KARL MARX FRIEDRICH ENGELS BAND 29

KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS
WERKE-BAND 29
INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER SED
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WERKE
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DIETZ VERLAG BERLIN
1978
KARL MARX
FRIEDRICH ENGELS
BAND 29
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DIETZ VERLAG BERLIN
Die deutsche Ausgabe der Werke von Marx und Engels fußt auf der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten zweiten russischen Ausgabe.
Die Texte werden nach den Handschriften bzw. nach deren Photokopien gebracht. Wiedergabe nach Sekundärquellen wird besonders vermerkt.
Vorwort
Der neunundzwanzigste Band der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels enthält ihre Briefe aus den Jahren 1856 bis 1859. Die Periode, in die der in diesen Band aufgenommene Briefwechsel fällt, beendete das Jahrzehnt politischer Reaktion, die in Europa nach der Niederlage der Revolutionen von 1848/49 eingesetzt hatte. Im Jahre 1859 begann ein Aufschwung der proletarischen und demokratischen Bewegung und des nationalen Befreiungskampfes der unterdrückten Völker. In diesen Jahren, wie während der ganzen Periode der Reaktion, war die revolutionäre Publizistik für Marx und Engels das wichtigste Mittel, um die Verbindung zur proletarischen Bewegung aufrechtzuerhalten. Sie benutzten ihre publizistische Tätigkeit, um das Proletariat zum Klassenbewußtsein zu erziehen, ihm die Grundlagen der proletarischen Strategie und Taktik und die bevorstehenden Aufgaben zu erläutern. Ihre Hauptarbeit in dieser Periode galt jedoch der Weiterentwicklung der revolutionären Theorie. Vor allem war es notwendig, eine geschlossene ökonomische Lehre des Marxismus zu schaffen. Von den drei Bestandteilen des Marxismus war zu jener Zeit die politische Ökonomie am wenigsten ausgearbeitet. Marx und Engeld, hielten gerade diesen Teil der Theorie des wissenschaftlichen Kommunismus für besonders wichtig. Es wurde erforderlich, das Proletariat mit dem Wissen über die objektiven Gesetze der Entstehung und Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft auszurüsten und bei ihm das Bewußtsein zu wecken, daß der Untergang der kapitalistischen Ausbeuterordnung unvermeidlich und der revolutionäre Kampf für die Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische historisch notwendig ist. Marx und Engels erwarteten mit der nächsten Wirtschaftskrise einen neuen revolutionären Aufschwung, und deshalb hielt Marx die Ausarbeitung der proletarischen politischen Ökonomie für die wichtigste parteipolitische Aufgabe.
Der unmittelbare Anlaß für Marx' intensive theoretische Arbeit auf dem Gebiet der politischen Ökonomie in den Jahren 1857/58 war die internationale Wirtschaftskrise von 1857 (siehe Marx* Briefe an Lassalle vom 21.Dezember 1857 und 22.Februar 1858). Bereits im Herbst 1856, als sich die ersten Anzeichen der Krise zeigten, ging Marx an die Systematisierung und Verallgemeinerung der ökonomischen Materialien, die er im Laufe von fünfzehn Jahren gesammelt hatte. Als die Krise im August 1857 ihren Höhepunkt erreichte, begann Marx unmittelbar mit der Ausarbeitung seiner ökonomischen Arbeit. Am 8.Dezember 1857 schrieb er an Engels: „Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner Ökonomischen Studien, damit ich wenigstens die Grundrisse im klaren habe bevor dem deluge." (Siehe vorl. Band, S.225.) Auch sein Brief an Engels vom 18.Dezember 1857 zeugt von der außerordentlich intensiven theoretischen Arbeit, die Marx bewältigte: „Ich arbeite ganz kolossal, meist bis 4 Uhr morgens. Die Arbeit ist nämlich eine doppelte: 1. Ausarbeitung der Grundzüge der Ökonomie (Es ist durchaus nötig, für das Publikum au fond der Sache zu gehn...); 2. Die jetzige Krisis." (Siehe vorl. Band, S.232.) In dieser Zeit entwarf Marx den ersten Plan seines ökonomischen Werkes, das aus sechs Büchern bestehen sollte (siehe Marx' Brief an Engels vom 2.April 1858) und schrieb ein umfangreiches Manuskript zu dem geplanten ersten Buch vom Kapital. Dieses Manuskript wurde 1939 vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in der Originalsprache unter dem Titel „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858" herausgegeben. Die Ausarbeitung des ökonomischen Manuskripts von 1857/58, das im wesentlichen den Entwurf des künftigen „Kapitals" darstellt, ist eine wichtige Etappe bei der Herausbildung der ökonomischen Lehre des Marxismus. In diesem Manuskript sind die Grundlagen der Mehrwerttheorie, der Geldtheorie, Fragen der Zirkulation des Kapitals und eine Reihe anderer wichtiger Probleme der ökonomischen Theorie des Marxismus in den wesentlichsten Zügen dargelegt. Im August 1858 begann Marx, das Manuskript des ersten Heftes, das ein Teil des ersten Buches seines ökonomischen Werkes war, für den Druck vorzubereiten. Er arbeitete daran intensiv bis zum Jahresende. Dieses in Berlin im Juni 1859 unter dem Titel „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" herausgegebene Heft betrachtete Marx nur als eine Einführung in sein Hauptkapitel über das Kapital. Marx Briefe an Engels vom 29. Januar, 2. und 5.März 1858 zeigen, daß Marx über verschiedene Fragen seiner Arbeit einen Meinungsaustausch
mit Engels führte und ihn bat, zusätzliches Material aus der Praxis der Fabrikproduktion usw. zu schicken. Engels' Hilfe war eines der Beispiele für die enge Zusammenarbeit der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus, die auf allen Gebieten bestand. Marx' und Engels' Briefwechsel in dieser Periode zeigt, daß sie auch andere Wissenschaften gründlich studierten. Die Ergebnisse dieser Studien waren nicht immer für eine Veröffentlichung bestimmt, Teile davon erhielten ihre druckreife Form erst viel später. Aus Engels' Brief an Marx vom 14. Juli 1858 ist ersichtlich, daß Engels in dieserZeit anfing, systematisch die Naturwissenschaften - Physik, Chemie, Biologie - zu studieren. In der Entwicklung der Naturwissenschaften hatte durch eine Reihe bedeutender Entdeckungen Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue wichtige Etappe begonnen. Engels stellte sich die Aufgabe, die neuen Entdeckungen der Naturwissenschaft vom Standpunkt des dialektischen Materialismus aus zu durchdenken und zu verallgemeinern. Engels' Studien können als Beginn dieser Aufgabe angesehen werden, die er später in seiner „Dialektik der Natur" verwirklicht hat. Zur selben Zeit begann Marx, sich systematisch mit Mathematik zu beschäftigen. Ursprünglich verband er diese Studien mit seinen ökonomischen Forschungen, wie dies aus seinem Brief an Engels vom 1 I.Januar 1858 hervorgeht. Im weiteren Verlauf erlangten die mathematischen Studien selbständigen Charakter und führten Marx in den siebziger Jahren zur dialektisch-materialistischen Auffassung der Differential- und Integralrechnung. Der Briefwechsel aus den Jahren 1856 bis 1859 enthält zahlreiche Beweise für Engels' Studium der slawischen Sprachen, der Geschichte und Literatur der slawischen Völker. In dieser Zeit lernten Marx und Engels auch das „Igorlied", ein Meisterwerk altrussischer Literatur, kennen (siehe Marx* Briefe an Engels vom 29.Februar und 5.März 1856 sowie Engels' Brief an Marx vom 7.März 1856). Aufmerksam studierte Engels auch die Theorie und Geschichte des Kriegswesens. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang Marx' Brief an Engels vom 25.September 1857. Darin schätzte Marx den Artikel „Armee", den Engels für „The New American Cyclopaedia" geschrieben hatte, außerordentlich hoch ein. In diesem Brief, wie Lenin in seinem „Konspekt zum .Briefwechsel zwischen Karl Marx und Friedrich Engels 1844-1883'" hervorhebt, betonte Marx den Zusammenhang der Geschichte der Armee mit den Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte. Marx schrieb, daß Engels* Darlegung der Geschichte der Armee voll und ganz die Richtigkeit des histo
rischen Materialismus bestätigt, der auf diesem Gebiet zum erstenmal angewandt wurde. Von der materialistischen Position ausgehend, behandelte Engels in seinen Artikeln für „The New American Cyclopaedia" auch einige andere militärische und militärgeschichtliche Probleme. Diese Probleme nehmen im Briefwechsel einen breiten Raum ein. Einige Briefe zeugen davon, daß Engels' militärische Studien nicht nur rein theoretischen Charakter hatten, sondern auch der Vorbereitung auf künftige revolutionäre Kämpfe dienten (siehe z.B. Engels* Brief an Marx vom 15.November 1857). Aus deij im vorliegenden Band veröffentlichten Briefen ist klar ersichtlich, mit welcher revolutionären Leidenschaft, mit welchem unauslöschlichen Glauben an die Kraft des Proletariats Marx und Engels auch in diesen Jahren einen neuen revolutionären Aufschwung erwarteten. Die Briefe, die am Vorabend der Krise von 1857/58 und zur Zeit ihres Höhepunktes geschrieben wurden, sind von der Überzeugung durchdrungen, daß die internationale Wirtschaftskrise unter Verhältnissen, wo allgemein die Widersprüche des Kapitalismus sich verschärft hatten und in einer Reihe von Ländern die bürgerliche Revolution nicht zu Ende geführt worden war, revolutionäre Erschütterungen und eine gesamteuropäische revolutionäre Krise nach sich ziehen würde. „Die Sache hat diesmal übrigens europäische Dimensionen wie nie zuvor", schrieb Marx an Engels am 26.September 1856, „und ich glaube nicht, daß wir noch lange hier zuschauen können." Die „.Mobilisation* unsrer Personen" ist „at hand" (siehe vorl. Band, S.76). Voll und ganz den Standpunkt von Marx teilend, schrieb Engels am 17. November 1856: „So schöne tabula rasa wie diesmal findet die Revolution so leicht nicht wieder vor." (Siehe vorl. Band, S.86.) Die Krise ist eines der wesentlichen Themen des Briefwechsels von 1856 bis 1859. Die Briefe enthalten viel Tatsachenmaterial über den Verlauf der Krise in den einzelnen Ländern sowie sehr wichtige theoretische Schlußfolgerungen. Der Briefwechsel widerspiegelt die gewaltige Arbeit, die Marx beim Sammeln des Materials über die Krise geleistet hat. Marx' zahlreiche Artikel für die „New-York Daily Tribüne" sind nur ein Teil dieser Arbeit. Darüber hinaus notierte er in speziellen Heften regelmäßig alle Tatsachen und Ereignisse, die mit der Krise in England, Deutschland, Frankreich und anderen Ländern zusammenhingen (siehe Marx' Brief an Engels vom 18.Dezember 1857). Marx schlug Engels vor, gemeinsam ein Pamphlet über die Krise herauszugeben „als Wiederankßndigung beim deutschen
