". Und warum will er sich nicht vollständig auflösen? Er selbst kann darauf weder sich noch andern antworten. Vor seinem eignen Bewußtsein ist der offizielle christliche Staat ein Sollen, dessen Verwirklichung unerreichbar ist, der die Wirklichkeit seiner Existenz nur durch Lügen vor sich selbst zu konstatieren weiß und sich selbst daher stets ein Gegenstand des Zweifels, ein unzuverlässiger, problematischer Gegenstand bleibt. Die Kritik befindet sich also in vollem Rechte, wenn sie den Staat, der auf die Bibel provoziert, zur Verrücktheit des Bewußtseins zwingt, wo er
selbst nicht mehr weiß, ob er eine Einbildung oder eine Realität ist, wo die Infamie seiner weltlichen Zwecke, denen die Religion zum Deckmantel dient, mit der Ehrlichkeit seines religiösen Bewußtseins, dem die Religion als Zweck der Welt erscheint, in unauflöslichen Konflikt gerät. Dieser Staat kann sich nur aus seiner innern Qual erlösen, wenn er zum Schergen der katholischen Kirche wird. Ihr gegenüber, welche die weltliche Macht für ihren dienenden Körper erklärt, ist der Staat ohnmächtig, ohnmächtig die weltliche Macht, welche die Herrschaft des religiösen Geistes zu sein behauptet. In dem sogenannten christlichen Staat gilt zwar die Entfremdung, aber nicht der Mensch. Der einzige Mensch, der gilt, der König, ist ein von den andern Menschen spezifisch unterschiedenes, dabei selbst noch religiöses, mit dem Himmel, mit Gott direkt zusammenhängendes Wesen. Die Beziehungen, die hier herrschen, sind noch gläubige Beziehungen. Der religiöse Geist ist also noch nicht wirklich verweltlicht. Aber der religiöse Geist kann auch nicht wirklich verweltlicht werden, denn was ist er selbst, als die unweltliche Form einer Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes? Der religiöse Geist kann nur verwirklicht werden, insofern die Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes, deren religiöser Ausdruck er ist, in ihrer weltlichen Form heraustritt und sich konstituiert. Dies geschieht im demokratischen Staat. Nicht das Christentum, sondern der menschliche Grund des Christentums ist der Grund dieses Staates. Die Religion bleibt das ideale, unweltliche Bewußtsein seiner Glieder, weil sie die ideale Form der menschlichen Entwicklungsstufe ist, die in ihm durchgeführt wird. Religiös sind die Glieder des politischen Staats durch den Dualismus zwischen dem individuellen und dem Gattungsleben, zwischen dem Leben der bürgerlichen Gesellschaft und dem politischen Leben, religiös, indem der Mensch sich zu dem seiner wirklichen Individualität jenseitigen Staatsleben als seinem wahren Leben verhält, religiös, insofern die Religion hier der Geist der bürgerlichen Gesellschaft, der Ausdruck der Trennung und der Entfernung des Menschen vom Menschen ist. Christlich ist die politische Demokratie, indem in ihr der Mensch, nicht nur ein Mensch, sondern jeder Mensch, als souveränes, als höchstes Wesen gilt, aber der Mensch in seiner unkultivierten, unsozialen Erscheinung, der Mensch in seiner zufälligen Existenz, der Mensch, wie er geht und steht, der Mensch, wie er durch die ganze Organisation unserer Gesellschaft verdorben, sich selbst verloren, veräußert, unter die Herrschaft unmenschlicher Verhältnisse und Elemente gegeben ist, mit einem Wort, der Mensch, der noch kein wirkliches Gattungswesen ist. Das Phantasiegebild, der Traum, das Postulat des Christentums,
die Souveränität des Menschen, aber als eines fremden, von dem wirklichen Menschen unterschiedenen Wesens, ist in der Demokratie sinnliche Wirklichkeit, Gegenwart, weltliche Maxime. Das religiöse und theologische Bewußtsein selbst gilt sich in der vollendeten Demokratie um so religiöser, um so theologischer, als es scheinbar ohne politische Bedeutung, ohne irdische Zwecke, Angelegenheit des weltscheuen Gemütes, Ausdruck der Verstandes-Borniertheit, Produkt der Willkür und der Phantasie, als es ein wirklich jenseitiges Leben ist. Das Christentum erreicht hier den praktischen Ausdruck seiner universalreligiösen Bedeutung, indem die verschiedenartigste Weltanschauung in der Form des Christentums sich nebeneinander gruppiert, noch mehr dadurch, daß es an andere nicht einmal die Forderung des Christentums, sondern nur noch der Religion überhaupt, irgendeiner Religion stellt (vergl. die angeführte Schrift von Beaumont). Das religiöse Bewußtsein schwelgt in dem Reichtum des religiösen Gegensatzes und der religiösen Mannigfaltigkeit. Wir haben also gezeigt: Die politische Emanzipation von der Religion läßt die Religion bestehn, wenn auch keine privilegierte Religion. Der Widerspruch, in welchem sich der Anhänger einer besondern Religion mit seinem Staatsbürgertum befindet, ist nur ein Teil des allgemeinen weltlichen Widerspruchs zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft. Die Vollendung des christlichen Staats ist der Staat, der sich als Staat bekennt und von der Religion seiner Glieder abstrahiert. Die Emanzipation des Staats von der Religion ist nicht die Emanzipation des wirklichen Menschen von der Religion. Wir sagen also nicht mit Bauer den Juden: Ihr könnt nicht politisch emanzipiert werden, ohne euch radikal vom Judentum zu emanzipieren. Wir sagen ihnen vielmehr: Weil ihr politisch emanzipiert werden könnt, ohne euch vollständig und widerspruchslos vom Judentum loszusagen, darum ist die politische Emanzipation selbst nicht die menschliche Emanzipation, Wenn ihr Juden politisch emanzipiert werden wollt, ohne euch selbst menschlich zu emanzipieren, so liegt die Halbheit und der Widerspruch nicht nur in eüch, sie liegt in dem Wesen und der Kategorie der politischen Emanzipation. Wenn ihr in dieser Kategorie befangen seid, so teilt ihr eine allgemeine Befangenheit. Wie der Staat eoangelisiert, wenn er, obschon Staat, sich christlich zu dem Juden verhält, so politisiert der Jude, wenn er, obschon Jude, Staatsbürgerrechte verlangt. Aber wenn der Mensch, obgleich Jude, politisch emanzipiert werden, Staatsbürgerrechte empfangen kann, kann er die sogenannten Menschenrechte in Anspruch nehmen und empfangen? Bauer leugnet es.
„Die Frage ist, ob der Jude als solcher, d.h. der Jude, der selber eingesteht, daß er durch sein wahres Wesen gezwungen ist, in ewiger Absonderung von andren zu leben, fähig sei, die allgemeinen Menschenrechte zu empfangen und andern zuzugestehn." „Der Gedanke der Menschenrechte ist für die christliche Welt erst im vorigen Jahrhundert entdeckt worden. Er ist dem Menschen nicht angeboren, er wird vielmehr nur erobert im Kampfe gegen die geschichtlichen Traditionen, in denen der Mensch bisher erzogen wurde. So sind die Menschenrechte nicht ein Geschenk der Natur, keine Mitgift der bisherigen Geschichte, sondern der Preis des Kampfes gegen den Zufall der Geburt und gegen die Privilegien, welche die Geschichte von Generation auf Generation bis jetzt vererbt hat. Sie sind die Resultate der Bildung, und derjenige kann sie nur besitzen, der sie sich erworben und verdient hat." „Kann sie nun der Jude wirklich in Besitz nehmen? Solange er Jude ist, muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit Menschen verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden macht, den Sieg davontragen und ihn von den Nichtjuden absondern. Er erklärt durch diese Absonderung, daß das besondere Wesen, das ihn zum Juden macht, sein wahres höchstes Wesen ist, vor welchem das Wesen des Menschen zurücktreten muß." „In derselben Weise kann der Christ als Christ keine Menschenrechte gewähren." (p. 19,20.)
Der Mensch muß nach Bauer das „Privilegium des Glaubens" aufopfern, um die allgemeinen Menschenrechte empfangen zu können. Betrachten wir einen Augenblick die sogenannten Menschenrechte, und zwar die Menschenrechte unter ihrer authentischen Gestalt, unter der Gestalt, welche sie bei ihren Entdeckern, den Nordamerikanern und Franzosen, besitzen! Zum Teil sind diese Menschenrechte politische Rechte, Rechte, die nur in der Gemeinschaft mit andern ausgeübt werden. Die Teilnahme am Gemeinwesen, und zwar am politischen Gemeinwesen, am Staatswesen, bildet ihren Inhalt. Sie fallen unter die Kategorie der politischen Freiheit, unter die Kategorie der Staatsbürgerrechte, welche keineswegs, wie wir gesehn, die widerspruchslose und positive Aufhebung der Religion, also etwa auch des Judentums, voraussetzen. Es bleibt der andere Teil der Menschenrechte zu betrachten, die droits de l'homme1, insofern sie unterschieden sind von den droits du citoyen2.
In ihrer Reihe findet sich die Gewissensfreiheit, das Recht, einen beliebigen Kultus auszuüben. Das Privilegium des Glaubens wird ausdrücklich anerkannt, entweder als ein Menschenrecht oder als Konsequenz eines Menschenrechtes, der Freiheit.
1 Menschenrechte - 2 Staatsbürgerrechten
„Declarationdesdroits de l'hojnmeet du citoyen, 1791 "tl5o:i, article 10: „Nulnedoit etre inquiete pour ses opinions mSme religieuses."1 Im titre I der Konstitution von 1791 wird als Menschenrecht garantiert: „La liberte ä tout homme d'exercer le culte religieux auquel il est attache."2 „Declaration des droits de l'homme, etc. 1793"t1513, zählt unter die Menschenrechte, Artikel 7: „Le libre exercice des cultes."3 Ja, in bezug auf das Recht, seine Gedanken und Meinungen zu veröffentlichen, sich zu versammeln, seinen Kultus auszuüben, heißt es sogar: „La necessite d'enoncer ces droits suppose ou la presence ou le souvenir recent du despotisme."4 Man vergleiche die Konstitution von 1795C162-1, titre XIV, article 354. Constitution de Pensylvanie, article 9. §3: „Tous les hommes ont reyu de la nature le droit imprescriptible d'adorer le Tout-Puissant selon les inspirations de Ieur conscience, et nul ne peut Iegalement Stre contraint de suivre, instituer ou soutenir contre son gre aucun culte ou ministere religieux. Nulle autoritä humaine ne peut, dans aucun cas, intervenir dans les questions de conscience et controler les pouvoirs de 1 äme."° Constitution de New-Hampshire, article 5 et 6: „Au nombre des droits naturels, quelques-uns sont inalienables de leur nature, parce que rien n'en peut etre I'equivalent. De ce nombre sont les droits de conscience."0 (Beaumont, I. c., p. 213, 214.)
Die Unvereinbarkeit der Religion mit den Menschenrechten liegt so wenig im Begriff der Menschenrechte, daß das Recht, religiös zu sein, auf beliebige Weise religiös zu sein, den Kultus seiner besonderen Religion auszuüben, vielmehr ausdrücklich unter die Menschenrechte gezählt wird. Das Privilegium des Glaubens ist ein allgemeines Menschenrecht. Die droits de l'homme, die Menschenrechte, werden als solche unterschieden von den droits du citoyen, von den Staatsbürgerrechten. Wer ist der vom citoyen unterschiedene homme? Niemand anders als das Mitglied der bürger
1 „Niemand soll wegen seiner Überzeugungen, auch nicht der religiösen, behelligt werden." - 2 „Die Freiheit für jedermann, den religiösen Kult auszuüben, dessen Anhänger er ist." - 3 „Die freie Ausübung der Kulte." - 4 „Die Notwendigkeit, diese Rechte zu verkünden, setzt entweder das Vorhandensein oder die frische Erinnerung des Despotismus voraus." - ° „Alle Menschen haben von der Natur das unabdingbare Recht empfangen, den Eingebungen ihres Gewissens folgend zum Allmächtigen zu beten, und niemand kann von Gesetzes wegen gezwungen werden, sich gegen seinen Wunsch zu irgendeinem Kult oder Gottesdienst zu bekennen, sie einzuführen oder zu unterstützen. In keinem Falle darf irgendeine menschliche Macht sich in Gewissensfragen einmischen und die Kräfte der Seele kontrollieren." - 6 „Unter den natürlichen Rechten gibt es einige, die ihrer Natur nach unveräußerlich sind, weil sie durch nichts Gleichwertiges ersetzt werden könnten. Zu diesen zählen die Gewissens rechte."
24 MWEngels, Werke, Bd. 1
liehen Gesellschaft. Warum wird das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft „Mensch", Mensch schlechthin, warum werden seine Rechte Menschenrechte genannt? Woraus erklären wir dies Faktum? Aus dem Verhältnis des politischen Staats zur bürgerlichen Gesellschaft, aus dem Wesen der politischen Emanzipation. Vor allem konstatieren wir die Tatsache, daß die sogenannten Menschenrechte, die droits de l'homme im Unterschied von den droits da citoyen, nichts anderes sind als die Rechte des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft, d.h. des egoistischen Menschen, des vom Menschen und vom Gemeinwesen getrennten Menschen. Die radikalste Konstitution, die Konstitution von 1793, mag sprechen:
„Declaration des droits de l'homme et da citoyen."
Article 2. „Ces droits etc. (les droits naturels et imprescriptibles) sont: Yegalite, la liberti, la sürete, la propriete."1
Worin besteht die liberte?
Article 6. „La liberte est le pouvoir qui appartient ä l'homme de faire tout ce qui ne nuit pas aux droits d'autrui"2, oder nach der „Deklaration der Menschenrechte von 1791": „La liberte consiste ä pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas ä autrui."3
Die Freiheit ist also das Recht, alles zu tun und zu treiben, was keinem andern schadet. Die Grenze, in welcher sich jeder dem andern unschädlich bewegen kann, ist durch das Gesetz bestimmt, wie die Grenze zweier Felder durch den Zaunpfahl bestimmt ist. Es handelt sich um die Freiheit des Menschen als isolierter auf sich zurückgezogener Monade. Warum ist der Jude nach Bauer unfähig, die Menschenrechte zu empfangen?
„Solange er Jude ist, muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit Menschen verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden macht, den Sieg davontragen und ihn von den Nichtjuden absondern."
Aber das Menschenrecht der Freiheit basiert nicht auf der Verbindung des Menschen mit dem Menschen, sondern vielmehr auf der Absonderung des Menschen von dem Menschen. Es ist das Recht dieser Absonderung, das Recht des beschränkten, auf sich beschränkten Individuums.
1 „Diese Rechte usw. (die natürlichen und unabdingbaren Rechte) sind: die Gleichheit, die Freiheit, die Sicherheit, das Eigentum." - 2 „Freiheit ist das Recht des Menschen, alles tun zu dürfen, was den Rechten eines anderen nicht schadet" - 3 „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was keinem anderen schadet."
Die praktische Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit ist das Menschenrecht des Privateigentums. Worin besteht das Menschenrecht des Privateigentums?
Article 16. (Constitution de 1793): „Le droit de propriete est celui qui appartient ä tout citoyen de jouir et de disposer ä son gre de ses biens, de ses revenus, du fruit de son travail et de son Industrie."1 Das Menschenrecht des Privateigentums ist also das Recht, willkürlich (ä son gre), ohne Beziehung auf andre Menschen, unabhängig von der Gesellschaft, sein Vermögen zu genießen und über dasselbe zu disponieren, das Recht des Eigennutzes. Jene individuelle Freiheit, wie diese Nutzanwendung derselben, bilden die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. Sie läßt jeden Menschen im andern Menschen nicht die Verwirklichung, sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit finden. Sie proklamiert vor allem aber das Menschenrecht,
„de jouir et de disposer ä son gre de ses biens, de ses revenus, du fruit de son travai et de son industrie"2. Es bleiben noch die andern Menschenrechte, die egalite und die sürete. Die egalite, hier in ihrer nichtpolitischen Bedeutung, ist nichts als die Gleichheit der oben beschriebenen liberte, nämlich: daß jeder Mensch gleichmäßig als solche auf sich ruhende Monade betrachtet wird. Die Konstitution von 1795 bestimmt den Begriff dieser Gleichheit, ihrer Bedeutung angemessen, dahin:
Article 3. (Constitution de 1795): „L'egalite consiste en ce que la loi est la meme pour tous, soit qu'elle protege, soit qu'elle punisse.'3 Und die sürete? Article 8. (Constitution de 1793): „La sürete consiste dans la protection accordee par la societe ä chacun de ses membres pour la conservation de sa personne, de ses droits et de ses proprietes."4 Die Sicherheit ist der höchste soziale Begriff der bürgerlichen Gesellschaft, der Begriff der Polizei, daß die ganze Gesellschaft nur da ist, um jedem ihrer
1 „Das Eigentumsrecht ist das Recht jedes Bürgers, willkürlich seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und darüber zu disponieren." -2 „willkürlich seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und darüber zu disponieren" - 3 „Die Gleichheit besteht darin, daß das gleiche Gesetz für alle gilt, ganz gleich, ob es beschützt oder bestraft." - 4 „Die Sicherheit besteht in dem Schutz, den die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder gewährt für die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums."
Glieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zu garantieren. Hegel nennt in diesem Sinn die bürgerliche Gesellschaft „den Not- und Verstandesstaat". Durch den Begriff der Sicherheit erhebt sich die bürgerliche Gesellschaft nicht über ihren Egoismus. Die Sicherheit ist vielmehr die Versicherang ihres Egoismus. Keines der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist. Weit entfernt, daß der Mensch in ihnen als Gattungswesen aufgefaßt wurde, erscheint vielmehr das Gattungsleben selbst, die Gesellschaft, als ein den Individuen äußerlicher Rahmen, als Beschränkung ihrer ursprünglichen Selbständigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist die Naturnotwendigkeit, das Bedürfnis und das Privatinteresse, die Konservation ihres Eigentums und ihrer egoistischen Person. Es ist schon rätselhaft, daß ein Volk, welches eben beginnt, sich zu befreien, alle Barrieren zwischen den verschiedenen Volksgliedern niederzureißen, ein politisches Gemeinwesen zu gründen, daß ein solches Volk die Berechtigung des egoistischen, vom Mitmenschen und vom Gemeinwesen abgesonderten Menschen feierlich proklamiert („Declaration de 1791"), ja diese Proklamation in einem Augenblicke wiederholt, wo die heroischste Hingebung allein die Nation retten kann und daher gebieterisch verlangt wird, in einem Augenblicke, wo die Aufopferung aller Interessen der bürgerlichen Gesellschaft zur Tagesordnung erhoben und der Egoismus als ein Verbrechen bestraft werden muß, („Declaration des droits de l'homme etc. de 1793".) Noch rätselhafter wird diese Tatsache, wenn wir sehen, daß das Staatsbürgertum, das politische Gemeinwesen von den politischen Emanzipatoren sogar zum bloßen Mittel für dieErhaltung dieser sogenanntenMenschenrechte herabgesetzt, daß also der citoyen zum Diener des egoistischen homme erklärt, die Sphäre, in welcher der Mensch sich als Gemeinwesen verhält, unter die Sphäre, in welcher er sich als Teilwesen verhält, degradiert, endlich nicht der Mensch als citoyen, sondern der Mensch als bourgeois für den eigentlichen und Wahren Menschen genommen wird.
„Le bat de toute association politiqae est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l'homme."1 („Declaration des droits etc. de 1791", article 2.) „Le
1 „Das Ziel aller politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unabdingbaren Menschenrechte."
gouuemement est institue pour garantir ä l'homme la jouissance de ses droits naturels.et impresCriptibles."1. („Declaration etc. de 1793", article 1.) Also selbst in deri Momenten seines noch jugendfrischen und-durch den Drang der Umstände auf die Spitze getriebenen Enthusiasmus erklärt sich das politische Leben für ein bloßes Mittel, dessen Zweck das Leben der bürgerlichen Gesellschaft ist. Zwar steht seine revolutionäre Praxis in flagrantem Widerspruch mit seiner Theorie. Während z. B. die Sicherheit als einMertschenrecht erklärt wird, wird die Verletzung des Briefgeheimnisses öffentlich auf die Tagesordnung gesetzt. Während die „liberte indefinie de la presse"2 (Constitution de 1793, article 122) als Konsequenz des Menschenrechts, der individuellen Freiheit, garantiert wird, wird die Preßfreiheit vollständig vernichtet, denn „la liberte de la presse ne doit pas etre permise lorsqu'elle compromet la libert6 publique"3 (Robespierre jeune, „Histoire parlementaire de la revolution frangaise" par Buchez et Roux, T.28, p. 159), d.h. also: Das Menschenrecht der Freiheit hört auf, ein Recht zu sein, sobald es mit dem politischen Leben in Konflikt tritt, während der Theorie nach das politische Leben nur die Garantie der Menschenrechte, der Rechte des individuellen Menschen ist, also aufgegeben werden muß, sobald es seinem Zwecke, diesen Menschenrechten widerspricht. Aber die Praxis ist nur die Ausnahme, und die Theorie ist die Regel. Will man aber selbst die revolutionäre Praxis als die richtige Stellung des Verhältnisses betrachten, so bleibt immer noch das Rätsel zu lösen, warum im Bewußtsein der politischen Emanzipatoren das Verhältnis auf den Kopf gestellt ist und der Zweck als Mittel, das Mittel als Zweck erscheint. Diese optische Täuschung ihres Bewußtseins wäre immer noch dasselbe Rätsel, obgleich dann ein psychologisches, ein theoretisches Rätsel. Das Rätsel löst sich einfach. Die politische Emanzipation ist zugleich die Auflösung der alten Gesellschaft, auf welcher das dem Volk entfremdete Staatswesen, die Herrschermacht, ruht. Die politische Revolution ist die Revolution der bürgerlichen Gesellschaft. Welches war der Charakter der alten Gesellschaft? Ein Wort charakterisiert sie. Die Feudalität. Die alte bürgerliche Gesellschaft hatte unmittelbar einen politischen Charakter, d. h., die Elemente des bürgerlichen Lebens, wie z. B. der Besitz oder die Familie oder die Art und Weise der Arbeit, waren in der Form der Grundherrlichkeit, des Standes und der Kor
1 „Die Regierung ist eingesetzt, um dem Menschen den Genuß seiner natürlichen und unabdingbaren Rechte zu verbürgen." - 2 „unbeschränkte Pressefreiheit" - 3 „die Pressefreiheit darf nicht zugelassen werden, wenn sie die allgemeine Freiheit verletzt"
poration zu Elementen des Staatslebens erhoben. Sie bestimmten in dieser Form das Verhältnis des einzelnen Individuums zum Staatsganzen, d.h. sein politisches Verhältnis, d.h. sein Verhältnis der Trennung und Ausschließung von den andern Bestandteilen der Gesellschaft. Denn jene Organisation des Volkslebens erhob den Besitz oder die Arbeit nicht zu sozialen Elementen, sondern vollendete vielmehr ihre Trennung von dem Staatsganzen und konstituierte sie zu besondem Gesellschaften in der Gesellschaft. So waren indes immer noch die Lebensfunktionen und Lebensbedingungen der bürgerlichen Gesellschaft politisch, wenn auch politisch im Sinne der Feudalität, d. h., sie schlössen das Individuum vom Staatsganzen ab, sie verwandelten das besondere Verhältnis seiner Korporation zum Staatsganzen in sein eignes allgemeines Verhältnis zum Volksleben, wie seine bestimmte bürgerliche Tätigkeit und Situation in seine allgemeine Tätigkeit und Situation. Als Konsequenz dieser Organisation erscheint notwendig die Staatseinheit, wie das Bewußtsein, der Wille und die Tätigkeit der Staatseinheit, die allgemeine Staatsmacht, ebenfalls als besondere Angelegenheit eines von dem Volk abgeschiedenen Herrschers und seiner Diener. Die politische Revolution, welche diese Herrschermacht stürzte und die Staatsangelegenheiten zu Volksangelegenheiten erhob, welche den politischen Staat als allgemeine Angelegenheit, d.h. als wirklichen Staat konstituierte, zerschlug notwendig alle Stände, Korporationen, Innungen, Privilegien, die ebenso viele Ausdrücke der Trennung des Volkes von seinem Gemeinwesen waren. Die politische Revolution hob damit den politischen Charakter der bürgerlichen Gesellschaft auf. Sie zerschlug die bürgerliche Gesellschaft in ihre einfachen Bestandteile, einerseits in die Individuen, andrerseits in die materiellen und geistigen Elemente, welche den Lebensinhalt, die bürgerliche Situation dieser Individuen bilden. Sie entfesselte den politischen Geist, der gleichsam in die verschiedenen Sackgassen der feudalen Gesellschaft zerteilt, zerlegt, zerlaufen war; sie sammelte ihn aus dieser Zerstreuung, sie befreite ihn von seiner Vermischung mit dem bürgerlichen Leben und konstituierte ihn als die Sphäre des Gemeinwesens, der allgemeinen Volksangelegenheit in idealer Unabhängigkeit von jenen besondern Elementen des bürgerlichen Lebens. Die bestimmte Lebenstätigkeit und die bestimmte Lebenssituation sanken zu einer nur individuellen Bedeutung herab. Sie bildeten nicht mehr das allgemeine Verhältnis des Individuums zum Staatsganzen. Die öffentliche Angelegenheit als solche ward vielmehr zur allgemeinen Angelegenheit jedes Individuums und die politische Funktion zu seiner allgemeinen Funktion. Allein die Vollendung des Idealismus des Staats war zugleich die Voll
endung des Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft. Die Abschüttlung des politischen Jochs war zugleich die Abschüttlung der Bande, welche den egoistischen Geist der bürgerlichen Gesellschaft gefesselt hielten. Die politische Emanzipation war zugleich die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft von der Politik, von dem Schein selbst eines allgemeinen Inhalts. Die feudale Gesellschaft war aufgelöst in ihren Grund, in den Menschen. Aber in den Menschen, wie er wirklich ihr Grund war, in den egoistischen Menschen. Dieser Mensch, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, ist nun die Basis, die Voraussetzung des politischen Staats. Er ist von ihm als solche anerkannt in den Menschenrechten. Die Freiheit des egoistischen Menschen und die Anerkennung dieser Freiheit ist aber vielmehr die Anerkennung der zügellosen Bewegung der geistigen und materiellen Elemente, welche seinen Lebensinhalt bilden. Der Mensch wurde daher nicht von der Religion befreit, er erhielt die Religionsfreiheit. Er wurde nicht vom Eigentum befreit. Er erhielt die Freiheit des Eigentums. Er wurde nicht von dem Egoismus des Gewerbes befreit, er erhielt die Gewerbefreiheit. Die Konstitution des politischen Staats und die Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft in die unabhängigen Individuen - deren Verhältnis das Recht ist, wie das Verhältnis der Standes- und Innungsmenschen das Privilegium war - vollzieht sich in einem und demselben Akte. Der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch, erscheint aber notwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l'homme erscheinen als droits naturels1, denn die selbstbewußte Tätigkeit konzentriert sich auf den politischen Akt. Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolution löst das bürgerliche Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts, als zur Grundlage ihres Bestehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis. Endlich gilt der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unterschied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner sinnlichen individuellen nächsten Existenz ist, während der politische Mensch
1 natürliche Rechte
nur der abstrahierte, künstliche Mensch ist, der Mensch als eine allegorische, moralische Person. Der wirkliche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Individuums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen anerkannt. Die Abstraktion des politischen Menschen schildert Rousseau richtig also: „Celui qui ose entreprendre d'instituer un peuple doit se sentir en etat de changer pour ainsi dire la nature humaine, de transformier chaque individu, qui par lui-meme est un tout parfait et solitaire, en partie d'un plus grand tout dont cet individu refoive en quelque sorte sa vie et son etre, de substituer une existence partielle et morale ä l'existence physique et independante. 11 faut qu'il öte a l'homme ses jorces propres pour lui en donner qui lui soient etrangeres et dont il ne puisse faire usage sans le secours d'autrui."1 („Contrat Social", livre II, Londres 1782, p. 67.)
Alle Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst. Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person. Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine „forces propres"2 als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht.
1 „Wer den Mut hat, einem Volke eine Rechtsordnung zu geben, muß sich fähig fühlen, sozusagen die menschliche Natur zu ändern, jedes Individuum, das in sich selbst und für sich allein ein vollkommenes Ganzes ist, in den Teil eines größeren Ganzen umzuwandeln, von dem dieses Individuum in gewisser Weise sein Leben und Sein empfängt, an die Stelle einer physischen und unabhängigen eine moralische Teilexistenz zu setzen. Er muß dem Menschen seine eigenen Kräfte nehmen, um ihm fremde dafür zu geben, die er nur mit Hilfe anderer gebrauchen kann. " - 2 „eigenen Kräfte"
II
„Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden". Von Bruno Bauer. („Einundzwanzig Bogen", pag. 56-71.)
Unter dieser Form behandelt Bauer das Verhältnis der jüdischen und christlichen Religion, wie das Verhältnis derselben zur Kritik. Ihr Verhältnis zur Kritik ist ihr Verhältnis „zur Fähigkeit, frei zu werden". Es ergibt sich: „Der Christ hat nur eine Stufe, nämlich seine Religion zu übersteigen, um die Religion überhaupt aufzugeben", also frei zu werden, „der Jude dagegen hat nicht nur mit seinem jüdischen Wesen, sondern auch mit der Entwicklung der Vollendung seiner Religion zu brechen, mit einer Entwicklung, die ihm fremd geblieben ist." (p-71.) Bauer verwandelt also hier die Frage von der Judenemanzipation in eine rein religiöse Frage. Der theologische Skrupel, wer eher Aussicht hat, selig zu werden, Jude oder Christ, wiederholt siph in der aufgeklärten Form, wer von beiden ist emanzipationsfähiger? Es fragt sich zwar nicht mehr: Macht Judentum oder Christentum frei? sondern vielmehr umgekehrt: Was macht freier, die Negation des Judentums öder die Negation des Christentums?
„Wenn sie frei werden wollen, so dürfen sich die Juden nicht zum Christentum bekennen, sondern zum aufgelösten Christentum, zur aufgelösten Religion überhaupt, d.h. zur Aufklärung, Kritik und ihrem Resultate, der freien Menschlichkeit." (p- 70.) Es handelt sich immer noch um ein Bekenntnis für den Juden, aber nicht mehr um das Bekenntnis zum Christentum, sondern zum aufgelösten Christentum. Bauer stellt an den Juden die Forderung, mit dem Wesen der christlichen Religion zu brechen, eine Forderung, Welche, wie er selbst sagt, nicht aus der Entwicklung des jüdischen Wesens hervorgeht. Nachdem Bauer am Schluß der Judenfrage das Judentum nur als die rohe religiöse Kritik des Christentums begriffen, ihm also eine „nur" religiöse Bedeutung abgewonnen hatte, war vorherzusehen, daß auch die Emanzipation der Juden in einen philosophisch-theologischen Akt sich verwandeln werde. Bauer faßt das ideale abstrakte Wesen des Juden, seine Religion als sein ganzes Wesen. Er schließt daher mit Recht: „Der Jude gibt der Menschheit nichts, wenn er sein beschränktes Gesetz für sich mißachtet", wenn er sein ganzes Judentum aufhebt, (p. 65.)
Das Verhältnis der Juden und Christen wird demnach folgendes: das einzige Interesse des Christen an der Emanzipation des Juden ist ein allgemein menschliches, ein theoretisches Interesse. Das Judentum ist eine beleidigende Tatsache für das religiöse Auge des Christen. Sobald sein Auge aufhört, religiös zu sein, hört diese Tatsache auf, beleidigend zu sein. Die Emanzipation des Juden ist an und für sich keine Arbeit für den Christen. Der Jude dagegen, um sich zu befreien, hat nicht nur seine eigne Arbeit, sondern zugleich die Arbeit des Christen, die „Kritik der Synoptiker" und das „Leben Jesu"0®3-1 etc. durchzumachen.
„Sie mögen selber zusehen: sie werden sich selber ihr Geschick bestimmen; die Geschichte aber läßt mit sich nicht spotten." (p. 71.)
Wir versuchen, die theologische Fassung der Frage zu brechen. Die Frage nach der Emanzipationsfähigkeit des Juden verwandelt sich uns in die Frage, welches besondre gesellschaftliche Element zu überwinden sei, um das Judentum aufzuheben? Denn die Emanzipationsfähigkeit des heutigen Juden ist das Verhältnis des Judentums zur Emanzipation der heutigen Welt. Dies Verhältnis ergibt sich notwendig aus der besondern Stellung des Judentums in der heutigen geknechteten Welt. Betrachten wir den wirklichen weltlichen Juden, nicht den Sabbatsjaden, wie Bauer es tut, sondern den Alltagsjaden. Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden. Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unsrer Zeit. Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht. Sein religiöses Bewußtsein würde wie ein fader Dunst in der wirklichen Lebensluft der Gesellschaft sich auflösen. Andrerseits: wenn der Jude dies sein praktisches Wesen als nichtig erkennt und an seiner Aufhebung arbeitet, arbeitet er aus seiner bisherigen Entwicklung heraus, an der menschlichen Emanzipation schlechthin und kehrt sieh gegen den höchsten praktischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung. Wir erkennen also im Judentum ein allgemeines gegenwärtiges antisoziales Element, welches durch die geschichtliche Entwicklung, an welcher die Juden
in dieser schlechten Beziehung eifrig mitgearbeitet, auf seine jetzige Höhe getrieben wurde, auf eine Höhe, auf welcher es sich notwendig auflösen muß. Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum.
Der Jude hat sich bereits auf jüdische Weise emanzipiert.
„Der Jude, der in Wien z.B. nur toleriert ist, bestimmt durch seine Geldmacht das Geschick des ganzen Reichs. Der Jude, der in dem kleinsten deutschen Staat rechtlos sein kann, entscheidet über das Schicksal Europas. Während die Korporationen und Zünfte dem Juden sich verschließen oder ihm noch nicht geneigt sind, spottet die Kühnheit der Industrie des Eigensinns der mittelalterlichen Institute." B. Bauer, „Judenfrage", p. 114.)
Es ist dies kein vereinzeltes Faktum. Der Jude hat sich auf jüdische Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die Juden haben sich insoweit emanzipiert, als die Christen zu Juden geworden sind. „Der fromme und politisch freie Bewohner von Neuengland", berichtet z.B. Oberst Hamilton, „ist eine Art von Laokoon, der auch nicht die geringste Anstrengung macht, um sich von den Schlangen zu befreien, die ihn zusammenschnüren. Mammon ist ihr Götze, sie beten ihn nicht nur allein mit ihren Lippen, sondern mit allen Kräften ihres Körpers und ihres Gemüts an. Die Erde ist in ihren Augen nichts andres als eine Börse, und sie sind überzeugt, daß sie hienieden keine andere Bestimmung haben, als reicher zu werden denn ihre Nachbarn. Der Schacher hat sich aller ihrer Gedanken bemächtigt, die Abwechslung in den Gegenständen bildet ihre einzige Erholung. Wenn sie reisen, tragen sie, sozusagen, ihren Kram oder ihr Kontor auf dem Rücken mit sich herum und sprechen von nichts als von Zinsen und Gewinn. Wenn sie einen Augenblick ihre Geschäfte aus den Augen verlieren, so geschieht dies bloß, um jene von andern zu beschnüffeln."
Ja, die praktische Herrschaft des Judentums über die christliche Welt hat in Nordamerika den unzweideutigen, normalen Ausdruck erreicht, daß die Verkündigung des Evangeliums selbst, daß das christliche Lehramt zu einem Handelsartikel geworden ist, und der bankerotte Kaufmann im Evangelium macht wie der reichgewordene Evangelist in Geschäftchen.
„Tel que vous le voyez ä la tele d'üne congregation respectable a commence par etre marchand; son commerce etant tombe, il s'est fait ministre; cet autre a debute par le sacerdoce, mais des qu'il a eu quelque somme d'argent ä la disposition, il a laissi la chaire
pour le negoce. Aux yeux d'un grand nombre, le ministere rdigieux est wie veritable carriire industrielle."1 {.Beaumont, 1. c., p. 185, 186.) Nach Bauer ist es „ein lügenhafter Zustand, wenn in der Theorie dem Juden die politischen Rechte vorenthalten werden, während er in der Praxis eine ungeheure Gewalt besitzt und seinen politischen Einfluß, wenn er ihm im detail verkürzt wird, en gros ausübt". („Judenfrage", p. 114.) Der Widerspruch, in welchem die praktische politische Macht des Juden zu seinen politischen Rechten steht, ist der Widerspruch der Politik und Geldmacht überhaupt. Während die erste ideal über der zweiten steht, ist sie in der Tat zu ihrem Leibeignen geworden. Das Judentum hat sich neben dem Christentum gehalten, nicht nur als religiöse Kritik des Christentums, nicht nur als inkorporierter Zweifel an der religiösen Abkunft des Christentums, sondern ebensosehr, weil der praktisch-jüdische Geist, weil das Judentum in der christlichen Gesellschaft selbst sich gehalten und sogar seine höchste Ausbildung erhalten hat. Der Jude, der als ein besonderes Glied in der bürgerlichen Gesellschaft steht, ist nur die besondere Erscheinung von dem Judentum de:r bürgerlichen Gesellschaft. Das Judentum hat sich nicht trotz der Geschichte, sondern durch die Geschichte erhalten. Aus ihren eignen Eingeweiden erzeugt die bürgerliche Gesellschaft fortwährend den Juden. Welches war an und für sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das praktische Bedürfnis, der Egoismus. Der Monotheismus des Juden ist daher in der Wirklichkeit der Polytheismus der vielen Bedürfnisse, ein Polytheismus, der auch den Abtritt zu einem Gegenstand des göttlichen Gesetzes macht. Das praktische Bedürfnis, der Egoismus ist das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und tritt rein als solches hervor, sobald die bürgerliche Gesellschaft den politischen Staat vollständig aus sich herausgeboren. Der Gott des praktischen Bedürfnisses und Eigennutzes ist das Geld. Das Geld ist der eifrige Gott Israels, vor welchem kein andrer Gott bestehen darf. Das Geld erniedrigt alle Götter des Menschen - und verwandelt
1 „Der, den ihr an der Spitze einer achtbaren Kongregation seht, hat als Kaufmann angefangen; da sein Handel gescheitert war, ist er Geistlicher geworden; ein anderer hat mit dem Priesteramt begonnen, aber sobald er eine bestimmte Summe Geldes zur Verfügung hatte, die Kanzel mit dem Schacher vertauscht. In den Augen einer großen Mehrzahl ist das geistliche Amt tatsächlich eine gewerbliche Laufbahn."
sie in eine Ware. Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an. Der Gott der Juden hat sich verweltlicht, er ist zum Weltgott geworden. Der Wechsel ist der wirkliche Gott des Juden. Sein Gott ist nur der illusorische Wechsel. Die Anschauung, welche unter der Herrschaft des Privateigentums und des Geldes von der Natur gewonnen wird, ist die wirkliche Verachtung, die praktische Herabwürdigung der Natur, welche in der jüdischen Religion zwar existiert, aber nur in der Einbildung existiert. In diesem Sinn erklärt es Thomas Münzer für unerträglich,
„daß alle Kreatur zum Eigentum gemacht worden sei, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden - auch die Kreatur müsse frei werden"1-154-1.
Was in der jüdischen Religion abstrakt liegt, die Verachtung der Theorie, der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck, das ist der wirkliche bewußte Standpunkt, die Tugend des Geldmenschen. Das Gattungsverhältnis selbst, das Verhältnis von Mann und Weib etc. wird zu einem Handelsgegenstand! Das Weib wird verschachert. Die chimärische Nationalität des Juden ist die Nationalität des Kaufmanns, überhaupt des Geldmenschen. Das grund- und bodenlose Gesetz des Juden ist nur die religiöse Karikatur der grund- und bodenlosen Moralität und des Rechts überhaupt, der nur formellen Riten, mit welchen sich die Welt des Eigennutzes umgibt. Auch hier ist das höchste Verhältnis des Menschen das gesetzliche Verhältnis, das Verhältnis zu Gesetzen, die ihm nicht gelten, weil sie die Gesetze seines eigenen Willens und Wesens sind, sondern weil sie herrschen und weil der Abfall von ihnen gerächt wird. Der jüdische Jesuitismus, derselbe praktische Jesuitismus, den Bauer im Talmud nachweist, ist das Verhältnis der Welt des Eigennutzes zu den sie beherrschenden Gesetzen, deren schlaue Umgehung die Hauptkunst dieser Welt bildet. Ja, die Bewegung dieser Welt innerhalb ihrer Gesetze ist notwendig eine stete Aufhebung des Gesetzes. Das Judentum konnte sich als Religion, es konnte sich theoretisch nicht •weiterentwickeln, weil die Weltanschauung des praktischen Bedürfnisses ihrer Natur nach borniert und in wenigen Zügen erschöpft ist.
Die Religion des praktischen Bedürfnisses konnte ihrem Wesen nach die Vollendung nicht in der Theorie, sondern nur in der Praxis finden, eben weil ihre Wahrheit die Praxis ist. Das Judentum konnte keine neue Welt schaffen; es konnte nur die neuen Weltschöpfungen und Weltverhältnisse in den Bereich seiner Betriebsamkeit ziehn, weil das praktische Bedürfnis, dessen Verstand der Eigennutz ist, sich passiv verhält und sich nicht beliebig erweitert, sondern sich erweitert findet mit der Fortentwicklung der gesellschaftlichen Zustände. Das Judentum erreicht seinen Höhepunkt mit der Vollendung der bürgerlichen Gesellschaft; aber die bürgerliche Gesellschaft vollendet sich erst in der christlichen Welt. Nur unter der Herrschaft des Christentums, welches alle nationalen, natürlichen, sittlichen, theoretischen Verhältnisse dem Menschen äußerlich macht, konnte die bürgerliche Gesellschaft sich vollständig vom Staatsleben trennen, alle Gattungsbande des Menschen zerreißen, den Egoismus, das eigennützige Bedürfnis an die Stelle dieser Gattungsbande setzen, die Menschenwelt in eine Welt atomistischer, feindlich sich gegenüberstehender Individuen auflösen. Das Christentum ist aus dem Judentum entsprungen. Es hat sich wieder in das Judentum aufgelöst. Der Christ war von vornherein der theoretisierende Jude, der Jude ist daher der praktische Christ, und der praktische Christ ist wieder Jude geworden. Das Christentum hatte das reale Judentum nur zum Schein überwunden. Es war zu vornehm, zu spiritualistisch, um die Roheit des praktischen Bedürfnisses anders als durch die Erhebung in die blaue Luft zu beseitigen. Das Christentum ist der sublime Gedanke des Judentums, das Judentum ist die gemeine Nutzanwendung des Christentums, aber diese Nutzanwendung konnte erst zu einer allgemeinen werden, nachdem das Christentum als die fertige Religion die Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur theoretisch vollendet hatte. Nun erst konnte das Judentum zur allgemeinen Herrschaft gelangen und den entäußerten Menschen, die entäußerte Natur zu veräußerlichen, verkäuflichen, der Knechtschaft des egoistischen Bedürfnisses, dem Schacher anheimgefallenen Gegenständen machen. Die Veräußerung ist die Praxis der Entäußerung. Wie der Mensch, solange er religiös befangen ist, sein Wesen nur zu vergegenständlichen weiß, indem er es zu einem fremden phantastischen Wesen macht, so kann er sich unter der Herrschaft des egoistischen Bedürfnisses nur praktisch betätigen,
nur praktisch Gegenstände erzeugen, indem er seine Produkte, wie seine Tätigkeit, unter die Herrschaft eines fremden Wesens stellt und ihnen die Bedeutung eines fremden Wesens — des Geldes - verleiht. Der christliche Seligkeitsegoismus schlägt in seiner vollendeten Praxis notwendig um in den Leibesegoismus des Juden, das himmlische Bedürfnis in das irdische, der Subjektivismus in den Eigennutz. Wir erklären die Zähigkeit des Juden nicht aus seiner Religion, sondern vielmehr aus dem menschlichen Grund seiner Religion, dem praktischen Bedürfnis, dem Egoismus. Weil das reale Wesen des Juden in der bürgerlichen Gesellschaft sich allgemein verwirklicht, verweltlicht hat, darum konnte die bürgerliche Gesellschaft den Juden nicht von der Unwirhlichkeit seines religiösen Wesens, welches eben nur die ideale Anschauung des praktischen Bedürfnisses ist, überzeugen. Also nicht nur im Pentateuchtl55:l oder im Talmud, in der jetzigen Gesellschaft finden wir das Wesen des heutigen Juden, nicht als ein abstraktes, sondern als ein höchst empirisches Wesen, nicht nur als Beschränktheit des Juden, sondern als die jüdische Beschränktheit der Gesellschaft. Sobald es der Gesellschaft gelingt, das empirische Wesen des Judentums, den Schacher und seine Voraussetzungen aufzuheben, ist der Jude unmöglich geworden, weil sein Bewußtsein keinen Gegenstand mehr hat, weil die subjektive Basis des Judentums, das praktische Bedürfnis vermenschlicht, weil der Konflikt der individuell-sinnlichen Existenz mit der Gattungsexistenz des Menschen aufgehoben ist. Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum.
Geschrieben August bis Dezember 1843. Nach: „Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844.
Karl Marx
Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie
Einleitung
Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik. Die profane Existenz des Irrtums ist kompromittiert, nachdem seine himmlische oratio pro aris etfocis1 widerlegt ist. Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte, nur den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß. Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein Verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
1 Rede für Altar und Herd
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderuns, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine Wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt. Es ist also die Auf gäbe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik. Die nachfolgende Ausführung0563 - ein Beitrag zu dieser Arbeit - schließt sich zunächst nicht an das Original, sondern an eine Kopie, an die deutsche Staats- und Rechts -Philosophie an, aus keinem andern Grunde, als weil sie sich an Deutschland anschließt. Wollte man an den deutschen status quo selbst anknüpfen, wenn auch in einzig angemessener Weise, d.h. negativ, immer bliebe das Resultat ein Anachronismus. Selbst die Verneinung unserer politischen Gegenwart findet sich schon als bestaubte Tatsache in der historischen Rumpelkammer der modernen Völker. Wenn ich die gepuderten Zöpfe Verneine, habe ich immer noch die ungepuderten Zöpfe.; Wenn ich die deutschen Zustände von 1843 verneine, stehe ich, nach französischer Zeitrechnung, kaum im Jahre 1789, noch weniger im Brennpunkt der Gegenwart. Ja, die deutsche Geschichte schmeichelt sich einer Bewegung, welche ihr kein Volk am historischen Himmel weder vorgemacht hat noch nachmachen wird. Wir haben nämlich die Restaurationen der modernen Völker geteilt, ohne ihre Revolutionen zu teilen. Wir wurden restauriert, erstens, weil andere Völker eine Revolution wagten, und zweitens, weil andere Völker eine Konterrevolution litten, das eine Mal, weil unsere Herren Furcht hatten, und das andere Mal, weil unsere Herren keine Furcht hatten. Wir, unsere Hirten
25 Marx/Engels, Werke, Bd. 1
an der Spitze, befanden uns immer nur einmal in der Gesellschaft der Freiheit, am Tag ihrer Beerdigung. Eine Schule, welche die Niederträchtigkeit von heute durch die Niederträchtigkeit von gestern legitimiert, eine Schule, die jeden Schrei des Leibeigenen gegen die Knute für rebellisch erklärt, sobald die Knute eine bejahrte, eine angestammte, eine historische Knute ist, eine Schule, der die Geschichte, wie der Gott Israels seinem Diener Moses, nur ihr a posteriori zeigt, die historische Rechtsschutz211, sie hätte daher die deutsche Geschichte erfunden, wäre sie nicht eine Erfindung der deutschen Geschichte. Shylock, aber Shylock der Bediente, schwört sie für jedes Pfund Fleisch, welches aus dem Volksherzen geschnitten wird, auf ihren Schein, auf ihren historischen Schein, auf ihren christlich-germanischen: Schein. Gutmütige Enthusiasten dagegen, Deutschtümler von Blut und Freisinnige von Reflexion, suchen unsere Geschichte der Freiheit jenseits unserer Geschichte in den teutonischen Urwäldern. Wodurch unterscheidet sich aber unsere Freiheitsgeschichte von der Freiheitsgeschichte des Ebers, wenn sie nur in den Wäldern zu finden ist? Zudem ist es bekannt: Wie man hineinschreit in den Wald, schallt es heraus aus dem Wald. Also Friede den teutonischen Urwäldern! Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! Sie stehn unter dem Niveau der Geschichte, sie sind unter aller Kritik, aber sie bleiben ein Gegenstand der Kritik, wie der Verbrecher, der unter dem Niveau der Humanität steht, ein Gegenstand des Scharfrichters bleibt. Mit ihnen im Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft. Sie ist kein anatomisches Messer, sie ist eine Waffe. Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will. Denn der Geist jener Zustände ist widerlegt. An und für sich sind sie keine denkwürdigen Objekte, sondern ebenso verächtliche als verachtete Existenzen. Die Kritik für sich bedarf nicht der Selbstverständigung mit diesem Gegenstand, denn sie ist mit ihm im reinen. Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als Mittel. Ihr wesentliches Pathos ist die Indignation/ ihre wesentliche Arbeit die Denunziation. Es gilt die Schilderung eines wechselseitigen dumpfen Drucks aller sozialen Sphären aufeinander, einer allgemeinen, tatlosen Verstimmung, einer sich ebensosehr anerkennenden als verkennenden Beschränktheit, eingefaßt in den Rahmen eines Regierungssystems, welches, von der Konservation aller Erbärmlichkeiten lebend, selbst nichts ist als die Erbärmlichkeit an der Regierung. Welch ein Schauspiel! Die ins unendliche fortgehende Teilung der Ge
sellschaft in die mannigfaltigsten Rassen, welche mit kleinen Antipathien, schlechten Gewissen und brutaler Mittelmäßigkeit sich gegenüberstehn, welche eben um ihrer wechselseitigen zweideutigen und argwöhnischen Stellung willen alle ohne Unterschied, wenn auch mit verschiedenen Formalitäten, als konzessionierte Existenzen von ihren Herren behandelt werden. Und selbst dies, daß sie beherrscht, regiert, besessen sind, müssen sie als eine Konzession des Himmels anerkennen und bekennen! Andrerseits jene Herrscher selbst, deren Größe in umgekehrtem Verhältnisse zu ihrer Zahl steht! Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befaßt, ist die Kritik im Handgemenge, und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, ihn zu treffen. Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen. Man muß den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewußtsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publiziert. Man muß jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als die partie honteuse1 der deutschen Gesellschaft schildern, man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! Man muß das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, urn ihm Courage zu machen. Man erfüllt damit ein unabweisbares Bedürfnis des deutschen Volks, und die Bedürfnisse der Völker sind in eigener Person die letzten Gründe ihrer Befriedigung. Und selbst für die modernen Völker kann dieser Kampf gegen den bornierten Inhalt des deutschen status quo nicht ohne Interesse sein, denn der deutsche status quo ist die offenherzige Vollendung des ancien regime, und das ancien regime ist der versteckte Mangel des modernen Staates. Der Kampf gegen die deutsche politische Gegenwart ist der Kampf gegen die Vergangenheit der modernen Völker, und von den Reminiszenzen dieser Vergangenheit werden sie noch immer belästigt. Es ist lehrreich für sie, das ancien regime, das bei ihnen seine Tragödie erlebte, als deutschen Revenant seine Komödie spielen zu sehen. Tragisch war seine Geschichte, solange es die präexistierende Gewalt der Welt, die Freiheit dagegen ein persönlicher Einfall war, mit einem Wort, solange es Selbst an seine Berechtigung glaubte und glauben mußte. Solange das ancien regime als vorhandene Weltordnung mit einer erst werdenden Welt kämpfte, stand auf seiner Seite ein weltgeschichtlicher Irrtum, aber kein persönlicher. Sein Untergang war daher tragisch.
1 den Schandfleck
Das jetzige deutsche Regime dagegen, ein Anachronismus, ein flagranter Widerspruch gegen allgemein anerkannte Axiome, die zur Weltschau ausgestellte Nichtigkeit des ancien regime, bildet sich nur noch ein, an sich selbst zu glauben, und verlangt von der Welt dieselbe Einbildung. Wenn es an sein eignes Wesen glaubte, würde es dasselbe unter dem Schein eines fremden Wesens zu verstecken und seine Rettung in der Heuchelei und dem Sophisma suchen? Das moderne ancien regime ist nur mehr der Komödiant einer Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind. Die Geschichte ist gründlich und macht viele Phasen durch, wenn sie eine alte Gestalt zu Grabe trägt. Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Gestalt ist ihre Komödie. Die Götter Griechenlands, die schon einmal tragisch zu Tode verwundet waren im gefesselten Prometheus des Äschylus, mußten noch einmal komisch sterben in den Gesprächen Lucians. Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide. Diese heitere geschichtliche Bestimmung vindizieren wir den politischen Mächten Deutschlands. Sobald indes die moderne politisch-soziale Wirklichkeit selbst der Kritik unterworfen wird, sobald also die Kritik zu wahrhaft menschlichen Problemen sich erhebt, befindet sie sich außerhalb des deutschen status quo, oder sie würde ihren Gegenstand unter ihrem Gegenstand greifen. Ein Beispiel 1 Das Verhältnis der Industrie, überhaupt der Welt des Reichtums, zu der politischen Welt ist ein Hauptproblem der modernen Zeit. Unter welcher Form fängt dies Problem an, die Deutschen zu beschäftigen? Unter der Form der Schutzzölle, des Prohibitivsystems, der Nationalökonomie. Die Deutschtümelei ist aus dem Menschen in die Materie gefahren, und so sahen sich eines Morgens unsere Baumwollritter und Eisenhelden in Patrioten verwandelt. Man beginnt also in Deutschland die Souveränität des Monopols nach innen anzuerkennen dadurch, daß man ihm die Souveränität nach außen verleiht. Man beginnt also jetzt in Deutschland anzufangen, womit man in Frankreich und England zu enden beginnt. Der alte faule Zustand, gegen den diese Länder theoretisch im Aufruhr sind und den sie nur noch ertragen, wie man die Ketten erträgt, wird in Deutschland als die aufgehende Morgenröte einer schönen Zukunft begrüßt, die kaum noch wagt, aus der listigen05™ Theorie in die schonungsloseste Praxis überzugehn. Während das Problem in Frankreich und England lautet: Politische Ökonomie oder Herrschaft der Sozietät über den Reichtum, lautet es in Deutschland: Nationalökonomie oder Herrschaft des Privateigentums über die Nationalität. Es gilt also in Frankreich und England, das Monopol, das bis zu seinen letzten Konsequenzen fortgegangen ist, aufzuheben; es gilt in Deutschland, bis zu den letzten Konse
quenzen des Monopols fortzugehen. Dort handelt es sich um die Lösung, und hier handelt es sich erst um die Kollision. Ein zureichendes Beispiel von der deutschen Form der modernen Probleme, ein Beispiel, wie unsere Geschichte, gleich einem ungeschickten Rekruten, bisher nur die Aufgabe hatte, abgedroschene Geschichten nachzuexerzieren. Ginge also die gesamte deutsche Entwicklung nicht über die politische deutsche Entwicklung hinaus, ein Deutscher könnte sich höchstens an den Problemen der Gegenwart beteiligen, wie sich ein Russe daran beteiligen kann. Allein wenn das einzelne Individuum nicht gebunden ist durch die Schranken der Nation, ist die gesamte Nation noch weniger befreit durch die Befreiung eines Individuums. Die Skythen haben keinen Schritt zur griechischen Kultur vorwärts getan, weil Griechenland einen Skythen1158-1 unter seine Philosophen zählt. Zum Glück sind wir Deutsche keine Skythen. Wie die alten Völker ihre Vorgeschichte in der Imagination erlebten, in der Mythologie, so haben wir Deutsche unsre Nachgeschichte im Gedanken erlebt, in der Philosophie. Wir sind philosophische Zeitgenossen der Gegenwart, ohne ihre historischen Zeitgenossen zu sein. Die deutsche Philosophie ist die ideale Verlängerung der deutschen Geschichte. Wenn wir also statt die ceuvres incompletes1 unsrer reellen Geschichte die osuvres posthumes2 unserer ideellen Geschichte, die Philosophie, kritisieren, so steht unsere Kritik mitten unter den Fragen, von denen die Gegenwart sagt: That is the questior?. Was bei den fortgeschrittenen Völkern praktischer Zerfall mit den modernen Staatszuständen ist, das ist in Deutschland, wo diese Zustände selbst noch nicht einmal existieren, zunächst kritischer Zerfall mit der philosophischen Spiegelung dieser Zustände. Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der offiziellen modernen Gegenwart al pari stehende deutsche Geschichte. Das deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen bestehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechtszustände beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen, und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nachbarvölker beinahe schon wieder überlebt. Mit Recht fordert daher die praktische politische Partei in Deutschland die Nega
1 unvollendeten Werke - 2 nachgelassenen Werke - 3 Das ist die Frage
tion der Philosophie. Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht noch vollziehen kann. Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, daß sie der Philosophie den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes - einige ärgerliche und banale Phrasen über sie hermurmelt; Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklichkeit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienenden Theorien, ihr verlangt, daß man an wirkliche Lebenskeime anknüpfen soll, aber ihr vergeßt, daß der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur unter seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen. Dasselbe Unrecht, nur mit umgekehrten Faktoren, beging die theoretische, von der Philosophie her datierende politische Partei. Sie erblickte in dem jetzigen Kampf nur den kritischen Kampf der Philosophie mit der deutschen Welt, sie bedachte nicht, daß die seitherige Philosophie selbst zu dieser Welt gehört und ihre, wenn auch ideelle, Ergänzung ist. Kritisch gegen ihren Widerpart, verhielt sie sich unkritisch zu sich selbst, indem sie von den Voraussetzungen der Philosophie ausging und bei ihren gegebenen Resultaten entweder stehenblieb oder anderweitig hergeholte Forderungen und Resultate für unmittelbare Forderungen und Resultate der Philosophie ausgab, obgleich dieselben - ihre Berechtigung vorausgesetzt - im Gegenteil nur durch die Negation der seitherigen Philosophie, der Philosophie als Philosophie, zu erhalten sind. Eine näher eingehende Schilderung dieser Partei behalten wir uns vor. Ihr Grundmangel läßt sich dahin reduzieren :5('e glaubte, die Philosophie verwirklichen zu können, ohne sie aufzuheben. Die Kritik der deutschen Staats- und Rechtsphilosophie, Vielehe durch Hegel ihre konsequenteste, reichste und letzte Fassung erhalten hat, ist beides, sowohl die kritische Analyse des modernen Staats und der mit ihm zusammenhängenden Wirklichkeit als auch die entschiedene Verneinung der ganzen bisherigen Weise des deutschen politischen und rechtlichen Bewußtseins, dessen vornehmster, universellster, zur Wissenschaft erhobener Ausdruck eben die spekulative Rechtsphilosophie selbst ist. War nur in Deutschland die spekulative Rechtsphilosophie möglich, dies abstrakte überschwengliche Denken des modernen Staats, dessen Wirklichkeit ein Jenseits bleibtj mag dies Jenseits auch nur jenseits des Rheins liegen: so war ebensosehr umgekehrt das deutsche, vom wirklichen Menschen abstrahierende Gedankenbild des modernen Staats nur möglich, weil und insofern der moderne Staat selbst vom wirklichen Men
sehen abstrahiert oder den ganzen Menschen auf eine nur imaginäre Weise befriedigt. Die Deutschen haben in der Politik gedacht, was die andern Völker getan haben. Deutschland war ihr theoretisches Gewissen. Die Abstraktion und Überhebung seines Denkens hielt immer gleichen Schritt mit der Einseitigkeit und Untersetztheit ihrer Wirklichkeit. Wenn also der status quo des deutschen Staatswesens die Vollendung des ancien regime ausdrückt, die Vollendung des Pfahls im Fleische des modernen Staats, so drückt der status quo des deutschen Staatswissens die Unüollendung des modernen Staats aus, die Schadhaftigkeit seines Fleisches selbst. Schon als entschiedner Widerpart der bisherigen Weise des deutschen politischen Bewußtseins verläuft sich die Kritik der spekulativen Rechtsphilosophie nicht in sich selbst, sondern in Aufgaben, für deren Lösung es nur ein Mittel gibt: die Praxis. Es fragt sich: Kann Deutschland zu einer Praxis ä la hauteur des prineipes1 gelangen, d.h. zu einer Revolution, die es nicht nur auf das offizielle Niveau der modernen Völker erhebt, sondern auf die menschliche Höhe, welche die nächste Zukunft dieser Völker sein wird? Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem? demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß .der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln! Selbst historisch hat die theoretische Emanzipation eine spezifisch praktische Bedeutung für Deutschland. Deutschlands revolutionäre Vergangenheit ist nämlich theoretisch, es ist die Reformation. Wie damals der Mönch, so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die Revolution beginnt.
1 auf der Höhe der Prinzipien - 2 am Menschen
Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt. Aber, wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung, so war er die wahre Stellung der Aufgabe. Es galt nun nicht mehr den Kampf des Laien mit dem Pfaffen außer ihm, es galt den Kampf mit seinem eigenen innern Pfaffen, seiner pfäffischen Natur. Und wenn die protestantische Verwandlung der deutschen Laien in Pfaffen die Laienpäpste, die Fürsten samt ihrer Klerisei, den Privilegierten und den Philistern, emanzipierte, so wird die philosophische Verwandlung der pfäffischen Deutschen in Menschen das Volk emanzipieren. Sowenig aber die Emanzipation bei den Fürsten, sowenig wird die Säkularisation der Güter bei dem Kirchenraub stehenbleiben, den vor allen das heuchlerische Preußen ins Werk setzte. Damals scheiterte der Bauernkrieg, die radikalste Tatsache der deutschen Geschichte, an der Theologie. Heute, wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste Tatsache der deutschen Geschichte, unser status quo, an der Philosophie zerschellen. Den Tag vor der Reformation war das offizielle Deutschland der unbedingteste Knecht von Rom. Den Tag vor seiner Revolution ist es der unbedingte Knecht von weniger als Rom, von Preußen und Österreich, von Krautjunkern und Philistern. Einer radikalen deutschen Revolution scheint indessen eine Hauptschwierigkeit entgegenzustehn. Die Revolutionen bedürfen nämlich eines passiven Elementes, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist. Wird nun dem urigeheuern Zwiespalt zwischen den Forderungen des deutschen Gedankens und den Antworten der deutschen Wirklichkeit derselbe Zwiespalt der bürgerlichen Gesellschaft mit dem Staat und mit sich selbst entsprechen? Werden die theoretischen Bedürfnisse unmittelbar praktische Bedürfnisse sein? Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen. Aber Deutschland hat die Mittelstufen der politischen Emanzipation nicht gleichzeitig mit den modernen Völkern erklettert. Selbst die Stufen, die es theoretisch überwunden, hat es praktisch noch nicht erreicht. Wie sollte es mit einem salto mortale nicht nur über seine eignen Schranken hinweg
setzen, sondern zugleich über die Schranken der modernen Völker, über Schranken, die es in der Wirklichkeit als Befreiung von seinen wirklichen Schranken empfinden und erstreben muß? Eine radikale Revolution kann nur die Revolution radikaler Bedürfnisse sein, deren Voraussetzungen und Geburtsstätten eben zu fehlen scheinen. Allein wenn Deutschland nur mit der abstrakten Tätigkeit des Denkens die Entwicklung der modernen Völker begleitet hat, ohne werktätige Partei an den wirklichen Kämpfen dieser Entwicklung zu ergreifen, so hat es andrerseits die Leiden dieser Entwicklung geteilt, ohne ihre Genüsse, ohne ihre partielle Befriedigung zu teilen. Der abstrakten Tätigkeit einerseits entspricht das abstrakte Leiden andrerseits. Deutschland wird sich daher eines Morgens auf dem Niveau des europäischen Verfalls befinden, bevor es jemals auf dem Niveau der europäischen Emanzipation gestanden hat. Man wird es einem Fetischdiener vergleichen können, der an den Krankheiten des Christentums siecht. Betrachtet man zunächst die deutschen Regierungen, und man findet sie durch die Zeitverhältnisse, durch die Lage Deutschlands, durch den Standpunkt der deutschen Bildung, endlich durch eignen glücklichen Instinkt getrieben, die zivilisierten Mängel der modernen Staatswelt, deren Vorteile wir nicht besitzen, zu kombinieren mit den barbarischen Mängeln des ancien regime, dessen wir uns in vollem Maße erfreuen, so daß Deutschland, wenn nicht am Verstand, wenigstens am Unverstand auch der über seinen status quo hinausliegenden Staatsbildungen immer mehr partizipieren muß. Gibt es z.B. ein Land in der Welt, welches so naiv alle Illusionen des konstitutionellen Staatswesens teilt, ohne seine Realitäten zu teilen, als das sogenannte konstitutionelle Deutschland? Oder war es nicht notwendig ein deutscher Regierungseinfall, die Qualen der Zensur mit den Qualen der französischen Septembergesetze1-1591, welche die Preßfreiheit voraussetzen, zu verbinden! Wie man im römischen Pantheon die Götter aller Nationen fand, so wird man im heiligen römischen deutschen Reich die Sünden aller Staatsformen finden. Daß dieser Eklektizismus eine bisher nicht geahnte Höhe erreichen wird, dafür bürgt namentlich die politisch-ästhetische Gourmanderie eines deutschen Königs1, der alle Rollen des Königtums, des feudalen wie des bürokratischen, des absoluten wie des konstitutionellen, des autokratischen wie des demokratischen, wenn nicht durch die Person des Volkes, so doch in eigner Person, wenn nicht für das Volk, so doch für sich selbst zu spielen gedenkt. Deutschland als der zu einer eignen Welt konstituierte Mangel der politischen Ge
1 Friedrich Wilhelm IV.
genwart wird die spezifisch deutschen Schranken nicht niederwerfen können, ohne die allgemeine Schranke der politischen Gegenwart niederzuwerfen. Nicht die radikale Revolution ist utopischer Traum für Deutschland, nicht die allgemein menschliche Emanzipation, sondern vielmehr die teilweise, die nur politische Revolution, die Revolution, welche die Pfeiler des Hauses stehenläßt. Worauf beruht eine teilweise, eine nur politische Revolution? Darauf, daß ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft sich emanzipiert und zur allgemeinen Herrschaft gelangt, darauf, daß eine bestimmte Klasse von ihrer besondern Situation aus die allgemeine Emanzipation der Gesellschaft unternimmt. Diese Klasse befreit die ganze Gesellschaft, aber nur unter der Voraussetzung, daß die ganze Gesellschaft sich in der Situation dieser Klasse befindet, also z. B. Geld und Bildung besitzt oder beliebig erwerben kann. Keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft kann diese Rolle spielen, ohne ein Moment des Enthusiasmus in sich und in der Masse hervorzurufen, ein Moment, worin sie mit der Gesellschaft im allgemeinen fraternisiert und zusammenfließt; mit ihr verwechselt und als deren allgemeiner Repräsentant empfunden und anerkannt wird, ein Moment, worin ihre Ansprüche und Rechte in Wahrheit die Rechte und Ansprüche der Gesellschaft selbst sind, worin sie wirklich der soziale Kopf und das soziale Herz ist. Nur im Namen der allgemeinen Rechte der Gesellschaft kann eine besondere Klasse sich die allgemeine Herrschaft vindizieren. Zur Erstürmung dieser emanzipatorischen Stellung und damit zur politischen Ausbeutung aller Sphären der Gesellschaft im Interesse der eignen Sphäre reichen revolutionäre Energie und geistiges Selbstgefühl allein nicht aus. Damit die Revolution eines Volkes und die Emanzipation einer besondern Klasse der bürgerlichen Gesellschaft zusammenfallen, damit ein Stand für den Stand der ganzen Gesellschaft gelte, dazu müssen umgekehrt alle Mängel der Gesellschaft in einer andern Klasse konzentriert, dazu muß ein bestimmter Stand der Stand des allgemeinen Anstoßes, die Inkorporation der allgemeinen: Schranke sein, dazu muß eine besondre soziale Sphäre für das notorische Verbrechen der ganzen Sozietät gelten, so daß die Befreiung von dieser Sphäre als die allgemeine Selbstbefreiung erscheint. Damit ein Stand par excellence der Stand der Befreiung, dazu muß umgekehrt ein andrer Stand der offenbare Stand der Unterjochung sein. Die negativ-allgemeine Bedeutung des französischen Adels und der französischen Klerisei bedingte die positiv-allgemeine Bedeutung der zunächst angrenzenden und entgegenstehenden Klasse der Bourgeoisie.
Es fehlt aber jeder besondern Klasse in Deutschland nicht nur die Konsequenz, die Schärfe, der Mut, die Rücksichtslosigkeit, die sie zum negativen Repräsentanten der Gesellschaft stempeln könnte. Es fehlt ebensosehr jedem Stande jene Breite der Seele, die sich mit der Volksseele, wenn auch nur momentan, identifiziert, jene Genialität, welche die materielle Macht zur politischen Gewalt begeistert, jene revolutionäre Kühnheit, welche dem Gegner die trotzige Parole zuschleudert: Ich bin nichts, und ich müßte alles sein. Den Hauptstock deutscher Moral und Ehrlichkeit, nicht nur der Individuen, sondern auch der Klassen, bildet vielmehr jener bescheidene Egoismus, welcher seine Beschränktheit geltend macht und gegen sich geltend machen läßt. Das Verhältnis der verschiedenen Sphären der deutschen Gesellschaft ist daher nicht dramatisch, sondern episch. Jede derselben beginnt sich zu empfinden und neben die andern mit ihren besondern Ansprüchen hinzulagern, nicht sobald sie gedrückt wird, sondern sobald ohne ihr Zutun die Zeitverhältnisse eine gesellige Unterlage schaffen, auf die sie ihrerseits den Druck ausüben kann. Sogar das moralische Selbstgefühl der deutschen Mittelklasse beruht nur auf dem Bewußtsein, die allgemeine Repräsentantin von der philisterhaften Mittelmäßigkeit aller übrigen Klassen zu sein. Es sind daher nicht nur die deutschen Könige, die mal-ä-propos1 auf den Thron gelangen, es ist jede Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft, die ihre Niederlage erlebt, bevor sie ihren Sieg gefeiert, ihre eigne Schranke entwickelt, bevor sie die ihr gegenüberstehende Schranke überwunden, ihr engherziges Wesen geltend macht, bevor sie ihr großmütiges Wesen geltend machen konnte, so daß selbst die Gelegenheit einer großen Rolle immer vorüber ist, bevor sie vorhanden war, so daß jede Klasse, sobald sie den Kampf mit der über ihr stehenden Klasse beginnt, in den Kampf mit der unter ihr stehenden verwickelt ist. Daher befindet sich das Fürstentum im Kampf gegen das Königtum, der Bürokrat im Kampf gegen den Adel, der Bourgeois im Kampf gegen sie alle, während der Proletarier schon beginnt, sich im Kampf gegen den Bourgeois zu befinden. Die Mittelklasse wagt kaum von ihrem Standpunkt aus den Gedanken der Emanzipation zu fassen, und schon erklärt die Entwickelung , der sozialen Zustände, wie der Fortschritt der politischen Theorie diesen Standpunkt selbst für antiquiert oder wenigstens für problematisch.
In Frankreich genügt es, daß einer etwas sei, damit er alles sein wolle. In Deutschland darf einer nichts sein, wenn er nicht auf alles verzichten soll. In Frankreich ist die partielle Emanzipation der Grund der universellen. In
1 zur Unzeit
Deutschland ist die universelle Emanzipation conditio sine qua non1 jeder partiellen. In Frankreich muß die Wirklichkeit, in Deutschland muß die Unmöglichkeit der stufenweisen Befreiung die ganze Freiheit gebären. In Frankreich ist jede Volksklasse politischer Idealist und empfindet sich zunächst nicht als besondere Klasse, sondern als Repräsentant der sozialen Bedürfnisse überhaupt. Die Rolle des Emanzipators geht also der Reihe nach in dramatischer Bewegung an die verschiedenen Klassen des französischen Volkes über, bis sie endlich bei der Klasse anlangt, welche die soziale Freiheit nicht mehr unter der Voraussetzung gewisser, außerhalb des Menschen liegender und doch von der menschlichen Gesellschaft geschaffener Bedingungen verwirklicht, sondern vielmehr alle Bedingungen der menschlichen Existenz unter der Voraussetzung der sozialen Freiheit organisiert. In Deutschland dagegen, wo das praktische Leben ebenso geistlos als das geistige Leben unpraktisch ist, hat keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft das Bedürfnis und die Fähigkeit der allgemeinen Emanzipation, bis sie nicht durch ihre unmittelbare Lage, durch die materielle Notwendigkeit, durch ihre Ketten selbst dazu gezwungen wird. Wo also die positive Möglichkeit der deutschen Emanzipation? Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt und kein besondres Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird, welche nicht mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel provozieren kann, welche in keinem einseitigen Gegensatz zu den Konsequenzen, sondern in einem allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen des deutschen Staatswesens steht, einer Sphäre endlich, welche sich nicht emanzipieren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emanzipieren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat. Das Proletariat beginnt erst durch die hereinbrechende industrielle Bewegung für Deutschland zu werden, denn nicht die naturwüchsig entstandne, sondern die künstlich produzierte Armut, nicht die mechanisch durch die Schwere der Gesellschaft niedergedrückte, sondern die aus ihrer akuten
1 unerläßliche Bedingung
Auflösung, vorzugsweise aus der Auflösung des Mittelstandes, hervorgehende Menschenmasse bildet das Proletariat, obgleich allmählich, wie sich von selbst versteht, auch die naturwüchsige Armut und die christlich-germanische Leibeigenschaft in seine Reihen treten. Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnang verkündet, so spricht es nur das Geheimnis seines eignen Daseins aus, denn es ist die jaktische Auflösung dieser Weltordnung. Wenn das Proletariat die Negation des Privateigentums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Prinzip erhoben hat, was in ihm als negatives Resultat der Gesellschaft schon ohne sein Zutun verkörpert ist. Der Proletarier befindet sich dann in bezug auf die werdende Welt in demselben Recht, in welchem der deutsche König in bezug auf die gewordene Welt sich befindet, wenn er das Volk sein Volk wie das Pferd sein Pferd nennt. Der König, indem er das Volk für sein Privateigentum erklärt, spricht es nur aus, daß der Privateigentümer König ist. Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der Blitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehn. Resümieren wir das Resultat: Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt. In Deutschland ist die Emanzipation von dem Mittelalter nur möglich als die Emanzipation zugleich von den teilweisen Überwindungen des Mittelalters. In Deutschland kann fe'ne Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie. Wenn alle innern Bedingungen erfüllt sind, wird der deutsche Auferstehungstag verkündet werden durch das Schmettern des gallischen Hahns.
Geschrieben Ende 1843 bis Januar 1844. Nach: „Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844.
Karl Marx*
Kritische Randglossen
zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen"»60'
(„Vorwärts! "Nr. 60)
[„Vorwärts!" Nr. 63 vom 7. August 1844| Die Nummer 60 des „Vorwärts" enthält einen Artikel, überschrieben: „Der König von Preußen und die Sozialreform", unterzeichnet: „Ein Preuße". Zunächst referiert der angebliche Preuße den Inhalt der königlichen preußischen Cabinetsordre über den schlesischeti Arbeiterauf stand11611 und die Meinung des französischen Journals „La Reforme''' über die preußische Cabinetsordre. Die„Reforme" halte den „Schrecken und das religiöse Gefühl" des Königs1 für die Quelle der Cabinetsordre. Sie finde in diesem Dokument sogar das Vorgefühl der großen Reformen, welche der bürgerlichen Gesellschaft bevorstehn. Der „Preuße" belehrt die „Reforme" wie folgt:
„Der König und die deutsche Gesellschaft ist noch nicht bei dem .Vorgefühl ihrer Reform' angelangt**, selbst die schlesischen und böhmischen Aufstände haben dies Gefühl nicht erzeugt. Es ist unmöglich, die partielle Not der Fäbrikdistrikte einem unpolitischen Lande, wie Deutschland, als eine allgemeine Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der ganzen zivilisierten Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereignis hat für die Deutschen denselben Charakter wie irgendeine lokale Wassersoder Hungersnot. Deshalb nimmt es der König als einen Verwaltungs- oder Mildtätigkeitsmangel. Aus diesem Grunde und weil wenig Militär mit den schwachen Webern fertig wurde, flößt das Demolieren der Fabriken und Maschinen auch dem Könige und den Behörden keinen,Schrecken ein. Ja, sogar das religiöse Gefühl hat die Cabinetsordre nicht diktiert: Sie ist ein sehr nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst
* Spezielle Gründe veranlassen mich zu der Erklärung, daß der vorstehende Artikel der erste ist, den ich dem „Vorwärts" habe zukommen lassen. K.M. ** Man bemerke den stilistischen und grammatikalischen Unsinn. „Der König von Preußen und die Gesellschaft ist noch nicht bei dem Vorgefühl ihrer" (auf wen bezieht sich das: „ihrer"-1) „Reform angelangt."
1 Friedrich Wilhelm IV.
und einer Doktrin, die vor ihrer einzigen Medizin, der .guten Gesinnung christlicher Herzen keine Schwierigkeiten bestehn läßt, Armut und Verbrechen sind zwei große Übel; wer kann sie heilen? Der Staat und die Behörden? Nein, aber die Vereinigung aller christlichen Herzen." Der angebliche Preuße leugnet den „Schrecken" des Königs unter anderen aus dem Grunde, weil wenig Militär mit den schwachen Webern fertig wurde. In einem Lande also, wo Festessen mit liberalen Toasten und liberalem Champagnerschaum - man erinnere sich des Düsseldorfer Festes - eine königliche Cabinetsordre provozieren'-162"', wo es keines einzigen Soldaten bedurfte, um die Gelüste der ganzen liberalen Bourgeoisie nach Preßfreiheit und Konstitution niederzuschlagen; in einem Lande, wo der passive Gehorsam k l'ordre du jour1 ist; in einem solchen Lande wäre die erzwungene Anwendung der bewaffneten Macht gegen schwache Weber, kein Ereignis und kein erschreckendes Ereignis? Und die schwachen; Weber siegten bei dem ersten Zusammentreffen. Sie wurden unterdrückt durch eine nachträglich verstärkte Truppenzahl. Ist der Aufstand eines Arbeiterhaufens minder gefährlich, weil es keiner Armee bedarf, um ihn zu ersticken? Der kluge Preuße vergleiche den schlesischen Weberaufstand mit den englischen Arbeiteraufständen, und die schlesischen Weber werden ihm als starke Weber erscheinen. Aus dem allgemeinen Verhältnis der Politik zu sozialen Gebrechen werden wir erklären, warum der Weberaufstand dem Könige keinen sonderlichen „Schrecken" einflößen konnte. Vorläufig nur soviel: Der Aufstand war nicht unmittelbar gegen den König von Preußen, er war gegen die Bourgeoisie gerichtet. Als Aristokrat und absoluter Monarch kann der König von Preußen die Bourgeoisie nicht lieben; er kann noch weniger darüber erschrecken, wenn ihre Unterwürfigkeit und ihre Ohnmacht durch ein gespanntes und schwieriges Verhältnis zum Proletariat gesteigert wird. Ferner: Der orthodoxe Katholik steht dem orthodoxen Protestanten feindlicher gegenüber als dem Atheisten, wie der Legitimist dem Liberalen feindlicher gegenübersteht als dem Kommunisten. Nicht weil Atheist und Kommunist dem Katholiken und Legitimisten verwandter, sondern weil sie ihm entfremdeter sind als der Protestant und der Liberale, weil sie außerhalb seines Kreises stehn. Der König von Preußen, als Politiker, hat seinen unmittelbaren Gegensatz in der Politik, in dem Liberalismus. Für den König existiert der Gegensatz des Proletariats ebensowenig, wie der König für das Proletariat existiert. Das
1 an der Tagesordnung
Proletariat müßte schon eine entschiedene Macht erlangt haben, um die Antipathien, die politischen Gegensätze zu ersticken und um die ganze Feindschaft der Politik gegen sich zu lenken. Endlich: Dem bekannten, nach Interessantem und Bedeutendem lüsternen Charakter des Königs mußte es sogar eine freudig aufregende Überraschung gewähren, jenen „interessanten" und „viel berufenen" Pauperismus auf eignem Grund und Boden und damit eine Gelegenheit zu finden, aufs neue von sich reden zu machen. Wie wohlig mag ihm gewesen sein bei der Nachricht, nunmehr einen „eignen" königlich preußischen Pauperismus zu besitzen! Unser „Preuße" ist noch unglücklicher, wenn er das „religiöse Gefühl" als Quelle der königlichen Cabinetsordre leugnet. Warum ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle dieser Cabinetsordre? Weil sie ein „sehr nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst" ist, ein „nüchterner" Ausdruck der Doktrin, die „vor ihrer einzigen Medizin, der guten Gesinnung christlicher Herzen, keine Schwierigkeiten bestehen läßt". Ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle der christlichen Staatskunst? Basiert eine Doktrin, welche in der guten Gesinnung christlicher Herzen ihr Universalmittel besitzt, nicht auf dem religiösen Gefühl? Hört ein nüchterner Ausdruck des religiösen Gefühls auf, ein Ausdruck des religiösen Gefühls zu sein? Noch mehr! Ich behaupte, daß es ein sehr von sich eingenommenes, ein sehr trunkenes religiöses Gefühl ist, welches die „Heilung großer Übel", die es dem „Staat und der Behörde" abspricht, in der „Vereinigung christlicher Herzen" sucht. Es ist ein sehr trunkenes religiöses Gefühl, welches nach dem Zugeständnis des „Preußen" - das ganze Übel in dem Mangel an christlichem Sinn findet, und daher die Behörden auf das einzige Mittel, diesen Sinn zu stärken, auf die „Ermahnung" verweist. Die christliche Gesinnung ist nach dem „Preußen" der Zweck der Cabinetsordre. Das religiöse Gefühl, versteht sich, wenn es betrunken, wenn es nicht nüchtern ist, hält sich für das einzige Gut. Wo es Übel sieht, schreibt es sie seiner Abwesenheit zu, denn wenn es das einzige Gut ist, so kann es auch einzig das Gute erzeugen. Die durch das religiöse Gefühl diktierte Cabinetsordre diktiert also konsequenterweise das religiöse Gefühl. Ein Politiker von nüchternem religiösen Gefühl würde in seiner „Ratlosigkeit" nicht an der „Ermahnung des frommen Predigers zur christlichen Gesinnung" seine „Hülfe" suchen. Wie beweist also der angebliche Preuße der „Reforme", daß die Cabinetsordre kein Ausfluß des religiösen Gefühls ist? Dadurch, daß er überall die Cabinetsordre als einen Ausfluß des religiösen Gefühls schildert. Ist von einem so unlogischen Kopfe eine Einsicht in soziale Bewegungen zu er
warten? Hören wir, was er über das Verhältnis der deutschen Gesellschaft zu der Arbeiterbewegung und zur sozialen Reform überhaupt plaudert. Unterscheiden wir, was der „Preuße" vernachlässigt, unterscheiden wir die verschiedenen Kategorien, die unter dem Ausdrucke „deutsche Gesellschaft" zusammengefaßt worden: Regierung, Bourgeoisie, Presse, endlich die Arbeiter selbst. Das sind die verschiedenen Massen, um die es sich hier handelt. Der „Preuße" faßt diese Massen zusammen und verurteilt sie von seinem erhabenen Standpunkt aus in Masse. Die deutsche Gesellschaft ist nach ihm „noch nicht einmal bei dem Vorgefühl ihrer .Reform' angelangt". Warum fehlt ihr dieser Instinkt? „In einem unpolitischen Lande wie Deutschland", antwortet der Preuße, „ist es unmöglich, die partielle Not der Fabrikdistrikte als eine allgemeine Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der ganzen zivilisierten Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereignis hat für die Deutschen denselben Charakter wie irgendeine lokale Wassers- oder Hungersnot. Der König nimmt es daher als einen Verwaltungs- und Mildtätigkeitsmangel." Der „Preuße" erklärt also diese verkehrte Auffassung der Arbeiternot aus der Eigentümlichkeit eines unpolitischen Landes. Man wird zugeben: England ist ein politisches Land. Man wird ferner zugeben: England ist das Land des Pauperismus, sogar dies Wort ist englischen Ursprungs. Die Betrachtung Englands ist also das sicherste Experiment, um das Verhältnis eines politischen Landes zum Pauperismus kennenzulernen. In England ist die Arbeiternot nicht partiell, sondern universell; nicht auf die Fabrikdistrikte beschränkt, sondern auf die Landdistrikte ausgedehnt. Die Bewegungen sind hier nicht im Entstehen, sie kehren seit beinahe einem Jahrhundert periodisch wieder. Wie begreift nun die englische Bourgeoisie und die mit ihr zusammenhängende Regierung und Presse den Pauperismus? Soweit die englische Bourgeoisie den Pauperismus als Schuld der Politik eingesteht, betrachtet der Whig den Tory und der Tory den Whig als die Ursache des Pauperismus. Nach dem Whig ist das Monopol des großen Grundeigentums und die Prohibitivgesetzgebung gegen die Einführung des Getreides1163-1 die Hauptquelle des Pauperismus. Nach dem Tory liegt das ganze Übel in dem Liberalismus, in der Konkurrenz, in dem zu weit getriebenen Fabriksystem. Keine der Parteien findet den Grund in der Politik überhaupt, sondern jede vielmehr nur in der Politik ihrer Gegenpartei; von einer Reform der Gesellschaft lassen sich beide Parteien nicht träumen. Der entschiedenste Ausdruck der englischen Einsicht in den Pauperismus - wir sprechen immer von der Einsicht der englischen Bourgeoisie und
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Regierung - ist die englische Nationalökonomie, d.h. die wissenschaftliche Widerspiegelung der englischen nationalökonomischen Zustände. Einer der besten und berühmtesten englischen Nationalökonomen, der die gegenwärtigen Verhältnisse kennt und eine Gesamtanschauung von der Bewegung der bürgerlichen Gesellschaft besitzen muß, ein Schüler des zynischen Ricardo, MacCulloch, wagt noch in einer öffentlichen Vorlesung und wagt es unter Beifallsbezeugungen, auf die Nationalökonomie anzuwenden, was Baco von der Philosophie sagt:
„Der Mensch, welcher mit wahrer und unermüdlicher Weisheit sein Urteil suspendiert, stufenweise vorwärtsschreitet, eines der Hindernisse, welche wie Berge den Gang des Studiums aufhalten, nach dem andern überwindet, wird mit der Zeit den Gipfel der Wissenschaft erreichen, wo man der Ruhe und einer reinen Luft genießt, wo die Natur sich dem Auge in ihrer ganzen Schönheit darbietet, und von wo man, vermittelst eines bequem gesenkten Pfades, zu den letzten Details der Praxis herabsteigen kann."1164-1 Gute reine Luft die Pestatmosphäre der englischen Kellerwohnungen! Große Naturschönheit die phantastische Lumpenkleidung der englischen Armen und das welke, zusammengeschrumpfte Fleisch der Weiber, die von Arbeit und Elend verzehrt sind; die Kinder, die auf dem Mist liegen; die Mißgeburten, welche die Überarbeitung in der einförmigen Mechanik der Fabriken erzeugt! Allerliebste letzte Details der Praxis: die Prostitution, der Mord und der Galgen! Selbst der Teil der englischen Bourgeoisie, der von der Gefahr des Pauperismus durchdrungen ist, faßt diese Gefahr, wie die Mittel zur Abhülfe, in einer nicht nur partikulären, sondern, um es ohne Umschweife zu sagen, kindischen und albernen Weise auf. So reduziert z. B. der Dr. Kay in seiner Broschüre „Recent measures for the promotion of education in England" alles auf die vernachlässigte Erziehung. Man errate, aus welchem Grunde! Aus Mangel an Erziehung sehe nämlich der Arbeiter die „natürlichen Gesetze des Handels" nicht ein, Gesetze, die ihn notwendig auf den Pauperismus herabbringen. Darum lehne er sich auf. Das könne „die Prosperität der englischen Manufakturen und des englischen Handels genieren, das wechselseitige Vertrauen der Geschäftsleute erschüttern, die Stabilität der politischen und sozialen Institutionen verringern". So groß ist die Gedankenlosigkeit der englischen Bourgeoisie und ihrer Presse über den Pauperismus, über diese Nationalepidemie Englands. Gesetzt also, die Vorwürfe, die unser „Preuße" an die deutsche Gesellschaft richtet, seien begründet. Liegt der Grund in dem unpolitischen Zu
stand Deutschlands? Aber wenn die Bourgeoisie des anpolitischen Deutschlands sich die allgemeine Bedeutung einer partiellen Not nicht zur Anschauung zu bringen weiß, so versteht es dagegen die Bourgeoisie des politischen Englands, die allgemeine Bedeutung einer universellen Not zu verkennen, einer Not, die ihre allgemeine Bedeutung teils durch die periodische Wiederkehr in der Zeit, teils durch die Ausbreitung im Räume und teils durch die Vereitlung aller Versuche zur Abhülfe zur Anschauung gebracht hat. Dem anpolitischen Zustand Deutschlands legt es der „Preuße" ferner zur Last, wenn der König von Preußen in einem Verwaltungs- und Wohltätigkeitsmangel den Grund des Pauperismus findet und daher in Verwaltungs- und Wohltätigkeitsmaßregeln die Mittel gegen den Pauperismus sucht. Ist diese Anschauungsweise dem König von Preußen eigentümlich? Man werfe einen raschen Blick auf England, das einzige Land, wo von einer großen politischen Aktion auf den Pauperismus gesprochen Werden kann. Die jetzige englische Armengesetzgebung datiert von dem Gesetz im 43. Akt der Regierung der Elisabeth.* Worin bestehen die Mittel dieser Gesetzgebung? In der Verpflichtung der Pfarreien zur Unterstützung ihrer armen Arbeiter, in der Armentaxe, in der legalen Wohltätigkeit. Zwei Jahrhunderte hat diese Gesetzgebung - die Wohltätigkeit auf dem Wege der Verwaltung - gedauert. Nach langen und schmerzlichen Erfahrungen, auf welchem Standpunkte finden wir das Parlament in seiner Amendment Bill von 1834U65J? Zunächst erklärt es die fürchterliche Zunahme des Pauperismus aus einem „Verwaltungsmangel". Die Administration der Armentaxe, die aus Beamten der respektiven Pfarreien bestand, wird daher reformiert. Man bildet Unionen von ungefähr zwanzig Pfarreien, die in eine einzige Administration vereinigt sind. Ein Büro von Beamten - Board of Guardians -, von Beamten, welche durch die Steuerpflichtigen gewählt werden, versammelt sich an einem bestimmten Tage in der Residenz der Union und entscheidet über die Zulässigkeit der Unterstützung. Diese Büros werden gelenkt und überwacht von Abgeordneten der Regierung, der Zentral-Kommission von Somerset Housecl66], dem Ministerium des Pauperismus, nach der treffenden Bezeichnung eines Franzosen1. Das Kapital, welches diese Administration überwacht, kommt fast
*Esistfürunsern Zweck nicht nötig, bis zum Statut der Arbeiter unter Eduard III. zurückzugehen.
1 Antoine-Eugene Buret
der Summe gleich, welche die Kriegsadministration in Frankreich kostet. Die Zahl der Lokaladministrationen, welche sie beschäftigt, beläuft sich auf 500, und jede dieser Lokaladministrationen setzt wenigstens wieder zwölf Beamte in Tätigkeit. Das englische Parlament blieb nicht bei der formellen Reform der Administration stehen. Die Hauptquelle des akuten Zustandes des englischen Pauperismus fand es in dem Armengesetz selbst. Das legale Mittel gegen das soziale Gebrechen, die Wohltätigkeit, begünstige das soziale Gebrechen. Was den Pauperismus im allgemeinen betreffe, so sei er ein ewiges Naturgesetz, nach der Theorie von Malthus: „Da die Bevölkerung unaufhörlich die Subsistenzmittel zu überschreiten strebt, so ist die Wohltätigkeit eine Narrheit, eine öffentliche Aufmunterung für das Elend. Der Staat kann daher nichts tun, als das Elend seinem Schicksal überlassen, und höchstens den Tod der Elenden erleichtern." Mit dieser menschenfreundlichen Theorie verbindet das englische Parlament die Ansicht, daß der Pauperismus das selbstverschuldete Elend der Arbeiter sei, dem man daher nicht als einem Unglück zuvorzukommen, das man vielmehr als ein Verbrechen zu unterdrücken, zu bestrafen habe. So entstand das Regime der Workhouses, d. h. der Armenhäuser, deren innere Einrichtung die Elenden abschreckt, eine Zuflucht vor dem Hungertod zu suchen. In den Workhouses ist die Wohltätigkeit sinnreich verflochten mit der Rache der Bourgeoisie an dem Elenden, der an ihre Wohltätigkeit appelliert. England hat also zunächst die Vernichtung des Pauperismus durch Wohltätigkeit und Administrationsmaßregeln versucht. Es erblickte sodann in dem progressiven Fortschritt des Pauperismus nicht die notwendige Konsequenz der modernen Industrie, sondern vielmehr die Konsequenz der englischen Armentaxe. Es begriff die universelle Not nur als eine Partikularität der englischen Gesetzgebung. Was früher aus einem Wohltätigkeitsmangel, wurde nun aus einem Wohltätigkeitsüberfluß hergeleitet. Endlich wurde das Elend als die Schuld der Elenden betrachtet und als solche an ihnen bestraft. Die allgemeine Bedeutung, die das politische England dem Pauperismus abgewonnen hat, beschränkt sich darauf, daß im Laufe der Entwicklung, trotz der Verwaltungsmaßregeln, der Pauperismus zu einem Nationalinstitut sich heraufgebildet hat und daher unvermeidlicherweise zum Gegenstand einer verzweigten und weit ausgedehnten Administration geworden ist, einer Administration, die aber nicht mehr die Aufgabe hat, ihn zu ersticken, sondern
ihn zu disziplinieren, zu verewigen. Diese Administration hat es aufgegeben, durch positive Mittel die Quelle des Pauperismus zu verstopfen; sie begnügt sich damit, sooft er an der Oberfläche des offiziellen Landes hervorsprudelt, mit polizeilicher Milde ihm ein Totenbett zu graben. Der englische Staat, weit entfernt, über die Administration- und Wohltätigkeitsmaßregeln hifiauszugehen, ist weit unter sie herabgestiegen. Er administriert nur noch den Pauperismus, der die Verzweiflung besitzt, sich einfangen und einsperren zu lassen. Bisher also hat der „Preuße" nichts Eigentümliches im Verfahren des Königs von Preußen nachgewiesen. Warum aber, ruft der große Mann mit einer seltenen Naivetät aus1. „Warum ordnet der König von Preußen nicht sogleich die Erziehung aller verwahrlosten Kinder an}" Warum wendet er sich erst an die Behörden und erwartet ihre Plane und Vorschläge? Der überkluge „Preuße" wird sich beruhigen, wenn er erfährt, daß der König von Preußen hier ebensowenig Original ist wie in seinen übrigen Handlungen; daß er sogar den einzigen Weg eingeschlagen hat, den der Chef eines Staats einschlagen kann. Napöleon wollte die Bettelei mit einem Schlag vernichten. Er trug seinen Behörden auf, Pläne für die Austilgung der Bettelei in ganz Frankreich vorzubereiten. Das Projekt ließ auf sich warten; Napoleon verlor die Geduld, er schrieb an seinen Minister des Innern, Cretet; er befahl ihm, innerhalb eines Monats die Bettelei zu vernichten; er sagte:
„Man darf über diese Erde nicht hinwegschreiten, ohne Spuren zu hinterlassen, die unser Andenken der Nachwelt empfehlen. Fordert mir nicht noch drei oder vier Monate, um Nachweisungen zu erhalten: Ihr habt junge Auditore, kluge Präfekten, wohlunterrichtete Ingenieure der Brücken und Chausseen, setzt diese alle in Bewegung, schlaft nicht ein in der gewöhnlichen Büroarbeit."
In wenigen Monaten war alles geschehen. Den 5. Juli 1808 wurde das Gesetz erlassen, welches die Bettelei unterdrückt. Wodurch? Durch die DepSts1, welche sich so rasch in Strafanstalten verwandelten, daß der Arme bald nur mehr durch den Weg des Zuchtpolizeigerichts in diese Anstalten gelangte. Und dennoch rief damals M.Noailles du Gard, Mitglied des gesetzgebenden Korps, aus:
„Ewige Erkenntlichkeit dem Heroen, welcher der Dürftigkeit eine Zufluchtstätte und der Armut Lebensmittel sichert. Die Kindheit wird nicht mehr verlassen sein, die armen Familien werden nicht mehr der Ressourcen, noch die Arbeiter der Ermutigung
1 Arbeitshäuser
und Beschäftigung entbehren. Nos pas ne seront plus arrctes par l'image degoütante des infirmites et de la honteuse misfere.1"
Der letzte zynische Passus ist die einzige Wahrheit dieser Lobrede. Wenn Napoleon sich an die Einsicht seiner Auditore, Präfekte, Ingenieure adressiert, warum nicht der König von Preußen an seine Behörden? Warum ordnete Napoleon nicht sogleich die Aufhebung der Bettelei an? Von demselben Wert ist die Frage des „Preußen": „Warum ordnet der König von Preußen nicht sogleich die Erziehung der verwahrlosten Kinder an?" Weiß der „Preuße", was der König anordnen müßte? Nichts anders als die Vernichtung des Proletariats. Um Kinder zu erziehen, muß man sie ernähren und von der Erwerbsarbeit befreien. Die Ernährung und Erziehung der verwahrlosten Kinder, d.h. die Ernährung und Erziehung des ganzen aufwachsenden Proletariats, wäre die Vernichtung des Proletariats und des Pauperismus. Der Konvent hatte einen Augenblick den Mut, die Aufhebung des Pauperismus anzuordnen, zwar nicht „sogleich", wie es der „Preuße" von seinem König verlangt, sondern erst nachdem er das Comite du salut publicao7] mit der Bearbeitung der nötigen Pläne und Vorschläge beauftragt und nachdem dieses die weitläufigen Untersuchungen der Assemblee Constituante2 über den Zustand des französischen Elends benützt und durch Barere die Stiftung des Livre de la bienfaisance nationale3 etc. vorgeschlagen. Welches war die Folge der Anordnung des Konvents? Daß eine Anordnung mehr in der Welt war und ein Jahr nachher verhungerte Weiber den Konvent belagerten. Der Konvent aber war das Maximum der politischen Energie, der politischen Macht und des politischen Verstandes. Sogleich, ohne Verständigung mit den Behörden, hat keine Regierung der Welt Anordnungen über den Pauperismus getroffen. Das englische Parlament schickte sogar Kommissäre nach allen Ländern Europas, um die verschiedenen administrativen Heilmittel gegen denselben kennenzulernen. Soweit sich die Staaten aber mit dem Pauperismus beschäftigt haben, sind sie bei Verwaltungs- und Wohltätigkeitsmaßregeln stehengeblieben oder unter die Verwaltung und unter die Wohltätigkeit herabgestiegen. Kann der Staat anders verfahren? Der Staat wird nie im „Staat und der Einrichtung der Gesellschaft", wie es
1 Wir werden nicht mehr durch den Anblick widerlicher Gebrechen und schändlichen Elends gehemmt sein. - 2 Konstituierenden Versammlung - 3 Buchs der nationalen Wohltätigkeit
der Preuße von seinem König verlangt, den Grund sozialer Gebrechen finden. Wo es politische Parteien gibt, findet jede den Grund eines jeden Übels darin, daß statt ihrer ihr Widerpart sich am Staatsruder befindet. Selbst die radikalen und revolutionären Politiker suchen den Grund des Übels nicht im Wesen des Staats, sondern in einer bestimmten Staatsform, an deren Stelle sie eine andere Staatsform setzen -wollen. Der Staat und die Einrichtung der Gesellschaft sind von dem politischen Standpunkt aus nicht zwei verschiedene Dinge. Der Staat ist die Einrichtung der Gesellschaft. Sofern der Staat soziale Mißstände zugesteht, sucht er sie entweder in Naturgesetzen, denen keine menschliche Macht gebieten kann, oder in dem Privatleben, das von ihm unabhängig ist, oder in der ZweckWidrigkeit der Administration, die von ihm abhängt. So findet England das Elend in dem Naturgesetz begründet, wonach die Bevölkerung stets das Subsistenzmittel überschreiten muß. Nach einer andern Seite hin erklärt es den Pauperismus aus dem schlechten Willen der Armen, wie ihn der König von Preußen aus dem unchristlichen Gemüt der Reichen und wie ihn der Konvent aus der konterrevolutionären verdächtigen Gesinnung der Eigentümer erklärt. England bestraft daher die Armen, der König von Preußen ermahnt die Reichen, und der Konvent köpft die Eigentümer. Endlich suchen alle Staaten in zttfälligen oder absichtlichen Mängeln der Administration die Ursache, und darum in Maßregeln der Administration die Abhülfe seiner Gebrechen. Warum? Eben weil die Administration die organisierende Tätigkeit des Staats ist. Den Widerspruch zwischen der Bestimmung und dem guten Willen der Administration einerseits, und ihren Mitteln wie ihrem Vermögen andrerseits, kann der Staat nicht aufheben, ohne sich selbst aufzuheben, denn er beruht auf diesem Widerspruch. Er beruht auf dem Widerspruch zwischen dem öffentlichen und dem Privatleben, auf dem Widerspruch zwischen den allgemeinen Interessen und den Sonderinteressen. Die Administration muß sich daher auf eine formelle und negative Tätigkeit beschränken, denn wo das bürgerliche Leben und seine Arbeit beginnt, eben da hat ihre Macht aufgehört. Ja, gegenüber den Konsequenzen, welche aus der unsozialen Natur dieses bürgerlichen Lebens, dieses Privateigentums, dieses Handels, dieser Industrie, dieser wechselseitigen Plünderung der verschiedenen bürgerlichen Kreise entspringen, diesen Konsequenzen gegenüber ist die Ohnmacht das Naturgesetz der Administration. Denn diese Zerrissenheit, diese Niedertracht, dies Sklaventum der bürgerlichen Gesellschaft ist das Naturfundament, worauf der moderne Staat ruht, wie die bürgerliche Gesellschaft des Sklaventums das Naturfundament war, worauf der antike Staat ruhte Die Existenz des Staats
und die Existenz der Sklaverei sind unzertrennlich. Der antike Staat und die antike Sklaverei - offenherzige klassische Gegensätze - waren nicht inniger aneinander geschmiedet als der moderne Staat und die moderne Schacherwelt - scheinheilige christliche Gegensätze. Wollte der moderne Staat die Ohnmacht seiner Administration aufheben, so müßte er das jetzige Privatleben aufheben. Wollte er das Privatleben aufheben, so müßte er sich selbst aufheben, denn er existiert nur im Gegensatz zu demselben. Kein Lebendiger aber glaubt die Mängel seines Daseins im Prinzip seines Lebens, im Wesen seines Lebens begründet, sondern in Umständen außerhalb seines Lebens. Der Selbstmord ist widernatürlich. Also kann der Staat nicht an die inwendige Ohnmacht seiner Administration, das heißt seiner selbst glauben. Er kann nur formelle, zufällige Mängel derselben einsehn und ihnen abzuhelfen suchen. Sind diese Modifikationen fruchtlos, nun so ist das soziale Gebrechen eine natürliche, vom Menschen unabhängige Unvollkommenheit, ein Gesetz Gottes, oder der Wille der Privatleute ist zu verdorben, um den guten Zwecken der Administration entgegenzukommen. Und welche verkehrte Privatleute? Sie murren gegen die Regierung, so oft sie die Freiheit beschränkt, und sie verlangen von der Regierung, die notwendigen Folgen dieser Freiheit zu verhindern! Je mächtiger der Staat, je politischer daher ein Land ist, um so weniger ist es geneigt, im Prinzip des Staats, also in der jetzigen Einrichtung der Gesellschaft, deren tätiger, selbstbewußter und offizieller Ausdruck der Staat ist, den Grund der sozialen Gebrechen zu suchen und ihr allgemeines Prinzip zu begreifen. Der politische Verstand ist eben politischer Verstand, weil er innerhalb der Schranken der Politik denkt. Je geschärfter, je lebendiger, desto unfähiger ist er zur Auffassung sozialer Gebrechen. Die klassische Periode des politischen Verstandes ist die französische Revolution. Weit entfernt, im Prinzip des Staats die Quelle der sozialen Mängel zu erblicken, erblicken die Heroen der französischen Revolution vielmehr in den sozialen Mängeln die Quelle politischer Übelstände. So sieht Robespierre in der großen Armut und dem großen Reichtume nur ein Hindernis der reinen Demokratie. Er wünscht daher eine allgemeine spartanische Frugalität zu etablieren. Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, das heißt also, je vollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken. Es bedarf keiner weiteren Ausführung gegen die alberne Hoffnung des „Preußen", wonach der „politische Verstand die Wurzel der geselligen Not für Deutschland zu entdecken" berufen ist.
Es war töricht, dem König von Preußen nicht nur eine Macht zuzumuten, wie sie der Konvent und Napoleon vereint nicht besaßen; es war töricht, ihm eine Anschauungsweise zuzumuten, welche die Grenzen aller Politik überspringt, eine Anschauungsweise, deren Besitz der kluge „Preuße" selbst nicht näher steht als sein König. Diese ganze Deklaration war um so törichter, als der „Preuße" uns gesteht: „Die guten Worte und die gute Gesinnung sind tmhlfeil, die Einsicht und die erfolgreichen Taten sind teuer; sie sind in diesem Fall mehr als teuer, sie sind noch gar nicht zu haben." Wenn sie noch gar nicht zu haben sind, so erkenne man jeden an, der das von seiner Stellung aus Mögliche versucht. Ich überlasse es übrigens dem Takt des Lesers, ob bei dieser Gelegenheit die merkantilische Zigeunersprache von „wohlfeil", „teuer", „mehr als teuer", „noch gar nicht zu haben" zu der Kategorie der „guten Worte" und der „guten Gesinnung" zu zählen ist. Gesetzt also, die Bemerkungen des „Preußen" über die deutsche Regierung und die deutsche Bourgeoisie - letztere ist doch wohl einbegriffen in der „deutschen Gesellschaft" - seien vollkommen begründet. Ist dieser Teil der Gesellschaft ratloser in Deutschland als in England und Frankreich? Kann man ratloser sein als z. B. in England, wo man die Ratlosigkeit in ein System gebracht hat? Wenn heute Arbeiteraufstände in ganz England ausbrechen, so ist die dortige Bourgeoisie und Regierung nicht besser beraten als im letzten Dritteil des achtzehnten Jahrhunderts. Ihr einziger Rat ist die materielle Gewalt, und da die materielle Gewalt in demselben Grade abnimmt, als die Ausbreitung des Pauperismus und die Einsicht des Proletariats zunehmen, so wächst notwendig die englische Ratlosigkeit in geometrischer Proportion. Unwahr, faktisch unwahr ist es endlich, daß die deutsche Bourgeoisie die allgemeine Bedeutung des schlesischen Aufstandes gänzlich verkennt. In mehreren Städten versuchen die Meister sich mit den Gesellen zu assoziieren. Alle liberalen deutschen Zeitungen, die Organe der liberalen Bourgeoisie strömen über Von Organisation der Arbeit, Reform der Gesellschaft, Kritik der Monopole und der Konkurrenz etc. Alles infolge der Arbeiterbewegungen. Die Zeitungen von Trier, Aachen, Köln, Wesel, Mannheim, Breslau, selbst von Berlin bringen häufig ganz verständige soziale Artikel, aus denen der „Preuße" sich immerhin belehren kann. Ja, in Briefen aus Deutschland spricht sich fortwährend die Verwunderung über den geringen Widerstand der Bourgeoisie gegen soziale Tendenzen und Ideen aus. Der „Preuße" - wäre er mit der Geschichte der sozialen Bewegung vertrauter - hätte seine Frage umgekehrt gestellt. Warum deutet selbst die
deutsche Bourgeoisie die partielle Not verhältnismäßig so universell? Woher die Animosität und der Zynismus der politischen, woher die Widerstandslosigkeit und die Sympathien der unpolitischen Bourgeoisie in bezug auf das Proletariat?