Publico - daß wir wieder und noch da sind, always the same" (siehe vorl. Band, S.232). Dieser Plan wurde jedoch nicht verwirklicht. Marx wurde beim Sammeln des Materials über die Krise von Engels unterstützt. Engels' Briefe enthalten ausführliche Informationen über die Krisenerscheinungen in den Industriebezirken Englands, vor allem im Bezirk Manchester, dem Zentrum der englischen Baumwollindustrie. Engels, der durch seine Tätigkeit mit der Handelswelt Kontakt hatte, sandte an Marx auch ausführliche Angaben über den Verlauf der Krise in Deutschland, Frankreich und in anderen Ländern (siehe Engels' Briefe an Marx vom 15.November, 7., 9., 11., 17. und 3I.Dezember 1857, 9.April 1858 u.a. sowie Marx' Brief an Engels vom 18.Dezember 1857). Sehr interessant sind die in diesem Band veröffentlichten Briefe, in denen Marx und Engels ihre Auffassungen über die internationalen Ereignisse jener Zeit und über die Außen- und Innenpolitik der europäischen Länder dargelegt haben. Diese Briefe veranschaulichen deutlich, daß Marx und Engels auch in diesen Jahren bei der Analyse und Einschätzung aller Erscheinungen im politischen Leben Europas den Standpunkt proletarischer Revolutionäre vertraten und stets die Interessen der gesamteuropäischen Revolution im Auge behielten. Besondere Aufmerksamkeit widmeten Marx und Engels dabei England, das damals das wirtschaftlich am weitesten entwickelte kapitalistische Land war. Sie betonten mehrfach, daß in England die materiellen Voraussetzungen für die proletarische Revolution herangereift waren. Bei seiner hochentwickelten Produktion besaß England im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern das zahlenmäßig stärkste Proletariat, das die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung bildete und in der chartistischen Massenbewegung bereits bedeutende Erfahrungen im revolutionären Kampf gewonnen hatte. In ihren Briefen analysierten Marx und Engels den Einfluß der Krise von 1857/58 auf die englische Wirtschaftend kamen dabei zu der Schlußfolgerung, daß sich in England Bedingungen für das Entstehen einer revolutionären Situation entwickeln konnten. Große Bedeutung maß Marx der Tatsache bei, daß die internationale Wirtschaftskrise die Industrie, die eigentliche Grundlage der ökonomischen Macht Englands, erschüttert hatte, was zu einer Verschärfung der Widersprüche zwischen dem englischen Proletariat und der Bourgeoisie und zu einem Anwachsen der Unzufriedenheit der breiten Massen führen mußte. Gleichzeitig hielt es Marx für möglich, daß in England durch die in diesen Jahren fortschreitende Auflösung der herrschenden Parteien - der Whigs und der Tories - eine innenpolitische Krise entstehen konnte. Am
18. März 1857 schrieb Marx an Engels, daß der Machtantritt Palmerstons, der ein Gegner von progressiven Reformen im Innern des Landes und der Inspirator der volksfeindlichen Außenpolitik Englands war, zu einer ernsthaften Agitation gegen die politische Herrschaft der Adelsoligärchie seitens der radikalen Bourgeoisie, die bei den Wahlen zuvor eine Niederlage erlitten hatte, führen könnte. „England tritt in eine serieuse Krisis...", schrieb Marx am 31 .März 1857 an Engels, „und wenn der move auf dem Kontinent wieder beginnt, wird John Bull nicht die vornehm uninteressierte Stellung von 1848 behaupten. Der SiegPams ist die letzte Spitze der Ereignisse, die mit dem Juni 1848 begonnen haben." (Siehe vorl. Band, S. 117.) Weiterhin betonte Marx, daß auch der wachsende Widerstand der Völker in den kolonialen und abhängigen Ländern Asiens gegen die verstärkte Expansion der englischen Kolonialherren dazu beitragen mußte, die Positionen der herrschenden Klassen Englands zu schwächen (siehe z.B. Marx* Brief an Engels um den 16. Januar 1858). In diesem Zusammenhang sind jene Briefe von großem Interesse, in denen sich Marx und Engels über das Kolonialsystem des Kapitalismus und über die nationale Befreiungsbewegung in den kolonialen und abhängigen Ländern äußerten. Die nationale Befreiungsbewegung betrachteten Marx und Engels als Bundesgenossen der europäischen Revolution. Marx und Engels widmeten der nationalen und kolonialen Frage viel Aufmerksamkeit. Sie brachten die Befreiung der kolonialen und abhängigen Länder mit den Perspektiven der proletarischen Revolution in den kapitalistischen Ländern in Zusammenhang. Aus dem Briefwechsel ist ersichtlich, daß Marx und Engels in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre besonders aufmerksam die Ereignisse in den englischer. Kolonien und in den von England abhängigen Ländern verfolgten. Solche Ereignisse waren z.B. der nationale Befreiungsaufstand in Indien 1857—1859, der zweite Opiumkrieg in China 1856—1858 und der Englisch-Persische Krieg 1856/57. Die Briefe beweisen, daß Marx und Engels unversöhnliche Kämpfer gegen die Kolonialsklaverei und glühende Verteidiger der unterdrückten Völker waren. Den Hauptstoß ihrer Kritik am Kolonialsystem des Kapitalismus richteten Marx und Engels gegen England, das zu jener Zeit die mächtigste Kolonialmacht und der stärkste Kolonialräuber war. Sie entlarvten in ihren Briefen voller Zorn die räuberische Politik der englischen Kolonialherrschaft. Sie enthüllten die Methoden und Mittel, mit deren Hilfe sich die englischen Kolonialherren gewaltsam fremder Territorien bemächtigten, dort ein grausames Kolonialregime errichteten und die Lebensinteressen der versklavten Völker mit Füßen traten.
So prangerte Engels in seinem Brief an Marx vom 23. Mai 1856 die englische Kolohialpolitik in Irland an und bezeichnete dieses Land „als die erste englische Kolonie" (siehe vorl. Band, S.56). Engels schilderte Marx die Eindrücke seiner Reise durch Irland im Frühjahr 1856 und stellte dabei fest, daß das irische Volk durch die jahrhundertelangen Eroberungskriege der Engländer, durch das totale Fehlen jedweder irischen Industrie und durch "die in den fünfziger Jahren besonders rücksichtslos durchgeführte gewaltsame Vertreibung der Landpächter von ihrer Scholle „zur vollendet verlumpten Nation geworden" ist (siehe vorl. Band, S.57). Das durch Hungersnot, Bauernlegen, Auswanderungen und systematische Unterdrückung entvölkerte Land wurde von Gendarmen, Pfaffen, Advokaten, Bürokraten, Rittergutsbesitzern überschwemmt, „so daß", wie Engels schrieb, „kaum zu begreifen wäre, wovon alle diese Schmarotzerpflanzen leben, wenn nicht die Misere der Bauern das entsprechende Gegenstück bildete" (siehe vorl. Band, S.56). Am Beispiel Irlands kam Engels zu der Erkenntnis, „daß die sog. Freiheit der englischen Bürger auf der Unterdrückung der Kolonien beruht" (siehe vorl. Band, S.56). In mehreren Briefen entlarvten Marx und Engels die Methoden und Mittel, mit denen die englischen Kolonialherren in den Ländern Zentralasiens und des Fernen Ostens eine verstärkte koloniale Expansion durchführten. So verspottete Marx in dem Brief an Engels vom 24. März 1857, die „Tapferkeit" der englischen Kolonialarmee, deren leichter „Sieg" in den Eroberungskriegen in Persien und China durch ihre technische Überlegenheit bedingt war. Er brandmarkte die englischen Kolonisatoren, die der friedlichen Bevölkerung der chinesischen Stadt Kanton in einem grausamen Bombardement Tod und Zerstörung brachten. In dem Brief an Engels vom 8. Oktober 1858 deckte Marx eine der niederträchtigsten Quellen der Bereicherung der englischen Bourgeoisie, den Opiumschmuggel mit China, auf und betonte, daß Opium der Hauptexportartikel Englands nach China war. In demselben Brief charakterisierte Marx den Vertrag von Tientsin, der China 1858 nach dem zweiten Opiumkrieg von England aufgezwungen wurde. Dieser Vertrag, schrieb Marx, „ist a mockery from beginning to end" (siehe vorl. Band, S.361). Der Briefwechsel widerspiegelt auch das lebhafte Interesse, das Marx und Engels dem nationalen Befreiungsaufstand 1857-1859 in Indien entgegenbrachten. Sie schätzten ihn als eine wahre Revolution des indischen Volkes gegen die britische Herrschaft ein. In ihren Briefen tauschten Marx und Engels ihre Meinungen über den Verlauf der militärischen Operationen, über die Kräfte und die Taktik der Aufständischen, über die Perspektiven
des Aufstandes und andere Fragen aus (siehe u.a. Marx' Briefe an Engels vom 14. Juli, 23.September, 20.Oktober 1857 sowie Engels* Briefe an Marx vom 24.September und 29.Oktober 1857). Diese Probleme behandelten Marx und Engels in vielen Artikeln über den indischen Aufstand, die sie für die „New-York Daily Tribüne" schrieben. In der nationalen Befreiungsbewegung in Indien sowie in der mächtigen antifeudalen Bauernbewegung der Taiping in China, wodurch der Absatzmarkt für die englische Industrie eingeengt und die militärischen Kräfte und Ressourcen Englands in Anspruch genommen wurden, sahen Marx und Engels einen jener Faktoren, der unter bestimmten Umständen die internationale Wirtschaftskrise verschärfen und die künftige Revolution in Europa fördern konnte (siehe Engels* Brief an Marx vom 15.November 1857 und Marx' Brief an Engels um den 16. Januar 1858). In dem letztgenannten Brief schrieb Marx: „Indien mit dem drain of men und bullion, die es den Engländern kosten wird, ist jetzt unser bester Bundesgenosse." (Siehe vorl. Band, S.259.) Viel Aufmerksamkeit widmeten Marx und Engels in ihrem Briefwechsel Deutschland. In Deutschland stand die durch die Revolution 1848/49 nicht gelöste historische Hauptaufgabe, die Vernichtung der Überreste des Feudalismus im gesellschaftlichen und politischen Leben und die Überwindung der nationalen Zersplitterung, immer noch auf der Tagesordnung. Marx und Engels erstrebten die Verwirklichung dieser Aufgabe auf revolutionär-demokratischem Wege mit dem Ziel, eine einheitliche demokratische Republik zu schaffen. Sie beobachteten deshalb angespannt die Lage in Deutschland am Vorabend und während der Krise. Marx stellte das stürmische Wachstum der kapitalistischen Produktionsweise in Deutschland, eine bedeutende Entwicklung von Handel und Gewerbe, insbesondere das außerordentliche Anwachsen der Industrieproduktion und die steigende Zunahme von Aktiengesellschaften in der Industrie und im Bankwesen fest. Im Zusammenhang damit hoben Marx und Engels hervor, daß das für die fünfziger Jahre so charakteristische Spekulationsfieber, dessen Fundament das bonapartistische Frankreich gelegt hatte, in Deutschland und speziell in Preußen einen überaus günstigen Boden fand (siehe Marx' Briefe an Engels vom 10. April, 26. September, 30. Oktober 1856 und vom 7. Januar 1858 sowie Engels' Briefe an Marx vom 14. April 1856 und 15. November 1857). Marx und Engels tauschten ihre Meinungen über die Innenpolitik Preußens und über die mögliche Verteilung der Klassenkräfte in Deutschland in einer künftigen Revolution aus. Dabei richteten sie das Feuer ihrer
Kritik gegen die preußische liberale Bourgeoisie. Sie entlarvten ihre konstitutionell-monarchistischen Illusionen, ihre Unfähigkeit zu entschlossenen revolutionären Handlungen gegen die preußische Monarchie und ihre Anbiederungsversuche bei dem preußischen Junkertum (siehe Marx Brief an Engels vom 5.März 1846). Engels schrieb am 17.März 1858 an Marx: „Bourgeoisie und Spießbürgertum haben sich jedenfalls seit 1848 noch verschlechtert. ... Der deutsche Michel hat offenbar seinen Winterschlaf nach der schweren Anstrengung von 1848 noch nicht ausgeschlafen." (Siehe vorl. Band, S.304/305.) Mehrere Briefe weisen darauf hin, daß Marx und Engels revolutionäre Auswirkungen der Wirtschaftskrise am wahrscheinlichsten im bonapartistischen Frankreich erwarteten (siehe Marx* Briefe an Engels vom 20. Januar, 8., 25.Dezember 1857 und 29.März 1858 sowie Engels' Brief an Marx vom 17. März 1858). Marx und Engels charakterisierten den Bonapartismus als eine besondere Form der Diktatur der konterrevolutionären Bourgeoisie, die sich auf die Armee stützte, als einen Eckpfeiler der Reaktion in Europa. In zahlreichen Artikeln in der „New-York Daily Tribüne" führten Marx und Engels gegen den Bonapartismus einen unversöhnlichen Kampf. Sie entlarvten unermüdlich die für den Bonapartismus charakteristische Politik des Lavierens zwischen den verschiedenen Klassen, die hemmungslose Demagogie, die verlogenen demokratischen Losungen, den Mißbrauch der nationalen Befreiungsbewegung. Sie zeigten, daß diese Manöver in Wirklichkeit nur den Zweck hatten, die den Interessen einer Clique von Ausbeutern dienende reaktionäre Politik zu verschleiern. Gegen Ende der fünfziger Jahre wurde der Bonapartismus eine internationale Erscheinung, da seine mit reaktionären Regierungsmethoden verbundene Politik der sozialen Demagogie von den herrschenden Kreisen anderer europäischer Staaten nachgeahmt wurde. Der Bonapartismus war bestrebt, die schwankenden Elemente der europäischen Demokratie auf seine Seite zu locken und auszunutzen. Dadurch wurde das Lager der europäischen revolutionären Bewegung gespalten, was eine ernste Gefahr für die künftige Revolution in Europa bedeutete. Marx und Engels betrachteten daher den Kampf gegen den Bonapartismus als eine Hauptaufgabe der proletarischen Revolutionäre. Der Briefwechsel zeigt uns, daß Marx und Engels während der sich entwickelnden Krise aufmerksam das ökonomische und politische Leben im Zweiten Kaiserreich in allen seinen entscheidenden Phasen verfolgten. Sie stellten die allgemeine Fäulnis „des bankerotten Staats" fest (siehe vorl. Band, S.233).
In den Briefen von Marx an Engels nimmt die Analyse der Börsenmanipulationen und Spekulationsaffären der mit der Regierung des Zweiten Kaiserreichs liierten Bank Credit mobiher, die Niederlassungen in vielen Ländern Europas hatte, einen breiten Raum ein (siehe Marx' Briefe an Engels vom 9.April, 8. und 22.Mai, 11 .Juli, 8. und 25.Dezember 1857 und 7. Januar 1858). Marx und Engels untersuchten sorgfältig die Mittel und Methoden der Innenpolitik der bonapartistischen Regierung (siehe z.B. Engels' Briefe an Marx vom 25. August 1857 und 17.März 1858) und verfolgten jede Regung der allmählich stärker werdenden oppositionellen Stimmung in den verschiedenen Schichten der französischen Gesellschaft. In seinem Brief vom 17. März 1858 machte Engels Marx auf die unter den Pariser Arbeitern herrschende Unzufriedenheit mit dem bonapartistischen Regime aufmerksam. „Die Deportationen und Verhaftungen a tort et ätravers haben also", stellte Engels fest, „ebensowenig gefruchtet wie die cites ouvrieres und Nationalateliers en gros..." (Siehe vorl. Band, S. 302.) Im gleichen Brief ging Engels auf die Unruhen unter den Truppen in Chalon-sur-Saone ein. An Hand dieser Ereignisse analysierte er ausführlich den Zustand der bonapartistischen Armee, die die Stütze der bonapartistischen Diktatur war, und kam zu dem Schluß, daß „selbst in der Armee nur die Spitzen wirklich bonapartistisch sind" (siehe vorl. Band, S.303). Ende 1858 stellten Marx und Engels fest, daß auch unter den liberalen Bourgeois, in der sogenannten „gesetzlichen Opposition", die oppositionelle Stimmung angewachsen war. Entgegen den Erwartungen von Marx und Engels führte die internationale Wirtschaftskrise 1857/58 nicht zu einem unmittelbaren Ausbruch der Revolution, sie war aber der Prolog zum Wiedererwachen der politischen Aktivität in Europa. Die Krise löste einen Aufschwung der proletarischen und demokratischen Bewegung in Europa sowie des nationalen Befreiungskampfes der unterdrückten Völker aus. Marx schrieb darüber an Engels am 22. Februar 1858: „Take all in all, so hat die Krisis wie ein braver alter Maulwurf gewühlt." (Siehe vorl. Band, S.286.) Über die Anzeichen einer allgemeinen politischen Belebung in Europa schrieben Marx und Engels in mehreren Briefen in der zweiten Hälfte des Jahres 1858. Von besonderem Interesse ist Marx' Brief an Engels vom 8.Oktober 1858, in dem er Schlußfolgerungen über die Lage in den einzelnen westeuropäischen Ländern sowie in Rußland am Vorabend des in Europa bevorstehenden neuen revolutionären Aufschwungs zog. In seinem Brief vom 29. November 1858 schätzte Marx Engels' Artikel „Europa im Jahre 1858" (siehe Band 12 unserer Ausgabe, S.654-658) als sehr gut ein.
In diesem Artikel wies Engels klar und überzeugend nach, daß Anzeichen eines Wiedererwachens des gesellschaftlich-politischen Lebens in fast allen europäischen Ländern vorhanden waren. Er hob besonders hervor, daß „von allen Nationen Europas... Rußland als erste" aus der „politischen Lethargie" erwachte, von der die europäische Gesellschaft in den fünfziger Jahren befallen war. Marx und Engels beobachteten in jener Zeit gespannt die in Rußland einsetzende Bauernbewegung für die Aufhebung der Leibeigenschaft. Sie betrachteten das zaristische Rußland als Bollwerk der europäischen Reaktion, als eine Feste des Feudalismus und Absolutismus. Gleichzeitig erwarteten sie jedoch ständig den Beginn der revolutionären Bewegung in Rußland und verfolgten mit größter Aufmerksamkeit jedes Aufflackern oppositioneller Stimmungen in der russischen Gesellschaft. Marx und Engels begrüßten die Signale, die vom Heranreifen einer revolutionären Situation in Rußland kündeten. „Bei der optimistischen Wendung des Welthandels at this moment...", schrieb Marx an Engels am 8. Oktober 1858, „ist es wenigstens tröstlich, daß in Rußland die Revolution angefangen hat" (siehe vorl. Band, S.359/360). In demselben Brief brachte Marx den anwachsenden Kampf um die Aufhebung der Leibeigenschaft mit den Auswirkungen des Krimkrieges 1853-1856 in Zusammenhang. Dieser Krieg, schrieb er, „hat jedoch offenbar die jetzige Wendung der Dinge in Rußland beschleunigt" (siehe vorl. Band, S.360). In dem Brief vom 29. April 1858 sowie in dem zuletzt zitierten Brief vom 8. Oktober 1858 sprach Marx die Hoffnung aus, daß der sich in Rußland entfaltende Kampf gegen die Leibeigenschaft der Anfang einer inneren Bewegung sein werde, die zu grundlegenden Umgestaltungen in der gesellschaftlichen und politischen Ordnung des Landes führen und der konterrevolutionären Außenpolitik des Zarismus ein Ende machen wird. „Die Bewegung der Leibeignenemanzipation in Rußland", schrieb Marx an Engels am 29. April 1858, „scheint mir wichtig, sofern es den Anfang einer innern Geschichte in dem Lande zeigt, die der traditionellen auswärtigen Politik desselben in die Quere kommen mag." (Siehe vorl. Band, S.324.) Eine solche Wendung der Dinge würde sich, wie Marx bemerkte, unbedingt günstig auf die revolutionäre Bewegung in Europa auswirken, besonders würde sie der revolutionären Initiative der Deutschen den Weg ebnen (siehe Marx* Brief an Engels vom 8. Oktober 1858). In der'zweiten Hälfte des Jahres 1858 entstand eine Lage, in der Europa nach Marx Worten vor der Alternative stand: Revolution oder Krieg. Die konterrevolutionären Regierungen Europas, vor allem die bonapartistische