[„Vorwärtsl" Nr. 64 vom 10. August 1844] Nun zu den Orakelsprüchen des „Preußen" über die deutschen Arbeiter.
„Die deutschen Armen", witzelt er, „sind nicht klüger als die armen Deutschen, d. h., sie sehen nirgends über ihren Herd, ihre Fabrik, ihren Distrikt hinaus: die ganze Frage ist von der alles durchdringenden politischen Seele bis jetzt noch verlassen."
Um den Zustand der deutschen Arbeiter mit dem Zustand der französischen und englischen Arbeiter vergleichen zu können, mußte der „Preuße" die erste Gestalt, den Beginn der englischen und französischen Arbeiterbewegung mit der eben beginnenden deutschen Bewegung vergleichen. Er versäumt dies. Sein Räsonnement läuft daher auf eine Trivialität hinaus, etwa darauf, daß die Industrie in Deutschland noch nicht so entwickelt ist wie in England oder daß eine Bewegung in ihrem Beginn anders aussieht als in ihrem Fortschritt. Er wollte über die Eigentümlichkeit der deutschen Arbeiterbewegung sprechen. Er sagt kein Wort über dies sein Thema. Der „Preuße" stelle sich dagegen auf den richtigen Standpunkt. Er wird finden, daß kein einziger der französischen und englischen Arbeiteraufstände einen so theoretischen und bewußten Charakter besaß wie der schlesische Weberaufstand. Zunächst erinnere man sich an das Weberlied0^, an diese kühne Parole des Kampfes, worin Herd, Fabrik, Distrikt nicht einmal erwähnt werden, sondern das Proletariat sogleich seinen Gegensatz gegen die Gesellschaft des Privateigentums in schlagender, scharfer, rücksichtsloser, gewaltsamer Weise herausschreit. Der schlesische Aufstand beginnt grade damit, womit die französischen und englischen Arbeiteraufstände enden, mit dem Bewußtsein über das Wesen des Proletariats. Die Aktion selbst trägt diesen überlegenen Charakter. Nicht nur die Maschinen, diese Rivalen des Arbeiters, werden zerstört, sondern auch die Kaufmannsbücher, die Titel des Eigentums, und während alle andern Bewegungen sich zunächst nur gegen den Industrieherrn, den sichtbaren Feind kehrten, kehrt sich diese Bewegung zugleich gegen den Bankier, den versteckten Feind. Endlich ist kein einziger englischer Arbeiteraufstand mit gleicher Tapferkeit, Überlegung und Ausdauer geführt worden. Was den Bildungsstand oder die Bildungsfähigkeit der deutschen Arbeiter im allgemeinen betrifft, so erinnere ich an Weitlings geniale Schriften, die in
theoretischer Hinsicht oft selbst über Proudhon hinausgehn, sosehr sie in der Ausführung nachstehen. Wo hätte die Bourgeoisie - ihre Philosophen und Schriftgelehrten eingerechnet - ein ähnliches Werk wie Weitlings „Garantien der Harmonie und Freiheit" in bezug auf die Emanzipation der Bourgeoisie die politische Emanzipation - aufzuweisen? Vergleicht man die nüchterne, kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem maßlosen und brillanten literarischen Debüt der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der deutschen Bourgeoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt prophezeien. Man muß gestehen, daß das deutsche Proletariat der Theoretiker des europäischen Proletariats, wie das englische Proletariat sein Nationalökonom und das französische Proletariat sein Politiker ist. Man muß gestehen, daß Deutschland einen ebenso klonischen Beruf zur sozialen Revolution besitzt, wie es zur politischen unfähig ist. Denn wie die Ohnmacht der deutschen Bourgeoisie die politische Ohnmacht Deutschlands, so ist die Anlage des deutschen Proletariats - selbst von der deutschen Theorie abgesehen - die soziale Anlage Deutschlands. Das Mißverhältnis zwischen der philosophischen und der politischen Entwicklung in Deutschland ist keine Abnormität. Es ist ein notwendiges Mißverhältnis. Erst in dem Sozialismus kann ein philosophisches Volk seine entsprechende Praxis, also erst im Proletariat das tätige Element seiner Befreiung finden. Doch ich habe in diesem Augenblick weder Zeit noch Lust, dem „Preußen" das Verhältnis der „deutschen Gesellschaft" zur sozialen Umwälzung und aus diesem Verhältnis einerseits die schwache Reaktion der deutschen Bourgeoisie gegen den Sozialismus, anderseits die ausgezeichneten Anlagen des deutschen Proletariats für den Sozialismus zu erklären. Die ersten Elemente zum Verständnis dieses Phänomens findet er in meiner Einleitung zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie1 („Deutsch-Französische Jahrbücher"). Die Klugheit der deutschen Armen steht also in umgekehrtem Verhältnis zur Klugheit der armen Deutschen. Aber Leute, welchen jeder Gegenstand zu öffentlichen Stilübungen dienen muß, geraten durch diese formelle Tätigkeit auf einen verkehrten Inhalt, während der verkehrte Inhalt seinerseits wieder der Form den Stempel der Gemeinheit aufdrückt. So hat der Versuch des „Preußen", sich bei Gelegenheit wie der schlesischen Arbeiterunruhen in der Form der Antithese zu bewegen, ihn zu der größten Antithese gegen die Wahrheit verführt. Die einzige Aufgabe eines denkenden und wahrheits
liebenden Kopfes, angesichts eines ersten Ausbruchs des schlesischen Arbeiteraufstandes, bestand nicht darin, den Schulmeister dieses Ereignisses zu spielen, sondern vielmehr seinen eigentümlichen Charakter zu studieren. Dazu gehört allerdings einige wissenschaftliche Einsicht und einige Menschenliebe, während zu der andern Operation eine fertige Phraseologie, eingetunkt in eine hohle Selbstliebe, vollständig hinreicht. Warum beurteilt der „Preuße" die deutschen Arbeiter so verächtlich? Weil er die „ganze Frage" - nämlich die Frage der Arbeiternot - „bis jetzt noch" von der „alles durchdringenden politischen Seele" verlassen findet. Er führt seine platonische Liebe zu der politischen Seele näher dahin aus:
„Es werden alle Aufstände in Blut und Unverstand ersticken, die in dieser heillösen Isolierung der Menschen von dem Gemeinwesen und ihrer Gedanken von den sozialen Prinzipien ausbrechen; erzeugt aber erst die Not den Verstand und entdeckt der politische Verstand der Deutschen die Wurzel der geselligen Not, alsdann werden auch in Deutschland diese Ereignisse als Symptome einer großen Umwälzung empfunden werden." Zunächst erlaube uns der „Preuße" eine stilistische Bemerkung. Seine Antithese ist unvollkommen. In der ersten Hälfte heißt es: Erzeugt die Not den Verstand, und in der zweiten Hälfte: Entdeckt der politische Verstand die Wurzel der geselligen Not. iDer einfache Verstand in der ersten Hälfte der Antithese wird in der zweiten Hälfte zum politischen Verstand, wie die einfache Not der ersten Hälfte der Antithese in der zweiten Hälfte zur geselligen Not wird. Warum hat der Stilkünstler beide Hälften der Antithese so ungleich beschenkt? Ich glaube nicht, daß er sich darüber Rechenschaft abgelegt hat. Ich will ihm seinen richtigen Instinkt deuten. Hätte der „Preuße" geschrieben: „Erzeugt die gesellige Not den politischen Verstand, und entdeckt der politische Verstand die Wurzel der geselligen Not", so konnte keinem unbefangnen Leser der Unsinn dieser Antithese entgehn. Zunächst hätte jeder sich gefragt, warum stellt der Anonyme nicht den geselligen Verstand zur geselligen Not und den politischen Verstand zur politischen Not, wie die einfachste Logik gebietet? Nun zur Sache! Es ist so falsch, daß die gesellige Not den politischen Verstand erzeugt, daß vielmehr umgekehrt das gesellige Wohlbefinden den politischen Verstand erzeugt. Der politische Verstand ist ein Spiritualist und wird dem gegeben, der schon hat, der schon behaglich in seiner Wolle sitzt. Unser „Preuße" höre darüber einen französischen Nationalökonomen, Herrn Michel Chevalier:
»Im Jahre 1789, als die Bourgeoisie sich erhob, fehlte ihr, um frei zu sein, nur die Teilnahme an der Regierung des Landes. Die Befreiung bestand für sie darin, die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, die hohen bürgerlichen, militärischen und
religiösen Funktionen den Händen der Privilegierten, welche das Monopol dieser Funktionen besaßen, zu entziehen. Reich undaufgeklärt, imstande sich selbst genug zu sein und sich selbst zu lenken, wollte sie sich dem regime du bon plaisir1 entziehen.'^16" Wie unfähig der politische Verstand ist, die Quelle der geselligen Not zu entdecken, haben wir dem „Preußen'^ schon nachgewiesen. Uber diese seine Ansicht noch ein Wort. Je ausgebildeter und allgemeiner der politische Verstand eines Volkes ist, um so mehr verschwendet das Proletariat - wenigstens im Beginn der Bewegung - seine Kräfte an unverständige, nutzlose und in Blut erstickte,Erneuten. Weil es in der Form der Politik denkt, erblickt es den Grund aller Übelstände im Willen und alle Mittel zur Abhülfe in der Gewalt und dem Umsturz einer bestimmten Staatsform. Beweis: die ersten Ausbrüche des französischen Proletariats1-170-1. Die Arbeiter zu Lyon glaubten nur politische Zwecke zu verfolgen, nur Soldaten der Republik zu sein, während sie in Wahrheit Soldaten des Sozialismus waren. So verdunkelte ihr politischer Verstand ihnen die Wurzel der geselligen Not, so verfälschte er ihre Einsicht in ihren wirklichen Zweck, so belog ihr politischer Verstand ihren sozialen Instinkt. Wenn aber der „Preuße" die Erzeugung des Verstandes durch die Not erwartet, warum wirft er die „Erstickungen in Blut" und die „Erstickungen in Unverstand" zusammen? Ist die Not überhaupt ein Mittel, so ist die blutige Not sogar ein sehr akutes Mittel zur Erzeugung des Verstandes. Der „Preuße" mußte also sagen: Die Erstickung im Blut wird den Unverstand ersticken und dem Verstände einen gehörigen Luftzug verschaffen. Der „Preuße" prophezeit die Erstickung der Aufstände, die in der „heillosen Isolierung der Menschen vom Gemeinwesen und in der Trennung ihrer Gedanken von den sozialen Prinzipien" ausbrechen. Wir haben gezeigt, daß der schlesische Aufstand keineswegs in der Trennung der Gedanken von den sözialen Prinzipien stattfand. Wir haben es nur noch mit der „heillosen Isolierung der Menschen vom Gemeinwesen" zu tun. Unter Gemeinwesen ist hier das politische Gemeinwesen, das Staatswesen zu verstehn. Es ist das alte Lied von dem unpolitischen Deutschland. Brechen aber nicht alle Aufstände ohne Ausnahme in der heillosen Isolierung des Menschen vom Gemeinwesen aus? Setzt nicht jeder Aufstand die Isolierung notwendig voraus? Hätte die Revolution von 1789 stattgefunden ohne die heillose Isolierung der f ranzösischen Bürger vom Gemeinwesen? Sie war eben dazu bestimmt, diese Isolierung aufzuheben.
1 der Willkürherrschaft
Das Gemeinwesen aber, von welchem der Arbeiter isoliert ist, ist ein Gemeinwesen von ganz andrer Realität und ganz andrem Umfang als das politische Gemeinwesen. Dies Gemeinwesen, von welchem ihn seine eigene Arbeit trennt, ist das Leben selbst, das physische und geistige Leben, die menschliche Sittlichkeit, die menschliche Tätigkeit, der menschliche Genuß, das menschliche Wesen. Das menschliche Wesen ist das Wahre Gemeinwesen der Menschen. Wie die heillose Isolierung von diesem Wesen unverhältnismäßig allseitiger, unerträglicher, fürchterlicher, widerspruchsvoller ist als die Isolierung vom politischen Gemeinwesen, so ist auch die Aufhebung dieser Isolierung und selbst eine partielle Reaktion, ein Aufstand gegen dieselbe um so viel unendlicher, wie der Mensch unendlicher ist als der Staatsbürger und das menschliche Leben als das politische Leben. Der industrielle Aufstand mag daher noch so partiell sein, er verschließt in sich eine universelle Seele: der politische Aufstand mag noch so universell sein, er verbirgt unter der kolossalsten Form einen engherzigen Geist.
Der „Preuße" schließt seinen Aufsatz würdig mit folgender Phrase:
»Eine Sozialrevolution ohne politische Seele (d. h. ohne die organisierende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen aus) ist unmöglich." Man hat gesehn. Eine soziale Revolution befindet sich deswegen auf dem Standpunkt des Ganzen, weil sie - fände sie auch nur in einem Fabrikdistrikt statt - weil sie eine Protestation des Menschen gegen das entmenschte Leben ist, weil sie vom Standpunkt des einzelnen wirklichen Individuums ausgeht, weil das Gemeinwesen, gegen dessen Trennung von sich das Individuum reagiert, das wahre Gemeinwesen des Menschen ist, das menschliche Wesen. Die politische Seele einer Revolution besteht dagegen in der Tendenz der politisch einflußlosen Klassen, ihre Isolierung vom Staatswesen und von der Herrschaft aufzuheben. Ihr Standpunkt ist der des Staats, eines abstrakten Ganzen, das nur durch die Trennung vom wirklichen Leben besteht, das undenkbar ist ohne den organisierten Gegensatz zwischen der allgemeinen Idee und der individuellen Existenz des Menschen. Eine Revolution von politischer Seele organisiert daher auch, der beschränkten und zwiespältigen Natur dieser Seele gemäß, einen herrschenden Kreis in der Gesellschaft, auf Kosten der Gesellschaft. Wir wollen dem „Preußen" anvertrauen, was eine „soziale Revolution mit einer politischen Seele" ist; wir vertrauen ihm damit zugleich das Geheimnis, daß er selbst nicht einmal in Redensarten sich über den bornierten politischen Standpunkt zu erheben weiß. Eine „soziale" Revolution mit einer politischen Seele ist entweder ein zusammengesetzter Unsinn, wenn der „Preuße" unter „sozialer" Revolution
eine „soziale" Revolution im Gegensatz zu einer politischen versteht und nichtsdestoweniger der sozialen Revolution statt einer sozialen eine politische Seele verleiht. Oder eine „soziale Revolution mit einer politischen Seele" ist nichts als eine Paraphrase von dem, was man sonst eine „politische Revolution" oder eine „Revolution schlechthin" nannte. Jede Revolution löst die alte Gesellschaft auf; insofern ist sie sozial. Jede Revolution stürzt die alte Gewalt; insofern ist sie politisch. Der „Preuße" wähle zwischen der Paraphrase und dem Unsinn! So paraphrastisch oder sinnlos aber eine soziale Revolution mit einer politischen Seele, ebenso vernünftig ist eine politische Revolution mit einer sozialen Seele. Die Revolution überhaupt - der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse - ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er der Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck»seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg. So vieler Weitläufigkeiten bedurfte es, um das Gewebe von Irrtümern, die sich in eine einzige Zeitungsspalte verstecken, zu zerreißen. Nicht alle Leser können die Bildung und die Zeit besitzen, sich Rechenschaft über solche literarische Scharlatanerie abzulegen. Hat also der anonyme „Preuße" dem lesenden Publikum gegenüber nicht die Verpflichtung, vorläufig aller Schriftstellerei in politischer und sozialer Hinsicht, wie den Deklamationen über die deutschen Zustände zu entsagen, und vielmehr mit einer gewissenhaften Selbstverständigung über seinen eigenen Zustand zu beginnen?
Paris, den 3I.Juli 1844 Karl Marx

FRIEDRICH ENGELS
1839-1844

Friedrich Engels
Briefe aus dem WuppertalC1711
I
[„Telegraph für Deutschland" Nr. 49 vom März 1839] Bekanntlich begreift man unter diesem bei den Freunden des Lichtes11721 sehr verrufenen Namen die beiden Städte Elberfeld und Barmen, die das Tal in einer Länge von fast drei Stunden einnehmen. Der schmale Fluß ergießt bald rasch, bald stockend seine purpurnen Wogen zwischen rauchigen Fabrikgebäuden und garnbedeckten Bleichen hindurch; aber seine hochrote Farbe rührt nicht von einer blutigen Schlacht her, denn hier streiten nur theologische Federn und wortreiche alte Weiber gewöhnlich um des Kaisers Bart; auch nicht von Scham über das Treiben der Menschen, obwohl dazu wahrlich Grund genug vorhanden ist, sondern einzig und allein von den vielen Türkischrot-Färbereien. Kommt man von Düsseldorf her, so tritt man bei Sonnborn in das heilige Gebiet; die Wupper kriecht träg und verschlammt vorbei und spannt durch ihre jämmerliche Erscheinung, dem eben verlassenen Rheine gegenüber, die Erwartungen bedeutend herab. Die Gegend ist ziemlich anmutig; die nicht sehr hohen, bald sanft steigenden, bald schroffen Berge, über und über waldig, treten keck in die grünen Wiesen hinein, und bei schönem Wetter läßt der blaue, in der Wupper sich spiegelnde Himmel ihre rote Farbe ganz verschwinden. Nach einer Biegung um einen Abhang sieht man die verschrobenen Türme Elberfelds (die demütigen Häuser verstecken sich hinter den Gärten) dicht vor sich, und in wenigen Minuten ist das Zion der Obskuranten erreicht. Fast noch außerhalb der Stadt stößt man auf die katholische Kirche; sie steht da, als wäre sie verbannt aus den heiligen Mauern. Sie ist im byzantinischen Stil nach einem sehr guten Plan von einem sehr unerfahrenen Baumeister sehr schlecht ausgeführt; die alte katholische Kirche ist abgebrochen, um dem linken noch nicht gebauten Flügel des Rathauses Platz zu machen; nur der Turm ist stehengeblieben und dient dem allgemeinen Wohl auf seine Art, nämlich als Gefängnis. Gleich darauf kömmt man an ein großes Gebäude - auf Säulen ruht sein Dach, aber diese Säulen sind
von ganz merkwürdiger Beschaffenheit; ihrer Dicke nach sind sie unten ägyptisch, in der Mitte dorisch und oben ionisch, und außerdem verachten sie alles überflüssige Beiwerk, als Piedestal und Kapital, aus sehr triftigen Gründen. Dieses Gebäude hieß früher das Museum; die Musen aber blieben weg, und eine große Schuldenlast blieb da, so daß vor einiger Zeit das Gebäude verauktioniert wurde und den Namen Kasino annahm, der auch, um alle Erinnerungen an den ehemaligen poetischen Namen zu entfernen, auf das leere Frontispice gesetzt wurde. Übrigens ist das Gebäude so plump in allen Dimensionen, daß man es abends für ein Kamel hält. Von nun an beginnen die langweiligen, charakterlosen Straßen; das schöne neue Rathaus, erst halb vollendet, ist aus Mangel an Raum so verkehrt gesetzt, daß die Fronte nach einer engen, häßlichen Gasse geht. Endlich gelangt man wieder an die Wupper, und eine schöne Brücke zeigt, daß man nach Barmen kommt, wo wenigstens auf architektonische Schönheit mehr gegeben wird. Sowie die Brücke passiert ist, nimmt alles einen freundlicheren Charakter an; große, massive Häuser in geschmackvoller, moderner Bauart vertreten die Stelle jener mittelmäßigen Elberfelder Gebäude, die weder altmodisch noch modern, weder schön noch karikiert sind; überall entstehen neue, steinerne Häuser, das Pflaster hört auf, und ein grader chaussierter Weg, an beiden Seiten bebaut, setzt die Straße fort. Zwischen den Häusern sieht man auf die grünen Bleichen; die hier noch klare Wupper, und die sich dicht herandrängenden Berge, welche durch leicht geschwungene Umrisse und durch mannigfaltige Abwechselung von Wäldern, Wiesen und Gärten, aus denen überall rote Dächer hervorschauen, die Gegend immer anmutiger machen, je weiter man kommt. Halbweg der Allee sieht man gegen die Fronte der etwas zurückliegenden Unterbarmer Kirche; sie ist das schönste Gebäude des Tals, im edelsten byzantinischen Stil sehr gut ausgeführt. Bald aber tritt das Pflaster wieder ein, die grauen Schieferhäuser drängen sich eins an das andre; doch herrscht hier weit mehr Abwechselung als in Elberfeld, indem bald eine frische Bleiche, bald ein modernes Haus, bald ein Stückchen vom Fluß, bald eine Reihe Gärten dicht an der Straße das ewige Einerlei unterbrechen. Dadurch bleibt man im Zweifel, ob man Barmen für eine Stadt oder für ein bloßes Konglomerat von allerlei Gebäuden halten soll; auch ist es nur eine Vereinigung vieler Ortschaften, die durch das Band städtischer Institutionen zusammengehalten werden. Die bedeutendsten dieser Ortschaften sind: Gemarke, von jeher der Mittelpunkt reformierter Konfession; Unterbarmen, nach Elberfeld zu, unweit Wupperfeld, oberhalb Gemarke, und noch weiter Rittershausen, welches links Wichlinghausen und rechts Hekinghausen mit dem wunderschönen Rauhental neben sich hat; alle lutherisch in zwei Kir
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1939. M ä t Jß 49.
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Seite der Zeitschrift „Telegraph für Deutschland" mit dem Anfang der „Briefe aus dem Wuppertal" von Friedrich Engels

chen[173:l; die Katholiken, zwei- bis dreitausend höchstens, sind im ganzen Tal zerstreut. Nachdem der Durchreisende nun Rittershausen passiert hat, verläßt er am Ende der Welt das Bergische und tritt durch den Schlagbaum in das altpreußische, westfälische Gebiet ein. Das ist die äußere Erscheinung des Tals, die im allgemeinen, mit Ausnahme der trübseligen Straßen Elberfelds, einen sehr freundlichen Eindruck macht; daß dieser aber für die Bewohner verlorengegangen ist, zeigt die Erfahrung. Ein frisches, tüchtiges Volksleben, wie es fast überall in Deutschland existiert, ist hier gar nicht zu spüren; auf den ersten Anblick scheint es freilich anders, denn man hört jeden Abend die lustigen Gesellen durch die Straßen ziehen und ihre Lieder singen, aber es sind die gemeinsten Zotenlieder, die je über branntweinentflammte Lippen gekommen sind; nie hört man eins jener Volkslieder, die sonst in ganz Deutschland bekannt sind und auf die wir wohl stolz sein dürfen. Alle Kneipen sind, besonders Sonnabend und Sonntag, überfüllt, und abends um elf Uhr, wenn sie geschlossen werden, entströmen ihnen die Betrunkenen und schlafen ihren Rausch meistens im Chausseegraben aus. Die gemeinsten unter diesen sind die sogenannten Karrenbinder, ein gänzlich demoralisiertes Volk, ohne Obdach und sichern Erwerb, die mit Tagesanbruch aus ihren Schlupfwinkeln, Heuböden, Ställen etc. hervorkriechen, wenn sie nicht auf Düngerhaufen oder den Treppen der Häuser die Nacht überstanden hatten. Durch Beschränkung ihrer früher unbestimmten Zahl ist diesem Wesen von der Obrigkeit jetzt einigermaßen ein Ziel gesetzt worden.
[„Telegraph für Deutschland" Nr. 50 vom März 1839] Die Gründe dieses Treibens liegen auf der Hand. Zuvörderst trägt das Fabrikarbeiten sehr viel dazu bei. Das Arbeiten in den niedrigen Räumen, wo die Leute mehr Kohlendampf und Staub einatmen als Sauerstoff, und das meistens schon von ihrem sechsten Jahre an, ist grade dazu gemacht, ihnen alle Kraft und Lebenslust zu rauben. Die Weber, die einzelne Stühle in ihren Häusern haben, sitzen vom Morgen bis in die Nacht gebückt dabei und lassen sich yom heißen Ofen das Rückenmark ausdörren. Was von diesen Leuten dem Mystizismus nicht in die Hände gerät, verfällt ins Branntweintrinken. Dieser Mystizismus muß in der frechen und widerwärtigen Gestalt, wie er dort herrscht, notwendig das entgegengesetzte Extrem hervorrufen, und daher kommt es hauptsächlich, daß das Volk dort nur aus „Feinen" (so heißen die Mystiker) und liederlichem Gesindel besteht. Schon diese Spaltung in zwei feindselige Parteien wäre, abgesehn von der Beschaffenheit derselben, allein imstande, die Entwicklung alles Volksgeistes zu zerstören, und was ist
da zu hoffen, wo auch das Verschwinden der einen Partei nichts helfen würde, weil beide gleich schwindsüchtig sind? Die wenigen kräftigen Gestalten, die man dort sieht, sind fast nur Schreiner oder andre Handwerker, die alle aus fremden Gegenden her sind; unter den eingebornen Gerbern sieht man auch kräftige Leute, aber drei Jahre ihres Lebens reichen hin, sie körperlich und geistig zu vernichten; von fünf Menschen sterben drei an der Schwindsucht, und alles das kommt vom Branntweintrinken. Dies aber hätte wahrlich nicht auf eine so furchtbare Weise überhandgenommen, wenn nicht der Betrieb der Fabriken auf eine so unsinnige Weise von den Inhabern gehandhabt würde und wenn der Mystizismus nicht in der Art bestände, wie er besteht und wie er immer mehr um sich zu greifen droht. Aber es herrscht ein schreckliches Elend unter den niedern Klassen, besonders den Fabrikarbeitern im Wuppertal; syphilitische und Brustkrankheiten herrschen in einer Ausdehnung, die kaum zu glauben ist; in Elberfeld allein werden von 2500 schulpflichtigen Kindern 1200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt. Die reichen Fabrikanten aber haben ein weites Gewissen, und ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt keine Pietistenseele in die Hölle, besonders wenn sie alle Sonntage zweimal in die Kirche geht. Denn das ist ausgemacht, daß unter den Fabrikanten die Pietisten am schlechtesten mit ihren Arbeitern umgehen, ihnen den Lohn auf alle mögliche Weise verringern, unter dem Vorwande, ihnen Gelegenheit zum Trinken zu nehmen, ja bei Predigerwahlen immer die ersten sind, die ihre Leute bestechen. In den niedern Ständen herrscht der Mystizismus am meisten unter den Handwerkern (zu denen ich die Fabrikanten nicht rechne). Es ist ein trauriger Anblick, wenn man solch einen Menschen, gebückten Ganges, in einem langen, langen Rock, das Haar auf Pietistenart gescheitelt, über die Straßen gehen sieht. Aber wer dies Geschlecht wahrhaft kennen will, der muß in eine pietistische Schmiede- oder Schusterwerkstatt eintreten. Da sitzt der Meister, rechts neben ihm die Bibel, links, wenigstens sehr häufig - der Branntwein. Von Arbeiten ist da nicht viel zu sehen; der Meister liest fast immer in der Bibel, trinkt mitunter eins und stimmt zuweilen mit dem Chore der Gesellen ein geistlich Lied an; aber die Hauptsache ist immer das Verdammen des lieben Nächsten. Man sieht, diese Richtung ist hier dieselbe wie überall. Ihre Bekehrungswut bleibt auch nicht ohne Früchte. Besonders werden viele gottlose Säufer etc. bekehrt, meist auf wunderbare Weise. Aber das hat sich wohl; diese Proselyten sind alle entnervte, geistlose Menschen, die zu überzeugen eine Kleinigkeit ist; diese bekehren sich, lassen sich jede Woche mehrere Male
zu Tränen rühren und treiben ihr ehemaliges Leben im geheimen fort. Vor mehreren Jahren kam diese Wirtschaft einmal ans Tageslicht, zum Schrecken aller Mucker. Es fand sich nämlich ein amerikanischer Spekulant unter dem Namen Pastor Jürgens ein; er predigte mehrere Male und hatte sehr viel Zulauf, weil die meisten Leute glaubten, er müsse als Amerikaner notwendig braun oder gar schwarz sein. Aber wie erstaunten sie, als er nicht nur ein Weißer war, sondern auch dergestalt predigte, daß die ganze Kirche in Tränen zerfloß; das hatte übrigens seinen Grund darin, daß er selbst, wenn alle Mittel der Rührung fehlschlugen, zu wimmern anfing. Nun war eine Stimme des Staunens unter den Gläubigen; zwar opponierten einige Vernünftige, aber da wurden sie recht als Gottlose verschrieen; bald hielt Jürgens Konventikel, bekam reiche Geschenke von seinen angesehnen Freunden und lebte herrlich und in Freuden. Seine Predigten wurden so stark besucht wie keine andern; seine Konventikel waren überfüllt, jedes seiner Worte ließ Männer und Weiber weinen. Jetzt glaubten alle, er sei zum wenigsten ein halber Prophet und werde das neue Jerusalem bauen, aber auf einmal war der Spaß vorbei. Es wird plötzlich offenbar, was für Dinge in seinen Konventikeln getrieben werden; Herr Jürgens wird festgesetzt und hat ein paar Jahre in Hamm auf dem Inquisitoriat Buße getan für seine Frömmigkeit. Nachher ist er mit dem Versprechen der Besserung entlassen und wieder nach Amerika spediert worden. Auch erfuhr man, daß er seine Künste schon in Amerika angewandt, deshalb von da weitergeschickt, in Westfalen schon, um nicht aus der Übung zu kommen, eine Repetition angestellt, wo er aus Gnade oder vielmehr Schwachheit der Behörden ohne weitere Nachforschungen entlassen, und sodann in Elberfeld seinem liederlichen Leben durch nochmalige Wiederholung die Krone aufgesetzt. Als nun offenbar wurde, was da war geschehen in den Versammlungen dieses Edlen, siehe, da erhob sich wider ihn alles Volk, und war keiner, der etwas von ihm wissen wollte; sie sind alle von ihm abgefallen, vom Libanon bis an das Salzmeer, das heißt vom Rittershauser Berg bis an das Wehr zu Sonnborn in der Wupper.
[„Telegraph für Deutschland" Nr. 51 vom März 1839] Der eigentliche Mittelpunkt alles Pietismus und Mystizismus ist aber die reformierte Gemeinde in Elberfeld. Von jeher zeichnete sie sich durch streng calvinistischen Geist aus, der in den letzten Jahren durch die Anstellung der bigottesten Prediger - jetzt wirtschaften ihrer viere zugleich dort - zur schroffsten Intoleranz geworden ist und dem papistischen Sinn wenig nachsteht. Da werden komplette Ketzergerichte in den Versammlungen gehalten; da wird der Wandel eines jeden, der diese nicht besucht, rezensiert, da heißt es: Der
und der liest Romane, auf dem Titel steht zwar christlicher Roman, aber der Pastor Krummacher hat gesagt, Romanenbücher seien gottlose Bücher; oder der und der schiene doch auch vor dem Herrn zu wandeln, aber er ist vorgestern im Konzert gesehen - und sie schlagen die Hände über dem Kopf zusammen vor Schreck über die greuliche Sünde. Und steht nun erst ein Prediger im Ruf eines Rationalisten (darunter verstehen sie jeden, der nicht mit ihrer Ansicht aufs Haar übereinstimmt), so wird der hergenommen, und sie sehen genau zu, ob sein Rock auch ganz schwarz und seine Hose recht von orthodoxer Farbe war; und wehe ihm, wo er sich in einem etwas ins Blaue fallenden Rock oder mit einer rationalistischen Weste betreten läßt! Kommt nun gar einer, der die Prädestination nicht glaubt, so heißt's gleich: Der ist beinahe so schlimm als ein Lutheraner, ein Lutheraner ist nicht viel besser als ein Katholik, ein Katholik und ein Götzenanbeter aber ist von Natur verdammt. Und was sind das für Leute, die so reden? Unwissendes Volk, die kaum wissen, ob die Bibel chinesisch oder hebräisch oder griechisch geschrieben, und nach den Worten eines einmal als orthodox anerkannten Predigers alles beurteilen, es mag dahin gehören oder nicht. Dieser Geist war vorhanden, seit die Reformation hier die Oberhand bekam, blieb aber unbeachtet, bis der vor einigen Jahren verstorbene Prediger G. D. Krummacher an eben dieser Gemeinde anfing, ihn recht zu hegen und zu pflegen; bald war der Mystizismus in der schönsten Blüte, aber K. starb, ehe die Frucht reif wurde; dies ist erst geschehen, seit sein Bruderssohn, Dr. Friedrich Wilhelm Krummacher, die Lehre so scharf ausgebildet und bestimmt hat, daß man nicht weiß, ob man das Ganze für Unsinn oder für Blasphemie halten soll. Nun, die Frucht ist reif; es wird sich keiner verstehen, sie zu pflücken, und so wird sie wohl mit der Zeit elendiglich faul abfallen müssen. Gottfried Daniel Krummacher, Bruder des durch seine Parabeln bekannten Dr. F. A. Krummacher in Bremen, starb vor etwa drei Jahren in Elberfeld nach einer sehr langen Amtstätigkeit, Als vor mehr als zwanzig Jahren in Barmen ein Prediger die Prädestination nicht ganz so scharf wie er von der Kanzel lehrte, fingen sie, unter dem Vorwande, solch eine ungläubige Predigt sei gar keine, an, in der Kirche zu rauchen, Lärm zu machen und ihn am Predigen zu verhindern, so daß die Obrigkeit sich genötigt sah, einzuschreiten. Da schrieb Krummacher einen entsetzlich groben Brief an den Barmer Magistrat, wie Gregor VII. an Heinrich IV. geschrieben haben würde1174-1, und befahl, die Mucker ungeschoren zu lassen, da sie nur ihr teures Evangelium verteidigten; auch predigte er davon. Er wurde aber nur verlacht. Dies bezeichnet seinen Geist, den er bis an sein Ende bewahrt hat. Übrigens war er von so merkwürdigen Sitten, daß tausend Anekdoten von ihm zirkulieren,
nach denen man ihn entweder für einen kuriosen Sonderling oder einen herzlich groben Menschen halten muß. Dr. Friedrich Wilhelm Krummacher, ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, groß, stark, von imposanter Gestalt, doch nimmt er, seitdem er in Elberfeld ist, einen nicht unbedeutenden körperlichen Umfang an. Sein Haar trägt er auf ganz absonderliche Weise, worin ihm alle seine Anhänger nachahmen, wer weiß, vielleicht wird es noch einmal Mode, die Haare a la Krummacher zu tragen; doch würde diese Mode alle frühern, sogar die der Puderperücken, an Abgeschmacktheit übertreffen. Als Student war er Mitarbeiter an der turnenden Demagogie1175-1, schrieb Freiheitslieder, trug auf dem Wartburgfestecl76] eine Fahne und hielt eine Rede, die großen Eindruck gemacht haben soll. Dieser flotten Jahre gedenkt er noch häufig auf der Kanzel mit den Worten: Als ich noch unter den Hethitern und Kananitern war. Später wurde er in Barmen von der reformierten Gemeinde zum Pfarrer gewählt, und seine eigentliche Reputation datiert sich erst von dieser Zeit. Kaum war er da, so rief er schon durch seine Lehre der strengen Prädestination eine Spaltung nicht nur zwischen Lutheranern und Reformierten, sondern auch unter letztern zwischen strengen und gelinden Prädestinatianern hervor. Einmal kam ein alter steifer Lutheraner ein wenig angetrunken aus einer Gesellschaft und mußte über eine baufällige Brücke gehen. Das mochte ihm in seinem Zustande doch etwas gefährlich dünken, und so begann er zu reflektieren: Gehst du hinüber, und es geht gut, so ist's gut, geht es aber nicht gut, dann fällst du in die Wupper, und dann sagen die Reformierten, es hätte so sein sollen; nun soll es aber nicht so sein. Er kehrte also um, suchte eine seichte Stelle, und an dieser watete er, bis an den Leib im Wasser, hindurch, mit dem seligen Gefühl, die Reformierten eines Triumphes beraubt zu haben. Als in Elberfeld eine Stelle vakant wurde, wählte man Krummacher dahin, und in Barmen schwand alsbald aller Zwist, während er in Elberfeld noch weit stärker erregt wurde. Schon Krummachers Antrittspredigt erzürnte die einen und begeisterte die andern; der Zwist steigerte sich immer mehr, besonders da bald jeder Prediger, wenn auch alle dieselben Ansichten hatten, eine eigne Partei bekam, die sein einziges Auditorium ausmachte. Später wurde man der Sache überdrüssig, und das ewige Schreien: Ich bin krummacherisch, ich bin kohlisch etc. fiel weg, nicht aus Liebe zum Frieden, sondern weil die Parteien sich immer bestimmter schieden. Krummacher ist unleugbar ein Mann von ausgezeichnetem rhetorischen, auch poetischen Talent; seine Predigten sind nie langweilig, ihr Zusammenhang ist sicher und natürlich; vorzüglich stark ist er in dunkelschattigen Schil
derungen - seine Schilderung der Hölle ist stets neu und kühn, wie oft sie auch vorkommt - und in Antithesen. Dagegen hält er sich wieder sehr häufig an der biblischen Phraseologie und an den darin gegebenen Bildern, die, wenn auch ihre Anwendung meistens geistreich ist, zuletzt doch sich wiederholen müssen; dazwischen trifft man denn wieder ein höchst prosaisches Bild aus dem gewöhnlichen Leben oder eine Erzählung aus seinen eignen Schicksalen und seinen unbedeutendsten Erfahrungen. Alles bringt er auf die Kanzel, es mag passen oder nicht; eine Reise nach Württemberg und der Schweiz hat er neulich in zwei Predigten seinen andächtigen Zuhörern zum besten gegeben, darin sprach er von seinen siegreichen vier Disputationen mitPaulus in Heidelberg und Strauß in Tübingen, freilich ganz anders, als Strauß sich in einem Briefe darüber ausdrückt. - Seine Deklamation ist stellenweise sehr gut und seine gewaltsame, handgreifliche Gestikulation oft ganz passend angebracht; zuweilen aber über alle Begriffe manieriert und abgeschmackt. Dann rennt er in allen Richtungen auf der Kanzel umher, beugt sich nach allen Seiten, schlägt auf den Rand, stampft wie ein Schlachtroß und schreit dazu, daß die Fenster klirren und die Leute auf der Straße zusammenfahren. Da beginnen denn die Zuhörer zu schluchzen; zuerst weinen die jungen Mädchen, die alten Weiber fallen mit einem herzzerschneidenden Sopran ein, die entnervten Branntweinpietisten, denen seine Worte durch Mark und Bein gehen würden, wenn sie noch Mark in den Knochen hätten, vollenden die Dissonanz mit ihren Jammertönen, und dazwischen tönt seine gewaltige Stimme durch all das Heulen hin, mit der er der ganzen Versammlung unzählige Verdammungsurteile oder diabolische Szenen vormalt.
[„Telegraph für Deutschland" Nr. 52 vom März 1839] Und nun gar seine Lehre! Man begreift nicht, wie ein Mensch dergleichen, was mit der Vernunft und der Bibel im direktesten Widerspruch steht, glauben kann. Demungeachtet hat Krummacher die Doktrin so scharf ausgeprägt und in allen Konsequenzen verfolgt und festgehalten, daß man nichts verwerfen kann, sobald die Grundlage zugegeben ist, nämlich die Unfähigkeit des Menschen, aus eigner Kraft das Gute zu wollen, geschweige zu tun. Daraus folgt die Notwendigkeit einer Befähigung von außen, und da der Mensch das Gute nicht einmal wollen kann, so muß ihm Gott diese Befähigung aufdringen. Aus dem freien Willen Gottes folgt nun die willkürliche Verleihung derselben, die sich auch, wenigstens scheinbar, auf die Schrift stützt. - Auf solcher Konsequenzmacherei beruht die ganze Lehre; die wenigen Erwählten werden nolentes, volentes1 selig, die andern werden also ver
1 ob sie wollen oder nicht
dämmt, auf ewig. „Auf ewig?-Ja, auf ewig!!" (Krummacher). Ferner steht geschrieben: Niemand kommt zum Vater, denn durch mich; die Heiden können aber nicht durch Christum zum Vater kommen, weil sie Christum nicht kennen, also sind sie alle bloß da, um die Hölle zu füllen. - Unter den Christen sind viele berufen und wenige auserwählt; die vielen Berufenen sind aber nur zum Schein berufen, und Gott hütete sich wohl, sie so stark zu berufen, daß sie Folge leisteten, alles zur Ehre Gottes und auf daß sie keine Entschuldigung haben. Dann steht auch geschrieben: Die Weisheit Gottes ist den Klugen dieser Welt eine Torheit; dies ist für die Mystiker ein Befehl, ihren Glauben recht unsinnig auszubilden, damit doch ja dieser Spruch in Erfüllung gehe. Wie das alles mit der Lehre der Apostel stimmt, die vom vernünftigen Gottesdienst und vernünftiger Milch des Evangeliums sprechen, das ist ein Geheimnis, das der Vernunft zu hoch ist. Solche Lehren verderben alle Krummacherschen Predigten; die einzigen, in denen sie nicht so stark hervortreten, sind die Stellen, wo er von dem Gegensatz der irdischen Üppigkeit und der Niedrigkeit Christi oder des Stolzes der weltlichen Fürsten und Gottes spricht. Da bricht sehr häufig noch ein Strahl von seiner frühern Demagogie durch, und redete er dann nicht so allgemein, so würde die Regierung nicht dazu schweigen. Der ästhetische Wert seiner Predigten wird nur von sehr wenigen in Elberfeld gewürdigt; denn wenn man seine drei Kollegen, die fast alle ein gleich starkes Auditorium haben, gegen ihn hält, so erscheint er als Eins, die andern als lauter Nullen dahinter, die nur dazu dienen, seinen Wert zu erhöhen. Die älteste dieser Nullen heißt Kohl, dessen Name zugleich seine Predigten bezeichnet; die zweite Hermann, kein Nachkomme dessen1, dem sie jetzt ein Denkmal setzen, das die Geschichte und den Tacitus überleben soll, die dritte Ball - nämlich Krummachers Spielball; alle drei höchst orthodox und in den Predigten Nachtreter der schlechten Seiten Krummachers. Lutherische Pfarrer in Elberfeld sind: Sander und Hülsmann, die früher, als ersterer noch in Wichlinghausen stand und in den bekannten Streit mit Hülsmann in Dahle, jetzt in Lennep, dem Bruder von Sanders jetzigem Kollegen, verwickelt war, sich wütend in den Haaren lagen. In ihrer jetzigen Stellung benehmen sich beide würdig gegeneinander, die Pietisten aber suchen die Zwietracht wieder hervorzulocken, indem sie Hülsmann immer allerlei Vergehen gegen Sander vorzuwerfen haben. Der dritte im Bunde ist Döring, dessen Zerstreutheit sehr originell ist; er kann keine drei Sätze im Zusammenhang sprechen, dagegen aus drei Teilen einer Predigt
1 Arminius
vier machen, indem er einen wörtlich wiederholt, ohne das geringste zu merken. Probatum est.1 Von seinen Gedichten wird später die Rede sein. Unter den Barmer Predigern ist nicht viel Unterschied; alle streng orthodox, mit mehr oder weniger pietistischer Beimischung. Nur Stier in Wichlinghausen ist einigermaßen bemerkenswert. Jean Paul soll ihn als Knaben gekannt und ausgezeichnete Anlagen in ihm entdeckt haben. Er war als Pfarrer in Frankleben bei Halle angestellt und gab in dieser Zeit mehrere poetische und prosaische Schriften heraus, eine Verbesserung des Lutherschen Katechismus, ein Surrogat für denselben, und ein Hülfsbüchlein dazu für stupide Lehrer, nicht weniger auch ein Werklein über die Gesangbuchsnot in der Provinz Sachsen, welches von der „Evangelischen Kirchenzeitung" ausnehmend belobt wurde und wenigstens vernünftigere Ansichten über Kirchenlieder enthielt, als man im gesegneten Wuppertal vernimmt, wenn auch noch mancher unbegründete Machtsprüch darin vorkommt. Seine Gedichte sind höchst langweilig, auch hat er sich das Verdienst erworben, einige heidnische Gedichte Schillers für die Orthodoxen genießbar zu machen. Zum Beispiel aus den „Göttern Griechenlands":
Da ihr noch die eitle Welt regiertet, An der Sünde trügerischem Band, Lange Zeit manch Menschenalter führtet, Leere Wesen aus dem Fabelland! Ach, da euer Sünderdienst noch glänzte, Wie ganz anders, anders war es da! Da man deine Tempel noch bekränzte, Venus Amathusia! Wirklich sehr geistreich, ja wahrhaft mystisch! Seit einem halben Jahre ist Stier in Wichlinghausen an Sanders Stelle, hat die Barmer Literatur indes noch nicht bereichert. Ein Ort bei Elberfeld, Langenberg, gehört seinem ganzen Wesen nach noch zum Wuppertal. Dieselbe Industrie wie dort, derselbe pietistische Geist. Dort steht Emil Krummacher, Bruder des Friedrich Wilhelm; er ist nicht so schroffer Prädestinatianer wie dieser, ahmt ihm aber sehr nach, wie diese Stelle seiner letzten Weihnachtspredigt zeigt:
„Mit den irdischen Leibern sitzen wir hier zwar noch auf den hölzernen Bänken, aber unsre Geister schwingen sich mit Millionen Gläubigen auf den heiligen Berg, und nachdem sie dort das Jauchzen der himmlischen Heerscharen vernommen, gehen sie hinab in das arme Bethlehem. Und was erblicken sie da? Zuerst einen armen Stall,
1 Es ist erwiesen.
und in dem armen, armen Stall eine arme Krippe, und in; der armen Krippe armes, armes Heu und Stroh, und auf dem armen, armen Heu und Stroh liegt wie das arme Kind eines Bettlers in armen Windeln der reiche Herr der Welt," Nun wäre wohl das Missionshaus noch zu besprechen, aber die in diesen Blättern schon früher erwähnten „Harfenklänge"1177-1 eines Exmissionärs geben genügend Zeugnis davon, was für ein Geist dort herrscht. Der Inspektor desselben, Dr. Richter,, ist übrigens ein gelehrter Mann, bedeutender Orientalist und Naturforscher, gibt auch eine „erklärte Hausbibel" heraus. Das ist das Treiben der Pietisten im Wuppertal; man begreift nicht, daß zu unsrer Zeit dergleichen noch aufkommen kann; aber es scheint doch, als könne auch dieser Fels des alten Obskurantismus dem rauschenden Strom der Zeit nicht mehr widerstehen; der Sand wird weggespült, der Fels stürzt und tut einen großen Fall.
II [„Telegraph für Deutschland" Nr. 57 vom April 1839] In einer Gegend, die so von Pietisterei erfüllt ist, versteht es sich von selbst, daß diese, nach allen Seiten sich ausdehnend, jede einzelne Richtung des Lebens durchdringt und verdirbt. Ihre Hauptgewalt übt sie aus auf das Unterrichtswesen, vor allem auf die Volksschulen. Der eine Teil von diesen liegt ganz in ihren Händen; es sind dies die kirchlichen Schulen, deren jede Gemeinde eine hat. Freier schon, doch auch noch immer unter Aufsicht des kirchlichen Scholarchats, stehen die übrigen Volksschulen da, auf die die Zivilverwaltung einen bedeutenderen Einfluß hat. Und da liegen die hindernden Einwirkungen des Mystizismus auf der Hand; denn während die kirchlichen Schulen noch immer, wie weiland unter dem hochseligen Kurfürsten Karl Theodor, außer Lesen, Schreiben und Rechnen nur den Katechismus ihren Schülern einprägen, werden auf den andern doch die Anfangsgründe einiger Wissenschaften, auch etwas Französisch gelehrt, und viele der Schüler, dadurch angeregt, suchen sich, auch wenn sie die Schule schon verlassen, weiter fortzubilden. Diese Schulen sind in einem starken Fortschreiten begriffen und haben seit dem Eintritte des preußischen Gouvernements die kirchlichen, hinter denen sie damals sehr zurückstanden, weit überholt. Die kirchlichen Schulen werden aber viel stärker besucht, da sie weit weniger Kosten machen und viele Eltern ihre Kinder teils aus Anhänglichkeit, teils weil sie in dem Fortschreiten der Kinder ein Überhandnehmen des weltlichen Sinnes sehen, immer noch dahin schicken. Von höheren Lehranstalten ernährt das Wuppertal drei; die Stadtschule in Barmen, die Realschule in Elberfeld und das Gymnasium daselbst.
Die Barmer Stadtschule, sehr schwach dotiert und deshalb sehr schlecht mit Lehrern besetzt, tut indes alles, was in ihren Kräften steht. Sie liegt ganz in den Händen eines beschränkten, knickerigen Kuratoriums, das meist auch nur Pietisten zu Lehrern wählt. Der Direktor, der dieser Richtung auch nicht fremd ist, versieht sein Amt indes nach festen Prinzipien und weiß sehr geschickt jedem Lehrer seine Stelle anzuweisen. Auf ihn folgt Herr Johann Jakob Ewich, der nach einem guten Lehrbuche gut unterrichten kann und im Geschichtsunterricht eifriger Anhänger des Nösseltschen Anekdotensystems ist. Er ist Verfasser vieler pädagogischer Schriften, deren größte, d.h. dem Umfange nach, den Titel führt: „Human", Wesel bei Bagel, zwei Bände, 40 Bogen, Preis 1 Reichstaler. Alle sind voll hoher Ideen, frommer Wünsche und unausführbarer Vorschläge. Man sagt, seine pädagogische Praxis solle hinter der schönen Theorie weit zurückstehn. Dr. Philipp Schifflin, zweiter Oberlehrer, ist der tüchtigste Lehrer der Schule. Vielleicht ist keiner in Deutschland so tief in die grammatische Struktur des modernen Französischen eingedrungen wie er. Er ging nicht vom Altromanischen aus, sondern faßte die klassische Sprache des vorigen Jahrhunderts, besonders Voltaires, auf und ging von dieser zum Stil der neuesten Autoren über. Die Resultate seiner Forschungen liegen in seiner „Anleitung zur Erlernung der französischen Sprache, in drei Cursen", vor, von denen der erste und zweite schon in mehreren Auflagen erschienen und der dritte jetzt zu Ostern herauskömmt. Dies ist ohne Zweifel neben der Knebeischen die beste französische Sprachlehre, die wir besitzen; sie fand gleich beim Auftreten des ersten Kursus ungemessenen Beifall und erfreut sich schon jetzt einer fast beispiellosen Verbreitung durch ganz Deutschland, bis nach Ungarn und den russischen Ostseeprovinzen hin. Die übrigen Lehrer sind junge Seminaristen, von denen sich einige tüchtig herangebildet haben, andre aber mit einem Chaos von allerlei Wissenschaften schwanger gehen. Der beste von diesen jungen Lehrern war Herr Köster, Freiligraths Freund, von dem ein Abriß der Poetik in einem Programme steht, worin er die didaktische Poesie ganz ausschloß und die ihr gewöhnlich zugeteilten Gattungen der Epik oder Lyrik unterordnete; der Aufsatz zeugte von Einsicht und Klarheit. Er wurde nach Düsseldorf berufen, und da die Herren vom Kuratorium ihn als Gegner aller Pietisterei kannten, ließen sie ihn sehr gerne ziehen. Den Gegensatz zu ihm bildet ein anderer Lehrer, der auf die Frage eines Quartaners, wer Goethe gewesen sei, antwortete: „ein gottloser Mann". Die Elberfelder Realschule ist sehr gut fundiert und kann deshalb tüchtigere Lehrer wählen und einen vollständigeren Kursus einrichten. Dagegen
herrscht auf ihr jene fürchterliche Heftschreiberei, die einen Schüler in einem halben Jahre stumpf machen kann. Nebenbei ist von Direktion wenig zu spüren; der Direktor ist die Hälfte des Jahres verreist und betätigt seine Anwesenheit nur durch übertriebene Strenge. Mit der Realschule ist ,eine Gewerbschule verbunden, auf der die Schüler ihr halbes Leben verzeichnen. Von den Lehrern ist Herr Dr. Kruse bemerkenswert, der sechs Wochen in England war und ein Werklein über die englische Aussprache schrieb, welches sich durch seine ausgezeichnete Unbrauchbarkeit bemerklich macht; die Schüler stehen in einem sehr schlechten Rufe und sind die Veranlassung zu Diesterwegs Klagen über die Jugend Elberfelds. Das Gymnasium in Elberfeld ist in sehr bedrängten Verhältnissen, aber anerkannt eins der besten im preußischen Staat. Es ist Eigentum der reformierten Gemeinde, hat von ihrem Mystizismus wenig zu leiden, weil die Prediger sich nicht darum bekümmern und die Scholarchen nichts von Gymnasialsachen verstehen; desto mehr aber von ihrer Knauserei. Diese Herren haben nicht die geringste Idee von der Vorzüglichkeit der preußischen Gymnasialbildung, suchen der Realschule alles, Geld wie Schüler, zuzuwenden und werfen doch dem Gymnasium vor, daß es durch Schulgeld seine Auslagen nicht einmal decken könne. Es wird jetzt unterhandelt, daß die Regierung, der es sehr darum zu tun ist, das Gymnasium übernimmt; käme es nicht dazu, so müßte es in wenigen Jahren aus Mangel an Mitteln suspendiert werden. Die Lehrerwahlen liegen jetzt auch in den Händen der Scholarchen, Leute, die zwar einen Posten sehr korrekt ins Hauptbuch übertragen können, aber von Griechisch, Latein oder Mathematik keine Idee haben. Das Hauptprinzip ihrer Wahl ist: lieber einen reformierten Stümper als einen tüchtigen Lutheraner oder gar Katholiken zu wählen. Da aber unter den preußischen Philologen weit mehr Lutheraner als Reformierte sind, haben sie diesem Prinzipe fast nie recht folgen können. Dr. Hantschke, königlicher Professor und provisorischer Direktor, ist aus Luckau in der Lausitz, schreibt ein ciceronianisches Latein in Versen und Prosa, ist auch Verfasser mehrerer Predigten, pädagogischer Schriften und eines hebräischen Übungsbuches. Er wäre längst fester Direktor geworden, wenn er nicht lutherisch und das Scholarchat weniger geizig wäre. Dr. Eichhoff, zweiter Oberlehrer, schrieb mit seinem jüngeren Kollegen, Dr. Beltz, eine lateinische Grammatik, die aber in der „Allgemeinen Litteratur-Zeitung" von F. Haase nicht sehr günstig rezensiert wurde. Seine Hauptforce ist das Griechische. Dr. Clausen, dritter Oberlehrer, ohne Zweifel der tüchtigste Mann in der ganzen Schule, in allen Fächern bewandert, in der Geschichte und Literatur
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ausgezeichnet. Sein Vortrag ist von seltener Anmut; er ist der einzige, der den Sinn der Poesie in den Schülern zu wecken weiß, den Sinn, der sonst elendiglich verkümmern müßte unter den Philistern des Wuppertales. Als Schriftsteller ist er meines Wissens nur in einer Programm-Dissertation: „Pindaros der Lyriker" aufgetreten, die ihm einen großen Ruf unter den Gymnasiallehrern in und außerhalb Preußens gemacht haben soll. In den Buchhandel ist sie natürlich nicht gekommen. Diese drei Schulen sind erst seit 1820 eingerichtet worden; früher bestand nur in Elberfeld und Barmen je eine Rektoratschuletl78: und eine Menge von Privatinstituten, die keine gediegene Bildung geben konnten. Ihre Nachwirkungen sind noch an den älteren Kaufleuten Barmens zu spüren. Von Bildung - keine Idee; wer Whist und Billard spielen, etwas politisieren, ein gewandtes Kompliment machen kann, das ist in Barmen und Elberfeld ein gebildeter Mann. Es ist ein schreckliches Leben, was diese Menschen führen, und sie sind doch so vergnügt dabei; den Tag über versenken sie sich in die Zahlen ihrer Konti, und das mit einer Wut, mit einem Interesse, daß man es kaum glauben möchte; abends zur bestimmten Stunde zieht alles in die Gesellschaften, wo sie Karlen spielen, politisieren und rauchen, um mit dem Schlage neun nach Hause zurückzukehren. So geht es alle Tage, ohne Veränderung, und wehe dem, der ihnen dazwischenkömmt; er kann der ungnädigsten Ungnade aller ersten Häuser gewiß sein. - Die jungen Leute werden brav von ihren Vätern in die Schule genommen; sie lassen sich auch sehr gut an, ebenso zu werden. Ihre Unterhaltungsgegenstände sind ziemlich einförmig; die Barmer sprechen mehr von Pferden, die Elberfelder von Hunden; wenn's hoch kömmt, werden auch Schönheiten rezensiert oder es wird von Geschäftssachen geplappert, das ist alles. Alle halbe Jahrhundert sprechen sie auch von Literatur, unter welchem Namen sie Paul de Kock, Marryat, Tromlitz, Nestroy und Konsorten verstehen. In der Politik sind sie als sehr gute Preußen, weil sie unter preußischer Herrschaft stehen, a priori allem Liberalismus gar sehr zuwider, alles, solange es Sr. Majestät gefällt, ihnen den Code Napoleon1-68-1 zu lassen; denn mit ihm würde aller Patriotismus schwinden. Das Junge DeutschlandC55: kennt niemand in seiner literarischen Bedeutung; es gilt für eine geheime Verbindung, etwa wie die Demagogie, unter dem Vorsitze der Herren Heine, Gutzkow und Mündt. Einige der edlen Jünglinge haben wohl etwas von Heine gelesen, vielleicht die „Reisebilder" mit Übergehung der Gedichte darin, oder den „Denunzianten", aber von den übrigen herrschen nur dunkle Begriffe aus dem Munde der Pfarrer oder Beamten. Freiligrath ist den meisten persönlich bekannt und steht im Rufe eines guten Kameraden. Als er nach Barmen kam, wurde er von diesem grünen Adel (so
nennt er das junge Kaufmannsvolk) mit Besuchen überhäuft; bald aber hatte er ihren Geist erkannt und zog sich zurück; aber sie verfolgten ihn, lobten seine Gedichte und seinen Wein und strebten mit aller Gewalt darnach, mit einem Brüderschaft zu trinken, der etwas hatte drucken lassen; denn diesen Menschen ist ein Dichter nichts, aber ein Schriftsteller alles. Nach und nach brach Freiligrath allen Umgang mit diesen Menschen ab und verkehrt jetzt nur mit wenigen, nachdem Köster Barmen verlassen hat. Seine Prinzipale11791 haben sich in ihrer prekären Stellung immer sehr anständig und freundlich gegen ihn benommen; merkwürdigerweise ist er ein höchst exakter und fleißiger Kontorarbeiter. Über seine dichterischen Leistungen zu sprechen wäre sehr überflüssig, nachdem Dingelstedt, in dem „Jahrbuche der Literatur", und Carriere, in den Berliner „Jahrbüchern", ihn so genau beurteilt haben. Indes scheinen mir beide nicht genug beachtet zu haben, wie er bei allem Schweifen in die Ferne doch so sehr an der Heimat hängt. Darauf deuten die häufigen Anspielungen auf deutsche Volksmärchen, z.B. S.54, die Unkenkönigin, S.87, Snewittchencl80] u.a., denen S. 157 ein ganzes Gedicht („Im Walde") gewidmet ist, hin, die Nachahmung Uhlands (der Edelfalk, S.82, „Die Schreinergesellen", S.85, auch das erste der „Zwei Feldherrngräber" erinnert doch nur zu seinem Vorteile an ihn), dann „Die Auswanderer" und vor allem sein unübertrefflicher „Prinz Eugen". Auf diese wenigen Momente muß man desto mehr achten, je mehr Freiligrath in die entgegengesetzte Richtung sich verliert. Einen tiefen Blick in sein Gemüt eröffnet auch „Der ausgewanderte Dichter", besonders die Fragmente, die im „Morgenblatt" abgedruckt sind; darin fühlt er schon, wie er in der Ferne nicht heimisch werden kann, wenn er nicht in echt deutscher Dichtkunst wurzelt.
[„Telegraph für Deutschland" Nr. 59 vom April 1839] In der eigentlichen Wuppertaler Literatur nimmt die Journalistik die wichtigste Stelle ein. Obenan steht die „Elberfelder Zeitung", redigiert von Dr. Martin Runkel, die sich unter seiner einsichtsvollen Leitung einen bedeutenden und wohlverdienten Ruf erworben hat. Er übernahm die Redaktion, als zwei Zeitungen, die „Allgemeine" und „Provinzialzeitung", zu einer verschmolzen wurden; unter nicht sehr günstigen Auspizien entstand das Blatt; die „Barmer Zeitung" trat konkurrierend auf, aber Runkel hat es nach und nach durch Streben nach eigner Korrespondenz und durch seine leitenden Artikel zu einer der ersten Zeitungen des preußischen Staates gemacht. Sie fand zwar in Elberfeld, wo die leitenden Artikel nur von wenigen gelesen werden, wenig, auswärts aber desto mehr Anerkennung, wozu der Verfall der
„Preußischen Staats-Zeitung" auch das Seinige beigetragen haben mag. Die belletristische Beilage, „Intelligenzblatt", erhebt sich nicht über das Gewöhnliche. Die „Barmer Zeitung", deren Verleger, Redaktoren und Zensoren häufig wechselten, steht jetzt unter der Leitung von H. Püttmann, der zuweilen in der „Abendzeitung" rezensierend auftritt. Er möchte die Zeitung wohl gerne heben, aber durch des Verlegers wohlbegründete Kargheit sind ihm die Hände gebunden. Das Feuilleton mit einigen seiner Gedichte, Rezensionen oder Auszügen aus größeren Schriften angefüllt, tut's auch nicht. Der sie begleitende „Wuppertaler Lesekreis" nährt sich fast nur von Lewaids „Europa". Außer diesen erscheint noch der Elberfelder „Tägliche Anzeiger" nebst „Fremdenblatt", ein Kind der „Dorfzeitung", unübertrefflich in herzbrechenden Gedichten und schlechten Witzen, und das „Barmer Wochenblatt", eine alte Nachtmütze, dem die pietistischen Eselsohren alle Augenblick unter der belletristischen Löwenhaut hervorschauen. Von der übrigen Literatur ist die Prosa gar nichts wert; nehme ich die theologischen oder vielmehr pietistischen Schriften, einige Werklein über Barmens und Elberfelds Geschichte, die sehr oberflächlich abgefaßt sind, weg, so bleibt nichts übrig. Aber die Poesie findet reichliche Pflege in dem „gesegneten Tale", und eine ziemliche Anzahl Poeten haben dort ihren Wohnsitz aufgeschlagen. Wilhelm Langewiesche, Buchhändler zu Barmen und Iserlohn, schreibt unter dem Namen W. Jemand, sein Hauptwerk ist eine didaktische Tragödie, „Der ewige Jude", die freilich nicht an Mosens Bearbeitung desselben Gegenstandes reicht. Er ist als Verleger der bedeutendste seiner Wuppertaler Konkurrenten, was übrigens sehr leicht ist, da ihrer zwei, Hassel in Elberfeld, Steinhaus in Barmen, nur echten Pietismus verlegen. Freiligrath wohnt in seinem Hause. Karl August Döring, Prediger in Elberfeld, ist Verfasser einer Menge von prosaischen und poetischen Schriften; von ihm giltPlatens Wort: Sie sind ein wasserreicher Strom, den niemand bis zu Ende schwimmt. In seinen Gedichten unterscheidet er zwischen geistlichen Liedern, Oden und lyrischen Gedichten. Zuweilen hat er schon auf der Mitte des Gedichts den Anfang vergessen und gerät dann in ganz eigentümliche Regionen; von den Südseeinseln und ihren Missionären gerät er in die Hölle und von den Seufzern der zerknirschten Seele nach dem Eise des Nordpols. Lieth, Vorsteher einer Mädchenschule in Elberfeld, Verfasser von Kindergedichten, die meistens in einer schon veralteten Manier geschrieben sind und keinen Vergleich mit denen Rückerts, Gülls und Heys aushalten können; doch finden sich auch einzelne hübsche Sachen darunter.
Friedrich Ludwig Wülfing, unstreitig der größte Dichter des Wuppertals, ein Barmer von Geburt, ist ein Mann, in dem die Genialität gar nicht zu verkennen ist. Sieht man einen langen Menschen, von etwa fünfundvierzig Jahren, in einen langen rotbraunen Rock verhüllt, der halb so alt ist wie sein Herr, auf den Schultern ein unbeschreibliches Antlitz, auf der Nase eine vergoldete Brille, in deren Gläsern sich die strahlenden Blicke der Augen brechen, das Haupt gekrönt mit einer grünen Mütze, im Munde eine Blume, in der Hand einen eben vom Rock gedrehten Knopf - das ist der Horaz Barmens. Tag für Tag ergeht er sich auf dem Hardtberge und wartet, ob ihm nicht ein neuer Reim oder eine neue Geliebte aufstoße. Bis in sein dreißigstes Jahr huldigte er Pallas Athenen als industriöser Mann; dann geriet er Aphroditen in die Hände, die ihm neun Dulcineen nacheinander zuführte; diese sind seine Musen. Man spreche nicht von Goethe, der allem eine poetische Seite abgewann, nicht von Petrarca, der jeden Blick, jedes Wort der Geliebten in ein Sonett brachte - an Wülfing reichen sie lange nicht. Wer zählt die Sandkörner, die der Geliebten Fuß zerknittert? Das tut der große Wülfing. Wer besingt Minchens (die Clio der neun Musen) in einer sumpfigen Wiese beschmutzte Strümpfe? Nur Wülfing. - Seine Epigramme sind Meisterwerke der originellsten, volkstümlichsten Grobheit. Als seine erste Frau starb, schrieb er eine Todesanzeige, die alle Dienstmädchen zu Tränen rührte, und eine noch weit schönere Elegie: „Wilhelmine, schönster aller Namen! Sechs Wochen später verlobte er sich schon wieder, und jetzt hat er die dritte Frau. Der geistreiche Mann hat alle Tage andere Pläne. Als er noch so recht in seiner poetischen Blütezeit stand, wollte er bald Knopfmacher, bald Landmann, bald Papierhändler werden; zuletzt ist er in den Hafen der Lichtzieherei geraten, um sein Licht auf irgendeine Weise leuchten zu lassen. Seine Schriften sind wie der Sand am Meer.
Montanus EremitaU811, ein Solinger Anonymus, gehört als nachbarlicher Freund auch hieher. Er ist der poetischste Historiograph des Bergischen Landes; seine Verse sind weniger unsinnig als langweilig und prosaisch. Ebenso Johann Pol, Pastor zu Heedfeld bei Iserlohn, der ein Bändlein Gedichte schrieb.
Könige kommen von Gott und Missionäre desgleichen, Aber der Goethe-Poet kommt von den Menschen allein.
Dies zeigt den Geist des ganzen Bandes. Aber er hat auch Witz, denn er sagt: „Die Dichter sind Lichter, die Philosophen sind der Wahrheit Zofen." Und welche Phantasie liegt in den beiden Anfangszeilen seiner Ballade: „Attila an der Marne":
Gleich Lawinen ungeheuer, schneidend hart wie Schwert und Kiesel, Wälzt durch Schutt und Städteflammen sich nach Gallien Godegisel. Auch hat er Psalme gedichtet oder vielmehr aus Davidschen Fragmenten komponiert. Sein Hauptwerk ist die Besingung des Streits zwischen Hülsmann und Sander, und zwar auf eine höchst originelle Weise, in Epigrammen. Da dreht sich alles um den Gedanken, die Rationalisten wagten Zu schmähen und zu lästern den Herrn Herrn. Weder Voß noch Schlegel haben jemals einen so vollkommenen Spondeus am Schluß eines Hexameters gehabt. Er versteht die Einteilung seiner Gedichte noch besser als Döring, er teilt sie in: „Geistliche Gesänge und Lieder und vermischte Gedichte". F.W.Krug, Kandidat der Theologie, Verfasser von poetischen Erstlingen oder prosaischen Reliquien, Ubersetzer mehrerer holländischer und französischer Predigten, schrieb auch eine rührende Novelle im Geschmack Stillings, worin er unter andern einen neuen Beweis für die Wahrheit der mosaischen Schöpfungsgeschichte aufstellt. Das Buch ist ergötzlich. Zum Schlüsse muß ich noch eines geistvollen jungen Mannes erwähnen, der die Idee hat, da Freiligrath Handlungsdiener und Dichter zugleich sei, müßte er es auch können. Hoffentlich wird die deutsche Literatur bald durch einige seiner Novellen vermehrt werden, die von den besten nicht übertroffen werden; die einzigen Fehler, die man ihnen vorwerfen kann, sind Abgedroschenheit der Handlung, übereilte Anlage und nachlässiger Stil. Sehr gern würde ich eine im Auszuge mitteilen, wenn es die Dezenz nicht verböte; doch wird sich vielleicht bald ein Buchhändler des großen D.1 (seinen ganzen Namen wage ich nicht zu nennen, weil ihn sonst seine verletzte Bescheidenheit zu einem Injurienprozeß gegen mich verleiten würde) erbarmen und seine Novellen verlegen. Auch will er ein sehr genauer Freund Freiligraths sein. Dies sind so ziemlich die literarischen Erscheinungen des weltberühmten Tals, wozu vielleicht noch einige weinentflammte Kraftgenies zu zählen wären, die sich dann und wann reimend versuchen und die ich Herrn Dr. Duller zur Porträtierung für einen neuen Roman sehr empfehlen kann. Die ganze Gegend liegt von einem Meer von Pietismus und Philisterei überschwemmt, und was daraus hervorragt, sind keine schönen blumenreichen Eilande, nur dürre nackte Klippen oder lange Sandbänke, und Freiligrath irrt dazwischen umher wie ein verschlagener Schiffer.
Geschrieben im März 1839.
1 Dürholt
Friedrich Engels
Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen
Danzig 1842. Gerhard.
[„Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst" Nr. 160 vom 7. Juli 1842] Je erfreulicher die gewaltige geistige Bewegung ist, mit welcher Königsberg sich in den Mittelpunkt der deutschen politischen Entwicklung zu setzen sucht, je freier und ausgebildeter sich dort die öffentliche Meinung beweist, um so seltsamer erscheint es, daß an eben diesem Orte in philosophischer Beziehung ein gewisses juste-milieu sich geltend zu machen sucht, das mit der Majorität des dortigen Publikums offenbar in Widerspruch geraten muß. Und wenn Rosenkranz immer noch manche respektable Seite hat, obwohl auch ihm der Mut der Konsequenz abgeht, so tritt die ganze Schlaffheit und Erbärmlichkeit des philosophischen juste-milieu in Herrn Alexander Jung ans Tageslicht. Es gibt bei jeder Bewegung, bei jedem Ideenkampfe eine gewisse Art verworrner Köpfe, die sich nur im trüben ganz wohl befinden. Solange die Prinzipien mit sich selbst noch nicht im reinen sind, läßt man solche Subjekte mitlaufen; solange jeder nach Klarheit ringt, ist es nicht leicht, ihre prädestinierte Unklarheit zu erkennen. Wenn aber die Elemente sich scheiden, Prinzip gegen Prinzip steht, dann ist es an der Zeit, jenen Unbrauchbaren den Abschied zu geben und sich definitiv mit ihnen ins reine zu setzen; denn dann zeigt sich ihre Hohlheit auf eine erschreckende Weise. Zu diesen Leuten gehört auch Herr Alexander Jung. Sein obiges Buch bliebe am besten ignoriert; da er aber außerdem ein „Königsberger LiteraturBlatt" herausgibt und seinen langweiligen Positivismus auch hier allwöchentlich vors Publikum bringt, so mögen die Leser der „Jahrbücher" es mir verzeihen, wenn ich ihn einmal aufs Korn fasse und etwas ausführlicher charakterisiere. Zur Zeit des weiland Jungen Deutschlands1553 trat er mit „Briefen über die neueste Literatur" auf. Er hatte sich der jüngem Richtung angeschlossen und geriet nun mit ihr in die Opposition, ohne daß er es wollte. Welche Stellung für unsren Vermittler! Herr Alexander Jung auf der äußersten Linken! Man kann sich die Unbehaglichkeit, in der er sich befand, den Schwall von Be
schwichtigungen, von dem er sprudelte, leicht denken. Nun hatte er eine besondre Passion für Gutzkow, der damals für den Erzketzer galt. Er wollte seinem gepreßten Herzen Luft machen, aber er fürchtete sich, er wollte nicht anstoßen. Wie sollte er sich helfen? Er fand ein Mittelchen, das ganz seiner würdig war. Er schrieb eine Apotheose Gutzkows und vermied es, seinen Namen darin zu nennen; dann setzte er darüber: „Fragmente über den Ungenannten". Wenn Sie erlauben, Herr Alexander Jung, das war feig!
[„Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst" Nr. 161 vom 8. Juli 1842] Seitdem trat Jung wieder mit einem vermittelnden und verworrnen Buche auf: „Königsberg in Preußen und die Extreme des dortigen Pietismus". Welch ein Titel schon! Den Pietismus selbst läßt er gelten, aber seine Extreme müssen bekämpft werden, ebensogut, wie jetzt im „Königsberger LiteraturBlatt" die Extreme der junghegelschen Richtung bekämpft v/erden, wie alle Extreme überhaupt vom Übel sind und nur die liebe Vermittlung und Mäßigung etwas taugt. Als wenn nicht die Extreme die bloßen Konsequenzen wären! Übrigens ist das Buch seinerzeit in den „Hallischen Jahrbüchern" besprochen worden. Jetzt kommt er mit dem obigen Büch heran und gießt einen reichlichen Eimer voll vager, kritikloser Behauptungen, verworrner Urteile, hohler Phrasen und lächerlich beschränkter Anschauungen vor uns aus. Es ist, als wenn er seit seinen „Briefen" geschlafen hätte. Rien appris, rien oublie!1 Das Junge Deutschland ist vorübergegangen, die junghegelsche Schule ist gekommen, Strauß, Feuerbach, Bauer, die „Jahrbücher" haben die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, der Kampf der Prinzipien ist in der schönsten Blüte, es handelt sich um Leben oder Tod, das Christentum steht auf dem Spiele, die politische Bewegung erfüllt alles, und der gute Jung ist noch immer des naiven Glaubens, „die Nation" habe nichts andres zu tun, als auf ein neues Stück von Gutzkow, einen versprochnen Roman von Mündt, eine zu erwartende Bizarrerie von Laube gespannt zu sein. Während ganz Deutschland widerhallt vom Kampfgeschrei, während die neuen Prinzipien zu seinen eignen Füßen debattiert werden, sitzt Herr Jung in seinem Kämmerlein, kaut an der Feder und grübelt nach über den Begriff des „Modernen". Er hört nichts, er sieht nichts, denn er steckt bis über die Ohren in Bücherballen, für deren Inhalt sich jetzt kein Mensch mehr interessiert, und müht sich ab, die einzelnen Stücke recht ordentlich und nett unter Hegeische Kategorien zu rangieren. Ans Tor seiner Vorlesungen stellt er als Wache den Popanz des „Moder
1 Nichts gelernt, nichts vergessen!
nen" auf. Was ist das „Moderne"? Herr Jung sagt, als Ausgangspunkte dafür setze er Byron und George Sand voraus, die nächsten prinzipiellen Elemente der neuen Weltzeit seien für Deutschland: Hegel und die Schriftsteller der sogenannten jungen Literatur. - Was dem armen Hegel nicht alles zugeschoben wird! Atheismus, Alleinherrschaft des Selbstbewußtseins, revolutionäre Staatslehre, und jetzt noch das Junge Deutschland. Es ist aber geradezu lächerlich, Hegel mit dieser Koterie in Verbindung zu bringen. Weiß denn Herr Jung nicht, daß Gutzkow von jeher gegen die Hegeische Philosophie polemisiert hat, daß Mündt und Kühne so gut wie gär nichts von der Sache verstehen, daß namentlich Mündt in der „Madonna" und sonst das verrückteste Zeug, die größten Mißverständnisse in bezug auf Hegel ausgesprochen hat und jetzt erklärter Gegner seiner Lehre ist? Weiß er nicht, daß Wienbärg sich ebenfalls gegen Hegel aussprach und Laube in seiner Literaturgeschichte Hegeische Kategorien fortwährend falsch gebrauchte? Jetzt geht Herr Jung an den Begriff des „Modernen" und quält sich auf sechs Seiten damit herum, ohne ihn zu bewältigen. Natürlich! Als ob das „Moderne" jemals „in den Begriff erhoben werden" könne! Als ob eine so vage, gehaltlose, unbestimmte Phrase, die von oberflächlichen Köpfen in gewisser geheimnisvoller Weise überall vorgeschoben wurde, jemals eine philosophische Kategorie werden könne! Welcher Abstand von dem „Modernen" Heinrich Laubes, das nach aristokratischen Salons riecht und sich nur in Gestalt eines Dandy verkörpert, bis zu der „modernen Wissenschaft" auf dem Titel der Straußschen Glaubenslehre11823! Das hilft aber alles nicht, Herr A.Jung sieht diesen Titel als einen Beweis an, daß Strauß das Moderne, das speziell jungdeutsche Moderne als eine Macht über sich anerkenne, und bringt ihn flugs mit der jungen Literatur unter einen Hut. Endlich bestimmt er den Begriff des Modernen als die Unabhängigkeit des Subjekts von jeder bloß äußerlichen Autorität. Daß das Streben danach ein Hauptmoment der Zeitbewegung sei, haben wir längst gewußt, und daß die „Modernen" damit zusammenhängen, leugnet keiner; aber es zeigt sich hier recht glänzend die Verkehrtheit, mit der Herr Jung platterdings einen Teil zum Ganzen, eine überlebte Durchgangsepoche zur Blütezeit erheben will. Das Junge Deutschland soll nun einmal, es mag biegen oder brechen, zum Träger des ganzen Zeitinhalts gemacht werden, und nebenbei soll Hegel auch noch sein Stückchen abbekommen. Man sieht, wie Herr Jung bisher in zwei Teile geteilt war; in der einen Herzkammer trug er Hegel, in der andern das Junge Deutschland. Jetzt, als er diese Vorlesungen schrieb, mußte er diese beiden notwendig in Zusammenhang bringen. Welche Verlegenheit! Die linke Hand karessierte die Philosophie, die rechte die oberflächliche, schillernde Un
philosophie, und auf gut christlich wußte die rechte Hand nicht, was die linke tat. Wie sollte er sich helfen? Statt ehrlich zu sein und von den beiden unvereinbaren Liebhabereien die eine fallenzulassen, machte er eine kühne Wendung und leitete die Unphilosophie aus der Philosophie ab. Zu diesem Zwecke wird der arme Hegel auf dreißig Seiten beleuchtet. Eine schwülstige phrasenstrotzende Apotheose ergießt ihre trübe Flut auf das Grab des großen Mannes; sodann plagt sich Herr Jung, zu beweisen, daß der Grundzug des Hegeischen Systems die Behauptung des freien Subjekts gegen die Heteronomie der starren Objektivität sei. Man braucht aber nicht eben bewandert im Hegel zu sein, um zu wissen, daß er einen weit höhern Standpunkt in Anspruch nimmt, den der Versöhnung des Subjekts mit den objektiven Gewalten, daß er einen ungeheuren Respekt vor der Objektivität hatte, die Wirklichkeit, das Bestehende weit höher stellte als die subjektive Vernunft des einzelnen und gerade von diesem verlangte, die objektive Wirklichkeit als vernünftig anzuerkennen. Hegel ist nicht der Prophet der subjektiven Autonomie, wie Herr Jung meint und wie sie als Willkür im Jungen Deutschland zutage kommt, Hegels Prinzip ist auch Heteronomie, Unterwerfung des Subjekts unter die allgemeine Vernunft. Zuweilen sogar, z.B. in der Religionsphilosophie, unter die allgemeine Unvernunft. Das, was Hegel am meisten verachtete, war der Verstand, und was ist dieser andres, als die in ihrer Subjektivität und Vereinzelung fixierte Vernunft? Nun wird mir aber Herr Jung antworten, so habe er das nicht gemeint, er rede nur von bloß äußerlicher Autorität, er wolle in Hegel auch nichts andres sehen als die Vermittlung beider Seiten, und das „moderne" Individuum wolle seiner Ansicht nach weiter nichts, als eben sich bedingt sehen nur „durch eigne Einsicht in die Vernünftigkeit eines Objektiven" - dann bitte ich mir aber auch aus, daß er mir Hegel nicht mit den Jungdeutschen zusammenbringt, deren Wesen eben die subjektive Willkür, die Marotte, das Kuriosum ist; dann ist „das moderne Individuum" nur ein andrer Ausdruck für einen Hegelianer. Bei einer so grenzenlosen Verwirrung muß Herr Jung denn auch das „Moderne" innerhalb der Hegelschen Schule aufsuchen, und richtig ist die linke Seite dazu vorzugsweise berufen, mit den Jungdeutschen zu fraternisieren. Endlich kommt er zur „modernen" Literatur, und es geht jetzt eine allgemeine Anerkennung und Loberei los. Da ist feiner, der nicht irgend etwas Gutes getan hätte, keiner, der nicht etwas Bemerkenswertes repräsentierte, keiner, dem die Literatur nicht irgendeinen Fortschritt verdankte. Dieses ewige Bekomplimentieren, dieses Vermittlungsstreben, diese Wut, den literarischen Kuppler und Unterhändler zu spielen, ist unerträglich. Was
geht das die Literatur an, ob dieser oder jener ein bißchen Talent hat, hier und da eine Kleinigkeit leistet, wenn er sonst nichts taugt, wenn seine ganze Richtung, sein literarischer Charakter, seine Leistungen im Großen nichts wert sind? In der Literatur gilt jeder nicht für sich, sondern nur in seiner Stellung zum Ganzen. Wenn ich mich zu einer solchen Art Kritik hergeben wollte, so müßte ich auch mit Herrn Jung selbst glimpflicher verfahren, weil vielleicht fünf Seiten in diesem Buche nicht übel geschrieben sind und einiges Talent verraten. - Eine Masse komischer Aussprüche fließen Herrn Jung mit einer großen Leichtigkeit und einer gewissen Grandezza aus der Feder. So, von den scharfen Abfertigungen Pücklers durch die Kritik sprechend, freut er sich, daß diese „ohne Ansehen der Person und des Ranges ihr Urteil fälle. Es zeugt dieses in Wahrheit von einem hohen, in sich selbst unabhängigen Standpunkt deutscher Kritik." Welch eine schlechte Meinung muß Herr Jung von der deutschen Nation haben, daß er ihr dergleichen so hoch anrechnet! Als ob wunders welche Courage dazu gehörte, die Werke eines Fürsten zu tadeln! Ich übergehe dies Geschwätz, das den Anspruch macht, Literaturgeschichte zu sein und außer seiner innern Hohlheit und Zusammenhangslosigkeit auch noch grenzenlos lückenhaft ist; so fehlen die Lyriker Grün, Lenau, Freiligrath, Herwegh, so die Dramatiker Mosen und Klein usw. Endlich kommt er dahin, worauf er von vornherein losgearbeitet hat, auf sein liebes Junges Deutschland, das für ihn die Vollendung des „Modernen" ist. Er beginnt mit Börne. In Wahrheit aber ist Börnes Einfluß auf das Junge Deutschland so groß nicht, Mündt und Kühne erklärten ihn für verrückt, Lauben war er zu demokratisch, zu entschieden, und nur bei Gutzkow und Wienbarg äußerten sich nachhaltigere Wirkungen. Gutzkow namentlich verdankt Bornen sehr viel. Der größte Einfluß, den Börne gehabt hat, das ist jener stille auf die Nation, die seine Werke als ein Heiligtum bewahrt und sich daran gestärkt und aufrecht erhalten hat in den trüben Zeiten von 1832 bis 1840, bis die wahren Söhne des Pariser Briefstellers1183-1 in den neuen, philosophischen Liberalen erstanden. Ohne die direkte und indirekte Wirkung Börnes wäre es der aus Hegel hervorgehenden freien Richtung weit schwerer geworden, sich zu konstituieren. Es kam jetzt aber bloß darauf an, die verschütteten Gedankenwege zwischen Hegel und Börne auszugraben, und das war so schwer nicht. Diese beiden Männer standen sich näher, als es schien. Die Unmittelbarkeit, die gesunde Anschauung Börnes erwies sich als die praktische Seite dessen, was Hegel theoretisch wenigstens in Aussicht stellte. Herr Jung sieht das natürlich wieder nicht ein. Börne ist ihm gewissermaßen allerdings ein respektabler Mann, der sogar Charakter hatte, was unter
Umständen gewiß viel wert ist, er hat unleugbare Verdienste, wie etwa Varnhagen und Pückler auch, und hat namentlich gute Theaterkritiken geschrieben, aber er war ein Fanatiker und Terrorist, und davor behüte uns der liebe Gott! Pfui über so eine schlaffe, mattherzige Auffassung eines Mannes, der allein durch seine Gesinnung ein Träger seiner Zeit wurde! Dieser Jung, der das Junge Deutschland und sogar die Persönlichkeit Gutzkows aus dem absoluten Begriff konstruieren will, ist nicht einmal imstande, einen so einfachen Charakter wie Börne zu begreifen; er sieht nicht ein, wie notwendig, wie konsequent auch die extremsten, radikalsten Aussprüche aus Börnes innerstem Wesen hervorgehen, daß Börne seiner Natur nach Republikaner war, und für einen solchen die „Pariser Briefe" wahrlich nicht zu stark geschrieben sind. Oder hat Herr Jung nie einen Schweizer oder Nordamerikaner über monarchische Staaten sprechen hören? Und wer will es Bornen zum Vorwurf machen, daß er „das Leben nur aus dem Gesichtspunkte der Politik betrachtete"? Tut nicht Hegel dasselbe? Ist nicht auch ihm der Staat in seinem Ubergange zur Weltgeschichte, also in den Verhältnissen der innern und äußern Politik, die konkrete Realität des absoluten Geistes? Und - es ist lächerlich - bei dieser unmittelbaren, naiven Anschauung Börnes, die in der erweiterten Hegeischen ihre Ergänzung findet und oft aufs überraschendste zu ihr stimmt, meint Herr Jung dennoch, Börne habe sich „ein System der Politik und des Völkerglücks entworfen", so ein abstraktes Wolkengebilde, aus dem man sich seine Einseitigkeiten und Verhärtungen erklären müsse! Herr Jung hat keine Ahnung von der Bedeutung Börnes, von seinem eisernen, geschloßnen Charakter, von seiner imponierenden Willensfestigkeit; eben weil er selbst so ein gar kleines, weichherziges, unselbständiges Allerweltsmännchen ist. Er weiß nicht, daß Börne einzig dasteht als Persönlichkeit in der deutschen Geschichte, er weiß nicht, daß Börne der Bannerträger deutscher Freiheit war, der einzige Mann in Deutschland zu seiner Zeit; er ahnt nicht, was es heißt, gegen vierzig Millionen Deutsche aufstehen und das Reich der Idee proklamieren; er kann es nicht begreifen, daß Börne der Johannes Baptista der neuen Zeit ist, der den selbstzufriednen Deutschen von der Buße predigt und ihnen zuruft, daß die Axt schon an der Wurzel des Baumes liege und der Stärkere kommen wird, der mit Feuer tauft und die Spreu unbarmherzig von der Tenne fegt. Zu dieser Spreu darf sich auch Herr A. Jung rechnen. Endlich kommt Herr Jung zu seinem lieben Jungen Deutschland und beginnt mit einer erträglichen, aber viel zu ausführlichen Kritik Heines. Die übrigen werden sodann nach der Reihe durchgenommen, zuerst Laube, Mündt, Kühne, sodann Wienbarg, dem verdientermaßen gehuldigt wird, und endlich auf fast fünfzig Seiten Gutzkow.
Die ersten drei verfallen der gewöhnlichen juste-milieu-Hüldigung, viel Anerkennung und sehr bescheidner Tadel; Wienbarg wird entschieden hervorgehoben, aber kaum auf yierSeiten, und Gutzkow endlich mit einer unverschämten Unterwürfigkeit zum Träger des „Modernen" gemacht, nach dem Hegeischen Begriffsschema konstruiert und als Persönlichkeit ersten Ranges behandelt. Wäre es ein junger, sich erst entwickelnder Autor, der mit solchen Urteilen aufträte, man ließe sich das gefallen; es gibt manchen, der eine Zeitlang Hoffnungen auf die junge Literatur gesetzt und im Hinblick auf eine erwartete Zukunft ihre Werke nachsichtiger betrachtet hat, als er es sonst vor sich selbst verantworten konnte. Namentlich wer die jüngsten Entwicklungsstufen des deutschen Geistes in seinem eignen Bewußtsein reproduziert hat, wird irgendeinmal mit Vorliebe auf die Produktionen Mündts, Laubes oder Gutzkows geblickt haben. Aber der Fortschritt über diese Richtung hinaus hat sich seitdem viel zu energisch geltend gemacht, und die Gehaltlosigkeit der meisten Jungdeutschen ist auf eine erschreckende Weise offenbar geworden. Das Junge Deutschland rang sich aus der Unklarheit einer bewegten Zeit empor und blieb selbst noch mit dieser Unklarheit behaftet. Gedanken, die damals noch formlos und unentwickelt in den Köpfen goren, die später erst durch Vermittlung der Philosophie zum Bewußtsein kamen, wurden vom Jungen Deutschland zum Spiel derPhantasie benutzt. Daher die Unbestimmtheit, die Verwirrung der Begriffe, die unter den Jungdeutschen selbst herrschte. Gutzkow und Wienbarg wußten noch am meisten, was sie wollten, Laube am wenigsten. Mündt lief sozialen Marotten nach, Kühne, in dem etwas Hegel spukte, schematisierte und klassifizierte. Aber bei der allgemeinen Unklarheit konnte nichts Rechtes zutage kommen. Der Gedanke von der Berechtigung der Sinnlichkeit wurde nach Heines Vorgang roh und flach gefaßt, die politisch-liberalen Prinzipien waren nach den Persönlichkeiten verschieden, und die Stellung des Weibes gab zu den fruchtlosesten und konfusesten Diskussionen Anlaß. Keiner wußte, woran er mit dem andern war. Auf die allgemeine Verwirrung der Zeit müssen auch die Maßregeln der verschiedenen Regierungen gegen diese Leute geschoben werden. Die phantastische Form, in der jene Vorstellungen propagiert wurden, konnte nur dazu beitragen, jenen wirren Zustand zu vermehren. Durch das glänzende Exterieur der jungdeutschen Schriften, die geistreiche, pikante, lebendige Schreibart derselben, die geheimnisvolle Mystik, mit welcher die Hauptschlagwörter umgeben waren, sowie durch die Regeneration der Kritik und die Belebung der belletristischen Zeitschriften, die von ihnen ausging, zogen sie bald jüngere Schriftsteller in Masse an sich, und es dauerte nicht lange, so hatte jeder von ihnen, mit Ausnahme Wienbargs, seinen Hof. Die alte
schlaffe Belletristik mußte dem jungen Andränge weichen, und die „junge Literatur" nahm das eroberte Feld in Besitz, teilte sich darein und - zerfiel in sich selbst über der Teilung. Hier kam die Unzulänglichkeit des Prinzips zum Vorschein. Jeder hatte sich im andern getäuscht. Die Prinzipien verschwanden, es handelte sich nur noch um Persönlichkeiten. Gutzkow oder Mündt, das war die Frage. Cliquenwesen, Häkeleien, Streitigkeiten um nichts und wieder nichts begannen die Journale zu füllen. Der leichte Sieg hatte die jungen Herren übermütig und eitel gemacht. Sie hielten sich für welthistorische Charaktere. Wo ein junger Schriftsteller auftrat, gleich wurde ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und unbedingte Unterwerfung gefordert. Jeder machte den Anspruch, exklusiver Literaturgott zu sein. Du sollst keine andern Götter haben neben mir! Der geringste Tadel erregte tödliche Feindschaften. Auf diese Weise verlor die Richtung allen geistigen Inhalt, den sie noch etwa gehabt hatte, und sank in den reinen Skandal herab, der in Heines Buch über Börnecl843 kulminierte und in infame Gemeinheit überging. Von den einzelnen Persönlichkeiten ist Wienbarg unbedingt die nobelste; ein ganzer, kräftiger Mann, eine Statue von hellglänzendem Erz aus einem Gusse, daran kein Rostfleck ist. Gutzkow ist der Klarste, Verständigste; er hat am meisten produziert und neben Wienbarg auch die entschiedensten Zeugnisse seiner Gesinnung gegeben. Will er auf dem dramatischen Gebiet bleiben, so sorge er indes für beßre, ideenvollre Stoffe, als er sie bisher gewählt hat, und schreibe statt aus dem „modernen" aus dem wirklichen Geist der Gegenwart heraus. Wir verlangen mehr Gedankengehalt als die liberalen Phrasen des Patkul oder die weiche Empfindsamkeit des Werner.E18B] Wozu Gutzkow viel Talent hat, ist die Publizistik; er ist ein geborner Journalist, aber er kann sich nur durch ein Mittel halten: wenn er sich die neuesten religions- und staatsphilosophischen Entwicklungen aneignet und seinen „Telegraphen", den er, wie es heißt, wieder auferstehen lassen will, der großen Zeitbewegung unbedingt widmet. Läßt er aber die entartete Belletristerei seiner Herr werden, so wird er nicht besser werden als die übrigen schönwissenschaftlichen Journale, die nicht Fisch und nicht Fleisch sind, von langweiligen Novellen strotzen, kaum durchblättert werden und überhaupt an Gehalt und in der Achtung des Publikums mehr als je gesunken sind. Ihre Zeit ist vorbei, sie lösen sich allmählich in die politischen Zeitungen auf, die das bißchen Literatur noch ganz gut mit abfertigen können. Laube ist bei all seinen schlechten Eigenschaften doch noch gewissermaßen liebenswürdig; aber seine unordentliche, prinziplose Schreiberei, heut Romane, morgen Literaturgeschichte, übermorgen Kritiken, Dramen usw., seine Eitelkeit und Flachheit läßt ihn nicht aufkommen. Den Mut der Frei
heit hat er ebensowenig als Kühne. Die „Tendenzen" der weiland „jungen Literatur" sind längst vergessen, das leere, abstrakte Literaturinteresse hat beide ganz in Anspruch genommen. Dagegen ist die Indifferenz bei Heine und Mündt zur offnen Apostasie geworden. Heines Buch über Börne ist das Nichtswürdigste, was jemals in deutscher Sprache geschrieben wurde; Mündts neueste Tätigkeit im „Piloten" nimmt dem Verfasser der „Madonna" die letzte Spur von Achtung in den Augen der Nation. Man weiß hier in Berlin nur zu gut, was Herr Mündt mit einer solchen Selbstentwürdigung bezweckt, nämlich eine Professur; um so ekelerregender ist diese plötzlich in Herrn Mündt gefahme Untertänigkeit. Herr Mündt und sein Waffenträger F. Radewell mögen nur fortfahren, die neuere Philosophie zu verdächtigen, den Notanker der Schellingschen Offenbarung zu ergreifen und sich durch ihre unsinnigen Versuche, selbst zu philosophieren, vor der Nation lächerlich zu machen. Die freie Philosophie kann ihre philosophischen Schülerarbeiten ruhig und unwiderlegt in die Welt gehen lassen; sie zerfallen in sich selbst. Was den Namen des Herrn Mündt an der Stirn trägt, ist, wie die Werke Leos, mit dem Malzeichen der Apostasie gebrandmarkt. Vielleicht bekommt er an Herrn Jung bald einen neuen Hintersassen; er läßt sich bereits gut an, wie wir gesehen haben und noch weiter sehen werden.
[„Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst" Nr. 162 vom 9. Juli 1842] Nachdem Herr Jung nun den eigentlichen Zweck seiner Vorlesungen hinter sich hat, drängt es ihn gewaltig, sich zum Schluß noch einmal recht dem Gelächter der Nation preiszugeben. Er geht von Gutzkow auf David Strauß über, schreibt ihm das eminente Verdienst zu, „die Resultate von Hegel und Schleiermacher und des modernen Stils" (ist das etwa moderner Stil?') in sich zusammengezogen zu haben, klagt dabei aber entsetzlich über die greuliche, ewige Negation. Ja, die Negation, die Negation! Die armen Positivisten und juste-milieu-Leute sehen die negative Flut immer höher und höher schwellen, klammern sich fest aneinander und schreien nach etwas Positivem. Da jammert nun so ein Alexander Jung über die ewige Bewegung der Weltgeschichte, nennt den Fortschritt Negation und spreizt sich zuletzt zum falschen Propheten auf, der „eine große positive Geburt" weissagt; die er mit den verschrobensten Phrasen im voraus beschreibt, und die Strauß, Feuerbach und was damit zusammenhängt, mit dem Schwerte des Herrn besiegen werde. Auch in seinem „Literatur-Blatt" predigt er das Wort vom neuen „positiven" Messias. Kann es etwas Unphilosophischeres geben als ein so unverhohlnes Mißvergnügen, eine so offne Unbefriedigung in der Gegenwart? Kann man sich weibischer und kraftloser betragen, als es Herr A. Jung
tut? Kann man sich eine ärgre Phantasterei denken - die neuschellingsche Scholastik ausgenommen - als diesen frommen Glauben an den „positiven Messias"? Wann gab es eine größre - und leider auch verbreitetre Verwirrung als diejenige, welche jetzt in Beziehung auf die Begriffe „positiv und negativ" herrscht? Man gebe sich nur einmal die Mühe, die verschriene Negation näher anzusehen, und man wird finden, daß sie durch und durch selbst Position ist. Für diejenigen freilich, die das Vernünftige, den Gedanken, weil er nicht still Steht, sondern sich bewegt, für nicht positiv erklären und deren kraftloses Efeugemüt einer alten Mauerruine, eines Faktums bedarf, um sich an ihm zu halten, für die ist freilich aller Fortschritt Negation. In Wahrheit aber ist der Gedanke in seiner Entwicklung das allein Ewige und Positive, während die Faktizität, die Äußerlichkeit des Geschehens eben das Negative, Verschwindende und der Kritik Anheimfallende ist. „Wer aber wird der Heber dieses unendlichen, in unsrer Nähe weilenden Schatzes sein?" fährt Herr Jung mit gesteigertem Pathos fort. Ja, wer wird der Messias sein, der die schwachen, zagenden Seelen aus dem Exil der Negation, aus der finstern Nacht der Verzweiflung zurückführen wird in das Land, da Milch und Honig fließt?
„Ob Schelling? Große, heilige Hoffnungen setzen wir auf Schelling, eben weil Er so lange der Einsamkeit vertraut, eben weil er jenen Ruhesitz am Urquelle des Denkens und Schaffens entdeckt hat, jeneri Herrschersitz, welcher die Zeit aufhören macht, Zeit zu sein!" usw. Ja, so spricht ein Hegelianer, und weiter („Königsberger Literatur-Blatt" Nr. 4): „Wir versprechen uns von Schelling außerordentlich viel. Schelling wird, hoffen wir, mit derselben Leuchte eines niegesehenen, neuen Lichtes durch die Geschichte schreiten, wie er einst durch die Natur geschritten ist" usw. Sodann Nr. 7 eine Huldigung für den unbekannten Gott Schellings. Die Philosophie der Mythologie und der Offenbarung wird als notwendig konstruiert, und Herr Jung ist selig in dem Bewußtsein, Schellings, des großen Schelling Gedankenbahnen auch schon von ferne mit seinem begeisterten Auge nachahnen zu können. Solch ein markloser, sehnsüchtiger Geist ist dieser Jung, daß er nur in der Hingebung an einen andern, in der Unterwerfung unter fremde Autorität sich befriedigt findet. Keine Ahnung von Selbständigkeit ist bei ihm zu finden; sowie ihm der Halt genommen wird, den er umfaßt, knickt er in sich selbst zusammen und weint helle Tränen der Sehnsucht. Sogar an etwas, was er noch nicht kennt, wirft er sich weg, und trotz der ziemlich genauen Nachrichten, die man schon vor Schellings Auftreten in Berlin über seine Philosophie und den speziellen Inhalt seiner Vorlesungen hatte, kennt Herr Jung keine größre Seligkeit, als zu Schellings
Füßen im Staube zu sitzen. Er weiß nicht, wie Schelling sich in der Vorrede zu dem Cousinschen Werk1-1861 über Hegel ausgesprochen hat, oder vielmehr er weiß es wohl, und dennoch wagt er, ein Hegelianer, sich an Schelling wegzuschenken, wagt es, nach solchen Antezedentien den Namen Hegels noch in den Mund zu nehmen, auf ihn gegen die neuesten Entwicklungen zu provozieren! Und um seiner Selbstentwürdigüng die Krone aufzusetzen, fällt er in Nr. 13 nochmals anbetend vor Schelling nieder, der ersten Vorlesung desselben den Weihrauch seiner ganzen Bewundrung und Proskynese zollend. Ja, er findet es hier alles bestätigt, was er von Schelling „nicht bloß voraussetzte, sondern wußte, jene wunderbar frische, jene auch der Form nach vollendete Durchdringung aller wissenschaftlichen, künstlerischen und sittlichen Elemente, welche in solcher Vereinigung antiker und christlicher Welt den so Verherrlichten zu einem ganz andern Priester des Höchsten und seiner Offenbarung weihen mag, als es Priestern niedem Grades und Laien auch nur einfallen kann". Freilich werden einige so verworfen sein, „daß sie aus Neid sogar die Größe wegleugnen, welche sich hier rein und klar wie das Licht der Sonne jedem offenbart". „Die ganze Größe Schellings, die Überlegenheit über alles Ausgezeichnete bloß einseitiger Richtungen strahlt uns aus seiner ersten Vorlesung herrlich entgegen." ... „Wer so anfangen kann, der muß gewaltig fortfahren, muß als Sieger enden, und wenn sie alle ermüden, weil sie alle, solchen Fluges ungewohnt, sinken, und keiner mehr zu folgen, zu verstehen vermag, was Du von Ur an Begeisterter sprichst; so lauschen Dir sicher die Manen des mit Dir Ebenbürtigen, des treuesten, des herrlichsten Deiner Freunde, es lauschen Dir die Manen des alten Hegell" Was mag Herr Jung dabei sich vorgestellt haben, als er diesen Enthusiasmus ins Blaue, diese romantische Schwebelei zu Papier brachte! Was wenigstens hier in Berlin jeder im voraus wußte oder mit Sicherheit schließen konnte, davon ahnt unser frommer „Priester" nichts. Was aber jener „Priester des Höchsten" uns für „Offenbarungen" gepredigt, worin die „Größe", der „Beruf, der Menschheit das Höchste zu enthüllen", der „gewaltige Flug" bestanden, wie Schelling „als Sieger geendigt" hat, das weiß jetzt alle Welt; in dem Schriftchen: „Schelling und die Offenbarung"1, als dessen Verfasser ich mich hiemit bekenne, habe ich den Inhalt der neuen Offenbarung in durchaus objektiver Weise dargelegt. Herr Jung möge die Erfüllung seiner Hoffnungen daran nachweisen oder wenigstens die Aufrichtigkeit und den Mut haben, seinen glänzenden Irrtum einzugestehen. Ohne mich auf die Kritik Sealsfields, mit der Herr Jung sein Buch schließt, weiter einzulassen, da ich vom belletristischen Felde doch schon weit genug entfernt bin, will ich zum Schlüsse noch auf einige Stellen des
1 Friedrich Engels: „Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversüchs gegen die freie Philosophie" (siehe Ergänzungsband, Teil 2, unserer Ausgabe, S. 173—221)
29 Marx/Engels, Werle, Bd. I
„Königsberger Literatur-Blatts" eingehen, um auch hier die Mattherzigkeit und marklose Aufgedunsenheit Herrn Jungs nachzuweisen. Gleich in Nr. 1 wird, jedoch sehr zurückhaltend, auf Feuerbachs „Wesen des Christentums" hingewiesen, in Nr. 2 die Negationstheorie der „Jahrbücher" angegriffen, jedoch noch mit Respekt, in Nr. 3 wird Herbarten gehuldigt, wie vorhin Schellingen, in Nr. 4 allen beiden und zugleich noch eine Verwahrung gegen den Radikalismus ausgesprochen, in Nr. 8 beginnt eine ausführliche Kritik des Feuerbachschen Buchs, in der die Halbheit des juste-milieu ihre Überlegenheit über den entschiednen Radikalismus geltend machen will. Und was sind die schlagenden Argumente, die hier aufgewandt werden? Feuerbach, sagt Herr Jung, hätte ganz recht, wenn die Erde das ganze Universum wäre; vom irdischen Standpunkte aus ist sein ganzes Werk schön, schlagend, vortrefflich, unwiderleglich; aber vom universalen, vom Weltgesichtspunkt aus ist es nichtig. Schöne Theorie! Als ob auf dem Monde zwei mal zwei fünf wäre, als ob auf der Venus die Steine lebendig herumliefen und auf der Sonne die Pflanzen sprechen könnten! Als ob jenseits der Erdatmosphäre eine aparte, neue Vernunft anfinge und der Geist nach der Entfernung von der Sonne gemessen würde! Als ob das Selbstbewußtsein, zu dem die Erde in der Menschheit kommt, nicht in demselben Augenblick Weltbewußtsein würde, in welchem es seine Stellung als Moment desselben erkennt! Als ob ein solcher Einwand nicht nur ein Vorwand wäre, um die fatale Antwort auf die alte Frage hinauszuschieben in die schlechte Endlosigkeit des Raumes! Klingt es nicht seltsam naiv, wenn Herrn Jung mitten in die Hauptreihe seiner Argumente sich der Satz eingeschmuggelt hat: „die Vernunft, welche über jede bloß sphärische Bestimmtheit hinausgeht"? Wie kann er dann, bei zugestandner Konsequenz und Vernünftigkeit des Bestrittnen vom irdischen Gesichtspunkt aus, diesen vom „universalen" unterscheiden? Es ist aber eines Phantasten, eines Gefühlsschwärmers, wie Herr Jung einer ist, vollkommen würdig, sich in die schlechte Unendlichkeit des Sternenhimmels zu verlieren und über denkende, liebende, phantasierende Wesen auf den andern Weltkörpern sich allerhand kuriose Hypothesen und wundersame Träumereien auszuklauben. Dabei ist es lächerlich, wie er vor der Seichtigkeit warnt, Feuerbach und Strauß nun ohne weitres des Atheismus und der unbedingten Leugnung der Unsterblichkeit zu beschuldigen. Herr Jung sieht nicht, daß diese Leute gar keinen andern Standpunkt in Anspruch nehmen. Weiter. In Nr. 12 droht uns Herr Jung bereits mit seinem Zom; in Nr. 26 wird Leo konstruiert und über das unleugbare Talent des Mannes seine Gesinnung ganz und gar vergessen und beschönigt; ja Rügen wird ebensosehr unrecht gegeben wie Leon. Nr. 29 erkennt Hinrichs' nichtssagende Kritik der
„Posaune"11873 in den „Berliner Jahrbüchern" an und erklärt sich noch entschiedner gegen die Linke; Nr. 35 vollends liefert einen langen, grauenvollen Artikel über F. Baader, dessen somnambüle Mystik und Unphilosophie ihm noch dazu als Verdienst angerechnet wird; endlich Nr. 36 klagt über „unselige Polemik", mit andern Worten offenbar über einen Artikel von E. Meyen in der „Rheinischen Zeitung", worin Herrn Jung einmal die Wahrheit gesagt wird - es ist sonderbar! In einem solchen Dusel und Traumleben ergeht sich Herr Jung, daß er glaubt, er sei unser „Kampfgenosse", er „verteidige dieselben Ideen", daß er glaubt, es „walteten zwar Differenzen" zwischen ihm und uns ob, „doch stehe die Identität der Prinzipien und Zwecke fest". Hoffentlich wird er jetzt gesehen haben, daß wir mit ihm fraternisieren weder wollen noch können. Solche unglückliche Amphibien und Achselträger sind nicht brauchbar für den Kampf, den nun einmal entschiedne Leute entzündet und nur Charaktere hindurchführen können. Im Verfolge obiger Zeilen tut er sich noch den Tort an, daß er in die trivialste Redeweise von literarischer Despotie der Liberalen verfällt und sich seine Freiheit wahrt. Die soll ihm bleiben; es wird ihn jeder ruhig fortfaseln lassen bis in alle Ewigkeit. Aber er wird uns erlauben, für seine Unterstützung zu danken und ihm ehrlich und offen zu sagen, Wofür man ihn hält. Sonst wäre er ja der literarische Despot, und dazu ist er doch etwas zu weichherzig. Dieselbe Nummer wird in würdiger Weise beschlossen von einem Hilferuf gegen „das selbstsüchtige, hohle Geschrei, welches in rasender Weise das Selbstbewußtsein zum Gott erhebt" - nun wagt das „Königsberger LiteraturBlatt" es, diese schaudervollen Ausrufungen nachzusprechen: „Nieder mit dem Christentum, nieder mit der Unsterblichkeit, nieder mit Gott!!" Doch es tröstet sich damit, daß „die Träger bereits im Vorhause stehen, um diejenigen, welche noch bei so guter Stimme sind, als lautlose Leichen herauszutragen". Also wieder die Kraftlosigkeit einer Appellation an die Zukunft!
Eine weitre Nummer des Jungschen Blattes ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. Ich denke, die gegebnen Beweise Werden genügen, die Zurückweisung des Herrn Jung aus der Gemeinschaft der Entschiednen und „Freien" zu begründen; er selbst ist jetzt in den Stand gesetzt, zu Sehen, was man an ihm auszusetzen hat. Noch eine Bemerkung sei mir gestattet. Herr Jung ist unzweifelhaft der charakterschwachste, kraftloseste, unklarste Schriftsteller Deutschlands. Woher kommt das alles, woher die erbauliche Form, die er überall zur Schau trägt? Sollte es damit zusammenhängen; daß Herr Jung, wie es heißt, früher ex officio11883 erbaulich sein mußte?
Geschrieben um den 15. Juni 1842. Friedrich Oswald
Friedrich Engels
Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen"8"
Unter den europäischen Fürsten, deren Persönlichkeit auch außer ihrem Lande Aufmerksamkeit erregt, sind besonders vier interessant: Nikolaus von Rußland, durch die Geradheit und unverhohlene Offenheit, mit der er zum Despotismus hinstrebt, Louis-Philippe, der den Machiavell unserer Zeit anpaßt, Victoria von England, das vollendete Muster einer konstitutionellen Königin, und Friedrich Wilhelm IV., dessen Gesinnung, wie sie sich in den beiden Jahren seiner Regierung unverkennbar und deutlich dargelegt hat, hier einer genauem Betrachtung unterworfen werden soll. - - Es ist nicht der Haß und die Rachlust einer von ihm zurückgesetzten und perhorreszierten, von seinen Beamten unterdrückten und gemißhandelten Partei, die hier sprechen sollen, nicht der bittere Groll, den die Zensur genährt hat und der die Preßfreiheit benutzt, um Skandalgeschichten und Berliner Städtgeklatsch an den Mann zu bringen. „Der deutsche Bote" beschäftigt sich mit andern Dingen. Aber bei der ehrlosen, niederträchtigen Schmeichelei, mit der die deutschen Fürsten und Völker täglich in den Zeitungen regaliert werden, ist es durchaus nötig, daß die Herrschaften einmal von einem andern Gesichtspunkt angesehen, ihre Handlungen und Gesinnungen, rücksichtslos wie die jedes andern, beurteilt werden. — Die Reaktion im Staate begann in den letzten Jahren des vorigen Königs1 sich mit der kirchlichen Reaktion zu vereinigen. Durch die Entwickelung des Gegensatzes zur absoluten Freiheit sah sich der orthodoxe Staat wie die orthodoxe Kirche genötigt, auf ihre Voraussetzungen zurückzugehen und das christliche Prinzip mit allen seinen Konsequenzen geltend zu machen. So ging die protestantische Rechtgläubigkeit auf den Katholizismus zurück, eine Phase, die in Leo und Krummacher ihre konsequentesten und würdigsten Vertreter findet, der protestantische Staat auf die konsequente christlich
1 Friedrich Wilhelm III.
feudalistische Monarchie, wie sie Friedrich Wilhelm IV. ins Leben zu rufen trachtet. Friedrich Wilhelm IV. ist durchaus ein Produkt seiner Zeit, eine Gestalt, die ganz aus der Entwickelung des freien Geistes und seinem Kampfe gegen das Christentum, und nur hieraus zu erklären ist. Er ist die äußerste Konsequenz des preußischen Prinzips, das in ihm in seiner letzten Aufraffung, aber zugleich in seiner vollkommenen Kraftlosigkeit gegenüber dem freien Selbstbewußtsein zur Erscheinung kommt. Mit ihm ist die gedankenniäßige Entwickelung des bisherigen Preußens abgeschlossen; eine neue Gestaltung desselben ist nicht möglich, und wenn es Friedrich Wilhelm gelingt, sein System praktisch durchzusetzen, so muß Preußen entweder ein ganz neues Prinzip ergreifen - und dies kann nur das des freien Geistes sein - oder in sich selbst zusammenstürzen, wenn es zu jenem Fortschritt nicht die Kraft haben sollte. Der Staat, auf den Friedrich Wilhelm IV. hinarbeitet, ist seinem eigenen Ausspruche gemäß der christliche. Die Form, in der das Christentum auftritt, sobald es sich wissenschaftlich zergliedern will, ist die Theologie. Das Wesen der Theologie, namentlich in unserer Zeit, ist die Vermittlung und Vertuschung absoluter Gegensätze. Selbst der konsequenteste Christ kann sich nicht von den Voraussetzungen unserer Zeit ganz emanzipieren; die Zeit nötigt ihn zu Modifikationen des Christentums; er trägt Prämissen in sich, deren Entwickelung zum Atheismus führen könnte. Daher kommt denn jene Gestalt der Theologie, die an B. Bauer ihren Zergliederer gefunden hat und die mit ihrer innern Unwahrheit und Heuchelei unser ganzes Leben durchdringt. Dieser Theologie entspricht auf dem Gebiete des Staates das jetzige Regierungssystem in Preußen. Ein System hat Friedrich Wilhelm IV., das ist unleugbar, ein vollkommen ausgebildetes System der Romantik, wie dies auch eine notwendige Folge seines Standpunktes ist; denn wer von diesem aus einen Staat organisieren will, muß mehr wie ein paar abgerissene, zusammenhangslose Ansichten zu seiner Verfügung haben. Das theologische Wesen dieses Systems wäre also vorläufig zu entwickeln. Indem der König von Preußen es unternimmt, das Prinzip der Legitimität in seinen Konsequenzen durchzusetzen, schließt er sich nicht nur der historischen Rechtsschule an, sondern führt sie sogar weiter fort und kommt fast bei der Hallerschen „Restauration" an. Zuerst, um den christlichen Staat zu verwirklichen, muß er den fast heidnisch gewordenen rationalistischen Beamtenstaat mit christlichen Ideen durchdringen, den Kultus heben, die Teilnahme an demselben zu fördern suchen. Dies hat er denn auch nicht unterlassen. Die Maßregeln zur Förderung des Kirchenbesuchs im allgemeinen und namentlich bei den Beamten, die strengere Aufrechthaltung der
Sonntagsfeier überhaupt, die beabsichtigte Verschärfung der Ehescheidungsgesetze, die teilweise schon begonnene Epurierung der theologischen Fakultäten, das Gewicht, welches ein starker Glaube gegen schwache Kenntnisse bei den theologischen Prüfungen in die Waagschale legt, die Besetzung vieler Beamtenstellen mit vorzugsweise gläubigen Männern - und viele andere weltkundige Tatsachen gehören hieher. Sie können als Belege dienen, wie sehr Friedrich Wilhelm IV. dahin strebt, das Christentum unmittelbar in den Staat wiedereinzuführen, die Gesetze des Staates nach den Geboten der biblischen Moral einzurichten. Das ist aber nur das Erste, Unmittelbarste. Das System des christlichen Staates kann hierbei nicht stehenbleiben. Der weitere Schritt ist nun die Trennung der Kirche vom Staate, ein Schritt, der über den protestantischen Staat hinausgeht. In diesem ist der König summus episcopus1 und vereinigt in sich die höchste kirchliche und staatliche Macht; die Verschmelzung von Staat und Kirche, wie sie bei Hegel ausgesprochen ist, ist das letzte Ziel dieser Staatsform. Wie aber der ganze Protestantismus eine Konzession an die Weltlichkeit ist, so auch das Episkopat des Fürsten. Es ist eine Bestätigung und Rechtfertigung des päpstlichen Primats, indem es die Notwendigkeit eines sichtbaren Oberhaupts der Kirche anerkennt; auf der andern Seite aber erklärt es die irdische, weltliche Gewalt, die Staatsgewalt, für das absolut Höchste und ordnet ihm die kirchliche Gewalt unter. Es ist nicht etwa eine Gleichstellung des Weltlichen und Geistlichen, sondern eine Unterordnung des Geistlichen unter das Weltliche. Denn der Fürst war eher Fürst, als er summus episcopus wurde, und bleibt auch nachher vorzugsweise Fürst, ohne je einen geistlichen Charakter zu tragen. Die andere Seite der Sache ist freilich die, daß der Fürst jetzt alle Gewalt, irdische wie himmlische, in sich vereinigt, und, als irdischer Gott, die Vollendung des religiösen Staates darstellt. Wie jene Unterordnung aber dem christlichen Geiste widerspricht, so ist es durchaus nötig, daß der Staat, der den Anspruch der Christlichkeit macht, der Kirche ihre Selbständigkeit ihm gegenüber wieder einräume. Diese Rückkehr zum Katholizismus ist nun einmal unmöglich; die absolute Emanzipation der Kirche ist ebenfalls unausführbar, ohne die Grundsäulen des Staates zu untergraben; es muß also hier ein Vermittlungssystem durchgeführt werden. Dies hat Friedrich Wilhelm IV. denn auch in Beziehung auf die katholische Kirche bereits in Ausführung gebracht, und was die protestantische Kirche betrifft, so beweisen auch hier sonnenklare Tatsachen, wie er in diesem Punkte denkt; besonders ist die Aufhebung des UnionszwangesaBo:i
1 Oberhaupt der evangelischen Landeskirche
und die Befreiung der Altlutheraner von dem Drucke, den sie erdulden mußten, zu erwähnen. Bei der protestantischen Konfession tritt nun ein ganz eignes Verhältnis ein. Sie hat kein sichtbares Oberhaupt, überhaupt keine Einheit, sie zerfällt in viele Sekten, und so kann der protestantische Staat sie nicht anders freilassen, als indem er die verschiedenen Sekten als Korporationen faßt und ihnen so für ihre innren Angelegenheiten absolute Freiheit läßt. Dennoch aber läßt der Fürst sein Episkopat nicht fallen, sondern behält sich das Bestätigungsrecht, überhaupt die Souveränität vor, während er auf der andern Seite das Christentum als Macht über sich anerkennt und konsequent also auch vor der Kirche sich beugen muß. So bleiben nicht nur die Widersprüche, in denen der protestantische Staat sich bewegt, trotz aller scheinbaren Auflösung bestehen, sondern es tritt noch eine Vermischung mit den Prinzipien des katholischen Staats ein, die eine wunderliche Verwirrung und Prinziplosigkeit herbeiführen muß. Das ist nicht theologisch. Der protestantische Staat hat durch Altenstein und Friedrich Wilhelm III., durch das Verfahren gegen den Erzbischof von Kölna2-den Satz ausgesprochen, daß der konsequente Katholik unmöglich ein brauchbarer Staatsbürger sein könne. Dieser; Satz, dessen Bewährung die ganze Geschichte; des Mittelalters ist, gilt nicht nur für den protestantischen, sondern überhaupt für jeden Staat. Wer sein ganzes Sein und Leben zu einer Vorschule des Himmels macht, kann am Irdischen nicht das Interesse haben, das der Staat von seinen Bürgern fordert. Der Staat macht den Anspruch, seinen Bürgern alles zu sein; er erkennt keine Macht über sich und stellt sich überhaupt als absolute Gewalt hin. Der Katholik erkennt aber Gott und seine Einrichtung, die Kirche, als das Absolute an und kann sich also nie ohne inneren Vorbehalt auf den Boden des Staats stellen. Dieser Widerspruch ist unlösbar. Selbst der katholische Staat muß sich für den Katholiken der Kirche, unterordnen, oder der Katholik zerfällt mit ihm; wieviel mehr also wird er mit dem nichtkatholischen Staat zerfallen sein? In dieser Hinsicht war das Verfahren der vorigen Regierung vollkommen konsequent und wohlbegründet; der Staat kann nur solange die Freiheit der katholischen Konfession ungeschmälert lassen, als sie sich den bestehenden Gesetzen unterwirft. - Dieser Zustand der Dinge konnte dem christlichen Könige nicht genügen. Aber was war zu machen? Der protestantische Staat konnte nicht hinter den katholischen Hohenstaufen zurückbleiben, und bei der Höhe des Bewußtseins, zu welcher Staat und Kirche sich aufgeschwungen hatten, war eine definitive Lösung nur durch eine Unterwerfung des einen oder des andern möglich - eine Unterwerfung, die für den sich beugenden
Teil einer Selbstvernichtung gleichgekommen wäre. Die Frage war prinzipiell geworden, und vor den Prinzipien hatte der einzelne Fall als solcher zurücktreten müssen. Was tat nun Friedrich Wilhelm IV.? Echt theologisch drängte er die vorlauten, unbequemen Prinzipien zurück, hielt sich rein an den vorliegenden Fall, der nun ohne die Prinzipien vollends verwickelt wurde, und suchte diesen durch Vermittlung aus dem Wege zu schaffen. Die Kurie gab nichts nach - wer also das blaue Auge davontrug, war der Staat. Das ist die berühmte glorreiche Lösung der Kölner Wirren, auf ihren wahren Gehalt reduziert. Dieselben nur oberflächlich verdeckten Widersprüche, die Friedrich Wilhelm IV. in der Stellung des Staats zur Kirche hervorrief, suchte er auch in den innern Verhältnissen des Staats zu erwecken. Er konnte sich hier an die bereits bestehenden Theorien der historischen Rechtsschule anlehnen und hatte so ein ziemlich leichtes Spiel. Der Verlauf der Geschichte hatte in Deutschland das Prinzip der absoluten Monarchie zum herrschenden gemacht, die Rechte der alten Feudalstände vernichtet, den König zum Gott im Staate erhoben. Dazu waren in der Zeit von 1807 bis 1812 die Reste des Mittelalters mit Entschiedenheit angegriffen und zum großen Teil weggeräumt worden. Wieviel auch seitdem redressiert sein mochte, die Gesetzgebung jener Zeit und das unter dem Einflüsse der Aufklärung abgefaßte Landrechtt67] blieben die Grundlagen der preußischen Gesetzgebung. Ein solcher Zustand mußte unerträglich sein. Daher knüpfte Friedrich Wilhelm IV. überall an, wo er noch etwas Mittelalterliches vorfand. Der Majoratsadel wurde begünstigt und durch neue Adelsverleihungen, die unter Bedingung der Majoratsstiftung erteilt wurden, verstärkt; der Bürgerstand als solcher, getrennt vom Adel und den Bauern, als aparter, Handel und Industrie repräsentierender Stand angesehen und behandelt; die Sonderung der Korporationen, die Abschließung einzelner Handwerke und ihre Annäherung an das Zunftwesen begünstigt etc. Überhaupt zeigten alle Reden und Handlungen des Königs von vornherein, daß er eine besondere Vorliebe für das Korporationswesen hat, und gerade dies bezeichnet seinen mittelalterlichen Standpunkt am besten. Dies Nebeneinanderbestehen privilegierter Verbindungen, die in ihren innern Angelegenheiten mit einer gewissen Freiheit und Selbständigkeit verfahren können, deren jede durch gleiche Interessen in sich verbunden ist, die sich aber auch gegenseitig bekämpfen und übervorteilen - diese Zersplitterung der Staatskräfte bis zur völligen Auflösung des Staats, wie sie das deutsche Reich darstellt, macht eines der wesentlichsten Momente des Mittelalters aus. Es Versteht sich aber von selbst, daß Friedrich Wilhelm IV. nicht gesonnen ist, den christlichen Staat bis zu
dieser Konsequenz durchzuführen. Er glaubt zwar, zur Herstellung des wahrhaft christlichen Staats berufen zu sein, in Wahrheit aber will er nur den theologischen Schein desselben, den Glanz und Schimmer, nicht aber die Not, den Druck, die Unordnung und Selbstvernichtung des christlichen Staats, kurz, ein juste-milieu-Mittelalter; gerade wie etwa Leo auch nur den glänzenden Kultus, die Kirchenzucht usw. vom Katholizismus will, nicht aber den ganzen Katholizismus mit Haut und Haar. Darum ist Friedrich Wilhelm auch nicht absolut illiberal und gewaltsam in seinen Bestrebungen, Gott bewahre, er will seinen Preußen alle möglichen Freiheiten lassen, aber eben nur in der Gestalt der Unfreiheit, des Monopols und Privilegiums. Er ist kein entschiedener Feind der freien Presse* er wird sie geben, aber auch als Monopol des vorzugsweise wissenschaftlichen Standes. Er will die Repräsentation nicht aufheben oder verweigern, er will nur nicht, daß der Staatsbürger, als solcher, vertreten sei; er arbeitet auf eine Repräsentation der Stände hin, wie sie in den preußischen Provinzialständen117-1 schon teilweise ausgeführt ist. Kurz, er kennt keine allgemeinen, keine staatsbürgerlichen, keine Menschenrechte, er kennt nur Korporationsrechte, Monopole, Privilegien. Deren wird er eine Masse geben, soviel wie er kann, ohne seine absolute Gewalt durch positiv-gesetzliche Bestimmungen zu beschränken. Vielleicht auch mehr. Vielleicht hat er schon jetzt, trotz der Königsberger und Breslauer Bescheide0-91-1, im geheimen die Absicht, wenn er seine theologische Politik weit genug durchgeführt hat, das Werk durch Erteilung einer reichsständisch-mittelalterlichen Verfassung zu krönen und seinen möglicherweise andersgesinnten Nachfolgern die Hände dadurch zu binden. Konsequent wäre es - ob aber seine Theologie das zuläßt, steht dahin. Wie schwankend und haltlos, wie inkonsequent dies System schon in sich selbst ist, haben wir gesehen; die Einführung desselben in die Praxis muß notwendigerweise neue Schwankungen und Inkonsequenzen herbeiführen. Der kalte preußische Beamtenstaat, das Kontrollewesen, die schnarrende Staatsmaschine will von der schönen, glänzenden, vertrauensvollen Romantik nichts wissen. Das Volk steht im Durchschnitt auf einer noch zu niedrigen Stufe der politischen Bildung, um das System des christlichen Königs durchschauen zu können. "Der Haß gegen die Privilegien des Adels, gegen die Anmaßungen der Geistlichkeit jeder Konfession ist indes zu tief eingewurzelt, als daß Friedrich Wilhelm bei ganz offenem Verfahren hieran nicht scheitern müßte. Daher das bisher befolgte ängstliche Sondierungssystem, mit welchem er zuerst die öffentliche Meinung ausforschte und dann immer noch Zeit genug behielt, eine zu anstößige Maßregel zurückzuziehen. Daher die Methode, seine Minister vorzuschieben und bei zu gewaltsamen Handlungen
derselben sie zu desavouieren, wobei nur das merkwürdig ist, daß ein preußischer Minister sich das gefallen läßt, ohne seine Entlassung einzureichen. Namentlich mit Rochow geschah dies früher, und binnen kurzem wird Herr Eichhorn an die Reihe kommen, obwohl ihn der König noch jüngst für einen Ehrenmann erklärt und seinen Handlungen Beifall gezollt hat. Ohne solche theologische Mittel würde Friedrich Wilhelm IV. längst die Liebe des Volks verscherzt haben, die er sich bis jetzt nur noch durch seinen offenen, jovialen Charakter, durch möglichst große Liebenswürdigkeit und Leutseligkeit und durch seinen rücksichtslosen Witz, der selbst gekrönte Häupter nicht verschonen soll, erhalten hat. Auch hütet er sich wohl, die zu anstößigen oder gar die unvermeidlichen schlimmen Seiten seines Systems herauszukehren; er spricht im Gegenteil davon, als wenn es lauter Pracht und Herrlichkeit und Freiheit wäre, und läßt sich nur da ganz gehen, wo sein System anscheinend liberaler ist als die bestehende preußische Bevormundung; wo er aber illiberal erscheinen würde, hält er sich klugerweise zurück. Zudem, während er den gewöhnlichen Konstitutionalismus stets mit den Ehrennamen: oberflächlich und ordinär belegt, hat er sich dessen Terminologie dennoch angeeignet und gebraucht sie in seinen Reden - soll man sagen als Ausdruck oder als Verdeckung seiner Ideen? - mit vielem Geschick. Genauso machen es die modernen Vermittlungstheologen, die sich ebenfalls politischer Redeweisen mit Vorliebe bedienen und sich so den Forderungen der Zeit zu akkommodieren wähnen. Bruno Bauer nennt das kurzweg Heuchelei. Was die Finanzverwaltung unter Friedrich Wilhelm IV. betrifft, so hat er sich nicht an die Art von Zivilliste halten können, die sein Vater für sich festsetzte, indem dieser gesetzlich bestimmte, daß vom Ertrage der Domänen jährlich 2% Million Taler für den König und sein Haus bestimmt, das übrige aber, gleich allen andern Einkünften, zu Staatszwecken verwendet werden sollte. Man kann dem Könige nachrechnen, selbst wenn man seine Privateinkünfte hinzuzählt, daß er mehr verbraucht als 21/ä Millionen - und doch sollte von diesen noch die Apanage der andern Prinzen bestritten werden. Bülow-Cummerow hat zudem erwiesen, daß die sogenannte Rechnungsablage des preußischen Staats rein illusorisch sei.1118-1 Es ist also durchaus Geheimnis, wie die Staatseinkünfte verwaltet werden. Der vielbesprochene Steuererlaß ist kaum der Rede wert und hätte schon unter dem vorigen Könige längst eintreten können, wenn dieser es nicht gescheut hätte, je in die Notwendigkeit einer Steuererhöhung zu kommen. Ich glaube hiermit über Friedrich Wilhelm IV. genug gesagt zu haben. Es versteht sich bei seinem unbezweifelt gutmütigen Charakter von selbst, daß er in Dingen, die mit seiner Theorie nicht in Berührung stehen, auf
richtig das tut, weis die öffentliche Stimme von ihm fordert und was wirklich gut ist. Es bleibt nur noch die Frage, ob er jemals sein System durchsetzen werde? Darauf läßt sich glücklicherweise nur mit Nein antworten. Das preußische Volk hat seit einem Jahre, seit der angeblich freieren Bewegung der Presse, die im Augenblick wieder die unfreiste geworden ist, einen Aufschwung genommen, der mit der Geringfügigkeit jener Maßregel fast in gar keinem Verhältnis steht. Der Druck der Zensur hält in Preußen eine so ungemeine Masse von Kräften gefesselt, daß die geringste Erleichterung eine unverhältnismäßig starke Reaktion derselben hervorruft. Die öffentliche Meinung in Preußen konzentriert sich immer mehr auf zwei Dinge: Repräsentativverfassung und besonders Preßfreiheit; der König mag sich stellen, wie er will, man wird ihm vorläufig die letztere abnötigen, und besitzt man diese, so muß die Verfassung in einem Jahre nachfolgen. Ist aber eine Repräsentation erst da, so läßt sich gar nicht absehen, welchen Gang Preußen dann nehmen wird. Eine der ersten Folgen wird die Zerstörung der russischen Allianz sein, wenn der König nicht schon früher genötigt sein sollte, diese Folge seines Prinzips fahrenzulassen. Dann aber kann noch manches folgen, und Preußens jetzige Lage hat viel Ähnlichkeit mit der Frankreichs vor - doch ich enthalte mich aller voreiligen Schlüsse. F.O. Geschrieben ungefähr im Oktober 1842. Nach: „Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz", Zürich und Winterthur 1843.
Friedrich Engels
Englische Ansicht über die innern Krisen
[„Rheinische Zeitung" Nr. 342 vom 8. Dezember 1842] *x* London, 3. Dez. Wenn man sich im stillen eine Zeitlang mit den englischen Zuständen beschäftigt, wenn man sich über die schwache Grundlage, auf der das ganze künstliche Gebäude der sozialen und politischen Wohlfahrt Englands ruht, Klarheit verschafft hat und nun auf einmal mitten in das englische Treiben hineinversetzt wird, so staunt man über die merkwürdige Ruhe und Zuversicht, womit hier jedermann der Zukunft entgegensieht. Die herrschenden Klassen, gleichviel ob Mittelstand oder Aristokratie, Whigs oder Tories, haben nun schon so lange das Land regiert, daß das Aufkommen einer andern Partei ihnen eine Unmöglichkeit scheint. Man mag ihnen ihre Sünden, ihre Haltlosigkeit, ihre schwankende Politik, ihre Blindheit und Verstocktheit, man mag ihnen den schwindelnden Zustand des Landes, der eine Frucht ihrer Prinzipien ist, noch so sehr vorhalten, sie bleiben bei ihrer unerschütterlichen Sicherheit und trauen sich die Kraft zu, das Land einer bessern Lage zuzuführen. Und wenn eine Revolution in England unmöglich ist, wie sie wenigstens behaupten, so haben sie allerdings für ihre Herrschaft wenig zu fürchten. Wenn der Chartismus sich so lange geduldet, bis er die Majorität im Unterhause für sich gewonnen hat, kann er noch manches Jahr Meetings halten und die sechs Punkte der Volks-Charte0923 verlangen; die Mittelklasse wird sich nie durch Bewilligung des allgemeinen Stimmrechts von der Besetzung des Unterhauses ausschließen, da sie, eine notwendige Konsequenz der Nachgiebigkeit in diesem Punkte, alsdann von der Unzahl der Nichtbesitzenden überstimmt werden würde. Daher hat der Chartismus unter den Gebildeten in England noch gar keine Wurzel schlagen können und wird es auch so bald noch nicht. Wenn man hier von Chartisten und Radikalen spricht, so versteht man fast durchgängig die Hefe des Volkes, die Masse der Proletarier darunter, und es ist wahr, die wenigen gebildeten Stimmführer der Partei verschwinden unter der Masse.
Auch abgesehen vom politischen Interesse, kann der Mittelstand nur Whig oder Tory, nie Chartist sein. Sein Prinzip ist die Aufrechthaltung des Bestehenden; der „gesetzliche Fortschritt" und das allgemeine Stimmrecht würde bei der jetzigen Lage Englands eine Revolution unfehlbar nach sich ziehen. So ist es denn ganz natürlich, daß der praktische Engländer, dem die Politik ein Zahlenverhältnis oder gar ein Handelsgeschäft ist, von der im stillen furchtbar anwachsenden Macht des Chartismus gar keine Notiz nimmt, weil sie sich nicht in Zahlen ausdrücken läßt oder doch nur in solchen, die in Beziehung auf die Regierung und das Parlament Nullen vor der Eins sind. Es gibt aber Dinge, die über das Zahlenverhältnis hinausgehen, und daran wird die Superklugheit des englischen Whiggismus und Toryismus schon scheitern, wenn ihre Zeit gekommen sein wird.
Friedrich Engels
Die innern Krisen
[„Rheinische Zeitung" Nr. 343 vom 9. Dezember 1842] *x* London, den 30.November. Ist in England eine Revolution möglich oder gar wahrscheinlich? Das ist die Frage, von der die Zukunft Englands abhängt. Legt sie dem Engländer vor, und er wird euch mit tausend schönen Gründen beweisen, daß von einer Revolution gar die Rede nicht sein kann. Er wird euch sagen, daß England sich allerdings für den Augenblick in einer kritischen Lage befindet, daß es aber in seinem Reichtum, seiner Industrie und seinen Institutionen die Mittel und Wege besitzt, sich ohne gewaltsame Erschütterungen herauszuarbeiten, daß seine Verfassung Elastizität genug hat, um die heftigsten Stöße der Prinzipienkämpfe zu überdauern und allen von den Umständen aufgedrungenen Veränderungen ohne Gefahr für ihre Grundlagen sich unterwerfen zu können. Er wird euch sagen, daß selbst die unterste Volksklasse wohl weiß, daß sie bei einer Revolution nur zu verlieren hat, weil jede Störung der öffentlichen Ruhe nur eine Stockung des Geschäfts und damit eine allgemeine Arbeitslosigkeit und Hungersnot nach sich ziehen kann. Kurz, er wird euch soviel klare und einleuchtende Dinge vorbringen, daß ihr am Ende meint, es stehe wirklich so schlimm nicht mit England, und man mache sich auf dem Kontinent allerlei Phantasien über die Lage dieses Staates, die vor der handgreiflichen Wirklichkeit, vor der genauem Kenntnis der Sache wie Seifenblasen zerplatzen müßten. Und diese Meinung ist auch die einzig mögliche, sobald man sich auf den national-englischen Standpunkt der unmittelbaren Praxis, der materiellen Interessen stellt, d.h., sobald man den beregenden Gedanken außer Augen läßt, die Basis über der Oberfläche vergißt, den Wald vor Bäumen nicht sieht. Es ist eine Sache, die sich in Deutschland von selbst versteht, die aber dem verstockten Briten nicht beizubringen ist, daß die sogenannten materiellen Interessen niemals in der Geschichte als selbständige, leitende Zwecke auftreten können, sondern daß sie stets, unbewußt oder bewußt, einem Prinzip dienen, das die Fäden des
historischen Fortschritts leitet. Darum ist es ein Ding der Unmöglichkeit, daß ein Staat wie England, dessen politische Exklusivität und Selbstgenügsamkeit am Ende um einige Jahrhunderte gegen den Kontinent zurückgeblieben ist, ein Staat, der von der Freiheit nur die Willkür kennt, der bis über die Ohren im Mittelalter steckt, daß ein solcher Staat nicht endlich mit der indes fortgeschrittenen, geistigen Entwickelung in Konflikt kommen sollte. Oder ist das nicht das Bild der politischen Lage Englands? Gibt es ein Land in der Welt, wo der Feudalismus in so ungebrochener Kraft besteht und nicht nur faktisch, sondern auch in der öffentlichen Meinung unangetastet bleibt? Besteht die vielgerühmte englische Freiheit in etwas anderm als in der rein formellen Willkür, innerhalb der bestehenden gesetzlichen Schranken tun und lassen zu können, was man Lust hat? Und was für Gesetze sind das! Ein Wust von verworrenen, einander widersprechenden Bestimmungen, die die Jurisprudenz zur reinen Sophistik herabgewürdigt haben, die von der Justiz nie befolgt werden, weil sie auf unsere Zeit nicht passen, die es zulassen, wenn anders die öffentliche Meinung und ihr Rechtsgefühl es zuließen, daß der ehrliche Mann wegen der unschuldigsten Handlung zum Verbrecher gestempelt wird. Ist das Unterhaus nicht eine rein durch Bestechung gewählte, dem Volke entfremdete Korporation? Tritt das Parlament nicht fortwährend den Willen des Volkes mit Füßen? Hat die öffentliche Meinung in allgemeinen Fragen den geringsten Einfluß auf die Regierung? Beschränkt sich ihre Macht nicht bloß auf den einzelnen Fall, auf die Kontrolle der Justiz und Verwaltung? Das sind alles Dinge, die selbst der verstockteste Engländer nicht unbedingt leugnet, und ein solcher Zustand soll sich halten können? Aber ich will das Feld der Prinzipienfragen verlassen. In England, wenigstens unter den Parteien, die sich jetzt um die Herrschaft streiten, unter Whigs und Tories, kennt man keine Prinzipienkämpfe, man kennt nur Konflikte der materiellen Interessen. Es ist also billig, daß auch dieser Seite ihr Recht widerfahre. England ist von Natur ein armes Land, das außer seiner geographischen Lage, seinen Eisenminen und Kohlengruben nur einige fette Weiden, sonst keine Fruchtbarkeit oder irgendeinen andern natürlichen Reichtum besitzt. Es ist also durchaus auf Handel, Schiffahrt und Industrie angewiesen und hat sich auch durch diese zu der Höhe aufzuschwingen gewußt, die es einnimmt. In der Natur der Sache liegt aber, daß ein Land, wenn es diesen Weg eingeschlagen hat, sich nur durch fortwährende Steigerung der industriellen Produktion auf der einmal erreichten Höhe halten kann; und Stillstand wäre auch hier ein Rückschritt. Es ist ferner eine natürliche Folge aus den Voraussetzungen des Industriestaats, daß er, um die Quelle seines Reichtums zu schützen, die industriellen
Produkte änderer Länder mit Prohibitivzöllen von sich abhalten muß. Da aber die inländische Industrie die Preise ihrer Produkte rhit den Zöllen auf auswärtige Produkte erhöht, so ist auch hierin die Notwendigkeit gegeben, die Zölle fortwährend zu erhöhen, damit die auswärtige Konkurrenz, dem angenommenen Prinzipe gemäß, ausgeschlossen bleibe. So würde sich also hier von zwei Seiten her ein Prozeß ins Endlose ergeben, und der Widerspruch, der in dem Begriffe des Industriestaats liegt, zeigte sich schon hier. Aber wir brauchen hier diese philosophischen Kategorien nicht einmal, um die Widersprüche aufzuzeigen, zwischen denen England eingekeilt liegt. Bei den zwei Steigerungen, der Produktion und der Zölle, die wir soeben betrachteten, haben auch noch andere Leute als die englischen Industriellen mitzusprechen. Zuerst das Ausland, das selbst Industrie besitzt und nicht nötig hat, sich zum Abzugsgraben für die englischen Produkte herzugeben, und dann die englischen Konsumenten, die sich eine solche Steigerung der Zölle ins Unendliche nicht gefallen lassen. Und gerade hier steht jetzt die Entwickelung des Industriestaats in England. Das Ausland will die englischen Produkte nicht, weil es selbst seinen Bedarf erzeugt, und die englischen Konsumenten verlangen einstimmig die Aufhebung der Prohibitivzölle. Schon aus der obigen Entwickelung ergibt sich, daß England hierdurch in ein doppeltes Dilemma gerät, zu dessen Lösung der bloße Industriestaat nicht fähig ist; aber auch die unmittelbare Anschauung der Verhältnisse bestätigt dies. Um zuerst von den Zöllen zu reden, so ist es selbst in England anerkannt, daß fast in allen Artikeln die niedrigem Qualitäten von den deutschen und französischen Fabriken besser und billiger geliefert werden; ebenso eine Masse anderer Artikel, in deren Fabrikation die Engländer gegen den Kontinent zurück sind. Mit diesen würde England schon bei Aufhebung des Prohibitivsystems sogleich überschwemmt werden, und die englische Industrie erhielte dadurch den Todesstoß. Andererseits ist jetzt die Maschinenausfuhr in England freigegeben, und da in der Maschinenfabrikation England bis jetzt keine Konkurrenz hat, so wird der Kontinent durch englische Maschinen nun desto mehr in den Stand gesetzt, mit England zu konkurrieren. Das Prohibitivsystem hat femer die Staatseinkünfte Englands ruiniert und muß schon deswegen abgeschafft werden - wo ist nun hier ein Ausweg für den Industriestaat?
[„Rheinische Zeitung" Nr. 344 vom 10. Dezember 1842] *x * In Beziehung auf den Markt für die englischen Produkte haben Deutschland und Frankreich deutlich genug erklärt, daß sie, um England gefällig zu sein, ihre Industrie nicht länger preisgeben wollen. Die deutsche
Industrie namentlich hat ohnehin einen solchen Aufschwung genommen, daß sie die englische nicht mehr zu fürchten hat. Der Kontinentalmarkt ist für England verloren. Es bleiben ihm nur noch Amerika und seine eignen Kolonien, und nur in letzteren ist es durch seine Navigationsgesetze1-193-1 vor fremder Konkurrenz gesichert. Die Kolonien aber sind lange nicht groß genug, um alle Produkte der immensen englischen Industrie konsumieren zu können, und überall anderswo wird die englische Industrie immer mehr durch die deutsche und französische verdrängt. Diese Verdrängung ist freilich nicht Schuld der englischen Industrie, sondern Schuld des Prohibitivsystems, das die Preise aller Lebensbedürfnisse und mit ihnen den Arbeitslohn auf eine unverhältnismäßige Höhe geschraubt hat. Dieser Arbeitslohn aber verteuert gerade die englischen Produkte sosehr gegen die Produkte der kontinentalen Industrie. So kann also England der Notwendigkeit nicht entgehen, seine Industrie zu beschränken. Das kann aber ebensowenig durchgeführt werden als der Übergang vom Prohibitivsystem zum freien Handel. Denn die Industrie bereichert zwar ein Land, aber sie schafft auch eine Klasse von Nichtbesitzenden, von absolut Armen, die von der Hand in den Mund lebt, die sich reißend vermehrt, eine Klasse, die nachher nicht wieder abzuschaffen ist, weil sie nie stabilen Besitz erwerben kann. Und der dritte Teil, fast die Hälfte aller Engländer, gehört dieser Klasse an. Die geringste Stockung im Handel macht einen großen Teil dieser Klasse, eine große Handelskrisis macht die ganze Klasse brotlos. Was bleibt diesen Leuten anders übrig, als zu revoltieren, wenn solche Umstände eintreten? Durch ihre Masse aber ist diese Klasse zur mächtigsten in England geworden, und wehe den englischen Reichen, wenn sie darüber zum Bewußtsein kommt.
Bis jetzt ist sie es freilich noch nicht. Der englische Proletarier ahnt erst seine Macht, und die Frucht dieser Ahnung war der Aufruhr des vergangenen Sommers1-1943. Der Charakter dieses Aufruhrs ist auf dem Kontinente ganz verkannt worden. Man war wenigstens im Zweifel, ob die Sache nicht ernstlich werden konnte. Aber davon war für den, der die Sache an Ort und Stelle mit ansah, gar keine Rede. Erstlich beruhte die ganze Sache auf einer Illusion; weil einige Fabrikbesitzer ihren Lohn herabsetzen wollten, glaubten die sämtlichen Arbeiter der Baumwollen-, Kohlen- und Eisendistrikte ihre Stellung gefährdet, was gar nicht der Fall war. Sodann war die ganze Sache nicht vorbereitet, nicht organisiert, nicht geleitet. Die Turn-outs1 hatten keinen Zweck und waren sich über die Art und Weise ihres Verfahrens noch weniger einig. Daher kam es, daß sie bei dem geringsten Widerstande von Seiten der Be
streikenden
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hörden unschlüssig wurden und die Achtung vor dem Gesetz nicht überwinden konnten. Als die Chartisten sich der Zügel der Bewegung bemächtigten und vor den versammelten Volkshaufen die people's charter proklamieren ließen, war es zu spät. Die einzige leitende Idee, die den Arbeitern wie den Chartisten, denen sie eigentlich auch angehört, vorschwebte, war die einer Revolution auf gesetzlichem Wege - ein Widerspruch in sich selbst, eine praktische Unmöglichkeit, an deren Durchführung sie scheiterten. Gleich die erste, allen gemeinsame Maßregel, die Stillsetzung der Fabriken, war gewaltsam und ungesetzlich. Bei dieser Haltlosigkeit der ganzen Unternehmung würde sie gleich anfangs unterdrückt worden sein, wenn nicht die Verwaltung, der sie durchaus unerwartet kam, ebenso unschlüssig und mittellos gewesen wäre. Und dennoch reichte die geringe militärische und polizeiliche Macht hin, das Volk im Zaume zu halten. Man hat in Manchester gesehen, wie Tausende von Arbeitern auf den Squares durch vier oder fünf Dragoner, deren jeder einen Zugang besetzt hielt, eingeschlossen gehalten wurden. Die „gesetzliche Revolution" hatte alles gelähmt. So verlief sich die ganze Sache; jeder Arbeiter fing wieder an zu arbeiten, sobald seine Ersparnisse verbraucht waren und er also nichts mehr zu essen hatte. Der Nutzen, der für die Besitzlosen daraus hervorgegangen ist, bleibt aber bestehen; es ist das Bewußtsein, daß eine Revolution auf friedlichem Wege eine Unmöglichkeit ist und daß nur eine gewaltsame Umwälzung der bestehenden unnatürlichen Verhältnisse, ein radikaler Sturz der adligen und industriellen Aristokratie die materielle Lage der Proletarier verbessern kann. Von dieser gewaltsamen Revolution hält sie noch die dem Engländer eigentümliche Achtung vor dem Gesetz zurück; bei der oben dargelegten Lage Englands kann es aber nicht fehlen, daß in kurzer Zeit eine allgemeine Brotlosigkeit der Proletarier eintritt, und die Scheu vor dem Hungertode wird dann stärker sein als die Scheu vor dem Gesetz. Diese Revolution ist eine unausbleibliche für England; aber wie in allem, was in England vorgeht, werden die Interessen, und nicht die Prinzipien, diese Revolution beginnen und durchführen; erst aus den Interessen können sich die Prinzipien entwickeln, d.h., die Revolution wird keine politische, sondern eine soziale sein.
Friedrich Engels
Stellung der politischen Partei
[„Rheinische Zeitung" Nr. 358 vom 24. Dezember 1842] *f* Aus Lancashire, 19. Dezember. So kompliziert die gegenwärtige Lage Englands erscheint, wenn man, wie der Engländer es tut, am Allernächsten, an der handgreiflichen Wirklichkeit, an der äußerlichen Praxis klebt, so einfach ist sie, wenn man die Äußerlichkeit auf ihren prinzipiellen Gehalt reduziert. Es gibt nur drei Parteien in England, die von Bedeutung sind, die Aristokratie des Grundbesitzes, die Aristokratie des Geldes und die radikale Demokratie. Die erstere, die der Tories, ist ihrer Natur und geschichtlichen Entwicklung nach die rein mittelalterliche, konsequente, reaktionäre Partei, der alte Adel, der mit der „historischen" Rechtsschule in Deutschland1 fraternisiert und die Stütze des christlichen Staates bildet. Die zweite, die Whigpartei, hat ihren Kern in den Kaufleuten und Fabrikanten, deren Mehrzahl den sogenannten Mittelstand bilden. Dieser Mittelstand, zu dem alles gehört, was gentleman ist, d. h. sein anständiges Auskommen hat, ohne übermäßig reich zu sein, ist aber nur Mittelstand im Vergleich mit den reichen Adeligen und Kapitalisten; seine Stellung gegen den Arbeiter aber ist aristokratisch, und dies muß in einem Lande wie England, das nur von der Industrie lebt und also eine Masse Arbeiter besitzt, weit eher zum Bewußtsein kommen als z.B. in Deutschland, wo man die Handwerker und Bauern als Mittelstand begreift und jene ausgedehnte Klasse der Fabrikarbeiter gar nicht kennt. Hierdurch wird die Whigpartei in die zweideutige Stellung des juste-milieu hingedrängt, sobald die Klasse der Arbeiter anfängt, zum Bewußtsein zu kommen. Und dies geschieht in diesem Augenblick. Die radikal-demokratischen Prinzipien des Chartismus durchdringen die arbeitende Klasse täglich mehr und werden von ihr immer mehr als der Ausdruck ihres Gesamtbewußtseins erkannt. Jetzt
indes ist diese Partei erst in der Bildung begriffen und kann deshalb noch nicht mit voller Energie auftreten. Daß außer diesen drei Hauptparteien noch allerlei Übergangsnuancen existieren, versteht sich von selbst, und von diesen sind augenblicklich zwei von Bedeutung, obwohl sie alles prinzipiellen Gehalts entbehren. Die erste ist die Mitte zwischen Whiggismus und Toryismus, wie sie durch Peel und Russell repräsentiert wird, und der für die nächste Zukunft die Majorität im Unterhause, also das Ministerium sicher ist. Die andere ist die Mitte zwischen Whiggismus und Chartismus, die „radikale" Nuance, die durch ein halbes Dutzend Parlamentsmitglieder und einige Zeitschriften, namentlich den „Examiner", vertreten ist und deren Prinzipien, obwohl nicht ausgesprochen, der National Anti-Corn-Law Leaguecl953 zum Grunde liegen. Die erstere Fraktion muß durch die größere Entwicklung des Chartismus an Bedeutung gewinnen, weil sie ihm gegenüber die Einheit von Whig- und Toryprinzipien darstellten, die er grade behauptet. Die andere muß dadurch ganz in ihr Nichts zurückfallen. Die Stellung dieser Parteien gegeneinander zeigt sich am klarsten in ihrem Verhalten gegen die Korngesetze. Die Tories geben keinen Zollbreit nach. Der Adel weiß, daß seine Macht, außer der konstitutionellen Sphäre des Oberhauses, hauptsächlich in seinem Reichtum liegt. Durch eine Freigebung der Korneinfuhr würde er genötigt sein, mit den Pächtern neue Kontrakte auf billigere Bedingungen abzuschließen. Sein ganzer Reichtum ist Grundbesitz; der Wert des Grundbesitzes steht mit der Pacht in unabänderlichem Verhältnis und fällt mit ihr. Nun ist die Pacht augenblicklich so hoch, daß selbst bei dem jetzigen Zoll der Pächter ruiniert wird; eine Freigebung der Korneinfuhr würde diese Pacht und mit ihr den Wert des Grundeigentums um den dritten Teil herabsetzen. Grund genug für die Aristokratie, an ihrem wohlerworbenen Recht, das den Ackerbau ruiniert und die Armen des Landes aushungert, festzuhalten. Die Whigs, das allzeit fertige juste-milieu, haben einen festen Zoll von acht Schilling per Quarter vorgeschlagen; dieser Zoll ist grade niedrig genug, um fremdes Korn hereinzulassen und dem Pächter den Markt verderben zu können, und grade hoch genug, um dem Pächter allen Grund zur Forderung neuer Pachtbedingungen zu nehmen und für das Land einen durchschnittlich ebenso hohen Brotpreis zu stellen, wie er jetzt existiert. Die Weisheit des juste-milieu ruiniert also das Land noch weit sicherer als die Verstocktheit der konsequenten Reaktion. Die „Radikalen" sind hier einmal wirklich radikal und fordern freie Korneinfuhr. Aber der „Examiner" hat diesen Mut auch erst seit acht Tagen, und die Anti-Corn-Law League war von vornherein so sehr bloß gegen die bestehenden Korngesetze und die sliding-scalecl96:l gerichtet, daß
sie bis zuletzt immerfort die Whigs unterstützte. Allmählich indes ist die absolute Freiheit der Korneinfuhr und überhaupt „freier Handel" das Feldgeschrei der Radikalen geworden, und die Whigs schreien gutmütig mit nach „freiem Handel", worunter sie juste-milieu-Zölle verstehen. Daß die Chartisten von Kornzöllen nichts wissen wollen, versteht sich von selbst. Was wird aber daraus werden? Daß die Korneinfuhr frei werden muß, ist so gewiß, wie daß die Tories stürzen müssen, auf friedlichem oder gewaltsamem Wege. Nur über die Art dieser Veränderung kann man streiten. Wahrscheinlich wird schon die nächste Parlamentssession den Abfall Peels von der sliding-scale und damit vom vollen Toryismus bringen. Der Adel wird in allem nachgeben, was ihn nicht zwingt, seine Pachtsätze zu erniedrigen, weiter aber nichts. Die Koalition Peel-Russell, das parlamentarische Zentrum, hat jedenfalls die nächste Chance fürs Ministerium und wird die Entscheidung der Kornfrage durch seine juste-milieu-Maßregeln so lange wie möglich aufhalten. Wie lange aber, das hängt nicht von ihr ab, sondern vom Volk.
Friedrich Engels
Lage der arbeitenden Klasse in England
[„Rheinische Zeitung" Nr. 359 vom 25. Dezember 1842] *f* Aus Lancashire, 20. Dez. Die Lage der arbeitenden Klassen in England wird täglich prekärer. Für den Augenblick hat es freilich den Anschein, als wäre es so schlimm nicht; in den Baumwolldistrikten sind die meisten Leute beschäftigt, in Manchester kommt vielleicht auf zehn Arbeiter nur ein Unbeschäftigter, in Bolton und Birmingham mag das Verhältnis dasselbe sein, und wenn der englische Arbeiter beschäftigt ist, ist er auch zufrieden. Und er kann es auch sein, wenigstens der Baumwollenarbeiter, wenn er sein Los mit dem seiner Schicksalsgenossen in Deutschland und Frankreich vergleicht. Dort hat der Arbeiter knapp genug, um von Kartoffeln und Brot leben zu können; glücklich, wer einmal die Woche Fleisch bekommt. Hier ißt er täglich sein Rindfleisch und bekommt für sein Geld einen kräftigem Braten als der Reichste in Deutschland. Zweimal des Tages hat er Tee und behält immer noch Geld genug übrig, um mittags ein Glas Porter und abends brandy and water trinken zu können. Das ist die Lebensart der meisten Arbeiter in Manchester bei einer täglich zwölfstündigen Arbeit. Aber wie lange dauert das! Bei der geringsten Schwankung im Handel werden Tausende von Arbeitern brotlos; ihre geringen Ersparnisse sind bald verzehrt, und dann steht der Hungertod vor ihnen. Und eine solche Krisis muß in ein paar Jahren wieder eintreten. Dieselbe vermehrte Produktion, die jetzt den „paupers" Arbeit verschafft und die auf den chinesischen Markt spekuliert, muß eine Unmasse Waren und eine Stockung des Absatzes hervorbringen, in deren Gefolge wieder eine allgemeine Brotlosigkeit der Arbeiter ist. Sodann ist die Lage der Baumwollenarbeiter die beste. In den Kohlenminen haben die Arbeiter die schwersten und ungesundesten Arbeiten für einen geringen Lohn zu verrichten. Die Folge davon ist, daß diese Arbeiterklasse einen weit größern Ingrimm gegen die Reichen hegt als die andern working men und daher durch Raub, Mißhandlungen der Reicheren etc. sich besonders auszeichnet. So sind
hier in Manchester die „Bolton people"cl97:l ordentlich gefürchtet, wie sie sich denn auch bei den Sommerunruhen1-194-1 am entschlossensten gezeigt haben. In ähnlichem Rufe stehen die Eisenarbeiter, wie überhaupt alle, die schwere körperliche Arbeiten zu verrichten haben. Wenn alle diese schon jetzt knapp leben können, was soll aus ihnen werden, wenn die geringste Stockung im Geschäft eintritt? Die Arbeiter haben zwar Kassen unter sich gebildet, deren Fonds durch wöchentliche Beiträge vermehrt wird und die Unbeschäftigten unterstützen soll; aber auch diese reichen nur dann aus, wenn die Manufakturen gut gehen, denn selbst dann sind noch immer Brotlose genug da. Sowie die Arbeitslosigkeit allgemein wird, so hört auch diese Hülfsquelle auf. Schottland ist augenblicklich der Sündenbock, wo die Manufakturen stocken; denn bei der Ausdehnung der englischen Industrie gibt es immer einen oder den andern Bezirk, der leidet. In der ganzen Umgegend von Glasgow nimmt die Arbeitslosigkeit täglich zu. In Paisley, einer verhältnismäßig kleinen Stadt, waren vor vierzehn Tagen 7000 „unemployed"; jetzt sind ihrer schon 10000. Die ohnehin schon geringen Zusendungen aus den Unterstützungskassen sind noch um die Hälfte vermindert worden, weil die Fonds ausgehen; ein Meeting der Noblemen und Gentlemen der Grafschaft hat eine Subskription beschlossen, die 3000 Pfund einbringen soll; aber dies Mittel ist auch schon abgenutzt, und die Herren selbst hoffen im stillen nur auf einen Ertrag von höchstens 400 Pfund. Es kommt zuletzt darauf edles hinaus, daß England sich mit seiner Industrie nicht nur eine große Klasse von Besitzlosen, sondern auch unter dieser eine immer nicht unbedeutende Klasse von Brotlosen auf den Hals geladen hat, die es nicht loswerden kann. Diese Leute müssen sehen, wie sie sich durchschlagen; der Staat gibt sie auf, ja stößt sie von sich. Wer kann es ihnen verübeln, wenn die Männer sich auf den Straßenraub oder Einbruch, die Weiber auf den Diebstahl und die Prostitution werfen? Aber der Staat kümmert sich nicht drum, ob der Hunger bitter oder süß ist, sondern sperrt sie in seine Gefängnisse oder deportiert sie in die Verbrecherkolonien, und wenn er sie freiläßt, so hat er das zufriedenstellende Resultat, aus Brotlosen Sittenlose gemacht zu haben. Und der Humor von der ganzen Geschichte ist, daß der hochweise Whig und „Radikale" fortwährend nicht begreift, woher bei einer solchen Lage des Landes der Chartismus herkommt, und wie die Chartisten nur glauben mögen, daß sie auch nur die geringste Chance in England haben.
Friedrich Engels
Die Korngesetze
[„Rheinische Zeitung" Nr. 360/361 vom 27. Dezember 1842] *f* Aus Lancashire, 22. Dez. Die bestehenden Korngesetze1-163-1 gehen ihrem Ende rasch entgegen. Das Volk hat eine wahre Wut auf die „Brottaxe", und die Tories mögen machen, was sie wollen, sie können gegen den Andrang der erbitterten Masse nicht standhalten. Sir Robert Peel hat das Parlament bis zum zweiten Februar vertagt - sechs Wochen Zeit für die Opposition, jene Wut noch mehr zu schüren. Peel wird sich gleich von vornherein bei Eröffnung der neuen Session über die sliding-scale1-1963 zu erklären haben; man glaubt allgemein, daß er in seiner Ansicht über sie wenigstens wankend geworden ist. Entschließt er sich, sie fallenzulassen, so wird die strengere Torypartei das Ministerium ohne Zweifel verlassen und den gemäßigten Whigs Platz machen, so daß schon dann die Koalition Peel-Russell zustande käme. In jedem Falle wird die Aristokratie sich hartnäckig verteidigen, und ich meinerseits glaube nicht, daß sie gutwillig zur Freigebung der Korneinfuhr zu bringen ist. Der englische Adel hat die Reformbill11983 und die Emanzipation der Katholiken11993 durchgehen lassen, aber die Selbstüberwindung, die ihm dies gekostet hat, würde nichts sein gegen die, mit der er die Korngesetze abschaffte. Was ist die Schwächung des aristokratischen Einflusses auf die Wahl des Unterhauses gegen die Herabsetzung des Vermögens aller englischen Adligen um 30 Prozent? Und wenn schon die beiden obigen Bills solche Kämpfe gemacht haben, wenn die Reformbill nur mit Hülfe von Volksaufständen, mit Steinwürfen in die Fenster der Aristokraten durchgesetzt wurde, dann sollte der Adel es bei dieser Frage nicht darauf ankommen lassen, ob das Volk mutig und stark genug ist, seinen Willen durchzuführen? Ohnehin haben die Sommerunruhen1-1943 dem Adel ja gezeigt, wie wenig das englische Volk taugt, wenn es revoltiert. Ich bin fest überzeugt, daß die Aristokratie diesmal standhalten wird, bis ihr das Messer an der Kehle sitzt. Daß das Volk aber nicht lange mehr von jedem Pfunde Brot, das es verzehrt, der Aristo
kratie einen Penny (zehn Pfennige preußisch) bezahlen wird, ist gewiß. Dafür hat die Anti-Corn-Law Leaguecl95:i gesorgt. Ihre Tätigkeit ist ungeheuer gewesen, einen genauem Bericht darüber behalte ich mir vor. Soviel für heute, daß eines der wichtigsten Resultate, das teils die Korngesetze, teils die League hervorgebracht haben, die Befreiung der Pächter von dem moralischen Einfluß ihrer adligen Grundbesitzer ist. Bisher war niemand gegen politische Verhältnisse gleichgültiger gewesen als die englischen Pächter, d. h. der ganze ackerbauende Teil der Nation. Der Landlord (Gutsbesitzer) war, wie sich von selbst versteht, Tory und jagte jeden Pächter fort, der bei den Parlamentswahlen gegen die Tories stimmte. Daher kam es denn, daß die 252 Parlamentsglieder, welche das platte Land im vereinigten Königreiche zu wählen hat, regelmäßig fast lauter Tories waren. Durch die Wirkungen der Komgesetze sowie durch die Publikationen der League, die in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet wurden, ist aber nun in dem Pächter der politische Sinn geweckt worden. Er hat eingesehen, daß sein Interesse nicht mit dem des Landlords identisch, sondern ihm gerade entgegengesetzt ist, und daß die Korngesetze für niemand ungünstiger gewesen sind als für ihn. Daher ist denn auch eine bedeutende Veränderung unter den Pächtern vorgegangen; die Mehrzahl derselben ist jetzt Whig, und da es den Landlords schwerfallen dürfte, jetzt noch einen durchgreifenden Einfluß auf die Stimme der Pächter bei den Wahlen auszuüben, so werden die 252 Tories wohl bald in ebensoviel Whigs übergehen. Wenn dieser Übergang auch nur bei der Hälfte einträte, so würde dadurch schon die Gestalt des Unterhauses bedeutend verändert werden, indem hierdurch die Majorität des Unterhauses den Whigs für immer gesichert wäre. Und das muß geschehen. Vollends wenn die Korngesetze aufgehoben wären, denn dann wäre der Pächter ganz unabhängig gegen den Landlord, weil von jener Aufhebung an die Pachtkontrakte unter ganz neuen Bedingungen geschlossen werden müssen. Die Aristokratie hat Wunders einen klugen Streich zu machen gemeint, als sie die Korngesetze gab; aber das Geld, was sie dadurch bekommen hat, wiegt lange nicht den Nachteil auf, den ihr jene Gesetze gebracht haben. Und dieser Nachteil besteht eben darin, daß von nun an die Aristokratie nicht mehr als die Vertreterin des Ackerbaus, sondern ihrer eigenen selbstsüchtigen Interessen dasteht.
Friedrich Engels
Briefe aus London
I
[„Schweizerischer Republikaner" Nr. 39 vom 16. Mai 1843] Die demokratische Partei in England macht reißende Fortschritte. Während Whiggismus und Toryismus, Geldaristokratie und Adelsaristokratie in der „Nationalplauderstube", wie der Tory Thomas Carlyle, oder in dem „Hause, das sich anmaßt, die Gemeinden von England vertreten zu wollen", wie der Chartist Feargus O'Connor sagt, einen langweiligen Zungenstreit um des Kaisers Bart führen, während die Staatskirche allen ihren Einfluß auf die bigotten Neigungen der Nation aufbietet, um ihr verrottetes Gebäude noch etwas aufrechtzuerhalten, während die Anti-Korngesetz-Ligue11953 Hunderttausende wegwirft, in der wahnsinnigen Hoffnung, dafür Millionen in die Taschen der baumwollspinnenden Lords strömen zu sehen - währenddes schreitet der verachtete und verspottete Sozialismus ruhig und sicher voran und drängt sich allmählich der öffentlichen Meinung auf, währenddes hat sich in ein paar Jahren eine neue, unzählbare Partei unter der Fahne der Volks-Charte11923 gebildet und eine so energische Art der Agitation angenommen, daß O'Connell und die Ligue dagegen Stümper und Pfuscher sind. Es ist bekannt, daß in England die Parteien mit den sozialen Stufen und Klassen identisch sind; daß die Tories identisch mit dem Adel und der bigotten, streng orthodoxen Fraktion der Hochkirche12003 sind, daß die Whigs aus den Fabrikanten, Kaufleuten und DissenterS12013, im ganzen aus der höhern Mittelklasse bestehen, daß die niedere Mittelklasse die sogenannten „Radikalen" ausmacht und endlich der Chartismus seine Stärke in den working men, den Proletariern, hat. Der Sozialismus bildet keine geschlossene politische Partei, rekrutiert sich aber im ganzen aus der niedern Mittelklasse und den Proletariern. So zeigt England das merkwürdige Faktum, daß, je tiefer eine Klasse in der Gesellschaft steht, je „ungebildeter" sie im gewöhnlichen Sinne des Wortes ist, desto näher steht sie dem Fortschritt, desto mehr Zukunft hat sie. Im ganzen ist dies der Charakter jeder revolutionären Epoche,
wie dies namentlich bei der religiösen Revolution, deren Produkt das Christentum war, sich zeigte: „selig sind die Armen", „die Weisheit dieser Welt ist zur Torheit geworden" usw. Aber so deutlich ausgeprägt, so scharf abgestuft wie jetzt in England, erschien dies Vorzeichen einer großen Umwälzung wohl noch nie. In Deutschland geht die Bewegung von der nicht nur gebildeten, sondern sogar gelehrten Klasse aus; in England sind die Gebildeten und vollends die Gelehrten seit dreihundert Jahren taub und blind gegen die Zeichen der Zeit. Der elende Schlendrian der englischen Universitäten, gegen den unsere deutschen Hochschulen noch golden sind, ist weltbekannt; aber welcher Art die Werke der ersten englischen Theologen und selbst eines Teils der ersten englischen Naturforscher sind, was für erbärmlich reaktionäre Schriften die Masse der wöchentlichen „Liste neuer Bücher" ausmachen, das läßt man sich auf dem Kontinent nicht träumen. England ist das Vaterland der Nationalökonomie; aber wie steht die Wissenschaft unter den Professoren und praktischen Politikern? Die Handelsfreiheit Adam Smiths ist in die wahnsinnige Konsequenz der Malthusschen Bevölkerungstheorie hineingetrieben worden und hat nichts produziert als eine neue zivilisiertere Gestalt des alten Monopolsystems, die in den heutigen Tories ihre Vertreter findet und die den Malthusschen Unsinn mit Erfolg bekämpft hat - aber zuletzt doch wieder auf Malthussche Konsequenzen getrieben wird. Inkonsequenz und Heuchelei auf allen Seiten, während die schlagenden ökonomischen Traktate der Sozialisten und zum Teil auch der Chartisten mit Verachtung beiseite gelegt werden und nur unter den niedern Ständen Leser finden. Strauß' „Leben Jesu" wurde ins Englische übersetzt. Kein „respektabler" Buchhändler wollte es drucken; endlich erschien es heftweise, 3 Pence das Heft, und zwar im Verlage eines ganz untergeordneten, aber energischen Antiquars. So ging es mit Übersetzungen von Rousseau, Voltaire, Holbach usw. Byron und Shelley werden fast nur von den untern Ständen gelesen; des letztern Werk dürfte kein „respektabler" Mann auf seinem Tische liegen haben, ohne in den schrecklichsten Verruf zu kommen. Es bleibt dabei: selig sind die Armen, denn ihrer ist das Himmelreich, und wie lange wird's dauernauch das Reich dieser Welt.
Dem Parlament liegt jetzt Sir J. Grahams Bill über die Erziehung der in den Fabriken arbeitenden Kinder vor, wonach die Arbeitszeit derselben beschränkt, der Schulzwang eingeführt und die Hochkirche mit der Aufsicht über die Schulen beschenkt werden soll. Diese Bill hat natürlich allgemeine Bewegung hervorgerufen und den Parteien wieder Gelegenheit gegeben, ihre Stärke zu messen. Die Whigs wollen die Bill ganz verworfen haben, weil sie die Dissenters von der Jugenderziehung verdrängt und den Fabrikanten
durch die Beschränkung der Arbeitszeit der Kinder Verlegenheiten bereitet. Unter den Chartisten und Sozialisten gibt sich dagegen eine bedeutende Zustimmung zu der allgemeinen, humanen Tendenz der Bill, mit Ausnahme der auf die Hochkirche bezüglichen Klauseln, kund. Lancashire, der Hauptsitz der Fabriken, ist natürlich auch der Hauptsitz der auf obige Bill bezüglichen Agitationen. Die Tories sind hier in den Städten durchaus machtlos; ihre desfallsigen Meetings waren auch nicht öffentlich. Die Dissenters versammelten sich erst in Korporationen, um gegen die Bill zu petitionieren, und ließen dann im Verein mit den liberalen Fabrikanten Stadtmeetings berufen. Ein solches Stadtmeeting wird vom obersten städtischen Beamten berufen, ist ganz öffentlich, und jeder Einwohner hat das Recht, zu sprechen. Hier also kann, wenn der Versammlungssaal groß genug ist, nur die stärkste und energischste Partei siegen. Und in allen bis jetzt berufenen Stadtmeetings haben die Chartisten und Sozialisten gesiegt. Das erste war in Stockport, wo die Resolutionen der Whigs nur eine Stimme, die der Chartisten das ganze Meeting für sich hatten, und so der whiggische Mayor von Stockport als Präsident des Meetings genötigt war, eine chartistische Petition zu unterschreiben und an ein chartistisches Parlamentsmitglied (Duncombe) zur Überreichung einzusenden. Das zweite war in Salford, einer Art Vorstadt von Manchester mit etwa 100000 Einwohnern; ich war dort. Die Whigs hatten alle Vorkehrungen getroffen, um sich den Sieg zu verschaffen; der Boroughreeve1 nahm den Präsidentenstuhl ein und sprach viel von Unparteilichkeit; als aber ein Chartist fragte, ob Diskussion erlaubt sei, erhielt er zur Antwort: ja, wenn das Meeting vorüber sei! Die erste Resolution sollte durchgeschmuggelt werden, aber die Chartisten waren auf ihrer Hut und vereitelten es. Als ein Chartist die Plattform bestieg, kam ein dissentierender Geistlicher und wollte ihn herunterwerfen! Alles ging indes noch gut, bis zuletzt, als eine Petition im Sinne der Whigs vorgeschlagen wurde. Da trat ein Chartist auf und schlug ein Amendement vor; alsbald stand der Präsident und sein ganzer Whigschweif auf und verließ den Saal. Das Meeting wurde nichtsdestoweniger fortgesetzt und die chartistische Petition zur Abstimmung gebracht; aber gerade im rechten Augenblick machten die Polizeibeamten, die sich schon mehrere Male zugunsten der Whigs ins Mittel gelegt hatten, die Lichter aus und zwangen das Meeting, sich zu trennen. Nichtsdestoweniger ließen die Whigs in der nächsten Lokalzeitung ihre sämtlichen Resolutionen als durchgegangen einrücken, und der Borough-reeve war ehrlos genug, seinen Namen „in Vertretung und auf Befehl des Meetings" zu unterzeichnen! Das
1 Bürgermeister
ist Whigrechtlichkeit! Das dritte Meeting war zwei Tage später in Manchester, und hier trugen die radikalen Parteien gleichfalls den glänzendsten Sieg davon. Obwohl die Stunde so gewählt war, daß die meisten Fabrikarbeiter nicht anwesend sein konnten, war doch eine bedeutende Majorität von Chartisten und Sozialisten im Saal. Die Whigs beschränkten sich rein auf die Punkte, welche ihnen mit den Chartisten gemeinsam waren; ein Sozialist und ein Chartist sprachen von der Plattform und gaben den Whigs das Zeugnis, daß sie sich heute als gute Chartisten aufgeführt hätten. Der Sozialist sagte ihnen geradezu, daß er hergekommen sei, um Opposition zu machen, wenn er die geringste Gelegenheit finde, aber es sei alles nach seinen Wünschen gegangen. So ist es also dahin gekommen, daß Lancashire, und namentlich Manchester, der Sitz des Whiggismus, der Zentralpunkt der Anti-Korngesetz-Ligue, eine glänzende Majorität zugunsten der radikalen Demokratie aufzuweisen hat und die Macht der „Liberalen" dadurch komplett im Schach gehalten wird.
II
[„Schweizerischer Republikaner" Nr. 41 vom 23. Mai 1843] Die Augsburger „Allgemeine Zeitung" hat einen liberalen Korrespondenten (*) in London, der den Whigumtrieben in entsetzlich langen und langweiligen Artikeln das Wort redet. „Die Anti-Korngesetz-Ligue ist jetzt die Macht des Landes", sagt dies Orakel und spricht damit die größte Lüge aus, die je von einem Parteikorrespondenten gesagt ist.C202] Die Ligue die Macht des Landes! Wo steckt diese Macht? Im Ministerium? Da sitzen ja Peel und Graham und Gladstone, die ärgsten Feinde der Ligue. Im Parlament? Da wird jeder ihrer Anträge mit einer Majorität verworfen, die ihresgleichen in den englischen Parlamentsannalen selten hat. Wo steckt diese Macht? Im Publikum, in der Nation? Die Frage kann nur so ein gedankenloser, flatterhafter Korrespondent bejahen, dem Drury-Lane1-203-1 das Publikum und eine zusammengetrompetete Versammlung die öffentliche Meinung ist. Wenn dieser weise Korrespondent schon so blind ist, daß er am hellen Tage nicht sehen kann, wie dies das Erbteil der Whigs ist, so will ich ihm sagen, wie es mit der Macht der Ligue steht. Von den Tories ist sie aus dem Ministerium und aus dem Parlament, von den Chartisten aus der öffentlichen Meinung gejagt worden. Feargus O'Connor hat sie in allen Städten Englands im Triumph vor sich hergetrieben, hat sie überall zu einer öffentlichen Diskussion aufgefordert, und die Ligue hat den Handschuh nie aufgenommen. Die Ligue kann kein einziges öffentliches Meeting berufen, ohne aufs schmäh
lichste von den Chartisten geschlagen zu werden. Oder weiß der Augsburger Korrespondent nicht, daß die pomphaften Meetings in Manchester im Januar und jetzt die Zusammenkünfte im Londoner Drury-Lane-Theater, wo sich die liberalen Gentlemen gegenseitig etwas vorlügen und sich über ihre innere Haltlosigkeit zu täuschen suchen - daß das alles „übertünchte Gräber" sind? Wer wird zu diesen Versammlungen zugelassen? Nur die Mitglieder der Ligue oder solche, denen die Ligue Billetts erteilt. Da kann also keine Gegenpartei die Chance einer erfolgreichen Opposition haben, und deshalb bewirbt sich auch keiner um Billetts; wenn auch noch soviel List angewandt würde, so könnte sie doch keine hundert ihrer Anhänger hineinschmuggeln. Solche Meetings, die dann nachher „öffentliche" genannt werden, hält die Ligue schon seit Jahren und gratuliert sich darin selbst über ihre „Fortschritte". Es steht der Ligue dann auch sehr wohl an, in diesen „öffentlichen" Billettversammlungen über das „Gespenst des Chartismus" zu schimpfen, besonders da sie weiß, daß O'Connor, Duncombe, Cooper usw. diese Angriffe in wirklich öffentlichen Meetings redlich erwidern. Die Chartisten haben bis jetzt noch jedes öffentliche Meeting der Ligue mit glänzender Majorität gesprengt, aber die Ligue hat noch nie ein chartistisches Meeting beunruhigen können. Daher der Haß der Ligue gegen die Chartisten, daher das Geschrei über „Störung" eines Meetings durch Chartisten - d.h. Auflehnung der Majorität gegen die Minorität, die von der Plattform aus jene zu ihren Zwecken zu benutzen sucht. Wo ist denn die Macht der Ligue? - In ihrer Einbildung und - in ihrem Geldbeutel. Die Ligue ist reich, sie hofft durch Abschaffung der Korngesetze eine gute Handelsperiode herbeizuzaubern und wirft daher mit der Wurst nach dem Schinken. Ihre Subskriptionen tragen bedeutende Massen Geld ein, und damit werden alle die pomphaften Versammlungen und der übrige Schein und Flitterstaat aufgebracht. Aber hinter all dem gleißenden Exterieur steckt gar nichts Reelles. Die „National-Charter-Association"l2oa, die Verbindung der Chartisten, ist an Mitgliederzahl stärker, und es wird sich bald zeigen, daß sie auch mehr Geldmittel aufbringen kann, obwohl sie nur aus armen Arbeitern besteht, während die Ligue alle reichen Fabrikanten und Kaufleute in ihren Reihen zählt. Und das aus dem Grunde, weil die chartistische Assoziation ihre Gelder zwar pfennigweise, aber von fast jedem ihrer Mitglieder erhält, während bei der Ligue zwar bedeutende Summen, aber nur von einzelnen beigetragen werden. Die Chartisten können mit Leichtigkeit jede Woche eine Million Pence™51 aufbringen - es fragt sich sehr, ob die Ligue das durchhalten könnte. Die Ligue hat eine Kontribution von 50000 Pfund Sterling ausgeschrieben und etwa 70000 erhalten; Feargus O'Connor wird nächstens für ein Projekt 125000 Pfund Sterling und vielleicht
bald darauf wieder ebensoviel ausschreiben - er erhält sie, das ist gewiß - und was will dann die Ligue mit ihren „großen Fonds"? Weshalb die Chartisten Opposition gegen die Ligue machen, darüber ein andermal. Jetzt nur noch die eine Bemerkung, daß die Anstrengungen und Arbeiten der Ligue eine gute Seite haben. Dies ist die Bewegung, die durch die Antikorngesetz-Agitation in eine bisher total stabile Klasse der Gesellschaft gebracht wird - in die ackerbauende Bevölkerung. Bisher hatte diese gar kein öffentliches Interesse; abhängig vom Grundbesitzer, der den Pachtkontrakt jedes Jahr kündigen kann, phlegmatisch, unwissend, schickten die Farmers jahraus, jahrein lauter Tories ins Parlament, 251 aus 658 Mitgliedern des Unterhauses - und dies war bisher die starke Basis der reaktionären Partei. Wenn ein einzelner Farmer sich gegen diese erbliche Stimmgebung auflehnen wollte, fand er keine Unterstützung bei seinesgleichen und konnte vom Grundbesitzer mit Leichtigkeit abgedankt werden. Jetzt indes gibt sich eine ziemliche Regsamkeit unter dieser Klasse der Bevölkerung kund, es existieren schon liberale Farmers, und es gibt Leute unter ihnen, welche einsehen, daß das Interesse des Grundbesitzers und das des Pächters in sehr vielen Fällen sich gerade entgegenstehen. Vor drei Jahren hätte namentlich im eigentlichen England kein Mensch einem Pächter das sagen dürfen, ohne entweder ausgelacht oder gar geprügelt zu werden. Unter dieser Klasse wird die Arbeit der Ligue Früchte tragen, aber ganz gewiß andere, als sie erwartet; denn wenn es wahrscheinlich ist, daß die Masse der Pächter den Whigs allmählich zugeht, so ist es noch viel wahrscheinlicher, daß die Masse der ackerbauenden Taglöhner auf die Seite der Chartisten geworfen wird. Eins ohne das andere ist unmöglich, und so wird die Ligue auch hier nur einen schwachen Ersatz bekommen für den entschiedenen und totalen Abfall der arbeitenden Klasse, den sie in den Städten und Fabrikbezirken seit fünf Jahren durch den Chartismus erlitten hat. Das Reich des juste-milieus ist vorüber, und „die Macht des Landes" hat sich auf die Extreme verteilt. Ich aber frage nach diesen unleugbaren Tatsachen den Herrn Korrespondenten der „Allgemeinen Zeitung" von Augsburg, wo „die Macht der Ligue" steckt?
III
[„Schweizerischer Republikaner" Nr. 46 vom 9. Juni 1843] Die englischen Sozialisten sind weit grundsätzlicher und praktischer als die französischen, was besonders davon herrührt, daß sie in offenem Kampfe mit den verschiedenen Kirchen sind und von der Religion nichts wissen wollen. In den größern Städten nämlich halten sie gewöhnlich eine Hall (Ver
sammlungshaus), wo sie alle Sonntage Reden anhören, häufig sind dieselben polemisch gegen das Christentum und atheistisch, oft aber beschlagen sie auch eine das Leben der Arbeiter berührende Seite; von ihren Lektürers (Predigern) scheint mir Watts in Manchester jedenfalls ein bedeutender Mann zu sein, welcher mit vielem Talente einige Broschüren über die Existenz Gottes und über die Nationalökonomie geschrieben hat. Die Lektürers haben eine sehr gute Manier zu räsonieren; alles geht von der Erfahrung und von beweisbaren oder anschaulichen Tatsachen, aus, dabei aber findet eine so grundsätzliche Durchführung statt, daß es schwerhält, auf ihrem gewählten Boden mit ihnen zu kämpfen. Will man aber ein anderes Terrain nehmen, so verlachen sie einen ins Gesicht; ich sage z. B.: Die Existenz Gottes ist nicht vom Beweise aus Tatsachen für den Menschen abhängig, da entgegnen sie: „Wie lächerlich ist Ihr Satz: Wenn er nicht durch Tatsachen sich manifestiert, was wollen wir uns auch um ihn bekümmern; aus Ihrem Satze folgt gerade, daß die Existenz Gottes oder die Nichtexistenz den Menschen gleichgültig sein kann. Da wir nun für so tausend andere Dinge zu sorgen haben, so lassen wir Ihnen den lieben Gott hinter den Wolken, wo er vielleicht existiert, vielleicht auch nicht. Was wir nicht durch Tatsachen wissen, das geht uns gar nichts an; wir halten uns auf dem Boden ,der schönen Fakten', wo von solchen Phantasiestücken wie Gott und Religiosa keine Rede sein kann." So stützen sie ihre übrigen kommunistischen Sätze auf den Beweis von Tatsachen, bei deren Annahme sie in der Tat vorsichtig sind. Die Hartnäckigkeit dieser Leute ist unbeschreiblich, und wie die Geistlichen sie herumkriegen wollen, weiß der liebe Himmel. In Manchester z. B. zählt die Kommunistengemeinde 8000 erklärte für die Hall eingeschriebene und an derselben bezahlende Mitglieder, und es ist keine Übertreibung, wenn behauptet wird, die Hälfte der arbeitenden Klassen in Manchester teilen ihre Ansichten über das Eigentum; denn wenn der Watts von der Plattform (bei den Kommunisten, was die Kanzel bei den Christen) sagt: heute geh* ich an dies oder jenes Meeting, so kann man darauf rechnen, daß die Motion, welche der Lektürer bringt, die Mehrheit bat. . Es gibt aber auch unter den Sozialisten Theoretiker oder, wie die Kommunisten sie nennen, ganze Atheisten, während jene die praktischen heißen; von diesen Theoretikern ist der berühmteste Charles Southwell in Bristol, der eine streitfertige Zeitschrift: „Das Orakel der Vernunft" herausgab und dafür mit einem Jahr Gefängnis und einer Buße von etwa 100 Pfund gestraft wurde: natürlich ist dieselbe schnell durch Subskriptionen gedeckt worden; wie denn jeder Engländer seine Zeitung hält, seinen Führern die Bußen tragen hilft, an seine Kapelle oder Hall zahlt, an seine Meeting geht. Charles Southwell aber
sitzt schon wieder; es mußte nämlich die Hall in Bristol verkauft werden, weil nicht so viele Sozialisten in Bristol und darunter wenig Reiche sind, währenddem eine solche Hall ein ziemlich kostspieliges Ding ist. Dieselbe wurde von einer christlichen Sekte gekauft und in eine Kapelle umgewandelt. Als die Hall zur Kapelle geweiht wurde, drangen die Sozialisten und Chartisten hinein, um die Sache mitanzusehen und zu hören. Als nun aber der Geistliche anfing Gott zu loben, daß all das ruchlose Zeug ein Ende genommen habe, daß nun da, wo Gott sonst gelästert wurde, der Allmächtige nun gepriesen werde, hielten sie es für einen Angriff, und da nach englischen Begriffen jeder Angriff eine Abwehr heischt, schrien sie: Southwell, Southwell! Southwell soll dagegen Rede halten! Southwell also macht sich auf und beginnt eine Rede: Jetzt aber stellen sich die Geistlichen der christlichen Sekte an die Spitze ihrer in Kolonnen gestellten Pfarrkinder und stürmen auf Southwell los, andere der Sekte holen Polizei, da der Southwell den christlichen Gottesdienst gestört habe; die Geistlichen packen ihn mit eigenen Fäusten, schlagen ihn (was in solchen Fällen häufig geschieht) und übergeben ihn einem Polizeimann. Southwell selbst befahl seinen Anhängern, keinen leiblichen Widerstand zu machen; als er weggeführt wurde, folgten ihm bei 6000 Mann mit Hurrarufen und Lebehoch. Der Stifter der Sozialisten Owen schreibt in seinen vielen Büchlein wie ein deutscher Philosoph, d.h. sehr schlecht, doch hat er zuweilen lichte Augenblicke, wo er seine dunkeln Sätze genießbar macht; seine Ansichten sind übrigens umfassend. Nach Owen sind „Ehe, Religion und Eigentum die einzigen Ursachen alles Unglücks, was seit Anfang der Welt existiert hat"(ü), alle seine Schriften wimmeln von Wutausbrüchen gegen die Theologen, die Juristen und Mediziner, welche er in einen Topf wirft. „Die Geschwornengerichte werden aus einer Klasse Leuten besetzt, welche noch ganz theologisch, also Partei ist; auch die Gesetze sind theologisch und müssen deswegen samt dem Jury abgeschafft werden." Während die englische Hochkirche praßte, haben die Sozialisten für die Bildung der arbeitenden Klassen in England unglaublich viel getan; man kann sich anfänglich nicht genug wundern, wenn man die gemeinsten Arbeiter in der Hall of Science1 über den politischen, den religiösen und sozialen Zustand mit klarem Bewußtsein sprechen hört; aber wenn man die merkwürdigen Volksschriften aufspürt, wenn man die Lektürers der Sozialisten, z.B. den Watts in Manchester hört, so nimmt es einen nicht mehr wunder. Die Arbeiter besitzen gegenwärtig in sauberen wohlfeilen Ausgaben die Uber
1 im Unterrichtssaal
31 Marx/Engels, Werke, Bd. I
Setzungen der französischen Philosophie des verflossenen Jahrhunderts, am meisten den „Contrat social" von Rousseau, das „Systeme de la Nature"C206:i und verschiedene Werke von Voltaire, außerdem in Pfennig- und Zweipfennigbroschüren und Journalen die Auseinandersetzung der kommunistischen Grundsätze; ebenso sind die Ausgaben von Thomas Paine und Shelleys Schriften zu billigem Preise in den Händen der Arbeiter. Dazu kommen noch die sonntäglichen Vorlesungen, welche sehr fleißig besucht werden; so sah ich bei meiner Anwesenheit in Manchester die Kommunisten-Hall, welche etwa 3000 Menschen faßt, jeden Sonntag gedrängt voll und hörte da Reden, welche unmittelbare Wirkung haben, in Welchen dem Volke auf den Leib geredet wird, auch Witze gegen die Geistlichen Vorkommen. Daß das Christentum geradezu angegriffen wird, daß die Christen als „unsere Feinde" bezeichnet werden, kommt oft vor. Die Formen dieser Zusammenkünfte gleichen zum Teil den kirchlichen; ein Sängerchor, von einem Orchester begleitet, singt auf der Galerie die sozialen Hymnen, es sind halb und ganz geistliche Melodien mit kommunistischen Texten, wobei die Zuhörer stehen. Dann tritt ein Vorleser auf die Plattform, auf welcher ein Pult und Stühle stehen, ganz ungeniert mit dem Hut auf dem Kopf, macht mit dem Hutlüften den Anwesenden seinen Gruß und zieht den Uberrock aus; dann setzt er sich und hält seinen Vortrag, wobei gewöhnlich viel gelacht wird, da der englische Witz im sprudelnden Humor sich in diesen Reden Luft macht; in der einen Ecke der Hall ist ein BücherUnd Broschürenladen, in der andern eine Bude mit Orangen und andern Erfrischungen, wo jeder seine dahin einschlagenden Bedürfnisse befriedigen oder, wenn ihn die Rede langweilen sollte, sich ihr entziehen kann. Zuweilen werden Sonntagabends da Teepartieen gegeben, wo alle Alter, Stände und Geschlechter untereinander sitzend das gewöhnliche Abendessen, Tee mit Butterbrot, zu sich nehmen; an Werktagen werden oft Bälle und Konzerte in der Hall aufgeführt, wo man sich recht lustig macht; ebenso ist noch ein Kaffee in der Halle. Wie kommt es, daß man diesen ganzen Kram duldet? Aber einmal haben die Kommunisten sich unter dem Whigministerium eine Parlamentsakte verschafft und sich überhaupt damals so festgesetzt, daß man ihnen jetzt als Korporation nichts mehr tun kann. Zweitens würde man den hervorragenden Einzelnen sehr gerne zu Leib gehen, aber man weiß, daß dies nur zum Vorteil der Sozialisten ausschlüge, indem es die öffentliche Aufmerksamkeit auf sie lenkt, wonach sie streben. Gäbe es Märtyrer für ihre Sache (und wie viele wären alle Augenblicke dazu bereit), so entstände Agitation; Agitation aber ist das Mittel, ihre Sache noch mehr zu verbreiten, während jetzt ein großer Teil
des Volkes sie übersieht, indem es sie für eine Sekte wie eine andere hält; Gegenmaßregeln, wußten die Whigs sehr wohl, wirken kräftiger für eine Sache als Selbstagitation, daher gaben sie ihnen Existenz und eine Form; jede Form aber ist bindend. Die Tories schlagen hingegen etwa los, wenn die atheistischen Schriften zu arg ausfallen; aber jedesmal zum Nutzen der Kommunisten; im Dezember 1840 wurden Southwell und andere wegen Blasphemie gestraft; gleich erschienen drei neue Zeitschriften, eine „Der Atheist", die andere „Der Atheist und der Republikaner", die dritte, von dem Lektürer Watts herausgegeben: „Der Gotteslästerer". Einige Nummern des „Gotteslästerers" haben großes Aufsehen erregt, und man studierte umsonst darauf, wie man diese Richtung unterdrücken könnte. Man ließ sie gehen, und siehe da, alle drei Blätter gingen wieder ein! Drittens retten sich die Sozialisten wie alle die andern Parteien durch Gesetzumgehen und Wortklauben, was hier an der Tagesordnung ist. So ist hier alles Leben und Zusammenhang, fester Boden und Tat, so nimmt hier alles äußere Gestalt an: während wir glauben etwas zu wissen, wenn wir die matte Elendigkeit des Steinschen Buches1307-1 verschlucken, oder etwas zu sein, wenn wir da oder dort eine Meinung mit Rosenöl verduftet aussprechen. In den Sozialisten sieht man recht deutlich die englische Energie; was mich aber mehr in Erstaunen setzte, war das gutmütige Wesen dieser, fast hätte ich gesagt Kerls, das aber so weit von Schwäche entfernt ist, daß sie über die bloßen Republikaner lachen, da' die Republik ebenso heuchlerisch, ebenso theologisch, ebenso gesetzlich ungerecht sein würde als die Monarchie; für die soziale Reform aber wollen sie, samt Weib und Kindern, Gut und Blut einsetzen.
IV [„Schweizerischer Republikaner" Nr. 51 vom 27. Juni 1843] Man hört jetzt von nichts als von O'Connell und der irischen Repeal (Aufhebung der Verbindung Irlands mit England)1-208-1. O'Connell, der alte schlaue Advokat, der während der Whigregierung ruhig im Unterhause saß und „liberale" Maßregeln durchbringen half, damit sie im Oberhause durchfielen, O'Connell hat sich auf einmal aus London und der parlamentarischen Debatte fortgemacht und bringt seine alte Repealfrage wieder auf. Kein Mensch dachte noch daran; da steigt Old Dan in Dublin ans Land und rührt den alten verjährten Plunder wieder auf. Kein Wunder, daß das alte gärende Zeug nun merkwürdige Luftblasen entwickelt. Da zieht der alte Schlaukopf von Stadt zu Stadt und jedesmal von einer Leibgarde begleitet, wie kein König sie auf
zuweisen hat, zweimalhunderttausend Mann immer um sich! Was könnte damit alles getan werden, wenn ein vernünftiger Mensch die Popularität O'Connells oder O'Connell ein wenig mehr Einsicht und etwas weniger Egoismus und Eitelkeit besäße! Zweimalhunderttausend Mann; und was für Leute! - Leute, die keinen Pfennig zu verlieren, die zu zwei Dritteln keinen ganzen Rock am Leibe haben, echte Proletarier und Sansculotten, und dazu Irländer, wilde, unbändige, fanatische Gälen. Wer die Irländer nicht gesehen hat, der kennt sie nicht. Gebt mir zweimalhunderttausend Irländer, und ich werfe die ganze britische Monarchie über den Haufen. Der Irländer ist ein sorgloses, heiteres, kartoffelessendes Naturkind. Von der Heide, auf der er unter einem schlechten Dach, bei dünnem Tee und schmaler Kost herangewachsen ist, wird er in unsere Zivilisation hineingerissen. Der Hunger treibt ihn nach England. In dem mechanischen, egoistischen, eisig-kalten Getriebe der englischen Fabrikstädte erwachen seine Leidenschaften. Was weiß der rohe Junge, dessen Jugend auf der Heide spielend und auf der Landstraße bettelnd verbracht wurde, von Sparsamkeit? Was er verdient, wird verjubelt; dann hungert er bis zum nächsten Zahltag oder bis er wieder Arbeit findet. Das Hungern ist er so gewöhnt. So kehrt er zurück, sucht sich seine Familie von der Landstraße zusammen, wo sie sich zum Betteln zerstreute und zuweilen wieder um den Teekessel sammelte, den die Mutter mit sich führte. Aber er hat in England viel gesehen, öffentliche Meetings und Arbeitervereine besucht, er weiß, was Repeal ist und was es mit Sir Robert Peel auf sich hat, er hat sich mit der Polizei ganz gewiß sehr oft herumgeschlagen und weiß von der Hartherzigkeit und Schändlichkeit der „Peelers" (Polizeidiener) viel zu erzählen. Auch von Daniel O'Connell hat er viel gehört. Jetzt sucht er sich sein altes Haus mit einem Stück Kartoffelland wieder auf. Die Kartoffeln sind reif geworden, er macht sie aus und hat nun für den Winter zu leben. Da kommt der Oberpächter12093 und fragt nach der Pacht. Ja du lieber Gott, wo ist Geld? Der Oberpächter ist dem Grundherrn für die Pacht verantwortlich, er läßt also pfänden. Der Irländer widersetzt sich und wird eingesteckt. Man läßt ihn am Ende wieder laufen, und bald darauf findet man den Oberpächter oder sonst jemand, der sich bei der Pfändung beteiligte, im Graben erschlagen.
Das ist eine Geschichte aus dem Leben der irischen Proletarier, wie sie alle Tage passiert. Die halbwilde Erziehung und die später ganz zivilisierte Umgebung bringen den Irländer in einen Widerspruch mit sich selbst, in eine stete Gereiztheit, in eine stets inwendig fortglimmende Wut, die ihn zu allem fähig machen. Dazu liegt die Last einer fünfhundertjährigen Unterdrückung mit allen ihren Folgen auf ihm. Was Wunder, daß er da, wie jeder Halbwilde,
bei jeder Gelegenheit blind und wütend dreinschlägt, daß ein ewiger Rachedrang, eine Wut des Zerstörens, in seinen Augen brennt, der es ganz gleichgültig ist, wogegen sie sich äußert, wenn sie nur dreinschlagen, nur zerstören kann? Das aber ist noch nicht alles. Wütender Nationalhaß des Gälen gegen den Sachsen, altkatholischer, von den Priestern genährter Fanatismus gegen den protestantisch-episkopalen Hochmut - mit solchen Elementen läßt sich alles durchsetzen. Und alle diese Elemente sind in O'Connells Hand. Und über welche Massen hat er zu verfügen! Vorgestern in Cork - 150000 Mann; gestern in Nenaph - 200000 Mann; heute in Kilkenny - 400000 Mann, so geht das durch. Ein Triumphzug von vierzehn Tagen, ein Triumphzug, wie kein römischer Imperator ihn hielt. Und wollte O'Connell wirklich das Beste des Volks, wäre es ihm um die Wegschaffung des Elends wirklich zu tun wären es nicht seine elenden kleinlichen juste-milieu-Zwecke, die hinter all dem Lärmen, der Agitation der Repeal stecken, wahrlich ich möchte wissen, was ihm Sir Robert Peel verweigern dürfte, wenn er es an der Spitze einer solchen Macht forderte, wie er sie jetzt hat. Aber was richtet er aus mit all seiner Macht und seinen Millionen waffenfähiger, verzweifelter Irländer? Nicht einmal die elende Repeal der Union kann er durchsetzen; natürlich, bloß weil es ihm kein Ernst damit ist, weil er das ausgesogene, zerdrückte irische Volk dazu mißbraucht, den Toryministem Verlegenheit zu bereiten und seine juste-milieu-Freunde wieder ins Amt zu bringen. Das weiß auch Sir Robert Peel gut genug, und darum reichen 25000 Mann Soldaten hin, ganz Irland im Zaum zu halten. Wenn O'Connell wirklich der Mann des Volks wäre, wenn er Mut genug besäße und sich nicht selbst vor dem Volke fürchtete, d.h., wenn er kein doppelzüngiger Whig, sondern ein gerader konsequenter Demokrat wäre, so wäre längst kein englischer Soldat mehr in Irland, kein protestantischer faulenzender Pfaff in rein katholischen Bezirken, kein altnormännischer Baron in seinem Schloß. Aber da liegt der Haken. Wenn das Volk für einen Augenblick losgelassen wäre, so würden Daniel O'Connell und seine Geldaristokraten bald ebenso aufs Trockene gesetzt werden, wie er die Tories aufs Trockene setzen will. Darum schließt sich Daniel so eng an die katholische Geistlichkeit, darum warnt er seine Irländer vor dem gefährlichen Sozialismus, darum weist er die angebotene Unterstützung der Chartisten zurück, obwohl er zum Schein hie und da von Demokratie spricht, wie Louis Philippe einst von den republikanischen Institutionen, und darum wird er es nie zu etwas bringen als zu einer politischen Heranbildung des irischen Volks, die am Ende für niemanden gefährlicher ist als für ihn selbst.
Friedrich Engels
Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent121"
[„The New Moral World" Nr. 19 vom 4. November 1843] Seit ich mit englischen Sozialisten zusammenkomme, ist es immer ein wenig verblüffend für mich gewesen, daß die meisten von ihnen nur sehr wenig mit der sozialen Bewegung vertraut sind, die sich in verschiedenen Teilen des Kontinents entwickelt. Dabei gibt es doch in Frankreich über eine halbe Million Kommunisten, die Fourieristen und andere weniger radikale Sozialreformer gar nicht eingerechnet; in allen Teilen der Schweiz gibt es kommunistische Vereine, die Emissäre nach Italien, Deutschland und sogar nach Ungarn aussenden, und auch die deutsche Philosophie ist nach langen und mühseligen Umwegen schließlich und endgültig beim Kommunismus angelangt. So sind die drei großen zivilisierten Länder Europas, England, Frankreich und Deutschland, alle zu dem Schluß gekommen, daß eine durchgreifende Revolution der sozialen Verhältnisse auf der Grundlage des Gemeineigentums jetzt zu einer dringenden und unvermeidlichen Notwendigkeit geworden ist. Dies Ergebnis ist um so eindrucksvoller, als jede der drei erwähnten Nationen unabhängig von den anderen dazu gelangt ist; es kann keinen stärkeren Beweis als diesen geben, daß der Kommunismus nicht bloß die Konsequenz aus der besonderen Lage der englischen oder einer beliebigen anderen Nation ist, sondern eine notwendige Folgerung, die aus den Voraussetzungen, wie sie in den allgemeinen Bedingungen der modernen Zivilisation gegeben sind, unvermeidlich gezogen werden muß. Es wäre daher wünschenswert, daß die drei Nationen einander verstünden, daß sie wüßten, inwieweit sie übereinstimmen und inwieweit sie nicht übereinstimmen, denn es muß auch Meinungsverschiedenheiten geben, da die Doktrin des Kommunismus in jedem der drei Länder einen anderen Ursprung hatte. Die Engländer kamen zu dem Ergebnis praktisch, durch die rasche Zunahme des Elends, der Demoralisierung und des Pauperismus in
ihrem Vaterlande; die Franzosen politisch, indem sie zunächst politische Freiheit und Gleichheit forderten und, als sie dies unzureichend fanden, ihren politischen Forderungen auch noch die Forderung nach sozialer Freiheit und sozialer Gleichheit hinzufügten; die Deutschen wurden philosophisch zu Kommunisten, durch Schlußfolgerungen aus ersten Prinzipien. Bei diesem Ursprung des Sozialismus in den drei Ländern muß es in Dingen von untergeordneter Bedeutung Meinungsverschiedenheiten gehen; ich glaube aber nachweisen zu können, daß diese Meinungsverschiedenheiten sehr geringfügig und durchaus mit den freundschaftlichsten Gefühlen der Sozialreformer eines jeden Landes für die des anderen Landes vereinbar sind. Sie müßten einander nur noch kennenlernen; wenn das erreicht ist, werden sie alle dessen bin ich gewiß - ihren ausländischen Bruderkommunisten von Herzen Erfolg wünschen.
I Frankreich
Seit der Revolution ist Frankreich das ausgesprochen politische Land Europas. Keine Verbesserung, keine Doktrin kann in Frankreich zu nationaler Bedeutung gelängen, wenn sie sich nicht in irgendeiner politischen Gestalt verkörpert. Der französischen Nation scheint im gegenwärtigen Stadium der Menschheitsgeschichte die Rolle bestimmt, alle politischen Entwicklungsformen zu durchlaufen und vom rein Politischen ausgehend zu dem Punkt zu kommen, wo alle Völker, alle verschiedenen Wege beim Kommunismus anlangen müssen. Die Entwicklung der öffentlichen Meinung in Frankreich zeigt das deutlich, und zugleich zeigt sie, wie die zukünftige Geschichte der englischen Chartisten verlaufen muß. Die französische Revolution war der Ursprung der Demokratie in Europa. Demokratie ist - und so schätze ich alle Regierungsformen ein - ein Widerspruch in sich, eine Unwahrheit, im Grunde nichts als Heuchelei (Theologie, wie wir Deutschen es nennen). Politische Freiheit ist Scheinfreiheit, die schlimmste Art von Sklaverei, der Schein der Freiheit und deshalb die schlimmste Knechtschaft. Ebenso verhält es sich mit der politischen Gleichheit, deshalb muß die Demokratie so gut wie jede andere Regierungsform schließlich in Scherben gehen: Heuchelei kann keinen Bestand haben, der in ihr verborgene Widerspruch muß zutage treten; entweder richtige Sklaverei, das heißt unverhüllter Despotismus, oder echte Freiheit und echte Gleichheit, das heißt Kommunismus.'Die französische Revolution hat beide Formen hervorgebracht ; Napoleon errichtete die eine, Babeuf die andere. Zum Thema
Babouvismus kann ich mich, denke ich, kurz fassen, da die Geschichte seiner Verschwörung von Buonarotti ins Englische übersetzt worden ist. Der kommunistische Anschlag glückte nicht, weil der damalige Kommunismus selbst noch sehr grobschlächtig und oberflächlich, und andrerseits die öffentliche Meinung noch nicht weit genug entwickelt war. Der nächste französische Sozialreformer war Graf von St. Simon. Ihm gelang es, eine Sekte und sogar einige Niederlassungen zu gründen, doch führte beides zu keinem Erfolg. Der allgemeine Charakter der Saint-Simonschen Lehren ist dem der Ham-Common Socialistscall] in England sehr ähnlich, wenn auch in Einzelheiten der Systeme und Ideen beträchtliche Unterschiede bestehen. Die Eigentümlichkeiten und Verschrobenheiten der SaintSimonisten fielen sehr bald dem Witz und der Satire der Franzosen zum Opfer, und was erst einmal lächerlich gemacht, ist in Frankreich unweigerlich verloren. Es gab außerdem aber auch noch andere Gründe für das Mißlingen der Saint-Simonschen Einrichtungen; sämtliche Doktrinen dieser Partei waren in den Nebel unverständlicher Mystik eingehüllt, die anfangs die Aufmerksamkeit der Leute erregen mochte, aber schließlich ihre Erwartungen enttäuschen mußte. Ihre ökonomischen Prinzipien waren ebenfalls nicht unanfechtbar; der Anteil eines Mitglieds ihrer Gemeinden sollte bei der Verteilung der Produkte erstens nach der Menge der von ihm geleisteten Arbeit und zweitens nach der Größe des von ihm gezeigten Talents bemessen werden. Auf dieses Prinzip hat ein deutscher Republikaner, Börne, mit Recht geantwortet, daß Talent, statt belohnt zu werden, eher als natürliche Begünstigung angesehen und daher von dem Anteil der Begabten ein Abzug vorgenommen werden Sollte, um die Gleichheit wieder herzustellen. Nachdem der Saint-Simonismus wie ein glänzender Meteor die Aufmerksamkeit der Denkenden erregt hatte, verschwand er wieder vom sozialen Horizont. Kein Mensch denkt heute noch daran oder redet noch davon; seine Zeit ist vorbei. Fast gleichzeitig mit Saint-Simon wandte noch ein anderer Mann die Tatkraft seines gewaltigen Verstandes dem sozialen Zustand der Menschheit zu Fourier. Wenn auch Fouriers Schriften nicht so glänzende Funken von Genie aufweisen, wie wir sie bei Saint-Simon und einigen seiner Schüler finden, wenn auch sein Stil schwerfällig ist und in erheblichem Maße die Mühe erkennen läßt, mit welcher der Verfasser ständig arbeitet, um seine Gedanken klar zu formulieren und Dinge auszusprechen, für die in der französischen Sprache keine Worte vorhanden sind - nichtsdestoweniger liest man seine Werke mit mehr Genuß und findet mehr wirklichen Wert in ihnen, als in denen der vorhergehenden Schule. Mystik gibt es zwar auch und so ausge
fallen wie nur möglich, aber das kann man wegschneiden und beiseite werfen, und es wird etwas bleiben, was bei den Saint-Simonisten nicht zu finden ist: wissenschaftliche Forschung, kühles, vorurteilsfreies, systematisches Denken, kurzum Sozialphilosophie, während man den Saint-Simonismus nur Sozial* poesie nennen kann. Fourier war es, der zum ersten Male das große Axiom der Sozialphilosophie aufstellte: Da jedes Individuum eine Neigung oder Vorliebe für eine ganz bestimmte Art von Arbeit habe, müsse die Summe der Neigungen aller Individuen im großen ganzen eine ausreichende Kraft darstellen, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Aus diesem Prinzip folgt: wenn jeder einzelne seiner persönlichen Neigung entsprechend tun und lassen darf, was er möchte, werden doch die Bedürfnisse aller befriedigt werden, und zwar ohne die gewaltsamen Mittel, die das gegenwärtige Gesellschaftssystem anwendet. Diese Behauptung scheint kühn zu sein, und doch ist sie in der Art, wie Fourier sie aufstellt, ganz unanfechtbar, ja fast selbstverständlich das Ei des Kolumbus. Fourier weist nach, daß jeder mit der Neigung für irgendeine Art von Arbeit geboren wird, daß absolute Untätigkeit Unsinn ist, etwas, was es nie gegeben hat und nicht geben kann, daß das Wesen des menschlichen Geistes darin besteht, selber tätig zu sein und den Körper in Tätigkeit zu bringen, und daß daher keine Notwendigkeit besteht, Menschen zur Tätigkeit zu zwingen, wie im gegenwärtig bestehenden Gesellschaftszustand, sondern nur die, ihren natürlichen Tätigkeitsdrang in die richtige Bahn zu lenken. Er beweist ferner, daß Arbeit und Vergnügen identisch sind, und zeigt die Vernunftwidrigkeit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, die beide voneinander trennt, aus der Arbeit eine Plackerei und das Vergnügen für die Mehrheit der Arbeiter unerreichbar macht; weiter zeigt er, wie bei vernünftigen Vorkehrungen die Arbeit zu dem gemacht werden kann, was sie eigentlich sein soll, nämlich zu einem Vergnügen, wobei jeder seinen eigenen Neigungen folgen darf. Ich kann natürlich nicht Fouriers gesamte Theorie der freien Arbeit durchgehen, und ich denke, dies wird genügen, um den englischen Sozialisten zu zeigen, daß der Fourierismus eine Sache ist, die durchaus ihre Aufmerksamkeit verdient.
Es ist außerdem Fouriers Verdienst, die Vorteile, oder besser gesagt die Notwendigkeit des Zusammenschlusses gezeigt zu haben. Es dürfte genügen, dieses Thema lediglich zu erwähnen, da ich weiß, daß die Engländer sich seiner Wichtigkeit durchaus bewußt sind. Es gibt jedoch im Fourierismus eine sehr schwerwiegende Inkonsequenz, und zwar die Beibehaltung des Privateigentums. In seinen Phalansteres oder genossenschaftlichen Gemeinden gibt es Reiche und Arme, Kapitalisten und Arbeiter. Das Eigentum aller Mitglieder wird in einen gemeinsamen Fundus
eingebracht, das Unternehmen betreibt Handel, landwirtschaftliche und gewerbliche Tätigkeit, und der Ertrag wird unter die Mitglieder verteilt: ein Teil als Arbeitslohn, ein zweiter Teil als Prämien für Fachkenntnis und Begabung, ein dritter als Verzinsung des Kapitals. So haben wir nach all den schönen Theorien von Genossenschaftsbildung und freier Arbeit, nach einer ganzen Menge entrüsteter Deklamationen gegen Handel, Eigennutz und Konkurrenz, in der Praxis doch wieder das alte Konkurrenzsystem nach einem verbesserten Plan, eine Armengesetz-Bastille mit liberaleren Grundsätzen! Dabei können wir natürlich nicht stehenbleiben, und auch die Franzosen haben hierbei nicht haltgemacht. Die Fortschritte des Fourierismus in Frankreich waren langsam, aber stetig. Es gibt nicht viele Fourieristen, doch findet man unter ihnen einen beträchtlichen Teil der heute in Frankreich wirkenden Intelligenz. Victor Considerant ist einer ihrer geistvollsten Schriftsteller. Sie haben auch eine Zeitung, die „Phalange", die früher dreimal wöchentlich herauskam und jetzt täglich erscheint. Da die Fourieristen jetzt durch Mr. Doherty auch in England vertreten sind, glaube ich wohl genug über sie gesagt zu haben und gehe nun zu der wichtigsten und radikalsten Partei in Frankreich über, zu den Kommunisten. Ich erwähnte schon, daß in Frankreich alles, was nationale Bedeutung beansprucht, politischen Charakter tragen muß; sonst hat es keinen Erfolg. Saint-Simon und Fourier berührten die Politik überhaupt nicht; ihre Pläne wurden daher auch nicht zum Gemeinbesitz der Nation, sondern nur zum Gegenstand privater Diskussion. Wir haben gesehen, wie Babeufs Kommunismus aus der Demokratie der ersten Revolution erwuchs. Die zweite Revolution - die Revolution von 1830t1433 - brachte einen neuen und mächtigeren Kommunismus hervor. Es kam zu der „Großen Woche" von 1830 durch das Bündnis der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse, der Liberalen und der Republikaner. Als die Arbeit getan war, wurde die Arbeiterklasse nach Hause geschickt, und die Früchte der Revolution wurden allein von der Bourgeoisie eingeheimst. Die Arbeiter erhoben sich in mehreren Aufständen1-1703, um das politische Monopol zu brechen und eine Republik zu errichten, wurden aber immer wieder geschlagen, da die Bourgeoisie nicht nur die Armee auf ihrer Seite hatte, sondern auch selbst die Nationalgarde bildete. Während dieser Zeit (1834/35) kam unter den republikanischen Arbeitern eine neue Doktrin auf. Sie erkannten, daß sie sogar im Falle des Gelingens ihrer demokratischen Pläne auch weiterhin von ihren begabteren und gebildeteren Anführern geprellt werden würden und daß ihre soziale Lage, die Ursache ihrer politischen Unzufriedenheit, sich durch keinerlei politischen Wechsel verbessern würde.