Regierung in Frankreich, fanden den Ausweg in dem Krieg, der 1859 zwischen Frankreich und Piemont einerseits und Osterreich andererseits entfesselt wurde. In den Briefen aus dem Jahre 1859 nimmt der Meinungsaustausch über Fragen, die mit diesem Krieg zusammenhingen, einen bedeutenden Raum ein. Es war nicht einfach, die Position der proletarischen Partei in bezug auf den Krieg von 1859 zu bestimmen. Darauf wies Lenin mit folgenden Worten hin: „Es ergibt sich ein Knäuel von Widersprüchen: auf der einen Seite eine erzreaktionäre europäische Monarchie, die Italien unterdrückt hielt; auf der andern die Vertreter des nach Freiheit strebenden und revolutionären Italiens, darunter Garibaldi, Hand in Hand mit dem Erzreaktionär Napoleon III. usw." (W.I.Lenin, Werke, Band 21, S. 128). Marx und Engels arbeiteten jedoch auch unter diesen komplizierten Bedingungen eine klare und konsequente Taktik des Proletariats aus, die das reale Verhältnis der Klassenkräfte berücksichtigte und der Hauptaufgabe, der allseitigen Entfaltung des revolutionären Kampfes und der nationalen Befreiungsbewegung, der Einigung Deutschlands und Italiens auf revolutionär-demokratischem Wege untergeordnet war (siehe Marx' Brief an Engels vom 18. Mai 1859 und an Lassalle vom 22. November 1859). In einer Reihe von Briefen entlarvten Marx und Engels die wahren Ziele Napoleons III. und seiner Clique. Sie zeigten, daß Napoleon keineswegs Italien befreien, sondern durch einen leichten militärischen Sieg das bonapartistische Regime in Frankreich festigen wollte. Napoleon nutzte demagogisch die Losung der „Befreiung Italiens von der österreichischen Herrschaft" aus, um Popularität zu erhaschen, einen Teil des italienischen Territoriums an sich zu reißen und seine politische Hegemonie in Europa zu festigen. Marx und Engels hielten es für notwendig, daß Preußen und die anderen Staaten des Deutschen Bundes auf Seiten Österreichs in den Krieg gegen das bonapartistische Frankreich eintreten sollten. „Was die .Regierungen' angeht", schrieb Marx an Engels am 18. Mai 1859, „so muß offenbar, von allen Standpunkten aus, schon im Interesse der Existenz Deutschlands, die Forderung an sie gestellt werden, nicht neutral zu bleiben, sondern, wie Du richtig sagst, patriotisch zu sein." (Siehe vorl. Band, S.432.) Marx und Engels gingen davon aus, daß die Teilnahme der Staaten des Deutschen Bundes am Krieg gegen Frankreich das zaristische Rußland, das durch «inen Geheimvertrag mit Napoleon III. verbunden war, veranlassen würde, sich in den Krieg einzumischen. Der Eintritt des zaristischen Rußlands in den
Krieg hätte, wie Marx und Engels schlußfolgerten, den revolutionären Kräften sowohl in Deutschland und Italien als auch in Frankreich den Weg frei gemacht, hätte die herrschenden Klassen Deutschlands gezwungen, den konterrevolutionären Charakter ihrer Politik zu offenbaren, hätte schließlich zur Niederlage des Bonapartismus, zum Sturz der volksfeindlichen Regierungen, in Europa geführt und hätte endlich der nationalen Befreiungsbewegung, einschließlich des Kampfes der geknechteten Völker Mitteleuropas gegen das Joch der österreichischen Habsburger, neue Impulse verliehen. In Deutschland hätten die Kräfte das Übergewicht bekommen, die für die Einigung des Landes auf revolutionär-demokratischem Wege, auf dem Wege der Beseitigung der Dynastien und ihrer sozialen und politischen Stützen innerhalb und außerhalb Deutschlands und der Bildung einer einheitlichen demokratischen Republik eintraten. Die Briefe von Marx und Engels, in denen der Krieg in Italien 1859 behandelt wird, sind eine wertvolle Ergänzung ihrer Arbeiten zu diesem Thema. In den Briefen konnten Marx und Engels mit größerer Offenheit die Position der proletarischen Revolutionäre in der Frage des Krieges und der Wege zur Einigung Deutschlands und auch Italiens darlegen, als das in ihren Artikeln in der bürgerlichen „New-York Daily Tribüne" sowie in den legal in Deutschland gedruckten Broschüren „Po und Rhein" und „Savoyen, Nizza und der Rhein" von Engels (siehe Band 13 unserer Ausgabe, S.225-268 und 571-612) geschehen konnte. Die in diesem Band veröffentlichten Briefe zeigen uns Marx und Engels als glühende proletarische Kämpfer, die mit all der ihnen eigenen revolutionären Energie selbst in den schwärzesten Tagen der Reaktion den Kampf um den Zusammenschluß der Kräfte des Proletariats und seine Erziehung zum Klassenbewußtsein, den Kampf für die Schaffung einer proletarischen Partei als der notwendigen und wichtigsten Voraussetzung für den Sieg des Proletariats für keinen Augenblick einstellten. Lenin schrieb darüber: „Marx verstand es, in scheinbar friedlichsten, wie er sich ausdrückt: .idyllischen* Zeiten und... angesichts eines .trostlosen Sumpfes das Nahen der Revolution herauszufühlen und das Proletariat auf eine Stufe zu heben, wo es sich seiner fortschrittlichen, revolutionären Aufgaben bewußt wird." (W.I.Lenin, Werke, Band 12, S.99.) Die Jahre 1856 bis 1859 waren eine schwere Zeit in der Geschichte der sich formierenden proletarischen Partei sowie im Leben und im Wirken von Marx und Engels. Die überwiegende Mehrheit der politischen Emigranten, darunter auch Marx, führte in dieser Zeit einen harten Existenzkampf. Die große materielle Not, unter der die Familie Marx litt, die täglichen
quälenden Sorgen um das Allernotwendigste, die ständigen Plackereien mit den kleinlichen Nöten des häuslichen und privaten Lebens hatten in dieser Periode schwere Auswirkungen auf die Gesundheit von Marx und seine Arbeit. Hinzu kam, daß der Aufenthalt der politischen Emigranten in England immer unsicherer wurde. Nach dem Attentat des Italieners Orsini auf Napoleon III. im Januar 1858 verstärkte die Polizei die Bespitzelung der politischen Emigranten und trat ihnen gegenüber immer frecher auf. Marx war besonders stark davon betroffen, sein Briefwechsel wurde überwacht (siehe Marx* Briefe an Engels vom 2. und 5.März und Engels' Brief an Marx vom 4. März 1858). Der vorliegende Briefwechsel vermittelt einen nachhaltigen Eindruck von der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Marx und Engels und von der großen moralischen Unterstützüng und uneigennützigen materiellen Hilfe, die Marx in den schweren Tagen seines Lebens von Engels erhielt. Engels war in diesen Jahren nach wie vor gezwungen, sich mit dem „verfluchten Commerce" zu befassen, um Marx zu ermöglichen, die Ausarbeitung der revolutionären Theorie fortzusetzen. Die Zeit der revolutionären Ebbe brachte, wie es auch nicht anders sein konnte, Verluste unter den bekanntesten der proletarischen Revolutionäre mit sich. Einige von ihnen gingen zugrunde, weil sie die Folgen der Kerkerhaft (Roland Daniels) oder die Verhältnisse des Emigrantenlebens nicht aushielten (Georg Weerth, Konrad Schramm). Andere wurden von der relativ langen wirtschaftlichen Prosperität und der politischen Stagnation demoralisierend beeinflußt und gaben den revolutionären Kampf auf. So brachen Marx und Engels in dieser Zeit mit dem ehemaligen Mitglied des Bundes der Kommunisten Adolf Cluß, der sich dem sektiererischen „Revolutionsmacher" Willich genähert hatte (siehe Engels' Brief an Marx vom 22. Januar 1857 und Marx' Brief an Weydemeyer vom I.Februar 1859). In einigen Briefen verurteilten sie das Bestreben Ernst Dronkes, ihres Kampfgefährten aus den Tagen der „Neuen Rheinischen Zeitung", sich eine „sorgenfreie Existenz" als Kaufmann durch Etablierung „auf eigne Rechnung" zu verschaffen (siehe Engels' Briefe an Marx vom 17.November 1856, ILMärz und 15.November 1857 sowie Marx' Brief an Engels vom 3I.März 1857). Trotzdem schloß sich dank den Bemühungen von Marx und Engels ein fester Kern standhafter Revolutionäre und Gleichgesinnter um sie zusammen. Treue Mitkämpfer der großen Führer des Proletariats blieben auch in diesen schweren Jahren die ehemaligen Mitglieder des Bundes der Kommunisten Wilhelm Wolff (Lupus), Friedrich Leßner, Georg Eccarius,
Josef Weydemeyer, Wilhelm Liebknecht, Wilhelm Pieper, Peter Imandt und andere. In ihrer täglichen Sorge, diesen Kern von proletarischen Revolutionären zu erhalten, sie zu erziehen und zu führen, stellten Marx und Engels ihren Mitkämpfern die Aufgabe, die sich in die Länge ziehende Periode der Reaktion zu noch größerer politischer Stählung, zum eingehenden theoretischen Studium zu benutzen. „Lernen! Lernen! Das war der kategorische Imperativ, den er oft genug uns laut zurief, der aber auch schon in seinem Beispiel, ja in dem bloßen Anblick dieses stets mächtig arbeitenden Geistes lag", schrieb Wilhelm Liebknecht später, sich der Londoner Exiljahre erinnernd, über Marx. Aus mehreren Briefen von Marx an Engels ist ersichtlich, daß Marx auch in den Jahren der Reaktion niemals die Verbindung zu den fortschrittlichen Kräften der deutschen Arbeiterklasse verlor. Der Besuch des Vertreters der Düsseldorfer Arbeiter Gustav Levy bei Marx im Februar 1856, von dem Marx in seinem Brief an Engels vom 5.März 1856 berichtete, beweist, welch ungeheure Autorität und Achtung die großen Führer des Proletariats bei den Arbeitern der Rheinprovinz genossen. In ihrem Meinungsaustausch über diesen Besuch legten Marx und Engels die Ansichten über die Taktik der proletarischen Partei in der Führung der deutschen Arbeiterbewegung während der Periode der Reaktion dar. So warnte Marx eindringlich die Arbeiter des Rheinlandes, die Pläne für einen Aufstand schmiedeten, vor lokalen, verfrühten und isolierten Erhebungen. Marx schrieb Engels, daß die deutschen Arbeiter natürlich das Bedürfnis nach politischen und militärischen Führern fühlten und daß es daher notwendig sei, ihnen „von militärischem Gesichtspunkt aus genau darzustellen, was tubarund was untubarist" (siehe vorl. Band, S.29). Andererseits rief Marx, die Notwendigkeit solidarischer Aktionen des Proletariats der verschiedenen Länder hervorhebend, die deutschen Arbeiter auf, um jeden Preis das Proletariat von Paris zu unterstützen, falls dort ein Aufstand ausbrechen sollte. Marx sagte zu Gustav Levy, daß, „falls Paris das Signal gebe, es gut sei, unter allen Umständen alles zu riskieren, da dann selbst eine momentane Niederlage nur momentan üble Folgen haben könne" (siehe vorl. Band, S.29). Auf die Perspektive der revolutionären Bewegung in Deutschland eingehend, formulierte Marx in seinem Brief an Engels vom 16. April 1856 einen außerordentlich wichtigen theoretischen Leitsatz, der eine der Grundlagen der marxistischen Lehre über die sozialistische Revolution bildet. Marx betonte, daß für den Sieg des Proletariats das Bündnis der Arbeiter