Sie gingen auf die Geschichte der großen Revolution zurück und griffen begierig Babeufs Kommunismus auf. Das ist alles, was man mit Sicherheit über den Ursprung des modernen Kommunismus in Frankreich sagen kann; zuerst wurde die Sache in den dunklen Straßen und übervölkerten Gassen der Pariser Vorstadt Saint-Antoine erörtert, bald darauf in den Geheimversammlungen von Verschwörern. Wer mehr über seinen Ursprung weiß, behält sein Wissen wohlweislich für sich, um dem „starken Arm des Gesetzes" zu entgehen. Jedenfalls breitete der Kommunismus sich schnell über Paris, Lyon, Toulouse und die anderen großen Industriestädte des Reiches aus. Verschiedenartige Geheimgesellschaften lösten einander ab; darunter waren die „Travailleurs Egalitaires", das heißt etwa Arbeiterbund der Gleichmacher, und die Humanitariercala:l die wichtigsten. Die Gleichmacher waren genau wie die Babouvisten der großen Revolution ein ziemlich „rauher Schlag"; sie hatten vor, aus der Welt eine Arbeitergemeinschaft zu machen und dabei jede Verfeinerung der Kultur, Wissenschaft, schönen Künste usw. als unnützen, gefährlichen und aristokratischen Luxus abzutun; ein Vorurteil, das sich mit Notwendigkeit aus ihrer völligen Unkenntnis der Geschichte und der politischen Ökonomie ergab. Die Humanitarier waren besonders für ihre Angriffe auf Ehe, Familie und andere ähnliche Einrichtungen bekannt. Sowohl diese beiden als auch noch zwei oder drei andere Parteien waren sehr kurzlebig, und die Hauptmasse der französischen Arbeiterklasse nahm sehr bald die von Cabet - „Pere Cabet" (Vater Cabet), wie man ihn nennt - verkündeten Grundsätze an, die auf dem Kontinent unter dem Namen Ikarischer Kommunismus bekannt sind. Dieser Abriß der Geschichte des Kommunismus in Frankreich zeigt bis zu einem gewissen Grade, worin sich der französische vom englischen Kommunismus unterscheiden muß. Die Sozialreformbewegung in Frankreich ist politischen Ursprungs; man stellt fest, daß die Demokratie keine echte Gleichheit zu geben vermag, und deshalb wird das Kommunesystem zu Hilfe gerufen. Die Masse der französischen Kommunisten sind daher außerdem Republikaner; sie wünschen einen kommunistischen Aufbau der Gesellschaft unter republikanischer Regierungsform. Nun glaube ich nicht, daß die englischen Sozialisten dagegen ernstliche Einwände hätten; denn obwohl sie mehr für eine Wahlmonarchie sind, kenne ich sie doch als zu aufgeklärt, als daß sie ihre Regierungsform einem Volke aufzwingen wollten, das ihr völlig ablehnend gegenübersteht. Es liegt auf der Hand, daß ein derartiger Versuch das betreffende Volk in viel größere Unruhen und Schwierigkeiten verwickeln würde, als sich aus Seiner eigenen demokratischen Regierungsform ergäben, vorausgesetzt sogar, sie wäre schlecht.
Doch gibt es andere Einwände, die man gegen die französischen Kommunisten geltend machen könnte. Sie beabsichtigen, die jetzige Regierung ihres Landes mit Gewalt zu stürzen, und haben das durch ihre ständige Politik der Geheimbündelei bewiesen. Das stimmt. Sogar die Ikarier, die zwar in ihren Veröffentlichungen erklären, daß sie gewaltsame Revolutionen und Geheimbünde verabscheuen, sogar sie sind in dieser Weise organisiert und würden mit Freuden jede Gelegenheit ergreifen, gewaltsam eine Republik zu errichten. Dagegen werden sich wahrscheinlich Einwände erheben und mit Recht: weil Geheimbünde jedenfalls immer gegen die elementarsten Vorsichtsmaßregeln verstoßen und dadurch die Beteiligten unnötigen gesetzlichen Verfolgungen aussetzen. Ich bin nicht gesonnen, eine derartige Politik zu verteidigen; aber sie muß erklärt werden, damit sie verständlich ist, und sie erklärt sich vollauf durch den Unterschied zwischen Engländern und Franzosen im Nationalcharakter und irt der Regierungsform. Die englische Verfassung ist jetzt schon seit ungefähr hundertfünfzig Jahren ohne Unterbrechung das Gesetz des Landes; jede Veränderung ist mit legalen Mitteln, in verfassungsmäßigen Formen durchgeführt worden; daher müssen die Engländer vor ihren Gesetzen hohe Achtung haben. In Frankreich aber folgte in den letzten fünfzig Jahren ein erzwungener Wechsel dem anderen; alle Verfassungen, von der radikalen Demokratie bis zum offenen Despotismus, und alle möglichen Gesetze wurden nach kurzem Bestehen beiseite geworfen und durch andere ersetzt. Wie kann da das Volk Ächtung vor seinen Gesetzen haben? Und das Ergebnis all dieser Erschütterungen, das jetzt in der französischen Verfassung und in den Gesetzen niedergelegt ist, ist die Unterdrückung der Armen durch die Reichen, eine Unterdrückung, die mit Gewalt aufrechterhalten wird; wie kann man dabei erwarten, daß die Unterdrückten ihren staatlichen Einrichtungen Liebe entgegenbringen, daß sie nicht wieder zu den alten Methoden von 1792 ihre Zuflucht nehmen? Sie wissen, wenn sie etwas sind, sind sie es nur, weil sie auf Gewalt mit Gewalt antworten, und da sie gegenwärtig keine anderen Mittel haben, warum sollten sie da auch nur einen Augenblick zögern, dieses Mittel anzuwenden? Ferner wird man sagen, warum gründen die französischen Kommunisten keine Kommunen wie die englischen? Meine Antwort lautet: Weil sie es nicht wagen. Täten sie es, so würde schon der erste Versuch von Soldaten unterdrückt werden. Und dürften sie es auch tun, so würde es ihnen doch nichts nützen. Die Ansiedlung in „Harmony" habe ich immer bloß als Experiment aufgefaßt, das die praktische Durchführbarkeit von Owens Plänen zeigen sollte, um der öffentlichen Meinung eine günstigere Vorstellung von den sozialistischen Plänen zur Linderung des Massenelends aufzunötigen. Nun, wenn das zutrifft, würde so ein
Experiment in Frankreich keinen Zweck haben. Zeigt den Franzosen nicht, daß eure Pläne praktisch sind, denn das würde sie kalt und gleichgültig lassen. Zeigt ihnen vielmehr, daß eure Kommunen die Menschheit nicht einem „eisernen Despotismus" unterstellen werden, wie der Chartist Mister Bairstow neulich in seiner Diskussion mit Mister Watts1213-1 gesagt hat. Zeigt ihnen, daß wirkliche Freiheit und wirkliche Gleichheit nur unter den Bedingungen der Kommune möglich sind, zeigt ihnen, daß die Gerechtigkeit solche Bedingungen erfordert, dann werdet ihr sie alle auf eurer Seite haben. Aber zurück zu den sozialen Lehren der ikarischen Kommunisten. Ihre „heilige Schrift" ist die „Voyage en Icarie" (Reise nach Ikarien) von Vater Cabet, der, nebenbei gesagt, früher Generalprokurator und Mitglied der Deputiertenkammer war. Die allgemeinen Richtlinien für ihre Kommunen unterscheiden sich von denen Owens nur sehr wenig. Sie haben alles Vernünftige, was sie bei Saint-Simon und Fourier fanden, in ihre Pläne mit aufgenommen und sind daher den alten französischen Kommunisten sehr weit überlegen. In bezug auf die Ehe stimmen sie vollkommen mit den Engländern überein. Alles Menschenmögliche wird getan, um die Freiheit des Individuums zu gewährleisten. Strafen sollen abgeschafft und durch Erziehung der Jugend und vernünftige geistige Einwirkung auf die Erwachsenen ersetzt werden. Eines ist jedoch sonderbar; während die englischen Sozialisten im allgemeinen gegen das Christentum sind und daher unter all den religiösen Vorurteilen eines wirklich christlichen Volkes leiden müssen, sind die französischen Kommunisten, obwohl Teil einer Nation, die für ihren Unglauben berühmt ist, selber Christen. Einer ihrer Lieblingsgrundsätze heißt: Christentum ist Kommunismus, „le Christianisme c'est le Communisme". Das versuchen sie durch die Bibel zu beweisen und dadurch, daß die ersten Christen in Gütergemeinschaft gelebt haben sollen usw. Aber all das zeigt nur, daß diese braven Leute nicht eben die besten Christen sind, wenn sie sich auch so nennen; denn wären sie es wirklich, so würden sie die Bibel besser kennen und finden, daß zwar einige wenige Bibelstellen den Kommunismus zu begünstigen scheinen, der allgemeine Geist ihrer Lehren ihm aber dennoch völlig zuwiderläuft, genau wie jeder anderen vernünftigen Maßnahme. Das Anwachsen des Kommunismus ist von den meisten hervorragenden Geistern Frankreichs begrüßt worden; Pierre Leroux, der Metaphysiker, George Sand, die mutige Verteidigerin der Rechte ihres Geschlechts, Abbe de Lamennais, der Verfasser der „Worte eines Gläubigen", und noch sehr viele andere sind den kommunistischen Doktrinen mehr oder minder zu
getan. Der bedeutendste Schriftsteller auf diesem Gebiet ist jedoch Proudhon, ein junger Mann, der vor zwei oder drei Jahren sein Werk veröffentlichte: Was ist Eigentum? („Qu'est ce que la propriete?"); seine Antwort, die er darauf gab, lautet: „La propriete c'est le vol", Eigentum ist Diebstahl. Das ist auf Seiten der Kommunisten das philosophischste Werk in französischer Zunge, und wenn ich irgendein französisches Buch ins Englische übersetzt sehen möchte, so ist es dieses. Das Recht des Privateigentums, die Folgen dieser Institution, Konkurrenz, Unmoral und Elend, werden hier mit einer Kraft des Verstandes und in wirklich wissenschaftlicher Forschung entwickelt, wie ich sie seither nie wieder in einem Bande vereint gefunden habe. Daneben macht er sehr wichtige Bemerkungen über die Regierungsformen, und nachdem er bewiesen hat, daß jede Regierungsform gleichermaßen anfechtbar ist, ob es sich nun um die Demokratie, die Aristokratie oder die Monarchie handelt, daß alle mit Gewalt regieren und daß selbst im besten aller möglichen Fälle die Stärke der Mehrheit die Schwäche der Minderheit unterdrückt, kommt er schließlich zu dem Resultat: „Nous voulons l'anarchie!" Was wir brauchen, ist Anarchie, Niemandsherrschaft, die Verantwortung jedes einzelnen vor niemandem als sich selbst. Uber dieses Thema werde ich noch mehr zu sagen haben, wenn ich zu den deutschen Kommunisten komme. Ich habe jetzt nur noch hinzuzufügen, daß man die französischen ikarischen Kommunisten zahlenmäßig auf etwa eine halbe Million schätzt, Frauen und Kinder nicht gerechnet. Eine recht ansehnliche Phalanx, nicht wahr? Sie haben eine Monatsschrift, den „Populaire", die Vater Cabet herausgibt, und außerdem läßt P.Leroux eine Zeitschrift erscheinen, die „Revue Independante", Worin die Grundsätze des Kommunismus philosophisch verfochten werden. Manchester, den 23. Oktober 1843
II Deutschland und die Schweiz
[„The New Moral World" Nr. 21 vom 18. November 1843] Deutschland hatte seine Sozialreformer schon zur Zeit der Reformation. Bald nachdem Luther begonnen hatte, für die Kirchenreform zu agitieren und das Volk gegen die geistliche Herrschaft aufzuwiegeln, erhob sich die Bauernschaft Süd- Und Mitteldeutschlands in einem allgemeinen Aufstand gegen ihre weltlichen Herren. Luther erklärte stets, sein Ziel sei die Rückkehr zum ursprünglichen Christentum in Lehre und Leben; die Bauern wollten
das gleiche und forderten deshalb die Erneuerung des Urchristentums nicht bloß in der Kirche, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Sie hielten den Zustand der Leibeigenschaft und Knechtschaft, in dem sie lebten, für unvereinbar mit den Lehren der Bibel. Sie wurden von einem Haufen hochmütiger Barone und Grafen unterdrückt, Tag für Tag ausgeplündert und wie das Vieh behandelt; kein Gesetz schützte sie, und gab es eines, so fand sich niemand, der ihm Geltung verschafft hätte. Ein derartiger Zustand stach sehr ab von dem Gemeinwesen der ersten Christen und von den Lehren Christi, wie sie in der Bibel niedergelegt sind. So erhoben sie sich zum Krieg gegen ihre Herren, der nur ein Vernichtungskrieg sein konnte. Der Prediger Thomas Münzer, den sie an ihre Spitze stellten, erließ einen Aufruf, der natürlich voll des religiösen und abergläubischen Unsinns seiner Zeit war, der aber unter anderem auch Grundsätze wie diese enthielt: Nach der Bibel habe kein Christ das Recht, irgendwelches Eigentum ausschließlich für sich zu behalten; Eigentumsgemeinschaft sei der einzig geeignete Zustand für eine Gesellschaft von Christen; keinem guten Christen sei es erlaubt, irgendeine Herrschaft oder Befehlsgewalt über andere Christen auszuüben, auch nicht irgendein Regierungsamt oder erbliche Macht innezuhaben, sondern im Gegenteil, so, wie vor Gott alle Menschen gleich sind, sollten sie es auch auf Erden sein. Diese Lehren waren nichts weiter als logische Schlüsse aus der Bibel und aus Luthers eigenen Schriften; aber der Reformator war nicht bereit, so weit zu gehen wie das Volk. Trotz des Mutes, den er gegenüber den geistlichen Behörden bewies, hatte er sich nicht von den politischen und sozialen Vorurteilen seiner Zeit befreit. So fest wie er an die Bibel glaubte, glaubte er an das göttliche Recht der Fürsten und Grundherren, das Volk mit Füßen zu treten. Da er außerdem den Schutz des Adels und der protestantischen Fürsten bedurfte, schrieb er ein Pamphlet gegen die Aufständischen1314-1, worin er nicht nur jede Verbindung mit ihnen von sich wies, sondern auch noch den Adel aufhetzte, sie als Rebellen gegen die Gesetze Gottes mit der äußersten Strenge niederzuzwingen. „Schlagt sie tot wie Hunde!" rief er. Das ganze Pamphlet ist mit solcher Gehässigkeit, ja mit einer solchen fanatischen Wut gegen das Volk geschrieben, daß es für immer ein Makel auf Luthers Charakterbild sein wird; es zeigt, daß er, der seine Laufbahn als Mann des Volkes begonnen hatte, nun ganz im Dienste seiner Unterdrücker stand. Der Aufstand wurde nach überaus blutigem Bürgerkrieg niedergeworfen und die Bauern in ihre alte Knechtschaft zurückgeführt.
Sehen wir von einigen vereinzelten Fällen ab, von denen die Öffentlichkeit keine Kenntnis nahm, so hat es vom Bauernkriege an bis in die allerjüngste Zeit in Deutschland keine Partei von Sozialreformern gegeben. Die
öffentliche Meinung war während der letzten fünfzig Jahre zu sehr durch Fragen von nur politischer oder nur metaphysischer Art in Anspruch genommen Fragen, die beantwortet sein mußten, ehe die soziale Frage mit der nötigen Ruhe und Kenntnis erörtert werden konnte. Dennoch haben Männer, die sich einem kommunistischen System entschieden widersetzt hätten, wenn man ihnen ein solches vorgeschlagen hätte, seiner Einführung den Weg geebnet. Neuerdings ist die Sozialreform wieder zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden, diesmal aber in der deutschen Arbeiterklasse. Da Deutschland verhältnismäßig wenig Fabrikindustrie hat, besteht die Masse der Arbeiterklasse aus Handwerksgesellen, die ein paar Jahre lang durch Deutschland, die Schweiz, sehr oft auch durch Frankreich wandern, bevor sie sich als kleine Meister niederlassen. So ist eine große Zahl deutscher Arbeiter ständig auf dem Wege von oder nach Paris und mußte dort natürlich mit den politischen und sozialen Bewegungen der französischen Arbeiterklasse bekannt werden. Einer von diesen Männern, Wilhelm Weitling, ein einfacher Schneidergeselle aus Magdeburg in Preußen, faßte den Entschluß, in seinem Vaterlande kommunistische Gemeinden einzurichten. Dieser Mann, der als Begründer des deutschen Kommunismus anzusehen ist, ging nach ein paar Jahren Aufenthalts in Paris in die Schweiz, arbeitete dort in einem Schneideratelier in Genf und predigte dabei seinen Arbeitskollegen sein neues Evangelium. Er bildete kommunistische Vereine in allen kleineren und größeren Städten auf der schweizerischen Seite des Genfer Sees und gewann die meisten Deutschen, die dort arbeiteten, für seine Ideen. Nachdem er auf diese Weise die öffentliche Meinung vorbereitet hatte, gab er zwecks breiterer Agitation im Lande eine Zeitschrift „Die Junge Generation" heraus. Obwohl ausschließlich für Arbeiter und von einem Arbeiter geschrieben, ist dieses Blatt von Anfang an besser als die meisten französischen kommunistischen Publikationen gewesen, besser sogar alsVater Cabets „Populaire". Man merkt ihm an, daß sein Herausgeber sehr schwer gearbeitet haben muß, um sich das historische und politische Wissen anzueignen, ohne das ein Publizist nun einmal nicht auskommt und das eine mangelhafte Bildung ihm vorenthalten hatte. Das Blatt zeigt zugleich, daß Weitling sich ständig bemühte, seine verschiedenen Ideen und Gedanken über die Gesellschaft zu einem geschlossenen System des Kommunismus zusammenzufügen. „Die Junge Generation" erschien erstmals im Jahre 1841; im nächsten Jahr ververöffentlichte Weitling ein Werk: „Garantien der Harmonie und Freiheil", worin er die alte Gesellschaftsordnung kritisierte und die Grundzüge einer neuen umriß. Ich werde vielleicht bei Gelegenheit ein paar Auszüge aus diesem Buche bringen.
Nachdem er so den Kern einer kommunistischen Partei in Genf und Umgebung geschaffen hatte, ging er nach Zürich, wo einige seiner Freunde, genau wie in anderen Städten der Nordschweiz, schon begonnen hatten, auf die Arbeiter einzuwirken. Er begann nun, seine Partei in diesen Städten zu' organisieren. Unter der Bezeichnung „Gesangvereine" wurden Vereine zur Erörterung der sozialen Neugestaltung gebildet. Gleichzeitig kündigte Weitling seine Absicht an, ein Buch zu veröffentlichen: „Das Evangelium des armen Sünders"12151. Da aber mischte sich die Polizei in seine Tätigkeit ein. Im vergangenen Juni wurde Weitling in Haft genommen, seine Papiere und sein Buch wurden beschlagnahmt, ehe es aus der Presse kam. Die Regierung der Republik ernannte eine Kommission, die die Angelegenheit untersuchen und dem Großen Rat, den Volksvertretern, Bericht erstatten sollte. Dieser Bericht ist vor einigen Monaten gedruckt worden.C216] Daraus ersieht man, daß es in allen Teilen der Schweiz sehr viele kommunistische Vereine gab, die hauptsächlich aus deutschen Arbeitern bestanden; daß Weitling als Führer der Partei galt und von Zeit zu Zeit Berichte über ihre Fortschritte erhielt; daß er mit ähnlichen deutschen Vereinen in Paris und London in Briefwechsel stand und daß all diese Gesellschaften, da ihre Mitglieder sehr häufig ihren Wohnsitz wechselten, ebensoviele Brutstätten für die bewußten „gefährlichen und utopischen Lehren" waren, die ihre älteren Mitglieder nach Deutschland, Ungarn und Italien aussandten und jeden Arbeiter, der in ihren Einflußbereich kam, mit ihrem Geiste erfüllten. Der Bericht wurde von Dr. Bluntschli verfaßt, einem Mann von aristokratischen und fanatisch christlichen Überzeugungen; das ganze ist daher eher im Stile einer parteiischen Schmähschrift als im Stil eines sachlichen, amtlichen Berichts geschrieben. Der Kommunismus wird als eine im höchsten Grade gefährliche Lehre angeprangert, die jede bestehende Ordnung untergrabe und alle geheiligten Bande der Gesellschaft zerstöre. Der fromme Doktor findet darüber hinaus keine Worte, die stark genug wären, um seinen Gefühlen über die frivole Lästerung Ausdruck zu geben, womit diese infamen und ungebildeten Leute versuchen, ihre bösartigen und revolutionären Lehren durch Stellen aus der Heiligen Schrift zu rechtfertigen. Weitling und seine Partei gleichen in dieser Hinsicht ganz den Ikariern in Frankreich und behaupten, Christentum sei Kommunismus. Das Ergebnis des Weitling-Prozesses trug herzlich wenig dazu bei, die Erwartungen der Züricher Regierung zufriedenzustellen. Wenn auch Weitling und seine Freunde in ihren Ausdrücken manchmal sehr unvorsichtig waren, konnte doch die Anklage wegen Hochverrats und Verschwörung gegen ihn nicht aufrechterhalten werden. Das Kriminalgericht verurteilte ihn zu
32 Mars/Engels, Werke, Bd. I
sechs Monaten Gefängnis und zur Ausweisung aus der Schweiz für immer; die Mitglieder der Züricher Vereine wurden aus dem Kanton ausgewiesen; der Bericht wurde den Regierungen der anderen Kantone und den ausländischen Gesandtschaften mitgeteilt, doch wurden die Kommunisten in anderen Teilen der Schweiz nur sehr wenig behindert. Die Verfolgung kam zu spät und wurde von den anderen Kantonen zu wenig unterstützt; zur Zerstörung des Kommunismus leistete sie nicht das mindeste, sie nützte ihm sogar durch das große Interesse, das sie in allen deutschsprechenden Ländern hervorrief. Der Kommunismus war in Deutschland fast unbekannt, hierdurch aber wurde er zum Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Außer dieser Partei gibt es in Deutschland noch eine andere, die ebenfalls für den Kommunismus eintritt. Die erstere wird, da sie eine wirklich volkstümliche Partei ist, zweifellos sehr bald die ganze Arbeiterklasse Deutschlands vereinigen; die Partei, auf die ich jetzt zu sprechen komme, ist eine philosophische, hat in ihrem Ursprung weder mit französischen noch englischen Kommunisten zu tun und geht aus der Philosophie hervor; auf die Deutschland seit den letzten fünfzig Jahren so stolz ist. Die politische Revolution Frankreichs wurde von einer philosophischen Revolution in Deutschland begleitet. Kant begann sie, indem er das alte System der Metaphysik von Leibniz stürzte, das Ende des vorigen Jahrhunderts an allen Universitäten des Festlandes eingeführt wurde. Fichte und Schelling begannen mit dem Neuaufbau, und Hegel vollendete das neue System. Noch nie, seit der Mensch überhaupt denken kann, hat es ein so umfassendes philosophisches System wie das Hegeische gegeben. Logik, Metaphysik, Naturphilosophie, Geistesphilosophie, Rechts-, Religions- und Geschichtsphilosophie sind sämtlich in einem System vereinigt und auf ein Grundprinzip zurückgeführt. Dieses System erschien von außen her ganz unangreifbar und war es auch; gestürzt wurde es nur von innen heraus; von jenen, die selbst Hegelianer waren. Ich kann hier natürlich keine vollständige Entwicklung des Systems oder seiner Geschichte geben und muß mich daher auf die folgenden Bemerkungen beschränken. Der Fortschritt der deutschen Philosophie von Kant bis Hegel war so konsequent, so logisch und, wenn ich das sagen darf, so notwendig, daß neben den von mir genannten Systemen kein anderes bestehen konnte. Es gibt zwei oder drei, aber sie fanden keine Beachtung; sie wurden für so unbedeutend gehalten, daß ihnen nicht einmal jemand die Ehre erwies, sie zu stürzen. Hegel war trotz seiner gewaltigen Gelehrsamkeit und der Tiefe seiner Gedanken so stark mit abstrakten Fragen beschäftigt, daß er es versäumte, sich von den Vorurteilen seiner Zeit frei zu machen - einer Zeit der Restauration alter Regierungs- und Religiönssysteme.
Aber seine Schüler hatten ganz andere Ansichten über diese Dinge. Hegel starb 1831, und schon 1835 erschien das „Leben Jesu" von. Strauß, das erste Werk, das einen Fortschritt über die Grenzen des orthodoxen Hegelianismüs hinaus zeigte. Andere folgten, und 1837 erhoben sich die Christen gegen die von ihnen so genannten Neuhegelianer, verschrien sie als Atheisten und forderten den Staat zum Eingreifen auf. Der Staat jedoch griff nicht ein, und der Streit ging weiter. Zu diesem Zeitpunkt waren sich die Neu- oder Junghegelianer so wenig der Konsequenzen aus ihren eigenen Gedankengängen bewußt, daß sie alle die Beschuldigung des Atheismus zurückwiesen und sich Christen und Protestanten nannten, wenn sie auch die Existenz eines Gottes, der nicht Mensch war, bestritten und die Geschichte der Evangelien für reine Mythologie erklärten. Erst im vergangenen Jahr wurde in einer Flugschrift von dem Schreiber dieser Zeilen der Vorwurf des Atheismus als berechtigt anerkannt.1 Aber die Entwicklung ging weiter. Die Junghegelianer von 1842 waren erklärte Atheisten und Republikaner; die Zeitschrift der Partei, die „Deutschen Jahrbücher", war radikaler und offener als je zuvor; eine politische Zeitung wurde gegründet®171, und sehr bald war die gesamte deutsche liberale Presse gänzlich in unseren Händen. Wir hatten Freunde in fast jeder wichtigen Stadt Deutschlands; wir versorgten alle liberalen Zeitungen mit dem notwendigen Stoff und machten sie auf diese Weise zu unseren Organen; wir überschwemmten das Land mit Flugschriften und beherrschten sehr bald in jeder Frage die öffentliche Meinung. Eine zeitweilige Lockerung der Preßzensur vermehrte die Energie dieser Bewegung, die für einen beträchtlichen Teil des deutschen Publikums ganz neu war. Zeitungen, die mit Genehmigung eines Regierungszensors erschienen, enthielten Dinge, die selbst in Frankreich als Hochverrat bestraft worden wären, und andere Dinge, die in England nicht hätten ausgesprochen werden können, ohne daß ein Verfahren wegen Gotteslästerung die Folge gewesen wäre. Die Bewegung war so plötzlich, so rapide, wurde so energisch vorgetrieben, daß Regierung und Publikum von ihr eine Zeitlang mitgezogen wurden. Doch diese Heftigkeit der Agitation bewies nur, daß sie sich nicht auf eine starke Partei im Publikum gründete und daß ihre Macht nur durch die Überraschung und Verwirrung ihrer Gegner erzeugt wurde. Als die Regierungen wieder zur Besinnung kamen, machten sie ihr durch äußerst despotische Unterdrückung der Redefreiheit ein Ende. Flugschriften, Zeitungen, Zeitschriften, wissenschaftliche Werke wurden dutzendweise verboten, und der Erregungszustand im Lande
1 Friedrich Engels: „Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversuchs gegen die freie Philosophie" (siehe Ergänzungsband, Teil 2, unserer Ausgabe, S. 173-221)
ging bald zurück. Es ist selbstverständlich, daß ein so tyrannisches Eingreifen den Fortschritt der öffentlichen Meinung nicht aufhalten und die Grundsätze nicht ersticken wird, die von den Agitatoren verteidigt werden; die ganze Verfolgung ist für die herrschenden Mächte nicht von dem geringsten Nutzen gewesen, denn wenn sie die Bewegung nicht niedergeworfen hätten, wäre ihr durch die Gleichgültigkeit des breiten Publikums Einhalt geboten worden, eines Publikums, das auf radikale Veränderungen sowenig wie das eines jeden anderen Landes vorbereitet war; und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wäre die republikanische Agitation doch von den Agitatoren selber aufgegeben worden, die jetzt durch immer weitere Entwicklung der Konsequenzen ihrer Philosophie zu Kommunisten wurden. Die Fürsten und Herrscher Deutschlands sahen gerade in dem Augenblick, als sie die republikanischen Bestrebungen für immer niedergeworfen zu haben glaubten, die Erhebung des Kommunismus aus der Asche der politischen Agitation, und diese neue Lehre erscheint ihnen sogar noch gefährlicher und fürchterlicher als die, über deren scheinbare Vernichtung sie sich freuten. Bereits im Herbst 1842 verfochten einige wenige in der Partei die Ansicht, daß politische Veränderungen unzureichend seien, und erklärten, daß ihrer Meinung nach eine soziale Revolution auf der Grundlage des Gemeineigentums der einzige gesellschaftliche Zustand sei, der sich mit ihren abstrakten Grundsätzen vertrüge. Doch sogar die Führer der Partei, wie zum Beispiel Dr. Bruno Bauer, Dr. Feuerbach und Dr. Rüge, waren damals nicht zu diesem entschiedenen Schritt bereit. Das politische Organ der Partei, die „Rheinische Zeitung", veröffentlichte einige Abhandlungen, die den Kommunismus vertraten, jedoch ohne den erwünschten Erfolg. Indessen war der Kommunismus eine so notwendige Konsequenz der neuhegelianischen Philosophie, daß keine Opposition ihn niederhalten konnte; und im Verlauf dieses Jahres hatten seine Begründer die Genugtuung, einen Republikaner nach dem anderen sich ihren Reihen anschließen zu sehen. Außer Dr. Heß, einem Redakteur der jetzt verbotenen „Rheinischen Zeitung", der in der Tat der erste Kommunist in der Partei war, gibt es jetzt noch viele andere, wie Dr. Rüge, Herausgeber der „Deutschen Jahrbücher", der wissenschaftlichen Zeitschrift der Junghegelianer, die durch Beschluß des deutschen Bundestages verboten wurde, Dr. Marx, ebenfalls ein Redakteur der „RheinischenZeitung", Georg Herwegh, der Dichter, dessen Brief an den König von Preußen1116-1 im vergangenen Winter von den meisten englischen Zeitungen übersetzt wurde, und andere mehr, und wir hoffen, daß der Rest der republikanischen Partei nach und nach auch zu uns übergehen wird. So hat der philosophische Kommunismus in Deutschland wohl für immer
festen Fuß gefaßt, trotz der Anstrengungen der Regierungen, ihn niederzuhalten. Sie haben in ihren Machtbereichen die Presse vernichtet, aber vergeblich; die Fortschrittsparteien bedienen sich der freien Presse der Schweiz und Frankreichs, und ihre Veröffentlichungen finden in Deutschland genauso weite Verbreitung, als wenn sie im Lande selbst gedruckt würden. Alle Verfolgungen und Verbote haben sich als wirkungslos erwiesen und werden es immer bleiben; die Deutschen sind eine philosophische Nation und wollen und können den Kommunismus nicht aufgeben, sobald er sich auf gesunde philosophische Prinzipien gründet, ganz besonders, wenn er sich als unvermeidliche Schlußfolgerung aus ihrer eigenen Philosophie ergibt. Und das ist die Aufgabe, die jetzt vor uns steht. Unsere Partei muß nachweisen, daß entweder alle philosophischen Anstrengungen der deutschen Nation von Kant bis Hegel nutzlos gewesen sind - schlimmer als nutzlos - oder daß sie im Kommunismus enden müssen; daß die Deutschen entweder ihre großen Philosophen verwerfen müssen, deren Namen sie als den Ruhm ihrer Nation hochhalten, oder daß sie den Kommunismus annehmen müssen. Und das wird bewiesen werden; die Deutschen werden zwangsläufig in dieses Dilemma hineingeraten, und es kann kaum einen Zweifel geben, für welche Seite der Frage das Volk sich entscheiden wird. In Deutschland ist die Aussicht für die Gründung einer kommunistischen Partei unter den gebildeten Klassen der Gesellschaft größer als irgendwo sonst. Die Deutschen sind eine sehr uneigennützige Nation; wenn in Deutschland Grundsätze in Widerstreit mit Interessen geraten, werden fast stets die Grundsätze die Ansprüche der Interessen zum Schweigen bringen. Die gleiche Liebe zu abstrakten Prinzipien, die gleiche Nichtachtung der Wirklichkeit und des Eigeninteresses, welche die Deutschen in einen Zustand der politischen Bedeutungslosigkeit gebracht haben, genau diese gleichen Eigenschaften gewährleisten den Erfolg des philosophischen Kommunismus in diesem Lande. Den Engländern wird es sehr eigenartig erscheinen, daß eine Partei, deren Ziel die Vernichtung des Privateigentums ist, sich hauptsächlich aus Leuten zusammensetzt, die Eigentum besitzen, und doch ist das in Deutschland der Fall. Wir können unsere Reihen nur aus den Klassen auffüllen, die eine recht gute Bildung genossen haben, das heißt aus den Universitäten und aus der handeltreibenden Klasse, und bei beiden sind wir bisher auf keinerlei erhebliche Schwierigkeiten gestoßen.
Was die besonderen Lehren unserer Partei betrifft, stimmen wir mit den englischen Sozialisten erheblich mehr überein als mit irgendeiner anderen Partei. Ihr System ist wie das unsere auf philosophischen Prinzipien gegründet; sie kämpfen wie wir gegen religiöse Vorurteile, während die Franzosen
die Philosophie ablehnen und die Religion verewigen, indem sie sie in den geplanten neuen Zustand der Gesellschaft mitschleppen. Die französischen Kommunisten konnten uns nur in den ersten Stadien unserer Entwicklung helfen, und wir fanden bald, daß wir mehr wußten als unsere Lehrer; aber von den englischen Sozialisten werden wir noch viel lernen müssen. Wenn uns auch unsere fundamentalen Prinzipien eine breitere Grundlage geben, insofern wir sie von einem philosophischen System empfangen haben, das sämtliche Gebiete des menschlichen Wissens umfaßt, so finden wir doch in allem, was zur Praxis gehört, zu den Tatsachen des gegenwärtigen GesellschaftszUstandes, daß uns die englischen Sozialisten weit voraus sind und sehr wenig zu tun übriggelassen haben. Außerdem darf ich sagen, daß ich englischen Sozialisten begegnet bin, mit denen ich fast in jeder Frage übereinstimme. Ich kann jetzt keine Darstellung dieses kommunistischen Systems geben, ohne meinen Aufsatz zu sehr zu verlängern, aber ich beabsichtige, es bald einmal zu tun, wenn der Herausgeber der „New Moral World"1 mir den Raum dafür zur Verfügung stellt. Ich schließe daher mit der Feststellung, daß, ungeachtet der Verfolgungen durch die deutschen Regierungen (ich habe gehört, daß in Berlin Herr Edgar Bauer wegen einer kommunistischen Publikation gerichtlich verfolgt wird12183 und in Stuttgart ein anderer Herr wegen des neuartigen Verbrechens „kommunistischer Korrespondenz" verurteilt worden ist), jeder notwendige Schritt unternommen wird, um eine erfolgreiche Agitation für die Sozialreform in Gang zu bringen, um eine neue Zeitschrift zu gründen und die Verbreitung aller Schriften zu sichern, die den Kommunismus vertreten. F. Engels Aus dem Englischen.
1 George Alexander Fleming
Friedrich Engels Bewegungen auf dem Kontinent
[„The New Moral World" Nr. 32 vom 3, Februar 1844] Der wohlbekannte Roman von Eugene Sue, die „Geheimnisse von Paris", hat auf die öffentliche Meinung, ganz besonders in Deutschland, tiefen Eindruck gemacht; die eindringliche Art, in der dieses Buch das Elend und die Demoralisierung darstellt, die in großen Städten das Los der „unteren Stände" sind, mußte notwendig die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Lage der Armen im allgemeinen lenken. Wie die „Allgemeine Zeitung", die deutsche „Times", schreibt, beginnen die Deutschen zu entdecken, daß sich im Stil der Romanschriftstellerei während der letzten zehn Jahre eine vollkommene Umwälzung vollzogen hat; daß an die Stelle von Königen und Fürsten, die früher die Helden solcher Erzählungen waren, jetzt die Armen getreten sind, die verachtete Klasse, deren gute und böse Schicksale, Freuden und Leiden zum Thema der Romanhandlung gemacht werden; sie kommen endlich dahinter, daß diese neue Klasse von Romanschriftstellern, wie zum Beispiel G.Sänd, E. Sue und Boz1, wirklich ein Zeichen der Zeit ist. Die guten Deutschen hatten immer gedacht, daß es Not und Elend nur in Paris und Lyon, in London und Manchester gäbe und daß Deutschland völlig frei sei von derartigen Auswüchsen der Überzivilisation und des Übermaßes an Industrie. Jetzt aber beginnen sie zu sehen, daß auch sie ein beträchtliches Maß sozialer Leiden aufzuweisen haben; die Berliner Zeitungen gestehen, daß das „Voigtland" ihrer Stadt in dieser Hinsicht nicht hinter St. Giles1219-1 oder sonstigen Wohnstätten der Parias der Zivilisation zurücksteht; sie gestehen, daß zwar Gewerkschaften und Streiks bisher in Deutschland unbekannt geblieben seien, aber Hilfe dennoch sehr notwendig wäre, um das Auftreten ähnlicher Erscheinungen bei ihren eigenen Landsleuten zu vermeiden. Dr. Mündt, Dozent an der Berliner Universität, hat eine Serie öffentlicher Vorlesungen über
1 Charles Dickens
die verschiedenen Systeme der sozialen Neugestaltung begonnen; und wenn er auch nicht der Mann ist, sich über solche Dinge ein richtiges und unparteiisches Urteil zu bilden, so müssen diese Vorlesungen doch sehr förderlich sein. Man kann sich leicht vorstellen, wie günstig dieser Zeitpunkt für den Beginn einer ausgedehnteren sozialen Agitation in Deutschland ist und welche Wirkung eine neue Zeitschrift haben wird, die für durchgreifende Sozialreform eintritt. Eine solche Zeitschrift ist in Paris unter dem Titel „Deutsch-Französische Jahrbücher" gegründet worden; ihre Herausgeber, Dr. Rüge und Dr. Marx, gehören ebenso wie die übrigen Mitarbeiter zu den „gelehrten Kommunisten" Deutschlands und werden unterstützt von den angesehensten sozialistischen Schriftstellern Frankreichs. Für die Herausgabe der Zeitschrift, die monatlich erscheinen und französische wie deutsche Artikel enthalten soll, hätte wahrhaftig kein günstigerer Zeitpunkt gewählt werden können, und ihr Erfolg darf als gewiß gelten, noch ehe die erste Nummer erscheint. F. E. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie"201
Die Nationalökonomie entstand als eine natürliche Folge der Ausdehnung des Handels, und mit ihr trat an die Stelle des einfachen, unwissenschaftlichen Schachers ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs, eine komplette Bereicherungswissenschaft. Diese aus dem gegenseitigen Neid und der Habgier der Kaufleute entstandene Nationalökonomie oder Bereicherungswissenschaft trägt das Gepräge der ekelhaftesten Selbstsucht auf der Stirne. Man lebte noch in der naiven Anschauung, daß Gold und Silber der Reichtum sei, und hatte also nichts Eiligeres zu tun, als überall die Ausfuhr der „edlen" Metalle zu verbieten. Die Nationen standen sich gegenüber wie Geizhälse, deren jeder seinen teuren Geldsack mit beiden Armen umschließt und mit Neid und Argwohn auf seine Nachbarn blickt. Alle Mittel wurden aufgeboten, um den Völkern, mit'denen man im Handelsverkehr stand, soviel bares Geld wie möglich abzulocken und das glücklich Hereingebrachte hübsch innerhalb der Mautlinie zu behalten. Die konsequenteste Durchführung dieses Prinzips hätte den Handel getötet. Man fing also an, diese erste Stufe zu überschreiten; man sah ein, daß das Kapital im Kasten tot daliegt, während es in der Zirkulation sich stets vermehrt. Man wurde also menschenfreundlicher, man schickte seine Dukaten als Lockvögel aus, damit sie andere mit sich zurückbringen sollten, und erkannte, daß es nichts schadet, wenn man dem A zuviel für seine Ware bezahlt, solange man sie noch bei B für einen höhern Preis loswerden kann. Auf dieser Basis erbaute sich das Merl^antilsystem. Der habgierige Charakter des Handels wurde schon etwas versteckt; die Nationen rückten sich etwas näher, sie schlössen Handels- und Freundschaftstraktate, sie machten gegenseitig Geschäfte und taten einander, um des größern Gewinns willen, alles mögliche Liebe und Gute an. Aber im Grunde war es doch die alte Geldgier und Selbstsucht, und diese brach von Zeit zu Zeit in den Kriegen
aus, die in jener Periode alle auf Handelseifersucht beruhten. In diesen Kriegen zeigte es sich auch, daß der Handel, wie der Raub, auf dem Faustrecht beruhe; man machte sich gar kein Gewissen daraus, durch List oder Gewalt solche Traktate zu erpressen, wie man sie für die günstigsten hielt. Der Hauptpunkt im ganzen Merkantilsystem ist die Theorie von der Handelsbilanz. Da man nämlich noch immer an dem Satz festhielt, daß Gold und Silber der Reichtum sei, so hielt man nur die Geschäfte für vorteilbringend, die am Ende bares Geld ins Land brächten. Um dies ausfindig zu machen, verglich man die Ausfuhr und Einfuhr. Hatte man mehr aus- als eingeführt, so glaubte man, daß die Differenz in barem Gelde ins Land gekommen sei, und hielt sich um diese Differenz reicher. Die Kunst der Ökonomen bestand also darin, dafür zu sorgen, daß am Ende jedes Jahres die Ausfuhr eine günstige Bilanz gegen die Einfuhr gebe; und um dieser lächerlichen Illusion willen sind Tausende von Menschen geschlachtet worden! Der Handel hat auch seine Kreuzzüge und seine Inquisition aufzuweisen. Das achtzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert der Revolution, revolutionierte auch die Ökonomie; aber wie alle Revolutionen dieses Jahrhunderts einseitig waren und im Gegensatz steckenblieben, wie dem abstrakten Spiritualismus der abstrakte Materialismus, der Monarchie die Republik, dem göttlichen Recht der soziale Kontrakt entgegengesetzt wurde, so kam auch die ökonomische Revolution nicht über den Gegensatz hinaus. Die Voraussetzungen blieben überall bestehen; der Materialismus griff die christliche Verachtung und Erniedrigung des Menschen nicht an und stellte nur statt des christlichen Gottes die Natur dem Menschen als Absolutes gegenüber; die Politik dachte nicht daran, die Voraussetzungen des Staates an und für sich zu prüfen; die Ökonomie ließ sich nicht einfallen, nach der Berechtigung des Privateigentums zu fragen. Darum war die neue Ökonomie nur ein halber Fortschritt; sie war genötigt, ihre eigenen Voraussetzungen zu verraten und zu verleugnen, Sophistik und Heuchelei zu Hülfe zu nehmen, um die Widersprüche, in die sie sich verwickelte, zu verdecken, um zu den Schlüssen zu kommen, zu denen sie, nicht durch ihre Voraussetzungen, sondern durch den humanen Geist des Jahrhunderts getrieben wurde. So nahm die Ökonomie einen menschenfreundlichen Charakter an; sie entzog ihre Gunst den Produzenten und wandte sie den Konsumenten zu; sie affektierte einen heiligen Abscheu gegen die blutigen Schrecken des Merkantilsystems und erklärte den Handel für ein Band der Freundschaft und Einigung zwischen Nationen wie zwischen Individuen. Es war alles lauter Pracht und Herrlichkeit - aber die Voraussetzungen machten sich bald genug wieder geltend und erzeugten im Gegensatz zu dieser gleißenden Philanthropie die Malthussche Bevölke
rungstheorie, das rauhste barbarischste System, das je existierte, ein System der Verzweiflung, das alle jene schönen Redensarten von Menschenliebe und Weltbürgertum zu Boden schlug; sie erzeugten und hoben das Fabriksystem und die moderne Sklaverei, die der alten nichts nachgibt an Unmenschlichkeit und Grausamkeit. Die neue Ökonomie, das auf Adam Smiths „Wealth of Nations" gegründete System der Handelsfreiheit, erweist sich als dieselbe Heuchelei, Inkonsequenz und Unsittlichkeit, die jetzt auf allen Gebieten der freien Menschlichkeit gegenübersteht. Aber war denn das Smithsche System kein Fortschritt? - Freilich war es das, und ein notwendiger Fortschritt dazu. Es war notwendig, daß das Merkantilsystem mit seinen Monopolen und Verkehrshemmungen gestürzt wurde, damit die wahren Folgen des Privateigentums ans Licht treten konnten; es war notwendig, daß alle diese kleinlichen Lokal- und Nationalrücksichten zurücktraten, damit der Kampf unserer Zeit ein allgemeiner, menschlicher werden konnte; es war notwendig, daß die Theorie des Privateigentums den rein empirischen, bloß objektiv untersuchenden Pfad verließ und einen wissenschaftlicheren Charakter annahm, der sie auch für die Konsequenzen verantwortlich machte und dadurch die Sache auf ein allgemein menschliches Gebiet herüberführte; daß die in der alten Ökonomie enthaltene Unsittlichkeit durch den Versuch ihrer Wegleugnung und durch die hereingebrachte Heuchelei - eine notwendige Konsequenz dieses Versuches - auf den höchsten Gipfel gesteigert wurde. Alles dies lag in der Natur der Sache. Wir erkennen gern an, daß wir erst durch die Begründung und Ausführung der Handelsfreiheit in den Stand gesetzt sind, über die Ökonomie des Privateigentums hinauszugehen, aber wir müssen zu gleicher Zeit auch das Recht haben, diese Handelsfreiheit in ihrer ganzen theoretischen und praktischen Nichtigkeit darzustellen. Unser Urteil wird um so härter werden müssen, je mehr die Ökonomen, die wir zu beurteilen haben, in unsere Zeit hineinfallen. Denn während Smith und Malthus nur einzelne Bruchstücke fertig vorfanden, hatten die Neueren das ganze System vollendet vor sich; die Konsequenzen waren alle gezogen, die Widersprüche traten deutlich genug ans Licht, und doch kamen sie nicht zu einer Prüfung der Prämissen, und doch nahmen sie noch immer die Verantwortlichkeit für das ganze System auf sich. Je näher die Ökonomen der Gegenwart kommen, desto weiter entfernen sie sich von der Ehrlichkeit. Mit jedem Fortschritt der Zeit steigert sich notwendig die Sophisterei, um die Ökonomie auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Darum ist z.B. Ricardo schuldiger als Adam Smith und MacCulhch und Mill schuldiger als Ricardo. Die neuere Ökonomie kann nicht einmal das Merkantilsystem richtig be
urteilen, weil sie selbst einseitig und noch mit den Voraussetzungen desselben behaftet ist. Erst der Standpunkt, der sich über den Gegensatz der beiden Systeme erhebt, der die gemeinsamen Voraussetzungen beider kritisiert und von einer rein menschlichen, allgemeinen Basis ausgeht, wird beiden ihre richtige Stellung anweisen können. Es wird sich zeigen, daß die Verteidiger der Handelsfreiheit schlimmere Monopolisten sind als die alten Merkantilisten selbst. Es wird sich zeigen, daß hinter der gleisnerischen Humanität der Neueren eine Barbarei steckt, von der die Alten nichts wußten; daß die Begriffsverwirrung der Alten noch einfach und konsequent ist gegen die doppelzüngige Logik ihrer Angreifer und daß keine der beiden Parteien der andern etwas vorwerfen könne, was nicht auf sie selbst zurückfällt. - Darum kann auch die neuere liberale Ökonomie die Restauration des Merkantilsystems durch List nicht begreifen, während die Sache für uns ganz einfach ist. Die Inkonsequenz und Doppelseitigkeit der liberalen Ökonomie muß sich notwendig wieder in ihre Grundbestandteile auflösen. Wie die Theologie entweder zum blinden Glauben zurück- oder zur freien Philosophie vorwärtsgehen muß, so muß die Handelsfreiheit auf der einen Seite die Restauration der Monopole, auf der andern die Aufhebung des Privateigentums produzieren. Der einzig positive Fortschritt, den die liberale Ökonomie gemacht hat, ist die Entwicklung der Gesetze des Privateigentums. Diese sind allerdings in ihr enthalten, wenn auch noch nicht bis zur letzten Konsequenz entwickelt und klar ausgesprochen. Hieraus folgt, daß in allen Punkten, wo es auf die Entscheidung über die kürzeste Manier, reich zu werden, ankommt, also in allen strikt ökonomischen Kontroversen, die Verteidiger der Handelsfreiheit das Recht auf ihrer Seite haben. Wohlverstanden - in Kontroversen mit den Monopolisten, nicht mit den Gegnern des Privateigentums, denn daß diese imstande sind, in ökonomischen Fragen auch ökonomisch richtiger zu entscheiden, haben die englischen Sozialisten längst praktisch und theoretisch bewiesen. Wir werden also bei der Kritik der Nationalökonomie die Grundkategorien untersuchen, den durch das System der Handelsfreiheit hineingebrachten Widerspruch enthüllen und die Konsequenzen der beiden Seiten des Widerspruchs ziehen.
Der Ausdruck Nationalreichtum ist erst durch Verallgemeinerungssucht der liberalen Ökonomen aufgekommen. Solange das Privateigentum besteht, hat dieser Ausdruck keinen Sinn. Der „Nationalreichtum" der Engländer ist
sehr groß, und doch sind sie das ärmste Volk unter der Sonne. Man lasse entweder den Ausdruck ganz fallen, oder man nehme Voraussetzungen an, die ihm einen Sinn geben. Ebenso die Ausdrücke Nationalökonomie, politische, öffentliche Ökonomie. Die Wissenschaft sollte unter den jetzigen Verhältnissen Privatökonomie heißen, denn ihre öffentlichen Beziehungen sind nur um des Privateigentums willen da.
Die nächste Folge des Privateigentums ist der Handel, der Austausch der gegenseitigen Bedürfnisse, Kauf und Verkauf. Dieser Handel muß unter der Herrschaft des Privateigentums, wie jede Tätigkeit, eine unmittelbare Erwerbsquelle für den Handeltreibenden werden; d.h., jeder muß suchen, so teuer wie möglich zu verkaufen und so billig wie möglich zu kaufen. Bei jedem Kauf und Verkauf stehen sich also zwei Menschen mit absolut entgegengesetzten Interessen gegenüber; der Konflikt ist entschieden feindselig, denn jeder kennt die Intentionen des andern, weiß, daß sie den seinigen entgegengesetzt sind. Die erste Folge ist also auf der einen Seite gegenseitiges Mißtrauen, auf der andern die Rechtfertigung dieses Mißtrauens, die Anwendung unsittlicher Mittel zur Durchsetzung eines unsittlichen Zwecks. So ist z.B. der erste Grundsatz im Handel die Verschwiegenheit, Verheimlichung alles dessen, was den Wert des fraglichen Artikels herabsetzen könnte. Die Konsequenz daraus: Es ist im Handel erlaubt, von der Unkenntnis, von dem Vertrauen der Gegenpartei den möglichst großen Nutzen zu ziehen, und ebenso, seiner Ware Eigenschaften anzurühmen, die sie nicht besitzt. Mit einem Worte, der Handel ist der legale Betrug. Daß die Praxis mit dieser Theorie übereinstimmt, kann mir jeder Kaufmann, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, bezeugen. Das Merkantilsystem hatte noch eine gewisse unbefangene, katholische Geradheit und verdeckte das unsittliche Wesen des Handels nicht im mindesten. Wir haben gesehen, wie es seine gemeine Habsucht offen zur Schau trug. Die gegenseitig feindselige Stellung der Nationen im achtzehnten Jahrhundert, der ekelhafte Neid und die Handelseifersucht waren die konsequenten Folgen des Handels überhaupt. Die öffentliche Meinung war noch nicht humanisiert, was sollte man also Dinge verstecken, die aus dem unmenschlichen feindseligen Wesen des Handels selbst folgten. Als aber der ökonomische Luther, Adam Smith, die bisherige Ökonomie kritisierte, hatten sich die Sachen sehr geändert. Das Jahrhundert war humanisiert, die Vernunft hatte sich geltend gemacht, die Sittlichkeit fing an, ihr ewiges Recht in Anspruch zu nehmen. Die erpreßten Handelstraktate, die
kommerziellen Kriege, die schroffe Isolierung der Nationen stießen zu sehr gegen das fortgeschrittene Bewußtsein an. An die Stelle der katholischen Geradheit trat protestantische Gleisnerei. Smith bewies, daß auch die Humanität im Wesen des Handels begründet sei; daß der Handel, anstatt „die fruchtbarste Quelle der Zwietracht und der Feindseligkeit" zu sein, ein „Band der Einigung und Freundschaft zwischen den Nationen wie zwischen Individuen" (vgl. „Wealth of Nations" B.4, c.3, §2) werden müsse; es liege ja in der Natur der Sache, daß der Handel im ganzen und großen allen Beteiligten vorteilhaft sei. Smith hatte recht, wenn er den Handel als human pries. Es gibt nichts absolut Unsittliches in der Welt; auch der Handel hat eine Seite, wo er der Sittlichkeit und Menschlichkeit huldigt. Aber welch eine Huldigung! Das Faustrecht, der platte Straßenraub des Mittelalters wurde humanisiert, als er in den Handel, der Handel, als seine erste Stufe, welche sich durch das Verbot der Geldausfuhr charakterisiert, in das Merkantilsystem überging. Jetzt wurde dieses selbst humanisiert. Natürlich ist es im Interesse des Handelnden, mit dem einen, von welchem er wohlfeil kauft, wie mit dem andern, an welchen er teuer verkauft, sich in gutem Vernehmen zu halten. Es ist also sehr unklug von einer Nation gehandelt, wenn sie bei ihren Versorgern und Kunden eine feindselige Stimmung nährt. Je freundschaftlicher, desto vorteilhafter. Dies ist die Humanität des Handels, und diese gleisnerische Art, die Sittlichkeit zu unsittlichen Zwecken zu mißbrauchen, ist der Stolz des Systems der Handelsfreiheit. Haben wir nicht die Barbarei der Monopole gestürzt, rufen die Heuchler aus, haben wir nicht die Zivilisation in entfernte Weltteile getragen, haben wir nicht die Völker verbrüdert und die Kriege vermindert? - Ja, das alles habt ihr getan, aber wie habt ihr es getan! Ihr habt die kleinen Monopole vernichtet, um das eine große Grundmonopol, das Eigentum, desto freier und schrankenloser wirken zu lassen; ihr habt die Enden der Erde zivilisiert, um neues Terrain für die Entfaltung eurer niedrigen Habsucht zu gewinnen; ihr habt die Völker verbrüdert, aber zu einer Brüderschaft von Dieben, und die Kriege vermindert, um im Frieden desto mehr zu verdienen, um die Feindschaft der einzelnen, den ehrlosen Krieg der Konkurrenz, auf die höchste Spitze zu treiben! - Wo habt ihr etwas aus reiner Humanität, aus dem Bewußtsein der Nichtigkeit des Gegensatzes zwischen dem allgemeinen und individuellen Interesse getan? Wo seid ihr sittlich gewesen, ohne interessiert zu sein, ohne unsittliche, egoistische Motive im Hintergrunde zu hegen? Nachdem die liberale Ökonomie ihr Bestes getan hatte, um durch die Auflösung der Nationalitäten die Feindschaft zu verallgemeinern, die
Menschheit in eine Horde reißender Tiere - und was sind Konkurrenten anders? - zu verwandeln, die einander eben deshalb auffressen, weil jeder mit allen andern gleiches Interesse hat, nach dieser Vorarbeit blieb ihr nur noch ein Schritt zum Ziele übrig* die Auflösung der Familie. Um diese durchzusetzen, kam ihr ihre eigene schöne Erfindung, das Fabriksystem, zu Hülfe. Die letzte Spur gemeinsamer Interessen, die Gütergemeinschaft der Familie, ist durch das Fabriksystem untergraben und - wenigstens hier in England - bereits in der Auflösung begriffen. Eis ist etwas ganz Alltägliches, daß Kinder, sobald sie arbeitsfähig, d. h. neun Jahre alt werden, ihren Lohn für sich verwenden, das elterliche Haus als ein bloßes Kosthaus ansehen und den Eltern ein Gewisses für Kost und Wohnung vergüten. Wie kann es anders sein? Was kann anders aus der Isolierung der Interessen, wie sie dem System der Handelsfreiheit zugrunde liegt, folgen? Ist ein Prinzip einmal in Bewegung gesetzt, so arbeitet es sich von selbst durch alle seine Konsequenzen durch, die Ökonomen mögen Gefallen daran haben öder nicht. Aber der Ökonom weiß selbst nicht, welcher Sache er dient. Er weiß nicht, daß er mit all seinem egoistischen Räsonnement doch nur ein Glied in der Kette des allgemeinen Fortschrittes der Menschheit bildet. Er weiß nicht, daß er mit seiner Auflösung aller Sonderinteressen nur den Weg bahnt für den großen Umschwung, dem das Jahrhundert entgegengeht, der Versöhnung der Menschheit mit der Natur und mit sich selbst.
Die nächste durch den Handel bedingte Kategorie ist der Wert. Über diese sowie über alle andern Kategorien existiert kein Streit zwischen den älteren und neueren Ökonomen, weil die Monopolisten in ihrer unmittelbaren Wut der Bereicherung keine Zeit übrig hatten, um sich mit Kategorien zu beschäftigen. Alle Streitfragen über derartige Punkte gingen von den Neueren aus. Der Ökonom, der von Gegensätzen lebt, hat natürlich auch einen doppelten Wert; den abstrakten oder realen Wert und den Tauschwert. Über das Wesen des Realwertes war ein langer Streit zwischen den Engländern, die die Produktionskosten als den Ausdruck des Realwertes bestimmten, und dem Franzosen Say, der diesen Wert nach der Brauchbarkeit einer Sache zu messen vorgab. Der Streit hat seit dem Anfange dieses Jahrhunderts geschwebt und ist eingeschlafen, nicht entschieden. Die Ökonomen können nichts entscheiden. Die Engländer - MacGulloch und Ricardo besonders — behaupten also, der abstrakte Wert einer Sache werde durch die Produktionskosten bestimmt
Wohlverstanden, der abstrakte Wert, nicht der Tauschwert, der exchangeable value, der Wert im Handel - das sei etwas ganz andres. Weshalb sind die Produktionskosten das Maß des Wertes? Weil - hört, hört! - weil niemand eine Sache, unter gewöhnlichen Umständen und das Verhältnis der Konkurrenz aus dem Spiele gelassen, für weniger verkaufen würde als ihm ihre Produktion kostet - verkaufen würde? Was haben wir hier, wo es sich nicht um den Handelswett handelt, mit „Verkaufen" zu tun? Da haben wir ja gleich wieder den Handel im Spiel, den wir ja gerade herauslassen sollen - und was für einen Handel! einen Handel, wobei die Hauptsache, das Konkurrenzverhältnis, nicht in Anschlag kommen soll! Erst einen abstrakten Wert, jetzt auch einen abstrakten Handel, einen Handel ohne Konkurrenz, d.h. einen Menschen ohne Körper, einen Gedanken ohne Gehirn, um Gedanken zu produzieren. Und bedenkt der Ökonom denn gar nicht, daß, sowie die Konkurrenz aus dem Spiele gelassen wird, gar keine Garantie da ist, daß der Produzent seine Ware gerade zu den Produktionskosten verkauft? Welche Verwirrung! Weiter! Geben wir für einen Augenblick zu, daß dem allem so sei, wie der Ökonom sagt. Angenommen, es machte jemand mit ungeheurer Mühe und enormen Kosten etwas ganz Unnützes, etwas, wonach kein Mensch begehrt, ist das auch die Produktionskosten wert? Ganz und gar nicht, sagt der Ökonom, wer wird das kaufen wollen? Da haben wir also auf einmal nicht nur die verschrieene Saysche Brauchbarkeit, sondern - mit dem „Kaufen" - das Konkurrenzverhältnis daneben. Es ist nicht möglich, der Ökonom kann seine Abstraktion nicht einen Augenblick festhalten. Nicht nur das, was er mit Mühe entfernen will, die Konkurrenz, sondern auch das, was er angreift, die Brauchbarkeit, kommt ihm jeden Augenblick zwischen die Finger. Der abstrakte Wert und seine Bestimmung durch die Produktionskosten sind eben nur Abstraktionen, Undinge. Aber geben wir noch einmal für einen Augenblick dem Ökonomen recht wie will er uns dann die Produktionskosten bestimmen, ohne die Konkurrenz in Anschlag zu bringen? Wir werden bei der Untersuchung der Produktionskosten sehen, daß auch diese Kategorie auf die Konkurrenz basiert ist, und auch hier wieder zeigt es sich, wie wenig der Ökonom seine Behauptungen durchführen kann. Gehen wir zu Say über, so finden wir dieselbe Abstraktion. Die Brauchbarkeit einer Sache ist etwas rein Subjektives, gar nicht absolut zu Entscheidendes - wenigstens solange man sich noch in Gegensätzen herumtreibt, gewiß nicht zu entscheiden. Nach dieser Theorie müßten notwendige Bedürfnisse mehr Wert besitzen als Luxusartikel. Der einzig mögliche Weg, zu einer
einigermaßen objektiven, scheinbar allgemeinen Entscheidung über die größere oder geringere Brauchbarkeit einer Sache zu kommen, ist unter der Herrschaft des Privateigentums das Konkurrenzverhältnis, und das soll ja gerade beiseite gelassen werden. Ist aber das Konkurrenzverhältnis zugelassen, so kommen auch die Produktionskosten herein; denn niemand wird für weniger verkaufen, als er selbst bei der Produktion angelegt hat. Auch hier also geht die eine Seite des Gegensatzes wider Willen in die andere über. Versuchen wir, Klarheit in diese Verwirrung zu bringen. Der Wert einer Sache schließt beide Faktoren ein, die von den streitenden Parteien mit Gewalt und, wie wir gesehen haben, ohne Erfolg getrennt werden. Der Wert ist das Verhältnis der Produktionskosten zur Brauchbarkeit. Die nächste Anwendung des Wertes ist die Entscheidung darüber, ob eine Sache überhaupt produziert werden soll, d.h., ob die Brauchbarkeit die Produktionskosten aufwiegt. Dann erst kann von der Anwendung des Wertes für den Tausch die Rede sein. Die Produktionskosten zweier Dinge gleichgesetzt, wird die Brauchbarkeit das entscheidende Moment sein, um ihren vergleichungsmäßigen Wert zu bestimmen. Diese Basis ist die einzig gerechte Basis des Tausches. Geht man aber von derselben aus, wer soll über die Brauchbarkeit der Sache entscheiden? Die bloße Meinung der Beteiligten? So wird jedenfalls einer betrogen. Oder eine auf die inhärente Brauchbarkeit der Sache unabhängig von den beteiligten Parteien gegründete und ihnen nicht einleuchtende Bestimmung? So kann der Tausch nur durch Zwang zustande kommen, und jeder hält sich für betrogen. Man kann > diesen Gegensatz zwischen der wirklichen inhärenten Brauchbarkeit der Sache und zwischen der Bestimmung dieser Brauchbarkeit, zwischen der Bestimmung der Brauchbarkeit und der Freiheit der Tauschenden nicht aufheben, ohne das Privateigentum aufzuheben; und sobald dies aufgehoben ist, kann von einem Tausch, wie er jetzt existiert, nicht mehr die Rede sein. Die praktische Anwendung des Wertbegriffs wird sich dann immer mehr auf die Entscheidung über die Produktion beschränken, und da ist seine eigentliche Sphäre. Wie aber stehen die Sachen jetzt? Wir haben gesehen, wie der Wertbegriff gewaltsam zerrissen ist und die einzelnen Seiten jede für das Ganze ausgeschrieen werden. Die Produktionskosten, durch die Konkurrenz von vornherein verdreht, sollen für den Wert selbst gelten; ebenso die bloß subjektive Brauchbarkeit - denn eine andere kann es jetzt nicht geben. - Um diesen lahmen Definitionen auf die Beine zu helfen, muß in beiden Fällen die Konkurrenz in Anspruch genommen werden; und das beste ist, daß bei den Engländern die Konkurrenz, gegenüber den Produktionskosten, die Brauchbar
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keit vertritt, während sie umgekehrt bei Say, der Brauchbarkeit gegenüber, die Produktionskosten hereinbringt. Aber was für eine Brauchbarkeit, was für Produktionskosten bringt sie herein! Ihre Brauchbarkeit hängt vom Zufall, von der Mode, von der Laune der Reichen ab, ihre Produktionskosten gehen auf und ab mit dem zufälligen Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr. Dem Unterschiede zwischen Realwert und Tauschwert liegt eine Tatsache zum Grunde - nämlich daß der Wert einer Sache verschieden ist von dem im Handel für sie gegebenen sogenannten Äquivalent, d.h., daß dies Äquivalent kein Äquivalent ist. Dies sogenannte Äquivalent ist der Preis der Sache, und wäre der Ökonom ehrlich, so würde er dies Wort für den „Handelswert" gebrauchen. Aber er muß doch immer noch eine Spur von Schein behalten, daß der Preis mit dem Werte irgendwie zusammenhänge, damit nicht die Unsittlichkeit des Handels zu klar ans Licht komme. Daß aber der Preis durch die Wechselwirkung der Produktionskosten und der Konkurrenz bestimmt wird, das ist ganz richtig und ein Hauptgesetz des Privateigentums. Dies war das erste, was der Ökonom fand, dies rein empirische Gesetz; und hiervon abstrahierte er dann seinen Realwert, d. h. den Preis zu der Zeit, wenn das Konkurrenzverhältnis sich balanciert, wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken - dann bleiben natürlich die Produktionskosten übrig, und das nennt dann der Ökonom Realwert, während es nur eine Bestimmtheit des Preises ist. So steht aber alles in der Ökonomie auf dem Kopf; der Wert, der das Ursprüngliche, die Quelle des Preises ist, wird von diesem, seinem eigenen Produkt, abhängig gemacht. Bekanntlich ist diese Umkehrung das Wesen der Abstraktion, worüber Feuerbach zu vergleichen.
Nach dem Ökonomen bestehen die Produktionskosten einer Ware aus drei Elementen: dem Grundzins für das nötige Stück Land, um das rohe Material zü produzieren, dem Kapital mit dem Gewinn darauf und dem Lohn für die Arbeit, die zur Produktion und Verarbeitung erforderlich waren. Es zeigt sich aber sogleich, daß Kapital und Arbeit identisch sind, da die Ökonomen selbst gestehen, Kapital sei „aufgespeicherte Arbeit". So bleiben uns also nur zwei Seiten übrig, die natürliche, objektive, der Boden, und die menschliche, subjektive, die Arbeit, die das Kapital einschließt - und außer dem Kapital noch ein Drittes, woran der Ökonom nicht denkt, ich meine das geistige Element der Erfindung, des Gedankens, neben dem physischen der bloßen Arbeit. Was hat der Ökonom mit dem Erfindungsgeist zu schaffen? Sind ihm nicht alle Erfindungen ohne sein Zutun zugeflogen gekommen? Hat
ihrer eine ihm etwas gekostet? Was also hat er bei der Berechnung seiner Produktionskosten sich darum zu kümmern? Ihm sind Land, Kapital, Arbeit die Bedingungen des Reichtums, und weiter braucht er nichts. Die Wissenschaft geht ihn nichts an. Ob sie ihm durch Berthollet, Davy, Liebig, Watt, Cartwright usw. Geschenke gemacht hat, die ihn und seine Produktion unendlich gehoben haben - was liegt ihm daran? Dergleichen weiß er nicht zu berechnen; die Fortschritte der Wissenschaft gehen über seine Zahlen hinaus. Aber für einen vernünftigen Zustand, der über die Teilung der Interessen, wie sie beim Ökonomen stattfindet, hinaus ist, gehört das geistige Element allerdings mit zu den Elementen der Produktion und wird auch in der Ökonomie seine Stelle unter den Produktionskosten finden. Und da ist es allerdings befriedigend, zu wissen, wie die Pflege der Wissenschaft sich auch materiell belohnt, zu wissen, daß eine einzige Frucht der Wissenschaft, wie James Watts Dampfmaschine, in den ersten fünfzig Jahren ihrer Existenz der Welt mehr eingetragen hat, als die Welt von Anfang an für die Pflege der Wissenschaft ausgegeben. Wir haben also zwei Elemente der Produktion, die Natur und den Menschen, und den letzteren wieder physisch und geistig, in Tätigkeit und können nun zum Ökonomen und seinen Produktionskosten zurückkehren.
Alles, was nicht monopolisiert werden kann, hat keinen Wert, sagt der Ökonom - ein Satz, den wir später näher untersuchen werden. Wenn wir sagen, hat keinen Preis, so ist der Satz richtig für den auf dem Privateigentum beruhenden Zustand. Wäre der Boden so leicht zu haben wie die Luft, so würde kein Mensch Grundzins bezahlen. Da dem nicht so ist, sondern die Ausdehnung des in einem speziellen Fall in Beschlag kommenden Bodens beschränkt ist, so bezahlt man Grundzins für den in Beschlag genommenen, das heißt monopolisierten Boden oder erlegt einen Kaufpreis dafür. Es ist aber sehr befremdlich, nach dieser Auskunft über die Entstehung des Grundwerts vom Ökonomen hören zu müssen, daß Grundzins der Unterschied zwischen dem Ertrage des Zins bezahlenden und des schlechtesten, die Mühe der Bebauung lohnenden Grundstückes sei. Dies ist bekanntlich die von Ricardo zuerst vollständig entwickelte Definition des Grundzinses. Diese Definition ist zwar praktisch richtig, wenn man voraussetzt, daß ein Fall der Nachfrage augenblicklich auf den Grundzins reagiert und sogleich eine entsprechende Quantität des schlechtesten bebauten Landes außer Bearbeitung setzte. Allein dies ist nicht der Fall, die Definition ist darum unzureichend; zudem schließt sie die Kausation des Grundzinses nicht ein und muß schon
deshalb fallen. Oberst T.P.Thompson, der Antikorngesetz-Leaguer1-1953, erneuerte im Gegensatz zu dieser Definition die Adam Smithsche und begründete sie. Nach ihm ist der Grundzins das Verhältnis zwischen der Konkurrenz der sich um den Gebrauch des Bodens Bewerbenden und der beschränkten Quantität des disponiblen Bodens. Hier ist wenigstens eine Rückkehr zur Entstehung des Grundzinses; aber diese Erklärung schließt die verschiedene Fruchtbarkeit des Bodens aus, wie die obige die Konkurrenz ausläßt. Wir haben also wieder zwei einseitige und deswegen halbe Definitionen für einen Gegenstand. Wir werden, wie beim Wertbegriffe, wiederum diese beiden Bestimmungen zusammenzufassen haben, um die richtige, aus der Entwickelung der Sache folgende und darum alle Praxis umfassende Bestimmung zu finden. Der Grundzins ist das Verhältnis zwischen der Ertragsfähigkeit des Bodens, der natürlichen Seite (die wiederum aus der natürlichen Anlage und der menschlichen Bebauung, der zur Verbesserung angewandten Arbeit besteht) - und der menschlichen Seite, der Konkurrenz. Die Ökonomen mögen über diese „Definition" ihre Köpfe schütteln; sie werden zu ihrem Schrecken sehen, daß sie alles einschließt, was auf die Sache Bezug hat. Der Grundbesitzer hat dem Kaufmanne nichts vorzuwerfen. Er raubt, indem er den Boden monopolisiert. Er raubt, indem er die Steigerung der Bevölkerung, welche die Konkurrenz und damit den Wert seines Grundstücks steigert, für sich ausbeutet, indem er zur Quelle seines persönlichen Vorteils macht, was nicht durch sein persönliches Tun zustande gekommen, was ihm rein zufällig ist. Er raubt, wenn er verpachtet, indem er die von seinem Pächter angelegten Verbesserungen zuletzt wieder an sich reißt. Dies ist das Geheimnis des stets steigenden Reichtums der großen Grundbesitzer. Die Axiome, welche die Erwerbsart des Grundbesitzers als Raub qualifizieren, nämlich daß jeder ein Recht auf das Produkt seiner Arbeit hat oder daß keiner ernten soll, wo er nicht gesät hat, sind nicht unsre Behauptung. Der erste schließt die Pflicht der Ernährung der Kinder, der zweite schließt jede Generation vom Recht der Existenz aus, indem jede Generation den Nachlaß der vorangehenden Generation antritt. Diese Axiome sind vielmehr Konsequenzen des Privateigentums. Entweder führe man seine Konsequenzen aus, oder man gebe es als Prämisse auf. Ja, die ursprüngliche Appropriation selbst wird durch die Behauptung des noch frühern gemeinsamen Besitzrechtes gerechtfertigt. Wohin wir uns also wenden, das Privateigentum führt uns auf Widersprüche. Es war der letzte Schritt zur Selbstverschacherung, die Erde zu ver
schachern, die unser Eins und Alles, die erste Bedingung unsrer Existenz ist; es war und ist bis auf den heutigen Tag eine Unsittlichkeit, die nur von der Unsittlichkeit der Selbstveräußerung übertroffen wird. Und die ursprüngliche Appropriation, die Monopolisierung der Erde durch eine kleine Anzahl, die Ausschließung der übrigen von der Bedingung ihres Lebens, gibt der spätem Verschacherung des Bodens an Unsittlichkeit nichts nach. Lassen wir hier wieder das Privateigentum fallen, so reduziert sich der Grundzins auf seine Wahrheit, auf die vernünftige Anschauung, die ihm wesentlich zugrunde liegt. Der als Grundzins vom Boden getrennte Wert desselben fällt alsdann in den Boden selbst zurück. Dieser Wert, der zu messen ist durch die Produktionsfähigkeit gleicher Flächen bei gleicher darauf verwendeter Arbeit, kömmt allerdings als Teil der Produktionskosten bei der Wertbestimmung der Produkte in Anschlag und ist wie der Grundzins das Verhältnis der Produktionsfähigkeit zur Konkurrenz, aber zur wahren Konkurrenz, wie sie ihrer Zeit entwickelt werden wird.
Wir haben gesehen, wie Kapital und Arbeit ursprünglich identisch sind; wir sehen femer aus den Entwicklungen des Ökonomen selbst, wie das Kapital, das Resultat der Arbeit, im Prozesse der Produktion sogleich wieder zum Substrat, zum Material der Arbeit gemacht, wie also die für einen Augenblick gesetzte Trennung des Kapitals von der Arbeit sogleich wieder in die Einheit beider aufgehoben wird; und doch trennt der Ökonom das Kapital von der Arbeit, doch hält er die Entzweiung fest, ohne die Einheit daneben anders als durch die Definition des Kapitals: „aufgespeicherte Arbeit", anzuerkennen. Die aus dem Privateigentum folgende Spaltung zwischen Kapital und Arbeit ist nichts als die diesem entzweiten Zustande entsprechende und aus ihm hervorgehende Entzweiung der Arbeit in sich selbst. Und nachdem diese Trennung bewerkstelligt, teilt sich das Kapital nochmals in das ursprüngliche Kapital und in den Gewinn, den Zuwachs des Kapitals, den es im Prozesse der Produktion empfängt, obwohl die Praxis selbst diesen Gewinn sogleich wieder zum Kapital schlägt und mit diesem in Fluß setzt. Ja, selbst der Gewinn wird wieder in Zinsen und eigentlichen Gewinn gespalten. In den Zinsen ist die Unverrtünftigkeit dieser Spaltungen auf die Spitze getrieben. Die Unsittlichkeit des Zinsenverleihens, des Empfangens ohne Arbeit, für das bloße Borgen, ist, obwohl schon im Privateigentum liegend, doch zu augenscheinlich und vom unbefangenen Volksbewußtsein, das in diesen Dingen meistens recht hat, längst erkannt. Alle diese feinen Spaltungen und Divisionen entstehen aus der ursprünglichen Trennung des Kapitals von der
Arbeit und der Vollendung dieser Trennung in der Spaltung der Menschheit in Kapitalisten und Arbeiter, einer Spaltung, die alle Tage schärfer und schärfer ausgebildet wird und die sich, wie wir sehen werden, immer steigern muß. Diese Trennung, wie die schon betrachtete Trennung des Bodens von Kapital und Arbeit, ist aber in letzter Instanz eine unmögliche. Es ist durchaus nicht zu bestimmen, wieviel der Anteil des Bodens, des Kapitals und der Arbeit an einem bestimmten Erzeugnisse betrage. Die drei Größen sind inkommensurabel. Der Boden schafft das rohe Material, aber nicht ohne Kapital und Arbeit, das Kapital setzt Boden und Arbeit voraus, und die Arbeit setzt wenigstens den Boden, meistens auch Kapital voraus. Die Verrichtungen der drei sind ganz verschiedenartig und nicht in einem vierten gemeinsamen Maße zu messen. Wenn es also bei den jetzigen Verhältnissen zur Verteilung des Ertrags unter die drei Elemente kommt, so gibt es kein ihnen inhärentes Maß, sondern ein ganz fremdes, ihnen zufälliges Maß entscheidet: die Konkurrenz oder das raffinierte Recht des Stärkeren. Der Grundzins impliziert die Konkurrenz, der Gewinn auf Kapital wird einzig durch die Konkurrenz bestimmt, und wie es mit dem Arbeitslohn aussieht, werden wir gleich sehen. Wenn wir das Privateigentum fallenlassen, so fällen alle diese unnatürlichen Spaltungen. Der Unterschied von Zinsen und Gewinn fällt; Kapital ist nichts ohne Arbeit, ohne Bewegung. Der Gewinn reduziert seine Bedeutung auf das Gewicht, das bei der Bestimmung der Produktionskosten das Kapital in die Waage legt, und bleibt so dem Kapital inhärent, wie dies selbst in seine ursprüngliche Einheit mit der Arbeit zurückfällt.
Die Arbeit, die Hauptsache bei der Produktion, die „Quelle des Reichtums", die freie menschliche Tätigkeit, kommt bei dem Ökonomen schlecht weg. Wie das Kapital schon von der Arbeit getrennt wurde, so wird jetzt wieder die Arbeit zum zweitenmal gespalten; das Produkt der Arbeit steht ihr als Lohn gegenüber, ist von ihr getrennt und wird wieder, wie gewöhnlich, durch die Konkurrenz bestimmt, da es für den Anteil der Arbeit an der Produktion, wie wir gesehen haben, kein festes Maß gibt. Heben wir das Privateigentum auf, so fällt auch diese unnatürliche Trennung, die Arbeit ist ihr eigner Lohn, und die wahre Bedeutung des früher veräußerten Arbeitslohnes kommt an den Tag: die Bedeutung der Arbeit für die Bestimmung der Produktionskosten einer Sache.
Wir haben gesehen, daß am Ende alles auf die Konkurrenz hinausläuft, solange das Privateigentum besteht. Sie ist die Hauptkategorie des Ökonomen, seine liebste Tochter, die er in einem fort hätschelt und liebkost - und gebt acht, was für ein Medusengesicht da herauskommen wird. Die nächste Folge des Privateigentums war die Spaltung der Produktion in zwei entgegengesetzte Seiten, die natürliche und die menschliche; den Boden, der ohne die Befruchtung des Menschen tot und steril ist, und die menschliche Tätigkeit, deren erste Bedingung eben der Boden ist. Wir sahen ferner, wie sich die menschliche Tätigkeit wieder in die Arbeit und das Kapital auflöste und wie diese Seiten sich wieder feindselig gegenübertraten. Wir hatten also schon den Kampf der drei Elemente gegeneinander, anstatt der gegenseitigen Unterstützung der drei; jetzt kommt noch dazu, daß das Privateigentum die Zersplitterung jedes dieser Elemente mit sich bringt. Ein Grundstück steht dem andern, ein Kapital dem andern, eine Arbeitskraft der andern gegenüber. Mit andern Worten: Weil das Privateigentum jeden auf seine eigne rohe Einzelnheit isoliert und weil jeder dennoch dasselbe Interesse hat wie sein Nachbar, so steht ein Grundbesitzer dem andern, ein Kapitalist dem andern, ein Arbeiter dem andern feindselig gegenüber. In dieser Verfeindung der gleichen Interessen eben um ihrer Gleichheit willen ist die Unsittlichkeit des bisherigen Zustandes der Menschheit vollendet; und diese Vollendung ist die Konkurrenz.
Der Gegensatz der Konkurrenz ist das Monopol. Das Monopol war das Feldgeschrei der Merkantilisten, die Konkurrenz der Schlachtruf der liberalen Ökonomen. Es ist leicht einzusehen, daß dieser Gegensatz wieder ein durchaus hohler ist. Jeder Konkurrierende muß wünschen, das Monopol zu haben, mag er Arbeiter, Kapitalist oder Grundbesitzer sein. Jede kleinere Gesamtheit von Konkurrenten muß wünschen, das Monopol für sich gegen alle andern zu haben. Die Konkurrenz beruht auf dem Interesse, und das Interesse erzeugt wieder das Monopol; kurz, die Konkurrenz geht in das Monopol über. Auf der andern Seite kann das Monopol den Strom der Konkurrenz nicht aufhalten, ja es erzeugt die Konkurrenz selbst, wie z.B. ein Einfuhrverbot oder höhe Zölle die Konkurrenz des Schmuggeins geradezu erzeugen. - Der Widerspruch der Konkurrenz ist ganz derselbe wie der des Privateigentums selbst. Es liegt im Interesse jedes einzelnen, alles zu besitzen, aber im Interesse der Gesamtheit, daß jeder gleich viel besitze. So ist also das allgemeine und individuelle Interesse diametral entgegengesetzt. Der Widerspruch der Konkurrenz ist: daß jeder sich das Monopol wünschen muß,
während die Gesamtheit als solche durch das Monopol verlieren und es also entfernen muß. Ja, die Konkurrenz setzt das Monopol schon voraus, nämlich das Monopol des Eigentums - und hier tritt wieder die Heuchelei der Liberalen an den Tag-, und solange das Monopol des Eigentums besteht, solange ist das Eigentum des Monopols gleichberechtigt; denn auch das einmal gegebene Monopol ist Eigentum. Welche jämmerliche Halbheit ist es also, die kleinen Monopole anzugreifen und das Grundmonopol bestehen zu lassen. Und wenn wir hierzu noch den früher erwähnten Satz des Ökonomen ziehen, daß nichts Wert hat, was nicht monopolisiert werden kann, daß also nichts, was nicht diese Monopolisierung zuläßt, in diesen Kampf der Konkurrenz eintreten kann, so ist unsere Behauptung, daß die Konkürrenz das Monopol voraussetzt, vollkommen gerechtfertigt.
Das Gesetz der Konkurrenz ist, daß Nachfrage und Zufuhr sich stets und ebendeshalb nie ergänzen. Die beiden Seiten sind wieder auseinandergerissen und in den schroffen Gegensatz verwandelt. Die Zufuhr ist immer gleich hinter der Nachfrage, aber kommt nie dazu, sie genau zu decken; sie ist entweder zu groß oder zu klein, nie der Nachfrage entsprechend, weil in diesem bewußtlosen Zustande der Menschheit kein Mensch weiß, wie groß diese oder jene ist. Ist die Nachfrage größer als die Zufuhr, so steigt der Preis, und dadurch wird die Zufuhr gleichsam irritiert; sowie sie sich im Markte zeigt, fallen die Preise, und wenn sie größer wird als jene, so wird der Fall der Preise so bedeutend, daß die Nachfrage dadurch wieder aufgereizt wird. So geht es in einem fort, nie ein gesunder Zustand, sondern eine stete Abwechslung von Irritation und Erschlaffung, die allen Fortschritt ausschließt, ein ewiges Schwanken, ohne je zum Ziel zu kommen. Dies Gesetz mit seiner steten Ausgleichung, wo, was hier verloren, dort wieder gewonnen wird, findet der Ökonom wunderschön. Es ist sein Hauptruhm, er kann sich nicht satt daran sehen und betrachtet es unter allen möglichen und unmöglichen Verhältnissen. Und doch liegt auf der Hand, daß dies Gesetz ein reines Naturgesetz, kein Gesetz des Geistes ist. Ein Gesetz, das die Revolution erzeugt. Der Ökonom kommt mit seiner schönen Theorie von Nachfrage undZufuhr heran, beweist euch, daß „nie zuviel produziert werden kann", und die Praxis antwortet mit den Handelskrisen, die so regelmäßig wiederkehren wie die Kometen und deren wir jetzt durchschnittlich alle fünf bis sieben Jahre eine haben. Diese Handelskrisen sind seit achtzig Jahren ebenso regelmäßig gekommen wie früher die großen Seuchen - und haben mehr Elend, mehr Unsittlichkeit mit sich gebracht als diese (vgl. Wade, ,,Hist[ory] of the Middle
and Working Classes", London 1835, p. 211). Natürlich bestätigen diese Handelsrevolutionen das Gesetz, sie bestätigen es im vollsten Maße, aber in einer andern Weise, als der Ökonom uns glauben machen möchte. Was soll man von einem Gesetz denken, das sich nur durch periodische Revolutionen durchsetzen kann? Es ist eben ein Naturgesetz, das auf der Bewußtlosigkeit der Beteiligten beruht. Wüßten die Produzenten als solche, wieviel die Konsumenten bedürften, organisierten sie die Produktion, verteilten sie sie unter sich, so wäre die Schwankung der Konkurrenz und ihre Neigung zur Krisis unmöglich. Produziert mit Bewußtsein, als Menschen, nicht als zersplitterte Atome ohne Gattungsbewußtsein, und ihr seid über alle diese künstlichen und unhaltbaren Gegensätze hinaus. Solange ihr aber fortfahrt, auf die jetzige unbewußte, gedankenlose, der Herrschaft des Zufalls überlassene Art zu produzieren, solange bleiben die Handelskrisen; und jede folgende muß universeller, also schlimmer werden als die vorhergehende, muß eine größere Menge kleiner Kapitalisten verarmen und die Anzahl der bloß von der Arbeit lebenden Klasse in steigendem Verhältnisse vermehren - also die Masse der zu beschäftigenden Arbeit, das Hauptproblem unserer Ökonomen, zusehends vergrößern und endlich eine soziale Revolution herbeiführen, wie sie sich die Schulweisheit der Ökonomen nicht träumen läßt. Die ewige Schwankung der Preise, wie sie durch das Konkurrenzverhältnis geschaffen wird, entzieht dem Handel vollends die letzte Spur von Sittlichkeit. Von Wert ist keine Rede mehr; dasselbe System, das auf den Wert soviel Gewicht zu legen scheint, das der Abstraktion des Wertes im Gelde die Ehre einer besondern Existenz gibt - diesselbe System zerstört durch die Konkurrenz allen inhärenten Wert und verändert das Wertverhältnis aller Dinge gegeneinander täglich und stündlich. Wo bleibt in diesem Strudel die Möglichkeit eines auf sittlicher Grundlage beruhenden Austausches? In diesem fortwährenden Auf und Ab muß jeder suchen, den günstigsten Augenblick zum Kauf und Verkauf zu treffen, jeder muß Spekulant werden, d.h. ernten, wo er nicht gesäet hat, durch den Verlust anderer sich bereichern, auf das Unglück andrer kalkulieren oder den Zufall für sich gewinnen lassen. Der Spekulant rechnet immer auf Unglücksfälle, besonders auf Mißernten, er benutzt alles, wie z. B. seinerzeit den Brand von New York, und der Kulminationspunkt der Unsittlichkeit ist die Börsenspekulation in Fonds, wodurch die Geschichte und in ihr die Menschheit zum Mittel herabgesetzt wird, um die Habgier des kalkulierenden oder hasardierenden Spekulanten zu befriedigen. Und möge sich der ehrliche, „solide" Kaufmann nicht pharisäisch über das Börsenspiel erheben - ich danke dir Gott usw. Er ist so schlimm wie die Fondsspekulanten, er spekuliert ebensosehr wie sie, er muß es, die Konkur
renz zwingt ihn dazu, und sein Handel impliziert also dieselbe Unsittlichkeit wie der ihrige. Die Wahrheit des Konkurrenzverhältnisses ist das Verhältnis der Konsumtionskraft zur Produktionskraft. In einem der Menschheit würdigen Zustande wird es keine andre Konkurrenz als diese geben. Die Gemeinde wird zu berechnen haben, was sie mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln erzeugen kann, und nach dem Verhältnis dieser Produktionskraft zur Masse der Konsumenten bestimmen, inwieweit sie die Produktion zu steigern oder nachzulassen, inwieweit sie dem Luxus nachzugeben oder ihn zu beschränken hat. Um aber über dies Verhältnis und die von einem vernünftigen Zustande der Gemeinde zu erwartende Steigerung der Produktionskraft richtig zu urteilen, mögen meine Leser die Schriften der englischen Sozialisten und zum Teil auch Fouriers vergleichen. Die subjektive Konkurrenz, der Wettstreit von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit usw., wird sich unter diesen Umständen auf den in der menschlichen Natur begründeten und bis jetzt nur von Fourier erträglich entwickelten Wetteifer reduzieren, der nach der Aufhebung der entgegengesetzten Interessen auf seine eigentümliche und vernünftige Sphäre beschränkt wird.
Der Kampf von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Boden gegen Boden treibt die Produktion in eine Fieberhitze hinein, in der sie alle natürlichen und vernünftigen Verhältnisse auf den Kopf stellt. Kein Kapital kann die Konkurrenz des andern aushalten, wenn es nicht auf die höchste Stufe der Tätigkeit gebracht wird. Kein Grundstück kann mit Nutzen bebaut werden, wenn es nicht seine Produktionskraft stets steigert. Kein Arbeiter kann sich gegen seine Konkurrenten halten, wenn er nicht seine ganzen Kräfte der Arbeit widmet. Überhaupt keiner, der sich in den Kampf der Konkurrenz einläßt, kann ihn ohne die höchste Anstrengung seiner Kräfte, ohne die Aufgebung aller wahrhaft menschlichen Zwecke aushalten. Die Folge von dieser Überspannung auf der einen Seite ist notwendig Erschlaffung auf der andern. Wenn die Schwankung der Konkurrenz gering ist, wenn Nachfrage und Zufuhr, Konsumtion und Produktion sich beinahe gleich sind, so muß in der Entwicklung der Produktion eine Stufe eintreten, in der so viel überzählige Produktionskraft vorhanden ist, daß die große Masse der Nation nichts zu leben hat; daß die Leute vor lauter Überfluß verhungern. In dieser wahnsinnigen Stellung, in dieser lebendigen Absurdität befindet sich England schon seit geraumer Zeit. Schwankt die Produktion stärker, wie sie es infolge eines solchen Zustandes notwendig tut, so tritt die Abwechslung von Blüte
und Krisis, Überproduktion und Stockung ein. Der Ökonom hat sich diese verrückte Stellung nie erklären können; um sie zu erklären, erfand er die Bevölkerungstheorie, die ebenso unsinnig, ja noch unsinniger ist als dieser Widerspruch von Reichtum und Elend zu derselben Zeit. Der Ökonom durfte die Wahrheit nicht sehen; er durfte nicht einsehen, daß dieser Widerspruch eine einfache Folge der Konkurrenz ist, weil sonst sein ganzes System über den Haufen gefallen wäre. Uns ist die Sache leicht zu erklären. Die der Menschheit zu Gebote stehende Produktionskraft ist unermeßlich. Die Ertragsfähigkeit des Bodens ist durch die Anwendung von Kapital, Arbeit und Wissenschaft ins Unendliche zu steigern. Das „übervölkerte" Großbritannien kann nach der Berechnung der tüchtigsten Ökonomen und Statistiker (vgl. Alisons „Priticiple of population", Bd. 1, Cap. I et 2) in zehn Jahren dahin gebracht werden, daß es Korn genug für das Sechsfache seiner jetzigen Bevölkerung produziert. Das Kapital steigert sich täglich; die Arbeitskraft wächst mit der Bevölkerung, und die Wissenschaft unterwirft den Menschen die Naturkraft täglich mehr und mehr. Diese unermeßliche Produktionsfähigkeit, mit Bewußtsein und im Interesse aller gehandhabt, würde die der Menschheit zufallende Arbeit bald auf ein Minimum verringern; der Konkurrenz überlassen, tut sie dasselbe, aber innerhalb des Gegensatzes. Ein Teil des Landes wird aufs beste kultiviert, während ein andrer - in Großbritannien und Irland 30 Millionen Acres gutes Land - wüst daliegt. Ein Teil des Kapitals zirkuliert mit ungeheurer Schnelligkeit, ein andrer liegt tot im Kasten. Ein Teil der Arbeiter arbeitet vierzehn, sechzehn Stunden des Tages, während ein anderer faul und untätig dasteht und verhungert. Oder die Verteilung tritt aus dieser Gleichzeitigkeit heraus: Heute geht der Handel gut, die Nachfrage ist sehr bedeutend, da arbeitet alles, das Kapital wird mit wunderbarer Schnelligkeit umgeschlagen, der Ackerbau blüht, die Arbeiter arbeiten sich krank — morgen tritt eine Stockung ein, der Ackerbau lohnt nicht der Mühe, ganze Strecken Landes bleiben unbebaut, das Kapital erstarrt mitten im Flusse, die Arbeiter haben keine Beschäftigung, und das ganze Land laboriert an überflüssigem Reichtum und überflüssiger Bevölkerung. Diese Entwickelung der Sache darf der Ökonom nicht für die richtige erkennen; er müßte sonst, wie gesagt, sein ganzes Konkurrenzsystem aufgeben; er müßte die Hohlheit seines Gegensatzes von Produktion und Konsumtion, von überflüssiger Bevölkerung und überflüssigem Reichtum einsehen. Um aber, da das Faktum einmal nicht zu leugnen war, dies Faktum mit der Theorie ins gleiche zu bringen, wurde die Bevölkerungstheorie erfunden.
Malthus, der Urheber dieser Doktrin, behauptet, daß die Bevölkerung stets auf die Subsistenzmittel drückt, daß, sowie die Produktion gesteigert wird, die Bevölkerung sich in demselben Verhältnis vermehrt und daß die der Bevölkerung inhärente Tendenz, sich über die disponiblen Subsistenzmittel hinaus zu vermehren, die Ursache alles Elends, alles Lasters ist. Denn wenn zuviel Menschen da sind, so müssen sie auf die eine oder die andre Weise aus dem Wege geschafft, entweder gewaltsam getötet werden oder verhungern. Wenn dies aber geschehen ist, so ist wieder eine Lücke da, die sogleich wieder durch andre Vermehrer der Bevölkerung ausgefüllt wird, und so fängt das alte Elend wieder an. Ja, dies ist unter allen Verhältnissen so, nicht nur im zivilisierten, sondern auch im Naturzustande; die Wilden Neuhollands, deren einer auf die Quadratmeile kommt, laborieren ebensosehr an Übervölkerung wie England. Kurz, wenn wir konsequent sein wollen, so müssen wir gestehen, daß die Erde schon übervölkert war, als nur ein Mensch existierte. Die Folgen dieser Entwicklung sind nun, daß, da die Armen gerade die Überzähligen sind, man nichts für sie tun soll, als ihnen das Verhungern so leicht als möglich zu machen, sie zu überzeugen, daß es sich nicht ändern läßt und daß für ihre ganze Klasse keine Rettung da ist als in einer möglichst geringen Fortpflanzung, oder wenn dies nicht geht, so ist es noch immer besser, daß eine Staatsanstalt zur schmerzlosen Tötung der Kinder der Armen, wie sie „Marcus"1221:1 vorgeschlagen hat, eingerichtet wird - wonach auf jede Arbeiterfamilie zweiundeinhalbes Kind kommen dürfen; was aber mehr kommt, schmerzlos getötet wird. Almosengeben wäre ein Verbrechen, da es den Zuwuchs der überzähligen Bevölkerung unterstützt; aber sehr vorteilhaft wird es sein, wenn man die Armut zu einem Verbrechen und die Armenhäuser zu Strafanstalten macht, wie dies bereits in England durch das „liberale" neue ArmengesetzI165] geschehen ist. Es ist zwar wahr, diese Theorie stimmt sehr schlecht mit der Lehre der Bibel von der Vollkommenheit Gottes und seiner Schöpfung, aber „es ist eine schlechte Widerlegung, wenn man die Bibel gegen Tatsachen ins Feld führt"! Soll ich diese infame, niederträchtige Doktrin, diese scheußliche Blasphemie gegen die Natur und Menschheit noch mehr ausführen, noch weiter in ihre Konsequenzen verfolgen? Hier haben wir endlich die Unsittlichkeit des Ökonomen auf ihre höchste Spitze gebracht. Was sind alle Kriege und Schrecken des Monopolsystems gegen diese Theorie? Und gerade sie ist der Schlußstein des liberalen Systems der Handelsfreiheit, dessen Sturz den des ganzen Gebäudes nach sich zieht. Denn ist die Konkurrenz hier als die Ursache des Elends, der Armut, des Verbrechens nachgewiesen, wer will ihr dann noch das Wort zu reden wagen?
Alisori hat die Malthussche Theorie in seinem oben zitierten Werk erschüttert, indem er an die Produktionskraft der Erde appellierte und dem Malthusschen Prinzip die Tatsache entgegensetzte, daß jeder erwachsene Mensch mehr produzieren kann, als er selbst gebraucht, eine Tatsache, ohne die die Menschheit sich nicht vermehren, ja nicht einmal bestehen könnte; wovon sonst sollten die Heranwachsenden leben? Aber Alison geht nicht auf den Grund der Sache und kommt daher zuletzt wieder zu demselben Resultate wie Malthus. Er beweist zwar, daß Malthus* Prinzip unrichtig ist, kann aber die Tatsachen nicht wegleugnen, die diesen zu seinem Prinzip getrieben haben. Hätte Malthus die Sache nicht so einseitig betrachtet, so müßte er gesehen haben, daß die überzählige Bevölkerung oder Arbeitskraft stets mit überzähligem Reichtum, überzähligem Kapital und überzähligem Grundbesitz verknüpft ist. Die Bevölkerung ist nur dazu groß, wo die Produktionskraft überhaupt zu groß ist. Der Zustand jedes übervölkerten Landes, namentlich Englands, von der Zeit an, wo Malthus schrieb, zeigt dies aufs deutlichste. Dies waren die Tatsachen, die Malthus in ihrer Gesamtheit zu betrachten hatte und deren Betrachtung zum richtigen Resultate führen mußte; statt dessen griff er eine heraus, ließ die andern unberücksichtigt und kam daher zu seinem wahnsinnigen Resultate. Der zweite Fehler, den er beging, war die Verwechslung von Subsistenzmitteln und Beschäftigung. Daß die Bevölkerung stets auf die Mittel der Beschäftigung drückt, daß soviel Menschen beschäftigt werden können, soviel auch erzeugt werden, kurz, daß dieErzeugung der Arbeitskraft bisher durch das Gesetz der Konkurrenz reguliert worden und daher auch den periodischen Krisen und Schwankungen ausgesetzt gewesen ist, das ist eine Tatsache, deren Feststellung Malthus' Verdienst ist. Aber die Mittel der Beschäftigung sind nicht die Mittel der Subsistenz. Die Mittel der Beschäftigung, werden durch die Vermehrung der Maschinenkraft und des Kapitals nur in ihremEndresultate vermehrt; dieMittel derSubsistenz vermehren sich, sobald die Produktionskraft überhaupt um etwas vermehrt wird. Hier kommt ein neuer Widerspruch der Ökonomie an den Tag. Die Nachfrage des Ökonomen ist nicht die wirkliche Nachfrage, seine Konsumtion ist eine künstliche. Dem Ökonomen ist nur der ein wirklich Fragender, ein wirklicher Konsument, der für das, was er empfängt, einÄquivalent zu bieten hat. Wenn es aber eine Tatsache ist, daß jeder Erwachsene mehr produziert, als er selbst verzehren kann, daß Kinder wie Bäume sind, die die auf sie verwandte Auslage überreichlich wiedererstatten - und das sind doch wohl Tatsachen? -, so sollte man meinen, jeder Arbeiter müßte weit mehr erzeugen können, als er braucht, und die Gemeinde müßte ihn daher gern mit allem
versorgen wollen, was er nötig hat, so sollte man meinen, eine große Familie müßte der Gemeinde ein sehr wünschenswertes Geschenk sein. Aber der ökonome in der Roheit seiner Anschauung kennt kein andres Äquivalent, als das ihm in handgreiflichem barem Gelde ausgezahlt wird. Er sitzt so fest in seinen Gegensätzen, daß die schlagendsten Tatsachen ihn ebensowenig kümmern wie die wissenschaftlichsten Prinzipien. Wir vernichten den Widerspruch einfach dadurch, daß wir ihn aufheben. Mit der Verschmelzung der jetzt entgegengesetzten Interessen verschwindet der Gegensatz zwischen Übervölkerung hier und Überreichtum dort, verschwindet das wunderbare Faktum, wunderbarer als alle Wunder aller Religionen zusammen, daß eine Nation vor eitel Reichtum und Überfluß verhungern muß; verschwindet die wahnsinnige Behauptung, daß die Erde nicht die Kraft habe, die Menschen zu ernähren. Diese Behauptung ist die höchste Spitze der christlichen Ökonomie - und daß unsre Ökonomie wesentlich christlich ist, hätte ich bei jedem Satz, bei jeder Kategorie beweisen können und werde es seinerzeit auch tun; die Malthussche Theorie ist nur der ökonomische Ausdruck für das religiöse Dogma von dem Widerspruch des Geistes und der Natur und der daraus folgenden Verdorbenheit beider. Diesen Widerspruch, der für die Religion und mit ihr längst aufgelöst ist, hoffe ich auch auf dem ökonomischen Gebiet in seiner Nichtigkeit aufgewiesen zu haben; ich werde übrigens keine Verteidigung der Malthusschen Theorie für kompetent annehmen, die mir nicht vorher aus ihrem eignen Prinzip heraus erklärt, wie ein Volk von lauter Überfluß verhungern kann, und dies mit der Vernunft und den Tatsachen in Einklang bringt. Die Malthussche Theorie ist übrigens ein durchaus notwendiger Durchgangspunkt gewesen, der uns unendlich weitergebracht hat. Wir sind durch sie, wie überhaupt durch die Ökonomie, auf die Produktionskraft der Erde und der Menschheit aufmerksam geworden und nach der Überwindung dieser ökonomischen Verzweiflung vor der Furcht der Übervölkerung für immer gesichert. Wir ziehen aus ihr die stärksten ökonomischen Argumente für eine soziale Umgestaltung; denn selbst wenn Malthus durchaus recht hätte, so müßte man diese Umgestaltung auf der Stelle vornehmen, weil nur sie, nur die durch sie zu gebende Bildung der Massen diejenige moralische Beschränkung des Fortpflanzungstriebes möglich macht, die Malthus selbst als das wirksamste und leichteste Gegenmittel gegen Übervölkerung darstellt. Wir haben durch sie die tiefste Erniedrigung der Menschheit, ihre Abhängigkeit vom Konkurrenzverhältnisse kennengelernt; sie hat uns gezeigt, wie in letzter Instanz das Privateigentum den Menschen zu einer Ware gemacht hat, deren Erzeugung und Vernichtung auch nur von der Nachfrage abhängt; wie das
System der Konkurrenz dadurch Millionen von Menschen geschlachtet hat und täglich schlachtet; das alles haben wir gesehen, und das alles treibt uns zur Aufhebung dieser Erniedrigung der Menschheit durch die Aufhebung des Privateigentums, der Konkurrenz und der entgegengesetzten Interessen. Kommen wir indes, um der allgemeinen Übervölkerungsfurcht alle Basis zu nehmen, noch einmal auf das Verhältnis der Produktionskraft zur Bevölkerung zurück. Malthus stellt eine Berechnung auf, worauf er sein ganzes System basiert. Die Bevölkerung vermehre sich in geometrischer Progression: 1 + 2+ 4+ 8+ 16+32 usw., die Produktionskraft des Bodens in arithmetischer: 1 + 2+ 3 + 4+ 5 + 6. Die Differenz ist augenscheinlich, ist schreckenerregend; aber ist sie richtig? Wo steht erwiesen, daß die Ertragsfähigkeit des Bodens sich in arithmetischer Progression vermehre? Die Ausdehnung des Bodens ist beschränkt, gut. Die auf diese Fläche zu verwendende Arbeitskraft steigt mit der Bevölkerung; nehmen wir selbst an, daß die Vermehrung des Ertrags durch Vermehrung der Arbeit nicht immer im Verhältnis der Arbeit steigt; so bleibt noch ein drittes Eleirient, das dem Ökonomen freilich nie etwas gilt, die Wissenschaft, und deren Fortschritt ist so unendlich und wenigstens ebenso rasch als der derBevölkerung. Welchen Fortschritt verdankt die Agrikultur dieses Jahrhunderts allein der Chemie, ja allein zwei Männern - Sir Humphrey Davy und Justus Liebig? Die Wissenschaft aber vermehrt sich mindestens wie die Bevölkerung; diese vermehrt sich im Verhältnis zur Anzahl der letzten Generation; die Wissenschaft schreitet fort im Verhältnis zu der Masse der Erkenntnis, die ihr von der vorhergehenden Generation hinterlassen wurde, also unter den allergewöhnlichsten Verhältnissen auch in geometrischer Progression und was ist der Wissenschaft unmöglich? Es ist aber lächerlich, von Übervölkerung zu reden, solange „das Tal des Mississippi wüsten Boden genug besitzt, um die ganze Bevölkerung von Europa dorthin verpflanzen zu können"E222], solange überhaupt erst ein Drittel der Erde für bebaut angesehen werden und die Produktion dieses Drittels selbst durch die Anwendung jetzt schon bekannter Verbesserungen um das Sechsfache und mehr gesteigert werden kann.
Die Konkurrenz setzt also Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Grundbesitz gegen Grundbesitz, und ebenso jedes dieser Elemente gegen die beiden andern. Im Kampf siegt der Stärkere, und wir werden, um das Resultat dieses Kampfes vorauszusagen, die Stärke der Kämpfenden zu untersuchen haben. Zuerst sind Grundbesitz und Kapital jedes stärker als die Arbeit, denn
der Arbeiter muß arbeiten, um zu leben, während der Grundbesitzer von seinen Renten und der Kapitalist von seinen Zinsen, im Notfalle von seinem Kapital oder dem kapitalisierten Grundbesitz leben kann. Die Folge davon ist, daß der Arbeit nur das Allernotdürftigste, die nackten Subsistenzmittel zufallen, während der größte Teil der Produkte sich zwischen dem Kapital und dem Grundbesitz verteilt. Der stärkere Arbeiter treibt ferner den schwächeren, das größere Kapital das geringere, der größere Grundbesitz den kleinen aus demMarkt. Die Praxis bestätigt diesenSchluß.DieVorteile, die der größere Fabrikant und Kaufmann über den kleinen, der große Grundbesitzer über den Besitzer eines einzigen Morgens hat, sind bekannt. Die Folge hiervon ist, daß schon unter gewöhnlichen Verhältnissen das große Kapital und der große Grundbesitz das kleine Kapital und den kleinen Grundbesitz nach dem Recht des Stärkeren verschlingen - die Zentralisation des Besitzes. In Handels- und Agrikulturkrisen geht diese Zentralisation viel rascher vor sich. - Großer Besitz vermehrt sich überhaupt viel rascher als kleiner, weil von dem Ertrag ein viel geringerer Teil als Ausgaben des Besitzes in Abzug kommt. Diese Zentralisation des Besitzes ist ein dem Privateigentum ebenso immanentes Gesetz wie alle andern; die Mittelklassen müssen immer mehr verschwinden, bis die Welt in Millionäre und Paupers, in große Grundbesitzer und arme Taglöhner geteilt ist. Alle Gesetze, alle Teilung des Grundbesitzes, alle etwaige Zersplitterung des Kapitals hilft nichts - dies Resultat muß kommen und wird kommen, wenn nicht eine totale Umgestaltung der sozialen Verhältnisse, eine Verschmelzung der entgegengesetzten Interessen, eine Aufhebung des Privateigentums ihm zuvorkommt. Die freie Konkurrenz, das Hauptstichwort unserer Tagesökonomen, ist eine Unmöglichkeit. Das Monopol hatte wenigstens die Absicht, wenn es sie auch nicht durchführen konnte, den Konsumenten vor Betrug zu schützen. Die Abschaffung des Monopols öffnet aber dem Betrüge Tor und Tür. Ihr sagt, die Konkurrenz hat in sich selbst das Gegenmittel gegen den Betrug, keiner wird schieichte Sachen kaufen - d.h., jeder muß für jeden Artikel ein Kenner sein, und dies ist unmöglich -, daher die Notwendigkeit des Monopols, die sich auch in vielen Artikeln zeigt. Die Apotheken usw. müssen ein Monopol haben. Und der wichtigste Artikel, das Geld, hat gerade das Monopol am meisten nötig. Das zirkulierende Medium hat jedesmal, sowie es aufhörte, Staatsmonopol zu sein, eine Handelskrisis produziert, und die englischen Ökonomen, unter andern Dr. Wade, geben die Notwendigkeit des Monopols hier auch zu. Aber das Monopol schützt auch nicht vor falschem Gelde. Man stelle sich auf welche Seite der Frage man wolle, die eine ist so schwierig wie die andere, das Monopol erzeugt die freie Konkurrenz und
diese wieder das Monopol; darum müssen beide fallen und diese Schwierigkeiten durch die Aufhebung des sie erzeugenden Prinzips gehoben werden.
Die Konkurrenz hat alle unsre Lebensverhältnisse durchdrungen und die gegenseitige Knechtschaft, in der die Menschen sich jetzt halten, vollendet. Die Konkurrenz ist die große Triebfeder, die unsre alt. und schlaff werdende soziale Ordnung, oder vielmehr Unordnung, immer wieder zur Tätigkeit aufstachelt, aber bei jeder neuen Anstrengung auch einen Teil der sinkenden Kräfte verzehrt. Die Konkurrenz beherrscht den numerischen Fortschritt der Menschheit; sie beherrscht auch ihren sittlichen. Wer mit der Statistik des Verbrechens sich etwas bekannt gemacht hat, dem muß die eigentümliche Regelmäßigkeit aufgefallen sein, mit der das Verbrechen alljährlich fortschreitet, mit der gewisse Ursachen gewisse Verbrechen erzeugen. Die Ausdehnung des Fabriksystems hat überall eine Vermehrung der Verbrechen zur Folge. Man kann die Anzahl der Verhaftungen, Kriminalfälle, ja die Anzahl der Morde, der Einbrüche, der kleinen Diebstähle usw. für eine große Stadt oder einen Bezirk mit jedesmal zutreffender Genauigkeit alljährlich vorausbestimmen, wie dies in England oft genug geschehen ist. Diese Regelmäßigkeit beweist, daß auch das Verbrechen von der Konkurrenz regiert wird, daß die Gesellschaft eine Nachfrage nach Verbrechen erzeugt, der durch eine angemessene Zufuhr entsprochen wird, daß die Lücke, die durch die Verhaftung, Transportierung oder Hinrichtung einer Anzahl gemacht, sogleich durch andere wieder ausgefüllt wird, gerade wie jede Lücke in der Bevölkerung sogleich wieder durch neue Ankömmlinge ausgefüllt wird, mit andern Worten, daß das Verbrechen ebenso auf die Mittel der Bestrafung drückt wie die Völker auf die Mittel der Beschäftigung. Wie gerecht es unter diesen Umständen, abgesehen von allen andern, ist, Verbrecher zu bestrafen, überlasse ich dem Urteil meiner Leser. Mir kommt es hier bloß darauf an, die Ausdehnung der Konkurrenz auch auf das moralische Gebiet nachzuweisen und zu zeigen, zu welcher tiefen Degradation das Privateigentum den Menschen gebracht hat.
In dem Kampfe von Kapital und Boden gegen die Arbeit haben die beiden ersten Elemente noch einen besonderen Vorteil vor der Arbeit voraus die Hülfe der Wissenschaft, denn auch diese ist unter den jetzigen Verhältnissen gegen die Arbeit gerichtet. Fast alle mechanischen Erfindungen z. B. sind durch den Mangel an Arbeitskraft veranlaßt worden, so besonders
34 Marx/Engels, Werte. Bd. 1
Hargreaves', Cromptons und Arkwrights Baumwollspinnmaschinen. Die Arbeit ist nie sehr gesucht gewesen, ohne daß daraus eine Erfindung hervorging, die die Arbeitskraft bedeutend vermehrte, also die Nachfrage von der menschlichen Arbeit ablenkte. Die Geschichte Englands von 1770 bis jetzt ist ein fortlaufender Beweis dafür. Die letzte große Erfindung in der BaumWollspinnerei, die Selfacting Müle, wurde ganz allein durch die Frage nach Arbeit und den steigenden Lohn veranlaßt - sie verdoppelte die Maschinenarbeit und beschränkte dadurch die Handarbeit auf die Hälfte, warf die Hälfte der Arbeiter außer Beschäftigung und drückte dadurch den Lohn der andern auf die Hälfte herab; sie vernichtete eine Verschwörung der Arbeiter gegen die Fabrikanten und zerstörte den letzten Rest von Kraft, mit dem die Arbeit noch den ungleichen Kampf gegen das Kapital ausgehalten hatte (vgl.Dr. JJre, „Philosophy of Manafactares", Bd. 2). Der Ökonom sagt nun zwar, daß im Endresultate die Maschinerie günstig für die Arbeiter sei, indem sie die Produktion billiger mache und dadurch einen neuen größeren Markt für ihre Produkte schaffe und so zuletzt die außer Arbeit gesetzten Arbeiter doch wieder beschäftige. Ganz richtig; aber vergißt der Ökonom denn hier, daß die Erzeugung der Arbeitskraft durch die Konkurrenz reguliert wird, daß die Arbeitskraft stets auf die Mittel der Beschäftigung drückt, daß also, wenn diese Vorteile eintreten sollen, bereits wieder eine Überzahl von Konkurrenten für Arbeit darauf wartet und dadurch diesen Vorteil illusorisch machen wird, während der Nachteil, die plötzliche Wegnahme der Subsistenzmittel für die eine und der Fall des Lohns für die andere Hälfte der Arbeiter, nicht illusorisch ist? Vergißt der Ökonom, daß der Fortschritt der Erfindung nie stockt, daß also dieser Nachteil sich verewigt? Vergißt er, daß bei der durch unsere Zivilisation so unendlich gesteigerten Teilung der Arbeit ein Arbeiter nur dann leben kann, wenn er an dieser bestimmten Maschine für diese bestimmte kleinliche Arbeit verwendet werden kann? daß der Übergang von einer Beschäftigung zu einer andern, neuern, für den erwachsenen Arbeiter fast immer eine entschiedene Unmöglichkeit ist?
Indem ich die Wirkungen der Maschinerie ins Auge fasse, komme ich auf ein anderes, entfernteres Thema, das Fabriksystem, und dieses hier zu behandeln, habe ich weder Lust noch Zeit. Ich hoffe übrigens bald eine Gelegenheit zu haben, die scheußliche Unsittlichkeit dieses Systems ausführlich zu entwickeln und die Heuchelei des Ökonomen, die hier in ihrem vollen Glänze erscheint, schonungslos aufzudecken.1-223-1
Geschrieben Ende 1843 bis Januar 1844. Nach: „Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844.
Friedrich Engels
Die Lage Englands
»Fast arid Present" by Thomas Carlyle, London 1843
Unter all den dicken Büchern und dünnen Broschüren, die im vergangenen Jahre zur Belustigung oder Erbauung der „gebildeten Welt" in England erschienen sind, ist die obige Schrift die einzige, die des Lesens wert ist. Alle die bändereichen Romane mit ihren traurigen und lustigen Verwicklungen, alle die erbaulichen und beschaulichen, gelehrten und ungelehrten Kommentare über die Bibel - und Romane und Erbauungsbücher sind die zwei Stapelartikel der englischen Literatur -, alles das könnt ihr ruhig ungelesen lassen. Vielleicht findet ihr einige geologische oder ökonomische, historische oder mathematische Bücher, die ein Körnchen Neues enthalten - aber das sind Sachen, die man studiert, aber nicht liest, das ist trockne Fachwissenschaft, dürre Herbarienwirtschaft, Pflanzen, deren Wurzeln aus dem allgemeinen menschlichen Boden, aus dem sie ihre Nahrung zogen, längst losgerissen sind. Ihr mögt suchen wie ihr wollt, Carlyles Buch ist das einzige, das menschliche Saiten anschlägt, menschliche Verhältnisse darlegt und eine Spur von menschlicher Anschauungsweise entwickelt. , Es ist merkwürdig, wie sehr die hohem Klassen der Gesellschaft, so was der Engländer „respectable people", „the better sort of people"1 etc. nennt, in England geistig gesunken und erschlafft sind. Alle Energie, alle Tätigkeit, aller Inhalt sind dahin; der Landadel geht auf die Jagd, der Geldadel schreibt Hauptbücher und, wenn es hoch kommt, treibt sich in einer ebenso leeren und schlaffen Literatur hemm. Die politischen und religiösen Vorurteile erben sich von Generation zu Generation fort; man bekommt jetzt alles leicht gemacht und braucht sich gar nicht um Prinzipien mehr zu plagen wie in früheren Zeiten; sie fliegen einem jetzt schon in der Wiege fix und fertig zu, man weiß nicht woher. Was braucht man weiter? Man hat eine gute Erziehung genossen, d.h., man ist in der Schule mit den Römern und Griechen ohne Er
1 „ehrenwerte Leute", „die besseren Leute"
folg geplagt worden, im übrigen ist man „respektabel", d. h. besitzt soundsoviel Tausend Pfund und hat sich also um weiter gar nichts zu bemühen als um eine Frau, wenn man noch keine hat. Und nun vollends der Popanz, den die Leute „Geist" nennen! Wo soll in einem solchen Leben Geist herkommen, ja, wenn er käme, wo soll er ein Unterkommen finden bei ihnen? Da ist alles chinesisch festgesetzt und abgezirkelt - wehe dem, der die engen Grenzen überschreitet, wehe, dreimal wehe dem, der gegen ein altehrwürdiges Vorurteil anstößt, neunmal wehe ihm, wenn dies Vorurteil ein religiöses ist. Da gibt es für alle Fragen nur zwei Antworten, eine Whigantwort und eine Toryantwort; und diese Antworten sind von den weisen Oberzeremonienmeistern beider Parteien längst vorgeschrieben, ihr habt gar keine Überlegung und Weitläuftigkeiten nötig, es ist alles fix und fertig, Dicky Cobden oder Lord John Russell hat das gesagt, und Bobby Peel oder der „Herzog" par excellence, nämlich der von Wellington, hat so gesagt, und dabei bleibts. Ihr guten Deutschen müßt euch alle Jahre von den liberalen Zeitungsschreibern und Volksvertretern vorsagen lassen, was die Engländer für wunderbare Leute und unabhängige Männer seien, und alles das durch ihre freien Institutionen, und das sieht sich aus der Entfernung ganz gut an. Die Debatten der Parlamentshäuser, die freie Presse, die stürmischen Volksversammlungen, die Wahlen, die Juries verfehlen ihren Effekt auf Michels timides Gemüt nicht, und in seiner Verwunderung nimmt er all den schönen Schein für bare Münze. Aber am Ende ist doch der Standpunkt des liberalen Zeitungsschreibers und Volksvertreters noch lang nicht hoch genug, um einen umfassenden Überblick zu gewähren, sei es über die Entwicklung der Menschheit oder auch nur die einer einzigen Nation. Die englische Verfassung ist ihrer Zeit ganz gut gewesen und hat manches Gute getan, ja seit 1828 hat sie angefangen, an ihrer besten Tat, nämlich an ihrer eignen Zerstörung zu arbeiten1224-1 - aber das, was ihr der Liberale zuschreibt, das hat sie nicht getan. Sie hat die Engländer nicht zu unabhängigen Männern gemacht. Die Engländer, d.h. die gebildeten Engländer, nach denen man auf dem Kontinent den Nationalcharakter beurteilt, diese Engländer sind die verächtlichsten Sklaven unter der Sonne. Nur der auf dem Kontinent unbekannte Teil der englischen Nation, nur die Arbeiter, die Parias Englands, die Armen sind wirklich respektabel, trotz all ihrer Roheit und all ihrer Demoralisation. Von ihnen geht die Rettung Englands aus, in ihnen liegt noch bildsamer Stoff; sie haben keine Bildung, aber auch keine Vorurteile, sie haben noch Kraft aufzuwenden für eine große nationale Tat - sie haben noch eine Zukunft. Die Aristokratie - und diese schließt heutzutage auch die Mittelklassen
ein - hat sich erschöpft; was sie von Gedankengehalt aufzuwenden hatte, ist bis in die letzten Konsequenzen verarbeitet und praktisch gemacht, und ihr Reich geht mit großen Schritten seinem Ende entgegen. Die Konstitution ist ihr Werk, und die nächste Folge dieses Werks war, daß es seine Urheber mit einem Netze von Institutionen umgarnte, in dem jede freie geistige Bewegung unmöglich gemacht ist. Die Herrschaft des öffentlichen Vorurteils ist überall die erste Folge sogenannter freier politischer Institutionen, und diese Herrschaft ist in dem politisch freisten Lande Europas, in England, stärker als sonst irgendwo - Nordamerika ausgenommen, wo durch das Lynchgesetz das öffentliche Vorurteil als Macht im Staate gesetzlich anerkannt ist. Der Engländer kriecht vor dem öffentlichen Vorurteil, opfert sich ihm täglich auf und je liberaler er ist, desto demütiger schmiegt er sich in den Staub vor diesem seinem Götzen. Das öffentliche Vorurteil in den „gebildeten Kreisen" ist aber entweder toryistisch oder whiggisch, höchstens radikal - und das selbst riecht schon nicht mehr ganz fein. Geht einmal unter gebildete Engländer und sagt, ihr seid Chartisten oder Demokraten - man wird an eurem gesunden Verstände zweifeln und eure Gesellschaft fliehen. Oder erklärt, ihr glaubtet nicht an die Gottheit Christi, und ihr seid verraten und verkauft; gesteht vollends, daß ihr Atheisten seid, und man tut am andern Tage, als kenne man euch nicht. Und der unabhängige Engländer, wenn er, was selten genug vorkommt, wirklich einmal zu denken anfängt und die Fesseln des mit der Muttermilch eingesognen Vorurteils abschüttelt, selbst dann hat er nicht den Mut, seine Überzeugung frei herauszusprechen, selbst dann heuchelt er sich für die Öffentlichkeit eine wenigstens tolerierte Meinung an und ist nur zufrieden, wenn er unter vier Augen zuweilen mit einem Gleichgesinnten geradeaus sprechen kann.
So sind die gebildeten Klassen in England allem Fortschritt verschlossen und werden nur durch den Andrang der arbeitenden Klasse noch etwas in Bewegung gehalten. Es ist nicht zu erwarten, daß das literarische tägliche Brot dieser altersschwachen Bildung anders beschaffen sei als sie selbst. Die ganze fashionable Literatur dreht sich in einem ewigen Kreise und ist geradeso langweilig und unfruchtbar wie die blasierte und ausgesogene fashionable Gesellschaft. Als Strauß' „Leben Jesu" und sein Renommee über den Kanal kam, da wagte es kein anständiger Mann, das Büch zu übersetzen, kein angesehener Büchhändler, es zu drucken. Endlich übersetzte es ein sozialistischer Lectürer (für diesen agitatorischen Kunstausdruck gibt es kein deutsches Wort) - also ein Mann in einer der unfashionabelsten Lebensstellungen von der Welt-ein unbedeutender sozialistischer Buchdrucker druckte es in Heften, jedes zu
einem Penny, und die Arbeiter von Manchester, Birmingham und London bildeten das einzige Publikum für Strauß in England. Wenn übrigens von den beiden Parteien, in die sich der gebildete Teil der Engländer spaltet, eine einen Vorzug verdient, so sind dies die Tories. Der Whig ist bei der sozialen Lage Englands zu sehr selbst Partei, um ein Urteil haben zu können; die Industrie, dieses Zentrum der englischen Gesellschaft, ist in seinen Händen und bereichert ihn; er findet sie tadellos und hält ihre Ausdehnung für den einzigen Zweck aller Gesetzgebung, denn sie hat ihm seinen Reichtum und seine Macht gegeben. Der Tory dagegen, dessen Macht und Alleinherrschaft durch die Industrie gebrochen worden ist, dessen Prinzipien durch sie erschüttert worden sind, haßt sie und sieht in ihr höchstens ein nötwendiges Übel. Daher bildete sich jene Sektion philanthropischer Tories, deren Hauptführer Lord Ashley1, Ferrand, Walter, Oastier etc. sind, und die sich die Vertretung der Fabrikarbeiter gegen die Fabrikanten zur Pflicht gemacht haben.1220-1 Auch Thomas Carlyle ist ursprünglich ein Tory und steht dieser Partei noch immer näher als den Whigs. Soviel ist gewiß, ein Whig hätte nie ein Buch schreiben können, das halb so menschlich wäre wie ,J?ast and Present". Thomas Carlyle ist in Deutschland durch seine Bemühungen, den Engländern die deutsche Literatur zugänglich zu machen, bekannt geworden. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich hauptsächlich mit der sozialen Lage Englands - er der einzige der Gebildeten seines Landes, der das tut! und schrieb schon 1838 ein kleineres Werk: „Chartism". Damals waren die Whigs im Ministerium und proklamierten mit vielem Pomp, daß das gegen 1835 entstandene „Gespenst" des Chartismus vernichtet sei. Der Chartismus war die natürliche Fortsetzung des altenRadikalismus, der durch dieReformbill1198-1 für einige Jahre beschwichtigt und seit 1835/36 mit neuer Kraft und in geschlossenem Massen als je vorher wieder aufgetreten war. Diesen Chartismus glaubten die Whigs unterdrückt zu haben, und Thomas Carlyle nahm davon Veranlassung, die wirklichen Ursachen des Chartismus und die Unmöglichkeit, ihn zu vertilgen, ehe diese Ursachen vertilgt seien, zu entwickeln. Der Standpunkt dieses Buchs ist zwar im ganzen derselbe wie in „Past and Present", aber mit etwas stärkerer toryistischer Färbung, die indes vielleicht bloß in dem Umstand begründet ist, daß die Whigs als herrschendePartei der Kritik am nächsten lagen. Jedenfalls enthält „Past and Present" alles, was in dem kleineren Buche steht, klarer, entwickelter und mit ausdrücklicher Bezeichnung der Konsequenzen, und überhebt uns also der Kritik des Chartismus.
1 Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury
,JPast and Present" ist eine Parallele zwischen dem England des zwölften und dem des neunzehnten Jahrhunderts und besteht aus vier Abteilungen, überschrieben: „Proömium"; „Der Mönch der Vorzeit"; „Der Arbeiter der Neuzeit"; „Horoskop". - Gehen wir der Reihe nach durch diese Abteilungen; ich kann der Versuchung, die schönsten der oft wunderbar schönen Stellen des Buchs zu übersetzen, nicht widerstehen. - Die Kritik wird schon für sich selbst sorgen.
Das erste Kapitel des Proömiums heißt: „Midas".
„Die Lage Englands — gilt mit Recht für eine der drohendsten und überhaupt fremdartigsten, die je in der Welt gesehen wurden. England ist voller Reichtum aller Art, und doch stirbt England vor Hunger. Mit ewig gleicher Fülle grünt und blüht der Boden Englands, wogend mit goldenen Ernten, dicht besetzt mit Werkstätten, mit Handwerkszeug aller Art, mit fünfzehn Millionen Arbeitern, die die stärksten, klügsten und willigsten sein sollen, die unsere Erde je besaß; diese Männer sind hier; die Arbeit, die sie getan, die Frucht, die sie geschaffen haben, ist hier im Überfluß, überall in üppigster Fülle - und siehe, welch unselig Gebot, wie eines Zauberers, ist ausgegangen und sagt: ,Rührt es nicht an, ihr Arbeiter, ihr arbeitenden Herren, ihr müßigen Herren; euer keiner soll es anrühren, euer keiner soll es genießen - dies ist bezauberte Frucht!"* Auf die Arbeiter fällt dies Gebot zuerst. 1842 zählte England und Wales 1430000 Paupers, von denen 222000 in Arbeitshäusern - ArmengesetzBastillen nennt sie das Volk - eingesperrt sitzen. - Dank der Humanität der Whigs! - Schottland hat kein Armengesetz, aber Arme in Masse. - Irland, beiläufig, kann sich der ungeheuren Zahl von 2300000 Paupers rühmen.
„Vor den Assisen zu Stockport (Cheshire) wurden eine Mutter und ein Vater angeklagt und schuldig befunden der Vergiftung dreier ihrer Kinder, um dadurch einen Begräbnisklub um drei Pfund acht Schillinge, zahlbar beim Tode jedes Kindes, zu betrügen, und die amtlichen Autoritäten, sagt man, deuten an, daß der Fall nicht der einzige ist, daß es vielleicht besser sei, dies nicht genauer zu untersuchen. — Solche Beispiele sind gleich dem höchsten Berggipfel, der am Horizont emportaucht drunter liegt eine ganze Beiggegend und noch nicht aufgetauchtes Land. - Eine menschliche Mutter, ein menschlicher Vater sagen untereinander: Was sollen wir tun, um dem Hungertode zu entgehen? Wir sind tief gesunken, hier in unserm dunkeln Keller, und Hülfe ist fern. - O, in Ugolinos Hungerturm geschehen ernste Dinge, der vielgeliebte kleine Gaddo ist tot hingefallen an des Vaters Knieen! - Die Stockporter Eltern denken und sagen: Unser armer kleiner hungriger Tom, der den ganzen Tag nach Brot schreit, der nur Übles und nichts Gutes in dieser Welt sehen wird wenn er mit einem Male aus der Not käme - und wir andern vielleicht erhalten würden? Es ist gedacht, gesagt, zuletzt getan. Und nun Tom tot ist und alles ausgegeben und verzehrt, kommt jetzt der arme kleine hungrige Jack an die Reihe, oder der arme
kleine hungrige Will? - 0 was für eine Überlegung der Wege und Mittel, das! - In belagerten Städten, in dem äußersten Ruin des unter dem Zorn Gottes gefallnen Jerusalems, war geweissagt worden: Die Hände der elenden Weiber haben ihre eigenen Kinder sich zur Speise bereitet. Die düstre Phantasie des Hebräers konnte keinen schwärzern Schlund des Elends sich vorstellen, das war das letzte des entwürdigten, gottverfluchten Menschen - und wir hier, im modernen England, in der Fülle des Reichtums - kommen wir dahin? Wie geht das zu? Woher kommt das, weshalb muß dem so sein?" Dies geschah 1841. Ich mag hinzufügen, daß vor fünf Monaten in Liverpool Betty Eules aus Bolton gehangen wurde, die drei eigene und zwei Stiefkinder aus derselben Veranlassung vergiftet hatte. Soviel für die Armen. Wie sieht's mit den Reichen aus? „Diese erfolgreiche Industrie mit ihrem strotzenden Reichtum hat bis jetzt noch niemand reich gemacht, es ist behexter Reichtum und gehört niemandem. Wir können Tausende ausgeben, wo wir sonst Hunderte anlegten - aber wir können nichts Brauchbares dafür kaufen. - Mancher ißt feinere Leckereien, trinkt teurere Weine -, aber was für ein größerer Segen ist da? Sind sie schöner, besser, stärker, braver? Sind sie nur, was sie .glücklicher' nennen?" Der arbeitende Herr ist nicht glücklicher, der faulenzende Herr, d. h. der adlige Grundbesitzer, ist nicht glücklicher „für wen denn ist dieser Reichtum, Englands Reichtum? Wen segnet er, wen macht er glücklicher, schöner, weiser, besser? Bis jetzt niemand. Unsre erfolgreiche Industrie hat bis jetzt keinen Erfolg; in der Mitte üppiger Fülle verhungert das Volk; zwischen goldenen Mauern und vollen Scheunen fühlt sich keiner sicher und zufrieden. - Midas schmachtete nach Gold und beschimpfte den Olymp. Er bekam Gold, so daß alles, was er berührte, Gold wurde - und das half ihm mit seinen langen Ohren wenig. Midas hatte die himmlische Musik mißbeurteilt. Midas hatte Apollon und die Götter beschimpft, und die Götter bewilligten ihm seinen Wunsch und ein Paar lange Ohren dazu1226-1, auch ein gutes Anhängsel - welch eine Wahrheit in diesen alten Fabeln!" „Wie wahr", fährt er im zweiten Kapitel fort, „ist die andre alte Fabel von der Sphinx: Die Natur ist die Sphinx, eine Göttin, aber noch nicht ganz befreit, noch halb in der Tierheit, der Geistlosigkeit steckend - Ordnung, Weisheit auf der einen Seite, aber auch Dunkelheit, Wildheit, Schicksalsnotwendigkeit." Die Sphinx-Natur - deutscher Mystizismus, sagen die Engländer, wenn sie dies Kapitel lesen - hat für jeden Menschen und jede Zeit eine Frage glücklich der, der sie richtig beantwortet; wer sie nicht oder falsch beantwortet, fällt dem tierisch-wilden Teil der Sphinx anheim, statt der schönen Braut findet er eine reißende Löwin. Und so ist es mit Nationen auch: Könnt ihr das Rätsel des Schicksals lösen? Und alle unglücklichen Völker wie alle
unglücklichen Individuen haben die Frage falsch beantwortet, den Schein für die Wahrheit genommen, die ewigen inneren Tatsachen des Universums für die äußerlichen vergänglichen Erscheinungsformen fahrenlassen, und das hat England auch getan. England ist, wie er sich später ausdrückt, dem Atheismus anheimgefallen, und seine jetzige Lage ist die notwendige Folge davon. Wir werden später davon zu sprechen haben, einstweilen ist bloß zu bemerken, daß Carlyle das Gleichnis der Sphinx, wenn es in dem obigen pantheistisch-altschellingschen Sinn zugelassen werden soll, noch etwas weiter hätte ausführen können - die Lösung des Rätsels ist heute, wie in der Sage, der Mensch, und zwar die Lösung im allerweitesteri Sinne. Auch das wird seine Erledigung finden. Das nächste Kapitel gibt uns die folgende Schilderung der ManchesterInsurrektion vom August 1842:
„Eine Million hungriger Arbeiter standen auf, kamen alle heraus auf die Straße und - standen da. Was sonst sollten sie tun? Ihre Unbilden und Klagen waren bitter, unerträglich, ihre Wut dagegen war gerecht; aber wer verursacht diese Klagen, wer will abhelfen? Unsre Feinde sind, wir wissen nicht wer oder was; unsre Freunde sind, wir wissen nicht, wo? Wie sollen wir jemand angreifen, jemand erschießen oder uns von jemand erschießen lassen? O, wenn dieser verfluchte Nachtalp, der unsichtbar unser und der Unsrigen Leben auspreßt, nur eine Gestalt annehmen, uns als syrkanischer Tiger, alsBehemoth des Chaos, als der Erzfeind selbst entgegentreten wollte! in irgendeiner Gestalt, die wir sehen, an der wir ihn fassen könnten!
Das war aber eben das Unglück der Arbeiter in der Sommerinsurrektion von 1842, daß sie nicht wußten, gegen wen sie kämpfen sollten. Ihr Übel war ein soziales — und soziale Übel lassen sich nicht abschaffen, wie man das Königtum oder die Privilegien abschafft. Soziale Übel lassen sich nicht durch Volkscharten kurieren, und das fühlte das Volk - sonst wäre die Volkscharte1-192-1 heute das Grundgesetz von England. Soziale Übel wollen studiert und erkannt sein, und das hat die Masse der Arbeiter bis jetzt noch nicht getan. Die große Frucht des Aufstandes war, daß die Lebensfrage Englands, die Frage nach dem definitiven Los der arbeitenden Klasse, wie Carlyle sagt, auf eine für jedes denkende Ohr in England hörbare Weise gestellt wurde. Die Frage kann jetzt nicht mehr umgangen werden, England muß sie beantworten oder untergehen. Übergehen wir die Schlußkapitel dieses Abschnitts, übergehen wir einstweilen auch den ganzen folgenden, und nehmen wir gleich den dritten Abschnitt, der von dem „Arbeiter der Neuzeit" handelt, um die Schilderung der Lage Englands, wie sie im Proömium angefangen wurde, ganz beisammen zu haben.
Wir haben, fährt Carlyle fort, die Religiosität des Mittelalters weggeworfen und nichts dafür bekommen: wir haben
„Gott vergessen, wir haben unsre Augen verschlossen für die ewige Wesenheit der Dinge und sie nur offengehalten für den betrügerischen Schein der Dinge; wir beruhigen uns dabei, daß dies Universum innerlich ein großes unbegreifliches Vielleicht ist und äußerlich augenscheinlich ein großer Viehstand und ein Arbeitshaus mit bedeutenden Küchengebäuden und Eßtischen, wo, wer weise ist, einen Platz findet; alle Wahrheit dieses Universums ist ungewiß, nur der Gewinn und Verlust, nur das Magenfutter und der Beifall sind und bleiben dem praktischen Menschen einleuchtend. - Kein Gott existiert mehr für uns; Gottes Gesetze sind ein .Prinzip der größtmöglichen Glückseligkeit', ein Parlamentskniff geworden; der Himmel ist eine astronomische Uhr, ein Jagdterrain für Herschelsche Teleskope geworden, wo man auf wissenschaftliche Resultate und Sentimentalitäten jagt; in unsrer und des alten Ben Jonsons Sprache: der Mensch hat seine Seele verloren und fängt jetzt an, ihren Mangel zu merken. Das ist in Wahrheit der wunde Fleck, das Zentrum des allgemeinen sozialen Krebsgeschwürs. - Es gibt keine Religion, es gibt keinen Gott, der Mensch hat seine Seele verloren und sucht umsonst nach einem Salz gegen die Verfaulung. Umsonst - in der Hinrichtung von Königen, in französischen Revolutionen, in Reformbills, in Manchester-Insurrektionen, in aHedem ist kein Heilmittel. Der faule Aussatz, für eine Stunde erleichtert, kommt in der nächsten stärker und verzweifelter wieder." Da aber die Stelle der alten Religion nicht ganz unbesetzt bleiben konnte, so haben wir ein neues Evangelium an ihrer Statt bekommen, ein Evangelium, das der Hohlheit und Inhaltslosigkeit des Zeitalters entspricht - das Evangelium des Mammon. Der christliche Himmel und die christliche Hölle sind, jener als zweifelhaft, diese als unsinnig aufgegeben - und ihr habt eine neue Hölle bekommen; die Hölle des modernen Englands ist das Bewußtsein, „nicht voranzukommen, kein Geld zu verdienen!"
„Wahrlich, mit unserm Mammonsevangelium sind wir zu sonderbaren Folgerungen gekommen! Wir nennen es Gesellschaft, und doch richten wir überall die totalste Trennung und Isolierung ein. Unser Leben ist nicht gegenseitige Unterstützung, sondern gegenseitige Feindseligkeit, unter gewissen Kriegsgesetzen .vernünftige Konkurrenz' und so weiter. Wir haben durchaus vergessen, daß bare Zahlung nicht das einzige Band zwischen Mensch und Mensch ist. .Meine hungernden Arbeiter?" sagt der reiche Fabrikant. ,Hab ich sie nicht, wie recht und billig, im Markt gemietet? Hab ich ihnen nicht meine vertragsmäßige Schuldigkeit bei Heller und Pfennig bezahlt? Was hab ich sonst noch mit ihnen zu schaffen?' Wahrlich, Mammonskultus ist ein trauriger Glaube!" „Eine arme irische Witwe in Edinburgh bat um Hülfe einer wohltätigen Anstalt für sich und ihre drei Kinder. An allen Anstalten wurde sie abgewiesen; Kraft und Mut versagten ihr; sie sank nieder im Typhusfieber, starb und infizierte ihre ganze Gasse
mit der Krankheit, so daß siebenzehn andere infolgedessen starben. Der menschliche Arzt, der diese Geschichte erzählt - Dr. W. P. Alison -, fragt dabei: Würde es nicht ökonomischer gewesen sein, dieser Frau zu helfen? Sie bekam das Fieber und tötete eurer siebenzehn! - Sehr sonderbar. Die verlassene irische Witwe wendet sich an ihre Mitgeschöpfe: .Seht, ich komme hülflos um, ihr müßt mir helfen, ich bin eure Schwester; Bein von eurem Bein, ein Gott schuf uns!' Sie aber antworten: ,Nein, unmöglich: du bist unsere Schwester nicht*. Aber sie beweist ihre Schwesterschaft; ihr Fieber tötet sie; sie waren ihre Brüder, obwohl sie es leugneten. Wann mußte man diesen Beweis noch niedriger suchen?" Carlyle, beiläufig gesagt, ist hier im Irrtum, ebenso wie Alison. Die Reichen haben kein Mitleiden, kein Interesse für den Tod der „Siebenzehn". Ist es nicht ein öffentliches Glück, daß die „überzählige Bevölkerung" um siebenzehn vermindert wird? Wenn es nur ein paar Millionen wären anstatt lumpiger „siebenzehn", so wäre das um soviel besser. - Das ist das Räsonnement der englischen reichen Malthusianer. Und dann das andre, noch schlimmere Evangelium des Dilettantismus, das eine Regierung geschaffen hat, die nichts tut, das den Menschen allen Ernst genommen hat und sie treibt, das scheinen zu wollen, was sie nie ht sind das Streben nach „Glückseligkeit", d.h. nach gutem Essen und Trinken, das die krasse Materie auf den Thron erhoben und allen geistigen Inhalt zerstört hat; was soll bei allem dem herauskommen?
„Und was sollen wir sagen zu einer Regierung wie die unsrige, die ihren Arbeitern eine Anklage der .Überproduktion' entgegenhält? Überproduktion, ist das nicht der Punkt? Ihr verschiedenen fabrizierenden Individuen, ihr habt zuviel produziert! Unsere Anklage ist, daß ihr mehr als zweihunderttausend Hemden für die Blöße der Menschheit gemacht habt. Auch die Beinkleider, die ihr verfertigtet von Baumwollensammet, Kaschmir, schottisch Plaid, von Nanking und wollen Tuch, sind sie nicht mannigfaltig? Hüte und Schuhe, Stühle zum Sitzen und Löffel zum Essen ja, und goldene Uhren produziert ihr, Juwelensachen, silberne Gabeln, Kommoden, Chiffonnieren und gepolsterte Sofas - o Himmel, alle Commercial Bazars und Howel and James's können eure Produkte nicht bergen; ihr habt produziert, produziert, produziert — wer euch anklagen will, möge nur um sich sehen; Millionen Hemden und leere Beinkleider hangen da zum Zeugnis wider euch. Wir klagen euch der Überproduktion an; ihr seid schuldig des schweren Verbrechens, Hemden, Hosen, Hüte und Schuhe und so weiter in schaudererregendem Überfluß produziert zu haben. Und jetzt ist eine Stockung infolgedessen, und eure Arbeiter müssen verhunii gern. „My Lords und Gentlemen, wes klagen Sie jene armen Arbeiter an? Sie, My Lords und Gentlemen, waren ernannt, dafür zu sorgen, daß keine Stockungen einträten; Sie hatten darauf zu sehen, daß die Verteilung des Lohns für die getane Arbeit ordentlich vor sich gehe, daß kein Arbeiter ohne seinen Lohn, sei es in Geldmünzen, sei es in
hänfnen Galgenstricken, bliebe; das war Ihr Amt von undenklicher Zeit her. Diese armen Spinner haben viel vergessen, was nach dem innern ungeschriebenen Gesetz ihrer Stellung sie hätten bedenken sollen - aber welch geschrieben Gesetz ihrer Stellung haben sie vergessen? Sie waren angestellt, Hemden zu machen. Die Gemeinde befahl ihnen: macht Hemden - und hier sind die Hemden. Zuviel Hemden? Wahrlich, das ist neu auf dieser verrückten Welt mit ihren neunhundert Millionen nackter Leiber! Aber, My Lords und Gentlemen, Ihnen befahl die Gemeinde: seht zu, daß diese Hemden wohl verteilt werden - und wo ist die Verteilung? Zwei Millionen hemdloser oder schlechtbehemdeter Arbeiter sitzen in Armengesetz-Bastillen, fünf Millionen andere in Ugolinoschen Hungerkellern; und dem abzuhelfen, sagen Sie: steigert unsre Renten! Sie sagen triumphierend: Ihr wollt Anklagen zusammenflicken, ihr wollt uns Überproduktion vorwerfen? Wir nehmen Himmel und Erde zu Zeugen, daß wir gar nichts produziert haben. In den weiten Reichen der Schöpfung ist kein Hemd, das wir gemacht hätten. Wir sind unschuldig an der Produktion; im Gegenteil, ihr Undankbaren, was für Berge von Dingen haben wir nicht zu .konsumieren' gehabt! Sind diese Berge nicht verschwunden vor uns, als ob wir Straußenmägen hätten und eine Art göttlicher Fähigkeit des Verzehrens? Ihr Undankbaren; seid ihr nicht gewachsen unter dem Schatten unsrer Flügel? Eure schmutzigen Fabriken, stehen sie nicht auf unserm Grund und Boden? Und wir sollen euch unser Korn nicht zu dem Preise verkaufen können, der uns gefällt? Was, denkt ihr, würde aus euch werden, wenn wir, die Besitzer des Bodens von England, beschlössen, gar kein Korn mehr wachsen zu lassen?"
Diese Anschauungsweise der Aristokratie, diese barbarische Frage: Was würde aus euch werden, wenn wir nicht so gnädig wären, Kom wachsen zu lassen, hat die „wahnsinnigen und erbärmlichen Korngesetze" produziert; die Korngesetze, die so wahnsinnig sind, daß man gar keine Argumente gegen sie vorbringen kann als solche, „die einen Engel im Himmel und auch einen Esel auf Erden zum Weinen bringen müssen". Die Korngesetze beweisen, daß die Aristokratie noch nicht gelernt hat, kein Unheil anzurichten, still zu sitzen, gar nichts zu tun, geschweige denn, etwas Gutes zu tun, und doch wäre dies nach Carlyle ihre Pflicht;
„sie ist durch ihre Stellung verpflichtet, England zu leiten und zu regieren, und jeder Arbeiter im Arbeitshause hat das Recht, sie vor allem andern zu fragen: Warum bin ich hier? Seine Frage wird gehört im Himmel und wird sich auch hörbar machen auf Erden, wenn sie nicht beachtet wird. Seine Anklage ist gegen Sie, My Lords und Gentlemen; Sie stehen in der ersten Reihe der Angeklagten, Sie, kraft der Stellung, die Sie einnehmen, haben ihm zuerst zu antworten! - Das Schicksal der faulenzenden Aristokratie, wie ihr Horoskop in Korngesetzen usw. zu lesen ist, ist ein Abgrund, der einen mit Verzweiflung füllt! Ja meine rosigen fuchsjagenden Brüder, durch eure frischen, schmucken Gesichter, durch eure Korngesetz-Majoritäten,sliding-scales1106^, Schutzzölle, Bestechungswahlen und kentische Triumphfeuer entdeckt ein denkendes
Auge schauerliche Bilder des Sturzes, zu schauerlich für Worte, eine Mene Mene Handschrift - guter Gott, erklärte nicht eine französische nichtstuende Aristokratie, kaum ein halb Jahrhundert verfloß seitdem, ebenso: Wir können nicht existieren, nicht fortfahren, uns standesmäßig zu kleiden und zu paradieren; der Grundzins unserer Besitzungen reicht nicht aus, wir müssen mehr haben als das, wir müssen von Steuern eximiert sein und ein Korngesetz haben, um unsern Grundzins zu steigern. Das war 1789, vier Jahre weiter - habt ihr von der Gerberei zu Meudon gehört, wo die Nackten sich Hosen von Menschenhaut machten? Möge der barmherzige Himmel das Omen abwenden; mögen wir weiser sein, damit wir weniger elend werden!"
Und die arbeitende Aristokratie verfängt sich in den Vogelnetzen der faulenzenden Aristokratie und kommt mit ihrem „Mammonismus" zuletzt auch in eine schlimme Lage; 1
„die Leute auf dem Kontinent, scheint es, exportieren unsre Maschinerie, spinnen Baumwolle und fabrizieren für sich selbst, treiben uns aus diesem Markt und dann aus dem. Traurige Nachrichten, aber lange noch nicht die traurigsten. Das Traurigste ist, daß wir unsre nationale Existenz, wie ich habe sagen hören, abhängig sehen sollten von unsrer Fähigkeit, Baumwollenstoffe einen Heller die Elle wohlfeiler zu verkaufen als alle anderen Völker. Ein sehr schmaler Stand für eine große Nation, das! Ein Stand, den wir, wie mir scheint, trotz aller möglichen Korngesetzabschaffungen auf die Dauer nicht werden erhalten können. - Keine große Nation kann auf einer solchen Pyramidenspitze stehen, sich höher und höher schraubend, auf der großen Zehe balancierend. Kurz, dies Mammonsevangelium mit seiner Hölle des Nichtsverdienens, Nachfrage und Zufuhr, Konkurrenz, Handelsfreiheit, ,/aissez /aireC2a7:l und der Teufel hol' das Übrige', fängt allmählich an, das erbärmlichste Evangelium zu werden, das je auf der Erde gepredigt wurde. - Ja, wenn die Korngesetze1-163-1 morgen aufgehoben wären, sö ist damit noch nichts am Ende, es ist bloß Raum gemacht, um Dinge aller Art anzufangen. Die Korngesetze fort, den Handel frei gemacht, so ist es gewiß, daß die jetzige Lähmung der Industrie verschwinden wird. Wir werden wieder eine Periode der Handelsunternehmungen, des Sieges und der Blüte haben, das würgende Band der Hungersnot um unsern Nacken wird loser werden, wir werden Raum zum Atmen und Zeit zum Besinnen und Bereuen haben - eine dreimal kostbare Zeit, um, wie für unser Leben, für die Reform urisrer bösen Wege zu kämpfen, unser Volk zu erleichtern, zu unterrichten, zu regeln; ihm etwas geistige Nahrung, etwas wirkliche Leitung und Regierung zuzuwenden - es wird eine unbezahlbare Zeit sein! Denn unsre neue Periode der Blüte wird und muß auf die alte Methode von .Konkurrenz und der Teufel hol' das Übrige' zuletzt sich doch wieder nur als ein Paroxysmus erweisen, und wahrscheinlich als unser letzter. Denn verdoppelt sich in zwanzig Jahren unsre Industrie, so ist auch unsre Bevölkerung in zwanzig Jahren verdoppelt; wir werden so weit sein wie wir waren, nur unser doppelt so viele, und doppelt, ja zehnmal so unbändig. - Wehe, in was für Gegenden sind wir auf dieser unsrer Wanderung durch die Weite der Zeiten geraten,
wo die Menschen umherwandeln wie galvanisierte Leichen, mit gedankenlosen, stieren Augen, ohne Seele, nur mit einer liebermäßigen Industriefähigkeit und einem Magen zur Verdauung! Die abgemagerte Verzweiflung der Baumwollfabriken, Kohlenbergwerke und Chandosschen Ackerbautaglöhner in diesen Tagen ist schmerzlich anzuschauen, aber lange nicht so schmerzlich dem Denkenden als diese brutale, gottvergessene Gewinn- und Verlustphilosophie und Lebensweisheit, die wir überall ausschreien hören in Senatssitzungen, Disputierklubs, leitenden Artikeln, von Kanzeln und Rednerbühnen herab als das Ultimatevangelium und ehrliche Englisch des menschlichen Lebens!" „Ich habe die Kühnheit, zu glauben, daß zu keiner Zeit, seit den Anfängen der Gesellschaft, das Los der stummen, abgearbeiteten Millionen so durchaus unerträglich gewesen ist wie jetzt. Nicht der Tod, oder selbst der Hungertod, macht den Menschen elend; wir alle müssen sterben, unser aller letzter Ausgang ist in einem Feuerwagen des Schmerzes; aber elend zu sein und nicht zu wissen warum, sich siech zu arbeiten für nichts und wieder nichts, abgearbeiteten und müden Herzens, und doch isoliert, verwaist zu sein, eingegürtet von einem kalten, universellen laissez faire, langsam zu sterben all unser Leben lang, eingemauert in eine taube, tote, unendliche Ungerechtigkeit wie in den verfluchten Bauch eines Phalarisstiers - das ist und bleibt für ewig unerträglich für alle gottgeschaffenen Menschen. Und wir wundern uns über eine französische Revolution, eine .große Woche', einen englischen Chartismus? Die Zeiten, wenn wir's recht bedenken, sind wahrlich beispiellos."
Wenn in solchen beispiellosen Zeiten die Aristokratie sich zur Lenkung des allgemeinen Wesens unfähig erweist, so ist es eine Notwendigkeit, sie auszustoßen. Daher die Demokratie,
„Zu welcher Ausdehnung die Demokratie jetzt schon gelangt ist, wie sie mit ominöser, stets wachsender Eile voranschreitet, kann jeder sehen, der seine Augen für irgendein Gebiet der menschlichen Verhältnisse öffnen will. Von dem Donner napoleonischer Schlachten bis zum Geplärre um eine offene Gemeindeversammlung in St. Mary Axe verkündigt alles Demokratie."
Aber was ist Demokratie am Ende?
„Nichts als der Mangel an Herren, die euch regieren könnten, und die Ergebung in diesen unvermeidlichen Mangel, der Versuch, ohne sie fertig zu werden. - Niemand unterdrückt dich, du freier und unabhängiger Wähler, aber unterdrückt dich nicht dieser stupide Portertopf? Kein Adamssohn befiehlt dir zu kommen oder zu gehen aber dieser absurde Topf, schweres Naß (heavy~wet), der kann und tut es! Du bist der Leibeigne nicht Cerdiks des Sachsen, aber deiner eignen tierischen Lüste, und du sprichst von Freiheit? Du totaler Dummkopf! — Die Vorstellung, daß jemandes Freiheit darin besteht, seine Stimme bei der Wahl zu geben und zu sagen: Siehe, ich auch habe jetzt mein Zwanzigtausendstel eines Sprechers in unserer Nationalschwatzanstalt, werden mir nicht alle Götter günstig sein? - Diese Vorstellung ist eine der
spaßhaftesten in der Welt. Vollends die Freiheit, die dadurch erkauft wird, daß ihr euch gegenseitig isoliert, nichts miteinander zu tun habt außer durch bar Geld und Hauptbücher, diese Freiheit wird zuletzt sich als die Freiheit des Verhungerns für die arbeitenden Millionen zeigen, als die Freiheit des Verfaulens für die faulen, nichtstuenden Tausende und Einheiten. Brüder, nach Jahrhunderten konstitutioneller Regierung wissen wir noch wenig, was Freiheit ist und was Sklaverei ist. Aber die Demokratie wird ihren freien Lauf haben, die arbeitenden Millionen, in ihrem Lebensbedürfnis, in ihrem instinktmäßigen leidenschaftlichen Verlangen nach Leitung, werden die falsche Leitung wegwerfen und für einen Augenblick hoffen, daß Nichtleitung ihnen genügen wird; aber nur für einen Augenblick. Die Unterdrückung durch eure falschen Oberen mögt ihr wegwerfen; ich tadle euch nicht, ich bedaure und ermahne euch bloß; aber das getan und das große Problem bleibt noch ungelöst; das Problem, Leitung durch eure wahren Oberen zu finden." „,Die Leitung, wie sie jetzt besteht, ist freilich erbärmlich genug. Bei dem neulichen Bestechungskomitee des Parlaments schien es die Meinung der gesundesten praktischen Köpfe zu sein, daß Bestechung nicht zu vermeiden sei und daß wir gut oder übel ohne reine Wahlen uns durchzuschlagen suchen müßten. — Ein Parlament, das sich als gewählt und wählbar durch Bestechung proklamiert, was für Gesetzgebung kann davon kommen! Bestechung bedeutet nicht nur Käuflichkeit, sondern Unehrlichkeit, unverschämte Betrügerei; eherne Gefühllosigkeit gegen Lüge und Anstiftung von Lügen. Seid doch ehrlich, eröffnet im Downing-Street ein Wahlbüro mit einem Städtetarif: soviel Bevölkerung bezahlt soviel Einkommensteuer, Wert der Häuser soviel, wählt zwei Abgeordnete, wählt einen Abgeordneten, zu haben für soviel bar Geld; Ipswich soviel tausend Pfund, Nottingham soviel da habt ihrs doch hübsch ehrlich durch Kauf, ohne die Unehrlichkeit, ohne die Schamlosigkeit, ohne die Lüge! — Unser Parlament erklärt sich für gewählt und wählbar durch Bestechung. Was soll aus einem solchen Parlament werden? Wo nicht Belial und Beelzebub dies Weltall regieren, so bereitet sich solch ein Parlament für neue Reformbills. Wir wollen lieber den Chartismus oder jedes andere System versuchen, als damit zufrieden sein! Ein Parlament, das mit einer Lüge auf der Zunge beginnt, wird sich selbst auf die Seite schaffen müssen. Täglich und stündlich rückt irgendein Chartist, irgendein bewaffneter Cromwell heran, um solch einem Parlament anzuzeigen: ,Ihr seid kein Parlament. Im Namen des Allerhöchsten - packt euch!'"
Das ist die Lage Englands nach'Carlyle. Eine faulenzende, grundbesitzende Aristokratie, die „noch nicht einmal gelernt hat, still zu sitzen und wenigstens kein Unheil anzustiften", eine arbeitende Aristokratie, die im Mammonismus versunken ist, die, wo sie eine Versammlung von Leitern der Arbeit, von „Industriefeldherren" sein sollte, nur ein Haufe von industriellen Bucaniers und Piraten ist, ein durch Bestechung gewähltes Parlament, eine Lebensphilosophie des bloßen Zusehens, des Nichtstuns, des laissez faire, eine ausgeschlissene bröcklige Religion, eine totale Auflösung aller allgemein mensch
liehen Interessen, eine universelle Verzweiflung an der Wahrheit und der Menschheit und infolgedessen eine universelle Isolierung der Menschen auf ihre „rohe Einzelnheit", eine chaotische, wüste Verwirrung aller Lebensverhältnisse, ein Krieg aller gegen alle, ein allgemeiner geistiger Tod, Mangel an „Seele", d.h. an wahrhaft menschlichem Bewußtsein: eine unverhältnismäßig starke arbeitende Klasse, in unerträglichem Druck und Elend, in wilder Unzufriedenheit und Rebellion gegen die alte soziale Ordnung, und daher eine drohende, unaufhaltsam voranrückende Demokratie - überall Chaos, Unordnung, Anarchie, Auflösung der alten Bande der Gesellschaft, überall geistige Leere, Gedankenlosigkeit und Erschlaffung. - Das ist die Lage Englands. Soweit werden wir, wenn wir einige Ausdrücke, die durch Carlyles partikularen Standpunkt hereingekommen sind, abrechnen - ihm vollkommen recht geben müssen. Er, der einzige der „respektabeln" Klasse, hat seine Augen wenigstens für die Tatsachen offengehalten, er hat wenigstens die unmittelbare Gegenwart richtig aufgefaßt, und das ist wahrlich für einen „gebildeten" Engländer unendlich viel. Wie sieht es mit der Zukunft aus? So wie jetzt bleibt es nicht und kann es nicht bleiben. Wir haben gesehen, Carlyle hat, wie er selbst gesteht, keine „Morrisonspille", kein Universalmittel für die Heilung der sozialen Übel. Auch darin hat er recht. Alle Sozialphilosophie, solange sie noch ein paar Sätze als ihr Endresultat aufstellt, solange sie noch Morrisonspillen eingibt, ist noch sehr unvollkommen; es sind nicht die nackten Resultate, die wir so sehr bedürfen, als vielmehr das Studium; die Resultate sind nichts ohne die Entwicklung, die zu ihnen geführt hat, das wissen wir schon seit Hegel, und die Resultate sind schlimmer als nutzlos, wenn sie für sich fixiert, wenn sie nicht wieder zu Prämissen für die fernere Entwicklung gemacht werden. Aber die Resultate müssen auch temporär eine bestimmte Form annehmen, müssen durch die Entwicklung aus der vagen Unbestimmtheit zu klaren Gedanken sich gestalten und können dann allerdings bei einer so rein empirischen Nation, wie die Engländer sind, die „Morrisonspillen"-Form nicht vermeiden. Carlyle selbst, obwohl er viel Deutsches in sich aufgenommen hat und der krassen Empirie ziemlich fern steht, würde wahrscheinlich einige Pillen bei der Hand haben, wenn er weniger unbestimmt und unklar über die Zukunft wäre. Einstweilen erklärt er, daß alles unnütz und fruchtlos sei, solange die Menschheit im Atheismus beharre, solange sie ihre „Seele" sich noch nicht wieder verschafft habe. Nicht daß der alte Katholizismus in seiner Energie und Lebenskraft wiederherzustellen oder nur die jetzige Religion aufrechtzuerhalten sei - er weiß sehr wohl, daß Rituale, Dogmen, Litaneien und Sinai
donner nicht helfen können, daß aller Sinaidonner die Wahrheit nicht wahrer und keinem vernünftigen Menschen bange macht, daß man über die Religion der Furcht längst hinaus ist, aber die Religion selbst muß wiederhergestellt werden, wir sehen selbst, wohin uns „zwei Jahrhunderte atheistischer Regierung" - seit der „gesegneten" Restauration Karls II. - gebracht haben, und wir werden auch allmählich einsehen müssen, daß dieser Atheismus anfängt, ausgetragen und verschlissen zu werden. Wir haben aber gesehen, was Carlyle Atheismus nennt, nicht sowohl den Unglauben an einen persönlichen Gott, sondern den Unglauben an die innere Wesenhaftigkeit, an die Unendlichkeit des Universums, den Unglauben an die Vernunft, die Verzweiflung am Geist und an der Wahrheit; sein Kampf geht nicht gegen den Unglauben an die Offenbarung der Bibel, sondern gegen den „schrecklichsten Unglauben, den Unglauben an die Bibel der Weltgeschichte". Diese ist das ewige Gottesbuch, in dem jeder Mensch, solange ihm Seele und Augenlicht nicht erloschen sind, Gottes Finger schreibend sehen kann. Diese zu verspotten ist ein Unglaube, gleich keinem andern, ein Unglaube, den ihr bestrafen würdet, nicht mit Feuer und Scheiterhaufen, aber doch mit dem entschiedensten Befehl, zu schweigen, bis man etwas Besseres zu sagen habe. Weshalb sollte das glückliche Schweigen durch Getöse gebrochen werden, um nur solch Zeug auszuschreien? Wenn die Vergangenheit keine göttliche Vernunft in sich hat, sondern bloß teuflische Unvernunft, so vergeht sie auf ewig, sprecht nicht mehr von ihr; uns, deren Väter alle gehangen wurden, ziemt es schlecht, von Stricken zu schwatzen! „An die Geschichte aber kann das moderne England nicht glauben." Das Auge sieht von allen Dingen nur soviel, als es nach seiner ihm inhärenten Fähigkeit sehen kann. Ein gottloses Jahrhundert kann keine gotterfüllten Epochen begreifen. Es sieht in der Vergangenheit (dem Mittelalter) nur leere Zwietracht, die allgemeine Herrschaft der rohen Gewalt, es sieht nicht, daß am Ende Macht und Recht zusammenfallen, es sieht bloße Dummheit, wilde Unvernunft, eher für BedlamC238] als für eine menschliche Welt passend. Woraus denn natürlich folgt, daß dieselben Eigenschaften in unserer Zeit zu herrschen fortfahren sollten. Millionen festgebannt in Bastillen; irische Witwen, die ihre Menschheit durch Typhusfieber beweisen; es ist immer so gewesen oder schlimmer; was verlangt ihr anders? Was anders ist die Geschichte gewesen als die Aussaugung verstockter Dummheit durch erfolgreiche Quacksalberei? Kein Gott war in der Vergangenheit, nichts als Mechanismus und chaotisch-bestialische Götzen; wie soll der arme „philosophische Geschichtsschreiber", dem sein eigen Jahrhundert so ganz gottverlassen ist, „den Gott in der Vergangenheit sehen"?
Aber so ganz verlassen ist unsre Zeit doch nicht.
35 Marx/Engels, Werke, Bd, 1
„Ja, in unsrem armen zersplitterten Europa selbst, haben sich nicht in diesen neuesten Zeiten religiöse Stimmen erhoben, mit einer neuen, und zugleich der ältesten Religion, unbestreitbar den Herzen aller Menschen? Einige kenne ich, die sich nicht Propheten hießen oder glaubten, aber die in Wahrheit wieder einmal volltönende Stimmen waren aus dem ewigen Herzen der Natur, Seelen, ewig ehrwürdig allen, die eine Seele haben. Eine französische Revolution ist ein Phänomen; als Ergänzung und geistiger Exponent derselben ist mir ein Dichter Goethe und eine deutsche Literatur auch ein Phänomen. Wenn die alte weltliche oder praktische Welt in Feuer aufgegangen ist, ist dann nicht hier die Weissagung und das Morgenrot einer neuen geistigen Welt, der Mutter von weit edleren, weiteren, neuen, praktischen Welten? Ein Leben antiker Hingebung, antiker Wahrheit und antiken Heldensinns ist wieder möglich geworden, ist hier wirklich sichtbar für den modernsten Menschen, ein Phänomen, in aller seiner Ruhe keinem andern zu vergleichen! Da sind Anklänge einer neuen Sphärenmelodie, hörbar aufs neue durch all den unendlichen Jargon und die Dissonanzen des Dings, das man Literatur nennt." Goethe, der Prophet der „Religion der Zukunft", und ihr Kultus - die Arbeit. „Denn es liegt ein ewiger Adel, ja eine Heiligkeit in der Arbeit. Und wäre er noch so verfinstert, seines hohen Berufes vergessen, so ist doch immer noch Hoffnung da für einen Menschen, der wirklich und ernstlich arbeitet; in der Faulheit allein ist ewige Verzweiflung. Arbeit, noch so mammonisiert, noch so erniedrigt, bleibt doch eine Verbindung mit der Natur; der treibende Wunsch, seine Arbeit getan zu bekommen, wird mehr und mehr der Wahrheit und den Bestimmungen und den Gesetzen der Natur zuführen. — Eine unendliche Bedeutung liegt in der Arbeit; der Mensch vollendet sich durch sie. Faule Moräste werden weggeräumt; schöne Saatfelder erstehen an ihrer Stelle und prächtige Städte, und vor allem zuerst hört der Mensch selbst auf, ein fauler Morast und eine seuchenschwangere Wüste zu sein. Bedenkt, wie selbst in den niedrigsten Arten der Arbeit die ganze Seele des Menschen in eine gewisse Harmonie versetzt wird, sowie er sich an die Arbeit gibt! Zweifel, Verlangen, Kummer, Unruhe, Unwille, Verzweiflung selbst, alle diese, wie Höllenhunde belagern die Seele des armen Tagarbeiters wie jedes andern, aber er greift mit freiem Mut sein Tagwerk an, und sie alle weichen murrend zurück in ihre fernen Höhlen. Der Mensch ist nun Mensch; die heilige Glut der Arbeit in ihm ist wie ein reinigend Feuer, worin alles Gift und selbst der verpestendste Qualm in einer hellen heiligen Flamme verbrennt. — Gesegnet ist, wer seine Arbeit gefunden hat; er verlange nach keinem anderen Segen. Er hat eine Arbeit, einen Lebenszweck; er hat ihn gefunden, er verfolgt ihn, und nun fließt sein Leben dahin, ein freiströmender Kanal, gegraben durch den abgestandenen Notsumpf der Existenz, ableitend das abgestandne Wasser von der entferntesten Binse, den verpestenden Sumpf in eine grüne fruchtbareWiese verwandelnd. Arbeit ist Leben; du hast im Grunde keine andere Kenntnis, als die du dir durch Arbeit erworben hast, das Übrige ist all Hypothese, Stoff zum Schulgezänk in den Wolken, in endlosen logischen Strudeln flutend, bis wir es versuchen und fixieren.
Zweifel aller Art kann nur durch Tätigkeit gelöst werden. - - Wunderschön war de? Spruch der alten Mönche: Laborare est orare, Arbeit ist Kultus. Älter als alles gepredigte Evangelium war dies ungepredigte, unausgesprochene, aber unauslöschliche, ewige Evangelium; arbeite und finde Befriedigung in der Arbeit. 0 Mensch, liegt nicht in deinem innersten Herzen ein Geist tätiger Anordnung, eine Kraft der Arbeit; brennend wie ein schmerzlich glimmend Feuer, das dir keine Ruhe läßt, bis du es entfaltest, bis du es in Tatsachen ringsumher niederschreibst? Alles Ungeordnete, Wüste sollst du geordnet, geregelt, ackerbar machen, dir gehorsam und dir Frucht tragend. Wo du Unordnung findest, da ist dein ewiger Feind; greif ihn rasch an, unterjoche ihn; entreiß ihn der Herrschaft des Chaos, bring ihn unter deine, der Intelligenz und Göttlichkeit Herrschaftl Vor allem aber, wo du Unwissenheit, Dummheit, Vertierung findest, greif' sie an, sag' ich dir, schlage sie, weise, unermüdlich, ruhe nicht, solange du lebst und sie lebt, schlage zu, schlage, im Namen Gottes; schlage! Du sollst wirken, solange es-Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. - Alle wahre Arbeit ist heilig; Schweiß des Angesichts, Schweiß des Gehirns und des Herzens, einschließend eines Kepler Berechnungen, eines Newton Meditationen; alle Wissenschaften, alle gesprochenen Heldenlieder, alles getane Heldentum, Märtyrertum, bis zu jenem .Todeskampf des blutigen Schweißes', den alle Menschen göttlich genannt haben. Wenn das nicht Kultus ist, zum Teufel dann allen Kultus. Wer bist du, der über sein Leben saurer Arbeit klagt? Klage nicht, dir ist der Himmel streng, aber nicht unfreundlich, eine edle Mutter, wie jene spartanische Mutter, die ihrem Sohne den Schild gab: Mit ihm oder auf ihm! Klage nicht; auch die Spartaner klagten nicht. — Ein Ungeheuer ist in der Welt- der Faulenzer. Was ist seine Religion, als daß die Natur ein Phantom, daß Gott eine Lüge ist und der Mensch und sein Leben eine Lüge."
Aber auch die Arbeit ist in den wilden Strudel der Unordnung und des Chaos hineingerissen, das reinigende, aufklärende, enfwickelnde Prinzip ist der Kerwickelung, Verwirrung und Finsternis anheimgefallen. Dies führt auf die eigentliche Hauptfrage, auf die Zukunft der Arbeit.
„Was für eine Arbeit wird es sein, was unsere Freunde auf dem Kontinent, schon ziemlich lange und etwas absurd danach umhertappend, .Organisation der Arbeit' nennen. Das muß aus den Händen absurder Windbeutel genommen und tüchtigen, weisen, arbeitsamen Männern übergeben werden; es sogleich zu beginnen, auszuführen und durchzuführen, wenn Europa - wenigstens wenn England noch lange bewohnbar bleiben soll. Wenn wir unsre hochedlen Korngesetz-Herzöge ansehen oder unsre geistlichen Herzöge und Seelenhirten ,mit einem Minimum von viertausendfünfhundert Pfund jährlich', so werden unsre Hoffnungen freilich etwas gedämpft. Aber Mut! Es gibt noch manchen braven Mann in England. Du unbezähmbarer Fabrildord, ist nicht auch in dir noch einige Hoffnung? Du bist bis jetzt ein Bucanier gewesen; aber in dieser ernsten Braue, in diesem unbezähmbaren Herzen, das Baumwolle besiegen kann, liegen da nicht vielleicht noch andre, zehnmal edlere Siege?"
„Seht um euch, eure Weltenheere sind alle in Meuterei, Verwirrung, Verlassenheit; am Vorabend eines Untergangs in Flammen, am Vorabend des Wahnsinns! Sie wollen nicht weiter marschieren nach dem Prinzip von sechs Pence täglich und Nachfrage und Zufuhr; sie wollen nicht und haben ein Recht dazu. Sie sind fast in den Rachen des Wahnsinnes gejagt; seid ihr vernünftiger. Diese Leute werden nicht länger als ein verworrener und verwirrender Pöbel marschieren, sondern als eine geschloßne geordnete Masse, mit wirklichen Führern an ihrer Spitze. Alle menschlichen Interessen, alle gemeinschaftlichen Unternehmungen mußten auf einer gewissen Entwicklungsstufe organisiert werden, und jetzt verlangt das größte aller menschlichen Interessen, die Arbeit, nach Organisation."
Um diese Organisation durchzuführen, um wahre Lenkung und wahre Regierung an die Stelle falscher Lenkung zu setzen, verlangt Carlyle nach einer „wahren Aristokratie", nach einem „Heroenkultus", und stellt es als das zweite große Problem auf, die apiproi, die Besten ausfindig zu machen, deren Leitung „die unvermeidliche Demokratie mit der notwendigen Souveränität zu verbinden". Aus diesen Auszügen geht der Standpunkt Carlyles ziemlich klar hervor. Seine ganze Anschauungsweise ist wesentlich pantheistisch, und zwar deutschpantheistisch. Die Engländer haben keinen Pantheismus, sondern bloß Skeptizismus; das Resultat alles englischen Philosophierens ist die Verzweiflung an der Vernunft, die eingestandene Unfähigkeit, die Widersprüche, auf die man in letzter Instanz geraten ist, Zu lösen, und infolgedessen auf der einen Seite ein Rückfall in den Glauben, auf der andern die Hingebung an die reine Praxis, ohne sich weiter um Metaphysik usw. zu bekümmern. Carlyle ist darum mit seinem aus der deutschen Literatur stammenden Pantheismus auch ein „Phänomen" in England und ein für die praktischen und skeptischen Engländer ziemlich unbegreifliches Phänomen. Die Leute starren ihn an, sprechen von „deutschem Mystizismus", von verrenktem Englisch; andre behaupten, es sei doch am Ende was dahinter, sein Englisch sei zwar ungewöhnlich, aber doch schön, er sei ein Prophet usw. - aber keiner weiß recht, was er aus dem Ganzen machen soll. Uns Deutschen, die wir die Voraussetzungen für Carlyles Standpunkt kennen, ist die Sache klar genug. Reste toryistischer Romantik und menschliche Anschauungen aus Goethe auf der einen, das skeptisch-empirische England auf der andern Seite, diese Faktoren reichen hin, um aus ihnen Carlyles ganze Weltansicht abzuleiten. Carlyle ist, wie alle Pantheisten, noch nicht über den Widerspruch hinausgekommen, und der Dualismus ist bei Carlyle um so schlimmer, da er zwar die deutsche Literatur, aber nicht ihre notwendige Ergänzung, die deutsche Philosophie, kennt und alle seine Anschauungen
daher auch unmittelbar, intuitiv, mehr schellingisch als hegelisch sind. Mit Schelling - d.h. dem alten, nicht dem Offenbarungs-Schelling, hat Carlyle wirklich eine Masse Berührungspunkte; mit Strauß, dessen Anschauungsweise ebenfalls pantheistisch ist, trifft er im „Heroenkultus" oder „Kultus des Genius" zusammen. Die Kritik des Pantheismus ist in der letzten Zeit in Deutschland so erschöpfend ausgeführt worden, daß wenig mehr zu sagen bleibt. Feuerbachs Thesen in den „Anekdotis"1-229-1 und Bfruno] Bauers Schriften enthalten alles hierher Gehörige. Wir werden uns also darauf beschränken können, einfach die Konsequenzen aus Carlyles Standpunkt zu ziehen und zu zeigen, daß er im Grunde nur eine Vorstufe zum Standpunkte dieser Zeitschrift ist. Carlyle klagt über die Leerheit und Hohlheit des Zeitalters, über die innere Verfaulung aller sozialen Institutionen. Die Klage ist gerecht; aber mit dem einfachen Klagen ist es nicht abgetan; um dem Übel abzuhelfen, muß die Ursache desselben aufgesucht werden; und hätte Carlyle dies getan, so würde er gefunden haben, daß diese Zerfahrenheit und Hohlheit, diese „Seelenlosigkeit", diese Irreligion und dieser „Atheismus" ihren Grund haben in der Religion selbst. Die Religion ist ihrem Wesen nach die Entleerung des Menschen und der Natur von allem Gehalt, die Übertragung dieses Gehalts an das Phantom eines jenseitigen Gottes, der dann wiederum den Menschen und der Natur in Gnaden etwas von seinem Überfluß zukommen läßt. Solange nun der Glaube an dies jenseitige Phantom kräftig und lebendig ist, solange kommt der Mensch auf diesem Umwege wenigstens zu etwas Gehalt. Der starke Glaube des Mittelalters verlieh auf diese Weise der ganzen Epoche allerdings eine bedeutende Energie, aber eine Energie, die nicht von außen kam, sondern schon in der menschlichen Natur lag,wenn auch noch unbewußt, noch unentwickelt. Der Glaube wurde allmählich schwach, die Religion zerbröckelte vor der steigenden Kultur, aber noch immer sah der Mensch nicht ein, daß er sein eignes Wesen als ein fremdes Wesen angebetet und vergöttert hatte. In diesem bewußtlosen und zugleich glaubenslosen Zustande kann der Mensch keinen Inhalt haben, muß er an der Wahrheit, an der Vernunft und Natur verzweifeln, und diese Hohlheit und Inhaltslosigkeit, die Verzweiflung an den ewigen Tatsachen des Universums wird solange dauern, bis die Menschheit einsieht, daß das Wesen, was sie als Gott verehrt hat, ihr eignes, ihr bisher unbekanntes Wesen war, bis - doch weis soll ich Feuerbach abschreiben. Die Hohlheit ist längst dagewesen, denn die Religion ist der Akt der Selbstaushöhlung des Menschen; und ihr wundert euch, daß sie jetzt, nachdem der Purpur, der sie verdeckte, verblichen, nachdem der Dunst, der sie einhüllte, gestorben ist, daß sie jetzt zu eurem Schrecken ans Tageslicht tritt?
Carlyle klagt ferner - dies ist die nächste Folge aus dem Vorhergehenden das Zeitalter der Heuchelei und der Lüge an. Natürlich, die Flohlheit und Entnervung muß doch durch Staffage, ausgestopfte Gewänder und Fischbeinschienen einständig verhüllt und aufrecht gehalten werden! Auch wir greifen die Heuchelei des jetzigen christlichen Weltzustandes an; der Kampf gegen sie, unsere Befreiung von ihr und die Befreiung der Welt von ihr sind am Ende unser einzig Tagewerk; aber weil wir durch die Entwickelung der Philosophie zur Erkenntnis dieser Heuchelei gekommen und weil wir den Kampf wissenschaftlich führen, darum ist uns das Wesen dieser Heuchelei nicht mehr so fremd und unverständlich, wie es für Carlyle allerdings noch ist. Diese Heuchelei führen wir auch auf die Religion zurück, deren erstes Wort eine Lüge ist - oder fängt die Religion nicht damit an, daß sie uns etwas Menschliches zeigt und behauptet, das sei etwas Übermenschliches, Göttliches? Weil wir aber wissen, daß alle diese Lüge und Unsittlichkeit aus der Religion folgt, daß die religiöse Heuchelei, die Theologie der Urtypus aller andern Lügen und Heuchelei ist, so sind wir berechtigt, den Namen der Theologie auf die gesamte Unwahrheit und Heuchelei der Gegenwart auszudehnen, wie dies zuerst durch Feuerbach und B.Bauer geschehen ist. Carlyle möge ihre Schriften lesen, wenn er zu wissen wünscht, woher die Unsittlichkeit kommt, die alle unsre Verhältnisse verpestet. Eine neue Religion, ein pantheistischer Heroenkultus, Kultus der Arbeit sei zu stiften oder müsse erwartet werden; unmöglich; alle Möglichkeiten der Religion sind erschöpft; nach dem Christentum, nach der absoluten, d.h. abstrakten Religion, nach der „Religion als solcher" kann keine andre Form der Religion mehr aufkommen. Carlyle sieht selbst ein, daß das katholische, protestantische oder jedes beliebige andere Christentum unaufhaltsam dem Untergange entgegengeht; wenn er die Natur des Christentums kennte, so würde er einsehen, daß nach ihm keine andere Religion mehr möglich ist. Auch der Pantheismus nicht! Der Pantheismus ist selbst noch eine von seiner Prämisse nicht zu trennende Konsequenz des Christentums, wenigstens der moderne, spinozistische, schellingische, hegelische und auch der Carlylesche Pantheismus. Der Mühe, den Beweis hierfür zu liefern, überhebt mich wiederum Feuerbach. Wie gesagt, auch uns ist es darum zu tun, die Haltlosigkeit, die innere Leere, den geistigen Tod, die Unwahrhaftigkeit des Zeitalters zu bekämpfen; mit allen diesen Dingen führen wir einen Krieg auf Leben und Tod, ebenso wie Carlyle, und haben weit mehr Wahrscheinlichkeit des Erfolgs für uns als er, weil wir wissen, was wir wollen. Wir wollen den Atheismus, wie ihn Carlyle schildert, aufheben, indem wir dem Menschen den Gehalt wieder
geben, den er durch die Religion verloren hat; nicht als einen göttlichen, sondern als einen menschlichen Inhalt, und die ganze Wiedergabe beschränkt sich einfach auf die Erweckung des Selbstbewußtseins. Wir wollen alles, was sich als übernatürlich und übermenschlich ankündigt, aus dem Wege schaffen und dadurch die Unwahrhaftigkeit entfernen, denn die Prätension des Menschlichen und Natürlichen, übermenschlich, übernatürlich sein zu wollen, ist die Wurzel aller Unwahrheit und Lüge. Deswegen haben wir aber auch der Religion und den religiösen Vorstellungen ein für allemal den Krieg erklärt und kümmern uns wenig darum, ob man uns Atheisten oder sonst irgendwie nennt. Wenn indes Carlyles pantheistische Definition von Atheismus richtig wäre, so wären nicht wir, sondern unsere christlichen Gegner die wahren Atheisten. Uns fällt es nicht ein, die „ewigen inneren Tatsachen des Universums" anzugreifen, im Gegenteil, wir haben sie erst wahrhaft begründet, indem wir ihre Ewigkeit nachwiesen und sie vor der allmächtigen Willkür eines in sich selbst widersprechenden Gottes sicherstellten. Uns fällt es nicht ein, „die Welt, den Menschen und sein Leben für eine Lüge" zu erklären; im Gegenteil, unsere christlichen Gegner begehen diese Unsittlichkeit, wenn sie die Welt und den Menschen von der Gnade eines Gottes abhängig machen, der in Wirklichkeit nur durch die Abspiegelung des Menschen in der wüsten Hyle seines eigenen unentwickelten Bewußtseins erzeugt wurde. Uns fällt es nicht ein, die „Offenbarung der Geschichte" zu bezweifeln oder zu verachten, die Geschichte ist unser Ens und Alles und wird von Uns höher gehalten als von irgendeiner andern, früheren, philosophischen Richtung, höher selbst als von Hegel, dem sie am Ende auch nur als Probe auf sein logisches Rechenexempel dienen sollte. Der Hohn gegen die Geschichte, die Nichtachtung der Entwicklung der Menschheit ist ganz auf der andern Seite; es sind wiederum die Christen, die durch die Aufstellung einer aparten „Geschichte des Reiches Gottes" der wirklichen Geschichte alle innere Wesenhaftigkeit absprechen und diese Wesenhaftigkeit allein für ihre jenseitige, abstrakte und noch dazu erdichtete Geschichte in Anspruch nehmen, die durch die Vollendung der menschlichen Gattung in ihrem Christus die Geschichte ein imaginäres Ziel erreichen lassen, sie mitten in ihrem Laufe unterbrechen und nun die folgenden achtzehnhundert Jahre schon der Konsequenz halber für wüsten Unsinn und bare Inhaltslosigkeit ausgeben müssen. Wir reklamieren den Inhalt der Geschichte; aber wir sehen in der Geschichte nicht die Offenbarung „Gottes", sondern des Menschen, und nur des Menschen. Wir haben nicht nötig, um die Herrlichkeit des menschlichen Wesens zu sehen, um die Entwicklung der Gattung in der Geschichte, ihren unaufhaltsamen Fortschritt, ihren stets sicheren Sieg
über die Unvernunft des einzelnen, ihre Überwindung alles scheinbaren Übermenschlichen, ihren harten, aber erfolgreichen Kampf mit der Natur bis zur endlichen Erringung des freien, menschlichen Selbstbewußtseins, der Einsicht von der Einheit des Menschen mit der Natur, und der freien, selbsttätigen Schöpfung einer auf rein menschliche, sittliche Lebensverhältnisse begründeten neuen Welt - um alles das in seiner Größe zu erkennen, haben wir nicht nötig, erst die Abstraktion eines „Gottes" herbeizurufen und ihr alles Schöne, Große, Erhabene und wahrhaft Menschliche zuzuschreiben; wir brauchen diesen Umweg nicht, wir brauchen dem wahrhaft Menschlichen nicht erst den Stempel des „Göttlichen" aufzudrücken, um seiner Größe und Herrlichkeit sicher zu sein. Im Gegenteil, je „göttlicher", d.h. unmenschlicher etwas ist, desto weniger werden wir es bewundern können. Nur der menschliche Ursprung des Inhalts aller Religionen rettet ihnen hier und da noch etwas Anspruch auf Respekt; nur das Bewußtsein, daß selbst der tollste Aberglaube doch im Grunde die ewigen Bestimmungen des menschlichen Wesens enthalte, wenn auch in noch so verrenkter und verzerrter Form, nur dies Bewußtsein rettet die Geschichte der Religion und namentlich des Mittelalters vor der totalen Verwerfung und vor dem ewigen Vergessen, was sonst allerdings das Schicksal dieser „gottvollen" Geschichten sein würde. Je „gottvoller", desto unmenschlicher, desto tierischer, und das „gottvolle" Mittelalter produzierte allerdings die Vollendung menschlicher Bestialität, Leibeigenschaft, jus primae noctis1 usw. Die Gottlosigkeit unseres Zeitalters, worüber Carlyle so sehr klagt, ist eben seine Gotterfülltheit. Hieraus wird auch klar, weshalb ich oben den Menschen als die Lösung des Sphinxrätsels angab. Die Frage ist bisher immer gewesen: Was ist Gott? und die deutsche Philosophie hat die Frage dahin gelöst: Gott ist der Mensch. Der Mensch hat sich nur selbst zu erkennen, alle Lebensverhältnisse an sich selbst zu messen, nach seinem Wesen zu beurteilen, die Welt nach den Forderungen seiner Natur wahrhaft menschlich einzurichten, so hat er das Rätsel unserer Zeit gelöst. Nicht in jenseitigen, existenzlosen Regionen, nicht über Zeit und Raum hinaus, nicht bei einem der Welt inwohnenden oder ihr entgegengesetzten „Gott" ist die Wahrheit zu finden, sondern viel näher, in des Menschen eigener Brust. Des Menschen eigenes Wesen ist viel herrlicher und erhabener als das imaginäre Wesen aller möglichen „Götter", die doch nur das mehr oder weniger unklare und verzerrte Abbild des Menschen selbst sind. Wenn also Carlyle nach Ben Jonson sagt, der Mensch habe seine Seele verloren und fange jetzt an, ihren Mangel zu merken, so würde der richtige Ausdruck
1 Recht der ersten Nacht
dafür sein: der Mensch hat in der Religion sein eigenes Wesen verloren, sich seiner Menschheit entäußert und merkt jetzt, nachdem die Religion durch den Fortschritt der Geschichte wankend geworden ist, seine Leerheit und Haltlosigkeit. Es ist aber keine andre Rettung für ihn, er kann seine Menschheit, sein Wesen nicht anders wieder erobern als durch eine gründliche Überwindung aller religiösen Vorstellungen und eine entschiedene, aufrichtige Rückkehr nicht zu „Gott", sondern zu sich selbst. Alles das steht auch in Goethe, dem „Propheten", und wer offene Augen hat, der kann es herauslesen. Goethe hatte nicht gern mit „Gott" zu tun; das Wort machte ihn unbehaglich, er fühlte sich nur im Menschlichen heimisch, und diese Menschlichkeit, diese Emanzipation der Kunst von den Fesseln der Religion macht eben Goethes Größe aus. Weder die Alten noch Shakespeare können sich in dieser Beziehung mit ihm messen. Aber diese vollendete Menschlichkeit, diese Überwindung des religiösen Dualismus kann nur von dem in ihrer ganzen historischen Bedeutung erfaßt werden, dem die andre Seite der deutschen Nationalentwicklung, die Philosophie, nicht fremd ist. Was Goethe erst unmittelbar, also in gewissem Sinne allerdings „prophetisch" aussprechen konnte, das ist in der neuesten deutschen Philosophie entwickelt und begründet. Auch Carlyle trägt Voraussetzungen in sich, die konsequenterweise zu dem oben entwickelten Standpunkt führen müssen. Der Pantheismus ist selbst nur die letzte Vorstufe zur freien, menschlichen Anschauungsweise. Die Geschichte, die Carlyle als die eigentliche „Offenbarung" hinstellt, enthält eben nur Menschliches, und nur durch einen Gewaltstreich kann ihr Inhalt der Menschheit entzogen und auf Rechnung eines „Gottes" gebracht werden. Die Arbeit, die freie Tätigkeit, in der Carlyle ebenfalls einen „Kultus" sieht, ist wieder eine rein menschliche Angelegenheit und kann auch nur auf gewaltsame Weise mit „Gott" in Verbindung gebracht werden. Wozu fortwährend ein Wort in den Vordergrund drängen, das im besten Falle nur die Unendlichkeit der Unbestimmtheit ausdrückt und noch dazu den Schein des Dualismus aufrechterhält? ein Wort, das in sich selbst die Nichtigkeitserklärung der Natur und Menschheit ist?
Soviel für die innerliche, religiöse Seite des Carlyleschen Standpunktes. Die Beurteilung der äußerlichen, politisch-sozialen knüpft sich unmittelbar hieran; Carlyle hat noch Religion genug, um in einem Zustande der Unfreiheit zu bleiben; der Pantheismus erkennt immer noch etwas Höheres an als den Menschen als solchen. Daher sein Verlangen nach einer „wahrhaften Aristokratie", nach „Heroen"; als ob diese Heroen im besten Falle mehr sein könnten als Menschen. Hätte er den Menschen als Menschen in seiner ganzen Unendlichkeit begriffen, so würde er nicht auf die Gedanken gekommen sein,
die Menschheit wieder in zwei Haufen Schafe und Böcke, Regierende und Regierte, Aristokraten und Canaille, Herren und Dummköpfe zu trennen, so würde er die richtige soziale Stellung des Talents nicht im gewaltsamen Regieren, sondern im Anregen und Vorangehen gefunden haben. Das Talent hat die Masse von der Wahrheit seiner Ideen zu überzeugen und wird sich dann nicht weiter um die ganz von selbst folgende Ausführung derselben zu plagen haben. Die Menschheit macht den Durchgang durch die Demokratie wahrlich nicht deshalb, um zuletzt wieder da anzukommen, von wo sie ausging. - Was Carlyle übrigens von der Demokratie sagt, läßt wenig zu wünschen übrig, wenn wir das soeben Angedeutete, die Unklarheit über das Ziel, den Zweck der modernen Demokratie, ausschließen. Die Demokratie ist allerdings nur Durchgangspunkt, aber nicht zu einer neuen, verbesserten Aristokratie, sondern zur wirklichen, menschlichen Freiheit; ebenso wie die Irreligiosität des Zeitalters zuletzt zur vollkommenen Emanzipation von allem Religiösen, Übermenschlichen und Übernatürlichen, nicht aber zu dessen Wiederherstellung leiten wird. Carlyle erkennt die Unzulänglichkeit von „Konkurrenz, Nachfrage" und „Zufuhr, Mammonismus" usw. an und ist weit entfernt, die absolute Berechtigung des Grundbesitzes zu behaupten. Warum nun nicht den einfachen Schluß aus allen diesen Voraussetzungen gezogen und das Eigentum überhaupt verworfen? Wie will er die „Konkurrenz", „Nachfrage und Zufuhr", Mammonismus usw. vernichten, solange die Wurzel von alledem, das Privateigentum, besteht? „Organisation der Arbeit" kann dazu nichts tun, sie kann ohne eine gewisse Identität der Interessen gar nicht durchgeführt werden. Warum nun nicht konsequent durchgegriffen, die Identität der Interessen, den einzig menschlichen Zustand proklamiert und dadurch allen Schwierigkeiten, aller Unbestimmtheit und Unklarheit ein Ende gemacht? Carlyle erwähnt in allen seinen Rhapsodien der englischen Sozialisten mit keiner Silbe. Solange er auf seinem jetzigen, gegen die Masse der Gebildeten Englands allerdings unendlich weit vorausgeschrittenen, aber immer noch abstrakt-theoretischen Standpunkt stehenbleibt, wird er sich mit ihren Bestrebungen freilich nicht besonders befreunden können. Die englischen Sozialisten sind rein praktisch und schlagen deshalb auch Maßregeln, Kolonisation der Heimat1230-1 usw. in etwas Morrisons-pillenmäßiger Form vor; ihre Philosophie ist echt englisch, skeptisch, d.h., sie verzweifeln an der Theorie und halten sich für die Praxis an den Materialismus, auf den ihr ganzes soziales System basiert ist; alles das wird Carlyle wenig zusagen, aber er ist ebenso einseitig wie sie. Beide haben den Widerspruch nur innerhalb des Widerspruchs überwunden; die Sozialisten innerhalb der Praxis, Carlyle innerhalb
der Theorie, und auch da nur unmittelbar, während die Sozialisten über den praktischen Widerspruch entschieden und durch das Denken hinausgekommen sind. Die Sozialisten sind eben noch Engländer, wo sie bloß Menschen sein sollten, sie kennen von der philosophischen Entwicklung des Kontinents nur den Materialismus, nicht auch die deutsche Philosophie, das ist all ihr Mangel, und sie arbeiten direkt auf die Auflösung dieser Lücke hin, indem sie auf die Aufhebung der Nationalunterschiede hinarbeiten. Wir brauchen gar so eilig nicht zu sein, ihnen die deutsche Philosophie aufzudrängen, zu der sie von selbst kommen werden und die ihnen jetzt wenig nützen könnte. Jedenfalls sind sie aber die einzige Partei in England, die eine Zukunft hat, so schwach sie auch verhältnismäßig sein mögen. Die Demokratie, der Chartismus muß sich bald durchsetzen, und dann hat die Masse der englischen Arbeiter nur die Wahl zwischen dem Hungertode und dem Sozialismus. Für Carlyle und seinen Standpunkt ist die Unkenntnis der deutschen Philosophie nicht so gleichgültig. Er ist für sich deutscher Theoretiker und dabei doch durch seine Nationalität an die Empirie gewiesen; er steht in einem schreienden Widerspruch, der nur dadurch zu lösen ist, daß er den deutschtheoretischen Standpunkt bis zu seiner letzten Konsequenz, bis zur totalen Versöhnung mit der Empirie fortentwickelt. Carlyle hat nur noch einen, aber, wie alle Erfahrung in Deutschland gezeigt hat, einen schweren Schritt zu tun, um über den Widerspruch, in dem er sich bewegt, herauszukommen. Es ist zu wünschen, daß er ihn tue, und obwohl er nicht mehr jung ist, wird er ihn doch wohl tun können, denn der Fortschritt, den sein letztes Buch zeigt, beweist, daß er noch nicht aus der Entwicklung herausgetreten ist.12313 Nach allem diesem ist Carlyles Buch einer deutschen Übersetzung zehntausendmal eher wert als alle die Legionen englischer Romane, die täglich und stündlich nach Deutschland importiert werden, und ich kann zu einer solchen Übersetzung nur raten. Aber unsre Fabrikübersetzer mögen ihre Finger nur davon halten! Carlyle schreibt ein apartes Englisch, und ein Übersetzer, der nicht tüchtig Englisch und Anspielungen auf englische Verhältnisse versteht, würde die lächerlichsten Schnitzer machen. Nach dieser, etwas allgemeinen Einleitung werde ich in den nächsten Heften dieser Zeitschrift genauer auf die Lage Englands und ihren Kern, die Lage der arbeitenden Klasse eingehen. Die Lage Englands ist von der unermeßlichsten Bedeutung für die Geschichte und für alle andern Länder; denn in sozialer Beziehung ist England allerdings allen andern Ländern weit voraus. F. Engels Geschrieben im Januar 1844. Nach: „Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844.
Friedrich Engels
Die Lage Englands
I Das achtzehnte Jahrhundert
[„Vorwärts!" Nr. 70 vom 31. August 1844] Dem Anscheine nach ist das Jahrhundert der Revolution an England ohne viel Veränderung vorübergegangen. Während auf dem Kontinent eine ganze alte Welt zertrümmert würde, während ein fünfundzwanzigjähriger Krieg die Atmosphäre reinigte, blieb in England alles ruhig, wurde weder Staat noch Kirche irgendwie bedroht. Und doch hat England seit der Mitte des vergangnen Jahrhunderts eine größere Umwälzung durchgemacht als irgendein anderes Land - eine Umwälzung, die um so folgenreicher ist, je stiller sie bewerkstelligt wurde, und die deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Ziel eher in der Praxis erreichen wird als die französische politische oder die deutsche philosophische Revolution. Die Revolution Englands ist eine soziale und daher umfassender und eingreifender als irgendeine andere. Es gibt kein noch so entlegenes Gebiet menschlicher Erkenntnis und menschlicher Lebensverhältnisse, das nicht zu ihr beigetragen und wiederum von ihr eine veränderte Stellung empfangen hätte. Die soziale Revolution ist erst die wahre Revolution, in der die politische und philosophische Revolution ausmünden müssen; und diese soziale Revolution ist in England schon seit siebzig oder achtzig Jahren im Gange und geht eben jetzt mit raschen Schritten ihrer Krisis entgegen. Das achtzehnte Jahrhundert war die Zusammenfassung, die Sammlung der Menschheit aus der Zersplitterung und Vereinzelung, in die sie durch das Christentum geworfen war; der vorletzte Schritt zur Selbsterkenntnis und Selbstbefreiung der Menschheit, der aber als der vorletzte darum auch noch einseitig im Widerspruch steckenblieb. Das achtzehnte Jahrhundert faßte die Resultate der bisherigen Geschichte, die bis dahin nur vereinzelt und in der Form der Zufälligkeit aufgetreten waren, zusammen und entwickelte ihre Notwendigkeit und ihre innere Verkettung. Die zahllosen,
durcheinander gewürfelten Data der Erkenntnis wurden geordnet, gesondert und in Kausalverbindung gebracht; das Wissen wurde Wissenschaft, und die Wissenschaften näherten sich ihrer Vollendung, d.h. knüpften sich auf der einen Seite an die Philosophie, auf der andern an die Praxis an. Vor dem achtzehnten Jahrhundert gab es keine Wissenschaft; die Erkenntnis der Natur nahm ihre wissenschaftliche Form erst im achtzehnten Jahrhundert an oder in einigen Zweigen ein paar Jahre vorher. Newton schuf die wissenschaftliche Astronomie durch das Gravitationsgesetz, die wissenschaftliche Optik durch die Zersetzung des Lichts, die wissenschaftliche Mathematik durch den binomischen Satz und die Theorie des Unendlichen und die wissenschaftliche Mechanik durch die Erkenntnis der Natur der Kräfte. Die Physik erhielt ebenfalls im achtzehnten Jahrhundert ihren wissenschaftlichen Charakter; die Chemie wurde durch Black, Lavoisier und Priestley erst geschaffen; die Geographie wurde durch die Bestimmung der Gestalt der Erde und die vielen, jetzt erst mit Nutzen für die Wissenschaft unternommenen Reisen zur Wissenschaft erhoben; ebenso die Naturgeschichte durch Buffon und Linne; selbst die Geologie fing allmählich an, sich aus dem Strudel phantastischer Hypothesen, in dem sie verkam, herauszuarbeiten. Der Gedanke der Enzyklopädie war für das achtzehnte Jahrhundert charakteristisch; er beruhte auf dem Bewußtsein, daß alle diese Wissenschaften unter sich zusammenhängen, war aber noch nicht imstande, die Übergänge zu machen, und konnte sie daher nur einfach nebeneinanderstellen. Ebenso in der Geschichte; wir finden jetzt zuerst bändereiche Kompilationen der Weltgeschichte, noch ohne Kritik und vollends ohne Philosophie, aber doch allgemeine Geschichte anstatt der bisherigen lokal und zeitlich beschränkten Geschichtsfragmente. Die Politik wurde auf eine menschliche Basis gestellt und die Nationalökonomie durch Adam Smith reformiert. Die Spitze der Wissenschaft des achtzehnten Jahrhunderts war der Materialismus, das erste System der Naturphilosophie und die Folge jener Vollendung der Naturwissenschaften. Der Kampf gegen die abstrakte Subjektivität des Christentums trieb die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts auf die entgegengesetzte Einseitigkeit; der Subjektivität wurde die Objektivität, dem Geist die Natur, dem Spiritualismus der Materialismus, dem abstrakt Einzelnen das abstrakt Allgemeine, die Substanz, entgegengesetzt. Das achtzehnte Jahrhundert war die Wiederbelebung des antiken Geistes gegenüber dem christlichen; Materialismus und Republik, die Philosophie und Politik der alten Welt, erstanden aufs neue, und die Franzosen, die Repräsentanten des antiken Prinzips innerhalb des Christentums, bemächtigten sich für eine Zeitlang der historischen Initiative.
Das achtzehnte Jahrhundert löste also den großen Gegensatz nicht, der die Geschichte von Anfang an beschäftigt hat und dessen Entwicklung die Geschichte ausmacht, den Gegensatz von Substanz und Subjekt, Natur und Geist, Notwendigkeit und Freiheit; es stellte aber die Seiten des Gegensatzes in ihrer ganzen Schroffheit und vollkommen entwickelt einander gegenüber und machte dadurch seine Aufhebung notwendig. Die Folge dieser klaren, letzten Entwicklung des Gegensatzes war die allgemeine Revolution, die sich auf die verschiedenen Nationalitäten verteilte, und deren bevorstehende Vollendung zugleich die Lösung des Gegensatzes der bisherigen Geschichte sein wird. Die Deutschen, das christlich-spiritualistische Volk, erlebten eine philosophische Revolution; die Franzosen, das antik-materialistische, daher politische Volk, hatten die Revolution auf politischem Wege durchzumachen; die Engländer, deren Nationalität eine Mischung deutscher und französischer Elemente ist, die also beide Seiten des Gegensatzes in sich tragen und deshalb universeller sind als ein jeder der beiden Faktoren für sich, wurden daher auch in eine universellere, eine soziale Revolution hereingerissen. Dies wird näherer Ausführung bedürfen, da die Stellüng der Nationalitäten wenigstens für die neuere Zeit in unserer Geschichtsphilosophie bis jetzt sehr ungenügend oder vielmehr gar nicht behandelt worden ist. Daß Deutschland, Frankreich und England die drei leitenden Länder der gegenwärtigen Geschichte sind, darf ich wohl als zugegeben annehmen; daß die Deutschen das christlich-spiritualistische, die Franzosen das antikmaterialistische Prinzip, mit andern Worten, daß jene die Religion und Kirche, diese die Politik und den Staat vertreten, ist ebenso einleuchtend oder wird es seinerzeit schon gemacht werden; die Bedeutung der Engländer in der neueren Geschichte ist weniger in die Augen fallend und für unsern gegenwärtigen Zweck auch am wichtigsten. Die englische Nation wurde gebildet von Germanen und Romanen zu einer Zeit, wo beide Nationen sich erst eben voneinander geschieden und ihre Entwicklung zu den beiden Seiten des Gegensatzes kaum begonnen hatten. Die germanischen und romanischen Elemente entwickelten sich nebeneinander und bildeten zuletzt eine Nationalität, die beide Einseitigkeiten unvermittelt in sich trägt. Der germanische Idealismus behielt so viel freies Spiel, daß er sogar in sein Gegenteil, die abstrakte Äußerlichkeit, umschlagen konnte; die noch gesetzliche Verkäuflichkeit der Weiber und Kinder, und der Handelsgeist der Engländer überhaupt, ist entschieden auf Rechnung des germanischen Elements zu bringen. Ebenso schlug der romanische Materialismus in abstrakten Idealismus, Innerlichkeit und Religiosität um; daher das Phänomen der Fortdauer des romanischen Katholizismus innerhalb des germanischen
Protestantismus, die Staatskirche, das Papsttum der Fürsten und die durchaus katholische Art, die Religion mit Förmlichkeiten abzufertigen. Der Charakter der englischen Nationalität ist der ungelöste Widerspruch, die Vereinigung der schroffsten Kontraste. Die Engländer sind das religiöseste Volk der Welt und zu gleicher Zeit das irreligiöseste, sie plagen sich mehr um das Jenseits als irgendeine andre Nation, und doch leben sie dabei, als ob das Diesseits ihr Eins und Alles sei; ihre Aussicht auf den Himmel hindert sie nicht im mindesten, ebenso fest an die „Hölle des Kein-Geld-Verdienens" zu glauben. Daher die ewige innere Unruhe der Engländer, die das Gefühl der Unfähigkeit, den Widerspruch zu lösen, ist und sie aus sich selbst heraus zur Tätigkeit treibt. Das Gefühl des Widerspruchs ist die Quelle der Energie, aber der sich bloß entäußernden Energie, und dies Gefühl des Widerspruchs war die Quelle der Kolonisation, der Schiffahrt, der Industrie und überhaupt der ungeheuren praktischen Tätigkeit der Engländer. Die Unfähigkeit, den Widerspruch zu lösen, geht durch die ganze englische Philosophie hindurch und treibt sie auf die Empirie und den Skeptizismus. Weil Bacon mit seiner Vernunft den Widerspruch von Idealismus und Realismus nicht lösen konnte, mußte die Vernunft überhaupt dazu unfähig sein, der Idealismus kurzweg verworfen und in der Empirie das einzige Rettungsmittel gesehen werden. Aus derselben Quelle geht die Kritik des Erkenntnisvermögens und die psychologische Richtung überhaupt hervor, in der die englische Philosophie sich von Anfang an ausschließlich bewegt hat, und die dann zuletzt, nach allen vergeblichen Versuchen, den Widerspruch zu lösen, ihn für unlösbar, die Vernunft für unzureichend erklärt und entweder im religiösen Glauben oder in der Empirie Rettung sucht. Der Humesche Skeptizismus ist noch heutzutage die Form alles irreligiösen Philosophierens in England. Wir können nicht wissen, räsoniert diese Anschauungsweise, ob ein Gott existiert; wenn einer existiert, so ist jede Kommunikation mit uns für ihn unmöglich, und wir haben also unsre Praxis so einzurichten, als ob keiner existierte. Wir können nicht wissen, ob der Geist vom Körper verschieden und unsterblich ist; wir leben also so, als ob dies Leben unser einziges wäre, und plagen uns nicht mit Dingen, die über unsern Verstand gehen. Kurz, die Praxis dieses Skeptizismus ist genau der französische Materialismus; aber in der metaphysischen Theorie bleibt er in der Unfähigkeit der definitiven Entscheidung stecken. - Weil die Engländer aber beide Elemente, die auf dem Kontinent die Geschichte entwickelten, in sich trugen, darum waren sie imstande, selbst ohne viel mit dem Kontinent zu verkehren, doch mit der Bewegung Schritt zu halten und ihr zuweilen sogar voraus zu sein. Die englische Revolution des siebzehnten Jahrhunderts ist genau das Vorbild
der französischen von 1789. Im „langen Parlament" sind die drei Stufen, die in Frankreich als konstituierende und legislative Versammlung und Nationalkonvent auftraten, leicht zu unterscheiden; der Übergang von konstitutioneller Monarchie zur Demokratie, Militärdespotismus, Restauration und juste-milieu-Revolution ist in der englischen Revolution scharf ausgeprägt. Cromwell ist Robespierre und Napoleon in einer Person; der Gironde, dem Berg und den H6bertisten und Babouvisten entsprechen die Presbyterianer, Independenten und Levellers; das politische Resultat ist bei beiden ziemlich kläglich, und die ganze Parallele, die noch viel genauer ausgeführt werden könnte, beweist nebenbei auch, daß die religiöse und die irreligiöse Revolution, solange sie politisch bleiben, beide am Ende auf eines herauskommen. Freilich war dies Voraussein der Engländer vor dem Kontinent nur momentan und glich sich allmählich wieder aus; die englische Revolution endigte im juste-milieu und der Schöpfung der beiden nationalen Parteien, während die französische noch nicht abgeschlossen ist und sich nicht abschließen kann, bevor sie bei demselben Resultat angekommen ist, bei dem die deutsche philosophische und die englische soziale Revolution anzukommen haben. Der englische Nationalcharakter ist so vom deutschen sowohl wie vom französischen wesentlich verschieden; die Verzweiflung an der Aufhebung des Gegensatzes und die daraus folgende totale Hingebung an die Empirie ist ihm eigentümlich. Auch das reine Germanentum verkehrte seine abstrakte Innerlichkeit in abstrakte Äußerlichkeit, aber diese Äußerlichkeit verlor die Spur ihres Ursprungs nie und blieb der Innerlichkeit und dem Spiritualismus stets untergeordnet. Auch die Franzosen stehen auf der materiellen, empirischen Seite; aber weil diese Empirie unmittelbare Nationalrichtung, nicht eine sekundäre Folge eines in sich selbst zerspaltenen Nationalbewußtseins ist, macht sie sich in nationaler, allgemeiner Weise geltend, äußert sie sich als politische Tätigkeit. Der Deutsche behauptete die absolute Berechtigung des Spiritualismus und suchte die allgemeinen Interessen der Menschheit daher in der Religion und später in der Philosophie zu entwickeln. Der Franzose stellte diesem Spiritualismus den Materialismus als absolut berechtigt gegenüber und nahm infolgedessen den Staat als die ewige Form dieser Interessen an. Der Engländer aber hat keine allgemeinen Interessen, er kann von ihnen nicht reden, ohne den wunden Fleck, den Widerspruch zu berühren, er verzweifelt an ihnen und hat nur Einzelinteressen. Diese absolute Subjektivität, die Zersplitterung des Allgemeinen in die vielen Einzelnen ist allerdings germanischen Ursprungs, aber wie gesagt, von ihrer Wurzel getrennt und darum bloß empirisch wirksam, und
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Erste Seite des „Vorwärts!" Nr. 70 vom 31. August 1844 mit dem Beginn des Artikels „Die Lage Englands. Das achtzehnte Jahrhundert" von Friedrich Engels

unterscheidet eben die englische soziale von der französischen politischen Empirie. Frankreichs Tätigkeit war stets national, von vornherein ihrer Ganzheit und Allgemeinheit sich bewußt; Englands Tätigkeit war die Arbeit unabhängiger, nebeneinanderstehender Individuen, die Bewegung unverbundner Atome, die selten und dann nur aus individuellem Interesse als ein Ganzes zusammenwirkten und deren Einheitslosigkeit gerade jetzt in allgemeinem Elend und gänzlicher Zersplitterung ans Tageslicht tritt. Mit andern Worten, nur England hat eine soziale Geschichte. Nur in England haben die Individuen als solche, ohne mit Bewußtsein allgemeine Prinzipien zu vertreten, die nationale Entwicklung gefördert und ihrem Abschluß nahegebracht. Nur hier hat die Masse als Masse, um ihrer eignen Einzelinteressen willen, gewirkt; nur hier sind die Prinzipien in Interessen verwandelt worden, ehe sie auf die Geschichte Einfluß haben konnten. Die Franzosen und Deutschen kommen auch allmählich zur sozialen Geschichte, aber sie haben sie noch nicht. Auch auf dem Kontinent hat es Armut, Elend und sozialen Druck gegeben, aber das blieb ohne Wirkung auf die nationale Entwicklung; aber das Elend und die Armut der arbeitenden Klasse des heutigen Englands hat nationale, und mehr als das, hat weltgeschichtliche Bedeutung. Das soziale Moment ist auf dem Kontinent noch ganz unter dem politischen vergraben, hat sich noch gar nicht von ihm getrennt, während in England das politische Moment allmählich von dem sozialen überwunden und ihm dienstbar geworden ist. Alle englische Politik ist im Grunde sozialer Natur, und nur weil England noch nicht über den Staat hinausgekommen, weil die Politik ein Notbehelf für es ist, nur darum äußern sich die sozialen Fragen politisch. Solange Staat und Kirche die einzigen Formen sind, in denen die allgemeinen Bestimmungen des menschlichen Wesens sich verwirklichen, solange kann von sozialer Geschichte nicht die Rede sein. Das Altertum und das Mittelalter konnten daher auch keine soziale Entwicklung aufweisen; erst die Reformation, der erste, noch befangene und dumpfe Versuch einer Reaktion gegen das Mittelalter, brachte einen sozialen Umschwung, die Verwandlung der Leibeignen in „freie" Arbeiter, hervor. Aber auch dieser Umschwung blieb ohne viel nachhaltige Wirkung auf dem Kontinent, ja er setzte sich hier eigentlich erst mit der Revolution des achtzehnten Jahrhunderts durch; während in England mit der Reformation das Geschlecht der Leibeignen in vilains, bordars, cottarsC2323 und so in eine Klasse persönlich freier Arbeiter verwandelt wurde und das achtzehnte Jahrhundert hier bereits die Konsequenzen dieser Umwälzung entwickelte. Warum dies nur in England geschah, ist oben auseinandergesetzt.