klasse mit der Bauernschaft unerläßlich ist. „The whole thing in Germany wird abhängen von der Möglichkeit", schrieb Marx, „to back the Proletarian revolution by some second edition of the Peasants* war. Dann wird die Sache vorzüglich." (Siehe vorl. Band, S.47.) Aus Marx' und Engels' Ansichten über die Perspektiven der künftigen sozialistischen Revolution in Europa geht hervor, daß sie dem englischen Proletariat eine besondere Rolle zuwiesen. Sie maßen der ideologischen und organisatorischen Vorbereitung des englischen Proletariats auf die künftigen revolutionären Kämpfe große Bedeutung bei. Marx und Engels hofften, daß die entscheidende Rolle bei der Lösung dieser Aufgabe eine Gruppe von revolutionären Chartisten, an deren Spitze Ernest Jones stand, spielen könnte. In den fünfziger Jahren war der Chartismus bereits keine Massenbewegung mehr. Er existierte nur noch als eine politische Richtung weiter. Trotzdem glaubten Marx und Engels selbst in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, daß die immer noch einflußreiche Gruppe der revolutionären Chartisten unter Ernest Jones, die ein eigenes Organ, „The People's Paper", besaß, den Kern bei der Schaffung einer selbständigen proletarischen Partei in England bilden und sich an die Spitze der englischen Arbeiterbewegung stellen könnte. Marx und Engels stellten deshalb den linken Chartisten folgende Aufgaben: die Aneignung der revolutionären Theorie, woran es den Chartisten schon immer gemangelt hatte, sowie das Hineintragen des revolutionären sozialistischen Bewußtseins in die Reihen des englischen Proletariats und auf dieser Grundlage die Bildung einer unabhängigen revolutionären proletarischen Partei. Wie aus Marx' Brief an Engels vom 24. November 1857 hervorgeht, riet Marx den Chartisten geduldig und beharrlich, in Ubereinstimmung mit der entstandenen konkreten historischen Situation auch die Taktik zu ändern. Er legte ihnen nahe, von den fruchtlosen Versuchen Abstand zu nehmen, „in der lauen Zeit" nach Vorwänden für eine öffentliche Agitation zugunsten der Volks-Charte zu suchen und statt dessen die Agitation unmittelbar unter den Massen der Fabrikarbeiter zu verstärken. Ernest Jones „soll erst eine Partei bilden", schrieb Marx am 24.November 1857 an Engels, „wozu er in die Fabrikdistrikte muß" (siehe vorl. Band, S.218). Aus dem Briefwechsel ist zu ersehen, daß sich in den Jahren 1857/1858 die politischen Schwankungen und die politische Inkonsequenz von Ernest Jones immer häufiger bemerkbar machten. Marx und Engels verfolgten aufmerksam die Entwicklung des Chartistenführers. Sie kritisierten ihn wegen seiner politischen Fehlgriffe, wegen seines Bestrebens, die Organisation
eigenmächtig zu leiten, das bei einem großen Teil der Chartisten Entrüstung hervorrief, wegen seiner ideologischen Zugeständnisse an die Vertreter der radikalen Bourgeoisie, wegen seiner immer offener zutage tretenden Tendenz zum Paktieren mit diesen Kräften (siehe Marx' Briefe an Engels vom 10.April 1856, 24.November und 22.Dezember 1857, um den 16. Januar, 21 .September und 8.Oktober 1858 und Engels' Briefe an Marx vom 1 I.Februar und 7.Oktober 1858). Die Briefe aus dieser Zeit zeigen, wieviel Geduld und Ausdauer Marx aufbrachte, um Ernest Jones das Fehlerhafte seiner Haltung zu erläutern, ihn von dem falschen Weg wegzuführen und seine Autorität als Arbeiterführer zu erhalten. In dem Brief an Weydemeyer vom 1. Februar 1859 gab Marx eine allgemeine Einschätzung des Verhaltens von Ernest Jones und seines Verhältnisses zu ihm: „Mit Ernest Jones habe ich gebrochen. Trotz meiner wiederholten Warnung, und obgleich ich ihm exakt voraussagte, was eingetroffen ist - nämlich, daß er sich ruinieren und die Chartistenpartei desorganisieren würde - hat er sich auf Vermittlungsversuche mit den bourgeois radicals eingelassen. He is now a ruined man, aber der Schade, den er dem englischen Proletariat getan, ist außerordentlich. Die Scharte wird natürlich wieder ausgewetzt werden, aber ein sehr günstiger Moment für Aktion ist verloren worden. Denke Dir eine Armee, deren General am Tage vor der Schlacht ins feindliche Lager überläuft." (Siehe vorl. Band, S.571.) Im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung von Ernest Jones kamen Marx und Engels zu wichtigen politischen Schlußfolgerungen über die Veränderungen, die im Laufe der fünfziger Jahre in der englischen Arbeiterbewegung insgesamt vor sich gegangen waren. Sie stellten fest, daß neben der revolutionären eine opportunistische Tendenz aufgekommen war, die über die erstere zeitweilig die Oberhand gewann. In den fünfziger Jahren drückte sich dies in einer tiefgehenden politischen Passivität großer Teile der englischen Arbeiterklasse aus (siehe Engels' Briefe an Marx vom 15. November und 17. Dezember 1857 sowie Marx' Brief an Engels um den 16. Januar 1858). Die ökonomischen Wurzeln dieser neuen Erscheinung in der englischen Arbeiterbewegung sahen Marx und Engels in der Beherrschung des Weltmarktes durch den englischen Kapitalismus, die durch das außergewöhnliche Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft Englands bedingt war. „ ... die lange Prosperität hat furchtbar demoralisiert", bemerkte Engels in seinem Brief an Marx vom 17.Dezember 1857 (siehe vorl. Band, S.231). In klassischer Form formulierte Engels diese Schlußfolgerung in seinem Brief an Marx vom 7.Oktober 1858. Engels schrieb, „daß das englische Proletariat faktisch mehr und mehr verbürgert, so daß diese bürger
lichste aller Nationen es schließlich dahin bringen zu wollen scheint, eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat Tieben der Bourgeoisie zu besitzen. Bei einer Nation, die die ganze Welt exploitiert, ist das allerdings gewissermaßen gerechtfertigt." (Siehe vorl. Band. S.358.) Lenin stellte fest, daß Marx und Engels „jene zwei Tendenzen... in der modernen Arbeiterbewegung", die sich später „in der ganzen Welt so deutlich voneinander geschieden haben, ... in England, im Verlauf mehrerer Jahrzehnte, ungefähr von 1858 bis 1892, beobachtet" hatten (W.I.Lenin, Werke, Band 23, S. 109). Lenin betonte, daß Marx und Engels den zeitweiligen Sieg des Opportunismus in der englischen Arbeiterbewegung klar und bestimmt mit dem Industrie- und Kolonialmonopol Englands in Zusammenhang brachten, das der englischen Bourgeoisie ermöglichte, mittels ihrer Extraprofite eine Oberschicht der englischen Arbeiter, die Arbeiteraristokratie, zu bestechen. Eine wichtige Seite des Kampfes von Marx und Engels um eine proletarische Partei war ihr Auftreten gegen die opportunistischen Ansichten und die opportunistische Taktik Ferdinand Lassalles. In mehreren Briefen des vorliegenden Bandes ist eine prinzipielle Kritik an Lassalle enthalten. In den Briefen vom 5. und 7. März 1856, 7. Juni 1858 und anderen tadelten Marx und Engels an Lassalle solche Eigenschaften wie seine maßlose Eitelkeit, seine Selbstverherrlichung, sein sybaritisches Gehabe, seine Diktatorgelüste, sein Liebäugeln mit den Vertretern der herrschenden Klassen und sein verächtliches, hochmütiges Verhalten gegenüber den Arbeitern. Marx und Engels mißbilligten insbesondere sein Verhalten gegenüber den Düsseldorfer Arbeitern, mit denen Lassalle in Verbindung stand und bei denen sein ganzes Auftreten tiefes Mißtrauen hervorrief. „Er war immer ein Mensch, dem man höllisch aufpassen mußte", schrieb Engels an Marx am 7. März 1856. Lassalle war „immer auf dem Sprunge, unter Parteivorwänden jeden für seine Privatzwecke zu exploitieren... Getraut hat keiner von uns je dem Lassalle..." (siehe vorl. Band, S.31). Sehr interessant sind auch Marx' Brief vom 19. April und Engels' Brief vom 18. Mai 1859 an Lassalle, die eine Beurteilung seines historischen Dramas „Franz von Sickingen" beinhalten. Marx und Engels kritisierten vor allem die Ansichten Lassalles über den Charakter der Bauernbewegung. Sie konstatierten einzelne Vorzüge des Dramas, das den von Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten geführten Aufstand des Kleinadels gegen die großen Feudalherren am Vorabend des Bauernkrieges von 1525 zum Inhalt hat, betonten aber gleichzeitig Lassalles grundlegenden Fehler. Dieser bestand darin, daß er, wie Marx schrieb, die „lutherisch-ritterliche