36 Marx/Engels, Werke, Bd. I
[„VorwärtsI" Nr. 71 vom 4. September 1844] Das Altertum, das noch nichts von dem Rechte des Subjekts wußte, dessen ganze Weltanschauung wesentlich abstrakt, allgemein, substantiell war, konnte deshalb nicht ohne die Sklaverei bestehen. Die christlich-germanische Weltansicht stellte die abstrakte Subjektivität, daher die Willkür, die Innerlichkeit, den Spiritualismus dem Altertum gegenüber als Grundprinzip auf; diese Subjektivität mußte aber, eben weil sie abstrakt, einseitig war, sogleich sich in ihr Gegenteil verkehren und statt der Freiheit des Subjekts die Sklaverei des Subjekts erzeugen. Die abstrakte Innerlichkeit wurde abstrakte Äußerlichkeit, Wegwerfung und Veräußerung des Menschen, und die erste Folge des neuen Prinzips war die Wiederherstellung der Sklaverei in einer andern, weniger anstößigen, aber darum heuchlerischen und unmenschlicheren Gestalt, der Leibeigenschaft. Die Auflösung des Feudalsystems, die politische Reformation, d.h. die scheinbare Anerkennung der Vernunft und daher die wirkliche Vollendung der Unvernunft, hob diese Leibeigenschaft scheinbar auf, machte sie aber in der Wirklichkeit nur unmenschlicher und allgemeiner. Sie sprach zuerst aus, daß die Menschheit nicht mehr durch Zwang, d.h. durch politische, sondern durch das Interesse, d. h. durch soziale Mittel zusammengehalten werden solle, und legte durch dies neue Prinzip die Basis zur sozialen Bewegung. Aber, obwohl sie den Staat so negierte, stellte sie ihn auf der andern Seite erst recht wieder her, indem sie ihm den bisher von der Kirche usurpierten Inhalt zurückgab und dadurch dem während des Mittelalters inhaltlosen und nichtigen Staat die Kraft einer neuen Entwicklung verlieh. Aus den Ruinen des Feudalismus entstand der christliche Staat, die Vollendung des christlichen Weltzustandes nach der politischen Seite hin; durch die Erhebung des Interesses zum allgemeinen Prinzip vollendete sich dieser christliche Weltzustand nach einer andern Seite. Denn das Interesse ist wesentlich subjektiv, egoistisch, Einzelinteresse, und als solches die höchste Spitze des germanisch-christlichert Subjektivitäts- und Vereinzelungsprinzips. Die Folge der Erhebung des Interesses zum Bande der Menschheit ist, solange das Interesse eben unmittelbar subjektiv, einfach egoistisch bleibt, notwendig die allgemeine Zersplitterung, die Konzentrierung der Individuen auf sich selbst, die Isolierung, die Verwandlung der Menschheit in einen Haufen einander abstoßender Atome; und diese Vereinzelung ist wiederum die letzte Konsequenz des christlichen Subjektivitätsprinzips, die Vollendung des christlichen Weltzustandes. - Solange ferner die Grundveräußerung, das Privateigentum bestehenbleibt, solange muß das Interesse notwendig Einzelinteresse sein und seine Herrschaft sich als die Herrschaft des Eigentums
erweisen. Die Auflösung der feudalen Knechtschaft hat „bare Zahlung zum einzigen Bande der Menschheit" gemacht. Das Eigentum, das dem menschlichen, geistigen gegenüberstehende, natürliche, geistlose Element, wird dadurch auf den Thron erhoben, und in letzter Instanz, um diese Veräußerung zu vollenden, das Geld, die veräußerte, leere Abstraktion des Eigentums, zum Herrn der Welt gemacht. Der Mensch hat aufgehört, Sklave des Menschen zu sein und ist Sklave der Sache geworden; die Verkehrung der menschlichen Verhältnisse ist vollendet; die Knechtschaft der modernen Schacherwelt, die ausgebildete, vollkommne, universelle Verkäuflichkeit ist unmenschlicher und allumfassender als die Leibeigenschaft der Feudalzeit; die Prostitution ist unsittlicher, bestialischer als das jus primae noctis1. Höher kann der christliche Weltzustand nicht getrieben werden; er muß in sich selbst zusammenbrechen und einem menschlichen, vernünftigen Zustande Platz machen. Der christliche Staat ist nur die letzte mögliche Erscheinungsform des Staats überhaupt, mit dessen Fall der Staat als solcher fallen muß. Die Auflösung der Menschheit in eine Masse isolierter, sich abstoßender Atome ist an sich selbst schon die Vernichtung aller korporativen, nationalen und überhaupt besonderen Interessen und die letzte notwendige Stufe zur freien Selbstvereinigung der Menschheit. Die Vollendung der Veräußerung in der Herrschaft des Geldes ist ein unvermeidlicher Durchgang, wenn der Mensch, wie er denn jetzt nahe daran ist, wieder zu sich selbst kommen soll. Die soziale Revolution in England hat diese Konsequenzen der Aufhebung des Feudalsystems so weit entwickelt, daß die' Krisis, die den christlichen Weltzustand vernichten wird, nicht mehr fern sein kann, ja, daß die Epoche dieser Krisis, wenn auch nicht in Jahren und quantitativ, so doch qualitativ mit Bestimmtheit vorausgesagt werden kann; diese Krisis muß nämlich eintreten^ sobald die Korngesetze[M3] abgeschafft und die Volkschartea92] eingeführt, d. h., sobald die Adelsaristokratie durch die Geldaristokratie und diese durch die arbeitende Demokratie politisch besiegt ist. Das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert hatten alle Voraussetzungen der sozialen Revolution ins Leben gerufen, das Mittelalter aufgelöst, den sozialen, politischen und religiösen Protestantismus etabliert, die Kolonien, die Seemacht und den Handel Englands geschaffen und eine zunehmende, schon ziemlich mächtige Mittelklasse neben die Aristokratie gestellt. Die sozialen Verhältnisse setzten sich allmählich nach den Unruhen des siebzehnten Jahrhunderts und nahmen eine feste Gestalt an, die sie bis gegen 1780 oder 1790 hin behielten.
1 Recht der ersten Nacht
Es gab damals drei Klassen von Grundbesitzern, die adligen Landlords, noch die einzige und unangegriffene Aristokratie des Reichs, die ihre Grundstücke in Parzellen verpachtete und die Renten in London oder auf Reisen verzehrte; die nichtadligen Landlords oder Country Gentlemen (gewöhnlich Squires betitelt), die auf ihren Landsitzen lebten, ihr Land verpachteten und die aristokratische Auszeichnung, die ihrer niedrigen Geburt, ihrem Mangel an Bildung und ihrem bäurisch derben Wesen in den Städten verweigert wurde, dafür von ihren Pächtern und den andern Bewohnern der Umgegend genossen. Diese Klasse ist jetzt total verschwunden. Die alten Squires, die unter den Landleuten der Umgegend mit patriarchalischer Autorität herrschten, Ratgeber, Schiedsrichter, alles in allem waren, sind ganz ausgestorben; ihre Nachkommen nennen sich die unbetitelte Aristokratie Englands, wetteifern an Bildung und feinem Benehmen, an Aufwand und aristokratischem Wesen mit dem Adel, der wenig mehr vor ihnen voraushat, und haben mit ihren ungeschliffenen und derben Voreltern nur den Grundbesitz gemein. - Die dritte Klasse der Grundbesitzer waren die Yeomen, Eigentümer kleiner Parzellen, die sie selbst bebauten, gewöhnlich auf die gute alte nachlässige Weise ihrer Vorfahren; auch diese Klasse ist aus England verschwunden, die soziale Revolution hat sie expropriiert und das Kuriosum zustande gebracht, daß zu derselben Zeit, wo in Frankreich der große Grundbesitz gewaltsam parzelliert wurde, in England die Parzellen von dem großen Grundbesitz attrahiert und verschlungen wurden. Neben den Yeomen standen kleine Pächter, die gewöhnlich außer ihrem Landbau noch Weberei betrieben; auch sie sind im heutigen England nicht mehr zu finden; fast alles Land ist jetzt in wenige und große Güter geteilt und so verpachtet. Die Konkurrenz der großen Pächter schlug die kleinen Pächter und Yeomen aus dem Markt und verarmte sie; sie wurden Ackerbautaglöhner und vom Arbeitslohn abhängige Weber und lieferten die Massen, von deren Zufluß die Städte mit so wunderbarer Schnelligkeit zunahmen. Die Bauern führten also seinerzeit ein stilles und geruhiges Leben in aller Göttseligkeit und Ehrbarkeit, lebten ohne viel Sorgen, aber auch ohne Bewegung, ohne allgemeines Interesse, ohne Bildung, ohne geistige Tätigkeit; sie waren noch auf der vorgeschichtlichen Stufe. Die Lage der Städte war nicht viel anders. Nur London war ein bedeutender Handelsplatz; Liverpool, Hull, Bristol, Manchester, Birmingham, Leeds, Glasgow waren noch nicht der Rede wert. Die Hauptindustriezweige, Spinnen und Weben, wurden meist auf dem Lande und wenigstens außerhalb der Städte, in der Umgegend, betrieben; die Anfertigung von Metall- und Töpferwaren stand noch auf der handwerksmäßigen Stufe der Entwickelung; was konnte also viel
in den Städten geschehen? Die unübertreffliche Einfachheit des Wahlsystems überhob die Bürger aller politischen Sorge, man war nominell Whig oder Tory, wußte aber sehr gut, daß das im Grunde gleichgültig sei, da man kein Stimmrecht hatte; kleine Kaufleute, Krämer und Handwerker machten die ganze Bürgerschaft aus und führten das bekannte, dem heutigen Engländer so ganz unbegreifliche Kleinstädterleben. Die Bergwerke wurden noch wenig benutzt; Eisen, Kupfer und Zinn lagen ziemlich ruhig in der Erde, und Kohlen wurden nur für häusliche Zwecke benutzt. Kurz, England war damals in einem Zustande, in dem sich, schlimm genug, der größte Teil Frankreichs und besonders Deutschlands noch befindet, in einem Zustande vorsündflutlicher Apathie gegen alles allgemeine und geistige Interesse, in der sozialen Kindheit, in der es noch keine Gesellschaft, noch kein Leben, kein Bewußtsein, keine Tätigkeit gibt. Dieser Zustand ist de facto die Fortsetzung des Feudalismus und der mittelalterlichen Gedankenlosigkeit und wird erst mit dem Auftreten des modernen Feudalismus, mit der Spaltung der Gesellschaft in Besitzer und Nichtbesitzer, überwunden. Wir auf dem Kontinent, wie gesagt, stecken noch tief in diesem Zustande; die Engländer haben ihn seit achtzig Jahren bekämpft und seit vierzig Jahren überwunden. Wenn die Zivilisation eine Sache der Praxis, eine soziale Qualität ist, so sind die Engländer allerdings das zivilisierteste Volk der Welt. Ich sagte oben, die Wissenschaften hätten im achtzehnten Jahrhundert ihre wissenschaftliche Form angenommen und infolgedessen einerseits an die Philosophie, anderseits an die Praxis angeknüpft. Das Resultat ihrer Anknüpfung an die Philosophie war der Materialismus (der ebensosehr Newton wie Locke zu seiner Voraussetzung hat), die Aufklärung, die französische politische Revolution. Das Resultat ihrer Anknüpfung an die Praxis war die englische soziale Revolution. 1760 kam Georg III. zur Regierung, trieb die Whigs, die seit Georg I. fast ununterbrochen im Ministerium gewesen waren, aber natürlich durchaus konservativ regiert hatten, heraus und legte die Basis zu dem bis 1830 dauernden Monopol der Tories. Die Regierung erhielt dadurch ihre innere Wahrheit wieder; in einer politisch konservativen Epoche Englands war es durchaus billig, daß die konservative Partei regieren sollte. Die soziale Bewegung absorbierte von nun an die Kräfte der Nation und drängte das politische Interesse zurück, ja zerstörte es, denn alle innere Politik ist von nun an nur versteckter Sozialismus, die Form, die die sozialen Fragen annehmen, um in allgemeiner, nationaler Weise sich geltend machen zu können. 1763 begann Dr. James Watt von Greenock, sich mit der Konstruktion der Dampfmaschine zu beschäftigen, und vollendete sie 1768.
1763 legte Josiah Wedgwood durch Einführung wissenschaftlicher Prinzipien den Grund zur englischen Töpferei. Durch seine Bemühungen ist ein wüster Landstrich in Staffordshire in eine gewerbfleißige Gegend - die Potteries - umgeschaffen, die jetzt 60000 Menschen beschäftigt und in der sozial-politischen Bewegung der letzten Jahre eine sehr wichtige Rolle gespielt hat. 1764 erfand James Hargreaves in Lancashire die spinning-jenny, eine Maschine, die von einem Arbeiter getrieben, ihn instand setzte, sechzehnmal mehr als auf dem alten Spinnrade zu spinnen. 1768 erfand Richard Arkwright, ein Barbier aus Preston in Lancashire, die spinning-throstle, die erste Spinnmaschine, die von vornherein auf mechanische Triebkraft berechnet war. Sie produzierte water-twist, d.h. das beim Verweben als Kette gebrauchte Garn. 1776 erfand Samuel Crompton in Bolton, Lancashire, die spinning-mule durch eine Vereinigung der bei der Jenny und Throstle angewandten mechanischen Prinzipien. Die Mule, wie die Jenny, spinnt den mule-twist, d.h. den Einschlag des Webers; alle drei Maschinen sind für die Verarbeitung der Baumwolle bestimmt. 1787 erfand Dr. Cartwright den mechanischen Webstuhl, der indes noch mehrere Verbesserungen erlitt und erst 1801 praktisch angewendet werden konnte. Diese Erfindungen regten die soziale Bewegung an. Ihre nächste Folge war das Entstehen der englischen Industrie, und zwar zuerst der Baumwollenverarbeitung. Die Jenny hatte zwar die Erzeugung des Garns billiger gemacht und durch die hieraus erfolgende Erweiterung des Marktes der Industrie den ersten Anstoß gegeben; aber sie ließ die soziale Seite, die Art des Industriebetriebs, ziemlich unberührt. Erst Arkwrights und Cromptons Maschinen und Watts Dampfmaschine brachten die Bewegung in Gang, indem sie das Fabriksystem schufen. Kleinere, durch Pferde oder Wasserkraft getriebene Fabriken erstanden zuerst, wurden aber bald durch die größeren, mit Wasser oder Dampf getriebenen Fabriken verdrängt. Die erste Dampfspinnerei wurde 1785 in Nottinghamshire durch Watt angelegt; ihr folgten andere, und bald wurde das neue System allgemein. Die Ausdehnung der Dampfspinnerei, wie alle anderen gleichzeitigen und späteren industriellen Reformen, ging mit einer ungeheuern Schnelligkeit vorwärts. Die Einfuhr roher Baumwolle, die 1770 noch unter fünf Millionen Pfund jährlich war, stieg auf 54 Millionen Pfund (1800) und 1836 auf 360 Millionen Pfund. Jetzt kam der Dampfwebstuhl zur praktischen Anwendung und gab dem industriellen Fortschritt neuen Impuls; sämtliche Maschinen erfuhren unzähl
bare kleine, aber in ihrer Summe sehr bedeutende Verbesserungen, und jede neue Verbesserung hatte günstigen Einfluß auf die Ausdehnung des ganzen industriellen Systems. Alle Zweige der Baumwollenindustrie wurden revolutioniert; die Druckerei wurde durch Anwendung mechanischer Hülfen und zugleich mit der Färberei und Bleicherei durch den Fortschritt der Chemie unendlich gehoben; die Fabrikation von Strumpfwaren wurde mit in den Strom gerissen; seit 1809 wurden feine Baumwollsachen, Tüll, Spitzen usw. mit Maschinen gemacht. Mir fehlt hier der Raum, den Fortschritt der Baumwollenfabrikation durch die Details seiner Geschichte zu verfolgen; ich kann nur das Resultat geben, und das wird, der vorsündflutlichen Industrie mit ihren 4 Millionen Pfund Baumwolleneinfuhr, mit ihrem Spinnrade, Handkratze und Handwebstuhl gegenüber, seinen Eindruck nicht verfehlen. 1833 wurden im britischen Reich 10264 Millionen Stränge Garn gesponnen, deren Länge über 5000 Millionen Meilen beträgt, 350 Millionen Ellen Baumwollengewebe gedruckt; 1300 Baumwollenfabriken waren in Arbeit, in denen 237000 Spinner und Weber arbeiteten; über 9 Millionen Spindeln, 100000 Dampf- und 240000 Handwebstühle, 33000 Strumpfwebstühle und 3500 Bobbinetmaschinen waren in Arbeit; 33000 Pferdekraft Dampf, 11 000 Pferdekraft Wasser trieben Maschinen zur Verarbeitung von Baumwolle, und anderthalb Millionen Menschen lebten direkt oder indirekt von diesem Industriezweige. Lancashire nährt sich allein, Lanarkshire großenteils vom Spinnen und Weben der Baumwolle; Nottinghamshire, Derbyshire und Leicestershire sind die Hauptsitze der untergeordneten Zweige der Baumwollenindustrie. Die Quantität der ausgeführten Baumwollenwaren hat sich seit 1801 verachtfacht; die Masse der im Lande selbst verbrauchten ist noch viel mehr gestiegen.
[„Vorwärts!" Nr. 72 vom 7. September 1844] Der der Baumwollenfabrikation gegebene Anstoß teilte sich bald den übrigen Industriezweigen mit. Die PFoWenindustrie war bis dahin der Haupterwerbszweig gewesen; sie wurde jetzt von der Baumwolle zurückgedrängt, aber statt abzunehmen, dehnte sie sich ebenfalls aus. 1785 lag die ganze in drei Jahren gesammelte Wolle unverarbeitet da; die Spinner konnten sie nicht aufarbeiten, solange sie bei ihrem unbeholfenen Spinnrad blieben. Da fing man an, die Baumwollspinnmaschinen auf Wolle anzuwenden, was nach einigen Veränderungen vollkommen gelang, und nun erfuhr die Wollenindustrie dieselbe rasche Ausdehnung, die wir schon bei der Baumwollenfabrikation gesehen haben. Die Einfuhr roher Wolle stieg von 7 Millionen Pfund (1801) auf 42 Millionen Pfund (1835); in letzterem Jahre waren
1300 Wollenfabriken mit 71300 Arbeitern in Tätigkeit, ungerechnet einer Masse von Handwebern, die zu Hause arbeiten, und Druckern, Färbern, Bleichern etc. etc., die ebenfalls indirekt von der Wollenverarbeitung leben. Die Hauptsitze dieses Industriezweiges sind das West-Riding von Yorkshire und der „Westen von England" (besonders Somersetshire, Wiltshire etc.). Die Leinenindustrie hatte früher ihren Hauptsitz in Irland. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts wurden die ersten Fabriken zur Verarbeitung des Flachses, und zwar in Schottland errichtet.DieMaschinerie war indes noch sehr unvollkommen; das Material legte Schwierigkeiten in den Weg, die bedeutende Modifikationen der Maschinen erforderten. Der Franzose Girard (1810) vervollkommnete sie zuerst; aber erst in England wurden diese Verbesserungen praktisch wichtig. Die Anwendung des Dampfwebstuhls auf Leinen wurde noch später durchgeführt; und von jetzt an hob sich die Leinenfabrikatiön, obwohl sie von der Konkurrenz der Baumwolle zu leiden hatte, mit ungeheurer Schnelligkeit. In England wurde Leeds, in Schottland Dundee, in Irland Belfast ihr Zentralpunkt. Dundee allein importierte 1814: 3000, 1834: 19000 Tons Flachs. Die Leinenausfuhr Irlands, wo sich die Handweberei noch neben der Dampfweberei gehalten hat, stieg von 1800 bis 1825 um 20 Millionen Yards, die fast alle nach England gingen und von da aus teilweise wieder ausgeführt wurden; die Ausfuhr des ganzen britischen Reichs nach fremden Ländern stieg von 1820 bis 1833 um 27 Millionen Yards; 1835 waren 347 Flachsfabriken in Arbeit, von denen 170 in Schottland; in diesen Fabriken waren 33000 Arbeiter beschäftigt, ungerechnet die vielen irischen Handwerker. Die <SeiWenindustrie wurde erst seit 1824 durch die Abschaffung der drückenden Zölle wichtig; seitdem hat sich die Einfuhr roher Seide verdoppelt und die Zahl der Fabriken auf 266 mit 30000 Arbeitern vermehrt. Der Hauptsitz dieses Industriezweiges ist Cheshire (Macclesfield, Congleton und Umgegend), dann Manchester und in Schottland Paisley. Der Sitz der Bandwirkerei ist Coventry in Warwickshire. Diese vier Industriezweige, die Anfertigung von Garn und Geweben, wurden so total revolutioniert. An die Stelle der häuslichen Arbeit trat die gemeinschaftliche Arbeit in großen Gebäuden; die Handarbeit wurde durch die Triebkraft des Dampfs und die Tätigkeit der Maschinen ersetzt. Mit Hülfe der Maschine tat jetzt ein Kind von acht Jahren mehr als früher zwanzig erwachsene Männer; sechshunderttausend Fabrikarbeiter, von denen die Hälfte Kinder und mehr als die Hälfte weiblichen Geschlechts, tun die Arbeit von hundertfünfzig Millionen Menschen.
Dies ist aber nur der Anfang der industriellen Umwälzung. Wir haben gesehn, wie Färben, Drucken und Bleichen durch den Fortschritt des Spinnens und Webens ausgedehnt wurden und infolgedessen sich bei der Mechanik und Chemie Hülfe holten. Seit der Anwendung der Dampfmaschine und der metallnen Zylinder beim Drucken tut ein Mann die Arbeit von zweihundert; durch die Benutzung des Chlors statt des Sauerstoffs beim Bleichen ist die Zeit der Operation von ein paar Monaten auf ein paar Stunden reduziert. Dehnte sich so der Einfluß der industriellen Revolution auf die Prozesse aus, die nach dem Spinnen und Weben mit dem Produkt vorgenommen werden, so war die Rückwirkung auf das Material der neuen Industrie noch viel bedeutender. Die Dampfmaschine gab den unerschöpflichen Kohlenlagern, die sich unter der Oberfläche Englands hinziehen, erst ihren Wert; neue Kohlenbergwerke wurden in Masse eröffnet und die alten mit doppelter Energie bearbeitet. Die Anfertigung der Spinnmaschinen und Webstühle fing auch an, einen eignen Industriezweig zu bilden, und wurde zu einer von keiner andern Nation erreichten Vollkommenheit gesteigert. Die Maschinen wurden durch Maschinen gemacht, und durch eine bis ins einzelnste gehende Teilung der Arbeit wurde die Präzision und Genauigkeit erreicht, die den Vorzug der englischen Maschinen ausmacht. Die Maschinenfabrikation wirkte wieder auf die Eisen- und Kupfergewinnung zurück, die indes ihren Hauptanstoß von einer andern Seite her, aber immer noch durch den anfänglichen, von Watt und Arkwright bewirkten Umschwung erhielt. Die Folgen des einmal gegebenen industriellen Anstoßes sind endlos. Die Bewegung eines Industriezweiges teilt sich allen andern mit. Die neugeschaffnen Kräfte verlangen Nahrung, wie wir eben gesehen haben; die neugeschaffne arbeitende Bevölkerung bringt neue Lebensverhältnisse und neue Bedürfnisse mit. Die mechanischen Vorteile der Fabrikation verringern den Preis des Fabrikats, machen also die Lebensbedürfnisse und infolgedessen den Arbeitslohn überhaupt wohlfeiler; alle andern Produkte können wohlfeiler verkauft werden und erlangen dadurch einen im Verhältnisse ihrer Wohlfeilheit ausgedehnteren Markt. Das Beispiel der vorteilhaft angewendeten mechanischen Hülfsmittel einmal gegeben, wird allmählich in allen Industriezweigen nachgeahmt, die Steigerung der Zivilisation, die die unfehlbare Folge aller industriellen Verbesserungen ist, schafft neue Bedürfnisse, neue Fabrikationszweige und dadurch wieder neue Verbesserungen. Die Folge der revolutionierten Baumwollspinnerei mußte eine Revolution der gesamten Industrie sein; und wenn wir die Mitteilung der bewegenden Kraft an die entfernteren Zweige des industriellen Systems nicht immer verfolgen körinen, so ist daran nur der Mangel der statistischen und historischen
Data schuld. Wir werden aber überall sehen, daß die Einführung mechanischer Hülfsmittel und überhaupt wissenschaftlicher Prinzipien die Triebfeder des Fortschritts war. Die Me/aKverarbeitung ist nach dem Spinnen und Weben der Hauptindustriezweig Englands. Warwickshire (Birmingham) und Staffordshire (Wolverhampton) sind die Hauptsitze desselben. Die Dampf kraft wurde sehr bald zu Hülfe genommen, und hierdurch sowie durch Teilung der Arbeit die Produktionskosten der Metallwaren um drei Viertel reduziert. Dafür vervierfachte sich die Ausfuhr von 1800 bis 1835. In ersterem Jahre wurden 86000 Zentner Eisen- und ebensoviel Kupferwaren exportiert, in letzterm 320000 Zentner Eisen- und 210000 Zentner Kupfer- und Messingwaren. Die Ausfuhr von Stangen- und Gußeisen wurde auch erst jetzt bedeutend; 1800 wurden 4600 Tons Stangeneisen, 1835 92000 Tons Stangen-und 14000 Tons Gußeisen ausgeführt. Die englischen Messerwaren werden alle in Sheffield gemacht. Die Benutzung der Dampfkraft, namentlich zum Schleifen und Polieren der Klingen, die Verwandlung von Eisen in Stahl, die erst jetzt wichtig wurde, und die neuerfundene Methode, Stahl zu gießen, bewirkten auch hier eine vollständige Revolution. Sheffield allein verbraucht jährlich 500000 Tons Kohlen und 12000 Tons Eisen, von denen 10000 Tons ausländisches (besonders schwedisches). Der Verbrauch gußeiserner Waren datiert auch seit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und ist erst in den letzten Jahren zu der Bedeutung gestiegen, die er jetzt hat. Die Gasbeleuchtung (seit 1804 praktisch eingeführt) schuf einen ungeheuern Bedarf für gußeiserne Röhren; die Eisenbahnen, Kettenbrücken usw., die Maschinerie usw. steigerten diesen Bedarf noch mehr. 1780 wurde das Puddeln, d.h. die Verwandlung des Gußeisens in schmiedbares Eisen durch Hitze und Entziehung des Kohlenstoffs erfunden, und dies gab den englischen Eisenbergwerken neue Bedeutung. Wegen Mangels an Holzkohlen hatten die Engländer bis dahin alles Schmiedeeisen von außen beziehen müssen. Seit 1790 wurden Nägel, seit 1810 Schrauben durch Maschinen gemacht; 1760 erfand Huntsman in Sheffield das Stahlgießen; Draht wurde durch Maschinerie gezogen und überhaupt in die ganze Eisen- und Messingindustrie eine Masse neuer Maschinen eingeführt, die Handarbeit verdrängt und, soviel die Natur der Sache es zuließ, das Fabriksystem durchgesetzt, Die Ausdehnung der Bergwerke war nur die notwendige Folge hiervon. Bis 1788 war alles Eisenerz mit Holzkohle geschmolzen worden und die Eisengewinnung daher durch die geringe Quantität des Brennmaterials be
schränkt. Seit 1788 fing man an, Koks (geschwefelte Kohlen) statt der Holzkohlen anzuwenden, und versechsfachte dadurch in sechs Jahren das Quantum der jährlichen Gewinnung. 1740 wurden jährlich 17000 Tons, 1835 wurden 553000 Tons gewonnen. Die Ausbeute der Zinn- und Kupferminen verdreifachte sich seit 1770. Aber neben den Eisenminen sind die Kohlengruben die wichtigsten Bergwerke Englands. Die Ausdehnung der Kohlengewinnung seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist gar nicht zu berechnen. Die Masse der Kohlen, die jetzt von den zahllosen in Fabriken und Bergwerken tätigen Dampfmaschinen, von den Schmiedeessen, von den Schmelzöfen und Gießereien und von der Privatheizung einer verdoppelten Bevölkerung verbraucht wird, steht mit dem vor hundert oder achtzig Jahren verbrauchten Quantum in gar keinem Verhältnis. Die Schmelzung des Roheisens allein verzehrt jährlich über drei Millionen Tons (zu zwanzig Zentner die Tons). Die Schöpfung der Industrie hatte zur nächsten Folge die Verbesserung der Kommunikationsmittel. Die Straßen waren im vorigen Jahrhundert in England ebenso schlecht wie anderswo und blieben es auch, bis der berühmte MacAdam den Straßenbau auf wissenschaftliche Prinzipien reduzierte und dadurch dem Fortschritt der Zivilisation einen neuen Anstoß gab. Von 1818 bis 1829 wurden in England und Wales neue Chausseen von einer Gesamtlänge von 1000 englischen Meilen, ungerechnet die kleineren Feldwege, angelegt und fast alle alten nach MacAdams Prinzipien erneuert. In Schottland legte die Behörde der öffentlichen Arbeiten seit 1803 über 1000 Brücken an; in Irland wurden die weiten Moorwüsten des Südens, in denen ein halbwildes Räubergeschlecht wohnte, von Straßen durchschnitten. Hierdurch wurden alle Winkel des Landes, die bisher außer aller Verbindung mit der Welt gestanden hatten, zugänglich gemacht; namentlich die keltisch-redenden Bezirke Wales, die schottischen Hochlande und der Süden von Irland wurden dadurch gezwungen, sich mit der Außenwelt bekannt zu machen und die ihnen aufgedrängte Zivilisation anzunehmen. 1755 wurde der erste erwähnenswerte Kanal in Lancashire angelegt; 1759 fing der Herzog von Bridgewater seinen Kanal von Worsley nach Manchester an. Seitdem sind Kanäle von einer Gesamtlänge von 2200 Meilen erbaut worden; außer ihnen besitzt England noch 1800 Meilen schiffbarer Flüsse, deren größter Teil auch erst in der letzten Zeit nutzbar gemacht worden ist. Seit 1807 wurde die Dampfkraft zur Forttreibung von Schiffen angewandt, und seit dem ersten britischen Dampfschiff (1811) wurden 600 andre erbaut. 1835 waren an 550 Dampfschiffe in britischen Häfen in Tätigkeit.
Die erste öffentliche Eisenbahn wurde 1801 in Surrey gebaut; aber erst mit der Eröffnung der Liverpool-Manchester Eisenbahn (1830) wurde das neue Kommunikationsmittel bedeutend. Sechs Jahre später waren 680 englische Meilen Eisenbahnen eröffnet und vier große Linien, von London nach Birmingham, Bristol und Southampton und von Birmingham nach Manchester und Liverpool, in Arbeit. Seitdem wurde das Netz über ganz England ausgedehnt; London ist der Knotenpunkt für neun, Manchester für fünf Eisenbahnen.* Diese Revolutionierung der englischen Industrie ist die Basis aller modernen englischen Verhältnisse, die treibende Kraft der ganzen sozialen Bewegung. Ihre erste Folge war die schon oben angedeutete Erhebung des Interesses zur Herrschaft über den Menschen. Das Interesse bemächtigte sich der neugeschaffnen industriellen Kräfte und beutete sie zu seinen Zwecken aus; diese von Rechts wegen der Menschheit gehörenden Kräfte wurden durch die Einwirkung des Privateigentums das Monopol weniger reicher Kapitalisten und das Mittel zur Knechtung der Masse. Der Handel nahm die Industrie in sich auf und wurde dadurch allmächtig, wurde das Band der Menschheit; aller persönliche und nationale Verkehr löste sich in Handelsverkehr auf, und, was dasselbe ist, das Eigentum, die Sache, wurde zum Herrn der Welt erhoben.
[„Vorwärts!" Nr. 73 vom 11. September 1844] Die Herrschaft der Eigentums mußte sich notwendig zuerst gegen den Staat wenden und diesen auflösen oder wenigstens, da es ihn nicht entbehren kann, aushöhlen. Adam Smith begann diese Aushöhlung gleichzeitig mit der industriellen Revolution, indem er 1776 seine „Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Nationalreichtums" herausgab und dadurch die Finanzwissenschaft schuf. Alle bisherige Finanzwissenschaft war exklusiv national gewesen; die Staatswirtschaft war als ein bloßer Zweig des ganzen Staatswesens angesehen, dem Staat als solchen untergeordnet worden; Adam Smith machte den Kosmopolitismus den nationalen Zwecken Untertan und erhob die Staatswirtschaft zum Wesen und Zweck des Staats. Er reduzierte die Politik, die Parteien, die Religion, alles auf ökonomische Kategorien und erkannte dadurch das Eigentum als das Wesen, die Bereicherung als den
* Die obigen statistischen Details sind größtenteils dem „Progress of the Nation", von G. Porter, einem Beamten der Board of Trade unter dem Whigministerium, also offiziellen Quellen entlehnt.12333
Zweck des Staats an. Auf der andern Seite stützte William Godwin („Political Justice", 1793[234:l) das republikanische System der Politik, stellte zu gleicher Zeit mit J. Bentham das Utilitätsprinzip auf, wodurch das republikanische Salus publica suprema lex1 zu seinen legitimen Konsequenzen gebracht wurde, und griff das Wesen des Staats selbst durch seinen Satz, daß der Staat ein Übel ist, an. Godwin faßt das Utilitätsprinzip noch ganz allgemein als die Pflicht des Bürgers, mit Vernachlässigung des individuellen Interesses nur dem allgemeinen Besten zu leben; Bentham dagegen führt die wesentlich soziale Natur dieses Prinzips weiter aus, indem er, in Übereinstimmung mit der gleichzeitigen Nationalrichtung, das Einzelinteresse zur Basis des allgemeinen machte, die Identität beider in dem besonders von seinem Schüler Mill entwickelten Satze: daß Menschenliebe nichts anders ist als aufgeklärter Egoismus, anerkennt und dem „Allgemeinen Besten" die größte. Glückseligkeit der größten Zahl substituiert.! Bentham begeht hier in seiner Empirie denselben Fehler, den Hegel in der Theorie begangen hat; er macht nicht Ernst mit der Überwindung der Gegensätze, er macht das Subjekt zum Prädikat, das Ganze dem Teil Untertan und stellt dadurch alles auf den Kopf.JErst spricht er von der Untrennbarkeit des allgemeinen und einzelnen Interesses, und nachher bleibt er einseitig beim krassen Einzelinteresse stehen; sein Satz ist nur der empirische Ausdruck des andern, daß der Mensch die Menschheit ist, aber weil er empirisch ausgedrückt ist, gibt er nicht dem freien, selbstbewußten und selbstschaffenden, sondern dem rohen, blinden, in den Gegensätzen befangenen Menschen die Rechte der Gattung. Er macht die freie Konkurrenz zum Wesen der Sittlichkeit, reguliert die Beziehungen der Menschheit nach den Gesetzen des Eigentums, der Sache, nach Naturgesetzen, und ist so die Vollendung des alten, christlichen, naturwüchsigen Weltzustandes, die höchste Spitze der Veräußerung, aber nicht der Anfang des neuen, durch den selbstbewußten Menschen mit voller Freiheit zu schaffenden Zustandes. Er geht nicht über den Staat hinaus, aber er nimmt ihm allen Gehalt, ersetzt die politischen Prinzipien durch soziale, macht die politische Organisation zur Form des sozialen Inhalts und bringt dadurch den Widerspruch auf die höchste Spitze.
Zu gleicher Zeit mit der industriellen Revolution entstand die demokratische Partei. 1769 stiftete J. Hörne Tooke die Society of the Bill of Rights, in der zuerst wieder seit der Republik demokratische Prinzipien diskutiert wurden. Wie in Frankreich waren die Demokraten lauter philosophisch gebildete Männer, aber sie fanden bald, daß die höheren und Mittelklassen
1 Das öffentliche Wohl ist das oberste Gesetz
ihnen entgegenstanden und nur die arbeitende Klasse ihren Grundsätzen ein offnes Ohr lieh. Unter dieser fanden sie bald eine Partei, und diese Partei war 1794 schon ziemlich stark, aber immer noch nicht stark genug, um anders als stoßweise wirken zu können. Von 1797 bis 1816 war von ihr keine Rede; in den bewegten Jahren von 1816 bis 1823 war sie wieder sehr tätig, sank aber dann bis zur Julirevolution11433 wieder in Untätigkeit zurück. Von da an hat sie ihre Bedeutung neben den alten Parteien behalten und ist in einem regelmäßigen Fortschritt begriffen, wie wir dies später sehen werden. Das wichtigste Resultat des achtzehnten Jahrhunderts war für England die Schöpfung des Proletariats durch die industrielle Revolution. Die neue Industrie erforderte eine stets fertige Masse von Arbeitern für die zahllosen neuen Zweige der Arbeit, und zwar Arbeiter, wie sie bisher nicht dagewesen waren. Bis 1780 hatte England wenig Proletarier, wie dies notwendig aus der oben dargestellten sozialen Lage der Nation hervorgeht. Die Industrie konzentrierte die Arbeit auf Fabriken und Städte; die Vereinigung der gewerblichen und ackerbauenden Tätigkeit wurde unmöglich gemacht und die neue Arbeiterklasse rein auf ihre Arbeit angewiesen. Die bisherige Ausnahme wurde Regel und breitete sich allmählich auch außerhalb der Städte aus. Die Parzellenkultur des Landes wurde durch die großen Pächter verdrängt und dadurch eine neue Klasse von Ackerbautaglöhnem geschaffen. Die Städte verdreifachten und vervierfachten ihre Bevölkerung, und fast all dieser Zuwuchs bestand aus bloßen Arbeitern, Die Ausdehnung des Bergbaues erforderte ebenfalls eine große Zahl neuer Arbeiter, und auch diese lebten bloß von ihrem Taglohn. Auf der andern Seite erhob sich die Mittelklasse zur entschiedenen Aristokratie. Die Fabrikanten vervielfachten in der industriellen Bewegung ihr Kapital auf eine wunderbar schnelle Weise; die Kaufleute bekamen ebenfalls ihr Teil, und das durch diese Revolution geschaffene Kapital war das Mittel, mit dem die englische Aristokratie die französische Revolution bekämpfte. Das Resultat der ganzen Bewegung war das, daß England jetzt in drei Parteien gespalten ist, in die Landaristokratie, die Geldaristokratie und die arbeitende Demokratie. Diese sind die einzigen Parteien in England, die einzigen Triebfedern, die hier wirken, und wie sie wirken, werden wir vielleicht in einem spätem Artikel darzustellen versuchen.
Friedrich Engels
Die Lage Englands
II Die englische Konstitution
[„Vorwärts!" Nr. 75 vom 18. September 1844] Im vorigen Artikel sind die Prinzipien entwickelt worden, nach denen die gegenwärtige Stellung des britischen Reichs in der Geschichte der Zivilisation zu beurteilen ist, sowie die nötigen Data über die Entwicklung der englischen Nation gegeben worden, soweit sie zu diesem Zwecke unumgänglich, aber auf dem Kontinent weniger bekannt sind; wir können somit, nach Begründung unsrer Voraussetzungen, ohne weiteres auf unsern Gegenstand selbst losgehen. Die Lage Englands hat bisher allen übrigen Völkern Europas beneidenswert geschienen und ist es auch für jeden, der auf der Oberfläche sich herumtreibt und bloß mit dem Auge des Politikers sieht. England ist ein Weltreich in dem Sinne, wie ein solches heutzutage bestehen kann und wie im Grunde alle andern Weltreiche auch gewesen sind; denn auch Alexanders und Cäsars Reich war wie das englische eine Herrschaft zivilisierter Völker über Barbaren und Kolonien. Kein andres Land der Welt kann sich an Macht und Reichtum mit England messen, und diese Macht und dieser Reichtum liegen nicht wie in Rom in der Hand eines einzelnen Despoten, sondern gehören dem gebildeten Teil der Nation. Die Furcht vor dem Despotismus, der Kampf gegen die Macht der Krone, existieren in England seit hundert Jahren nicht mehr; England ist unleugbar das freiste, d.h. am wenigsten unfreie Land der Welt, Nordamerika nicht ausgenommen, und infolgedessen hat der gebildete Engländer einen Grad angeborner Unabhängigkeit an sich, dessen kein Franzose, geschweige denn ein Deutscher, sich rühmen kann. Die politische Tätigkeit, die freie Presse, die Seeherrschaft und die riesenhafte Industrie Englands haben die dem Nationalcharakter inwohnende Energie, die entschlossenste Tatkraft neben der ruhigsten Überlegung, so vollständig fast in jedem Individuum entwickelt, daß auch hierin die kontinentalen Völker unendlich weit hinter den Engländern zurück
stehen. Die Geschichte der englischen Armee und Flotte ist eine Reihe glänzender Siege, während England seit achthundert Jahren kaum einen Feind an seinen Küsten gesehen hat; der Literatur kann nur von der altgriechischen und deutschen der Rang streitig gemacht werden, in der Philosophie hat England wenigstens zwei - Bacon und Locke in den empirischen Wissenschaften unzählbare große Namen aufzuweisen, und wenn es sich darum handelt, welches Volk am meisten getan hat, so darf kein Mensch leugnen, daß die Engländer dies Volk sind. Das sind die Dinge, deren England sich rühmen kann, die es vor den Deutschen und Franzosen voraus hat und die ich hier von vornherein aufgezählt habe, damit die guten Deutschen gleich anfangs von meiner „Unparteilichkeit" sich überzeugen können; denn ich weiß sehr wohl, daß man in Deutschland viel eher von den Deutschen als von irgendeiner andern Nation rücksichtslos sprechen darf. Und diese eben aufgezählten Dinge bilden mehr oder weniger das Thema der ganzen bändereichen und doch höchst unfruchtbaren und überflüssigen Literatur, die auf dem Kontinent über England zusammengeschrieben worden ist. In das Wesen der englischen Geschichte und des englischen Nationalcharakters einzugehen, ist niemand eingefallen, und wie jämmerlich die ganze Literatur über England ist, geht schon aus dem einfachen Faktum hervor, daß das jämmerliche Buch des Herrn von RaumerC23B], soviel ich weiß, in Deutschland noch für das beste über den Gegenstand gilt. Fangen wir, da man bisher England nur von der politischen Seite betrachtet hat, mit dieser an. Prüfen wir die englische Konstitution, die, nach dem Ausdruck des Tory, „das vollkommenste Produkt der englischen Vernunft" ist, und verfahren wir, um dem Politiker noch einen Gefallen zu tun, vorderhand ganz empirisch. Das juste-milieu findet die englische Verfassung besonders darin schön, daß sie sich „historisch" entwickelt hat; d.h. auf deutsch, daß man die alte, durch die Revolution von 1688 geschaffene Grundlage beibehalten und auf diesem Fundament, wie sie's nennen, weiter gebaut hat. Wir werden schon sehen, welchen Charakter die englische Verfassung dadurch bekommen hat; vorläufig genügt die einfache Vergleichung des Engländers von 1688 mit dem Engländer von 1844, um zu beweisen, daß ein gleiches, konstitutionelles Fundament für beide ein Unding, eine Unmöglichkeit ist. Selbst von dem allgemeinen Fortschritt der Zivilisation abgesehen, so ist schon der politische Charakter der Nation ein ganz andrer als damals. Die TestakteC224], die Habeas-Corpus-Akte, die Bill of RightsC23fl] waren Whigmaßregeln, die aus der Schwäche und Überwindung der damaligen Tories hervorgingen und
gegen diese Tories, d.h. gegen die absolute Monarchie und den offnen oder verborgenen Katholizismus gerichtet waren. Aber schon in den nächsten fünfzig Jahren verschwanden die alten Tories, und ihre Nachkommen nahmen die Prinzipien an, die bisher das Eigentum der Whigs gewesen waren; seit der Thronbesteigung Georgs I. gingen die monarchisch-katholischen Tories in eine aristokratisch-hochkirchliche Partei über, und seit der französischen Revolution, die sie erst zum Bewußtsein brachte, verflüchtigten sich die positiven Satzungen des Toryismus immer mehr zu der Abstraktion des „Konservatismus", der nackten, gedankenlosen Verteidigung des Bestehenden - ja selbst diese Stufe ist schon überschritten, in Sir Robert Peel hat sich der Toryismus zur Anerkennung der Bewegung entschlossen, hat die Unhaltbarkeit der englischen Konstitution eingesehen und kapituliert nur noch, um das verrottete Machwerk solange zu halten wie möglich. — Die Whigs haben eine ebenso wichtige Entwicklung durchgemacht, eine neue, demokratische Partei ist entstanden, und doch soll das Fundament von 1688 noch breit genug sein für 1844! Die notwendige Folge dieser „historischen Entwicklung" ist nun, daß die innern Widersprüche, die das Wesen der konstitutionellen Monarchie ausmachen und die schon zu der Zeit, als die neuere deutsche Philosophie noch den republikanischen Standpunkt einnahm, hinreichend aufgedeckt worden sind - daß diese Widersprüche in der modernen englischen Monarchie ihre Spitze erreichen. In der Tat, die englische konstitutionelle Monarchie ist die Völlendüng der konstitutionellen Monarchie überhaupt, ist der einzige Staat, in dem, soweit dies jetzt noch möglich, eine wirkliche Adelsaristokratie ihren Platz neben einem verhältnismäßig sehr entwickelten Volksbewußtsein ihre Stelle behauptet hat, und in dem daher die auf dem Kontinent künstlich wiederhergestellte und mühsam aufrechterhaltene Dreieinigkeit der gesetzgebenden Gewalt wirklich existiert.
Wenn das Wesen des Staats, wie der Religion, die Angst der Menschheit vor sich selber ist, so erreicht diese Angst in der konstitutionellen und namentlich der englischen Monarchie ihren höchsten Grad. Die Erfahrung dreier Jahrtausende hat die Menschen nicht klüger, sondern im Gegenteil verwirrter, befangener, hat sie wahnsinnig gemacht, und das Resultat dieses Wahnsinnes ist der politische Zustand des heutigen Europas. Die reine Monarchie erregt Schrecken - man denkt an den orientalischen und römischen Despotismus. Die reine Aristokratie ist nicht weniger furchtbar - die römischen Patrizier und der mittelalterliche Feudalismus, die venezianischen und genuesischen Nobili sind nicht umsonst dagewesen. Die Demokratie ist fürchterlicher als beide; Marius und Sulla, Cromwell und Robespierre, die blutigen Häupter zweier Könige, die Proskriptionslisten und die Diktatur
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reden laut genug von den „Greueln" der Demokratie. Zudem ist es weltbekannt, daß keine dieser Formen sieh je hat lange halten können. Was also war zu tun? Statt geradeaus vorwärtszugehen, statt von der Unvollkommenheit oder vielmehr Unmenschlichkeit aller Staatsformen den Schluß zu ziehen, daß der Staat selbst die Ursache aller dieser Unmenschlichkeiten und selbst unmenschlich sei, statt! dessen beruhigte man sich bei der Ansicht, daß die Unsittlichkeit nur den Staats/ormen anklebe, folgerte aus den obigen Prämissen, daß drei unsittliche Faktoren zusammen ein sittliches Produkt machen können, und schuf die konstitutionelle Monarchie. Der erste Satz der konstitutionellen Monarchie ist der vom Gleichgewicht der Gewalten, und dieser Satz ist der vollkommenste Ausdruck für die Angst der Menschheit vor sich selbst. Ich will von der lächerlichen Unvernünftigkeit, von der totalen Unausführbarkeit dieses Satzes gar nicht reden, ich will nur untersuchen, ob er in der englischen Konstitution durchgeführt ist, ich werde mich, wie ich versprach, rein empirisch; halten, so empirisch, daß ich es vielleicht selbst unsern politischen Empirikern zu sehr sein werde. Ich nehme also die englische Verfassung nicht, wie sie in Blackstones „Commentaren", in de Lohnes Hirngespinsten1337-1 oder in der langen Reihe konstituierender Statuten von „Magna Charta''1-23®-1 bis auf die Reformbill1-198', sondern wie sie in der Wirklichkeit besteht. Zuerst das monarchische Element. Jedermann weiß, was es mit dem souveränen König von England, männlichen oder weiblichen Geschlechts, auf sich hat. Die Macht der Krone reduziert sich in der Praxis auf Null, und wenn ein in aller Welt notorisches Faktum noch des Beweises bedürfte, so wäre die Tatsache, daß seit mehr als hundert Jahren aller Kampf gegen die Krone aufgehört hat,-daß selbst die radikal-demokratischen Chartisten ihre Zeit zu etwas Besserem als zu diesem Kampf anzuwenden wissen, Beweis genug. Wo also bleibt das in der Theorie der Krone zugewiesene Drittel der gesetzgebenden Gewalt? Dennoch - und hierin erreicht die Angst ihren Gipfel - dennoch kann die englische Konstitution nicht ohne die Monarchie bestehen. Nehmt die Krone, die „subjektive Spitze", weg, und das ganze künstliche Gebäude fällt über den Haufen. Die englische Verfassung ist eine umgekehrte Pyramide; die Spitze ist zugleich die Basis. Und je unbedeutender das monarchische Element in der Wirklichkeit wurde, desto bedeutender wurde es dem Engländer. Nirgends ist bekanntlich die nichtregierende Persönlichkeit angebeteter als in England. Die englischen Journale übertreffen an sklavischem Servilismus die deutschen bei weitem. Dieser ekelhafte Kultus des Königs als solchen, die Anbetung der ganz entleerten, alles Inhalts beraubten Vorstellung - nicht Vorstellung/des Wortes: „König" ist aber
die Vollendung der Monarchie, wie die Anbetung des bloßen Wortes „Gott" die Vollendung der Religion ist. Das Wort König ist das Wesen des Staats, wie das Wort Gott das Wesen der Religion ist, wenn auch beide Worte rein gar nichts bedeuten. Bei beiden ist die Hauptsache, daß die Hauptsache, nämlich der Mensch, der hinter diesen Worten steckt, ja nicht zur Sprache komme. Sodann das aristokratische Element. Diesem geht es, wenigstens in der ihm von der Verfassung angewiesenen Sphäre, wenig besser , als der Krone. Wenn der Spott, mit dem das Oberhaus seit mehr als hundert Jahren fortwährend überhäuft wurde, allmählich so sehr ein Bestandteil der öffentlichen Meinung geworden ist, daß dieser Zweig der gesetzgebenden Gewalt allgemein für ein Invalidenhaus für ausgediente Staatsmänner, daß das Anerbieten einer Pairie von jedem noch nicht ganz verschlissenen Mitgliede des Unterhauses für eine Beleidigung angesehen wird, so läßt sich leicht denken; in welcher Achtung die zweite der durch die Konstitution eingesetzten Staatsmächte steht. In der Tat ist die Tätigkeit der Lords im Oberhause :zü einer bloßen, nichtssagenden Förmlichkeit herabgesunken und erhebt sich nur selten zu einer Art von Energie der Trägheit, wie sie sich während der Whigherrschaft von 1830 bis 1840 zeigte - aber selbst dann sind die Lords nicht stark durch sich selbst, sondern durch die Partei, deren reinste Vertreter sie sind, die Tories; und das Oberhaus, dessen Hauptvorzug in der Theorie der Konstitution der sein soll, daß es von der Krone und dem Volk gleich unabhängig sei, ist in der Wirklichkeit von einer Partei, also von dem Stande der Volksmeinung, und durch das Recht der Krone, Pairs zu ernennen, auch von dieser abhängig. Aber je ohnmächtiger das Oberhaus ist, desto festeren Boden erhielt es in der öffentlichen Meinung. Die konstituw tionellen Parteien, Tories, Whigs und Radikale, schaudern gleich sehr vor der Abschaffung dieser leeren Förmlichkeit zurück, Und die Radikalen be4 merken höchstens, daß die Lords, als die einzige unverantwortliche Macht der Konstitution, eine Anomalie seien und deshalb die erbliche durch eine Wahlpairie zu ersetzen sei. Es ist wieder die Angst vor der Menschheit, die diese leere Form aufrechterhält, und die Radikalen, die für das Unterhaus eine reine demokratische Basis verlangen, treiben diese Angst noch weiter als die übrigen beiden Parteien, indem sie, um das abgenutzte, überlebte Oberhaus ja nur nicht fallenzulassen, ihm durch Infusion populären Bluts noch etwas Lebenskraft einzuhauchen suchen. Die Chartisten wissen besser; was sie zu tun haben; sie wissen, daß vor dem Sturm eines demokratischen Unterhauses das ganze morsche Gerüst, Krone und Lords und so weiter; von selbst zusammenbrechen muß, und plagen sich daher nicht, wie die
Radikalen, mit der Reform der Pairie. - Und wie die Anbetung der Krone in demselben Verhältnis gestiegen ist, wie die Macht der Krone abnahm, so ist auch die populäre Achtung vor der Aristokratie um so höher geworden, je unbedeutender der politische Einfluß des Oberhauses wurde. Nicht nur, daß die emiedrigendsten Förmlichkeiten der Feudalzeit beibehalten wurden, daß die Mitglieder des Unterhauses, wenn sie in offizieller Kapazität vor den Lords erscheinen, mit dem Hut in der Hand vor den sitzenden und bedeckten Lords stehen müssen, daß die offizielle Anrede an einen Adligen lautet: „Möge es Eurer Lordschaft gefallen" (May it please your lordship) usw.; das schlimmste ist, daß alle diese Förmlichkeiten wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung sind, die einen Lord für ein Wesen höherer Art ansieht und einen Respekt vor Stammbäumen, volltönenden Titeln, alten Familienandenken usw. hegt, der uns Kontinentalen ebenso widerwärtig und ekelerregend ist wie der Kultus der Krone. Auch in diesem Zuge des englischen Charakters haben wir wieder die Anbetung eines leeren, nichtssagenden Wortes, die vollkommen wahnsinnige, fixe Idee, als ob eine große Nation, als ob die Menschheit und das Universum nicht ohne das Wort Aristokratie bestehen könnte. Bei alledem hat die Aristokratie in der Wirklichkeit dennoch einen bedeutenden Einfluß; aber wie die Macht der Krone die Macht der Minister, d.h. der Repräsentanten der Majorität des Unterhauses ist, also eine ganz andre Richtung angenommen hat, als die Konstitution beabsichtigte, so besteht die Macht der Aristokratie in etwas ganz anderem als in ihrem Anrecht auf einen erblichen Sitz in der Legislatur. Die Aristokratie ist stark durch ihren ungeheuren Grundbesitz, durch ihren Reichtum überhaupt, und teilt diese Stärke daher mit allen andern, nichtadligen Reichen; die Macht der Lords wird nicht im Oberhause, sondern im Hause der Gemeinen entwickelt, und dies führt uns zu dem Bestandteil der Legislatur, der nach der Konstitution das demokratische Element vertreten soll.
[»Vorwärts!" Nr. 76 vom 21. September 1844] Wenn die Krone und das Oberhaus machtlos sind, so muß das Unterhaus notwendig alle Gewalt in sich vereinigen, und das ist der Fall. In der Wirklichkeit macht das Unterhaus die Gesetze und verwaltet sie durch die Minister, die nur ein Ausschuß desselben sind. Bei dieser Allmacht des Unterhauses müßte England also eine reine Demokratie sein, wenn auch nominell die beiden andren Zweige der Legislatur bestehen blieben, wenn nur das demokratische Element selbst wirklich demokratisch wäre. Aber davon ist keine Rede. Die Gemeinden blieben bei der Festsetzung der Verfassung nach der Revolution von 1688 in ihrer Zusammensetzung ganz unberührt; die Städte,
Flecken und Wahlbezirke, die das Recht zur Absendung eines Deputierten trüber gehabt hatten, behielten es bei; und dies Recht war durchaus kein demokratisches, „allgemeines Menschenrecht", sondern ein ganz feudalistisches Privilegium, das noch unter Elisabeth ganz willkürlich und aus freier Gnade von der Krone vielen bisher nicht vertretenen Städten verliehen wurde. Selbst den Charakter der Repräsentation, den die Unterhauswahlen wenigstens ursprünglich hatten, verloren sie bald durch die „historische Entwicklung". Die Zusammensetzung des alten Unterhauses ist bekannt. In den Städten war die Erneuerung des Deputierten entweder in der Hand eines einzelnen oder einer geschlossenen und sich selbst ergänzenden Korporation; nur wenige Städte waren offen, d.h. hatten eine ziemlich große Zahl Wähler, und in diesen verdrängte die unverschämteste Bestechung den letzten Rest wirklicher Repräsentation. Die geschlossenen Städte waren meist unter dem Einfluß eines Individuums, gewöhnlich eines Lords; und in den ländlichen Wahlbezirken unterdrückte die Allmacht der großen Grundbesitzer jede etwaige freiere und selbsttätige Regung unter dem übrigens politisch leblosen Volk. Das alte Unterhaus war weiter nichts als eine geschlossene, vom Volk unabhängige, mittelalterliche Korporation, die Vollendung des „historischen" Rechts, die auch nicht ein einziges wirklich oder scheinbar vernünftiges Argument für ihre Existenz anführen konnte, die trotz der Vernunft existierte und darum auch 1794 durch ihr Komitee leugnete, daß sie eine Versammlung von Repräsentanten und England ein Repräsentativstaat sei.* Einer solchen Verfassung gegenüber mußte die Theorie des Repräsentativstaats, selbst der gewöhnlichen konstitutionellen Monarchie mit einer Repräsentantenkammer, als durchaus revolutionär und verwerflich erscheinen, und daher hatten die Tories ganz recht, wenn sie die Reformbill als eine dem Geist und Buchstaben der Konstitution schnurstracks zuwiderlaufende und die Konstitution untergrabende Maßregel bezeichneten. Die Reformbill ging indes durch, und wir haben nun zu sehen, wozu sie die englische Verfassung und besonders das Unterhaus gemacht hat. Zunächst sind die Verhältnisse für die Wahl von Deputierten auf dem Lande ganz dieselben geblieben. Die Wähler sind hier fast ausschließlich selbst Pächter, und diese sind von ihrem Grundbesitzer durchaus abhängig, indem dieser ihnen, die mit ihm in keinem kontraktlichen Verhältnis stehen, jeden Augenblick die
* Second Report of the Committee of Secrecy, to whom thePapers referred to in His Majesty's Message on the 12. May 1794, were delivered.1 (Bericht über die Londoner revolutionären Gesellschaften, London 1794.) Pag. 68 ff.
1 Zweiter Bericht des geheimen Ausschusses, dem die Dokumente übergeben wurden, die sich auf Seiner Majestät Botschaft vom 12. Mai 1794 bezogen.
Pacht aufkündigen kann. Die Deputierten der Grafschaften (im Gegensatz zu den Städten) sind nach wie vor Deputierte der Grundbesitzer, denn nur in den aufgeregtesten Epochen, wie 1831 wagen die Pächter gegen die Grundbesitzer zu stimmen. Ja, die Reformbill machte das Übel nur schlimmer, indem sie die Zahl der Deputierten für Grafschaften vermehrte. Von den 252 Grafschaftsdeputierten können die Tories daher immer auf wenigstens 200 rechnen, es sei denn, daß eine allgemeine Aufregung unter den Pächtern herrsche, die das Einschreiten der Grundbesitzer unklug machen würde. In den Städten wurde wenigstens der Form nach eine Repräsentation eingeführt und jedem, der ein Haus von wenigstens zehn Pfund jährlichen Mietwertes bewohnt und direkte Steuern (Armensteuer etc.) bezahlt, das Stimmrecht erteilt. Hierdurch ist die ungeheure Majorität der arbeitenden Klassen ausgeschlossen; denn erstens wohnen natürlich nur Verheiratete in besondern Häusern, und wenn auch ein bedeutender Teil dieser Häuser jährlich zehn Pfund Miete kostet, so umgehen doch die Einwohner fast alle die Bezahlung der direkten Steuern und sind daher keine Wähler. Die Zahl der Wähler bei chartistischem, allgemeinem Stimmrecht würde sich mindestens verdreifachen. Die Städte sind somit in den Händen der Mittelklasse, und diese wiederum ist in den kleineren Städten sehr häufig - direkt oder indirekt durch die Pächter,, die die Hauptkunden der Krämer und Handwerker sind, von den Grundbesitzern abhängig. In den großen Städten allein kommt die Mittelklasse wirklich zur Herrschaft, und in den kleineren Fabrikstädten, namentlich Lancashires, wo die Mittelklasse an Zahl und das Landvolk an Einfluß unbedeutend ist, wo also schon eine Minorität der Arbeiterklasse ein entscheidendes Gewicht in die Waagschale legt, kommt die Scheinrepräsentation einer wirklichen einigermaßen nahe. Diese Städte, z.B. Ashton, Oldham, Rochdale, Bolton usw. schicken daher auch fast nur Radikale ins Parlament. Eine Ausdehnung des Stimmrechts nach den Grundsätzen der Chartisten würde hier, wie überhaupt in allen Fabrikstädten, diese letztere Partei zur Majorität der Wähler erheben. Außer diesen verschiedenen und in der Praxis sehr komplizierten Einflüssen machen sich aber noch verschiedene Lokalinteressen und zu guter Letzt ein sehr bedeutender Einfluß geltend der der Bestechung. In dem ersten Artikel der gegenwärtigen Reihe war schon die Rede davon, daß das Unterhaus durch sein Bestechungs-Komitee erklärte, es sei durch Bestechung gewählt, und Thomas Düncombe, das einzige entschieden chartistische Mitglied, hat es dem Unterhaus längst geradeheraüs gesagt, daß kein einziger in der ganzen Versammlung, er selbst nicht, sagen könne, daß er durch die freie Wahl seiner Konstituenten, ohne Bestechung, an seinen Platz gekommen sei. Im vergangnen Sommer erklärte Richard
Cobden, Mitglied für Stockport und Führer der Antikorngesetz-Ligüetl95], in einem öffentlichen Meeting in Manchester, daß die Bestechung jetzt einen höheren Grad erreicht habe als je, daß in dem toryistischen Carlton-Klub und dem liberalen Reform-Klub in London die Repräsentation von Städten förmlich an den Meistbietenden versteigert werde und diese Klubs als Unternehmer handelten - gegen soviel Pfunde garantieren wir dir diese Stelle usw. Und zu alledem kommt noch die saubere Manier, mit der die Wahlen vorgenommen werden, die allgemeine Trunkenheit, in der das Votum abgegeben wird, die Schenken, in denen die Wähler auf Kosten der Kandidaten sich berauschen, die Unordnung, die Schlägereien und das Geheul der Masse an den Abstimmungsbuden, um die Nichtigkeit der für sieben Jahre gültigen Repräsentation zu vollenden.
[„Vorwärts!" Nr. 77 vorn 25. September 1844] Wir haben gesehen, daß die Krone und das Oberhaus ihre Bedeutung verloren haben; wir haben gesehen, auf welche Weise das allmächtige Unterhaus rekrutiert wird; dierFrageist jetzt: Wer regiert,dehn eigentlich in England? Der Besitz regiert. Der Besitz befähigt die Aristokratie, die Wahl der ländlichen und kleinstädtischen Deputierten zu beherrschen; der Besitz befähigt die Kaufleute und Fabrikanten, die Deputierten für die großen und teilweise auch die kleinen'Städte zu bestimmen; der Besitz befähigt beide, durch,Bestechung ihren Einfluß zu steigern. Die Herrschaft des Besitzes ist in der Reformbill durch den Zensus ausdrücklich anerkannt. Und insofern der Besitz und der durch den Besitz erworbene Einfluß das 'Wesen der Mittel-» klasse ausmacht, insofern also die Aristokratie bei den Wahlen ihren Besitz geltend macht und damit. nicht als Aristokratiis auftritt, sondern sich der Mittelklasse gleichstellt, insofern der Einfluß der eigentlichen Mittelklasse im ganzen viel stärker ist als der der Aristokratie, insofern herrscht allerdings die Mittelklasse. Aber wie'ünd warum herrscht sie? Weil das Volk über das Wesen des Besitzes noch nicht im klaren, weil es überhaupt - auf dem Lande wenigstens - noch geistig tot ist, und daher sich die Tyrannei des Besitzes gefallen läßt. England ist allerdings eine Demokratie, aber wie Rußland eine,Demokratie ist; wie das Volk unbewußt überall herrscht und in allen Staaten die Regierung nur ein anderer Ausdruck für den Bildungsgrad, des Volkes ist. Es wird schwerhalten, uns von dieser Praxis der englischen Konstitution zu ihrer Theorie zurückzubringen. Die Praxis steht mit der Theorie im schreiendsten Widerspruch; die beiden Seiten sind einander, so entfremdet, daß sie gar keine Ähnlichkeit riiehr haben. Hier eine Dreieinigkeit der Legislatur dort eine Tyrannei der Mittelklasse; hier ein Zweikammersystem dort ein
allmächtiges Haus der Gemeinen; hier eine königliche Prärogative - dort ein von den Gemeinen gewähltes Ministerium; hier ein unabhängiges Oberhaus mit erblichen Gesetzgebern - dort ein Invalidenhaus für überlebte Deputierte. Jeder der drei Bestandteile der gesetzgebenden Gewalt hat seine Macht an ein anderes Element abgeben müssen: die Krone an die Minister, d.h. die Majorität des Unterhauses, die Lords an die Torypartei, also an ein populäres Element, und an die Pairs kreierenden Minister, d. h. im Grund auch an ein populäres Element, und die Gemeinen an die Mittelklasse oder, was dasselbe ist* an die politische Unmündigkeit des Volks. Die englische Konstitution existiert in der Wirklichkeit gar nicht mehr, der ganze langwierige Prozeß der Gesetzgebung ist eine bloße Farce; der Widerspruch von Theorie und Praxis ist so grell geworden, daß er sich unmöglich noch lange halten kann, und wenn auch durch die katholische Emanzipation1-1993, von der wir noch weiter zu reden haben werden, durch die Parlaments- und Munizipalreförm dem Scheine nach die Lebenskraft der siechen Verfassung noch etwas gehoben wurde, so sind doch diese Maßregeln selbst schon das Geständnis, daß man an der Erhaltung der Konstitution verzweifelt, und bringen Elemente in sie hinein, die mit ihren Grundprinzipien entschieden in Widerspruch stehen, also den Konflikt noch dadurch vergrößern, daß sie die Theorie mit sich selbst in Widerspruch bringen. Wir haben gesehen, wie die Organisation der Gewalten in der englischen Verfassung durchaus auf der Angst beruht. Diese Angst zeigt sich noch mehr in den Regeln, nach denen die Gesetzgebung verfährt, den sogenannten Standing Orders. Jeder Gesetzvorschlag muß in jedem der beiden Häuser dreimal in gewissen Zwischenräumen gelesen werden; nach dem zweiten Lesen wird er einem Komitee übergeben, das ihn im einzelnen durchgeht; in wichtigeren Fällen „entschließt sich das Haus in ein Komitee des ganzen Hauses" zur Beratung des Vorschlags und ernennt einen Berichterstatter, der nach Beendigung der Beratung mit vieler Feierlichkeit demselben Hause, das beraten hat, einen Bericht über die Beratung abstattet. Beiläufig, ist dies nicht das schönste Beispiel der „Transzendenz innerhalb der Immanenz und Immanenz innerhalb der Transzendenz", das ein Hegelianer sich nur wünschen kann? „Das Wissen des Unterhauses vom Komitee ist das Wissen des Komitees von sich selbst'*, und der Berichterstatter ist die „absolute Persönlichkeit des Mittlers, in der beide identisch sind". Jeder Gesetzvorschlag wird daher achtmal beraten, ehe er die königliche Sanktion erhalten kann. Diesem ganzen lächerlichen Verfahren liegt natürlich wieder die Angst vor der Menschheit zum Grunde. Man sieht ein, daß der Fortschritt das Wesen der Menschheit ist, aber man hat nicht den Mut, den Fortschritt offen zu proklamieren;
man gibt Gesetze, die absolute Geltung haben sollen, die also dem Fortschritt Schranken setzen; und durch das vorbehaltene Recht, die Gesetze zu ändern, läßt man den soeben geleugneten Fortschritt zur Hintertür wieder hinein. Aber nur ja nicht zu rasch, nur ja nicht übereilt! Der Fortschritt ist revolutionär, ist gefährlich und muß daher wenigstens einen starken Hemmschuh erhalten; ehe man sich zu seiner Anerkennung entschließt, muß man sich die Sache achtmal überlegen. Aber diese Angst, die in sich selbst nichtig ist und nur beweist, daß die Angstlichen selbst noch keine wahren, freien Menschen sind, muß notwendig auch in ihren Maßregeln fehlgreifen. Statt eine umfassendere Beratung der Vorschläge zu sichern, wird die wiederholte Lesung derselben in der Praxis ganz überflüssig und eine bloßeFormsache.DieHauptberatung konzentriert sich gewöhnlich auf die erste oder zweite Lesung, zuweilen auch auf die Debatten im Komitee, je nachdem es der Opposition am besten konveniert. In ihrer ganzen Nichtigkeit erscheint aber diese Vervielfachung der Debatte, wenn man bedenkt, daß das Schicksal jedes Vorschlags schon von vornherein entschieden ist, und wo es nicht entschieden ist, in der Debatte nicht über den speziellen Vorschlag, sondern über die Existenz eines Ministeriums beraten wird. Das Resultat dieser ganzen, achtmal wiederholten Posse ist also nicht etwa eine ruhigere Beratung im Hause selbst, sondern etwas ganz anderes, das gar nicht in der Absicht derer lag, die die Posse einführten. Die Langwierigkeit der Verhandlungen läßt der öffentlichen Meinung Zeit, ein Urteil über die vorgeschlagene Maßregel zu bilden und im Notfalle durch Meetings und Petitionen dagegen zu opponieren, und oft - wie im vorigen Jahre bei Sir James Grahams Erziehungsbill - mit Erfolg. Aber dies, wie gesagt, ist nicht der ursprüngliche Zweck und könnte weit einfacher erreicht werden. Da wir gerade bei den Standing Orders sind, so können wir. noch einige Punkte erwähnen, in denen sich die Angst der englischen Verfassung und der ursprüngliche korporationsmäßige Charakter des Unterhauses verraten. Die Debatten des Unterhauses sind nicht öffentlich; die Zulassung ist ein Privilegium und wird gewöhnlich nur durch einen schriftlichen Befehl eines Mitgliedes erwirkt. Während der Abstimmung werden die Galerien geräumt; trotz dieser lächerlichen Geheimniskrämerei, gegen deren Abschaffung das Haus sich immer heftig gewehrt hat, stehen die Namen der für oder wider stimmenden Mitglieder den andern Tag in allen Zeitungen. Die radikalen Mitglieder haben nie einen authentischen Abdruck der Protokolle durchsetzen können noch vor vierzehn Tagen fiel eine dahingehende Motion durch -, infolgedessen ist der Drucker der in den Zeitungen erscheinenden Parlamentsberichte für den Inhalt derselben allein verantwortlich und kann von jedem, der sich durch einen Ausspruch eines Parlamentsmitgliedes beleidigt fühlt,
wegen Veröffentlichung verleumderischer. Aussagen - gesetzlich auch von der Regierung - belangt werden, während der Urheber der Verleumdung durch sein parlamentarisches Privilegium gegen alle Verfolgung sichergestellt ist. Diese und eine Menge andrer Punkte in den Standing Orders zeigen den exklusiven, antipopulären Charakter des reformierten Parlaments; und die Zähigkeit, mit der das Unterhaus an diesen Gebräuchen festhält, zeigt deutlich genug, daß es keine Lust hat, sich aus einer privilegierten Korporation in eine Versammlung von Volksrepräsentanten zu verwandeln.
[„Vorwärts!" Nr. 78 vom 28. September 18441 Ein anderer Beweis hierfür ist das Privilegium des Parlaments, die exzeptionelle Stellung seiner Mitglieder gegenüber den Gerichten und das Recht des Unterhauses, jeden, den es will, verhaften zu lassen. Ursprünglich gegen die Übergriffe einer seitdem aller Macht entkleideten Krone gerichtet, hat dies Privilegium in der neueren Zeit sich nur gegen das Volk gewendet. 1771 erzürnte sich das Haus über die Frechheit der Zeitungen, die die Debatten veröffentlichten, wozu doch nur das Haus selbst berechtigt sei, und versuchte durch Verhaftungen von Druckern und dann von Beamten, die diese Drucker freigelassen hatten, dieser Frechheit ein Ziel zu setzen. Natürlich mißlang dies; aber der Versuch beweist, was es mit dem Privilegium des Parlaments auf sich hat, und das Mißlingen beweist, daß auch das Unterhaus, trotz seiner Erhabenheit über das Volk, dennoch von diesem abhängig ist, daß also auch das Unterhaus nicht regiert. In einem Lande, wo „das Christentum ein wesentlicher Bestandteil der Landesgesetze ist" (Christianity is part and parcel of the laws of the land), gehört die Staatskirche notwendig zur Verfassüng. England ist Seiner Verfassung nach wesentlich ein christlicher Staat, und zwar ein vollständig ausgebildeter, starker christlicher Staat; Staat und Kirche sind vollkommen verschmolzen und untrennbar. Diese Einheit von Kirche und Staat kann aber nur in einer christlichen Konfession, zur Ausschließung aller andern, be: stehen, und diese ausgeschlossenen Sekten sind dadurch natürlich als Ketzer bezeichnet und der religiösen und politischen Verfolgung verfallen. So in England. Sie wurden also von jeher allesamt in eineKlasse zusammengeworfen, als Nonkönformisten oder Dissenters von aller Teilnahme am Staat ausgeschlossen, in ihrem Kultus gestört und gehindert und mit Strafgesetzen verfolgt. Je eifriger sie sich gegen die Einheit von Kirche und Staat erklärten, •desto heftiger wurde diese Einheit von der herrschenden Partei verteidigt und .zu einem Lebenspunkt des Staats erhoben. Als der christliche Staat in England noch in voller Blüte stand, war daher auch die Verfolgung der Dissenters
und besonders der Katholiken an der Tagesordnung, eine Verfolgung, die zwar weniger heftig, aber universeller, ausdauernder war als die des Mittelalters. Die akute Krankheit ging in.eine chronische über, die plötzlichen, blutdürstigen Wutanfälle des Katholizismus verwandelten sich in eine kalte, politische Berechnung, die die Heterodoxie durch einen gelinderen, aber einhaltenden Druck auszurotten suchte; Die Verfolgung wurde auf das weltliche Gebiet herübergezogen und dadurch unerträglicher gemacht. Der Unglaube an die neununddreißig Artikel1240-1 hörte auf, Blasphemie zu sein, aber anstatt dessen machte man ihn zum Staatsverbrechen. Aber der Fortschritt der Geschichte ließ sich nicht aufhalten; der Abstand zwischen der Gesetzgebung von 1688 und der öffentlichen Meinung von 1828 war so groß, daß in diesem Jahre selbst das Unterhaus sich genötigt sah, die drückendsten Gesetze gegen die Dissenters aufzuheben. Die Testakte und die religiösen Paragraphen der Korporationsakte1-2411 wurden abgeschafft; die Emanzipation der Katholiken folgte im nächsten Jahre trotz der wütenden Opposition der Tories. Die Tories, die Vertreter der Konstitution, hatten volles Recht in dieser Opposition, da keine einzige der liberalen Parteien, auch die Radikalen nicht, die Konstitution selbst angriffen. Die Konstitution sollte auch für sie die Grundlage bleiben, und auf dem Boden der Konstitution waren nur die Tories konsequent. Sie sahen ein und sprachen es aus, daß die obigen Maßregeln den Sturz der Hochkirche und notwendig auch den der Konstitution, nach sich ziehen müssen; daß, dem Disseriter aktives Bürgerrecht geben, de facto die Hochkirche vernichten, die Angriffe auf die Hochkirche sanktionieren hieß; daß es eine arge Inkonsequenz gegen den Staat überhaupt ist, wenn man dem Katholiken, der über der Staatsgewalt die Autorität des Papstes anerkennt, Teil an der Verwaltung und Gesetzgebung bewilligt. Ihre Argumente konnten von den Liberalen nicht beantwortet werden; die Emanzipation ging dennoch durch, und die Prophezeiungen der Tories fangen bereits an, sich zu erfüllen. • Die Hochkirche ist also auf diese Weise ein leerer Name geworden und unterscheidet sich von den andern Konfessionen nur noch durch die drei Millionen Pfund, die sie jährlich bezieht, und einige kleine Privilegien, die gerade hinreichend sind, um den Kampf gegen sie aufrechtzuerhalten. Hierhin gehören die kirchlichen Gerichtshöfe, in denen der anglikanische Bischof eine alleinige, aber sehr bedeutungslose Jurisdiktion übt und deren Bedrückung besonders in den Gerichtskosten besteht; ferner die lokale Kirchensteuer, die zur Erhaltung der zur Verfügung der Staatskirche stehenden Gebäude verwendet wird; die Dissenters stehen unter der Jurisdiktion jener Höfe und müssen diese Steuer mitbezahlen.
Aber nicht allein die Gesetzgebung gegen die Kirche, sondern auch die Gesetzgebung für sie hat dazu beigetragen, die Staatskirche zu einem leeren Namen zu machen. Die irische Kirche ist ein bloßer Name von jeher gewesen, eine vollendete Staats- oder Regierungskirche, eine komplette Hierarchie, vom Erzbischof abwärts bis zum Vikar, der weiter nichts fehlt als die Gemeinde, und deren Beruf darin besteht, für die leeren Wände zu predigen, zu beten und Litaneien abzusingen. Die englische Kirche hat zwar ein Publikum, obwohl sie auch, besonders in Wales und den Fabrikdistrikten, ziemlich von den Dissenters verdrängt worden ist, aber die wohlbezahlten Seelenhirten bekümmern sich eben nicht viel um die Schafe. „Wenn ihr eine Priesterkaste in Verachtung bringen und stürzen wollt, so bezahlt sie gut", sagt Bentham, und die englische und irische Kirche zeugen für die Wahrheit dieses Ausspruchs. Auf dem Lande und in den Städten in England ist dem Volke nichts verhaßter, nichts verächtlicher als ein church-of-England parson1. Und bei einem so frommen Volk wie dem englischen will das was bedeuten. Es versteht sich, daß, je leerer und bedeutungsloser der Name der Hochkirche wird, desto fester hängt die konservative und überhaupt entschieden konstitutionelle Partei daran; die Trennung von Kirche und Staat könnte auch dem Lord John Russell Tränen entlocken; es versteht sich ebenfalls, daß, je leerer dieser Neune wird, desto ärger und fühlbarer wird der Druck. Die irische Kirche besonders, weil die bedeutungsloseste, ist die verhaßteste; sie hat gar keinen Zweck, als das Volk zu erbittern, als es daran zu erinnern, daß es ein unterjochtes Volk ist, dem der Eroberer seine Religion und seine Institutionen aufzwängt. England steht demnach jetzt auf dem Ubergange vom bestimmten in den unbestimmten christlichen Staat, in den Staat, der keine bestimmte Konfession, sondern einen Durchschnitt aller existierenden Konfessionen, das unbestimmte Christentum zu seiner Basis macht. Natürlich hat schon der alte, bestimmte, christliche Staat sich gegen den Unglauben verwahrt, und die Apostasie-Akte von 1699 bestraft ihn mit Verlust auch des passiven Bürgerrechts und mit Gefängnis; die Akte ist nie abgeschafft worden, wird aber nie mehr in Ausführung gebracht. Ein anderes Gesetz, aus Elisabeths Zeiten herrührend, schreibt vor, daß jeder, der sonntags ohne gehörige Entschuldigung aus der Kirche bleibt (wenn ich nicht irre, ist sogar die bischöfliche Kirche vorgeschrieben, denn Elisabeth erkannte keine dissentierenden Kapellen an), mit Geldstrafe und respektive Gefängnis dazu anzuhalten ist. Dies Gesetz kommt auf dem Lande noch häufig in Ausführung; selbst hier im zivilisierten
1 Geistlicher der Kirche von England
Lancashire, ein paar Stunden von Manchester, gibt es einige bigotte Friedensrichter, die - wie M. Gibson, Deputierter für Manchester, vor vierzehn Tagen im Unterhause anführte - eine Menge Leute.wegen unterlassenen Kirchenbesuchs zu mitunter sechswöchentlichem Gefängnis verurteilten. Die Hauptgesetze aber gegen den Unglauben sind die, welche jeden, der nicht an einen Gott oder eine jenseitige Belohnung oder Bestrafung glaubt, zur Ablegung eines Eides unfähig machen und die Gotteslästerung bestrafen. Gotteslästerung ist alles, was die Bibel oder die christliche Religion in Verachtung zu bringen strebt, und ebenso die direkte Leugnung der Existenz Gottes; die Strafe, die darauf steht, ist Gefängnis - gewöhnlich ein Jahr, und Geldstrafe.
[„Vorwärts!" Nr. 80 vom 5. Oktober 1844] Aber auch der unbestimmte christliche Staat geht schon seinem Verfall entgegen, ehe er durch die Gesetzgebung zur offiziellen Anerkennung gekommen ist. Die Apostasie-Akte ist, wie gesagt, absolut; das Gebot des Kirchenbesuchs ist ebenfalls ziemlich veraltet und seine Durchführung nur Ausnahme; das Blasphemiegesetz fängt - dank der Furchtlosigkeit der englischen Sozialisten und besonders Richard Carliles - ebenfalls an zu veralten und wird nur hier und da in besonders bigotten Lokalitäten, z.B. Edinburgh, in Anwendung gebracht, und selbst eine Verweigerung des Eides wird, wo es eben angeht, vermieden. Die christliche Partei ist so schwach geworden, daß sie selbst einsieht, eine strenge Handhabung dieser Gesetze werde in kurzer Zeit ihre Aufhebung nach sich ziehen, und bleibt daher lieber ruhig, damit das Damoklesschwert der christlichen Gesetzgebung wenigstens über dem Haupt der Ungläubigen schweben bleibe und vielleicht als Drohung und Abschreckung fortwirke. Außer den bis jetzt beurteilten positiven politischen Institutionen sind noch einige andere Dinge in den Bereich der Verfassung zu ziehen. Von den Rechten des Bürgers ist bis jetzt kaum die Rede gewesen; innerhalb der eigentlichen Konstitution hat das Individuum keine Rechte in England. Diese Rechte existieren entweder durch den Gebrauch oder die Kraft einzelner Statute, die mit der Konstitution in keinem Zusammenhang stehen. Wir werden sehen, wie diese sonderbare Trennung entstanden ist, und gehen für den Augenblick zur Kritik dieser Rechte über. Das erste ist das Recht, daß jeder seine Meinung ungehindert und ohne vorherige Genehmigung der Regierung veröffentlichen darf - die Preßfreiheit. Es ist im ganzen genommen richtig, daß nirgend eine ausgedehntere Preßfreiheit herrscht wie in England; und doch ist diese Freiheit hier noch
sehr beschränkt. Das Libelgesetz, das Hochverratsgesetz und das Blasphemiegesetz lasten schwer auf der Presse, und wenn Preßverfolgungen selten sind, so liegt das nicht am Gesetz, sondern an der Furcht der Regierung vor der unausbleiblichen Unpopularität, die die Folge von Schritten gegen die Presse sein würde. Die englischen Zeitungen aller Parteien begehen täglich Preßvergehen, sowohl gegen die Regierung wie gegen einzelne, aber man läßt sie alle ruhig passieren, wartet, bis man imstande ist, einen politischen Prozeß anzufangen, und nimmt dann bei der Gelegenheit die Presse mit. So ist's mit den Chartisten 1842, so neulich mit den irischen Repealern1-208-1 gegangen. Die englische Preßfreiheit lebt seit hundert Jahren ebensowohl von der Gnade, wie die preußische Preßfreiheit von 1842 tat. Das zweite „angeborne Recht" (birthright) des Engländers ist das Recht der Volksversammlung, ein Recht, das bis jetzt kein anderes Volk in Europa genießt. Dies Recht, obwohl uralt, ist später in einem Statut als „das Recht des Volks, sich zu versammeln, um seine Beschwerden zu diskutieren und die Legislatur um Abhülfe derselben zu petitionieren", ausgesprochen worden. Hierin liegt schön eine Beschränkung. Wenn keine Petition das Resultat eines Meetings ist, so bekommt dies dadurch wo nicht geradezu ungesetzlichen, doch sehr zweideutigen Charakter. In O'Connells Prozeß wurde es von der Krone besonders hervorgehoben, daß die Meetings, die als ungesetzlich geschildert wurden, nicht zur Beratung von Petitionen berufen waren. Die Hauptbeschränkung ist aber die polizeiliche; die Zentral- oder Lokalregierung kann jedes Meeting vorher verbieten oder unterbrechen und auflösen* und dies hat sie nicht nur bei Clontarf, sondern in England selbst bei chartistischen und sozialistischen Meetings oft genug getan. Das aber gilt nicht für einen Angriff auf die angebornen Rechte der Engländer, weil die Chartisten und Sozialisten arme Teufel und also rechtlos sind; danach kräht kein Hahn außer dem „Northern Star" und der „New Moral World", und daher erfährt man davon auf dem Kontinent nichts. Ferner das Assoziationsrecht. Alle Assoziationen, die gesetzliche Zwecke mit gesetzlichen Mitteln verfolgen, sind erlaubt; sie dürfen aber nur jedesmal eine große Gesellschaft bilden und keine Zweigassoziationen einschließen. Die Bildung von Gesellschaften, die sich in lokale Zweige mit besonderer Organisation teilen, ist nur zu wohltätigen, überhaupt pekuniären Zwecken erlaubt und darf nur auf ein Zertifikat eines dazu ernannten Beamten hier begonnen werden. Die Sozialisten erlangten ein solches Zertifikat für ihre Assoziation, indem sie einen derartigen Zweck angaben; den Chartisten wurde es verweigert, obwohl sie die Konstitution der sozialistischen Gesellschaft wörtlich in der ihrigen kopierten. Sie sind jetzt gezwungen, das
Gesetz zu umgehen, und dadurch in die Lage versetzt, daß ein einziger Schreibfehler eines einzigen Mitgliedes der chartistischen Assoziation die ganze Gesellschaft in die Fallstricke des Gesetzes verwickeln kann. Aber auch abgesehen davon, ist das Assoziationsrecht in seiner vollen Ausdehnung ein Vorrecht der Reichen; zu einer Assoziation gehört vor allem Geld, und es ist der reichen Korrigesetz-Ligue leichter, Hunderttausende aufzubringen, als der armen chartistischen Gesellschaft oder der Union britischer Bergleute, die bloßen Kosten der Assoziation zu bestreiten. Und eine Assoziation, die keine Fonds zur Verfügung hat, will wenig bedeuten und kann keine Agitation machen.
[„Vorwärts!" Nr. 83 vom 16. Oktober 1844] Das Recht des Habeas-Corpus, d. h. das Recht jedes Angeklagten (ausgenommen ist der Fall des Hochverrats), bis zur Eröffnung des Prozesses gegen Kaution freigelassen zu werden, dies vielgepriesene Recht ist wiederum ein Privilegium der Reichen. Der Arme kann keine Bürgschaft stellen und muß daher ins Gefängnis wandern. Das letzte dieser Rechte des Individuums ist das Recht eines jeden, nur von seinesgleichen gerichtet zu Werden, und auch dies ist ein Privilegium des Reichen. Der Arme wird nicht von seinesgleichen, er wird in allen Fällen von seinen gebornen Feinden gerichtet, denn in England sind die Reichen und die Armen in offnem Krieg. Die Geschwornen müssen gewisse1 Qualifikationen besitzen, und wie diese beschafften sind, geht daraus hervor, daß die Juryliste von Dublin, einer Stadt von 250000 Einwohnern, nur achthundert Qualifizierte stark ist. In den letzten Chartistenprozessen in Lancaster, Warwick und Stafford wurden die Arbeiter von Grundbesitzern und Pächtern, die rlieist Tories, und Fabrikanten oder Kaufleuten, die meist Whigs, in jedem Falle aber die Feinde der Chartisten und der Arbeiter sind, gerichtet. Das ist aber nicht alles. Eine sogenannte „unparteiliche Jury" ist überhaupt ein Unding. Als O'Connell vor vier Wochen in Dublin gerichtet wurde, war jeder Jurymann als Protestant und Tory sein Feind. „Seinesgleichen" wären Katholiken und Repealer gewesen - aber selbst diese nicht, denn sie waren seine Freunde. Ein Katholik iii der Jury hätte das Verdikt, hätte jedes Verdikt, mit Ausnahme einer Freisprechung, unmöglich gemacht. Hier ist der Fall eklatant; aber im Gründe ist es in. jedem beliebigen Fall1 dasselbe. Das Geschwornengericht ist seinem Wesen nach eine politische und keine juristische Institution; aber weil alles juristische Wesen ursprünglich politischer Natur ist, kommt in ihr das wahre Juristentum zur Erscheinung, und das englische Geschwornengericht, weil das ausgebildetste, ist die Vollendung
der juristischen Lüge und Unsittlichkeit. Man fängt an mit der Fiktion des „unparteilichen Geschwornen"; man schärft den Geschwomen ein, alles zu vergessen, was sie etwa vor der Untersuchung in Beziehung auf den vorliegenden Fall gehört haben; bloß nach dem hier im Gerichtshof vorgebrachten Zeugnis zu urteilen - als ob so etwas nur möglieh wäre! Man macht die zweite Fiktion des „unparteilichen Richters", der das Gesetz entwickeln und die von beiden Seiten vorgebrachten Gründe ohne Parteilichkeit, ganz „objektiv" zusammenstellen soll - als ob das möglich wäre! Ja, man verlangt von dem Richter, daß er besonders und trotz alledem keinen Einfluß auf das Urteil der Geschwornen ausüben, ihnen das Verdikt nicht unter den Fuß geben soll - d.h., er soll die Prämissen so legen, wie sie gelegt werden müssen, um den Schluß zu ziehen; aber er soll den Schluß selbst nicht ziehen, er darf ihn selbst für sich nicht ziehen, denn das würde ja auf seine Darlegung der Prämissen einenEinfluß ausüben -alle diese und hundert andereUnmöglichkeiten, Unmenschlichkeiten und Dummheiten verlangt man, bloß um die ursprünglicheDummheitundUnmenschlichkeit anständig zu verdecken. Aber diePraxis läßt sich nicht irremachen, in der Praxis kehrt man sich an all das Zeug nicht, der Richter gibt der Jury deutlich genug zu verstehen, was für ein Verdikt sie zu bringen hat, und die gehorsame Jury bringt das Verdikt auch regelmäßig ein. Weiter! Der Angeklagte muß auf alle Weise geschützt werden, der Angeklagte ist, wie der König, heilig und unverletzlich und kann kein Unrecht tun, d.h., er kann gar nichts tun, und wenn er was tut, so hat's keine Gültigkeit. Der Angeklagte mag sein Verbrechen eingestehen, das hilft ihm gar nichts. Das Gesetz beschließt, daß er nicht glaubwürdig ist; ich glaube, es war 1819, daß ein Mann seine Frau des Ehebruchs bezichtigte, nachdem sie während einer Krankheit, die ihr tödlich schien, ihrem Mann den begangenen Ehebruch gestanden hatte - aber der Verteidiger der Frau wandte ein, daß das Geständnis der Angeklagten kein Beweisgrund sei, und die Klage wurde abgewiesen.* Die Heiligkeit des Angeklagten wird dann ferner in dem juristischen Formenwesen durchgeführt, mit dem die englische Jury bekleidet ist und die den rabulistischen Kniffen der Advokaten ein so überaus ergiebiges Feld bietet. Es geht ins Unglaubliche, was für lächerliche Formfehler einen ganzen Prozeß umwerfen können. 1800 wurde ein Mann wegen Fälschung schuldig befunden, aber freigelassen, weil sein Verteidiger noch vor Urteilsfällung entdeckte, daß in der falschen Banknote der Name abgekürzt Bartw, dagegen in der Anklageakte vollständig Bartholomew geschrieben war. Der Richter, wie gesagt, nahm die Einwendung für genügend an und ließ den
* Wade, „British History", London, 1838.
Überführten frei.* - 1827 wurde in Winchester ein Weib des Kindesmords angeklagt, aber freigesprochen, weil in dem Verdikt der Totenschaujury diese „auf ihren Eid" (The jurors of our Lord the King upon their oath present that, etc.) versicherte, daß dies und jenes geschehen sei, wo doch diese aus dreizehn Männern bestehende Jury nicht einen Eid, sondern dreizehn Eide abgelegt habe, und es also hätte heißen müssen: „Upon their oaths".** Vor einem Jahre Wurde in Liverpool ein Junge, der jemandem an einem Sonntagabend das Schnupftuch aus der Tasche stahl, auf der Tat ertappt und verhaftet. Sein Vater wandte ein, der Polizeidiener habe ihn ungesetzlich verhaftet, weil ein Gesetz vorschreibt, daß niemand am Sonntage diejenige Arbeit tun dürfe, wodurch er sich seinen Unterhalt erwerbe; die Polizei dürfe also niemanden am Sonntage verhaften. Der Richter war damit einverstanden, examinierte aber den Jungen weiter, und als dieser gestand, er sei ein Dieb von Profession, wurde er um 5 Schillinge gestraft, weil er am Sonntage seinem Beruf nachgegangen sei. Ich könnte diese Beispiele verhundertfachen, aber sie reden für sich selbst schon genug. Das englische Gesetz heiligt den Angeklagten und wendet sich gegen die Gesellschaft, zu deren Schutz es eigentlich da ist. Wie in Sparta wird nicht das Verbrechen, sondern die Dummheit, mit der es begangen wurde, bestraft. Jeder Schutz wendet sich gegen den, den er schützen will; das Gesetz will die Gesellschaft schützen und greift sie an; es will den Angeklagten schützen und verletzt ihn - denn es ist klar, daß jeder, der zu arm ist, der offiziellen Rabulisterei einen ebenso rabulistischen Verteidiger entgegenzustellen, alle Formen gegen sich hat, die zu seinem Schutz geschaffen wurden. Wer zu arm ist, um einen Verteidiger oder eine gehörige Anzahl Zeugen zu stellen, ist in jedem irgend zweifelhaften Fall verloren. Er bekommt nur die Anklageakte und die ursprünglich vor dem Friedensrichter gemachten Depositionen vorher zu sehen, weiß also nicht das Detail dessen, was gegen ihn vorgebracht wird (und gerade für den Unschuldigen ist das am gefährlichsten); er muß sogleich, nachdem die Anklage geschlossen ist, antworten, darf nur einmal sprechen; erledigt er nicht alles, fehlt ein Zeuge, den er nicht für nötig hielt, so ist er verloren.
[„Vorwärts!" Nr. 84 vom 19. Oktober 1844] Die Vollendung des Ganzen aber ist die Bestimmung, daß die zwölf Geschwornen in ihrem Verdikt einstimmig sein müssen. Sie werden in einem Zimmer eingesperrt und nicht eher losgelassen, als bis sie einig sind oder der Richter einsieht, daß sie nicht zur Überein
* Ebenda. ** Ebenda.
38 Marx/Engela. Werke, Bd. I
Stimmung zu bringen sind. Es ist aber durchaus unmenschlich und geht so sehr gegen alle menschliche Natur an, daß es lächerlich wird, von zwölf Menschen zu verlangen, daß sie über einen Punkt ganz derselben Meinung sein sollen. Aber es ist konsequent. Das Inquisitionsverfahren foltert den Angeklagten körperlich oder geistig; das Geschwornengericht erklärt den Angeklagten für heilig und foltert die Zeugen durch ein Kreuzverhör, das dem des Inquisitionsgerichts gar nichts nachgibt, ja es foltert die Geschwornen; es muß ein Verdikt haben, und wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte; die Jury wird mit Gefängnis bestraft, bis sie ein Verdikt gibt; und wenn sie wirklich die Kaprice haben sollte, ihren Eid halten zu wollen, so wird eine neue Jury ernannt, der Prozeß noch einmal durchgemacht, und so fort, bis entweder die Ankläger oder die Geschwornen des Kampfs müde werden und sich auf Gnade und Ungnade ergeben. Beweis genug, daß.das ganze Juristentum nicht ohne die Folter bestehen kann und in allen Fällen eine Barbarei ist. Es kann aber gar nicht anders sein; wenn man mathematische Gewißheit über Dinge haben will, die keine solche Gewißheit zulassen, so muß man notwendig in Unsinn und Barbarei geraten. Die Praxis bringt wiederum an den Tag, was hinter all diesen Dingen steckt; in der Praxis macht die Jury sich's leicht und bricht ihren Eid, wie das nicht anders geht, in aller Seelenruhe. 1824 konnte eine Jury in Oxford nicht übereinkommen. Einer behauptete: schuldig; elf: nichtschuldig. Endlich wurde ein Vertrag geschlossen; der eine Dissentient schrieb auf die Anklageakte: Schuldig, und zog sich zurück; dann kam der Vorsitzer mit den andern, nahm das Papier auf und schrieb vor das Schuldig: Nicht (Wade, „British History"). - Einen andern Fall erzählt Fonblanque, Redakteur des „Examiner", in seinem Werk „England und er seven Administrations". Hier konnte eine Jury auch nicht fertig werden, und zuletzt wurde zum Lose Zuflucht genommen; man nahm zwei Strohhalme und zog; welche Partei das längste zog, deren Meinung wurde adoptiert. Da wir einmal bei den juristischen Institutionen sind, so können wir, um den Überblick über den Rechtszustand Englands zu vervollständigen, uns die Sache noch etwas genauer ansehen. Der englische Strafkodex ist bekanntlich der strengste in Europa. Noch 1810 gab er an Barbarei der Carolina193-1 nichts nach; Verbrennen, Rädern, Vierteilen, Herausnehmen der Eingeweide bei lebendigem Leibe usw. waren sehr beliebte Kategorien. Seitdem sind zwar die empörendsten Scheußlichkeiten abgeschafft, aber noch immer stehen eine Menge Roheiten und Infamien unangetastet auf dem Statutenbuch. Die Todesstrafe steht auf sieben Verbrechen (Mord, Hochverrat, Notzucht, Sodomie, Einbruch, Raub mit Gewalt und Brandstiftung mit der Absicht zu
morden), und auch auf diese Zahl ist die früher noch viel ausgedehntere Todesstrafe erst 1837 beschränkt worden; und außer ihr kennt das englische Strafgesetz noch zwei ausgesucht barbarische Strafarten - Transportation oder Vertierung durch Gesellschaft und einsame Einsperrung oder Vertierung durch Einsamkeit. Beide könnten nicht grausamer und niederträchtiger ausgesucht sein, um die Opfer des Gesetzes mit systematischer Konsequenz körperlich, intellektuell und moralisch zu verderben und sie unter die Bestie herabzudrücken. Der transportierte Verbrecher gerät in einen solchen Abgrund von Demoralisation, von ekelhafter Bestialität, daß die beste Natur darin in sechs Monaten unterliegen muß; wer Lust hat, die Berichte von Augenzeugen über Neusüdwales und Norfolk-Island zu lesen, wird mir recht geben, wenn ich behaupte, daß alles oben Gesagte noch lange nicht ah die Wirklichkeit reicht. Der einsam Eingesperrte wird wahnsinnig gemacht; das Mustergefängnis in London hatte nach drei Monaten seines Bestehens schon drei Wahnsinnige an Bedlam1228-1 abzugeben, von dem religiösen Wahnsinn, der gewöhnlich noch für Sinn gilt, gar nicht zu reden. Die Strafgesetze gegen politische Verbrechen sind fast genau in denselben Ausdrücken abgefaßt wie die preußischen; besonders die „Aufreizung zur Unzufriedenheit" (exciting discontent) und „aufrührerische Sprache" (seditious language) kommen in derselben unbestimmten Fassung vor, die dem Richter und der Jury einen so weiten Spielraum lassen. Die Strafen sind auch hier strenger als anderswo; Transportation ist die Hauptkategorie. Wenn diese strengen Strafen und diese unbestimmten politischen Verbrechen in der Praxis nicht so viel auf sich haben, als nach dem Gesetz scheinen sollte, so ist dies einerseits der Fehler des Gesetzes selbst, das in einer solchen Verwirrung und Unklarheit steckt, daß ein geschickter Advokat überall Schwierigkeiten zugunsten des Angeklagten erheben kann. Das englische Gesetz ist entweder gemeines Recht (common law), d.h. ungeschriebenes Recht, wie es zu der Zeit existierte, von welcher an man anfing die Statute zu sammeln, und später von juristischen Autoritäten zusammengestellt wurde; dies Recht ist natürlich in den wichtigsten Punkten ungewiß und zweifelhaft; oder Statutarrecht (statute law), das in einer unendlichen Reihe einzelner, seit fünfhundert Jahren gesammelten Parlamentakten besteht, die sich gegenseitig widersprechen und an die Stelle eines „Rechtszur standes" einen vollkommen rechtlosen Zustand stellen. Der Advokat ist hier alles; wer seine Zeit recht gründlich an diesen juristischen Wirrwarr, an dies Chaos von Widersprüchen verschwendet hat, ist in einem englischen Gerichtshofe allmächtig. Die Unsicherheit des Gesetzes führte natürlich zum Autoritätsglauben an die Entscheidungen früherer Richter in ähnlichen
Fällen, und hierdurch wird sie nur schlimmer gemacht, denn diese Entscheidungen widersprechen sich ebenfalls, und das Resultat der Untersuchung hängt wieder von der Belesenheit und Geistesgegenwart des Advokaten ab. Andrerseits ist die Bedeutungslosigkeit des englischen Strafgesetzes aber wiederum bloß Gnade etc., Rücksicht auf die öffentliche Meinung, die zu nehmen die Regierung durch das Gesetz gar nicht gebunden ist; und daß die Legislatur gar nicht gesonnen ist, dies Verhältnis zu ändern, zeigt die heftige Opposition gegen alle Gesetzreformen. Aber man vergesse nie, daß der Besitz herrscht und daß daher diese Gnade nur gegen „respektable" Verbrecher ausgeübt wird; auf den Armen, den Paria, den Proletarier fällt die ganze Wucht der gesetzlichen Barbarei, und kein Hahn kräht danach. Diese Begünstigung des Reichen ist aber auch im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen. Während alle schweren Verbrechen mit den schwersten Strafen belegt sind, stehen Geldstrafen auf fast allen untergeordneteren Vergehen, Geldstrafen, die natürlich für Arme und Reiche dieselben sind, aber dem Reichen wenig oder nichts anhaben können, während der Arme sie in neun Fällen aus zehnen nicht bezahlen kann und dann ohne weiteres in „default of payment" ein paar Monate auf die Tretmühle geschickt wird. Man lese nur die Polizeiberichte im ersten besten englischen Tagblatte, um sich von der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen. Die Mißhandlung der Armen und die Begünstigung der Reichen in allen Gerichtshöfen ist so allgemein, wird so offen, so unverschämt betrieben und so schamlos von den Zeitungen berichtet, daß man selten eine Zeitung ohne innere Empörung lesen kann. So ein Reicher wird immer mit einer ungemeinen Höflichkeit behandelt, und so brutal sein Vergehen auch gewesen sein mag, so „tut es den Richtern doch stets sehr leid", daß sie ihn in eine gewöhnlich höchst lumpige Geldstrafe zu verurteilen haben. Die Verwaltung des Gesetzes ist in dieser Hinsicht noch viel unmenschlicher als das Gesetz selbst; „Law grinds the poor, and rieh men rule the law"1 und „there is one law for the poor, and another for the rieh"2 sind vollkommen wahre und längst sprichwörtlich gewordene Ausdrücke. Aber wie kann das anders sein? Die Friedensrichter wie die Geschwornen sind selbst reich, sind aus der Mittelklasse genommen und daher parteilich für ihresgleichen und geborne Feinde der Armen. Und wenn der soziale Einfluß des Besitzes, der jetzt nicht erörtert werden kann, in Betracht genommen wird, so kann sich wahrlich kein Mensch über einen so barbarischen Stand der Dinge wundern.
1 „Das Gesetz drückt die Armen, und die Reichen beherrschen das Gesetz" - 2 „es gibt ein Gesetz für die Armen und ein anderes für die Reichen"
Von der direkt sozialen Gesetzgebung, in der die Niederträchtigkeit kulminiert, wird später die Rede sein. An dieser Stelle könnte sie ohnehin nicht in ihrer vollen Bedeutung dargestellt werden. Fassen wir das Resultat dieser Kritik des englischen Rechtszustandes zusammen. Was vom Standpunkte des „Rechtsstaats" aus dagegen gesagt werden kann, ist höchst gleichgültig. Daß England keine offizielle Demokratie ist, kann uns nicht gegen seine Institutionen einnehmen. Für uns hat nur das eine Wichtigkeit, das sich uns überall gezeigt hat: daß Theorie und Praxis im schreiendsten Widerspruch stehen. Alle Mächte der Verfassung, Krone, Oberhaus und Unterhaus, haben sich vor unsern Augen aufgelöst; wir haben gesehen, daß die Staatskirchen und alle sogenannten angebornen Rechte der Engländer leere Namen sind, daß selbst das Geschwornengericht in der Wirklichkeit nur ein Schein ist, daß das Gesetz selbst keine Existenz hat, kurz, daß ein Staat, der sich auf eine genau bestimmte, gesetzliche Basis gestellt hat, diese seine Basis verleugnet und mißhandelt. Der Engländer ist nicht frei durch das Gesetz, sondern trotz dem Gesetze, wenn er überhaupt frei sein soll. Wir haben ferner gesehen, welch ein Wust von Lügen und Unsittlichkeit aus diesem Zustande folgt; man fällt vor leeren Namen nieder und verleugnet die Wirklichkeit, man will von ihr nichts wissen, sträubt sich gegen die Anerkennung dessen, was wirklich existiert, was man selbst geschaffen hat; man belügt sich selbst und führt eine konventionelle Sprache mit künstlichen Kategorien ein, deren jede ein Pasquill auf die Wirklichkeit ist, und klammert sich ängstlich an diese hohlen Abstraktionen an, um sich nur ja nicht gestehen zu müssen, daß es im Leben, in der Praxis sich um ganz andre Dinge handelt. Die ganze englische Verfassung und die ganze konstitutionelle öffentliche Meinung ist nichts als eine große Lüge, die durch eine Anzahl kleiner Lügen immer wieder unterstützt und verdeckt wird, wenn sie hier oder da in ihrem wahren Wesen etwas zu offen an den Tag kommt. Und selbst wenn man zur Einsicht kommt, daß all dies Gemächte eitel Unwahrheit und Fiktion ist, selbst dann hält man noch fest daran, ja fester als je, damit nur ja die leeren Worte, die paar sinnlos zusammengestellten Buchstaben nicht auseinanderfallen, denn diese Worte sind ja eben die Angeln der Welt, und mit ihnen müßte die Welt und die Menschheit in die Nacht der Verwirrung stürzen! Man kann sich von diesem Gewebe von offener und versteckter Lüge, von Heuchelei und Selbstbetrug nur mit einem gründlichen Ekel abwenden. Kann ein solcher Zustand von Dauer sein? Kein Gedanke daran. Der Kampf der Praxis gegen die Theorie, der Wirklichkeit gegen die Abstraktion, des Lebens gegen hohle Worte ohne Bedeutung, mit einem Wort, des
Menschen gegen die Unmenschlichkeit muß sich entscheiden, und auf welcher Seite der Sieg sein wird, unterliegt keiner Frage. Der Kampf ist bereits da. Die Konstitution ist in ihren Grundfesten erschüttert. Wie die nächste Zukunft sich gestalten wird, geht aus dem Gesagten hervor. Die neuen, fremdartigen Elemente in der Verfassung sind demokratischer Natur; auch die öffentliche Meinung, wie sich zeigen wird, entwickelt sich nach der demokratischen Seite hin; die nächste Zukunft Englands wird die Demokratie sein. Aber was für eine Demokratie! Nicht die der französischen Revolution, deren Gegensatz die Monarchie und der Feudalismus war, sondern die Demokratie, deren Gegensatz die Mittelklasse und der Besitz ist. Dies zeigt die ganze vorhergehende Entwicklung. Die Mittelklasse und der Besitz herrschen; der Arme ist rechtlos, wird gedrückt und geschunden, die Konstitution verleugnet, das Gesetz mißhandelt ihn; der Kampf der Demokratie gegen die Aristokratie in England ist der Kampf der Armen gegen die Reichen. Die Demokratie, der England entgegengeht, ist eine soziale Demokratie. Aber die bloße Demokratie ist nicht fähig, soziale Übel zu heilen. Die demokratische Gleichheit ist eine Chimäre, der Kampf der Armen gegen die Reichen kann nicht auf dem Boden der Demokratie oder der Politik überhaupt ausgekämpft werden. Auch diese Stufe ist also nur ein Übergang, das letzte rein politische Mittel, das noch zu versuchen ist und aus dem sich sogleich ein neues Element, ein über alles politische Wesen hinausgehendes Prinzip entwickeln muß. Dies Prinzip ist das des Sozialismus.