Opposition über die plebejisch-Münzersche" stellte (siehe vorl. Band, S.592). Diese falsche Auffassung Lassalles war keineswegs ein zufälliger Irrtum, sondern sie resultierte aus seiner allgemeinen Unterschätzung der revolutionären Möglichkeiten der Volksmassen, insbesondere der Bauernschaft, die nach Meinung Lassalles zusammen mit dem Bürgertum „nur eine reaktionäre Masse" bilde. Marx' und Engels' Kritik an diesen Ansichten Lassalles stand im engen Zusammenhang mit seiner Auffassung über die Ursachen der Niederlage der Revolution 1848/49. Lassalle ging von einer subjektiv-idealistischen Konzeption der Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte aus und leitete alles von den Fehlern einzelner Führer ab. Marx und Engels dagegen sahen die Hauptursache für die Niederlage in dem Fehlen eines festen Bündnisses zwischen dem Proletariat und der Bauernschaft. Lenin lenkte in seinem Artikel „Prinzipielle Fragen der Wahlkampagne" die besondere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieser Seite der Kritik von Marx und Engels an dem Drama Lassalles (siehe W.I.Lenin, Werke, Band 17, S.408). In den erwähnten Briefen von Marx und Engels sind auch sehr interessante Bemerkungen zu Fragen der schöngeistigen Literatur enthalten. Sie umreißen Marx' und Engels' Ansichten über den Realismus als die beste Methode der Widerspiegelung der Wirklichkeit im künstlerischen Schaffen. In den Briefen von Marx und Engels aus dem Jahre 1859 hat besondere Bedeutung die Kritik an Lassalles Haltung zum Krieg Frankreichs und Piemonts gegen Österreich 1859, weil Lassalles Position eng mit seinen Ansichten über die Wege zur Einigung Deutschlands verbunden war. Lassalle, der die demokratischen Stimmungen der Massen unterschätzte und nicht an die Möglichkeit der Einigung Deutschlands auf dem Weg der Revolution von unten, d.h. durch eine revolutionäre Volksbewegung glaubte, unterstützte faktisch den Plan zur Einigung Deutschlands von oben unter der Hegemonie des preußischen Staates. Deshalb forderte er von den deutschen Staaten, sich nicht in den Krieg einzumischen, damit Napoleon III. Österreich, den Hauptgegner Preußens bei der Einigung Deutschlands auf preußisch-obrigkeitlichem Wege, zerschlagen konnte. Diese Auffassung vertrat Lassalle in seiner im Frühjahr 1859 veröffentlichten Broschüre „Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens". Unter Berücksichtigung des Schadens, den Lassalles Taktik der proletarischen und der demokratischen Bewegung zufügte, hielten es Marx und Engels für notwendig, ein besonderes Manifest herauszugeben. Darin sollten ihre Ansichten dargelegt und die Haltung Lassalles einer Kritik unterzogen werden (siehe Marx' Brief an Engels vom 18. Mai und Engels' Brief
an Marx vom 23. Mai 1859). Infolge der raschen Beendigung des Krieges wurde diese Absicht jedoch nicht verwirklicht. Marx kritisierte Lassalles Standpunkt später in dem Pamphlet „Herr Vogt", hielt es aber nicht für zweckmäßig, Lassalles Namen direkt zu nennen. Lenin hob den prinzipiellen Unterschied zwischen den Ansichten Marx' und Engels* und denen Lassalles über das Verhalten des Proletariats zum Krieg von 1859 hervor und schrieb, „daß Lassalle, ebenso wie in seinem Kokettieren mit Bismarck, auch hierin Opportunist war. Lassalle paßte seine Haltung dem Sieg Preußens und Bismarcks, dem Fehlen einer ausreichenden Stoßkraft der demokratischen Nationalbewegungen in Italien und Deutschland an. Eben darin schwankte er nach der Seite einer nationalliberalen Arbeiterpolitik. Marx dagegen förderte und entwickelte eine selbständige, eine konsequent demokratische, der nationalliberalen Feigheit feindliche Politik (Preußens Einmischung gegen Napoleon im Jahre 1859 hätte der Volksbewegung in Deutschland einen Anstoß gegeben)." (W.I.Lenin, Werke, Band 21, S. 130.) In der Periode der europäischen Reaktion, die nach der Niederlage der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848/49 einsetzte, hielten es Marx und Engels für eine wichtige Aufgabe, das Proletariat vor dem Einfluß der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologie zu schützen. Daraus erklärt sich der ständige Kampf, den Marx und Engels gegen die Führer der kleinbürgerlichen Emigration in London führten. Ihr Briefwechsel enthält eine schonungslose Kritik an der pseudorevolutionären Tätigkeit der kleinbürgerlichen Emigranten. Marx und Engels geißelten das politische Abenteuertum, die Jagd nach Eigenreklame und das revolutionäre Geschwätz der „großen Männer" der deutschen kleinbürgerlichen Emigration wie Rüge, Heinzen, Heß, Meyen, Ludwig Simon, Kinkel und viele andere (siehe Marx* Briefe an Engels vom 29.Februar, I.August und 22.September 1856, 7. Januar, 2., 24. und 29.November sowie 11 .Dezember 1858). Gleichzeitig verspottete Marx auch die „Revolutionsmacher" unter den französischen kleinbürgerlichen Emigranten wie Felix Pyat, Talandier und andere, die unter Ignorierung der konkreten historischen Bedingungen ständig Vorwände suchten, um allerlei lärmende politische Demonstrationen zu veranstalten, aufgeschwollene, hohle politische Pamphlete herauszugeben usw. (siehe Marx' Briefe an Engels vom 16. April 1856, 20. Januar 1857, B.August 1858 u.a.). In der Periode der allgemeinen Belebung des gesellschaftlich-politischen Lebens unternahmen Marx und Engels, die auch weiterhin an der „NewYork Daily Tribüne" mitarbeiteten, Schritte, um die Verbindung zu einer
Zeitung herzustellen, die sich zu einer Tribüne für die proletarischen Revolutionäre hätte entwickeln lassen. So beteiligten sie sich von Mai bis August 1859 an der Herausgabe der Londoner deutschen Arbeiterzeitung „Das Volk". Marx und Engels stellten sich bei der Mitarbeit an dieser Zeitung ein doppeltes Ziel: Einerseits sollte ihnen die Mitarbeit ermöglichen, einen ständigen Kampf gegen die wieder rege hervortretende kleinbürgerliche Demokratie zu führen, andererseits wollten sie in der Periode des neuen revolutionären Aufschwungs ein eigenes Organ zur Begründung der Position der proletarischen Partei haben. In seinem Brief an Engels vom 18. Mai 1859, in dem die Entstehungsgeschichte der Zeitung „Das Volk" ausführlich dargelegt ist, wies Marx auf die entscheidende Überlegung hin, die seine und Engels' Mitarbeit an dieser Zeitung hewirkte: „Es mag auch ein Moment kommen, und sehr bald, wo es entscheidend wichtig ist, daß nicht nur unsre Feinde, sondern auch wir selbst unsre Ansicht in einem Londoner Blatt drucken lassen können." (Siehe vorl. Band, S. 436.) Anfang Juli 1859 wurde Marx der eigentliche Redakteur und Geschäftsführer der Zeitung „Das Volk". Der Briefwechsel gibt Aufschluß über Marx* unermüdliche Tätigkeit, die Zeitung in eine Tribüne der Anschauungen der proletarischen Partei umzuwandeln. Im Laufe des Jahres 1859 versuchte Marx, auch andere Möglichkeiten für die Propaganda seiner revolutionären Ideen zu finden. So schrieb er am 28.März 1859 an Lassalle: „Ich nehme dies Anerbieten" (Vorschlag zur Mitarbeit an der „Presse") „... an,... weil die Zeiten verändert sind und ich es jetzt für wesentlich halte, daß unsre Partei, wo sie kann, Position nimmt, sollte es auch einstweilen nur sein, damit nicht andre sich des Terrains bemächtigen. Einstweilen kann es natürlich nur mit Vorsicht benutzt werden, aber das Wichtigste ist, sich des Einflusses an verschiednen Punkten für entscheidendre Zeitpunkte zu bemächtigen." (Siehe vorl. Band, S. 587.) Hieraus ist auch zu erklären, warum Marx 1859 mit dem Redakteur der Wiener Zeitung „Die Presse", Max Friedländer, der ihm vorgeschlagen hatte, an diesem Organ mitzuarbeiten, in Verhandlungen trat. Im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen ist von Interesse Marx' Brief an Friedländer vom 16. Mai 1859 (siehe vorl. Band, S. 599), der erstmalig im vorliegenden Band veröffentlicht wird. Der Briefwechsel enthält auch Material, welches die Geschichte der Mitarbeit von Marx und Engels an „The New American Cyclopaedia" von April 1857 bis Ende 1859 beleuchtet. Den Vorschlag, an diesem fortschrittlichen amerikanischen Werk mitzuwirken, erhielt Marx im Frühjahr 1857
von Charles Dana, einem der Redakteure der Enzyklopädie und der „New-York Daily Tribüne" (siehe Marx' Brief an Engels vom 21. April 1857 und Engels' Antwortbrief vom 22. April 1857). In dieser für die Familie Marx sehr schweren Zeit hatte die Redaktion der „New-York Daily Tribüne", die sich auch sonst rücksichtslos zu ihren Korrespondenten verhielt, Marx praktisch auf halbes Honorar gesetzt, wobei sie sich auf ihre durch die Krise hervorgerufenen finanziellen Schwierigkeiten berief (siehe Marx' Briefe an Engels vom 24. März 1857 und um den 16. Januar 1858). Marx und Engels erklärten sich bereit, an der Enzyklopädie mitzuarbeiten. Sie sahen in ihrer Mitarbeit vor allem eine zusätzliche Existenzquelle für die Familie Marx (siehe z.B. Engels' Brief an Marx vom 22. April 1857). Gleichzeitig benutzten sie jedoch die Enzyklopädie, soweit das die Bedingungen eines bürgerlichen Werks und der begrenzte Rahmen eines enzyklopädischen Wörterbuchs zuließen, um ihre revolutionärmaterialistischen Ideen zu propagieren. Der Meinungsaustausch, den Marx und Engels über den Inhalt der Artikel für „The New American Cyclopaedia" und über die zahlreichen dafür benutzten Quellen führten, sowie die umfangreichen Auszüge, die sie sich gegenseitig in den Briefen übersandten, zeugen von ihrer wissenschaftlichen Gründlichkeit, mit der sie diese Artikel ausarbeiteten. Da die Artikel in der Enzyklopädie ohne Unterschrift erschienen, ist der Briefwechsel eine außerordentlich wichtige und in einigen Fällen sogar die einzige Quelle, um den Autor der Artikel festzustellen. Marx verfaßte hauptsächlich die Biographien von Militärs und Politikern. Die meisten Artikel jedoch, vor allen Dingen die zu militärgeschichtlichen und militärtechnischen Themen, wurden von Engels geschrieben.
[...] Von den in diesem Band neu aufgenommenen Briefen ist Marx' Brief an seine Frau Jenny vom 2I.Juni 1856 besonders interessant. Der Brief vermittelt uns die ganze Lauterkeit und Größe des Charakters von Marx und offenbart sein großes und tiefes Gefühl für seine Frau. Die in diesem Brief niedergeschriebenen Gedanken über die harmonische Vereinigung des Persönlichen und Gesellschaftlichen, des Geistigen und Alltäglich-Materiellen, über Liebe, Freundschaft und Treue haben einen tiefen philosophisch-ethischen Sinn und stehen in einer Reihe mit den Äußerungen großer Denker und hervorragender Vertreter der Weltliteratur.