Anhang und Register

Anmerkungen
1 Mit dem Artikel „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion" begann Marx seine publizistische Tätigkeit. Die Veröffentlichung der preußischen Zensurinstruktion vom 24.Dezember 1841 veranlaßte Marx, sich an der politischen Auseinandersetzung über die Notwendigkeit der Pressefreiheit und über den Charakter der preußischen Zensurgesetzgebung zu beteiligen. Er schrieb den Artikel in der Zeit von Anfang Februar bis zum 10. Februar 1842. Die in dem Artikel behandelte Frage der Pressefreiheit widerspiegelte die zu Beginn der vierziger Jahre immer stärker werdenden Forderungen der liberalen und demokratischen Bewegung in Deutschland. Die neue Zensurinstruktion rief bei vielen Liberalen zunächst die Illusion hervor, daß sie der Beginn einer neuen Ära sei, tatsächlich hielt sie jedoch die reaktionäre preußische Zensur nicht nur aufrecht, sondern verschärfte sie noch. Der Artikel wurde im ersten Band der von Arnold Rüge in der Schweiz herausgegebenen „Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik" veröffentlicht, der im Februar 1843 herauskam. Am 26. und 28. März 1843 erschien in der „Mannheimer Abendzeitung" unter dem Titel „Tendenz-Cehsur" ein Teilabdruck. Mit den „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktiön" wurden 1851 die „Gesammelten Aufsätze von Karl Marx", herausgegeben von Hermann Becker, eröffnet. 3 2 Timeo Danaos et dona ferentes. (Ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen.) Zitat aus Virgils „Aeneis", 2,49. 3 3 Die am 24. Dezember erlassene Zensurinstruktion wurde am 27. Dezember 1841 im Mitteilungsblatt der Regierung zum erstenmal veröffentlicht. Die preußischen Tageszeitungen publizierten sie in der ersten Januarhälfte 1842. Da die von Marx benutzte Quelle nicht ermittelt wurde, erfolgt der Nachweis der Zitate nach der „Cirkular-Verfügung an sämmtliche Königl. Oberpräsidien, die Handhabung der Censur betreffend, vom 24. Dezember 1841", veröffentlicht im „Ministerial-Blatt für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten", Berlin, 2.Jg„ Nr.15 vom 27.Dezember 1841. 3 28 172 191 4 Es handelt sich um die „Verordnung, wie die Zensur der Druckschriften nach dem Beschluß des deutschen Bundes vom 20sten September d.J. auf fünf Jahre einzurichten ist. Vom 18ten Oktober 1819", die in der „Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten", Berlin 1819, veröffentlicht ist. 3 191 6 Verum index siii et falsi. (Die Wahrheit ist der Prüfstein ihrer selbst und der Unwahrheit.) — Abgeleitetes Zitat aus Spinozas „Ethica", pars Secunda, „De natura et origine mentis", propositio XLIII, scholium. 6
6 Johann Wolfgang von Goethe, „Rechenschaft". 6 7 Friedrich von Schiller, „Uber naive und sentimentalische Dichtung". 6 8 Laurence Sterne, „The life and opinions of Tristram Shandy, Gentleman", London 1793, vol. I, ch. XI. 7 9 „fous les genres sonff cons, excepte le gerne amuyeax" („alle Gattungen von Menschen sind gut, mit Ausnahme der langweiligen") - Zitat aus dem Vorwort der Komödie „L'enfant prodigue" von Voltaire. 8 10 Die Gründungsakte des Deutschen Bundes (Deutsche Bundesakte) vom 8. Juni 1815, in der die Unabhängigkeit der 34 deutschen Staaten und damit die politische Macht der deutschen Fürsten bestätigt wurde, enthielt in Art. 18 das Versprechen, daß der Bundestag sich bei seiner ersten Zusammenkunft mit der „Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die PreßFreiheit" beschäftigen werde. Der Bundestag, die oberste Repräsentation des Deutschen Bundes, verwirklichte die Pressefreiheit nicht, 9
11 Lettres de cachet sind im Namen oder im Auftrag der Könige von Frankreich geschriebene und versiegelte Briefe, durch die Personen ohne Urteil in die Bastille oder in ein anderes Staatsgefängnis eingekerkert oder des Landes verwiesen wurden. Seit Ludwig XIV. wurden sie vor allem zur Verhaftung oder Verbannung von politischen Gegnern mißbraucht. Durch ein Dekret der französischen Nationalversammlung vom 23. Juni 1789 wurden die lettres de cachet verboten. 11 12 Durch die Verhaftung des Erzbischofs von Köln im November 1837 war zwischen dem protestantisch-preußischen Staat und der katholischen Kirche erneut ein Konflikt entstanden (Kölner Wirren). Der Erzbischof von Köln, Clemens August Freiherr von DrosteVischering, hatte Ehen zwischen Katholiken und Protestanten nur dann die kirchliche Weihe gestattet, wenn das Versprechen abgelegt wurde, die Kinder katholisch taufen zu lassen und zu erziehen. Das widersprach den preußischen Staatsgesetzen. In diesen war festgelegt, daß bei Ehen zwischen Katholiken und Protestanten die Konfession des Vaters maßgebend ist. In der darauf folgenden mehrjährigen Auseinandersetzung ging es um das Verhältnis der katholischen Kirche zum preußischen Staat. Unter Friedrich Wilhelm IV. wurde im Mai 1842 nach langwierigen Verhandlungen zwischen preußischen Diplomaten und Papst Gregor XVI. der Konflikt beigelegt. Er endete de facto mit einer Kapitulation der preußischen Regierung vor der katholischen Kirche. 12 449
13 Christoph Martin Wieland, „Der neue Amadis", Teil 2, 17. Gesang. 17 14 Miguel de Cervantes Saavedra, „Don Quijote", Teil 4, Kap. 47. 18 16 Rara temporum felicitas, tibi quae velis seniire et quae sentias dicere licet. (Seltenes Glück der Zeiten, in denen man denken kann, was man will, und sagen kann, was man denkt.) — Zitat aus Tacitus' „Historiae", Uber 1,1. 27 16 Den Artikel „Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags" schrieb Marx zwischen dem 26.März und 26. April 1842. Mit ihm begann seine Mitarbeit an der „Rheinischen Zeitung". Marx beabsichtigte, die Debatten des 6. Rheinischen Provinziallandtags, der vom 23. Mai bis 25. Juli 1841 in Düsseldorf getagt hatte, in vier Artikeln zu analysieren: über die Fragen der Pressefreiheit, über den Konflikt zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche wegen der Verhaftung des Erzbischofs von Köln (siehe Anm. 12), über den Entwurf des Holzdiebstahlsgesetzes und über den Gesetzentwurf zur Beschränkung der Parzellierung des Grundbesitzes in der Rheinprovinz. In der „Rheinischen Zeitung" wurde» nur der vor
liegende erste und der dritte Artikel (siehe vorl. Band, S. 109-147) veröffentlicht. Den Artikel über die Kölner Wirren unterdrückte die Zensur, und ob Marx einen vierten Artikel geschrieben hat, ist nicht bekannt. Mit den „Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen" setzte Marx die in den „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion" begonnene Auseinandersetzung fort. Die Konfrontation der Abgeordneten des Landtags mit der Forderung nach Pressefreiheit, erzwungen durch Petitionen aus einigen Städten der Rheinprovinz, ermöglichte es Marx, den Widerspruch zwischen feudalständischer Vertretung und den politischen Erfordernissen der Zeit nachzuweisen. Anlaß für die Auseinandersetzung waren drei Artikel aus der „Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung" vom 16., 19. und 26. März 1842, in denen versucht wurde nachzuweisen, daß die preußischen Zeitungen mit den vom König gewährten Zensurerleichterungen nichts anfangen könnten. Der Artikel vom 26. März behauptete, die politische Journalistik habe bisher kein Interesse für die Landtagsdebatten gezeigt. Erstmalig abgedruckt wurde Marx* Artikel in der „Rheinischen Zeitung" Nr. 125 vom 5.Mai 1842 (vorl. Band, S.28-33), Nr. 128 vom 8.Mai 1842 (vorl. Band, S.33-41), Nr. 130 vom 10.Mai 1842 (vorl. Band, S.41-50), Nr. 132 vom 12.Mai 1842 (vorl. Band, S.50-60), Nr. 135 vom 15.Mai 1842 (vorl. Band, S.60-66) und Nr. 139 vom 19.Mai 1842 (vorl. Band, S.66-77). Er fand großes Interesse in breiten Kreisen. Versuche von Arnold Rüge, einige Stellen nachzudrucken, wurden durch die Zensur verhindert. Er veröffentlichte sie dann, erheblich redigiert und mit einer Vorbemerkung versehen, unter dem Titel „Die Rheinische Zeitung über Preßfreiheit" in den „Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik". Im Jahre 1851 wurde der Artikel fast vollständig im Heft 1 der „Gesammelten Aufsätze von Karl Marx", herausgegeben von Hermann Becker, abgedruckt. Der nach der Ausgabe von Becker wiedergegebene Text endet vorl. Band, Seite 67, Zeile 7. 28 17 Die Landstände der Provinzen (Provinziallandtage) wurden in Preußen in den Jahren 1823 und 1824 gebildet. Sie bestanden I. aus Vertretern des Fürstenstandes, 2. aus Vertretern der Ritterschaft, 3. aus Vertretern der Städte und 4. aus Vertretern der Landgemeinden. Der Wahlzensus und die Bedingung, daß die Teilnahme an den Wahlen vom Besitz an Grundeigentum abhängig war, sicherte dem Adel die Mehrheit der Vertretung. Mit den Landtagen wurden statt der in den Befreiungskämpfen gegen Napoleon versprochenen Verfassung für Gesamtpreußen in den acht preußischen Provinzen Vertretungen geschaffen, die ihrer sozialen Zusammensetzung wie ihrer politischen Funktion nach Instrumente der preußischen Aristokratie waren. Sie wurden vom König einberufen, ihre Kompetenzen erstreckten sich in erster Linie auf Gesetzentwürfe und Anträge, die die jeweilige Provinz betrafen. Gesamtstaatliche Belange konnten nur beraten werden, wenn eine Debatte darüber vom König angewiesen worden war. Die Provinziallandtage konnten nur begutachten, nicht beschließen. Seit 1827 wurden sie für alle preußischen Provinzen in unregelmäßigen Abständen vom preußischen König einberufen. 28 161 18 Hier und auf den folgenden Seiten zitiert Marx aus den Artikeln „Die Wirkungen der CensurVerfügung vom 24.Dezember 1841", „Die Besprechung inländischer Angelegenheiten, ihre Ausdehnung und natürlichen Bedingnisse" und „Die inländische Presse und die inländische Statistik", die in der „Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung" vom 16., 19, und 26. März 1842 veröffentlicht waren. 28 19 Johann Wolfgang von Goethe, „Iphigenie auf Tauris", 1.Aufzug, 3.Auftritt. 29 20 Marx meint hier den Ausspruch Heraklits, der als Fragment von mehreren antiken Autoren in verschiedener Form überliefert ist: „Trockene Seele — weiseste und beste", 31
21 Friedrich von Schiller, „Die Worte des Glaubens". 32 22 Nach Johann Wolfgang von Goethe, „Falconet und über Falconet". 33 28 Während des 6. Rheinischen Provinziallandtags veröffentlichte die „Düsseldorfer Zeitung" zusammenfassende Berichte über die Verhandlungen. Nach Beendigung des Landtags wurde das gesamte Protokoll in einer kleinen Auflage für den persönlichen Gebrauch der Abgeordneten gedruckt. Dieses als Manuskript gedruckte Exemplar der „Sitzungs-Protokolle des sechsten Rheinischen Provinzial-Landtags", Gobienz 1841, benutzte Marx weitgehend für seine Arbeit an diesem Artikel. 34 109 24 Gemeint ist die historische Rechtsschule, eine Richtung in der Geschichts- und Rechtswissenschaft, die am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland entstanden war. Ihre Vertreter Gustav Hugo und Friedrich Carl von Savigny versuchten die Privilegien des Adels und die Existenz feudaler Institutionen durch ewige historische Traditionen zu rechtfertigen. Eine Einschätzung dieser Schule gibt Marx in den Artikeln „Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule" und „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung" (vorl. Band, S. 78-85 und 378-391). 34 380 25 William Shakespeare, „Ein Sommernächtstraum", V.Akt, I.Szene. 35 292 26 Holland und Belgien wurden 1815 durch Beschluß des Wiener Kongresses zwangsweise zum Königreich der Niederlande vereinigt. In der bürgerlich-nationalen Revolution von 1830 erkämpfte Belgien seine nationale Selbständigkeit. 37 27 John Law gründete 1716 in Paris eine Privatbank, die 1718 zu einer Staatsbank umgewandelt wurde. Diese Bank gab unbegrenzt ungedeckte Banknoten aus und wollte damit den Reichtum des Landes vermehren. Es entwickelte sich ein üppiger Börsenschwindel und eine Spekulation von ungeheurem Ausmaß. 1720 ging die Lawsche Staatsbank bankrott. 38 28 „Die Bibel. Das Neue Testament", Evangelium des Matthäus, 7, 16. 40 29 „Die Bibel. Das Neue Testament", Evangelium des Matthäus, 25,32-33. 40 30 „Die Bibel. Das Alte Testament", Hosea, 5,12. 40 31 ,,/Vofi me tangere!" („Rühr mich nicht an!") - Zitat aus „Die Bibel. Das Neue Testament", Evangelium des Johannes, 20,17. 42 32 Sic volo, sicjubeo, statpro ratione voluntas. (So will ich, so befehle ich, es steht statt des Grundes der Wille.) — Zitat aus Juvenalis' „Satirae", 6,223. 42 33 Ludwig Uhland, „Die Rache". 50 34 Kuas sind Symbole der alten chinesischen Philosophie, die die Bedeutung von abstrakten Kategorien haben. Die Grundfiguren sind eine horizontale Linie (das Vollkommene, das Männliche, die Einheit) und eine gebrochene, horizontale Linie (das Unvollkommene, das Weibliche, die Negation). Aus der Verbindung dieser Grundfiguren zu vier Paaren entstehen vier Zeichen für die Materie. Die Verbindung dieser Grundfiguren zu acht Zeichen mit je drei Linien sind die Kuas. Sie bedeuten Himmel, reines Wasser, Feuer, Donner, Wind, gemeines Wasser, Berge und Erde. 51 85 Das griechische Feuer ist ein sich selbst entzündender Brandsatz, der entweder als brennender Strahl aus Spritzen oder in Gefäßen mittels Wurfmaschinen gegen den Feind geschleudert wurde. Da es mit Wasser nicht zu löschen war, wurde es bevorzugt im Seekrieg verwendet. 56 36 Charles de Montesquieu, „De l'esprit des loix", Amsterdam, Leipzig 1763, t.1, liv.5, chap.14. 57
37 Niccolö Machiavelli, „Vom Staate oder Betrachtungen über die ersten zehn Bücher des Tit. Livius", Karlsruhe 1832. 57 38 Edite, bibite! (Gegessen, getrunken!) - Diese Worte stammen aus dem Kehrreim eines im 18. Jahrhundert entstandenen Studentenliedes. 61 39„Die Bibel. Das Alte Testament", I.Buch Mose. 64 65 40 Dieser Ausspruch des Abgeordneten Maximilian von Loe stammt aus der Debatte über die Wählbarkeit der Abgeordneten des vierten Standes. Durch Verordnungen aus den Jahren 1835 und 1836 waren Regierungsbeamte, Advokaten, Notare u.ä. Personen aus den Landgemeinden nicht mehr wählbar, weil der selbstbewirtschaftete Grundbesitz nicht die Haupterwerbsquelle war. Der Abgeordnete von Loe verteidigte unter Berufung auf das Wesen der Ständerepräsentation die Einschränkung der Wählbarkeit der Abgeordneten des vierten Standes. 65 41 Hier und auf der folgenden Seite zitiert Marx aus Friedrich Rückerts Buch „Die Verwandlung des Ebu Seid von Seru'g oder die Maka'men des Hari'ri", Th. 1, Stuttgart 1826, S. 367 und 365. 66 42 Hier endet die Wiedergabe des Textes nach den „Gesammelten Aufsätzen von Karl Marx", herausgegeben von Hermann Becker (siehe auch Anm. 16). 67 43 „Die Bibel. Das Neue Testament", Apostelgeschichte des Lukas, 5,29. 71 44Plutarchus Chaeronensis, „Vitae parallelae", Solon. 73 46 In Nordamerika waren zwei Gefängnissysteme vorherrschend. Nach dem solitary-system wurden die Gefangenen Tag und Nacht in Einzelhaft gehalten, nach dem silent-system wurde zwar die Tagesarbeit gemeinsam durchgeführt, es war aber bei strengster Strafe verboten, Gespräche zu führen. 76 46 Der Oberpräsident der Rheinprovinz hatte verfügt, daß ihm in seiner Eigenschaft als Landtagskommissar die zur Veröffentlichung in der Presse bestimmten Berichte über die Verhandlungen zur Durchsicht vorgelegt werden müssen. Der Landtag beschloß, daß „die Mittheilung der Berichte an den Landtags-Commissar keine Bedenken errege, von einer Censur derselben jedoch keine Rede sein könne". 76 47 Thucydides, „Geschichte des Peloponnesischen Kriegs", Abth. 1, Bd. 2, Stuttgart 1827, S. 194. 77 48Herodot von Halikarnaß, „Geschichte", Abth.2, Bd.8, Stuttgart 1831, S.940/941. 77 49 Den Artikel „Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule" schrieb Marx in der Zeit zwischen Ende Juli bis etwa 6. August 1842. Im Frühjahr 1842 war die Auseinandersetzung mit der historischen Rechtsschule (siehe Anm. 24), die sowohl in der politischen Zielstellung wie in ihren philosophischen Grundlagen im Gegensatz zur Rechtsphilosophie Hegels und zu den Auffassungen der Junghegelianer stand, zu einer aktuellen politischen Aufgabe geworden. Der profilierteste Vertreter dieser Schule, Friedrich Carl von Savigny, hatte vom preußischen König den Auftrag erhalten, durch Revision einer Reihe geltender Gesetze die feudalen Rechtsverhältnisse zu festigen. Ende Juni und im Juli 1842 wurden die ersten Ergebnisse dieser Bestrebungen bekannt und in der Presse besprochen. Marx* Artikel erschien unvollständig am 9. August 1842 in der „Rheinischen Zeitung". „Das Kapitel von der Ehe" (siehe vorl. Band, S.82/83) hatte die Zensur gestrichen. Dieses Kapitel wird in der vorliegenden Ausgabe nach einer Abschrift gebracht, die Mitte der zwanziger Jahre vom Original der inzwischen verschollenen Handschrift angefertigt worden war. 78 50 Gustav Hugo, „Lehrbuch eines civilistischen Curaus. Zweyter Band, welcher das Naturrecht,
als eine Philosophie des positiven Rechts, besonders des PrivatRechts, enthält", 4., sehr veränd. Ausg., Berlin 1819. 78 61 Gemeint ist 'die Schrift Friedrich Carl von Savignys zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum Gustav Hugos, „Der zehente Mai 1788. Beytrag zur Geschichte der Rechtswissenschaft", Berlin 1838. 79 Ba William Shakespeare, „Hamlet", II.Akt, 2.Szene. 79 53 Gemeint ist ein Brauch, der früher bei den Rasbuten (auch Radschputen oder Rajputen) bestand; Rasbuten nennen sich die angeblichen Nachkommen der Kschatrija - der alten Kriegerkaste in Indien. 80 54 Benjamin Constant, „De la religion, consideräe dans sa source, ses formes et ses dÄveloppements", 1.1, 2. Paris 1826, p. 172/173. 82 65 Das Junge Deutschland war eine Bewegung liberal gesinnter Schriftsteller und Kritiker, die sich in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland herausbildete und zeitweise unter dem Einfluß von Heinrich Heine und Ludwig Börne stand. Die Schriftsteller des Jungen Deutschland (Gutzkow, Laube, Wienbarg, Mündt u.a.), die in ihren belletristischen und publizistischen Werken die oppositionellen Stimmungen des Kleinbürgertums widerspiegelten, traten für Gewissens- und Pressefreiheit ein. Die Anschauungen des Jungen Deutschland waren durch ideologische Unreife und politische Unbestimmtheit gekennzeichnet; die meisten seiner Anhänger entarteten bald zu bürgerlichen Liberalen. Nach 1848 zerfiel die Gruppe. In seinem Kapitel über die Ehe spielt Marx auf die Forderung nach freier Liebe durch einige Schriftsteller des Jungen Deutschland an. 83 428 66 Anspielung auf Friedrich Carl von Savignys Buch „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft", Heidelberg 1814, und auf die 1842 erfolgte Berufung Savignys zum Minister für Revision der preußischen Gesetzgebung. 84 67 codices rescripti sind Papyrus- oder Pergamenthandschriften, die, nachdem der ursprüngliche Text beseitigt worden war, erneut beschrieben wurden. Die Wiederherstellung des alten Textes durch chemische Mittel führte nicht selten zur Entdeckung verschollener Handschriften. 85 68 Mit dem Aufsatz „Der leitende Artikel in Nr. 179 der ,Kölnischen Zeitung'" begann Marx eine Polemik gegen die „Kölnische Zeitung". Er schrieb diesen Artikel zwischen dem 28. Juni und dem 3. Juli 1842. Die „Kölnische Zeitung" vertrat zu jener Zeit die ökonomischen Forderungen der rheinischen Bourgeoisie, kritisierte aber die von der „Rheinischen Zeitung" vertretene bürgerlich-demokratische Opposition. Marx' Polemik war durch einen am 28. Juni 1842 in der „Kölnischen Zeitung" veröffentlichten Leitartikel von Karl Hermes veranlaßt, dessen Beiträge im wesentlichen die politische Tendenz der „Kölnischen Zeitung" bestimmten. In seinem Leitartikel denunzierte Hermes die politische Haltung der Tagespresse — gemeint war die „Rheinische Zeitung" -, die den Junghegelianem ihre Spalten zur Verfügung stelle, und forderte die Zensur auf, die junghegelianische Kritik am preußischen Staat und an der christlichen Religion in den politischen Zeitungen zu verbieten. Marx verurteilte in seiner Polemik diese offene Denunziation und ging grundsätzlich auf die zur Veränderung der bestehenden Verhältnisse notwendige Wechselwirkung zwischen Politik und Philosophie ein. 86
68 Marx zitiert Lucian vermutlich nach der Übersetzung von August Pauly, „Griechische Prosaiker in neuen Übersetzungen", Abth.l, Bd.2, Stuttgart 1827, S.176. Im Zitat ersetzte Marx den römischen Gott Merkur durch den ihm entsprechenden griechischen Gott Hermes. 86
60 Gemeint ist der Leitartikel von Karl Heinrich Hermes „Köln, 23. Juni", veröffentlicht in der „Kölnischen Zeitung" vom 24. Juni 1842. 88 61 Die epikureische, stoische und skeptische Philosophie entstand in der Periode einer tiefgreifenden Krise der antiken Sklavenhaltergesellschaft. Die ökonomischen, sozialen und politischen Konflikte bewirkten eine verstärkte Beschäftigung der Philosophie mit den Werten des individuellen Lebens, mit Fragen der Freiheit des Individuums. Der Ethik galt deshalb das Hauptinteresse der Epikureer, Stoiker und Skeptiker. Allen gemeinsam war das Streben nach Glückseligkeit, als deren wichtigste Voraussetzung die Seelenruhe erklärt wurde. Weg und Mittel, die Glückseligkeit zu erlangen, wurden wegen unterschiedlicher weltanschaulicher Positionen jeweils auf andere Weise bestimmt. 91 6a Unter Alexandrinischer Schule verstand Marx den Neuplatonismus, die letzte bedeutende Richtung der griechischen Philosophie. Dieser vereinigte in sich vorwiegend platonische, aber auch aristotelische, stoische und pythagoräische philosophische Lehren, zu denen religiöse, mythologische und magische Vorstellungen vornehmlich orientalischer Herkunft hinzutraten. Im Neuplatonismus wurde die Philosophie eine Erlösungslehre von religiösem Gehalt. In Auseinandersetzung mit der christlichen Religion und der wissenschaftlichen Entwicklung wurde die griechische Mythologie allegorisch gedeutet. 92 63 Der römische Kaiser Julianus versuchte ajs Anhänger des Neuplatonismus in Auseinandersetzung mit dem Christentum das Heidentum wiederherzustellen. 92 64 „verum est, quia absurdum est" („es ist wahr, weil es absurd ist") - Zitat frei nach Tertullianus* „De carne Christi", 5,4. 92 65 Die Vedas, heilige Schriften der Inder, sind der älteste Teil der indischen Literatur. Sie sind die Grundlage der indischen Religion und Philosophie. Sie umfassen Götterhymnen, Opfergesänge, Riten, Zauber- und Opferformeln. Hinzu kommen Erläuterungsschriften, die religiöse Vorschriften, aber auch theologische und philosophische Lehren enthalten. Die Vedas wurden anfangs durch die Brahmanen nur mündlich vermittelt. 93 66 Es handelt sich um die Charte Constitutionelle, die nach der französischen Julirevolution (siehe Anm. 143) im August 1830 angenommen wurde und die Verfassung der Julimonarchie war. 94 67 Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 war eine Zusammenfassung des Handels-, Wechsel-, See-, Versicherungs-, Straf-, Kirchen-, Staats- und Verwaltungsrechts. Es verankerte den rückständigen Charakter des feudalen Preußen in der Rechtsprechung und galt in wesentlichen Teilen bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900. 94 148 246 450 68 Der Code Napoleon, das französische Zivilgesetzbuch, 1807 aus dem 1804 erlassenen Code Civil des Fran?ais hervorgegangen, behielt im wesentlichen die Errungenschaften der Franr zösischen Revolution bei und stand auf dem Boden der formalen bürgerlichen Gleichheit. Der Code Napoleon wurde auch in den von Frankreich eroberten Gebieten West- und Südwestdeutschlands eingeführt. In der Rheinprovinz blieb er auch nach der Vereinigung mit Preußen (1815) im wesentlichen gültig. 95 428 69 William Shakespeare, „König Lear", II.Akt, 2.Szene. 96 70 Karl Heinrich Hermes hatte während seines Theologie- und Philologiestudiums in Berlin und Breslau (Wroclaw) in den Jahren 1818/1819 an der oppositionellen Studentenbewegung teilgenommen. 1824 war ihm in Breslau wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft eine Dozentur verweigert worden. 97
71 Korybanten uiidKabyren sind Gestalten der griechischen Sage, dämonische Wesen, die elementare Naturkräfte verkörperten. Ihnen soll Rhea das Zeuskind zur Rettung anvertraut haben. Sein Vater Kronos pflegte alle Nachkommen zu verschlingen, weil er fürchtete, von diesen gestürzt zu werden. Mit wildem Tanz, Waffengeklirr und lärmendem Geschrei übertönten die Dämonen das Geschrei des Kindes, damit Kronos es nicht höre. 98 72 „Die Bibel. Das Neue Testament", 1 .Brief des Paulus an die Korinther, 6,7-8. 101 73 „Die Bibel. Das Neue Testament", Evangelium des Matthäus, 5,39, und Evangelium des Lukas, 6,29. 101 74 „Die Bibel. Das Neue Testament", Evangelium des Matthäus, 22,21, Evangelium des Markus, 12,17, und Evangelium des Lukas, 20,25. 101 75 Die Heilige Allianz war ein konterrevolutionärer Bund europäischer Monarchen, der 1815 zur Unterdrückung der revolutionären Bewegungen und zur Aufrechterhaltung der feudalmonarchistischen Regierungen in Europa geschaffen worden war. Sie zerfiel bereits Ende der zwanziger Jahre. Nach den Revolutionen 1830 und 1848/49 gab es mehrere Versuche, sie wieder zum Leben zu erwecken. Papst Pius VII. lehnte die auf dem Wiener Kongreß 1815 beschlossene Aufhebung der geistlichen Fürstentümer und die Abtrennung einiger kleiner Gebiete vom Kirchenstaat ab. Die christliche Religion, als Tarnmittel angeblicher Zusammengehörigkeit benutzt, wurde von der Heiligen Allianz unter die Obhut der Monarchen gestellt und somit die Stellung des Papstes herabgesetzt. Außerdem gehörten der russische Zar, der österreichische Kaiser und der preußische König verschiedenen Religionsgemeinschaften an. 101 76 Erin ist ein alter Name für Irland. 102 77 „Die Bibel. Das Neue Testament", Brief des Paulus an die Römer, 13,1. 102 78 „Die Bibel. Das Alte Testament", Buch Josua, 10,12-13. 103 79 ChristianWolff, Professor der Mathematik und Philosophie in Halle, war Vertreter der rationalistischen Aufklärung. Seine Schriften und Vorlesungen wurden deshalb von den pietistischen Theologen, die auch vor Intrigen nicht zurückschreckten, heftig angegriffen. Durch eine Denunziation von Joachim Lange, Theologieprofessor in Halle, mußte Wolff auf Befehl Friedrich Wilhelms I. im November 1723 binnen 48 Stunden bei Strafe des Stranges Halle und die preußischen Staaten verlassen. 103 80 Der Artikel „Der Kommanismus und die Augsburger,Allgemeine Zeitung'" ist der erste, den Marx als Redakteur der „Rheinischen Zeitung" schrieb. Durch den von Gustav Kolb, leitender Redakteur der Augsburger „Allgemeinen Zeitung", verfaßten und am 1 I.Oktober 1842 veröffentlichten Artikel „Die Communistenlehren" wurde Marx veranlaßt, erstmals öffentlich zum Kommunismus Stellung zu nehmen und in die allgemeine Pressediskussion über diese Frage einzugreifen. 105 81 Den Artikel „Die Berliner Familienhäuser" mit der Vorbemerkung von Moses Heß druckte die „Rheinische Zeitung" am 30. September 1842 ab. Die Berliner Familienhäuser, die zwischen 1820 und 1824 gebaut wurden, waren fünf dreistöckige Gebäude mit etwa 400 Wohnungen, meistens nur aus einem Raum bestehend. 1840 lebten in diesen Häusern an die 3000 Menschen in Not und Elend. Oft mußten sich mehrere Familien ein Zimmer teilen. 105 82 Marx meint den 1842 von der Zeitschrift „Mefistofeles. Revue der deutschen Gegenwart in Skizzen und Umrissen" abgedruckten Artikel „Die Augsburger .Allgemeine Zeitung' in ihrer tiefsten Erniedrigung". 105
83 Es handelt sich um den von der „Rheinischen Zeitung" am 7. Oktober 1842 veröffentlichten Bericht „Gelehrten-Kongreß". Die „Rheinische Zeitung" berichtete regelmäßig über den vom 28. September bis 9. Oktober 1842 tagenden zehnten wissenschaftlichen Kongreß Frankreichs, auf dem Mittel zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Fabrikarbeiter erörtert wurden. An diesem Kongreß nahmen Gelehrte aus Deutschland, der Schweiz, England, Belgien, Rußland und anderen Ländern teil. 166 81 Friedrich Wilhelm Giehne, „Der Zollcongreß", in „Allgemeine Zeitung" vom 11..Oktober 1842. 107 85, Gemeint ist die am 11. Oktober 1842 in der „Allgemeinen Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „London. 5.0ct.". 107 86 Die Autonomen waren Vertreter der Fürsten- und Grafenfamilien, die auf Grund der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 (siehe Anm. 10) das Recht behielten, über ihren Besitz und ihre Familienverhältnisse unabhängig vom geltenden Landesrecht zu verfügen. Zur Erhaltung des feudalen Grundbesitzes forderten sie eine Beschränkung der Parzellierung. In der Rheinprovinz versuchte die preußische Regierung durch ein Gesetz die weitere Parzellierung zu verhindern. Der Gesetzentwurf wurde jedoch von den Abgeordneten des 6. Rheinischen Provinziallandtags abgelehnt. 107 87 Aristoteles, „Metaphysica", 982b 12. 107 88 Wilhelm Kosegarten, „Betrachtungen über die Veräusserlichkeit und Theilbarkeit des Landbesitzes mit besonderer Rücksicht auf einige Provinzen der Preußischen Monarchie", Bonn 1842, S.98.108 89 Pierre-Joseph Proudhon, „Qu'est-ce que la proprio? Ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement. Premier memoire", Paris 1840. 108 90 Offensichtlich handelt es sich um Gustave d'Eichthal, Mitglied der von Barthdlemy-Prosper Enfantin gegründeten Phalanstere, eine nach Ideen Fouriers geschaffene landwirtschaftliche und industrielle Produktions- und Konsumtionsgenossenschaft mit kollektiver Arbeitsorganisation. 108 91 Den Artikel „Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Dritter Artikel. Dehatten über das Holzdiebstahlsgesetz" begann Marx vermutlich Anfang Oktober 1842 zu schreiben. Am 24. Oktober war wahrscheinlich im wesentlichen der Artikel fertig, was nicht ausschließt, daß er während des Druckes an den einzelnen Fortsetzungen weitergearbeitet hat. Mit diesem Artikel setzte Marx die Analyse der Verhandlungen des 6. Rheinischen Provinziallandtags fort (siehe Anm.16), der vom 15. bis 17. Juni 1841 über das Holzdiebstahlsgesetz debattiert hatte. Die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes über den Diebstahl von Holz und arideren Waldprodukten war vor allem auf Betreiben der Großgrundbesitzer veranlaßt worden. Sie wollten dem durch die Verarmung und Ruinierung der kleinen Bauern und Tagelöhner wie auch der Stadtbevölkerung zunehmenden Sammeln und Schlagen von Holz durch rigorose Maßnahmen und Bestrafungen Einhalt gebieten. Der Artikel zeugt davon, daß Marx sich intensiv mit Recht und Gesetz in der Geschichte und im preußischen Staat sowie den bestehenden halbfeudalen Rechtsverhältnissen und Rechtsauf Fassungen beschäftigt hat. Er kritisierte die feudalständische Vertretung und ergriff erstmals offen für die Interessen der besitzlosen Massen Partei. Unmittelbar nach dem Erscheinen der letzten Fortsetzung des Artikels setzten seitens der Zensurminister in Berlin und des Oberpräsidenten der Rheinprovinz verschärfte Repressalien gegen die „Rheinische Zeitung" ein. 109 92 Marx" zweiter Artikel zur Debatte des 6. Rheinischen Provinziallandtags, der sich mit den
39 Marx/Engels, Werke, Bd. 1
Kölner Wirren (siehe Anm. 12) beschäftigte, wurde von der Zensur gestrichen und ist nicht überliefert. Marx hatte, wie er in einem Brief an Arnold Rüge vom 9. Juli 1842 (siehe Band 27 unserer Ausgabe, S.405) schrieb, in diesem Artikel nachgewiesen, daß in der Debatte die Verteidiger der katholischen Kirche sich auf den staatlichen und die Verteidiger des preußischen Staates sich auf den kirchlichen Standpunkt gestellt haben. 109 " Gemeint ist die durch ihre Grausamkeit berüchtigte „Hals oder Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Carls V. und des Heiligen Römischen Reichs" (Constitutio criminalis Carolina), die auf dem Reichstag zu Regensburg 1532 bestätigt wurde. 111 588 94 Charles de Montesquieu, „De l'esprit des loix", Amsterdam, Leipzig 1763,1.1, liv.6, chap. 12. 112 95 Im 5. bis 9. Jahrhundert entstanden die ersten schriftlichen Aufzeichnungen der Volks- und Stammesrechte der einzelnen germanischen Stämme, die insgesamt als leges barbarorum bezeichnet wurden. In den leges barbarorum wurden vor allem die von den einzelnen Stämmen geübten Gewohnheitsrechte schriftlichf ixiert,e s wurden aber auch den Bedürfnissen der Zeit entsprechende neue Rechtsnormen aufgenommen. 117 136 96 William Shakespeare, „Der Kaufmann von Venedig", IV. Akt, 1.Szene. 121 97 Die Patrimonialgerichtsbarkeit war das feudale Recht der Grundbesitzer, im Bereich ihrer Gutsherrschaft Gericht zu halten. Ihnen unterstanden die Eigentums-, Erb- und Gutsgerichtsbarkeit. Die Patrimonialgerichtsbarkeit fand 1794 ihre gesetzliche Grundlage im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (siehe Anm. 67). 122 98 Zu Dodona in Epirus befand sich das wahrscheinlich älteste und nach Delphi bedeutendste Orakel Griechenlands, ein Zeusheiligtum. Die Weissagung erfolgte unter anderem nach dem Rauschen der heiligen Eiche. 129 99 Anspielung auf die von Destutt de Tracy begründete „Ideologie", eine Richtung der französischen bürgerlichen Philosophie zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die gegen den Materialismus des 18.Jahrhunderts auftrat. Die Vertreter der „Ideologie" erklärten die psychischen Zustände, die Erscheinungen des Bewußtseins, die Empfindungen, den Willensakt und die Ideen, zum Gegenstand der philosophischen Forschung. 129 100 Johann Wolfgang von Goethe, „Reineke Fuchs", 6. Gesang. 131 101 In der preußischen Rheinprovinz galt der Code d'instruction criminelle vom 27. November 1808. 131 102 William Shakespeare, „Der Kaufmann von Venedig", IV.Akt, I.Szene. 141 103 Der Vorfall ereignete sich 1584 während der Belagerung Antwerpens durch die Truppen des spanischen Königs Philipp II. Antwerpen wurde nach 13monatiger Belagerung 1585 durch die spanischen Truppen besetzt. 142 104 Heiligenparlament wird spöttisch das vom 4. Juli bis 12. Dezember 1653 inEngland bestehende Kleine Parlament (Barebone-Parliament) unter Oliver Cromwell genannt, dem viele Anhänger radikaler religiöser Sekten angehörten. Dem Parlament gelang es, einige Reformen durchzusetzen — z.B. Verringerung von Steuerlasten, Aufhebung des Kirchenzehnten, Abschaffung des reaktionären Kanzleigerichts (Court of Chancery) -, die den Absichten Cromwells widersprachen. Cromwell löste deshalb das Parlament auf. 143 305 In diesem am 18.Dezember 1842 geschriebenen Artikel kritisiert Marx den Ehescheidungsgesetzentwurf, der 1842 unter Leitung des führenden Repräsentanten der historischen Rechtsschule (siehe Anm. 24), des für die Revision der preußischen Gesetzgebung berufenen
Ministers Friedrich Carl von Savigny, verfaßt worden war. Die Vorbereitung des Ehescheidungsgesetzentwurfs und seine Erörterung in Regierungskreisen wurde streng geheimgehalten. Wenige Tage nach Marx' Eintritt in die Redaktion der „Rheinischen Zeitung" hatte diese den Gesetzentwurf veröffentlicht. Das war vor allem deshalb bedeutungsvoll, weil aus diesem Gesetz Schlußfolgerungen hinsichtlich des Charakters der geplanten Revision der preußischen Gesetzgebung überhaupt gezogen werden konnten. Die Veröffentlichung löste eine breite öffentliche Diskussion in der „Rheinischen Zeitung", der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" und in anderen Presseorganen aus. Die preußische Regierung reagierte mit Drohungen und Repressalien. Die Veröffentlichung des Ehescheidungsgesetzentwurfes und die entschiedene Weigerung der Redaktion der „Rheinischen Zeitung", den Namen des Informanten zu nennen, waren eine der Ursachen, die zum Verbot des Blattes führten. 148
106 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, „Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse", Berlin 1833, S.227. 149 107 Marx schrieb diesen Leitartikel, nachdem am 28. Dezember 1842 auf Antrag der preußischen Zensurminister die „Leipziger Allgemeine Zeitung" von Friedrich Wilhelm IV. für die preußischen Staaten verboten worden war. Die preußische Regierung behauptete, daß die Unterdrückung der Zeitung eine Sondermaßnahme wäre, die lediglich auf die Willkür der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" zurückzuführen sei. Dieser Behauptung schlössen sich konservative und gemäßigt liberale Pressestimmen an. Marx erkannte sofort, daß mit dem Verbot generelle und weitergehende Maßnahmen gegen die oppositionelle Presse in den preußischen Staaten eingeleitet wurden, und zeigte als erster und am konsequentesten, daß die Kritik der Zeitung am preußischen Staat und seinen Institutionen das eigentliche Motiv der Regierung war und die erhobenen Vorwürfe auf die ganze oppositionelle Presse zutreffen. Die „Leipziger Allgemeine Zeitung" eröffnete mit Marx' Artikel eine Zusammenstellung von Pressestimmen zum Verbot ihres Blattes, die sie vom 6. bis 12. Januar 1843 veröffentlichte. 152 108 Mit diesem Artikel begann Marx eine Polemik mit der „Kölnischen Zeitung", die in seinen Beiträgen „Die gute und die schlechte Presse", „Replik auf die Denunziation eines,benachbarten' Blattes" sowie „Die Denunziation der .Kölnischen' und die Polemik der .Rhein- und Mosel-Zeitung'" (siehe vorl. Band, S. 155/156 und S. 159-169) fortgesetzt wurde. Die „Kölnische Zeitung" hatte das Verbot der „Leipziger AllgemeinenZeitung" begrüßt und der Presse das Recht abgesprochen, die staatlichen Institutionen Preußens kritisch zu beleuchten. Sie beschuldigte die oppositionellen Zeitungen, die gewährte Pressefreiheit zu mißbrauchen. Marx' Entgegnung im vorliegenden Artikel wurde von den Zensurministern ebenfalls zur Begründung für das Verbot der „Rheinischen Zeitung" herangezogen. 154 108 Gustav Kolb, „Herwegh", in „Allgemeine Zeitung" vom 3. Januar 1843. 156 110 Gemeint ist die am 6. Januar 1843 in der „Rhein- und Mosel-Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „Vom Rhein, den 4. Januar". 156 164 111 Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen den reaktionären und liberalen Kräften in ganz Deutschland, die 1837 durch die Aufhebung der liberalen Verfassung Hannovers von 1833 ausgelöst wurden. König Ernst August setzte das alte Staatsgrundgesetz von 1819 wieder in Kraft, das die Restauration der feudalen Verhältnisse begünstigte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand das Auftreten von sieben Göttinger Professoren, die dem König den Huldigungseid verweigerten und öffentlich erklärten, sie betrachten sich nach wie vor an die Verfassung von 1833 gebunden. Deshalb wurden sie von der Regierung entlassen und drei von ihnen des Landes verwiesen. Die „Leipziger Allgemeine Zeitung" hatte das mutige Auf
treten der sieben Göttinger Professoren begrüßt und eine Geldsammlung unterstützt, die durch einen Aufruf von Leipziger Kaufleuten, Buchhändlern und Gelehrten veranlaßt worden war. 157 112 hinc illae lacrimae! (daher diese Tränen!) - Zitat aus Terentius' „Andria", 1,1. 157 113 Die „Leipziger Allgemeine Zeitung" hatte in den Auseinandersetzungen zwischen dem protestantisch-preußischen Staat und der katholischen Kirche wegen der Verhaftung des Erzbischofs von Köln (siehe Anm. 12) gegen den politischen Katholizismus Stellung genommen und den Protestantismus verteidigt. In diesem Zusammenhang hatte sie auch mit der „Rheinund Mosel-Zeitung" polemisiert. Der politische Katholizismus hatte sich 1838 mit den „Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland" ein Sprachrohr gegen den preußischen Staat und den Protestantismus geschaffen. 1839 wurde diese Zeitschrift für die preußischen Staaten verboten, 157 114 Marx meint den Artikel von Richter „Die ständischen Berichte und die Rheinische Zeitung" mit einemNachwort von GustavKolb, in der „Allgemeinen Zeitung" vom 4. Januar 1843.159 116 Es handelt sich um den am 9. Januar 1843 in der „Kölnischen Zeitung" veröffentlichten Artikel „Die Preßverhältnisse in Preußen". 159 163 118 Gemeint ist ein Brief, den Georg Herwegh an Friedrich Wilhelm IV. geschrieben hatte, weil die preußische Regierung die Verbreitung der von Herwegh geplanten radikalen Monatsschrift „Der deutsche Böte aus der Schweiz" auf preußischem Gebiet verboten hatte. Herweghs Brief wurde am 24. Dezember 1842 in der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht, worauf eine Kabinettsordre über das Verbot dieser Zeitung erlassen und Herwegh aus Preußen ausgewiesen wurde. 160 494 117 Gemeint ist der am 6. Januar 1843 in der „Rheinischen Zeitung" veröffentlichte Artikel „Die preußische Presse". 160 163 118 Ernst Gottfried Georg von Bülow-Cummerow, „Preußen, seine Verfassung, seine Verwaltung, sein Verhältniß zu Deutschland", Berlin 1842. 161 452 116 Die ständischen Ausschüsse waren durch Verordnungen Friedrich Wilhelms IV. vom 21. Juni 1842 in allen preußischen Provinzen aus den auf den Provinziallandtagen (siehe Anm. 17) vertretenen Ständen gebildet worden. Die Absicht war, der Forderung der liberalen Opposition nach einer konstitutionellen Repräsentation für Gesamtpreußen entgegenzuwirken und die feudalständische Vertretung auszubauen. Die Gesetzentwürfe zur „Einberufung der Ausschüsse der einzelnen Provinzen" waren den 1841 tagenden preußischen Provinziallandtagen zur Beratung vorgelegt und von diesen befürwortet worden. Die Ausschüsse sollten vor allem als Ratgeber in wichtigen, alle Provinzen betreffenden Angelegenheiten fun1 gieren und konnten vom König in der Zeit zwischen zwei Landtagen einberufen werden. 161
120 Gemeint ist die am 22.Dezember 1842 in der „Kölnischen Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „Köln, 21.Dec.". 161 121 „Eure Stirn scheint mir umwölkt, mein Freund. War' Euch etwa Mein Anblick nicht willkommen? Sprecht Eraste, Was ist's? Was habt Ihr nur? Was ist gescheh'n, Daß ich Euch seufzen hörte, wie ich kam?" Zitat aus Jean-Baptiste Molieres „Les Facheux", I.Akt, 5.Szene. 162 122 Gemeint ist die am 11. Januar 1843 in der „Kölnischen Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „Köln, 10. Jan. 1843". 163
123 Julius Caesar Vanini, „Amphitheatrum aeternae providentiae divinomagicum", Lugduni 1615.164 124 William Shakespeare, „König Heinrich IV.", Erster Teil, III.Akt, I.Szene. 164 125Papst Gregor XVI., „Hirtenbrief Seiner Päpstlichen Heiligkeit Gregor XVI. an alle Bischöfe der katholischen Welt. Oder das Urtheil der Kirche Christi über den Geist, die Richtungen und Gefahren dieser Zeit, Erlassen in Rom den 15. August 1832", Regensburg 1832. 164 126Gemeint ist die am 1 I.Januar 1843 in der „Rhein- und Mosel-Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „Koblenz, den 10. Jan.".164 127Gemeint ist die am 1 I.Januar 1843 in der „Rhein- und Mosel-Zeitung" veröffentlichte Korrespondenz „Vom Rhein, den 9. Jan.". 165 128 Gotthold Ephraim Lessing, „Eine Parabel. Nebst einer kleinen Bitte und einem eventualen Absagungsschreiben an den Herrn Pastor Goeze, in Hamburg". 169 129Ausderam 15. Januar 1843 in der „Rhein-und Mosel-Zeitung" veröffentlichten Korrespondenz „Koblenz, den 13. Jan.". 169 130 Die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland", Band 10, München 1842, enthalten den Beitrag „Der heilige Ignatius von Loyola", auf den Marx sich bezieht. 171 131 Gemeint ist der am 17. und 18. Januar 1843 in der „Rhein- und Mosel-Zeitung" veröffentlichte Artikel „Die Rheinische Zeitung und die deutschen Jahrbücher". 171 132Den Artikel „Rechtfertigung des 11-Korrespondenten von der Mosel" verfaßte Marx zwischen Ende Dezember 1842 und Mitte Januar 1843 als Antwort auf zwei Reskripte des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Schaper, vom 15. Dezember 1842. Dieser verlangte vom Verfasser zweier Korrespondenzen, die am 12. und 14. Dezember 1842 in der „Rheinischen Zeitung' veröffentlicht worden waren und die das Elend der Moselbauern und die Unfähigkeit der Regierungsbehörden anprangerten, Beweise für seine Feststellungen. Schaper beschuldigte den Verfasser der Korrespondenzen der Entstellung von Tatsachen und der Verleumdung der Regierung. Da der Verfasser Peter Coblenz die Auseinandersetzung nicht führen konnte und wollte, übernahm Marx selbst die Beschaffung des Beweismaterials, studierte es und wertete es aus. Marx' Artikel erregten große Aufmerksamkeit. Er schilderte nicht nur die Not und das Elend der Moselbewohner, wie es in Presseartikeln anderer Zeitungen geschah, sondern stellte die Verantwortung der preußischen Bürokratie in den Mittelpunkt seiner Darlegungen. Marx gliederte seine „Rechtfertigung" in fünf selbständige Abschnitte. Die Abschnitte A und B wurden vom 15. bis 20. Januar 1843 in fünf Fortsetzungen jeweils an erster Stelle im Hauptblock publiziert. Den Abschnitt C legte Marx um den 27. Januar 1843 der Zensur vor, die die weitere Publikation des Artikels verbot. Die „Barmer Zeitung" vom 16., 18. und 19. Januar 1843 druckte die beiden veröffentlichten Abschnitte der „Rechtfertigung" des Mosel-Korrespondenten ab. Marx beabsichtigte, diese beiden Abschnitte unter seinem Namen in den von Hermann Becker in Köln herausgegebenen „Gesammelten Aufsätzen" (siehe auch Anm. 1 und 16) zu veröffentlichen. Die „Rechtfertigung" wurde in mehreren Beiträgen der „Trier'schen Zeitung" und in einem Artikel der „Mannheimer Abendzeitung" besprochen. 172 133Peter Coblenz, „Antheil der Moselbewohner an der ferneren Bewegung der Presse", in „Rheinische Zeitung" vom 12. Dezember 1842, und „Ueber die nothwendige Freigebung des Gemeindeeigenthums", in „Rheinische Zeitung" vom 14. Dezember 1842. 172
134 Gemeint ist der Verein zur Förderung der Weinkultur an Mosel und Saar zu Trier, der am 12. März 1836 gegründet worden war. Marx bezieht sich im folgenden auf die „Vorstellungen der Direction des Vereins an verschiedene Behörden". Der Verein hat in den „Mittheilungen des Vereins zur Förderung der Weincultur an Mosel und Saar zu Trier" Heft 4, 1841, seine verschiedenen Eingaben und die Antworten der Regierung aus der Zeit von 1838 bis 1840 veröffentlicht. 178 135 „Erneuertes Censur-Edict für die Preußischen Staaten exclusive Schlesien. Berlin, den 19.December 1788." 191 136 Ohm war ein Flüssigkeitsmaß, besonders für Wein. Eine Ohm umfaßte etwa 135 bis 150 Liter. 193 137Friedrich Wilhelm III., „An den Ober-Präsidenten von Bodelschwingh-Velmede. Berlin, 3. Juli 1836", in „Amts-Blatt der Königl. Regierung zu Coblenz" vom 21. Juli 1836. 196 138 Die preußische Regierung hatte schon lange auf eine günstige Gelegenheit für ein Verbot der „Rheinischen Zeitung" gewartet. Marx' Stellungnahme zum „Verbot der .Leipziger Allgemeinen Zeitung'" (siehe vorl. Band, S. 152-171) Und die Haltung der „Rheinischen Zeitung" zum Verbot der „Deutschen Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst" nahmen die Zensurminister schließlich zum Anlaß, am 20. Januar 1843 das Blatt zu verbieten. Es durfte der Abonnenten und Aktionäre wegen noch bis zum 31. März erscheinen, die Zensur wurde aber so verschärft, daß viele Artikel überhaupt nicht oder sehr verstümmelt abgedruckt wurden. Dies und der offensichtliche Versuch der Geranten, durch eine liberale Haltung das Verbot rückgängig zu machen, veranlaßten Marx, am 17. März 1843 aus der Redaktion auszutreten. Seine „Erklärung" wurde auch in der „Düsseldorfer Zeitung" am 19. März, in der „Barmer Zeitung", im „Frankfurter Journal" und in der „Frankfurter Zeitung" am 20. März, in der „Trier'schenZeitung" am2I.März, im „Hamburger Correspondenten" am 22.März, in der „Königsberger Zeitung" am 25.März und in der „Leipziger Lokomotive" am 29.März 1843 wiedergegeben. 200
139Die von Marx im Frühjahr und Sommer 1843 in Kreuznach geschriebene Arbeit „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" besteht aus 39 Manuskriptbogen, von Marx mit römischen Ziffern numeriert. Der erste Bogen fehlt. Das Manuskript enthält eine gründliche kritische Analyse der Paragraphen 261 bis 313 von Hegels Werk „Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse". In diesen Paragraphen behandelt Hegel die Frage des Staates. Über Marx' Schlußfolgerungen zu Hegels Auffassungen schriebEngels 1869 in seinem Artikel „Karl Marx": „Anknüpfend an Hegels Rechtsphilosophie, kam Marx zu der Einsicht, daß nicht der von Hegel als .Krönung des Gebäudes' dargestellte Staat, sondern vielmehr die von ihm so stiefmütterlich behandelte .bürgerliche Gesellschaft' diejenige Sphäre sei, in der der Schlüssel zum Verständnis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses der Menschheit zu suchen sei." (Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S.362.) 201 140Santa Cosa (Heiliges Haus) hieß das Inquisitionsgefängnis in Madrid. 213 141 Die Zahlen XIV und X bezeichnen die entsprechenden Bogen des Manuskripts (siehe vorl. Band, S. 246-249 und 232-235), 277 142Buridans Esel ist ein dem französischen Logiker Jean Buridan fälschlich zugeschriebenes Beispiel, das die „Unfreiheit" des Willens erläutern soll: ein hungriger Esel, der genau in der Mitte zwischen zwei gleich großen Heubündeln steht, könne sich weder für das eine noch für das andere entscheiden und müsse deshalb verhungern. 297
143 Die Julireoolution in Frankreich (27.-29. Juli 1830) stürzte durch den Sieg des Volkes die Dynastie der Bourbonen. Zur Macht kam der sog. Bürgerkönig Louis-Philippe als Repräsentant der Finanzbourgeöisie. 319 484 568 144Die drei Briefe richtete Marx an Arnold Rüge. Sie wurden in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" in dem Beitrag „Ein Briefwechsel von 1843" abgedruckt, der auch Briefe von Arnold Rüge, Michail Bakunin und Ludwig Feuerbach enthält. Rüge hat Marx' Briefe redaktionell bearbeitet (siehe Band 37 unserer Ausgabe, S.527). 337 145 Marx nennt die Preußen ironisch Vorderrassen und Nikolaus I. den Herrn aller Hinlerrussen. 342 146 Im August 1843 hatte Arnold Rüge Marx über seine endgültige Entscheidung informiert, die „Deutsch-Französischen Jahrbücher" in Paris herauszugeben. Zuvor waren u.a. Straßburg und Orte in der Schweiz vorgesehen. 343 147Etienne Cabet, „Voyage en Icarie, roman philosophique et social", 2.£d„ Paris 1842,344 148Alexis de Tocqueville, „De la democratie en Amerique", Paris 1836. 352 140Thomas Hamilton, „Die Menschen und die Sitten in den Vereinigten Staaten von Nordamerika", Bd. 1, Mannheim 1834. 352 150 Gemeint ist die „Constitution frangaise. Decrt'lee par l'assembl^e nationale Constituante aux annees 1789, 1790 et 1791". 363 151 Gemeint ist die „Constitution de 1793. Mise en discussion le 11 juin 1773; - Achevee le 24 du meme mois". 363 152 Gemeint ist die „Constitution de la republique fran?aise, decretee par la Convention nationale et acceptee par le peuple dans le mois de fructidor an 3, promulgu^e le 1er vend&niaire an 3. (Aoüt et septembre 1795.)". 363 153 Marx bezieht sich auf die Arbeit von Bruno Bauer, „Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker", Bd. 1-2, Leipzig 1841-1842, und Bd.3, Braunschweig 1842, sowie auf die Arbeit von David Friedrich Strauß, „Das Leben Jesu", Bd. 1-2, Tübingen 1835-1836. 372 154 Thomas Müntzer, „Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten gepredigt auffm schlos zu Alstet vor den tetigen thewren Herzcogen vnd Vorstehern zu Sachssen durch Thoma Müntzer diener des wordt gottes", Alstedt 1524. 375 155 Es handelt sich um die fünf Bücher Mosis im Alten Testament. 377 156 Marx beabsichtigte, seine Arbeit „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" (siehe vorl. Band, S. 201—333) für den Druck vorzubereiten und unmittelbar nach der in den „DeutschFranzösischen Jahrbüchern" erschienenen „Einleitung" zu veröffentlichen. Uber die Gründe, warum er diese Absicht nicht verwirklichte, schrieb Marx in der Vorrede zu den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844" folgendes: „Ich habe in den .Deutsch-Französischen Jahrbüchern' die Kritik der Rechts- und Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständnis erschwerend. Überdem hätte der Reichtum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in eine Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines willkürlichen Systematisierens erzeugt hätte." (Siehe Ergänzungsband, Teil 1, unserer Ausgabe, S. 467.)
Ausgehend von diesen Erwägungen kam Marx zu dem Ergebnis, daß es zweckmäßiger wäre, eine Kritik des Rechts, der Moral, der Politik usw. in Einzelbroschüren zu veröffentlichen und alles durch eine zusammenfassende Arbeit abzuschließen, die eine Kritik an der idealistischen, spekulativen Philosophie enthalten sollte. Die Notwendigkeit, gegen die Junghegelianer sowie gegen andere Vertreter der bürgerlichen und kleinbürgerlichen deutschen Ideologie aufzutreten, veranlaßte jedoch Marx, seinen ursprünglichen Plan zu ändern. Er begann mit der Ausarbeitung der Grundlagen der neuen, revolutionär-materialistischen Weltanschauung im Zusammenhang mit einer gründlichen Kritik der idealistischen Philosophie der Junghegelianer. Diese Aufgabe lösten Marx und Engels in ihren gemeinsamen Arbeiten „Die heilige Familie" und „Die deutsche Ideologie". (Siehe Band 2 und 3 unserer Ausgabe.) 379 167 Anspielung auf die Schutzzollagitation Friedrich Lists. 382 158 Marx meint den Philosophen Anacharsis, der, von Geburt Skythe, nach dem Zeugnis des Diogenes Laertius von den Griechen zu den sieben griechischen Weisen gezählt wurde. 383 169Die Septembergesetze wurden im September 1835 von der französischen Regierung unter Berufung auf das am 28. Juli auf den König Louis-Philippe verübte Attentat erlassen. Sie beschränkten die Tätigkeit der Geschworenengerichte und führten strenge Maßnahmen gegen die Presse ein. So waren für periodisch erscheinende Druckerzeugnisse eine Erhöhung der Kautionen und für Verfasser von Publikationen, die gegen das Eigentum sowie die bestehende Staatsordnung gerichtet waren, Gefängnishaft und hohe Geldstrafen vorgesehen. 387 160 Marx schrieb diesen Artikel als Erwiderung auf einen von Arnold Rüge im „Vorwärts!" am 27. Juli 1844 unter der Überschrift „Der König von Preußen und die Sozialreform" mit der Unterschrift „Ein Preuße" veröffentlichten Beitrag. 392 161 Gemeint ist der spontane Aufstand der schlesischen Weber vom 4. bis 6. Juni 1844 gegen die brutalen Ausbeutungsmethoden und gegen Lohnkürzungen. Der Weberaufstand war die erste bedeutende proletarische Erhebung der deutschen Arbeiterklasse. 392 162Marx bezieht sich auf den Erlaß des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. vom 18. Juli 1843. Anlaß war die Teilnahme von Regierungsbeamten an einem Bankett, das die Liberalen in Düsseldorf zu Ehren des 7.Rheinischen Landtags veranstaltet hatten; der Erlaß verbot den Regierungsbeamten, an derartigen Manifestationen teilzunehmen. 393 163 Gemeint sind die Korngesetze, die 1815 in England im Interesse der großen Grundbesitzer, der Landlords, eingeführt worden waren und die die Getreideeinfuhr aus dem Ausland beschränkten oder verboten. Am 26. Juni 1846 beschloß das englische Parlament die Abschaffung der Korngesetze. Das bedeutete einen wichtigen Sieg der industriellen Bourgeoisie, die unter der Losung des Freihandels gegen die Korngesetze aufgetreten war, um vor allem billigere Arbeitskräfte zu erhalten. 395 466 535 557 164 Marx zitiert Francis Bacon „De dignitate et augmentis scientiarum" nach der französischen Übersetzung von John Ramsay MacCullochs Buch „Discours sur l'origine, les progres, les objets particuliers, et l'importance de l'economie politique", Geneve et Paris 1825, p. 131/132. 396 1G5 Die Amendment Bill (Armengesetz) von 1834 sah als einzige Form der Hilfe für die Armen ihre Unterbringung in Arbeitshäusern (workhouses) vor, in denen ein Zuchthausregime herrschte. Das Volk bezeichnete diese Arbeitshäuser als „Bastillen für die Armen". 397 518 166 Im Somerset Home, einem alten Palast im Westen Londons, waren verschiedene Regierungsinstitutionen untergebracht. 397
167 Das Comite du salut public (Wohlfahrtsausschuß) war während der Französischen Revolution das machtausübende Organ des Nationalkonvents, Im April 1793 gegründet, entwickelte es sich unter der Führung von Maximilian Robespierre zur revolutionären Regierung der Jakobinerdiktatur (2. Juni 1793 bis 25. Juli 1794). 400 168 Es handelt sich um das revolutionäre Lied „Das Blutgericht", das am Vorabend des schlesischen Weberaufstandes (siehe Anm. 161) unter den Webern populär war. 404 16aMichel Chevalier, „Des interets materiels en France", Paris et Bruxelles 1838, p.3. 407 170 Gemeint sind die Aufstände 1832 und 1839 in Paris und der Aufstand 1834 in Lyon. Der Aufstand in Paris vom 5. und 6. Juni 1832 war vom linken Flügel der republikanischen Partei und von revolutionären Geheimgesellschaften vorbereitet worden. Die aufständischen Arbeiter errichteten Barrikaden, auf denen zum erstenmal die rote Fahne gehißt wurde, erlagen aber am 6. Juni der militärischen Übermacht. Der Aufstand der Arbeiter in Lyon vom 9. bis 13. April 1834 unter Führung der republikanischen Gesellschaft der Menschenrechte wurde im Zusammenhangmit Lohnkämpfen und der anschließenden gerichtlichen Verfolgung der Arbeitervertreter ausgelöst. Der Aufstand war eine der ersten Massenerhebungen des französischen Proletariats und wurde durch Aufstände in Paris und anderen Städten unterstützt. Sie wurden grausam niedergeschlagen. Der Aufstand in Paris vom 12. Mai 1839, der unter der Leitung yön Louis-Auguste Blanqui und Armand Barbes vorbereitet und vom Bund der Gerechten unterstützt wurde, blieb isoliert und wurde unterdrückt. 407 484 171 Mit den ,J3riefen aus dem Wuppertal" begann Engels seine journalistische Arbeit. Er schrieb sie für die von der literarischen Bewegung Junges Deutschland (siehe Anm.55) herausgegebene Zeitschrift „Telegraph für Deutschland" unter dem Pseudonym Oswald. 413 172 Die Freunde des Lichtes (Lichtfreunde) war eine 1841 entstandene religiöse Strömung, die sich gegen den in der offiziellen protestantischen Kirche herrschenden Pietismus und den ihm eigenen strengen Mystizismus und die Frömmelei richtete. Diese religiöse Opposition war eine Erscheinungsform der Unzufriedenheit der Bourgeoisie der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts mit der reaktionären Ordnung in den verschiedenen deutschen Staaten. 413 173Nach der Zwangsunion der Lutheraner mit den Reformierten (Kalvinisten) 1817 spalteten sich die Gegner dieser Union ab und gründeten die Kirchengemeinschaft der Altlutheraner, die an der Verbindlichkeit der lutherischen Bekenntnisschriften festhielten. 417 174 Gemeint ist der Machtkampf zwischen Papst Gregor VII. und dem deutschen Kaiser Heinrich IV. in den Jahren 1075/1076. 420 175 Es handelt sich um das Auftreten der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland entstandenen studentischen Turnerschaften. Sie beteiligten sich aktiv am Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Nach dem Wiener Kongreß 1815 traten viele Mitglieder der Turnerschaften für die Einigung Deutschlands und gegen die reaktionären Regierungen in den deutschen Staaten auf. Dafür wurden sie als „Demagogen" verfolgt und Repressalien . ausgesetzt. 421 176 Das am 17./18.0ktober 1817 durchgeführte Wartburgfest wurde zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und den 300. Jahrestag der Reformation von der oppositionellen deutschen Studentenschaft veranstaltet. Es war die erste nationale Kundgebung der bürgerlichen Opposition gegen die reaktionären, despotischen deutschen Fürsten und für die nationale Einheit und Freiheit. 421 177 Engels meint die Rezension „Zeichen der Zeit", die der „Telegraph für Deutschland",
Nr.208 vom Dezember 1838, über J.Ch.F.Winklers Buch „Harfenklänge" abgedruckt hatte. 425 178 Rektoratschulen hießen die fünfklassigen Grundschulen in der Rheinprovinz und in Westfalen. 428 179Es handelt sich um die Inhaber des Barmer Handelshauses J.P. von Eynern & Söhne, bei denen Ferdinand Freiligrath von 1837 bis 1839 als Kommis beschäftigt war. 429 180 Motive aus dem Volksmärchen „Die Unkenkönigin" finden sich in Ferdinand Freiligraths Dichtung „Schwalbenmärchen" und Motive aus dem Volksmärchen „Schneewittchen" in dem Gedicht „Meerfahrt". 429 181 Montanas Eremita (Einsiedler im Gebirge) nennt Engels ironisch den deutschen Schriftsteller Vincenz Jakob von Zuccalmaglio, der unter dem Pseudonym Montanus das Buch „Die Vorzeit der Länder Cleve-Mark, Jülich-Berg und Westphalen" veröffentlicht hatte. 431 182 David Friedrich Strauß, „Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft", Bd. 1-2, Tübingen und Stuttgart 1840 bis 1841.435 183Ludwig Börne, „Briefe aus Paris", in „Gesammelte Schriften", Th.9-14, Hamburg 1832, Paris 1833-1834. 437 184Heinrich Heine, „Über Ludwig Börne", Hamburg 1840. 440 185 Gemeint sind die Titelgestalten aus den Dramen von Karl Gutzkow „Patkul" und „Werner, oder Herz und Welt". 440 186 Victor Cousin, „Über französische und deutsche Philosophie", Stuttgart und Tübingen 1834. 443 187 Bruno Bauer, „Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen. Ein Ultimatum", Leipzig 1841. 445 188 Anspielung auf Alexander Jungs nicht verwirklichte Absicht, nach Absolvierung der theologischen Fakultät Prediger zu werden. 445 189 Diesen Artikel schrieb Engels für die geplante Monatsschrift „Der deutsche Bote aus der Schweiz", die Georg Herwegh 1842 in Zürich an Stelle der früher dort erschienenen Zeitschrift gleichen Namens herauszugeben beabsichtigte. Die neue Zeitschrift erschien nicht, und die für sie bestimmten Artikel wurden im Sommer 1843 — da Bücher über zwanzig Druckbogen nicht der Zensur unterlagen - in dem von Georg Herwegh herausgegebenen Sammelband „Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz" veröffentlicht. 446 190 Die Altlutheraner (siehe Anm. 173) erhielten 1845 von Friedrich Wilhelm IV. das Recht zur Gründung einer eigenen Kirche. 448 191 Gemeint sind die feierlichen Versprechungen Friedrich Wilhelms IV. bei der Entgegennahme des 1840 von Abordnungen der verschiedenen Provinzen und Städte Preußens (Königsberg, Breslau u.a.) geleisteten Treueids. Der König hatte erklärt: „Ich gelobe hier vor Gottes Angesicht... ich will das Beste, das Gedeihen, die Ehre aller Stände ... pflegen und fördern. Alle Konfessionen meiner Untertanen sind mir gleich heilig, ich werde alle ihre Rechte zu schützen wissen." 451 19?Die Volkscharte (People's Charter), die die Forderungen der Chartisten enthielt, wurde am 8. Mai 1838 als Gesetzentwurf, der im Parlament eingebracht werden sollte, veröffentlicht. Er bestand aus sechs Punkten: Allgemeines Wahlrecht (für Männer über 21 Jahre), jährliche
Parlamentswahlen, geheime Stimmenabgabe, gleiche Wahlkreise, Abschaffung des Vermögenszensus für die Kandidaten zu den Parlamentswahlen, Diäten für die Abgeordneten. Die Petitionen von 1839 und 1842, in denen die Chartisten die Annahme der Volkscharte forderten, wurden vom Parlament abgelehnt. Der Kampf für die Annahme der Volkscharte führte zu einem Aufschwung der Chartistenbewegung und zur Gründung der NationalCharter-Association (siehe Anm. 204). 454 468 531 557 193Die Navigationsgesetze wurden 1651 unter Oliver Cromwell erlassen. Sie bestimmten, daß jeglicher Küstenhandel und sämtliche Fahrten nach englischen Kolonien nur Schiffen gestattet waren, deren Besitzer und Kapitäne britische Untertanen waren. Einfuhrartikel konnten außerdem noch auf Schiffen des Ursprungslandes eingeführt werden; auf ihnen lagen aber dann höhere Zölle. Die Navigationsgesetze, die später mehrmals ergänzt wurden, richteten sich gegen jede, vor allem die niederländische Konkurrenz und dienten der Ausbeutung der englischen Kolonien. 1849 wurden sie für die Übersee- und 1854 für die Küstenschifffahrt aufgehoben. 459 194 Engels bezieht sich auf eine Welle vonStreiks imAugust 1842 in mehreren Industriebezirken Englands (Lancashire, Yorkshire u.a.). In einigen Orten kam es zu bewaffneten Zusammenstößen der Streikenden mit Truppen und Polizei. 459 465 196 Die Anti-Com-Law League (Anti-Korngesetz-Liga) war eine von den beiden Fabrikanten Richard Cobden und John Bright 1838 gegründete Vereinigung der Freetrader (Freihändler), die die Aufhebung der Korngesetze (siehe Anm. 163) zum Ziel hatte. 462 468 510 577 196 Bei der sliding-scale handelt es sich um ein in England und anderen Ländern angewandtes System zur Festsetzung der Getreidezölle, bei dem der Zoll bei steigendem Preis des Getreides fällt und bei sinkendem Preis steigt. 462 466 534 197 Gemeint sind die Arbeiter der Stadt Bolton bei Manchester. 465 198 Die Reformbill wurde im März 1831 vom englischen Unterhaus angenommen und am 7. Juni 1832 vom Oberhaus bestätigt. Die Reform richtete sich gegen die politische Monopolstellung der Grund- und Finanzaristokratie, beseitigte die schlimmsten feudalen Uberreste im englischen Wahlrecht und verschaffte den Vertretern der industriellen Bourgeoisie den Zutritt zum Parlament. Proletariat und Kleinbürgertum, die Hauptkräfte im Kampf für die Reform, erhielten kein Wahlrecht. 466 572 199Durch Gesetz vom 13. April 1829 (Act of Emancipation) wurden die Beschränkungen der politischen Rechte der Katholiken, in ihrer Mehrheit Iren, aufgehoben. Sie erhielten das Recht, ins Parlament gewählt zu werden und gewisse Regierungsämter einzunehmen. Durch ein anderes Gesetz vom gleichen Tage wurde dieses Recht durch die Erhöhung des Besitzzensus für die Wahl auf das Fünffache wieder eingeschränkt. 466 578 200 Die Hochkirche war eine Richtung der anglikanischen Kirche, die ihre Anhänger hauptsächlich unter der Aristokratie hatte und die Annäherung an den Katholizismus suchte. Eine zweite Richtung der anglikanischen Kirche, die niedere Kirche, war hauptsächlich unter der Bourgeoisie und der niederen Geistlichkeit verbreitet. 468 201 Als Dissenters wurden die Anhänger religiöser Strömungen und Sekten bezeichnet, die von den Dogmen der offiziellen anglikanischen Kirche abwichen. 468 202 Gemeint ist der von der „Allgemeinen Zeitung" am 20. April 1843 unter „London, 13. April" veröffentlichte Artikel. 471 w3Drury Lane ist eine Straße in London. 471
204 Die National-Charter Association (Nationale Chartisten-Assoziation), die im Juli 1840 in Manchester durch Zusammenfassung der örtlichen Vereinigungen gegründet wurde, war die erste Massenpartei der Arbeiter in der Geschichte der Arbeiterbewegung und zählte 1841/ 1842 ca. 40000 Mitglieder. Der Assoziation fehlte eine einheitliche Ideologie und Taktik, außerdem machte sich eine kleinbürgerliche Ideologie bei der Mehrheit der Chartistenführer bemerkbar. Nach der Niederlage des Chartismus im Jahre 1848 zerfiel dieAssoziation; sie stellte in den fünfziger Jahren ihre Tätigkeit ein (siehe auch Anm. 192). 472 205 Hierzu machte die Redaktion der Zeitung „Schweizerischer Republikaner" folgende Anmerkung; „Macht jährlich 1787500 fl. Rhein., was nach unseren festländischen Begriffen von .armen" Leuten kaum glaublich scheint." 472 20GPaul-Henri-Dietrich d'Holbach, „Systeme de la nature. Ou des loix du monde physique et du monde moral. Par Mirabaud", Part. 1-2, Londres 1770. 476 '07 Lorenz von Stein, „Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte", Leipzig 1842. 477 208 Die Anglo-Irische Union wurde Irland von der englischen Regierung nach der Niederschlagung des irischen Aufstandes im Jahre 1798 aufgezwungen. Die Union, die am 1 .Januar 1801 in Kraft trat, beseitigte die letzten Spuren der Autonomie Irlands und löste das irische Parlament auf. Die Forderung nach Aufhebung der Union (Repeal of Union) wurde seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur populärsten Losung in Irland. Der an der Spitze der nationalen Bewegung stehende bürgerliche Liberale O'Connell und andere betrachteten jedoch die Agitation für die Aufhebung der Union lediglich als Mittel, um von der englischen Regierung unbedeutende Zugeständnisse an die irische Bourgeoisie zu erhalten. 1835 schloß O'Connell ein Abkommen mit den englischen Whigs und stellte die Agitation vollends ein. Aber unter der Einwirkung der Massenbewegung waren die irischen Liberalen gezwungen, 1840 die Repeal-Association zu gründen, die sie auf den Weg des Kompromisses mit den herrschenden Klassen Englands zu lenken suchten. 477 584
209 Der Oberpächter pachtete direkt bei dem Grundeigentümer Land und verpachtete es dann in kleinen Parzellen an Unterpächter, die das Land häufig ebenfalls weiterverpachteten. 478 210 Mit dem Artikel,Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent" begann Engels' Mitarbeit an der englischen Wochenzeitung „The New Moral World", die von 1843 bis Mai 1845 dauerte. Der Artikel wurde gekürzt auch in „The Northern Star" am 11. und 25. November veröffentlicht. 480 311 Es handelt sich um eine Gruppe englischer utopischer Sozialisten, die 1842 in Ham Common bei London die Kommune-Kolonie „Concordium" gründete. Als Anhänger des englischen Mystikers J.P. Greaves predigten sie sittliche Selbstvervollkommnung und einen asketischen Lebenswandel. Die Kolonie bestand nur kurze Zeit. 482 812 Travailleitrs Egalitaires, eine Geheimgesellschaft der französischen Kommunisten, Anhänger Babeufs, entstand 1840. Ihr gehörten hauptsächlich Arbeiter an. Humanitarier, ebenfalls eine Geheimgesellschaft von Anhängern Babeufs, schloß sich 1841 um die Zeitung „L'Humanitaire" zusammen. Beide Gesellschaften standen unter dem ideologischen Einfluß von Theodore Däzamy und gehörten zurrevolutionären, materialistischen Richtung innerhalb des französischen utopischen Kommunismus. 485 ai3Die öffentliche Diskussion zwischen John Watts, der zu dieser Zeit ein aktiver Propagandist
des Owenismus war, und dem Sprecher der Chartisten Jonathan Bairstow fand am 11., 12. und B.Oktober 1843 in Manchester statt. 487 314 Martin Luther, „Ermanunge zum fride auff die zwelff artickel der Bawrschafft ynn Schwaben. Auch widder die reubischen vnd mördisschen rotten der andern bawren". Wittemberg 1525. 489 215 Im Mai 1843 wurde Wilhelm Weitlings Buch „Das Evangelium eines armen Sünders" angekündigt, das aber erst 1845 in Bern erschien. 491 216 Johann Kaspar Bluntschli, „Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren. Wörtlicher Abdruck des Kommissionalberichtes an die H.Regierung des Standes Zürich", Zürich 1843. 491 217 Gemeint ist die „Rheinische Zeitung". 493 218 Edgar Bauer wurde für sein von der preußischen Regierung beschlagnahmtes Buch „Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat", Charlottenburg 1843, zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 496 219 St.Giles ist ein Armenviertel von London. 497 220 In seiner ersten ökonomischen Arbeit „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" untersucht Engels die ökonomische Struktur der bürgerlichen Gesellschaft und die grundlegenden Kategorien der bürgerlichen politischen Ökonomie vom Standpunkt des Sozialismus. Marx schätzte diese Arbeit von Engels hoch ein und nannte sie im Vorwort zu dem Werk „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" (1859) eine „geniale Skizze zur Kritik der ökonomischen Katogorien" (siehe Band 13 unserer Ausgabe, S. 10). Obgleich diese Arbeit Zeugnis von Engels' endgültigem Übergang vom Idealismus zum Materialismus und vom revolutionären Demokratismus zum Kommunismus ablegt, so ist sie doch nicht völlig frei vom Einfluß des ethischen, „philosophischen" Kommunismus. Engels geht bei seiner Kritik der bürgerlichen Gesellschaft stellenweise noch von den abstrakten Prinzipien einer allgemein-menschlichen Moral und Humanität aus. 499 221 Unter dem Pseudonym „Marcus" erschienen Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in England einige Broschüren, in denen die menschenfeindliche malthusianische Theorie gepredigt wurde. 518 22aArchibald Alison, „The principles of population, and their connection with human happiness", vol. 1, London 1840, p. 548. 521 223 Engels beabsichtigte, eine Arbeit über die soziale Geschichte Englands zu schreiben, für die er das Material während seines Aufenthalts in Manchester (November 1842 bis August 1844) gesammelt hatte. In einem Kapitel wollte er die Lage der englischen Arbeiterklasse behandeln. Später beschloß Engels, dem englischen Proletariat eine besondere Arbeit zu widmen. Er schrieb nach seiner Rückkehr nach Deutschland „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" (siehe Band 2 unserer Ausgabe, S. 225-506). 524 224Es handelt sich um die Aufhebung der Testakte (Test Act) von 1673 im Jahre 1828, nach der nur solche Personen Regierungsämter innehaben und gewählt werden durften, die der anglikanischen Kirche angehörten. Ursprünglich richtete sie sich gegen die katholische Kirche, später auch gegen verschiedene religiöse Sekten und Richtungen, die von den Dogmen der Staatskirche abwichen. Dazu gehörten weiterhin die Emanzipationsakte von 1829 (siehe Anm. 199) und die Reformbill von 1832 (siehe Anm. 198). 526 570
225 Gemeint ist der Kampf um die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages. In seiner Arbeit „Die englische Zehnstundenbill" charakterisiert Engels die Führer dieses Kampfes (siehe Band 7 unserer Ausgabe, S. 234/235). 528 226Nach der antiken Sage bestrafte Apollo den phrygischen König Midas, der sich bei einem musikalischen Wettstreit gegen ihn ausgesprochen hatte, mit Eselsohren. 530 227 laissez faire, laissez aller (laßt machen, laßt gehen) war ein Grundsatz der Manchesterschule, die für Freihandel und Nichteinmischung des Staates in Wirtschaftsangelegenheiten eintrat. 535 22Sßa//am ist ein Irrenhaus in London. 539 589 229 Ludwig Feuerbach, „Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie", in „Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik", Bd. 2, Zürich und Winterthur 1843. 543 230Kolonisation der Heimat (Home-colonies) wurden Robert Owens kommunistische Mustergesellschaften genannt. 548 231 Eine ähnliche Einschätzung über Thomas Carlyle gab Engels in einer Anmerkung zu seinem Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" (1845). In der zweiten deutschen Auflage dieses Werkes 1892 fügte er dieser Anmerkung folgende Ergänzung hinzu: „Aber die Februarrevolution machte ihn zum vollendeten Reaktionär; der gerechte Zorn über die Philister schlug um in versauerte Philister-Verdrießlichkeit über die historische Woge, die ihn auf den Strand warf." (Siehe Band 2 unserer Ausgabe, S.502.) 549 232 Wie spätere Forschungen über die Geschichte der Agrarverhältnisse in England ergaben, bestand im 15. bis 17. Jahrhundert die Mehrheit der englischen Bauern aus Pächtern auf Lebenszeit oder Erbpächtern (copyholder), die sich aus der Leibeigenschaft befreit hatten. Die moderne Wissenschaft benutzt die Begriffe vilains, bordars und cottars für die verschiedenen Katogorien der leibeigenen Bauern im mittelalterlichen England. 555 233 Engels machte 1892 folgende Ergänzung zu einer analogen Anmerkung in seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England": „Die obige geschichtliche Skizze der industriellen Umwälzung ist in Einzelheiten ungenau; es lag aber 1843/44 kein besseres Quellenmaterial vor." (Siehe Band 2 unserer Ausgabe, S.242.) 566 234 Das Buch von William Godwin erschien in London 1793 in zwei Bänden: der erste Band unter dem Titel „Enquiry concerning political justice, and its influence on general virtue and happiness", der zweite Band unter dem Titel „An enquiry concerning political justice, and its influence on morals and happiness". 567 235 Friedrich Ludwig Georg von Raumer, „England im Jahre 1835", Th. 1-2, Leipzig 1836. 570 236 Die Habeas-Corpus'Akte wurde 1679 vom englischen Parlament angenommen. Sie verbietet die Verhaftung von Bürgern ohne richterlichen Befehl und die Inhaftierung ohne gerichtliche Untersuchung (siehe auch vorl. Band, S.585). Mit der 1689 vom englischen Parlament angenommenen Bill of Rights (Gesetz der Rechte) wurden die Rechte des Königs im Parlament eingeschränkt. Dieses Gesetz bestätigte den Kompromiß zwischen der Grundaristokratie und der Spitze der Finanz- und Handelsbourgeoisie, der durch den Staatsstreich von 1688 errungen worden war. 570 237 Jean-Louis de Lolme, „Constitution de l'Angleterre", Amsterdam 1771. 572 238 Die Magna Charta Libertatum wurde dem englischen König Johann ohne Land von den aufständischen großen Feudalherren, den Baronen und Kirchenfürsten, unterstützt von der
Ritterschaft und den Städten, aufgezwungen. Die am I5.Juni 1215 unterzeichnete Charta schränkte die Rechte des Königs vor allem zugunsten der großen Feudalherren ein und enthielt gewisse Zugeständnisse an die Ritterschaft und an die Städte; der Hauptmasse der Bevölkerung, den leibeigenen Bauern, brachte die Charta keinerlei Rechte. 572 239 Es handelt sich um den Kampf breiter Volksmassen für eine Wahlreform in England, der seinen Höhepunkt im Jahre 1831 erreichte (siehe auch Anm. 198). 576 240 Die neununddreißig Artikel sind das Glaubensbekenntnis der anglikanischen Kirche, das 1571 vom englischen Parlament angenommen wurde. 581 241 Die 1661 angenommene Korporationsakte (Corporation Act) verlangte von Personen, die Wahlfunktionen innehatten, die Anerkennung der Dogmen der anglikanischen Kirche. Sie wurde 1828 aufgehoben (siehe auch Anm.224). 581
Literaturverzeichnis
A. Verzeichnis der zitierten und erwähnten Werke und Schriften von Marx und Engels
Marx, Karl: Die Beilage zu Nr.335 und 336 der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" über die ständischen Ausschüsse in Preußen. (Werke, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 405-419.) [Marx, Karl:] Die Beilage in Nro.335 der A. A.Z. über die ständischen Ausschüsse in Preußen. In: Rheinische Zeitung, vom 11. Dezember 1842. 161 162 - Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Erster Artikel. Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen. {Werke, Band 1, S. 28-77.) [Marx, Karl:] Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Erster Artikel. Debatten über Pressfreiheit und Publication der Landständischen Verhandlungen. In: Rheinische Zeitung, vom 5., 8., 10., 12., 15. und 19. Mai 1842. 109 - [Zum Ehescheidungsgesetzentwurf. Kritik der Kritik.] {Werke. Ergänzungsband, Erster Teil, S.389-391.) [Marx, Karl:] [Redaktionelle Note zum Artikel] Der Entwurf zum neuen Ehegesetz. In: Rheinische Zeitung, vom 15. November 1842. 148 - Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. {Werke, Band 1, S.201-333.) 379 - Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung. {Werke, Band 1, S.378-391.) — Zur Kritik der Hegel'schen Rechts-Philosophie. Einleitung. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Lfg. 1 und 2. Paris 1844. 405
Engels, Friedrich: Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversuchs gegen die freie Philosophie. {Werke, Ergänzungsband, Zweiter Teil, S. 173-221.) [Engels, Friedrich:] Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversuchs gegen die freie Philosophie. Leipzig 1842. 443 493
B. Verzeichnis der zitierten und erwähnten Arbeiten anderer Autoren
Bei den von Marx und Engels zitierten Schriften werden, soweit sie sich feststellen ließen, die vermutlich von ihnen benutzten Ausgaben angegeben. In einigen Fällen, besonders bei allgemeinen Quellen- und Literaturhinweisen, wird keine bestimmte Ausgabe angeführt. Gesetze und Dokumente werden nur dann nachgewiesen, wenn aus ihnen zitiert wird. Einige Quellen konnten nicht ermittelt werden.
I.Werke und Schriften
Alison, Archilald: The principles of population, and their connection with human happiness. Vol. 1-2. London 1840. 517 519 521 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Th.2. Berlin 1806. (Siehe auch Anm. 67.) 94 95 104 148 246 450 Aristoteles: Metaphysica. 107 Augustinus, Aurelius: De civitate Dei. 80 101
[Bacon, Francis] Franciscus Baconus: De dignitate et augmentis scientiarum. T. 1. Wirceburgi 1779. (Siehe auch Anm. 164.) 103 396 Bauer, Bruno: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden. In: Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz. Hrsg. von Georg Herwegh. Th. 1. Zürich und Winterthur 1843.347 349 355 370 371 - Die Judenfrage. Braunschweig 1843. 347-370 372 373 - Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker. Bd. 1-2. Leipzig 1841-1842. Bd.3. Braunschweig 1842. 371 [Bauer, Bruno:] Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen. Ein Ultimatum. Leipzig 1841. 445 Bauer, Edgar: Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat. Charlottenburg 1843. (Siehe auch Anm.218.)496 Beaamont, Gustave de: Marie oü l'esclavage aus Etats-Unis, tableau de moeurs americaines; I'uri des auteurs de I'öuvrage intitule: Du systeme penitentiaire aux Etats-Unis. T.2. Paris 1835. 351 352 361 363 373 Die Bibel. 40 359 422 489 491 518 525 539 583 - Das Alte Testament. 104 1. Buch Mose. 64 65 74 Buch Josua. 103 Hosea. 40 - Das Neue Testament. Evangelium des Matthäus. 40 101 Evangelium des Markus. 101 Evangelium des Lukas. 101 Evangelium des Johannes. 42 Apostelgeschichte des Lukas. 71 Brief des Paulus an die Römer. 102 I.Brief des Paulus an die Korinther. 101
40 Marx/Engels. Werke. Bd. 1
Blackstone, W[illiam]: Commentaries on the laws of England. Vol. 1-4. London 1826. 572 [Bluntschli, Johann Kaspar:] Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren. Wörtlicher Abdruck des Kommissionalberichtes an die H.Regierung des Standes Zürich. Zürich 1843. 491 Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. In: Gesammelte Schriften. Th.9-14, Hamburg 1832, Paris 1833-1834.437 438 Buchez,P[hilippe]-J[oseph]~B[enjamin] et P[ierre]-C[elestin] Roux: Histoire parlementaire de la Evolution franjaise, ou Journal des Assemblees nationales depuis 1789jusqu'en 1815. T.28. Paris 1836. 366 367 Bülow-Cummerou)[, Ernst Gottfried Georg von]: Preußen, seine Verfassung, seine Verwaltung, sein Verhältniß zu Deutschland. Berlin 1842. 161 452 Buonarroti, Philippe: Conspiration pour l'egalit£ dite de Babeuf, suivie du proces auquel eile donna lieu, et des pieces justificatives, etc., etc. T. 1-2. Bruxelles 1828. 482 Buonarroti [,Filippo Michele]: History of Babeufs conspiracy for equality; with the author's reflections on the causes and character of the French Revolution, and his estimate of the leading men and events of that epoch. Also, his views of democratic government, Community of property, and political and social equality. London 1836. 482
Cabetl, Etienne]: Voyage en Icarie, roman philosophique et social. 2.ed. Paris 1842. 344 487 Carlyle, Thomas: Chartism. London 1840. 528 - Past and present. London [1843]. 525 528-549 Carriire, Moriz: Gedichte von Ferdinand Freiligrath, Stuttgart und Tübingen, 1838. In: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Nr. 8, Januar 1839. 429 Cervantes Saaüedra, Miguel de: Don Quijote. 18 La Charte Constitutionelle. (Siehe auch Anm. 66.) 94 Chevalier, Michel: Des interets materiels en France. Travaux publics. Routes. Canaux. Chemins de fer. Paris und Bruxelles 1838. 406 407 Cirkular-VerfügungansämmtlicheKönigl. Oberpräsidien, die Handhabung der Censur betreffend, vom 24.Dezember 1841. In: Ministerial-Blatt für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten. Berlin, 2. Jg., Nr. 15, 27. Dezember 1841. (Siehe auch Anm. 3.) 3 5 8-24 27-29 35 172 174 176 177 191 192 194 195 199 Clausen[, Johann Christoph Heinrich] • Pindaros der Lyriker. In: Programm womit zu der öffentlichen Prüfung der Zöglinge des Gymnasiums zu Elberfeld welche den 15. und lö.September 1834, Vormittags von 8 und Nachmittags von 2 Uhr an, in dem Gymnasial-Gebäude abgehalten werden soll, sowie zu dem Rede-Act und der Abiturienten-Entlassung am 16. d. M, Nachmittags 2 Uhr einen löblichen Schulvorstand, sämtliche Eltern der Schüler, deßgleichen alleFreunde und Gönner des höherenSchulwesens überhaupt und der Anstalt insbesondere im Namen des Lehrer-Collegiums ehrerbietigst einladet. Elberfeld 1834. 428 [Coblenz, Peter:] Antheil der Moselbewohner an der ferneren Bewegung der Presse. In: Rheinische Zeitung, vom 12.Dezember 1842. 172 173 176 177 199 - Ueber die nothwendige Freigebung des Gemeindeeigenthums. In: Rheinische Zeitung, vom H.Dezember 1842. 172 173 175 176 Constant, Benjamin: De la religion, consideree dans sa source, ses formes et ses developpemenls. T.l. 2.ed. Paris 1826.82 Constitution de la republique fran(aise, decretee par la Convention nationale et acceptee par le peuple dans le mois de fructidor an 3, promulguee le 1er vendemiaire an 3. (Aout et septembre 1795.) Declaration des droits et des devoirs de l'homme et du citoyen. In: P[hilippe]-J[oseph]B[enjamin] Buchez et P[icrre]-C[clestin] Roux: Histoire parlementaire de la Evolution
frangaise, ou Journal des Assembl^es nationales depuis 1789 jusqu'en 1815. T.35. Paris 1837. 363 365 Constitution de 1793. Mise en discussion le 11 juin 1113; — Achevee le 24 du mime mois. Declaration des droits de l'homme et du citoyen. In: P[hilippe]-*J[oseph]-B[enjamin] Buchez et P[ierre]Cfelestin] Roux: Histoire parlementaire de la revolution fran^aise, ou Journal des Assemblees nationales depuis 1789 jusqu'en 1815. T. 31. Paris 1837.362-367 Constitution frangaise. Decretee par l'assemblee nationale Constituante aux annees 1189, 1190 et 1191. Declaration des droits de l'homme et du citoyen. In: P[hilippe]-J[oseph]-B[enjamin] Buchez et P[ierre]-C[£lestin] Roux: Histoire parlementaire de la revolution fran^aise,: ou Journal des Assemblees nationales depuis 1789 jusqu'en 1815. T. 1 I. Paris 1834.362-364 366 Cousin, Victor: Uber französische und deutsche Philosophie. Stuttgart und Tübingen 1834.443
[Delolme, Jean-Louis:] Constitution de l'Angleterre. Amsterdam 1771. 572 Dingelstedt, Franz: Ferdinand Freiligrath. Ein Literaturbild. In: Jahrbuch der Literatur. I.-Jg. Hamburg 1839.429 Duns Scotus, Johannes: Opus oxoniense sive anglicanum. 30
Eichhqff, Karl, und Karl Chr[istian] Beltz: Lateinische Schulgrammatik mit Rücksicht auf die neuere Gestaltung der deutschen Sprachlehre, für die unteren und mittleren Gymnasialklassen und für Progymnasien. Elberfeld 1837. 427 Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz. Hrsg. von Georg Herwegh. Zürich und Winterthur 1843. 347 349 370 Erneuertes Censur-Edict für die Preußischen Staaten exclusive Schlesien. Berlin, den 19.December 1788. [Berlin o.J.] 191 Etoich, Johann Jacob: Human, der Lehrer einer niederen und höheren Volksschule in seinem Wesen und Wirken. Th. 1-2. Wesel 1829. 426
Feuerbach, L[udwig]: Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie. In: Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik. Bd.2. Zürich und Winterthur 1843. 543 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christenthums. Leipzig 1841. 444 Fonblanque, Albany: England under seven administrations. Vol. 1—3. London 1837. 588 Freiligrath, Ferdinand: Der ausgewanderte Dichter. Weitere Bruchstücke, Fünf Gedichte ohne einzelne Überschriften. In: Morgenblatt für gebildete Leser, vom lO.September 1836. 429 - Meerfahrt. 429 - Schwalbenmärchen. 429 [Friedrich Wilhelm III.:] [An den Ober-Präsidenten von Bodelschwingh-Velmede. Berlin, 3. Juli 1836.] In: Amts-Blatt der Königl. Regierung zu Coblenz, vom 21. Juli 1836. 196
[Giehne, Friedrich Wilhelm:] Der ZoIIcongreß. Karlsruhe, 8.0ct. In: Allgemeine Zeitung, vom 11.Oktober 1842. 107 Godwin, William: Enquiry concerning political justice, and its influence on general virtue and happiness. Vol. 1. London 1793. (Siehe auch Anm.234.) 567 - An enquiry concerning political justice, and its influence on morals and happiness. Vol.2. London 1793. (Siehe auch Anm.234.) 567 Görres, J[oseph] von: Kirche und Staat nach Ablauf der Cölner Irrung. Weißenburg 1842.101 Goethe, Johann Wolfgang von: Falconet und über Falconet. 33
Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. 29 - Rechenschaft. 6 - Reineke Fuchs. 131 Graham, James Robert George: Factories' education. In: Hansard's Parliamentary Debates. Debates: Third Series; commencing with the accession of William IV. Vol.67. Comprising the period from the twenty-eighth day of February, to the twenty-fourth day of March, 1843. London 1843.469 470 Gregor XVI.: Hirtenbrief Seiner Päpstlichen Heiligkeit Gregor XVI. an alle Bischöfe der katholischen Welt. Oder das Urtheil der Kirche Christi über den Geist, die Richtungen und Gefahren dieser Zeit. Erlassen in Rom den 15. August 1832. Orig. u. dt. Uebers. Regensburg [1832]. 164 Güll,Ft[iedrich]: Kinderheimath in Bildern und Liedern. Mit einem Vorwort von Gustav Schwab. Stuttgart 1837. 430 Gutzkow, Karl: Patkul. In: Dramatische Werke. Bd.2. Leipzig 1842. 440 - Werner, oder Herz und Welt. In: Dramatische Werke. Bd. 1. Leipzig 1842. 440
Haase, F[riedrich]: Lateinische Grammatik. In: Ergänzungsblätter zur Allgemeinen LiteraturZeitung. Nr.65-70, August 1838. 427 Haller, Carl Ludwig von: Restauration der Staats-Wissenschaft oder Theorie des natürlichgeselligen Zustands, der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesezt. Bd. 1-6. Winterthur 1816-1834.40 447 Hals oder Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Carls V. und des Heiligen Römischen Reichs. (Siehe auch Anm.93.) III 145 588 Hamilton [,Thomas]: Die Menschen und die Sitten in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Bd. 1-2. Mannheim 1834. 352 354 372 373 Hansemann, David: Preußen und Frankreich. Staatswirthschaftlich und politisch, unter vorzüglicher Berücksichtigung der Rheinprovinz. 2. verb. u. verm. Aufl. Leipzig 1834. 190-193 Hantschke, Joh[ann] Carl Leberecht: Hebräisches Uebungsbuch für Schulen. Leipzig 1823. 427 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Hrsg. von Eduard Gans. In: Werke. Bd.8. Berlin 1833. 149 203-333 354 356 Heine, Heinrich: Reisebilder. 428 - Über den Denunzianten. Eine Vorrede zum dritten Teile des „Salons". 428 - Uber Ludwig Börne. Hamburg 1840. 440 441 H[ermes, Karl Heinrich]: [Leitartikel] Köln, 23. Juni. In: Kölnische Zeitung, vom 24. Juni 1842. 88 - [Leitartikel] Köln, 27. Juni. In: Kölnische Zeitung, vom 28. Juni 1842. (Siehe auch Anm. 58.) 86-97 104 Herodot vonHalikarnaß: Geschichte. Abth.2. Bd.8. Stuttgart 1831. 77 Herulegh, Georg: Brief an den König von Preußen. In: Leipziger Allgemeine Zeitung, vom 24. Dezember 1842.160 163 164 494 [Heß, Moses:] [Vorbemerkung zu:] Die Berliner Familienhäuser. In: Rheinische Zeitung, vom 30.September 1842. (Siehe auch Anm.81.) 105 Hey, W[ilhelm]: Erzählungen aus dem Leben Jesu für die Jugend, dichterisch bearbeitet. (Zu Olivier's Volksbilderbibel.) Hamburg 1838. 430 [Hey, Wilhelm:] Fünfzig Fabeln für Kinder. Hamburg [1833], 430 - Noch fünfzig Fabeln für Kinder. Hamburg [1837], 430 Hinriclis[, Hermann Friedrich Wilhelm]: [Rezension zu Bruno Bauer:] Die Posaune des jüngsten
Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen. Ein Ultimatum. Leipzig, 1841. In: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik. Nr.52-55, März 1842. 444 445 [Holbach, Paul-Henri-Dietrich d':] Systeme de la nature. Ou des loix du monde physique et du monde moral. Par Mirabaud. Part. 1-2. Londres 1770. 476 Hugo, [Gustav]: Lehrbuch eines civilistischen Cursus. Zweyter Band, welcher das Naturrecht, als eine Philosophie des positiven Rechts, besonders des PrivatRechts, enthält. 4., sehr veränd. Ausg. Berlin 1819. 78-85
Instruktion über die Verwaltung der Gemeinde- und Instituten-Waldungen in den RegierungsBezirken Coblenz und Trier in Folge des Gesetzes vom 24.Dezember 1816 und der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 18.August 1835. In: Amts-Blatt der Königl. Regierung zu Coblenz, vom 16.0ktober 1839. 175 176
Jemand, Wilhelm: Der ewige Jude. Didactische Tragödie. Iserlohn 1831. 430 Jung, Alexander: Briefe über die neueste Literatur. Hamburg 1837. 433 434 - Fragmente über den Ungenannten. In: Briefe über die neueste Literatur. Hamburg 1837. 434 - Franz Ritter von Baader, In: Königsberger Literatur-Blatt, vom I.Juni 1842. 445 - Herbart. In: Königsberger Literatur-Blatt, vom 20. und 27. Oktober 1841. 444 - Königsberg in Preußen und die Extreme des dortigen Pietismus. Braunsberg 1840. 434 - Leo, Preußen und die Götheschen Wahlverwandtschaften. In: Königsberger Literatur-Blatt, vom 30. März 1842.444 - Stellung deutscher Journalistik. In: Königsberger Literatur-Blatt, vom 6. und 13.0ktober 1841.444 - Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen. Danzig 1842. 433—445 - Das Wesen des Christenthums von Ludwig Feuerbach. Leipzig. Otto Wiegand. 1841. In: Königsberger Literatur-Blatt, vom 24.November, 1., 8., 15. und 22.Dezember 1841. 444 - Zur Orientirung über Schelling. In: Königsberger Literatur-Blatt, vom 17.November 1841. 442 Juvenalis: Satirae. 42
Kaufmann[, Peter]: Ueber die Nothwendigkeit und die Mittel, dem außerordentlichen Nothstande der Winzer am Nieder-Rheine, an der Mosel, Saar, Nahe und Ahr zu begegnen, und das ihnen bevorstehende Verderben abzuwenden. Vortrag geh. am 25. Sept. 1836 in d. Ö.Generalvers. d. niederrheinischen Iandwirthschaftl. Vereins. In: Rhein-ünd Mosel-Zeitung, vom 9. und 11.November 1836. 199 ' [Kay-Shuttleworth, James Phillipps:] Rccent measures, for the promotion of education in England. In: Eugene Buret: De la misere des classes laborieuses en Angleterre et en France; de la nature de la misere, de son existence, de ses effets, de ses causes, et de l'msuffisance des remedes qu'on lui a opposfe jusqu'ici; avecTindication des moyens propres ä en affranchir les societes. T.I.Paris 1840.396 Knebel, Heinrich: Französische Schulgrammatik für Gymnasien und Progymnasien. 2., verb. u. verm. Aufl. Koblenz 1836. 426 Köster, H[einrich]: Kurze Darstellung der Dichtungsarten. In: Neunter Bericht über die höhere Stadtschule in Barmen. Barmen 1837. 426 [Kolb, Gustav:] Die Communistenlehren. In: Allgemeine Zeitung, vom 1 I.Oktober 1842. 105 bis 107 - Herwegh. In: Allgemeine Zeitung, vom 3. Januar 1843. 156
Kolb, Gustav: [Nachwort zu Richter:] Die ständischen Berichte und die Rheinische Zeitung. In: Allgemeine Zeitung, vom 4. Januar 1843. (Siehe auch Anm. 114.) 159 Koran. 164 Kosegarten, W[ilhelm]: Betrachtungen über die Veräusserlichkeit und Theilbarkeit des Landbesitzes mit besonderer Rücksicht auf einige Provinzen der Preußischen Monarchie. Bonn 1842.108 Krug, F[riedrich] W[ilhelm]: Kämpfe und Siege des jungen Wahlheim oder Lebensbilder aus dem Reiche des Wahren, Guten und Schönen. Bd. 1. Elberfeld 1833. 432 - Poetische Erstlinge und prosaische Reliquien. Barmen 1831.432 Krummacher, Friedrich Adolph: Parabeln. Duisburg und Essen 1805.420 Kruse,C[arl] A[dolf] IV.: Grundregeln der englischen Aussprache, nach Walker's System. Elberfeld 1837. 427
Lamennais, [Felicite-Robert] de: Paroles d'un croyant, 1833. Bruxelles 1834. 487 Laube, Heinrich: Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 1-4. Stuttgart 1839-1840. 437 Lessing, Gotthold Ephraim: Eine Parabel. Nebst einer kleinen Bitte und einem eventualen Absagungsschreiben an den Herrn Pastor Goeze, in Hamburg. 169 Lieth, C[arl] L[udmig] T[heodor]: Gedichte für das erste Jugend-Alter, zur Bildung des Herzen^ und Geistes. Aus Teutschlands besten Dichterwerken für Schule und Haus gesammelt. Th. 1-2. Crefeld 1834-1835. 430 Lolme, Jean-Louis de siehe Delolme, Jean-Louis Lucian: Werke. Übers, von August Pauly. Abth. 1. Bd.2. Stuttgart 1827. 86 87 Luther, Martin: Ermanunge zum fride auff die zwelff artickel der Bawrschafft ynn Schwaben. Auch widder die reubischen vnd mördisschen rotten der andern bawren. Wittemberg 1525. 489 - Ein* feste Burg ist unser Gott. 96
MacCulloch, J[ohn] R[amsay]: Discours sur l'origine, les progres, les objets particuliers, et l'importance de l'economie politique. Contenant l'esquisse d'un cours sur les principes et la theorie de cette science. Geneve et Paris 1825. (Siehe auch Anm. 164.) 396 Machiavelli, Niccolo: Vom Staate oder Betrachtungen über die ersten zehn Bücher des Tit. Livius. Karlsruhe 1832. 57 M[eyen], E[duard\: [Rezension zu] Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen von Alexander Jung. In: Rheinische Zeitung, vom 29., 30. und 31. Mai 1842. 445 Moliere, Jean Baptiste: Les Facheux. 162 [.Montesquieu, Charles de:] De I'esprit des loix. Nouv. ed., revue, corr. et considerablement augm. T. 1-4. Amsterdam und Leipzig 1763. 57 112 340 Mosen, Julius: Ahasver. Episches Gedicht. Dresden und Leipzig 1838. 430 Müntzer, Thomas: Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten gepredigt auffm schlos zu Alstet vor den tetigen thewren Herzcogen vnd Vorstehern zu Sachssen durch Thomä Müntzer diener des wordt gottes. Alstedt 1524. 374 Mündt, Theodor: Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen. Leipzig 1835. 435 441
Omen, Robert: The marriage system of the New Moral World; with a faint outline of the present very irrational system; as developed in a course of ten lectures. Leeds 1838. 475
Platen[-Hallermünde], August von: Der romantische Oedipus. In: Gesammelte Werke. Stuttgart und Tübingen 1839. 430
Plutarchus Chaeronensis: Vitae parallelae. Solon. 73 Pol, Rohann]: Gedichte. Heedfeld 1837. 431 432 Porter, G[eorge] R[ichardson\: The progress of the nation, in its various social and economical relations, from the beginning of the nineteenth Century to the present time. Vol. 1-3. London 1836-1843. 566 Proudhon, P[ierre]-J[oseph]: Qu'est-ce que la propriete? Ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement. Premier memoire. Paris 1840. 108 488
Raumer, Friedrich von: England im Jahre 1835. Th. 1-2. Leipzig 1836. 570 [Richter:] Die ständischen Berichte und die Rheinische Zeitung. In: Allgemeine Zeitung, vom 4. Januar 1843. (Siehe auch Anm. 114.) 159 Richter, Heinr[ich] und Wilhelm: Erklärte Haus-Bibel oder allgemein verständliche Auslegung der ganzen heiligen Schrift alten und neuen Testaments, nach vielen englischen, deutschen u.a. Auslegern bearbeitet. Bd,l-6. Barmen und Schwelm 1834-1840. 425 [Rousseau, Jean-Jacques;] Du contrat social, ou principes du droit politique. Londres 1782. 80 369 476 Riickert, Friedrich: Fünf Mährlein zum Einschläfern für mein Schwesterlein. Zum Christtag 1813. In: Gesammelte Gedichte. Erlangen 1834. 430 - Die Verwandlungen des Ebu Seid von Seru'g öder die Maka'men des Hari'ri. Th. l. [Stuttgart] 1826. 66 67 [Rüge, Arnold:] Der König von Preußen und die Socialreform. In: Vorwärts!, vom 27. Juli 1844. (Siehe auch Anm. 160.) 392-409
Savigny, Friedrich Carl Von: Der zehente Mai 1788. Beytrag zur Geschichte der Rechtswissenschaft. Berlin 1838. 79 Schaper[, Justus Wilhelm Eduard von]: [Reskripte] Koblenz, den 15,Dezember 1842. In: Rheinische Zeitung, vom 18. Dezember 1842. 173-177 199 Schifflin, Philipp: Anleitung zur Erlernung der französischen Spräche. 1. Cursus. 3., verb. Aufl. Elberfeld 1839. 2. Cursus. Elberfeld 1833. 3. Cursus. Elberfeld 1840. 426 Schiller, Friedrich von: Die Götter Griechenlands. 424 - Uber naive und sentimentalische Dichtung. 6 - Die Worte des Glaubens. 32 Shakespeare, William: Hamlet. 79 - Der Kaufmann von Venedig. 121 141 - König Heinrich IV. 164 - König Lear. 96 - Ein Sommernachtstraum. 35 292 [Sier/äs, Emmanuel-Joseph:] Qu'est-ce que le tiers-etat? 2. 6d., corr. [Paris] 1789. 106 Sitzungs-Protokolle des sechsten Rheinischen Provinzial-Landtags. Coblenz 1841. 34 35 37 41-43 45-48 55 56 63-68 71 73-76 109-114 122 124-136 138-144 , Smith, Adam: An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations. Vol. 1-2. London 1776. Vol.3. Dublin 1776. 501 504 566 567 Spinoza, Benedictus de: Ethica. 6 Stein, L[orenz von]: Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte. Leipzig 1842. 477 Sterne, Laurence: The Iife and opinions of Tristram Shandy, Gentleman. 7 Stier, Rudolf: Christliche Gedichte. Basel 1825. 424 Strauß, David Friedrich: Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung
und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft. Bd. 1-2. Tübingen und Stuttgart 1840-1841. 435 - Das Leben Jesu. Bd. 1-2. Tübingen 1835-1836.371 469 493 527 528 Sue, Eugene: Les mysteres de Paris. 497
Tacitus, Publius Cornelius: Historiae. 27 Terentius Afer, Publius: Andria. 157 Tertullianus, Quintus Septimus Florens: De carne Christi. 92 Thucydides: Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Abth. 1. Bd.2. Stuttgart 1827. 77 Tocqueville, Alexis de: De la democratie en Amerique. T. 1—2. Paris 1836. 352
Uhland, Ludwig: Die Rache. 50 Vre, Andrew: The philosophy of manufactures: or, an exposition of the scientific, moral, and commercial economy of the factory system of Great Britain. London 1835. 524
Vanini, JuliusCaesar: Amphitheatrum aeternae providentiae divinomagicum. Lugduni 1615.164 Vedas. 93 Verordnung, wie dieZensur der Druckschriften nach dem Beschluß des deutschen Bundes vom 20sten September d.J. auf fünf Jahre einzurichten ist. Vom 18ten Oktober 1819. In: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten. Berlin 1819. 3-5 8-13 19 22 191 192 Virgil: Aeneis. 3 Voltairel, Franfois-Marie Arouet de]: La Bible enfin expliquee. 164 - L'enfant prodigue. 8 Vorstellungen der Direction des Vereins an verschiedene Behörden. In: Mittheilungen des Vereins zur Förderung der Weincultur an Mosel und Saar zu Trier. H.4. Trier 1841. (Siehe auch Anm. 134.) 178-184 187
Wade, John: British history. London 1838.586-588 - History of the middle and working classes; with a populär exposition of the economical and political principles. London 1835. 514515 Weitling, Wilhelm: Das Evangelium eines armen Sünders. Bern 1845. (Siehe auch Anm. 215.) 491 - Garantien der Harmonie und Freiheit. Vivis 1842. 405 490 Wieland, Christoph Martin: Der neue Amadis. 17 Winkler, J. Ch. F.: Harfenklänge, bestehend in einer metrischen Uebersetzung und Erläuterung von Ein und fünfzig ausgewählten Psalmen, und in einer Auswahl von evangelischen Gedichten und Liedern, nebst einem Anhang, in welchem nachträglich noch einige Psalmen geliefert werden. Bärmen 1838. 425 Wülfing, Friedrich Ludwig: Ein Heftchen wackerer Gesänge. [0.0.] 1832. 431 - Leier und Schwert oder Bienen, mit und ohne Stachel. Barmen 1830. 431 - Jugendblüthem Barmen 1830. 431
Zoepfl, Heinrich: Grundsaetze des allgemeinen und des constitutionell-monarchischen Staatsrechts, mit Rücksicht auf das gemeingültige Recht in Deutschland, nebst einem kurzen Abrisse des deutschen Bundesrechtes und den Grundgesetzen des deutschen Bundes als Anhang. Heidelberg 1841. 339 [Zuccalmaglio, Vincenz Jakob von:] Montanus: Die Vorzeit der Länder Cleve-Mark, Jülich-Berg und Westphalen. Bd. 1. 2.Aufl. Solingen und Gummersbach 1837. Bd.2. Solingen 1839. 431
II. Periodica
Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, vom 16, März 1842. Die Wirkungen der Censur-Verfügung vom 24.Dezember 1841. 28 29 - vom 19. März 1842. Die Besprechung inländischer Angelegenheiten, ihre Ausdehnung und natürlichen Bedingnisse. 28 29 31 32 - vom 26. März 1842. Die inländische Presse und die inländische Statistik. 28-32 , - vom 31. Dezember 1842. Verbot der Leipziger Allgemeinen: Zeitung. 154 Allgemeine Zeitung, vom 1 I.Oktober 1842. London, 5.0ct. 107 - vom 20. April 1843. London, 13. April. 471
Düsseldorfer Zeitung, vom 5. Januar 1843. Berlin, vom I.Januar. 156
Elberfelder Zeitung, vom 5. Januar 1843. Elberfeld. 156 - vom 5. Januar 1843. Schreiben aus Berlin, vom 31.Dec. 156
Frankfurter Journal, vom 19. Dezember 1842. Coblenz, 18.Decbr, 183
Gemeinnütziges Wochenblatt für die Kreise Berncastel, Wittlich, Zell und die umliegende Gegend, vom 18. Juni 1835. 193 - vom 3.Dezember 1835. 193 - vom 14.April 1836. Berncastel, den 12.Apri1 1836. 193 - vom 26. Januar 1837. Pro memoria. 193 - vom 9.Februar 1837. Böse Zeichen im Mosellande. 193 - vom 23. November 1837. 193
Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, Bd. 10, München 1842. Der heilige Ignatius von Loyola. 171
Kölnische Zeitung, vom 22.Dezemb'er 1842. Köln, 21.Dec. 162 - vom 3I.Dezember 1842. Leipzig, 27.Dec. 154 155 159 160 - vom 5. Januar 1843. Die „Köln. Ztg." und das Verbot der „Leipz, Allg. Ztgi". 156 160 - vom 9. Januar 1843. Die Preßverhältnisse in Preußen. 159-163 - vom 11. Januar 1843. Köln, 10. Jan. 163 164 Königsherger Literatur-Blatt, vom 6. Oktober 1841. 444 - vom 27.Oktober 1841. Feuilleton. 442 444 - vom 22.Dezember 1841. Kleine Bücherschau. 444 - vom 29.Dezember 1841. Kleine Bücherschau. - Schelling's Erste Vorlesung in Berlin. 15.November 1841. Stuttgart und Tübingen. In der I.G.Cotta'schen Büchhandlung 1841. 443 : - vom 20. April 1842. Hinrichs und der Posaunist. 444 - vom 8; Juni 1842. Feuilleton. - Unselige Polemik. 445
Mefistofeles. Revue der deutschen Gegenwart in Skizzen und Umrissen. Lfg. 1/2. 1842. Die Augsburger „Allgemeine Zeitung" in ihrer tiefsten Erniedrigung. 105 !