In diesem Band werden auch erstmalig veröffentlicht die Briefe von Marx an Jenny Marx vom 8. August 1856, an Isaac Ironside vom 21. Juni 1856, an Max Friedländer vom 16. Mai 1859 und an Bertalan Szemere vom 26. September und 8. Oktober 1859 sowie der Brief von Engels an Marx vom 11. oder 12. September 1857. In den Beilagen zu diesem Band werden mehrere Briefe von Jenny Marx gebracht, die sie größtenteils im Auftrage von Marx geschrieben hat. Fünf dieser Briefe werden erstmalig veröffentlicht. Jenny Marx* Briefe gewähren einen Einblick in das schwere Leben, das die Familie Marx in der Emigration führte. Sie enthalten aber auch zusätzliche Hinweise über die gesellschaftlich-politische Tätigkeit von Marx und seine ökonomischen Studien. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU
Der Text des vorliegenden Bandes wird nach den Handschriften gebracht. Eine Ausnahme bildet Marx' Brief an den Redakteur der „Neuen Zeit" (siehe vorl. Band, S. 564), der nach der Veröffentlichung in diesem Blatt wiedergegeben wird. Die von Marx und Engels angeführten Zitate sind - soweit die Quellen zur Verfügung standen - überprüft worden. Fremdsprachige Zitate und fremdsprachige Sätze, Satzteile oder Wörter sind in Fußnoten übersetzt. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, modernisiert. Der Lautstand und die Silbenzahl der Wörter in den deutschsprachigen Texten wurden nicht verändert. Allgemein übliche Abkürzungen wurden beibehalten. Alle anderen im Original abgekürzten Wörter sind ausgeschrieben, wobei immer dann, wenn das abgekürzte Wort nicht völlig eindeutig ist, die vorgenommene Ergänzung durch eckige Klammern kenntlich gemacht wird. Alle in eckigen Klammern stehenden Wörter und Wortteile stammen von der Redaktion. Offensichtliche Druck- und Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert; in Zweifelsfällen wird in Fußnoten die Schreibweise des Originals angeführt. Die vollständig in fremden Sprachen geschriebenen Briefe wurden ins Deutsche übersetzt bzw. bereits vorhandene Übersetzungen gründlich überprüft. Dabei blieben jedoch alle eingestreuten Wörter aus anderen Sprachen original und werden in Fußnoten erklärt. Pseudonyme sowie Bei- und Spitznamen sind entweder durch Fußnoten oder durch Verweise im Personenverzeichnis erklärt.
Zur Erläuterung ist der Band mit Anmerkungen versehen, auf die im Text durch hochgestellte Zahlen in eckigen Klammern hingewiesen wird; außerdem sind ein Literaturverzeichnis, ein Personenverzeichnis, ein Verzeichnis der literarischen und mythologischen Namen sowie eine Erklärung der Fremdwörter beigefügt. Fernerhin enthält der Band ein Verzeichnis der Briefe, deren Daten von denen in der Marx-Engels-Gesamtausgabe abweichen. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED
KARL MARX und
FRIEDRICH ENGELS
Briefe Januar 1856 - Dezember 1859

*
Erster Teil
Briefwechsel zwischen Marx und Engels o
Januar 1856 - Dezember 1859

1856
1
Marx an Engels in Manchester
[London] 18. Januar 1856 28, Dean Street, Soho111
Lieber Frederic, Heute die 6te und definitive Medizinbottie geleert. Im ganzen wieder auf dem Strumpf, nur noch höchst perfide Hämorrhoiden. Cobdens Pamphlet131 habe ich nicht in meinen articles berührt, da ich ausschließlich mit der history der Danubian provinces1 und Schwedens viele lederne Spalten gefüllt131. Es ist mir sehr lieb, wenn Du den Cobden vornimmst. Ich werde noch kleinen Zusatz zu Deinem Artikel2 machen, sobald ich die 2te Ausgabe der „Times" gesehn. Ihr gestriges announcement as to the „uticonditional acceptance"3141 war reiner Börsenschwindel, der ihr viel Geld eingebracht hat. „The independence of the principalities under the common protection of the principal powers of Europe"4 schlug Catharine II. den Türken schon 1772 auf dem Kongreß von Fokschani151 vor. Auf der Bibliothek aufgefunden eine Schrift von Herrmann, 18435 in Deutschland erschienen. Der hat auf einer der deutschen Bibliotheken ein Manuskript des Feldmarschalls Münnich über den Krimfeldzug unter Anna161 aufgetrieben und mit Vorwort publiziert. Wenn es Dich interessiert, mache ich Dir Auszüge draus. Du wirst vielleicht in der „Augsburger" gesehn haben, daß Fallmerayer sehr preist den Muralt (Preisschrift, gekrönt von der Petersburger Akademie) über die Geschichte von Byzanz vom 6ten bis löten Jahrhunhundert171.
1 Geschichte der Donauprovinzen - 2 „Der europäische Krieg" - 3 Ihre gestrige Veröffentlichung hinsichtlich der „bedingungslosen Annahme" - 4 „Die Unabhängigkeit der Fürstentümer unter dem gemeinsamen Protektorat der europäischen Großmächte"-6 im Original: 1841
Bruno6 verschiedne Mal wiedergesehn. Die Romantik stellt sich mehr und mehr als „Voraussetzung" der kritischen Kritik heraus. In der Ökonomie schwärmt für die Physiokraten, die er mißversteht, und glaubt an die spezifischen Gnaden Wirkungen des Grundeigentums. Außerdem schätzt er hoch Adam Müllers, des deutschen Romanticus, ökonomische Träumereien181. In der Kriegswissenschaft sein summus princeps7 der „geniale" Bülow. Ich erklärte ihm, daß diese seine neusten Aufschlüsse mir volles Licht über seine saure Arbeit des Gedankens verschafft. As to Russia8 erklärt er: der alte Zustand im Westen müsse über den Haufen geworfen werden; das könne nur vom Orient her geschehn, da der Orientale allein wirklichen Haß besitzt, nämlich gegen den Okzidentalen, und Rußland die einzig kompakte Macht des Orients, besides9 das einzige Land in Europa, wo noch „Zusammenhang" existiert. Was unsre Illusionen von innern Klassenkämpfen betreffe, so hätten 1. die Arbeiter keinen „Haß"; 2. hätten mit dem Haß, wie sie ihn hätten, nie etwas ausgerichtet; 3, seien „Pöbel" (ohne Interesse für die Synoptiker'91) nur durch Gewalt und List zu bändigen und zu leiten; 4. mit einem Silbergroschen Zulage sei bei denen „allens" abgemacht. Wer übrigens nicht zu den „Nachkommen der Eroberer" gehört, könne überhaupt keine weltgeschichtliche Rolle spielen - ausgenommen auf dem theoretischen Feld. Und da sei denn in den letzten 16 Jahren allerdings etwas geschehn, m Deutschland allein, und zwar nur von Bruno. Er habe es dahin gebracht, daß die „wissenschaftliche" Theologie aufgehört m Deutschland zu existieren, dem einzigen Ort, wo sie existierte, und daß „Tholuck nicht mehr schreibe". Voiiä un resultat immense.10 Sonst ein vergnüglicher alter Herr. Denkt ein Jahr in England zu bleiben. Ich glaube, daß er darauf spekuliert, die „wissenschaftliche Theologie", die in Deutschland aufgehört hat, in England einzuführen. Humboldt erklärt er für einen kompletten Esel, weil der den ihm gebührenden Ruhm im Ausland fraudulös sich zugeeignet. Von wegen Deiner Ohren mußt Du dem alten Harvey schreiben. Er behandelt die Lina11 auch von der Ferne aus und hat sogar keinen Centime von ihr genommen, da er hörte, daß sie bloß governess in spe12. Einliegend der erste Report der Lina, den Du zurückschicken mußt. Ich schicke Dir einen Urquh[art]-Wisch1101, den sie mir vor Erscheinung des Blatts zugeschickt. Die „Enthüllungen" über die history of Chartism indeed13 höchst naiv, da Urquhart sich als englischen Polizeiagenten nach
6 Bruno Bauer - 7 größtes Vorbild - 8 Was Rußland betrifft - 9 außerdem -10 Das ist ein großartiges Resultat. - 11 Lina Schöler - 12 zukünftige Gouvernante - 13 Geschichte des Chartismus wirklich
weist, mit der Illusion, den Cicero gegen Catilina gespielt zu haben. Aus der Berliner „National-Zeitung" sehe ich, daß Bucher, preußischer Minister in spe, sogar die Urquhart-,,Philosophie" adoptiert hat und ihm Wort für Wort nachkäut. Das ist tres fort14 für einen German15. Salut. Dein K.M.
14 sehr stark - 15 Deutschen
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Engels an Marx in London1111
Manchester, 7. Februar 1856
Lieber Marx, Du wirst sehr böse auf mich sein, daß ich solange nicht geschrieben. Aber bis ich mit einer Reihe Comptoirarbeiten fertig bin, die mich noch ca. 14 Tage in Anspruch nehmen, bin ich kaum imstande, irgend andre Sachen im Kopf zu haben. Dazu plagt mich mein Alter schrecklich mit Garneinkaufen usw. für ihn, und ich muß ihm jede Woche mindestens zweimal privatim rapportieren. Beiliegend Panslawismus Nr. II, wo der mangelnde Inhalt durch die Länge der Phrase wenigstens einigermaßen aufgewogen wird. Mit Nr. III komme ich endlich in medias res1.1121 Du mußt jetzt regelmäßig den Pariser Korrespondenten des „Guardian" lesen, in Paris geht es sehr sonderbar zu. Der Korrespondent des „Examiner and Times" hat seit einigen Tagen noch mehr und bessere Details; ich wollte Dir die letzten Nrn. eben kaufen, aber sie waren alle vergriffen. Vielleicht kann ich sie von Belfield auftreiben. Der Bonaparte ist very fast on the decline.2 Daß der Dro.uyn de Lhuys in der offiziellen Senatsliste für dies Jahr fehlt, wirst Du gesehn haben, schwerlich, daß er neulich einem Orleanisten (wenn ich nicht irre Remusat) apropos eines eklatanten Oppositionsakts seine Karte hinterließ mit einem dicken Strich durch den Titel: vice-president du Senat3. Als neulich gegen die Studenten, die Monsieur Nisard nach Hause geleiteten, Infanterie requiriert wurde, nahmen die Truppen auf den Ruf: Vive la ligne!4 das Gewehr bei Fuß und mußten schleunigst entfernt werden, um die Fraternisation nicht zum fait accompli5 werden zu lassen. Die neuliche Verschwörung im Südwesten, weswegen 5000 Arrestationen (nach bonapartistischer Angabe) vorgenommen wurden, hatte große Ramifikationen6 in der Armee, die Unteroffiziersschule in La Fläche wurde komplett gesprengt, fast alle
1 zur Sache - 2 Mit Bonaparte geht es sehr schnell bergab. - 3 Vizepräsident des Senats 4 Es lebe die Armee! - 5 vollendeten Tatbestand - 6 Ausbreit ungen
Schüler waren drein und mußten zu ihren Regimentern zurückgeschickt werden, in fact, es soll große Mühe gekostet haben, sichre Regimenter zu finden, wohin man sie tun konnte. Als Bonaparte neulich mit Gemahlin7 im Odeon war, sangen die Studenten, die das Parterre füllten, den ganzen Abend den „Sire de France Boissy", besonders einige fatale Stellen intonierend. Die Arbeiter in Paris singen ein Liedchen, was den Refrain hat:
Voila qu'il part, voilä qu'il part, Le petit marchand de moutarde, Voilä qu'il part pour son pays Avec tous ses outils.8
Damit man ja wisse, wer der petit marchand de moutarde ist, hat die Polizei das Lied verboten. Das ganze freche Auftreten oppositioneller und direkt antibonapartistischer Gelüste und die entsprechende Schwachheit des Herrn Bonaparte beweisen, daß ein großer Umschwung im Gange ist. Mit den coup d'etat-Maßregeln[lsl geht es nicht mehr, man hat auch nicht mehr die Courage, sie anzuwenden. Daß auch die „Times" an 2 nacheinander folgenden Tagen erst den Bonaparte persönlich als einen reinen Notbehelf für Frankreich bezeichnet hat - because not one single man was to be found in which the nation could place its confidence and esteem9 - und dann seinen ganzen Generalstab von Ministern pp. als Schwindler und Spitzbuben charakterisiert, wirst Du gesehen haben. Im heutigen „Guardian" steht wieder eine schöne Geschichte vom Schuft Fiorentino, bonapartistischen Hoffeuilletonisten und Ritter der Ehrenlegion. Herr Espinasse ist auch aus Paris durchgebrannt, es sind Skandäler mit ihm vorgekommen, die ich wohl erst in 1-2 Tagen näher erfahren werde. Auch mit de Morny ist etwas im Gange, der Kerl hat sich mehr oder weniger mit seinem Herrn Bruder10 überworfen und intrigiert wieder auf eigne Faust. Dieser Bonaparte, dem früher alles, selbst das Dümmste, Feigste und Infamste so glücklich ausschlug, wird jetzt merken, daß ihm von nun an alles unglücklich geht. An der Kriegs- und Friedensgeschichte1141 merkt er's jetzt schon, jedermann lud ihm die Schuld am Kriege auf, niemand dankt ihm für die friedliche Wendung. Übrigens ist die Sache mit dem Frieden noch lange nicht abgemacht. Die Präliminarien zu den Präliminarien1151
7 Eug6nie - 8 Da zieht er hin, da zieht er hin, / Der kleine Mostrichverkäufer, / Da zieht er hin zu seinem Land / Mit allem seinen Tand. -9 weil kein einziger Mann zu finden war, in den die Nation ihr Vertrauen und ihre Achtung setzen konnte - 10 Napoleon III.