Rheinische Zeitung, vom 30.September 1842. Die Berliner Familienhäuser. 105 - vom 7. Oktober 1842. Gelehrten-Kongreß. Straßburg, 30. September. 106
40a Marx/Engels, Werke, Ed. 1
- vom 6.Januar 1843. Aus der Altmark, I.Jan. 1843. 161 - vom 6. Januar 1843. Die preußische Presse. 160 161 163 Rhein- und Mosel-Zeitung, vom 6. Januar 1843. Vom Rhein, den 4. Januar. 156 157 164 - vom 1 I.Januar 1843. Koblenz, den 10.Jan. 164 165 169 170 - vom 11 .Jan. 1843. Vom Rhein, den 9.Jan. 164-171 j - vom 15. Januar 1843. Koblenz, den 13. Jan. 170 171 - vom 17. Januar 1843. Die Rheinische Zeitung und die deutschen Jahrbücher. 171 - vom 18. Januar 1843. Die Rheinische Zeitung und die deutschen Jahrbücher. 171
Telegraph für Deutschland, Nr. 208 vom Dezember 1838. Zeichen der Zeit. 425
C. Verzeichnis erwähnter Zeitschriften und Zeitungen
Abend-Zeitung — literarische Tageszeitung, erschien von 1805 bis 1806 und von 1817 bis 1857 zuerst in Dresden, später in Leipzig; herausgegeben von 1817 bis 1846 von Karl Gottfried Theodor Winkler unter dem Pseudonym Theodor Hell. 36 430 Allgemeine Augsburger siehe Allgemeine Zeitung Allgemeine Literatur-Zeitung — erschien seit 1785 in Jena, ab 1833 in Halle und Leipzig. 427 Allgemeine Preußische Staats-Zeitung - Tageszeitung, erschien unter diesem Titel von Januar 1819 bis Juni 1843, von Juli 1843 bis Mai 1848 unter dem Titel „Allgemeine Preußische Zeitung" in Berlin; bis 1848 halboffizielles Organ der preußischen Regierung und anschließend unter dem Namen „Preußischer Staatsanzeiger" offizielles Regierungsorgan. 28-32 147 154 158 430 Allgemeine Zeitung - Tageszeitung, erschien von 1798 bis 1914, von 1810 bis 1882 in Augsburg; vertrat im allgemeinen eine konservative Haltung, ließ aber auch gemäßigt-liberale Auffassungen zu Wort kommen, vor allem im Vormärz ein maßgebendes Blatt der liberalen Großbourgeoisie; unterstützte in den fünfziger und sechziger Jahren denPlan derEinigungDeutschlands unter der Hegemonie Österreichs. 31 98 105-108 156 159 471 473 497 Allgemeine Zeitung siehe Elberfelder Zeitung Amts-Blatt der Königl. Regierung zu Coblenz — Wochenblatt, gegründet 1816; Mitteilungsblatt der königlichen Regierung des Regierungsbezirks Koblenz. 175 Atheist - erschien Ende 1840 in Manchester. 477 Atheist and Republican - erschien Ende 1840 in England. 477
Barmer Wochenblatt zur Belehrung und Unterhaltung - erschien in Barmen von 1832 bis 1846 als Organ der Pietisten. 430 Barmer Zeitung - liberale Tageszeitung, gegründet 1834. 429 430 Berliner politisches Wochenblatt - erschien von 1831 bis 1841; Organ der historischen Rechtsschule, vertrat reaktionär-monarchistische Anschauungen; hatte erheblichen Einfluß auf die innerstaatliche Entwicklung Preußens, genoß die Unterstützung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. 40 99 106 340 Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen — Tageszeitung, erschien von 1740 bis 1874, seit 1748 nach ihrem Besitzer Johann Carl Spener allgemein „Spenersche Zeitung" genannt, ab 1872 unter diesem Namen herausgegeben; Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts halboffizielles Regierungsorgan. 28
Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst — politisch-philosophische Zeitschrift der Junghegelianer; erschien wochentäglich in Form von Tagesblättern von Juli 1841 bis Anfang Januar 1843 in Leipzig, herausgegeben von Arnold Rüge; Fortsetzung der „Hallischen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst"; am 3. Januar 1843 wurde die Zeitschrift von der sächsischen Regierung verboten und danach das Verbot durch Beschluß des Bundestages auf ganz Deutschland ausgedehnt; veröffentlichten 1842 Artikel von Marx und Engels. Die „Hallischen Jährbücher" hatten zunächst vornehmlich literarisch-philosophischen Charakter, gingen jedoch Ende 1839 zur politischen Kritik über; mit der Änderung des Titels gab Rüge den Jahrbüchern eine immer radikalere Orientierung, die er bis zur Kritik am Liberalismus führte. 99 433 434 444 493 Deutsch-Französische Jahrbücher - unter der Redaktion von Karl Marx und Arnold Rüge in deutscher Sprache in Paris herausgegeben; es erschien nur die erste Doppellieferung im Februar 1844; sie enthielt Marx' Schriften: „Zur Judenfrage" und „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung" sowie Engels* Arbeiten „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" und „Die Lage Englands. ,Past and Present' by Thomas Carlyle. London 1843". 346 405 498 Dorfzeitung - erschien von 1838 bis 1847 in Elberfeld. 430 Düsseldorfer Zeitung - Tageszeitung, gegründet 1745, erschien unter diesem Titel von 1826 bis 1926; in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein gemäßigt-liberales Blatt. 156
Elberfelder Zeitung — Tageszeitung, gegründet 1790, erschien unter diesem Titel von 1834 bis 1904; vertrat in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine evangelischorthodoxe, konservative Haltung. 156 157 429 Europa. Chronik der gebildeten Welt — erschien von 1835 bis 1885 zuerst in Stuttgart, später in Karlsruhe und dann in Leipzig. 430 Evangelische Kirchen-Zeitung - erschien von 1827 bis 1924 in Berlin. 424 The Examiner - Wochenblatt, erschien von 1808 bis 1881 in London; Organ der liberalen Bourgeoisie. 462 588
Frankfurter Journal- Tageszeitung, gegründet etwa 1665, erschien unter diesem Titel von 1684 bis 1903 in Frankfurt (Main); nahm in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine gemäßigt-liberale Position ein; veröffentlichte 1842/1843 mehrere Beiträge von Marx aus der „Rheinischen Zeitung". 183 Fremdenblatt - erschien in Elberfeld. 430
Gemeinnütziges Wochenblatt für die Kreise Berncastel, Wittlich, Zell und die umliegende Gegend gegründet 1835 in Bernkastel; berichtete fast ausschließlich über lokale Vorkommnisse, veränderte mehrfach seinen Titel. 193 Les Guepes - satirische Zeitschrift, erschien von 1839 bis 1849 in Paris, zuerst monatlich, dann unregelmäßig. 157
Hallische Jahrbücher siehe Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst Hamburger Correspondent siehe Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland — klerikale Zeitschrift, erschien von 1838 bis 1923 in München; Sprachrohr des politischen Katholizismus, vertrat konservative Anschauungen und in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine gegen den Protestantismus gerichtete, preußenfeindliche Tendenz; von 1839 bis 1848 in Preußen verboten. 157 165 170 171
Intelligenzblatt - Beilage zur „Elberfelder Zeitung". 430
Jahrbuch der Literatur - erschien 1839 in Hamburg. 429 Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik - erschienen von 1827 bis 1846 in Stuttgart und Tübingen (1834 in Berlin); herausgegeben von der Sozietät für wissenschaftliche Kritik zu Berlin, Organ der Althegelianer. 429 445 Journal des Däats politiques et littiraires - Tageszeitung, gegründet 1789 in Paris, erschien unter diesem Titel seit 1814; konservatives Blatt, während der Julimonarchie Regierungsorgan; unterstützte 1848/1849 die Konterrevolution; nach dem Staatsstreich vom 2.Dezember 1851 Organ der gemäßigten orleanistischen Opposition. 31 Die junge Generation - Monatsschrift, erschien von September 1841 bis Mai 1843, herausgegeben von Wilhelm Weitling in Bern und Zürich; bis Dezember 1841 erschien die Zeitschrift unter dem Titel „Der Hülferuf der deutschen Jugend"; Propagandaorgan eines utopischen Gleichheitskommunismus. 490
Kölnische Zeitung - Tageszeitung, gegründet im 17. Jahrhundert, erschien unter diesem Titel von 1802 bis 1945; nahm Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine gemäßigtliberale Haltung ein, kritisierte die bürgerlich-demokratische Opposition und vertrat die ökonomischen Forderungen der rheinischen Bourgeoisie. 86 96 99 104 154-156 159-163 Königl. Preuß. Staats- Kriegs- und Friedens-Zeitung - Tageszeitung, gegründet im ^.Jahrhundert, erschien unter diesem Titel von 1752 bis 1850 in Königsberg, auch „Königsberger Zeitung" genannt; von 1842 bis Februar 1843 ein bedeutendes Sprachrohr der bürgerlichdemokratischen Opposition in Preußen, wesentlich beeinflußt durch Johann Jacoby; veröffentlichte 1842/1843 mehrere Beiträge von Marx aus der „Rheinischen Zeitung". 103 Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen — Tageszeitung, gegründet Anfang des 18. Jahrhunderts, erschien unter diesem Titel von 1785 bis 1911, seit 1751 nach ihrem Besitzer Christian Friedrich Voß allgemein „Vossische Zeitung" genannt, von 1911 bis 1934 unter diesem Namen herausgegeben; vertrat Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts teilweise gemäßigt-liberale Ansichten des Berliner Bürgertums. 28 Königsberger Literatur-Blatt - herausgegeben von Alexander Jung von 1841 bis 1845; vertrat Anschauungen des Jungen Deutschland. 433 434 441-445 Königsberger Zeitung siehe Königl. Preuß. Staats- Kriegs- und Friedens-Zeitung
Leipziger Allgemeine Zeitung - Tageszeitung, erschien von 1837 bis 1843; vertrat liberale Anschauungen, entwickelte sich besonders seit Anfang 1842 zu einem Sprachrohr der liberalen Opposition und trat unter der redaktionellen Leitung von Gustav Julius ab Mitte November 1842 immer schärfer gegen Preußen auf, weshalb sie ab I.Januar 1843 für die preußischen Staaten verboten wurde. 152 154-157 159 160 164-168 170 171
Mefistofeles. Revue der deutschen Gegenwart in Skizzen und Umrissen — Zeitschrift, erschien von 1842 bis 1844 in fünf Lieferungen in Leipzig; herausgegeben von dem liberalen Publizisten Friedrich Steinmann. 105 Mittheilungen des Vereins zur Förderung der Weincultur an Mosel und Saar zu Trier — erschienen von 1837 bis 1843 in fünf Heften in Trier; Organ des Vereins zur Förderung der Weinkultur, diente vorwiegend der Ermittlung und Verbreitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Weinkultur. 178 Morgenblatt für gebildete Leser -literarische Zeitung, gegründet 1807 unter dem Titel „Morgen
blatt für gebildete Stände", erschien unter obigem Titel vom 1. Juli 1837 bis 1865 in Stuttgart und Tübingen; veröffentlichte 1841 mehrere Artikel von Engels. 429 Miinchener politische Blätter siehe Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland
Le National- Tageszeitung, erschien von 1830 bis 1851 in Paris; in den vierziger Jahren Organ der gemäßigten bürgerlichen Republikaner. 122 The New Moral World — Wochenzeitung, gegründet 1834 von Robert Owen, erschien bis 1846 zunächst in Leeds, ab I.Oktober 1841 in London; Organ der utopischen Sozialisten; Engels war von November 1843 bis Mai 1845 Mitarbeiter der Zeitung. 496 584 The Northern Star, and national trades' journal - Wochenzeitung, erschien von 1837 bis 1852, anfangs in Leeds, seit November 1844 in London; Hauptorgan der Chartisten; gegründet und redigiert von Feargus Edward O'Connor, in den vierziger Jahren von George Julian Harney; vertrat nach Harneys Ausscheiden aus der Redaktion im wesentlichen den Standpunkt des rechten Flügels der Chartisten; veröffentlichte von 1845 bis 1848 Artikel von Engels. 584
The Oracle of Reason: or, philosophy vindicated- atheistisches Wochenblatt, erschien von 1841 bis 1843 zuerst in Bristol, dann in Sheffield und London. 474 Das Orakel der Vernunft siehe The Oracle of Reason: or, philosophy vindicated
La Phalange. Revue de la science sociale — erschien von 1832 bis 1849 in Paris; wechselte mehrmals Titel, Umfang, Format und Häufigkeit des Erscheinens; Organ der Anhänger Fouriers. 484 Der Pilot. Allgemeine Revue der einheimischen und ausländischen Literatur- und Volltszustände — erschien von 1840 bis 1842 in Altona. 441 Le Populaire de 1841 — erschien von 1841 bis 1852 in Paris; Propagandaorgan der utopischen Kommunisten, bis 1849 von Etienne Cabet redigiert. 488 490 Preußische Staats-Zeitung siehe Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Provinzialzeitung siehe Elberfelder Zeitung
La Reforme - Tageszeitung, erschien von Juli 1843 bis Januar 1850 in Paris; Organ der kleinbürgerlichen Demokraten, Republikaner und Sozialisten; gegründet von Alexandre-Auguste Ledru-Rollin; veröffentlichte von Oktober 1847 bis Januar 1848 Artikel von Engels. 392 394 LaRevue independante- gesellschaftlich-politische Monatsschrift, erschien von November 1841 bis Februar 1848 in Paris; stand unter dem Einfluß der utopischen Sozialisten. 488 Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe — Tageszeitung, erschien vom 1. Januar 1842 bis 31 .März 1843 in Köln; gegründet mit Unterstützung der rheinischen liberalenBourgeoisie, wurde ein Sprachrohr der Junghegelianer; vertrat nach Marx' Eintritt in die Redaktion am 15. Oktober 1842 und unter seiner Leitung immer zielstrebiger revolutionär-demokratische Auffassungen und entwickelte sich zum bedeutendsten oppositionellen Blatt Deutschlands; ab I.April 1843 von der preußischen Regierung verboten. 96 103 105 106 108 109 148 156 159-163 166 170-173 175 176 200 445 493 494 Rhein- und Mosel-Zeitung-Tageszeitung, erschien von 1831 bis 1850inKoblenz; vertrat teilweise gemäßigt-liberale Auffassungen, entwickelte sich seit Anfang 1843 verstärkt zu einem Organ des politischen Katholizismus. 156-158 163-171 199
Spenersche Zeitung siehe Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten — Tageszeitung, erschien unter diesem Titel von 1731 bis 1868, von 1869 bis 1923 unter dem Titel „Hamburgischer Correspondent"; in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts konservativ. 99 157
41 Marx/Engels, Werke. Bd. 1
Täglicher Anzeiger für Berg und Mark. ~ Tageszeitung, erschien in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Elberfeld. 430 Telegraph für Deutschland- literarische Zeitschrift, gegründet von Karl Gutzkow, erschien 1837 in Frankfurt (Main) und von 1838 bis 1848 in Hamburg; Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre vertrat sie Anschauungen des Jungen Deutschland; von 1839 bis 1841 veröffentlichte sie Artikel und Dichtungen von Engels. 425 440 The Times - Tageszeitung, gegründet am I.Januar 1785 in London unter dem Titel „Daily Universal Register", erscheint seit dem I.Januar 1788 unter dem Titel „The Times"; größte englische Zeitung konservativer Richtung. 497
Vorwärts! Pariser DeutscheZeitschrifi - erschien von Januar bis Dezember 1844 zweimal wöchentlich ; begann unter dem Einfluß von Marx, der ab Sommer 1844 an der Redaktion der Zeitung beteiligt war, eine kommunistische Haltung einzunehmen; kritisierte schonungslos die reaktionären Zustände in Preußen; veröffentlichte Beiträge von Marx und Engels; auf Verlangen der preußischen Regierung verfügte das Ministerium Guizot Mitte Januar 1845 die Ausweisung von Marx und anderer Mitarbeiter aus Frankreich. 392 Vossische Zeitung siehe Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen
Wespen siehe Les Guepes Wuppertaler Lesekreis - Beilage zur „Barmer Zeitung". 430
Karl Marx
Daten seines Lebens und seiner Tätigkeit (1818 bis August 1844)
5. Mai
Oktober
1818 Karl Marx in Trier, Brückengasse 664 (heute Brückenstraße 10), als Sohn des Rechtsanwalts Heinrich Marx und seiner Frau Henriette geb. Presburg (Presborck) geboren.
1830
Eintritt in das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier.
1835
24. September Marx absolviert das Gymnasium und erhält am 24. September das Reifezeugnis. 1 S.Oktober Marx nimmt an der Juristischen Fakultät der Bonner Universität das Studium auf.
1836
Mitte Oktober Marx übersiedelt nach Berlin und wird am 22. Oktober an der Juristischen Fakultät der Berliner Universität immatrikuliert. Ende 1836 bis 1838 Neben dem Studium an der Juristischen Fakultät besucht Marx Vorlesungen für Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte; er übersetzt Werke antiker Autoren ins Deutsche und studiert die englische und italienische Sprache.
1837
April bis August Marx studiert intensiv die Philosophie Hegels und lernt die Junghegelianer Bruno Bauer, Karl Friedrich Koppen und andere kennen. 10. November In einem ausführlichen Brief an seinen Vater berichtet Marx über sein Leben und sein Studium in Berlin.
1839
Anfang 1839 bis Marx studiert griechische Philosophie und beschäftigt sich hauptsächlich März 1841 mit den naturphilosophischen Lehren des materialistischen Philosophen Epikur. Er schreibt seine Dissertation über „Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie".
1841
30. März Marx beendet das Studium an der Berliner Universität. 6. April Marx schickt seine Dissertation über „Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie" an Professor Karl Friedrich Bachmann, den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Jena. 15. April Marx erhält das Doktordiplom der Philosophischen Fakultät derUniversität Jena. Mitte April Marx reist von Berlin über Frankfurt (Main) nach Trier, wo er sich bis Anfang Juli aufhält. Anfang Juli Marx übersiedelt nach Bonn, da er beabsichtigt, an der Bonner Universität eine Dozentur zu übernehmen. Etwa im Juli Marx studiert Ludwig Feuerbachs Werk „Das Wesen des Christentums". Herbst Als eine Reihe fortschrittlicher Gelehrter vom Unterrichten an den Universitäten ausgeschlossen wird, läßt Marx den Gedanken an einen Universitätslehrstuhl fallen. Die Presse wird nun zur Tribüne für die Propaganda seiner revolutionär-demokratischen Anschauungen.
Anfang Februar bis 10. Februar
April
1842
Marx beginnt seine publizistische Tätigkeit. Er schreibt den Artikel „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion"; wegen der strengen Zensur in Preußen veröffentlicht Arnold Rüge diesen Artikel nicht in den „Deutschen Jahrbüchern"; er erscheint erst in dem Mitte Februar 1843 in der Schweiz von Rüge herausgegebenen ersten Band der „Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik". Marx beginnt die Mitarbeit an der „Rheinischen Zeitung", einem Blatt der rheinischen liberalen Bourgeoisie. Für diese Zeitung schreibt er den ersten der von ihm geplanten vier Artikel über die Verhandlungen des 6. Rheinischen Provinziallandtags vom Sommer 1841, „Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen"; der Artikel — gezeichnet „Von einem Rheinländer"—erscheint in der „Rheinischen Zeitung" im Mai 1842 in sechs Fortsetzungen. Marx schreibt für die „Rheinische Zeitung" den zweiten Artikel über die Verhandlungen des 6. Rheinischen Provinziallandtags. Dieser Artikel, der den Konflikt der preußischen Regierung mit der katholischen Kirche beleuchtet, wird von der Zensur nicht zum Druck zugelassen. Zwischen 29. Juni Marx schreibt den Aufsatz „Der leitende Artikel in Nr. 179 der ,KölJuni
und 3. Juli nischen Zeitung'", der in Fortsetzungen in der „Rheinischen Zeitung" am 10., 12. und 14. Juli erscheint. 9. August Marx' Artikel „Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule" erscheint im Beiblatt der „Rheinischen Zeitung" mit Ausnahme des von der Zensur nicht zugelassenen „Kapitels von der Ehe". Mitte Oktober Marx übersiedelt nach Köln und wird ab 15. Oktober Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung". Unter seiner Leitung erhält die Zeitung eine immer bestimmtere revolutionär-demokratische Richtung. 15. Oktober Marx schreibt den Artikel „Der Kommunismus und die Augsburger .Allgemeine Zeitung'", der am 16.Oktober in der „Rheinischen Zeitung" erscheint. Oktober Marx schreibt den dritten Artikel über die Verhandlungen des 6. Rheinischen Landtags, „Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz"; dieser Artikel, in dem Marx sich zum erstenmal mit ökonomischen Fragen beschäftigt, wird in der „Rheinischen Zeitung" in fünf Fortsetzungen vom 25.Oktober bis 3. November veröffentlicht. Oktober 1842 bis Marx studiert die Schriften der französischen utopischen Sozialisten Anfang 1843 Charles Fourier, Etienne Cabet, Theodore D6zamy, Pierre Leroux, Victor Considgrant und Pierre-Joseph Proudhon. Zuleite Hälfte Marx trifft zum erstenmal mit Engels zusammen, der auf der Reise nach November 1842 England die Redaktion der „Rheinischen Zeitung" in Köln besucht. Ende November Marx bricht mit dem Berliner Kreis der Junghegelianer, den „Freien", die die „Rheinische Zeitung" in ein vom Leben und politischen Kampf losgelöstes Organ zu verwandeln suchen, das ihre philosophischen idealistischen Anschauungen propagieren soll. 18.Dezember Marx schreibt den Artikel „Der Ehescheidungsgesetzentwurf", der am 19. Dezember in der „Rheinischen Zeitung" erscheint. 31 .Dezember 1842 Anläßlich des Verbots der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" schreibt bis 15. Januar 1843 Marx eine Reihe von Artikeln, die in der Zeit vom 1. bis 16. Januar 1843 in der „Rheinischen Zeitung" veröffentlicht werden. Zwischen Ende Marx schreibt den Artikel „Rechtfertigung des ff-Korrespondenten von Dezember 1842 bis der Mosel". In diesem Zusammenhang studiert er die Materialien und Mitte Januar 1843 Dokumente, die sich mit der Lage der Weinbauern an der Mosel befassen. Die Abschnitte A und B erscheinen in der „Rheinischen Zeitung" vom 15. bis 20. Januar.
1843 19. Januar Die preußische Regierung beschließt, die „Rheinische Zeitung "ab 1. April zu verbieten; für die verbleibende Zeit wird eine besonders strenge Zensur eingeführt. Ende Januar Die weitere Publikation des Marxschen Artikels „Rechtfertigung des ff-Korrespondenten von der Mosel" wird von der Zensur nicht zum Druck zugelassen.
12. Februar Marx tritt in der außerordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der „Rheinischen Zeitung" auf. Er protestiert entschieden gegen ihre Absicht, durch Aufgabe der oppositionellen Richtung das Verbot der Zeitung rückgängig machen zu wollen. Die von ihm verfaßten „Randglossen zu den Anklagen des Ministerialreskripts" werden Bestandteil der Denkschrift der Aktionäre an die Regierung. Marx faßt jedoch wegen der opportunistischen Haltung vieler Aktionäre den Entschluß, noch vor dem Verbotstermin die Redaktion niederzulegen. 17. März Marx beendet seine Tätigkeit als Redakteur der „Rheinischen Zeitung". Die Erklärung über sein Ausscheiden erscheint am 18. März in der „Rheinischen Zeitung". Ende März Reise nach Holland. März bis September Marx verhandelt mit Arnold Rüge über die Herausgabe der „DeutschFranzösischen Jahrbücher" im Ausland. Zur Mitarbeit versucht er führende Vertreter der deutschen und französischen Demokratie heranzuziehen. Im September formuliert Marx in einem Brief art Rüge das Programm der Zeitschrift. Frühjahr und Sommer 19. Juni 3.Oktober
Ende Oktober
Herbst 1843 bis Januar 1844
November 1843 bis Januar 1845
Ende Dezember
Ende 1843 bis März 1844
Marx schreibt in Kreuznach die Arbeit „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie". Marx heiratet Jenny von Westphalen. Marx bittet Ludwig Feuerbach in einem Brief, an den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" mitzuarbeiten. Marx übersiedelt nach Paris, um dort die „Deutsch-Französischen Jahrbücher" herauszugeben. Marx schreibt für die „Deutsch-Französischen Jahrbücher" die beiden Aufsätze „Zur Judenfrage" und „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung". Diese Aufsätze sind charakteristisch für Marx' endgültigen Übergang vom Idealismus zum Materialismus und von der revolutionären Demokratie zum Kommunismus. Marx knüpft in Paris Beziehungen zu französischen Demokraten und zu französischen und deutschen Arbeiterorganisationen. Er besucht des öfteren ihre Versammlungen und lernt die Führer französischer Geheimgesellschaften und des Bundes der Gerechten kennen. Marx lernt Heinrich Heine kennen, mit dem ihn bald freundschaftliche Beziehungen verbinden. Marx studiert gründlich die Geschichte der Französischen Revolution, um eine Geschichte des Konvents zu schreiben. Gleichzeitig beginnt er mit dem systematischen Studium der politischen Ökonomie; er liest und konzipiert Werke von Adam Smith, Jean-Baptiste Say, Fryderyk Skarbek und anderen Ökonomen.
1844
Ende Januar Marx erhält von Engels aus Manchester für die „Deutsch-Französischen Jahrbücher" die Artikel „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" und „Die Lage Englands. ,Past and Present' by Thomas Carlyle". Ende Februar In Paris erscheint das erste Doppelheft der „Deutsch-Französischen Jahrbücher", herausgegeben von Karl Marx und Arnold Rüge. In der Zeitschrift sind Marx' Artikel „Zur Judenfrage", „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung" und auch seine Briefe an Rüge veröffentlicht. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Engels' Artikel „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" treten Marx und Engels in Briefwechsel. 23. März Marx trifft mit den russischen Emigranten Michail Alexandrowitsch Bakunin, Wassili Petrowitsch Botkin, Grigori Michailowitsch Tolstoi und mit den französischen Demokraten und Sozialisten Pierre Leroux, Louis Blanc und anderen zusammen.BeidieserBegegnungfindet ein Meinungsaustausch über eine Reihe theoretischer und politischer Fragen statt. 26. März Marx bricht wegen prinzipieller Meinungsverschiedenheiten mit dem bürgerlichenRadikalenArnoldRuge.Dieserteilte nicht die kommunistische Richtung, dieMarx den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" gab. Wegen der Schwierigkeiten, die Zeitschrift in Deutschland zu verbreiten, der unsicheren finanziellen Lage und des Bruchs mit Rüge wird das Erscheinen der Zeitschrift eingestellt. Im Zusammenhang mit den in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" veröffentlichten Artikeln von Marx beschuldigt ihn die preußische Regierung des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung und erläßt einen Haftbefehl für den Fall, daß er die preußische Grenze überschreiten sollte. Marx setzt das Studium der Schriften der bürgerlichen Ökonomen fort und fertigt die ersten Entwürfe einer Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie an. Es entstehen die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte". Marx lernt Pierre-Joseph Proudhon kennen. Marx schreibt einen Artikel gegen Rüge unter dem Titel „Kritische Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen'". Der Artikel erscheint im Pariser „Vorwärts!" am 7. und lO.August 1844. Von dieser Zeit datiert Marx' Mitarbeit am „Vorwärts!" und seine Teilnahme an der Redaktion dieser Zeitung. Er bestimmt immer stärker die Linie der Zeitung. Ende August Marx trifft sich mit Engels, der sich auf der Rückreise von England nach Deutschland einige Tage in Paris aufhält. 16. April April bis August Etwa im Juli 31. Juli
Friedrich Engels
Daten seines Lebens und seiner Tätigkeit (1820 bis August 1844)
1820
28. November Friedrich Engels in Barmen als Sohn des Baumwollfabrikanten Friedrich Engels und seiner Frau Elisabeth geb. van Haar geboren.
1834
20. Oktober Engels, der bis dahin die Stadtschule in Barmen besucht hat, geht auf das Gymnasium nach Elberfeld.
1837
15. September Engels verläßt auf Drängen seines Vaters ein Jahr vor dem Abitur das Gymnasium und beginnt als Handlungsgehilfe in der Handelsfirma seines Vaters in Barmen zu arbeiten.
Mitte Juli 1838 bis zweite Märzhälfte 1841
Ende März Zweite Hälfte September 1841 bis 15. August 1842
1838-1841
Engels setzt seine kaufmännische Ausbildung im Kontor des Bremer Großhandelskaufmanns Heinrich Leupold fort. Er beschäftigt sich mit Literatur und Musik. Sein besonderes Interesse gilt der literarischen Strömung Junges Deutschland. Seine „Briefe aus dem Wuppertal" erscheinen im „Telegraph für Deutschland" im März und April 1839; seine Rezensionen und Skizzen finden Aufnahme in literaturkritischen Zeitschriften. Er beginnt die Werke Hegels sowie religionskritische Literatur zu studieren, unter anderem „Das Leben Jesu" des Junghegelianers David Strauß. In dieser Periode bilden sich Engels* revolutionär-demokratische Ansichten heraus.
1841
Engels kehrt aus Bremen nach Barmen zurück. Engels geht nach Berlin, um als Einjährig-Freiwilliger bei der Artillerie seiner Militärdienstpflicht zu genügen. In seiner Freizeit hört er philosophische Vorlesungen an der Universität; er nimmt Verbindung mit dem Berliner Kreis der Junghegelianer, den Brüdern Bruno und Edgar Bauer,
Karl Friedrich Koppen, Max Stimer und anderen auf. In einer Reihe von Schriften — „Schelling über Hegel", „Schelling und die Offenbarung", „Schelling, der Philosoph in Christo" - kritisiert Engels scharf Schöllings reaktionäre Ansichten. Zweite Hälfte 1841 Engels studiert Ludwig Feuerbachs Schrift „Das Wesen des Christentums".
1842
12. April Engels' Artikel „Nord- und süddeutscher Liberalismus" erscheint in der „Rheinischen Zeitung", damit beginnt seine Mitarbeit an diesem Organ. Etwa 15. Juni Engels schreibt für die junghegelianische Zeitschrift „Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst" den kritischen Artikel „Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen", er erscheint am 7., 8. und 9. Juli. Etwa 10. Oktober Nach Beendigung seiner Militärdienstpflicht kehrt Engels über Köln nach Barmen zurück. Ungefähr Oktober Engels schreibt den Artikel „Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen". Der Artikel wird in dem Sammelband „Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz" veröffentlicht, der im Juli 1843 in der Schweiz erscheint. Ende November Engels fährt nach England, um in der Spinnerei Ermen & Engels in Manchester seine kaufmännische Ausbildung zu vervollkommnen. Auf der Reise nach England besucht Engels die Redaktion der „Rheinischen Zeitung" in Köln, wo er zum erstenmal Marx begegnet. 29., 30. November Nach seiner Ankunft in England schreibt Engels die Artikel „Englische Ansicht über die innern Krisen" und „Die innern Krisen" für die „Rheinische Zeitung". Sie erscheinen am 8., 9. und 10. Dezember. 15., 20. vnd Engels schreibt die Artikel „Stellung der politischen Partei", „Lage der 22. Dezember arbeitenden Klasse in England" und „Die Korngesetze", die in der „Rheinischen Zeitung" am 24., 25. und 27. Dezember veröffentlicht werden. Dezember 1842 bis Engels studiert die sozialen und politischen Verhältnisse in England, die August 1844 Lebens- und Arbeitsbedingungen der englischen Arbeiter, macht sich mit ihren Kämpfen und mit derChartistenbewegung bekannt, besucht Fabriken und die Arbeiterviertel in Manchester und nimmt an Massenmeetings und Versammlungen der Arbeiter teil. Engels studiert die Schriften der bürgerlichen Ökonomen Adam Smith, David Ricardo, Jean-Baptiste Say, John Ramsay MacCuIIoch, James Mill und anderer. Er beschäftigt sich mit den Werken von Claude-Henri de SaintSimon, Charles Fourier, Robert Owen, Franfois-Noel (Gracchus) Babeuf, £tienne Cabet, Wilhelm Weitling und anderen Vertretern des utopischen Sozialismus und Kommunismus sowie mit den Schriften Pierre-Joseph Proudhons. Während seines Aufenthalts in England vollzieht sich Engels' Ubergang vom Idealismus zum Materialismus und vom revolutionären Demokratismus zum Kommunismus.
1843 16., 23. Mai, In der Zeitschrift „Schweizerischer Republikaner" werden vier „Briefe aus 9., 27. Juni London" von Engels veröffentlicht. Etwa Mai bis Juni In London nimmt Engels die Verbindung mit Karl Schapper, Joseph Moll und Heinrich Bauer, den Führern der geheimen deutschen Arbeiterorganisation Bund der Gerechten, auf. Sommer Engels sucht die Redaktion der Chartistenzeitung „The Northern Star" in Leeds auf und lernt hier den Redakteur George Julian Harney, einen bedeutenden Führer des revolutionären Flügels der Chartistenbewegurtg, kennen. 23.0ktoberlAnfang Engels beginnt in dem Organ der englischen Owenisten, „The New Moral November World", mitzuarbeiten. Er schreibt für diese Zeitung den Artikel „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent", der am 4. und 18. November erscheint. Mit einigen Kürzungen wird er in „The Northern Star" am 11. und 25. November nachgedruckt. Dezember Engels lernt den revolutionären Dichter Georg Weerth kennen und befreundet sich mit ihm. Ende 1843 bis Engels schreibt den Artikel „Umrisse zu einer Kritik der NationalökonoJanaar 1844 mie". 1844 Januar Für die von Karl Marx und Arnold Rüge in Paris herausgegebenen „Deutsch-Französischen Jahrbücher" schreibt Engels den Artikel „Die Lage Englands. ,Past and Present' by Thomas Carlyle". Mit ihm beginnt Engels die geplante Artikelserie über die Lage Englands. 3. Februar In „The New Moral World" erscheint Engels' Artikel „Bewegungen auf dem Kontinent". Februar Engels schreibt den Artikel „Die Lage Englands. Das achtzehnte Jahrhundert", der im „Vorwärts!" in der Zeit vom 31. August bis 11. September erscheint. Ende Februar In den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" werden Engels' Artikel „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" und „Die Lage Englands. ,Past and Present' by Thomas Carlyle" veröffentlicht. Im Zusammenhang mit dem Erscheinen von Engels' Artikel „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" treten Marx und Engels in Briefwechsel. März Engels schreibt den Artikel „Die Lage Englands. Die englische Konstitution", der in Fortsetzungen im „Vorwärts!" vom 18. September bis 19.0ktober veröffentlicht wird. April bis August Engels setzt das Studium der Ökonomie Englands und der Lebens- und Arbeitsbedingungen der englischen Arbeiter fort. Er sammelt Material für die von ihm geplante Arbeit über die Geschichte Englands und die Lage der arbeitenden Klasse in England, Ende August Bei der Rückkehr von England nach Deutschland trifft Engels mit Marx in Paris zusammen.
Personenverzeichnis
Äschylus (Aischylos) (525-456 v.u.Z.) klassischer griechischer Dramatiker. 382 Aldenhoven, Franz (1810 oder 1811-1872) Gutsbesitzer in Zons; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziälländtag. 73 74 124 Alexander III., der Große (356-323 v.u.Z.) König von Makedonien (336-323 v.u.Z.), Begründer eines Weltreiches von Makedonien bis Indien. 91 569 Alison, Sir Archibald (1792-1867) englischer Historiker und Ökonom; Tory. 517 519 Alison, William Pulteney (1790-1859) englischer Arzt, Professor an der Universität Edinburgh; Tory; Bruder von Sir Archibald Alison. 533 Altenstein, Karl Freiherr vom Stein zum (1770 bis 1840) preußischer Finanzminister (1808 bis 1810), Minister für geistliche, Unterrichts« und Medizinalangelegenheiten (1817 bis 1838). 449 Amman, Christoph Friedrich von (1766-1850) protestantischer Theologe; zunächst Vertreter des Rationalismus, später dessen Gegner. 80 Anacharsis (6.Jh. v.u.Z.) griechischer Philosoph; von Geburt Skythe; wurde von den Griechen zu den sieben Weisen gezählt. 383 Aristoteles (384-322 v.u.Z.) griechischer Philosoph; zunächst Schüler, später Kritiker Piatons; universeller Gelehrter, Begründer der Philosophiegeschichte. 91 103 107 339 Arkwright, Sir Richard (1732-1792) englischer Unternehmer; Konstrukteur und Erbauer verschiedener Spinnmaschinen. 524 560 563 Arminius (17 v.u.Z. bis 21 u.Z.) Fürst der Cherusker, leitete den Kampf der germanischen Stämme gegen die Römer, besiegte sie 9 u.Z. im Teutoburger Wald. 423 Augustinus, Aurelius (354-430) Bischof von Hippo Regius (Nordafrika), Kirchenlehrer und christlicher Philosoph; wirkte als Kirchenvater nachhaltig auf die katholische und protestantische Theologie. 80 101 Baader, Franz Xaver von (1765-1841) Naturwissenschaftler und Philosoph, Professor für Philosophie und spektakuläre Theologie in München; Mystiker. 445 Babeuf, Frcmfois-Noel (Gracchus) (1760 bis 1797) französischer Revolutionär; utopischer Kommunist; leitete 1796 gemeinsam mit Buonarroti und Darth6 die Verschwörung der Gleichen; hingerichtet. 481 484 485 Bacon (Baco), Francis•, Baron Verulam, ViscountSt.Albans (1561-1626) englischer Philosoph, Staatsmann und Jurist; Begründer des englischen metaphysischen Materialismus, leitete die englische Aufklärung ein, 103 396 553570 Bairstow, Jonathan (geb. etwa 1819) Chartist; Mitglied des Chartistenkonvents 1842. 487 Ball, Hermann (1804-1860) reformierter Pfarrer in Wülfrath, später in Elberfeld. 423
Barere de Vieuzac, Bertrand (1755-1841) französischer Jurist; Politiker der Französischen Revolution, Deputierter des Konvents, Jakobiner; später aktiver Teilnehmer des konterrevolutionären Staatsstreichs vom 27. Juli 1794. 400 Bauer, Bruno (1809-1882) Religions- und Geschichtsforscher; idealistischer Philosoph; 1842Mitarbeiter der„RheinischenZeitung" ; zuerst Anhänger der orthodoxen Richtung der Hegeischen Schule, seit 1839 ein führender Theoretiker der Junghegelianer; von 1837 bis Anfang 1842 Marx' Freund; gehörte seit Sommer 1842 zu den „Freien"; nach der Revolution 1848/49 Mitarbeiter der reaktionären „Neuen Preußischen Zeitung" („Kreuzzeitung"); nach 1866 Nationalliberaler. 99 348 351 353 356 358 359 361 362 364 371 372 374 375 434 447 452 494 543 544 Bauer, Edgar (1820-1886) Publizist, Junghegelianer, gehörte zu den „Freien"; wechselte mehrmals seinen politischen Standpunkt; nach 1861 preußischer Beamter; Bruder von Bruno Bauer. 496 Baur, Johann Heinrich vom (geb. 1784) Kaufmann aus Ronsdorf (Wuppertal); Abgeordneter des Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 76 113 114 119 128 133 134 143 Beaumont de la Bonniniire, Gustave-Auguste (1802-1866) französischer bürgerlicher Publizist und Politiker; Verfasser von Büchern über die Sklaverei und über die Strafanstalten in den USA. 352 361 374 Beltz, Karl Christian (1807-1857) Lehrer am Gymnasium in Elberfeld (1833-1854). 427 Bender, Peter Maria Benedikt (1767 oder 1768 bis 1843) preußischer Verwaltungsbeamter in Niederprüm; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 143 Bentham, Jeremy (1748-1832) englischer Soziologe, Theoretiker des Utilitarismus. 567 582 B dranger, Pierre-Jean de (1780-1857) französischer demokratischer Dichter, Meister des politischen Chansons. 70 Bernhard von Clairvaux (1091—1153) französischer Theologe; Begründer der mystischen Richtung der mittelalterlichen Theologie. 71 Berthollet, Claude-Louis, comte de (1748-1822) französischer Chemiker. 509 Black,Joseph (1728-1799) schottischer Chemiker und Physiker. 551 Blackstone, Sir William (1723-1780) englischer Jurist; Mitglied des Parlaments, Verteidiger der konstitutionellen Monarchie. 572 Blmtschli, Johann Kaspar (1808-1881 Schweizer Jurist und reaktionärer Politiker. 491 Bodelschwingh, Ernst von (1794-1854) preußischer Politiker; 1831 Oberregierungsrat in Köln, dann in Trier, Oberpräsident der Rheinprovinz (1834 bis August 1842), Finanzminister (1842-1845) und Innenminister (1845 bis März 1848). 176 Böhme, Jakob (1575-1624) Schuhmacher, Philosoph; Vertreter einer mystisch-pantheistischen Weltanschauung. 72 92 Börne, Karl Ludwig (1786-1837) Publizist und Kritiker; revolutionärer Demokrat; Vertreter des kleinbürgerlichen republikanischen Radikalismus. 437 438 440 441 482 Bourbonen französische Königsdynastie; regierte in Frankreich (1589-1792, 1814/1815 und 1815-1830), der jüngere Zweig (Orleans) regierte 1830-1848, andere Zweige herrschten in Spanien (1701-1808, 1814 bis 1868 und 1874-1931), in Neapel-Sizilien (1735-1860) und in Parma (1748 bis 1859). 337 Bridgewater, Francis Egerton, Duke of (1736 bis 1803) englischer Großgrundbesitzer. 565 Brust, Joseph Friedrich (1792-1855) Kaufmann aus Boppard; Abgeordneter des Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 110 III 122 124 125 128 132 135 136 138 139 142 143 Buchez, Philippe-Joseph-Benjamin (1796 bis 1865) französischer Politiker und Historiker; bürgerlicher Republikaner; Ideologe des christlichen Sozialismus; Schüler SaintSimons; 1848 Präsident der provisorischen Regierung. 367
Bülow-Cummeroiv, Ernst Gottfried Georg von (1775-1851) preußischer Schriftsteller und Politiker; Vertreter des pommerschen Junkertums. 106 161 452 Buffon, Georges-Louis Leclerc, comte de (1707 bis 1788) französischer Naturforscher und Philosoph; einer der ersten Verfechter des Entwicklungsgedankens, Vorläufer von Darwin. 551 Bulis (5. Jh. v.u.Z.) Spartaner. 77 Buonarroti, FilifipoMicheleQ761-1837) italienischer Revolutionär; Teilnehmer der revolutionären Bewegung in Frankreich Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts; utopischer Kommunist; Mitkämpfer Babeufs. 482 Buret, Antoine-Eugene (1811-1842) französischer Ökonom; kleinbürgerlicher Sozialist, Anhänger Sismondis. 397 Buridan, Jean (etwa 1300 bis nach 1358) französischer Philosoph; Scholastiker. 297 Byron, George Noel Gordon, Lord (1788-1824) englischer Dichter; Vertreter der revolutionären Romantik. 435 469
Cabet, Etienne (1788-1856) französischer Jurist und Publizist; Begründer einer Richtung des französischen Arbeiterkommunismus; Herausgeber von „Le Populaire" und von „Le Populaire de 1841"; versuchte die in seinem Roman „Voyage en Icarie" entwickelten Theorien 1848-1856 in den USA durch Gründung von kommunistischen Musterkolonien zu verwirklichen. 344 485 487 488 490 Cäsar (Gaius Iulius Caesar) (100-44 v.u.Z.) römischer Staatsmann, Feldherr und Schriftsteller. 28 569 Campanella, Tommaso (eigtl. Giovanni Domenico) (1568-1639) italienischer Philosoph; materialistischer Sensualist, Vertreter der Naturphilosophie der Renaissance. 103 Carlile, Richard (1790-1843) englischer radikaler Publizist. 583 Carlyle, Thomas (1795-1881) englischer Schriftsteller, Historiker und idealistischer Philosoph; Verfechter des Heröenkults; kritisierte die englische Bourgeoisie vom
Standpunkt des feudalen Sozialismus; Tory, nach 1848 Gegner der Arbeiterbewegung. 468 525 528 531-534 537-539 542-549 Carriöre, Moriz (1817-1895) Philosoph und Ästhetiker, Professor in Gießen und München. 429 Cartwright, Edmund (1743-1823) englischer Mechaniker, Erfinder des mechanischen Webstuhls. 509 560 Cerdik Fürst der westsächsischen Stämme, die im 5. und 6. Jahrhundert Südengland eroberten. 536 Cetto, Johann Carl Anton (gest. 1851) Gutsbesitzer und Bürgermeister, seit 1816 Oberbürgermeister in St. Wendel; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 73 Cetto, Nikolaus Abgeordneter des Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. III Chevalier, Michel (1806-1879) französischer Ingenieur, Ökonom und Publizist; in den dreißiger Jahren Anhänger Saint-Simons. 406 Cicero (Marcus Tullius Cicero) (106-43 v. u. Z.) römischer Politiker, Redner und Schriftsteller. 91 Clarke, Samuel (1675-1729) englischer Philosoph und Theologe; Anhänger Newtons. 92 Clausen, Johann Heinrich Christoph (1806 bis 1877) Lehrer für Deutsch, Geschichte und Geographie am Gymnasium in Elberfeld während Engels' Schulzeit. 427 428 Cobden, Richard (1804-1865) Fabrikant in Manchester; Liberaler; Anhänger des Freihandels, Mitbegründer der Anti-Corn-Law League. 526 576 577 Condorcet, Marie-Jean-Antoine-Nicolas Caritat, marquis de (1743-1794) französischer sensualistischer Philosoph, Mathematiker und Politiker; Aufklärer, Vertreter einer idealistischen Theorie des gesellschaftlichen und geistigen Fortschritts; Teilnehmer der Französischen Revolution, Girondist. 104 Considerant, Victor (1808-1893) französischer Publizist; utopischer Sozialist; Schüler und Anhänger Fouriers. 108 484
Constant de Rebecque, Henri-Benjamin (1767 bis 1830) französischer bürgerlicher Politiker und Schriftsteller; Vertreter der antidemokratischen Richtung des bürgerlichen Liberalismus. 83 Cooper, Thomas (1805-1892) englischer Dichter und Journalist; kleinbürgerlicher Radikaler; Anfang der vierziger Jahre Chartist, später Methodistenprediger. 472 Cousin, Victor (1792-1867) französischer idealistischer Philosoph, Eklektiker. 443 Cretet, Emmanuel (1747-1809) französischer Politiker, Innenminister (1807-1809). 399 Crompton, Samuel (1753-1827) englischer Mechaniker; entwickelte die Mule-Spinnmaschine 524 560 Crormoell, Oliver (1599-1658) englischer Staatsmann; Führer der Bourgeoisie und des verbürgerlichten Adels in der englischen bürgerlichen Revolution; LordProtektor von England, Schottland und Irland (1653-1658). 38 537 554 571
Davy, Sir Humphry (1778-1829) englischer Chemiker und Physiker, ein Begründer der Elektrochemie. 509 521 Delolme, Jean-Louis (1740-1806) Schweizer Jurist; Verfasser staatsrechtlicher Arbeiten. 572 Dezamy, Theodore (1803-1850) französischer Publizist, Führer der revolutionären Richtung des französischen Arbeiterkommunismus. 344 Dickens, Charles (1812-1870) englischer Schriftsteller. 497 Diesterweg, Friedrich Adolf (1790-1866) fortschrittlicher Pädagoge; Anhänger Pestalozzis. 427 Dietz, Hermann Joseph (1782-1862) Fabrikbesitzer und Stadtrat in Koblenz; Abgeordneter des Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 74 Dingelstedt, Franz, (seit 1876) Freiherr von (1814-1881) liberaler Journalist und Lyriker im Vormärz; später Monarchist; Intendant und Dramaturg. 429 Diogenes aus Sinope (etwa 412 bis etwa 323 v.u.Z.) griechischer Philosoph; Kyniker. 36
Döring, Karl August (1783-1844) Pfarrer der lutherischen Gemeinde Elberfeld; Verfasser religiöser Gedichte. 423 430 432 Doherty, Hugh irischer Philologe, Philosoph und Journalist; Herausgeber der fourieristischen Zeitung „The London Phalanx". 484 Droste-Vischering, Clemens August Freiherr von (1773-1845) Erzbischof von Köln (1835 bis 1845). 449 Dörholt Kontorist bei der Firma Wittenstein in Unterbaimen. 432 Duller, Eduard (1809-1853) Schriftsteller; reaktionärer Romantiker. 432 Duncombe, Thomas Slingsby (1796-1861) britischer Politiker, bürgerlicher Radikaler; in den vierziger Jahren Teilnehmer der Chartistenbewegung; Mitglied des Parlaments. 470 472 576 Duns Scotus, John (etwa 1265-1308) schottischer Philosoph und Theologe, Scholastiker; Vertreter des Nominalismus. 30
Eduard III. (1312-1377) König von England (1327-1377). 397 Eichhoff, Karl Johann Ludwig (1805-1882) Oberlehrer am Elberfelder Gymnasium, seit 1845 Direktor des Gymnasiums in Duisburg; Engels' Lehrer in Griechisch und Latein. 427 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779 bis 1856) preußischer Politiker; aktiv an der Gründung des Zollvereins beteiligt; Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten (1840-1848). 452 Elisabeth I. (1533-1603) Königin von England (1558-1603). 37 397 575 582 Enfantin, Barthelemy-Prosper (genannt P&re Enfantin) (1796-1864) französischer utopischer Sozialist; Anhänger Saint-Simons, nach dessen Tod ein Hauptvertreter der saint-simonistischen Schule. 108 Engels, Friedrich (1820-1895). 445 453 496 498 Epimenides (um 500 v.u.Z.) griechischer Sühnepriester und Wundertäter. 29 Eules, Betty (gest. 1843) Kindesmörderin aus Bolton; 1843 in Liverpool hingerichtet, 530 Ewich, Johann Jakob (1788-1863) Oberlehrer
an der Barmer Stadtschule; vielseitiger pädagogischer Schriftsteller. 426 Eynern & Söhne Handelsfirma in Barmen. 429
Fenelon, Franfois de Salignac de la Mothe (1651—1715) französischer Theologe und Schriftsteller; seit 1695 Erzbischof von Cambrai; Vertreter der Frühaufklärung. 83 Ferrand, William Bashfield englischer Grundeigentümer; Mitglied des Parlaments; Tory. 528 Feuerbach, Ludwig (1804-1872) Vertreter der klassischen bürgerlichen deutschen Philosophie; Materialist. 346 434 441 444 494 508 543 544 Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814) Vertreter der klassischen bürgerlichen deutschen Philosophie; subjektiver Idealist. 13 71 83 103 492 Fleming, George Alexander Herausgeber der owenistischen Zeitschrift „The New Moral World" (1837-1844). 496 Fonblanque, Albany William (1793-1872) englischer Journalist, Liberaler. 588 Fourier, Frangois-Marie-Charles (1772-1837) Begründer einer Richtung des französischen utopischen Sozialismus. 108 344 482-484 487 516 Freiligrath, Ferdinand (1810-1876) revolutionärer Dichter; langjähriger Freund von Marx und Engels; Redaktionsmitglied der „Neuen Rheinischen Zeitung" (1848/1849); Mitglied des Bundes der Kommunisten; zog sich in den fünfziger Jahren von der politischen Tätigkeit zurück. 426 429 430 432 437 Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) König von Preußen (1797-1840), 197 198 341 428 446 449 452 Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) König von Preußen (1840-1861). 3 191 193 194 197 198 337 340-342 387 391-395 397 399-401 403 446-453 494
Gaertner, Constantin Friedrich von (geb. 1805) Landrat von Bernkastel seit 1832. 196 Galilei, Galileo (1564-1642) italienischer Physiker und Astronom; Verteidiger der koper
nikanischen Lehre, wurde 1633 gezwungen, dieser Lehre abzuschwören. 34 Georg I. (1660-1727) König von Großbritannien und Irland (1714-1727) und Kurfürst von Hannover (1698-1727). 559 571 Georg III. (1738-1820) König von Großbritannien und Irland (1760-1820), Kurfürst (1760-1814) und König von Hannover (1814-1820). 559 Gibson, Thomas Mibier (1806-1884) britischer Staatsmann; Anhänger des Freihandels, später Liberaler; Präsident des Board of Trade (1859-1866). 583 Girard, Philippe-Henri de (1775-1845) französischer Ingenieur; Erfinder der Flachsspinnmaschine. 562 Gladstone, William Ewart (1809-1898) britischer Staatsmann; Tory, später Peelit; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Führer der Liberalen Partei; Schatzkanzler (1852-1855 und 1859-1866) und Premierminister (1868-1874,1880-1885,1886 und 1892-1894). 471 Godwin, William (1756-1836) englischer Publizist und Schriftsteller; Rationalist; ein Begründer des Anarchismus. 567 Görres, Johann Joseph von (1776-1848) Publizist, Philologe und Historiker; führender Vertreter des politischen Katholizismus. 101 Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832). 33
338 426 431 540 542 547 Goeze, Johann Melchior (1717-1786) Theologe; Gegner der aufklärerischen Anschauungen Lessings. 169 Gottsched, Johann Christoph (1700-1766) Schriftsteller der frühen deutschen Aufklärung; Kritiker, Theoretiker und Reformer, vor allem auf dem Gebiet des Dramas. 74 Graham, Sir James Robert George of Netherby (1792-1861) britischer Staatsmann; Whig, später Peelit; Innenminister (1841-1846), Erster Lord der Admiralität (1830-1834 und 1852-1855). 469 471 579 Gregor VII. (Hildebrarid) (etwa 1020-1085) römischer Papst (1073-1085). 420 Grotius, Hugo (Huigh de Groot) (1583-1645) niederländischer Rechtsgelehrter, Sozio
löge und Staatsmann; ein Begründer der bürgerlichen Naturrechts- und Völkerrechtstheorie. 103 Grün, Anastasius (eigtl. Anton Alexander Graf vonAuersperg) (1806-1876) österreichischer Dichter; Liberaler, trat in den dreißiger Jahren gegen die feudale und katholische Reaktion auf; Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. 437 Güll, Friedrich (1812-1879) Verfasser von Kindergedichten und -Hedem. 430 Guizot,Fran(ois-Pierre-Guillaume(\787-\874) französischer Politiker und Historiker; Orleanist; Außenminister (1840-1848), 1847 zugleich Ministerpräsident; vertrat die Interessen der Finanzbourgeoisie. 122 157 Gutzkow, Karl (1811-1878) Schriftsteller und Literaturkritiker; führender Vertreter des Jungen Deutschland; Herausgeber des „Telegraph für Deutschland"; Dramaturg am Hoftheater in Dresden (1847-1850). 428 434 435 437-441
Haase, Friedrich (1808-1867) Philologe, Latinist und Gräzist. 427 Haller, Albrecht von (1708-1777) Schweizer Mediziner, Botaniker, Dichter und Publizist; trat gegen Voltaire und die Freigeisterei auf. 40 447 Haller, Carl Ludwig von (1768-1854) Schweizer Jurist und Historiker; führender Ideologe der feudal-absolutistischen Reaktion in Deutschland, ein Führer des politischen Katholizismus in der Schweiz; Enkel von Albrecht von Haller. 40 85 447 Hamilton, Thomas (1789-1842) englischer Schriftsteller. 352 354 373 Hansemann, David Justus Ludwigi 1790-1864) preußischer Politiker und Bankier; führender Repräsentant der rheinischen liberalen Bourgeoisie; 1848 Abgeordneter der preußischen konstituierenden Versammlung, preußischer Finanzminister (März bis September 1848). 190 192 Hantschke, Johann Carl Leberecht (1796-1856) Oberlehrer am Elberfelder Gymnasium, dann provisorischer Direktor; Lehrer von Engels. 427
Hargreaves, James (etwa 1745-1778) englischer Weber, Erfinder der mechanischen Spinnmaschine Jenny. 524 560 Hariri, Abu Muhammad al-Kasim Ibn Ali (1054-1122) arabischer Dichter und Philologe. 66 Hassel Verlag in Elberfeld, ging 1874 an den Verlag Adolf Langewiesche, Godesberg, über. 430 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831) Hauptvertreter der klassischen bürgerlichen deutschen Philosophie; objektiver Idealist. 9699103 149166203-213215218 221-229 231-244 246-248 250-259 261-267 269 270 272-277 279 280 283 284 286-292 294-306 308-310 312 313 316-322 326-332 354 356 366 384 405 434-439 441 443 448 492 493 495 538 545 567 Heine, Heinrich (1797-1856) Dichter; Vorkämpfer der revolutionären Demokratie; Freund der Familie Marx. 428 438-441 Heinrich IV. (1050-1106) deutscher König (1056-1106), römisch-deutscher Kaiser (1084-1106). 420 Heinrich VIII. (1491-1547) König von England (1509-1547). 37 Hennequin, Victor-Antoine (1816-1854) französischer Advokat und Publizist; Anhänger Fouriers. 107 Heraklit (Herakleitos) (etwa 540 bis etwa 480 v.u.Z.) griechischer Philosoph; Vertreter einer spontanen Dialektik. 31 103 Herbart, Johann Friedrich (1776-1841) Philosoph und Pädagoge; Professor in Königsberg und Göttingen. 444 Herder, Johann Gottfried von (1744-1803) Geschichts- und Religionsphilosoph, Dichter und Literaturkritiker; führender Theoretiker des Sturm und Drangs und Wegbereiter der deutschen Klassik. 78 Hermann, Reinhard (1806-1839) Pfarrer in Orsoy (1833-1836) und an der reformierten Kirche in Elberfeld. 423 Hermes, Karl Heinrich (1800-1856) Publizist; Redakteur der „Kölnischen Zeitung" (1842/1843), später Mitarbeiter der „Allgemeinen Preußischen Zeitung" und anderer konservativer Blätter. 87-97 104
Herschel, Sir Frederick William (1738-1822) englischer Astronom deutscher Herkunft, entdeckte u.a. 1781 den Uranus. 532 Herwegh, Georg (1817-1875) revolutionärer Dichter; seit 1842 mit Marx befreundet; Mitarbeiter an mehreren Presseorganen, darunter der „Rheinischen Zeitung"; im März/April 1848 Leiter der Deutschen Demokratischen Gesellschaft in Paris, Führer eines bald gescheiterten Freischarenzuges; danach langjähriges Exil in der Schweiz; seit 1869 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Eisenacher). 160 161 163 347 437 494 Heß, Moses (1812-1875) kleinbürgerlich-sozialistischer Publizist und Philosoph; Mitbegründer und Mitarbeiter der „Rheinischen Zeitung"; Mitte der vierziger Jahre Hauptvertreter des „wahren" Sozialismus; Mitglied des Bundes der Kommunisten, seit 1846 im Gegensatz zu Marx undEngels; seit 1863 Lassalleaner. 494 Hey, Wilhelm (1789-1854) Geistlicher; Verfasser von Gedichten und Fabeln für Kinder. 430
Hinrichs, Hermann Friedrich Wilhelm (1794 bis 1861) Professor der Philosophie; Althegelianer. 444 Hohles, Thomas (1588-1679) englischer materialistischer Philosoph; Aufklärer, Vertreter* der frühbürgerlichen Naturrechtstheorie. 103 Hoffmmn, Ernst Theodor Amadeus (1776-1822) Dichter, Musiker, Maler und Jurist; zeitweise in preußischem Staatsdienst; Hauptvertreter der deutschen Spätrömantik. 79 Hohenstaufen Kaiserdynastie in Deutschland (1138-1254). 449 Holbach, Patd-Henri-Dietrich baron d' (1723 bis 1789) französischer Philosoph, Materialist und Atheist; Aufklärer, Vertreter der revolutionären Bourgeoisie. 469 Homer (Homeros) (vermutl. 8.Jh. v.u.Z.) legendärer griechischer Dichter; gilt als Verfasser der Epen „Ilias" und „Odyssee". 80 Horaz (Quintus Horaths Flaccus^(65-8 v. u. Z.) römischer Dichter. 431 Hüffer, Anton Wilhelm Abgeordneter des
Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 74 Hülsmann, August (1822-1846) Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Elberfeld, dann Konsistorial- und Schulrat in Düsseldorf. 423 432 Hülsmann, Eduard Pfarrer in Dahle, seit 1836 in der lutherischen Gemeinde in Schwelm; Bruder von August Hülsmann. 423 Hugo, Gustav (1764-1844) Jurist; Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Göttingen; Begründer der reaktionären historischen Rechtsschule. 78-85 Harne, David (1711-1776) englischer Philosoph, Historiker und Ökonom; Begründer des neueren Agnostizismus. 83 553 Huntsman, Benjamin (1704-1776) englischer Erfinder. 564 Hutten, Ulrich Von (1488-1523) humanistischer Dichter und Publizist, Anhänger der Reformation; Teilnehmer des Ritteraufstandes 1522/1523.169 Hydames (gest. nach 480 v.u.Z.) Anfang des 5. Jh. v.u.Z. Befehlshaber persischer Truppen im kleinasiatischen Küstengebiet; 480 v.u.Z. am Zug des Xerxes gegen Griechenland beteiligt. 77
Jakob I. (1566-1625) König von England (1603-1625), als Jakob VI. seit 1567 König von Schottland. 37 Jean Paul (eigtl. Jean Paul Friedrich Richter) (1763-1825) satirischer Schriftsteller und Philosoph; kleinbürgerlicher Demokrat. 424 Jonson, Benjamin (etwa 1573-1637) englischer Dramatiker. 532 546 Jürgens Wanderprediger und Abenteurer. 419 Julian (Flavius Claudius Iulianus) (332-363) römischer Kaiser (361-363). 92 Jung, Alexander (1799-1884) Schriftsteller, Literaturhistoriker, Publizist; stand dem JungenDeutschlandnahe. 433-438 441-445 Jung-Stilling, Johann Heimich (1740-1817) Arzt, Ökonom und philosophischer Schriftsteller. 432
Kant, Immanuel (1724-1804) Begründer der klassischen bürgerlichen deutschen Philo
42 Marx/Engels, Werke, Bd. 1
sophie; subjektiver Idealist. 13 71 79 80 82 83 492 495 Karl L (1600-1649) König von England (1625-1649); während der englischen bürgerlichen Revolution hingerichtet. 51 Karl II. (1630-1685) König von England (1660-1685). 539 Karl Theodor (1724-1799) Kurfürst von der Pfalz (1733-1799) und von Bayern (1777 bis 1799). 425 Karr, Jean-Baptiste-Alphonse (1808-1890) französischer kleinbürgerlicher Schriftsteller und Publizist; Herausgeber von „Les Guepes", Mitarbeiter des „Figaro" und Begründer von „Le Journal". 157 Kaufmann, Peter (1803-1872) Staatswissenschaftler und Publizist; seit 1832 Professor in Bonn. 199 Kay-Shuttleworth, JamesPhillipps(mA-\W) englischer Arzt in einem Armendistrikt von Manchester, bürgerlicher Politiker. 396 Kepler, Johannes (1571-1630) Astronom und Mathematiker; Entdecker der Bewegungsgesetze der Planeten. 541 Klein, Julius Leopold (1810-1876) Dramatiker und Theaterkritiker. 437 Knebel, H. Direktor des Gymnasiums in Duisburg; Verfasser einer französischen Schulgrammatik. 426 Kock, Charles-Paul de (1794-1871) französischer Schriftsteller. 428 Köster, Heinrich (1807-1881) Philologe, Lehrer an der Barmer Stadtschule und der Töchterschule in Düsseldorf. 426 429 Kohl, Albert (1802-1882) Pastor an der reformierten Kirche in Elberfeld (1831-1862). 423 Kolumbus, Christoph (1451-1506) italienischer Seefahrer in spanischen Diensten; gilt als Entdecker Amerikas. 483 Kopernikus, Nikolaus (1473-1543) polnischer Astronom; Neubegründer der Theorie vom heliozentrischen Weltsystem. 71 103 Kosegarten, Wilhelm (1792-1868) Publizist; Mitarbeiter des Berliner „Politischen Wochenblattes"; seit 1855 Professor der politischen Wissenschaften in Graz; verteidigte die politischen Privilegien des Adels und die feudalständische Ordnung. 106 108 Krug, Friedrich Wilhelm (geb. 1799) Theologe, veröffentlichte eine Reihe von Gedichten, von belletristischen und autobiographischen Schriften. 432 Krummacher, Emil (1798-1886) Pfarrer in Duisburg, dann in Bonn; Sohn von Friedrich Adolf Krummacher. 424 Krummacher, Friedrich Adolf (1767-1845) Pfarrer in Bremen (1824-1843); Parabeldichter. 420 Krummacher, Friedrich Wilhelm (1796-1868) reformierter Pastor; Haupt der Wuppertaler Pietisten; ältester Sohn von Friedrich Adolf Krummacher. 420-424 446 Krummacher, Gottfried Daniel (1774-1837) Pfarrer in Elberfeld; Bruder von Friedrich Adolf Krummacher. 420 Kruse, Karl Adolf Bernhard (1807-1873) Lehrer für Französisch, Geschichte und Geographie an der Elberfelder Realschule. 427 Kühne, Gustav (1806-1888) Schriftsteller und Kritiker; Vertreter des Jungen Deutschland. 437-439 441 Lamennais (La Metmais), Felicite-Robert de (1782-1854) französischer Abbe, Publizist; Ideologe des christlichen Sozialismus. 487 Lange, Joachim (1670-1744) pietistischer Theologe; seit 1709 Professor in Halle. 103 Langewiesche, Wilhelm (1807-1872) Buchhändler in Barmen, Schriftsteller. 430 Laube, Heinrich (1806-1884) Schriftsteller und Literaturkritiker; schloß sich dem Jungen Deutschland an; Verfasser zahlreicher Dramen; Direktor des Hofburgtheaters in Wien (1849-1867). 434 435 437-441 Lavoisier, Antoine-Laurent (1743-1794) französischer Chemiker, ein Begründer der modernen Chemie. 551 Law, John, ofLauriston (1671-1729) schottischer Ökonom und Finanzier; Generalkontrolleur der Finanzen in Frankreich (1719/ 1720); bekannt durch seine Spekulationen bei der Herausgabe von Papiergeld. 38 Leibniz, Gottfried Wilhelm Freiherr von (1646 bis 1716) idealistisch-rationalistischer Phi
losoph; universaler Gelehrter, Aufklärer. 92 492 Lenau, Nikolaus (eigtl. Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau) (1802 bis 1850) österreichischer Dichter. 437 Lensing, Gisbert (1783-1856) Kanonikus in Emmerich; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag; 1848 Abgeordneter der preußischen konstituierenden Versammlung (rechter Flügel), Vizepräsident der preußischen Zweiten Kammer. 124 Leo, Heinrich (1799-1878) Historiker und Publizist; Ideologe des preußischen Junkertums. 85 441 444 446 451 Leroux, Pierre (1797-1871) französischer Publizist; utopischer Sozialist, Mitbegründer des christlichen Sozialismus. 108 487 488 Lessing,Gotthold Ephraim (1729-1781) Schriftsteller der deutschen Aufklärung, Kritiker, Dramatiker und Literaturhistoriker. 74 169 Lewald, August (1792-1871) Dramaturg und Novellist; stand dem Jungen Deutschland nahe. 430 Liebig, Justus Freiherr von (1803-1873) Chemiker; Mitbegründer der Agrikulturchemie. 509 521 Lieth, Ludwig Theodor (1776-1850) Lehrer; Verfasser von Kindergedichten. 430 Linne, Carl von (1707-1778) schwedischer Naturforscher; Begründer eines Systems zur Klassifizierung von Pflanzen und Tieren. 551 List, Friedrich (1789-1846) Ökonom; Verteidiger des Schutzzollsystems. 382 502 Locke, John (1632-1704) englischer Ökonom und Philosoph; Begründer des materialistischen Sensualismus, Aufklärer, Vertreter der Naturrechtstheorie. 559 570 Loe, Carl Friedrich Graf von (gest. 1849) Gutsbesitzer in Wyssen; Abgeordneter des Standes der Ritterschaft auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 55 135 Loe, Johann van der Gutsbesitzer in Uedem; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 120 Loe, Maximilian Freiherr von (1801-1850)
Landrat in Allner; Führer der katholischen Adelspartei und der rheinischen Autonomen; Abgeordneter des Standes der Ritterschaft auf dem Rheinischen Provinziallandtag; 1848 Abgeordneter der preußischen konstituierenden Versammlung (rechter Flügel). 41-57 61 63-65 110 136 138 Lolme, Jean-Louis de siehe Delolme, Jean-Louis Louis-Philippe, duc d'Orleans (1773-1850) König der Franzosen (1830-1848). 446 479 Lucian (Lu\ianos) (etwa 120 bis nach 180) griechischer Sophist und Satiriker. 86 87 92 382 Lucretius (Titus Lucretius Carus) (etwa 96-55 v.u.Z.) römischer Dichter und materialistischer Philosoph; Vertreter der epikureischen Atomistik. 92 Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich (1643-1715). 38 Luther, Martin (1483-1546) Theologe; Begründer des Protestantismus und Wortführer der gemäßigten Richtung in der deutschen frühbürgerlichen Revolution. 71 169 171 386 424 488 489 503
MacAdam, John London (1756-1836) schottischer Ingenieur, Straßeninspektor, Spezialist für Landstraßenbaü. 565 MacCulloch, John Ramsay (1789-1864) britischer Ökonom und Statistiker; vulgarisierte die Lehre Ricardos. 396 501 505 Machiavelli, Niccolo (1469-1527) italienischer frühbürgerlicher Politiker, Historiker und Schriftsteller; Kritiker der feudalen politischen Zustände, begründete die Notwendigkeit eines weltlichen Staates. 57 103 446 Malebranche, Nicolas de (1638-1715) französischer Philosoph; objektiver Idealist. 92 Malthus, Thomas Robert (1766-1834) englischer Geistlicher und Ökonom; Hauptvertreter der Theorie von der Übervölkerung. 398 469 500 518-521 Marcus (Pseudonym) englischer Ökonom Ende der dreißiger Jahre des ^.Jahrhunderts; Anhänger von Malthus. 518 Maria die Katholische (1516-1558) Königin von England (1553-1558). 37
Marius, Gaius (156-86 v. u. Z.) römischer Feldherr und Politiker. 571 Marryat, Frederick (1792-1848) englischer Schriftsteller, Seemann; Verfasser von Abenteuerromanen. 428 Martin du Nord, Nicolas-Ferdinand-MarieLouis-Joseph (1790-1847) französischer Advokat und Politiker; seit 1840 Minister für Justiz und Kultus; Vertreter der Finanzbourgeoisie. 350 Marx, Karl (1818-1883). 337 338 343 494 498 M'Douall (McDouall), Peter Murray (1814 bis 1854) englischer Arzt; Chartistenführer. 107 Mengelbier, Theodor (1798-1881) Offizier, dann Rechnungsrat und königlicher Steuerempfänger in Blankenheim; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 130 Merkens, Heinrich (1778-1854) Kaufmann und Bankier in Köln; seit 1816 Präsident der Kölner Handelskammer; Abgeordneter des Standes der Städte auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 67 68 70 71 74 Meyen, Eduard (1812-1870) Publizist; Junghegelianer; kleinbürgerlicher Demokrat, später Nationalliberaler. 445 Mill, James (1773-1836) englischer Philosoph, Historiker und Ökonom. 501 567 Mirabeau, Honore-Gabriel-Victor Riqueti, comte de (1749-1791) Führer des oppositionellen Adels und der Großbourgeoisie während der Französischen Revolution. 35 104 Montaigne, Michel Eyquem de (1533-1592) französischer humanistischer Schriftsteller und Philosoph; Skeptiker. 80 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, baron de la Bride et de (1689-1755) französischer Philosoph, Soziologe und Schriftsteller; Aufklärer; Begründer der bürgerlichen Rechtstheorie. 57 103 104112 203 340 Morrison, James (1770-1840) englischer Kaufmann, erwarb sich durch den Verkauf der sog. Morrison-Pillen ein großes Vermögen, 538 548 Mosen, Julius (1803-1867) Advokat und Schriftsteller; näherte sich unter dem Einfluß der französischen Julirevolution 1830 dem Jungen Deutschland. 430 437 Münzer (Müntzer) Thomas (etwa 1490-1525) revolutionärer Prediger, Führer und Ideologe des bäuerlich-plebejischen Lagers während der Reformation und des Bauernkrieges. 375 489 Mündt, Theodor (1808-1861) Schriftsteller und Literaturhistoriker des Jungen Deutschland; Privatdozent für Literatur und Geschichte in Berlin und Breslau. 428 434 435 437-441 497498 Napoleon I. Bonaparte (1769-1821)Kaiserder Franzosen (1804—1814 und 1815). 38 95 104 129 339 340 399 400 403 481 554 Nestroy, Johann Nepomuk (1801-1862) österreichischer Dramatiker; Verfasser populärer Singspiele und Schwanke. 428 Newton, Sir Isaac (1643-1727) englischer Physiker, Astronom und Mathematiker; Begründer der klassischen Physik. 92 541 551 559 Nikolaus I. (1796-1855) Zar von Rußland (1825-1855). 342 446 Noailles du Gard, Jacques-Barthelemy (1758 bis 1828) französischer Politiker, Mitglied des Gesetzgebenden Körpers (1807-1815). 399 Nösselt, Friedrich August (1781-1850) Pädagoge; Verfasser von Lehrbüchern für Geschichte, Geographie und deutsche Literatur. 426 Oastier, Richard (1789-1861) britischer Politiker und Sozialreformer; Tory; trat im Kampf gegen die Freihandelsbourgeoisie für die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages ein. 528 Oberhoven, Johann Musiker aus Bernkastel. 196 O'Connell, Daniel (1775-1847) irischer Advokat und Politiker; Führer des rechten liberalen Flügels der nationalen Befreiungsbewegung. 468 477-479 584 585 O'Connor, Feargus Edward (1794-1855) ein Führer der Chartistenbewegung, nach 1848 Vertreter ihres rechten Flügels; Gründer
und Herausgeber von „TheNorthern Star"; zog sich 1852 vom politischen Leben zurück. 468 471 472 Ofen (eigtl. Ockenfuß), Lorenz (1779-1851) Naturforscher, idealistischer Naturphilosoph.30 Owen, Robert (1771-1858) englischer utopischer Sozialist. 475 486 487
Paine, Thomas (1737-1809) englisch-amerikanischer Publizist; Republikaner; Teilnehmer am Unabhängigkeitskrieg der USA; wurde 1792 französischer Bürger und in den Konvent gewählt; 1802 Rückkehr in die USA. 476 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761-1851) Theologe. 422 Peel, Sir Robert (1788-1850) britischer Staatsmann und Ökonom; Führer der gemäßigten Tories; Innenminister (1822-1827 und 1828-1830) undPremierminister (1834/1835 und 1841-1846). 462 463 466 471 478 479 526 571 Perikles (etwa 495-429 v.u.Z.) athenischer Staatsmann. 77 91 Peter /., der Große (1672-1725) Zar von Rußland (1682-1725). 14 Petrarca, Francesco (1304-1374) italienischer Dichter der Renaissance. 431 Philipp II. (1527-1598) König von Spanien (1555-1598). 142 Philippe II., duc d'Orlians (1674-1723) Regent von Frankreich (1715-1723). 38 80 Pindar (Pindaros) (etwa 518 bis etwa442v.u. Z.) griechischer Chorlyriker. 428 Pius VII. (1740-1823) römischer Papst (1800 bis 1823). 101 Platen, August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde) (1796-1835) Dichter. 430 Plato (Piaton) (427-347 v.u.Z.) griechischer Philosoph; Vertreter des objektiven Idealismus. 108 262 Pol, Johann (1807-1838) Pastor in Heedfeld bei Iserlohn; Verfasser religiöser Gedichte. 431 Pompejus (Gnaeus Pompeius Magnus) (106-48 v.u.Z.) römischer Staatsmann und Feldherr. 20 31
Porter, George Richardson (1792-1852) englischer Ökonom und Statistiker. 566 Priestiey, Joseph (1733-1804) englischer Chemiker, materialistischer Philosoph und fortschrittlicher Politiker; entdeckte 1774 den Sauerstoff. 551 Proudhon, Pierre-Joseph (1809-1865) französischer Schriftsteller, Soziologe und Ökonom; Ideologe des Kleinbürgertums; ein theoretischer Begründer des Anarchismus. 108 344 405 488 Ptolemäus (Claudius Ptolemaeus) (etwa 90 bis etwa 160) griechischer Astronom, Astrologe, Mathematiker und Geograph. 71 Püchjer-Muskau, Hermann Ludwig Heinrich Fürst von (1785-1871) Schriftsteller und Landschaftsgestalter. 437 438 Püttmann, Hermann (1811-1894) radikaler Dichter und Journalist; Mitte der vierziger Jahre ein Hauptvertreter des „wahren" Sozialismus; ging später nach Australien. 430 Pythagoras (etwa 580 bis nach 500 v.u.Z.) griechischer Mathematiker und Philosoph. 30
Radewell, Friedrich Schriftsteller. 441 Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781 bis 1873) Professor für Geschichte an den Universitäten Breslau und Berlin; 1848 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung (rechtes Zentrum). 570 Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669) niederländischer Maler. 67 Ricardo, David (1772-1823) englischer Ökonom; sein Werk bildet den Höhepunkt der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie. 396 501 505 509 Richardson, Samuel (1689-1761) englischer Schriftsteller; Verfasser sentimentaler Sittenromane. 80 Richter, Heinrich (1800-1847) Inspektor der rheinischen Missionsgesellschaft und des Missionshauses in Bannen. 425 Robespierre, Augustin-Bon-Joseph de (1763 bis 1794) Politiker der Französischen Revolution, Jakobiner; Bruder von Maximilien Robespierre. 367
Robespierre, Maximilien-Fran(ois-Marie-Isidore de (1758-1794) Führer der Jakobiner in der Französischen Revolution; stand 1793/1794 an der Spitze der revolutionären Regierung. 14 402 554 571 Rochow, Gustav Adolf Rochus von (1792-1847) preußischer Politiker; Innenminister (1834 bis 1842); 1843 Präsident des Staatsrats, 1847 Landtagsmarschall des Vereinigten Landtags. 452 Rosenkranz, Johann Karl Friedrich (1805 bis 1879) Philosoph und Literaturkritiker; Hegelianer. 433 Rousseau, Jean-Jacques (1712-1778) französischer Schriftsteller und Philosoph; ein führender Vertreter der Aufklärung; Wortführer der Interessen der revolutionären kleinbürgerlichen Schichten vor der Französischen Revolution. 80 103 104 370 469 476 Roux-Lavergne, Pierre-Celestin (1802-1874) französischer Historiker und idealistischer Philosoph. 367 Rückert, Friedrich (1788-1866) spätromantischer Dichter; Ubersetzer orientalischer Poesie. 430 Rüge, Arnold (1802-1880) Publizist; Junghegelianer; 1844 mit Marx Herausgeber der „Deutsch-Französischen Jahrbücher"; trat seit 1844 gegen Marx auf; 1848 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung (linker Flügel), in den fünfziger Jahren ein Führer der deutschen kleinbürgerlichen Emigration in England, nach 1866 Nationalliberaler. 337-346 392-409 444 494 498 Runkel, Martin (geb. 1807) Publizist; Redakteur der „Elberfelder Zeitung" (1839 bis 1843). 429 Russell, John, Earl of (1792-1878) britischer Staatsmann; Führer der Whigs; Premierminister (1846-1852 und 1865/1866) und Außenminister (1852/1853 und 1859 bis 1865). 462 463 466 526 582 Rynsch, Freiherr von Gutsbesitzer in Winkel (Rhein); Abgeordneter des Standes der Ritterschaft auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 143 Saint-Simon, Claude-Henri de Rouvroy, comte de (1760-1825) Begründer einer Schule des französischen utopischen Sozialismus. 482 484 487 Salm-Reifferscheid-Dyck, Josef Fürst zu (1773 bis 1861) Abgeordneter des Fürstenstandes auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 71 75 76 1 24 125 Sand, George (eigtl. Amandine-Lucie-Aurore Dupin, baronneDudevant) (1804-1876)französische Schriftstellerin; Verfasserin mehrerer Romane über soziale Themen; Vertreterin der demokratischen Strömung in der Romantik. 435 487 497 Sander, Immanuel Friedrich (1797-1859) Pastor in Elberfeld; Pietist. 423 424 432 Savigny, Friedrich Carl von (1779-1861) preußischer Rechtswissenschaftler, Philologe und Politiker; führender Repräsentant der historischen Rechtsschule, Minister für die Revision der preußischen Gesetzgebung (1842 bis März 1848). 79 84 Say, Jean-Baptisie (1767-1832) französischer Ökonom. 505 506 508 Schaper, Justus Wilhelm Eduard von (1792 bis 1868) preußischer Politiker; Regierungspräsident in Trier (1837-1842), Oberpräsident der Rheinprovinz (1842-1845) und Oberpräsident von Westfalen (1845-1846). 173-177 199 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von (1775 bis 1854) Vertreter der klassischen bürgerlichen deutschen Philosophie; nach 1810 Vertreter einer mystischen „Offenbarungsphilosophie". 99 441-444 492 543 Schifflin,PhilippOber]ehrer für neue Sprachen an der Barmer Stadtschule. 426 Schiller, Friedrich von (1759-1805). 6 32 424 Schlegel, August Wilhelm von (1767-1845) Dichter, Ubersetzer und Literaturhistoriker, bekannt durch seine Ubersetzungen von Shakespeares Werken. 432 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768 bis 1834) protestantischer Theologe; verband Theologie und idealistische Philosophie. 441 Schuchard, Johann Kaufmann in Barmen; Abgeordneter des Standes der Städte auf dem
Rheinischen Provinziallandtag. 65-68 70 126 Schwan, Jacob Bürgermeisterin Bernkastel. 198 Sealsfield, Charles (eigtl. Karl Anton Postl) (1793-1864) österreichischer realistischer Schriftsteller und Publizist; Demokrat. 443 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of (1801-1885) britischer Politiker; Tory, seit 1847 Whig; in den vierziger Jahren Führer der aristokratisch-philanthropischen Bewegung für die Zehnstundenbill. 528 Shakespeare, William (1564-1616). 547 Shelley, Percy Bysshe (1792-1822) englischer Dichter, Vertreter der revolutionären Romantik; Atheist. 469 476 Sieyes, Emmanuel-Joseph, comte de (1748 bis 1836) französischer Abb6 und Politiker; begründete den Führungsanspruch der Bourgeoisie in der Französischen Revolution. 65 106 Smith, Adam (1723-1790) englischer Ökonom; Vertreter der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie. 469 501 503 504 510 551 566 567 Sokrates (etwa 470-399 v.u.Z.) griechischer Philosoph, dessen Lehre Ausgangspunkt mehrerer philosophischer Schulen wurde.
91 Solms-Hohensolms-Lich, Fürst zu Abgeordneter des Fürstenstandes auf demRheinischen Provinziallandtag. 76 Solms-Laubach, Reinhard Graf zu Abgeordneter des Fürstenstandes auf demRheinischen Provinziallandtag. 34-41 48 Solon (etwa 640-560 v.u.Z.) athenischer Staatsmann und Dichter; galt in der Antike als einer der sieben Weisen. 73 Southwell, Charles (1814-1860) englischer utopischer Sozialist, Anhänger Robert Owens. 474 475 Sperthias (5.Jh. v.u.Z.) Spartaner. 77 Spinoza, Benedictas (1632-1677) niederländischer materialistisch-pantheistischer Philosoph. 6 13 103 Stahl, Friedrich Julius (1802-1861) preußischer Rechtsphilosoph und Politiker; 1840 Professor an der Universität Berlin; Anhänger der absoluten Monarchie. 85
Stein, Lorenz von (1815-1890) Historiker und Ökonom; Hegelianer; Professor der Philosophie und des Staatsrechts. 477 Steinhaus, Johann Friedrich Verlag, Buchhandlung und Druckerei in Barmen. 430 Stier, Ewald Rudolf (1800-1862) protestantischer Theologe und Schriftsteller. 424 Stillini! siehe Jung-Stilling, Johann Heinrich Strauß, David Friedrich (1808-1874) Philosoph und Publizist; Schüler Hegels; seine historische Bibelkritik bildete die theoretische Grundlage des Junghegelianismus; nach 1866 Nationalliberaler. 100 422 434 435 441 444 469 493 527 528 543 Stuarts Königsdynastie in Schottland (1371 bis 1714) und in England (1603-1649 und 1660-1714). 337 Sue, Eugene (1804— 1857) französischer Schriftsteller; Verfasser sentimentaler Romane über soziale Themen. 497 Sulla (Lucius Cornelius Sulla) (138-78 v. u.Z.) römischer Feldherr und Staatsmann; 88 v.u.Z. Konsul, Diktator (82-79 v.u.Z.). 571
Tacitus (Publius Cornelius Tacitus) (etwa 55 bis etwa 120) römischer Historiker. 27 423 Tertullian (Quintus Septimus Florens Tertullianus) (etwa 160 bis nach 220) christlicher Schriftsteller; ließ die Philosophie nur in Ubereinstimmung mit dem christlichen Glauben gelten. 92 Thaies aus Milet (etwa 624-546 v.u.Z.) griechischer Philosoph, Mathematiker und Astronom;Begründer der ionischen Schule; in der Antike einer der sieben Weisen. 94 Thiers, Marie-Joseph-Louis-Adolphe (1797 bis 1877) französischer Politiker und Historiker; Orleanist; mehrfach Minister (1832 bis 1834), Ministerpräsident (1836 und 1840), Präsident der Dritten Republik (1871 bis 1873); leitete die Niederschlagung der Pariser Kommune. 157 Thompson, Thomas Perronet (1783-1869) britischer Politiker und Vulgärökonom; Anhänger des Freihandels. 510 Tocqueville, Charles-Alexis-Hertri-Maurice Clerel de (1805-1859) französischer Histori
ker und Politiker; Legitimist und Anhänger der konstitutionellen Monarchie. 352 Toohe, John Hörne (1736-1812) britischer Politiker; Radikaler. 567 Trips, Eduard Bergh, Graf von Abgeordneter aus Düsseldorf für den Stand der Ritterschaft auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 110 135 136 Tromlitz, August von (eigtl. Karl August Friedrich von Witzleben) (1773-1839) Schriftsteller; Verfasser historischer Romane. 428
Ugolino della Gherardesca (gest. 1289) Haupt der ghibellinischen Partei in Pisa; 1288 mit zwei Söhnen und zwei Neffen von Erzbischof Ubaldini gefangengenommen, starb im Turm von Gualandi (seitdem Hungerturm) den Hungertod. 529 534 Uhland, Ludwig (1787-1862) spätromantischer Dichter, Publizist und Literaturforscher; liberaler Politiker; 1848/1849 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung (linkes Zentrum). 429 Ure, Andrew (1778-1857) englischer Chemiker und Ökonom; Anhänger des Freihandels. 524
Valdenaire, Nikolaus (1772-1849) liberaler Gutsbesitzer und Politiker; Abgeordneter des Standes der Landgemeinden auf dem Rheinischen Provinziallandtag; Teilnehmer der Revolution 1848/49. 197 198 Vanini, Lucilio (Julius Cäsar Vanini) (1584 bis 1619) italienischer katholischer Priester und Philosoph; wurde wegen seiner pantheistischen Naturphilosophie als Ketzer verbrannt. 164 Varnhagen von Ense, Karl August (1785-1858) liberaler Schriftsteller und Literaturkritiker. 438 Victoria (1819-1901) Königin von Großbritannien und Irland (1837-1901). 446 Vidocq, Franqois-Eugene (1775-1857) französischer Verbrecher, später Chef der Pariser Sicherheitspolizei; sein Name wurde zum Inbegriff für die Charakteristik eines geschickten Häschers und Spitzbuben. 104
Voltaire (eigtl. Franfois-Marie Arouet) (1694 bis 1778) französischer deistischer Philosoph, Historiker und Schriftsteller; Hauptvertreter der Aufklärung. 8 40 74 80 104 164 426 469 476 Voß, Johann Heinrich (1751-1826) Dichter und Philologe, übersetzte Homer, Virgil und andere Dichter der Antike. 432
Wade, John (1788-1875) englischer Publizist, Ökonom und Historiker. 514 522 586 588 Walter, John (1776-1847) britischer Politiker, Tory. 528 Watt, James (1736-1819) schottischer Erfinder, Konstrukteur einer wesentlich verbesserten Dampfmaschine. 509 559 560 563 Watts, John (1818-1887) englischer Publizist; utopischer Sozialist, Anhänger Robert Owens, später Liberaler und Apologet des Kapitalismus. 474 475 477 487 Wedgwood, Josiah (1730-1795) englischer Fabrikant; Begründer der modernen Toriwarenindustrie in England. 560 Weitling, Wilhelm (1808-1871) Schneidergeselle; führendes Mitglied des Bundes der Gerechten; erster deutscher Theoretiker und Agitator des utopischen Kommunismus; emigrierte 1849 in die USA; näherte sich am Ende seines Lebens der Internationalen Arbeiterassoziation. 344 404 405 490 bis 492 Wellington, Arthur Wellesley, Duke of (1769 bis 1852) britischer Feldherr und Staatsmann; Tory; befehligte die englischenTruppen in den Kriegen gegen Napoleon I. (1808-1814 und 1815); Premierminister (1828-1830) und Außenminister (1834/ 1835). 526 Wergifosse, Cornelius Leonard Joseph (1796 oder 1797-1847) Gutsbesitzer in Düren und Kaufmann in Aachen; Abgeordneter des Standes der Ritterschaft auf dem Rheinischen Provinziallandtag. 142 Wienbarg, Ludolf (1802-1872) Schriftsteller und Kritiker; Vertreter des Jungen Deutschland. 435 437-440 Winkler, J.Ch.F. Missionar in Ostindien; war später in Barmen literarisch tätig. 425
Winkler, Karl Gottfried Theodot (Pseudonym Theodor Hell) (1775-1856) kleinbürgerlicher Schriftsteller und Ubersetzer, Herausgeber der „Abend-Zeitung". 36 Wölfl, Christian, (seit 1745) Freiherr von (1679 bis 1754) Philosoph und Mathematiker; Anhänger des aufgeklärten Absolutismus und der Naturrechtstheorie. 103 104 Wülfing, Friedrich Ludwig (geb. 1807) Dichter. 431 Zöpfl, Heinrich Matthias (1807-1877) Jurist, Staatsrechtler. 339 Zuccalmaglio, Ferdinand Maria Joseph von (1790-1844) preußischer Steuerinspektor, Vorsteher des Katasterbüros von Trier. 178-180 182 187 Zuccalmaglio, Vincenz Jakob von (Pseudonym Montanus) (1806-1876) Dichter und Sagenforscher. 431
Verzeichnis literarischer und mythologischer Namen
Adam Gestalt aus dem Alten Testament. 17 65 74 536 Aphrodite griechische Göttin der Liebe und Schönheit. 431 Apollo griechischer Gott des Lichts, auch dem Sonnengott Helios gleichgesetzt; Orakelgott von Delphi; Beschützer des geistigen Lebens und der Künste, Herr der Musen. 16 68 530 Aschenbrödel Gestalt des deutschen Volksmärchens. 405 Athene griechische Göttin der Weisheit und der Künste; Schutzherrin Athens. 20 68 431 Attila Titelgestalt der Ballade „Attila an der Marne" von Johann Pol. 431
Beelzebub Gottheit der Philister; im Neuen Testament oberster Teufel. 537 Behemoth im Alten Testament ein Nil- oder Flußpferd. 531 Belial bei den Hebräern der böse Geist, der Teufel. 537
Christopherus trug nach einer mittelalterlichen Legende Jesus Christus in Gestalt eines Kindes durch einen Fluß und wurde dabei von ihm getauft. 138 Christus siehe Jesus Christus Clio (Klio) in der griechischen Sage Muse der epischen Dichtung und der Geschichtsschreibung; eine der neun Musen. 431
Cornwall Gestalt aus der Tragödie „König Lear" von William Shakespeare. 96
Damokles Höfling des Königs Dionysius von Syrakus, den dieser über die Unbeständigkeit des Glücks belehrte, indem er ihn an einer üppigen Tafel schwelgen ließ, während über seinem Haupt an einem Pferdehaar ein scharfes Schwert schwebte. 583 David Gestalt aus dem Alten Testament. 432 Dulcinea Gestalt aus dem Roman „Don Quijote" von Cervantes. 431
Gaddo Gestalt aus der „Göttlichen Komödie" von Dante. 529 Godegisel Gestalt aus der Ballade „Attila an der Marne" von Johann Pol. 432 Gott Israels siehe Jehova Graciano (Gratiano) Gestalt aus der Komödie „Der Kaufmann von Venedig" von William Shakespeare. 141
Hermes griechischer Gott des Handels und Verkehrs. 87 Hermes Gestalt aus den „Göttergesprächen" des Lukian. 87 Hulda Gestalt aus dem Alten Testament. 159 Humanus Gestalt aus dem Gedicht „Die Geheimnisse" von Johann Wolfgang von Goethe. 115
]anus römischer Gott des Anfangs und des Endes, dargestellt mit zwei Gesichtern. 292 Jehova israelitisch-jüdischer Gottesname. 101 374 380 Jesus Christus. 83 354 372 423 469 489 493 527 545 Johannes Baptista siehe Johannes der Täufer Johannes der Täufer jüdischer Bußprediger; erscheint im Neuen Testament als Wegbereiter von Jesus Christus. 438 Josua Gestalt aus dem Alten Testament. 103 Jupiter höchster römischer Gott; Beherrscher des Himmels. 6 87
Laokoon Priester in Troja; warnte vor dem Trojanischen Pferd und wurde dafür mit seinen Söhnen von den Göttern durch Schlangen getötet. 373 Lear Titelgestalt aus der Tragödie „König Lear" von William Shakespeare. 96 Leviathan im Alten Testament sagenhaftes Meeresungeheuer. 99
Maja Gestalt aus den „Göttergesprächen" des Lukian. 87 Maria Gestalt aus dem Neuen Testament. 67 235 Medusa in der griechischen Sage ein Ungeheuer; wer sie ansah, erstarrte zu Stein. 513 Messias nach dem Alten Testament der von den Juden erwartete Erlöser; nach dem Neuen Testament Jesus Christus. 441 Michel Beiname des Deutschen, der im Mittelalter aufkam; dem „deutschen Michel" wird Schwerfälligkeit, Einfältigkeit und Schlappheit nachgesagt. 526 Midas in der griechischen Sage König von Phrygien. 529 530 Moses Gestalt aus dem Alten Testament. 80 377 380
Pallas Athene siehe Athene Pan griechischer Gott der Hirten und Herden. 87 Papageno Gestalt aus der Oper „Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart. 78 Patkul Titelgestalt aus der Tragödie „Patkul" von Karl Gutzkow. 440
Paulus Gestalt aus dem Neuen Testament. 101 Pluto griechischer Gott der Unterwelt. 87 Porcia Gestalt aus der Komödie „Der Kaufmann von Venedig" von William Shakespeare. 141 Prinz Eugen Titelgestalt aus dem Gedicht .Prinz Eugen" von Ferdinand Freiligrath. 429 Prometheus Gestalt aus der Tragödie „Der gefesselte Prometheus" von Aschylus. 382
Sancho Pansa Gestalt aus dem Roman „Don Quijote" von Cervantes. 18 Sassafras Gestalt aus dem Gedicht „Der neue Amadis" von Christoph Martin Wieland. 17 Schnock Gestalt aus der Komödie „Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare. 292 Shylock Gestalt aus der Komödie „Der Kaufmann von Venedig" von William Shakespeare. 121 141 380 Snewittchen Gestalt des deutschen Volksmärchens. 429 Sphinx in der griechischen Sage ein Ungeheuer mit Kopf und Brust einer Frau und geflügeltem Löwenleib; sie verschlang jeden, der ihr Rätsel nicht lösen konnte, 530 531
Tristram Shandy Titelgestalt aus dem Roman „The Iife and opinions of Tristram Shandy, gentleman" von Laurence Sterne. 7
Ugolino Gestalt aus der „Göttlichen Komödie" von Dante. 529 534 Unkenhönitfin Gestalt des deutschen Volksmärchens. 429
Venus römische Göttin der Liebe und Schönheit. 424 444
Werner Titelgestalt aus dem Schauspiel „Werner, oder Herz und Welt" von Karl Gutzkow. 440
Zeus höchster griechischer Gott. 68 98
Inhalt
Vorwort ... IX
Karl Marx (1842-1844)
Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion. Von einem Rheinländer 3 Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Erster Artikel: Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen 28 Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule 78 Der leitende Artikel in Nr. 179 der „Kölnischen Zeitung" 86 Der Kommunismus und die Augsburger „Allgemeine Zeitung" 105 Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Dritter Artikel: Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz 109 Der Ehescheidungsgesetzentwurf 148 Das Verbot der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" 152 Das Verbot der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" für den preußischen Staat 152 Die „Kölnische Zeitung" und das Verbot der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" ... 154 Die gute und die schlechte Presse 155 Replik auf den Angriff eines „gemäßigten" Blattes 156 Replik auf die Denunziation eines „benachbarten" Blattes 159 Die Denunziation der „Kölnischen" und die Polemik der „Rhein- und MoselZeitung" 162 Die „Rhein- und Mosel-Zeitung" 169 Rechtfertigung des f t-Korrespondenten von der Mosel 172 Erklärung 200 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 201 Kritik des Hegeischen Staatsrechts (§§ 261-313) 203 Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" 337 Zur Judenfrage 347
Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung 378 Kritische Randglossen zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen" 392
Friedrich Engels (1839-1844)
Briefe aus dem Wuppertal 413 Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen 433 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 446 Englische Ansicht über die innern Krisen 454 Die innern Krisen 456 Stellung der politischen Partei 461 Lage der arbeitenden Klasse in England 464 Die Korngesetze 466 Briefe aus London (I-IV) .468 Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent 480 Bewegungen auf dem Kontinent 497 Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie 499 Die Lage Englands. „Past and Present" by Thomas Carlyle 525 Die Lage Englands. I. Das achtzehnte Jahrhundert 550 Die Lage Englands. II. Die englische Konstitution 569
Anhang und Register
Anmerkungen 595 Literaturverzeichnis ..618 A. Verzeichnis der zitierten und erwähnten Werke und Schriften von Marx und Engels 618 B. Verzeichnis der zitierten und erwähnten Arbeiten anderer Autoren . . 619 I. Werke und Schriften 619 II. Periodica ...627 C. Verzeichnis erwähnter Zeitschriften und Zeitungen 628 Karl Marx - Daten seines Lebens und seiner Tätigkeit (1818 bis August 1844) 633 Friedrich Engels - Daten seines Lebens und seiner Tätigkeit (1820 bis August 1844)... 638 Personenverzeichnis 641 Verzeichnis literarischer und mythologischer Namen 655
Illustrationen
Karl Marx (Porträt, 1872) V Friedrich Engels (Porträt, Ende der siebziger Jahre) ..VII Titelseite der 1851 von Hermann Becker herausgegebenen „Gesammelten Aufsätze von Karl Marx", Heft 1 25 Erste Seite der „Rheinischen Zeitung" Nr.289 vom 16.0ktober 1842 mit dem Beginn des Artikels „Der Kommunismus und die Augsburger .Allgemeine Zeitung'" von Kar] Marx gegenüber S. 106 Seite aus Marx' Handschrift „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" . 219 Umschlagseite der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" 335 Seite der Zeitschrift „Telegraph für Deutschland" mit dem Anfang der „Briefe aus dem Wuppertal" von Friedrich Engels 415 Erste Seite des „Vorwärts!" Nr.70 vom 31.August 1844 mit dem Beginn des Artikels „Die Lage Englands. Das achtzehnte Jahrhundert" von Friedrich Engels gegenüber S. 554
Leitung der Editionsarbeiten: Erich Kundel • Roland Nietzold • Richard Sperl Hildegard Scheibler Editorische Bearbeitung der überarbeiteten Auflage: Anni Krüger Verantwortlich für die Redaktion: Waltraud Bergemann • Gisela Schmitt
Mit 2 Abbildungen, 2 Bildbeilagen und 4 Faksimiles 13«, überarbeitete Auflage 1981 Lizenznummer I • LSV 0046 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: Offizin Andersen Nexö, Graphischer Großbetrieb, Leipzig III/18/38 Best.-Nr.: 7350550 DDR 10,00 M

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