enthalten au fond11 nichts, außer der bessarabischen Klausel, und die wird aufgewogen durch die komplette Ignorierung von Kars1161. Alles andre enthält nichts als Scheinkonzessionen. Dem Bonap[arte] liegt übrigens gar nichts mehr dran, auf welche Bedingungen hin er Frieden macht; bei ihm geht et jetz um et Brot, wie weiland beim alten Dolleschall, und ich bin überzeugt, die Russen wissen das noch besser als er selbst. So komplett wie diesmal ist den Franzosen ihre gloire noch nie gleichgültig gewesen, man sieht, seit 1848 haben die Kerls sich doch mit andern Dingen beschäftigt, als mit der alten gloire oder dem parlamentarischen Geschwindel. Vor der FremdenbilF171 wären wir also glücklich vorbeigekommen - au train que les choses vont en France12, wird man sich bald an die Gelüste von Palmerston und Konsorten nicht mehr zu scheren haben. Diesen Sommer wird das bonapartistische Kartenhaus wohl in derselben Weise zusammenbrechen wie das louis-philippistische im Skandaljahr 1847, und wann dann der Windstoß kommt, der die Wände vollends umwirft, hängt bloß vom Zufall ab. Ich führe jetzt ein sehr nüchternes Leben, aber an dem Tage werd' ich mich wohl zum letztenmal in Manchester betrinken. Erzähl mir bald wieder was vom alten Bruno13, die neue romantische Wendung des Kerls ist zu amüsant. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
11 im Grunde -12 bei dem Lauf, den die Dinge in Frankreich nehmen -13 Bruno Bauer
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Marx an Engels in Manchester
[London] 12. Februar 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Frederic, Ich bin immer noch plus ou moins1 verfolgt von Staatshämore und entsprechender dullness2 der Gemütsart. Dazu hat mir Pieper noch eben aus der Musik der Zukunft118' einiges vorgespielt. C'est affreux3 und macht einem bange vor der „Zukunft" samt ihrer Poesiemusik. Auf dem Museum habe ich einige historische Entdeckungen über die ersten Dezennien des 18ten und das Ende des 17ten Jahrhunderts gemacht, bezüglich des Kampfes zwischen Peter I. und Charles XII. und der entscheidenden Rolle, die England in diesem Drama gespielt hat. Die auswärtige Politik der Tories und Whigs unterschied sich damals sehr einfach dahin, daß die erstem sich an Frankreich, die letztern an Rußland verkauften. Das Verkaufen verstand sich von selbst und wird von den gleichzeitigen Schriftstellern als „selbstverständlich" besprochen und ausgesprochen. William III. hatte von vornherein misgivings4 gegen Sa Majeste Czärienne6, wie sein Defensiv- und Offensivvertrag mit Charles XII. beweist. Unter ihm handeln die Minister gegen seine Tendenz. Von George I. an hatten die Whigs leichtes Spiel, da die electors6 von Hannover schon alberne Hauspolitik verfolgten und Verden und Bremen für die Brennpunkte des europäischen ,Interesses hielten. Es ist vielleicht weniger interessant, daß England hauptsächlich beitrug, Rußland zur baltic Power7 zu machen, als daß schon im Beginn des 18ten Jahrhunderts diese Politik denunziert und das künftige Wachstum des Muscovite empire8 mit einer merkwürdigen Präzision vorausgesagt ist. Trotz der beispiellosen Nachgiebigkeit und direkten Hülfe, die Peter bei den offiziellen Briten fand, mogelte er gleichzeitig mit dem Prätendenten9. Sein Leibarzt (Erskine), ein
1 mehr oder weniger - 2 Trübsal - 3 Das ist scheußlich - 4 Befürchtungen - 5 Seine Majestät den Zaren (Peter I.) - 6 Kurfürsten - 7 Ostseemacht - 8 Moskowitischen Reiches -9 Jakob Eduard (Jakob III.)
Verwandter des Comte de Mar, machte dabei den Vermittler. Die Hauptquellen zu dieser ganzen mysteriösen Historie sind: a) „Truth is Truth, as it is timed, or Our Ministrys present Measures against the Muscovite vindicated by Piain and Obvioüs reasons, tending to prove that it is no less the interest of Our British trade, than that of Our State that the Czar be not suffered to retain a Fleet, if needs must that he should [have] a Sea Port in the Baitick"10 etc. London 1719. Der Verfasser11 war von 1710-15 Gesandter in Petersburg und, wie er sagt: „dismissed the Service because the Czar desired it; for that he had learnt, that I had given Our Court such Light into his affairs as is contain'd in this Paper"12 etc. b) „Memoire presente ä Sa Maj. Britannique par M. Wesselowsky, Ministre de Sa Maj. Czar"13. London 1717. Verteidigungsschrift der Russen wegen ihrer Mogeleien mit dem Prätendenten, besonders merkwürdig, weil schon ganz der Stil (obgleich noch nicht ganz die Glätte) der Pozzo di Borgo und Konsorten118' und so Beweis, daß kein qualitativer Fortschritt in der russischen Diplomatie seit Pierre I. c) „The defensive treaty, concluded in the year 1700 between His late M. King William of Glorious Memory and His Present Swed[ish] Maj. King Charles XII." etc. to which some quenes are appended.14 (1716.) d) „The Northern Crisis, or Impartial Reflections on the Policies of the Czar..." „Parvo motu primo mox se attollit in auras"15. London 1716. Eins der außerordentlichsten Pamphlets, die je geschrieben worden. Hätte mit unwesentlichen modifications16 im Jahre 1853 erscheinen können. Enthält so wie a) und c) Nachweise der englischen Verräterei. In dem Postskript sagt der anonyme Autor: „I flatter myself, that this little History is of that curious Nature, and on Matters hitherto so unobserved, that I consider it with Pride, as a valuable
10 „Wahrheit ist Wahrheit, wie sie aufgezeichnet ist, oder: Die gegenwärtigen Maßnahmen unseres Ministeriums gegen den Moskowiter, gerechtfertigt durch klare und einleuchtende Gründe, die darauf hinzielen zu beweisen, daß es nicht weniger im Interesse unseres britischen Handels als in dem unseres Staates liegt, daß man nicht zuläßt, daß der Zar eine Flotte behält, selbst wenn er durchaus einen Hafen an der Ostsee haben sollte" - 11 George Mackenzie - 12 „verließ den Dienst, weil der Zar es wünschte; denn er hatte erfahren, daß ich unseren Hof über seine Affären so aufgeklärt hatte, wie es in dieser Schrift geschildert ist" -13 „Denkschrift, Seiner Britischen Majestät überreicht von Herrn Wesselowsky, Minister Seiner Majestät des Zaren" 14 „Der Defensivvertrag, abgeschlossen im Jahre 1700 zwischen Seiner dahingeschiedenen Majestät König Wilhelm glorreichen Angedenkens und Seiner gegenwärtigen Schwedischen Majestät König Karl XII." etc. mit einigen Fragen als Anhang. - 15 „Die Krise des Nordens, oder unparteiische Betrachtungen über die Politik des Zaren..." „Mit zuerst kleinem Anstoß erhob er sich in die Lüfte" (Vergil: Aeneis, 4. Buch. 176. Vers) - 16 Änderungen
New-Year's Gift to the present world; and that posterity will accept it, as the like, for many years after, and read it over on the Anniversary, and call it their Warning-Piece. I must have my Exegi Monumentum as well as others."17 e) „An Inquiry into the Reasons of the Conduct of Great Britain with Relation to the present State of Äffairs in Europa"1*. London 1727. Deswegen nur interessant, weil daraus zu ersehn, daß der spanische diplomatische chevalier d'industrie19 und spätere Minister Ripperda „had a very particular intimacy with the Russian minister"20 etc. Ebenso der andre Hauptschwindler in der damaligen diplomatischen Welt, Baron Görtz. f) „Tagebuch Peters des Großen vom Jahre 1698 bis zum Schlüsse des Neustädter Friedens, aus dem russischen Original übersetzt, so nach denen im Archive befindlichen und von Seiner Kaiserlichen Majestät eigenhändigen ergänzenden Handschriften gedruckt worden". Mit Vorbericht des russischen Herausgebers Fürst Michail Schtscherbatow (mepöaTOBt) (Petersburg, 2. August 1770), deutsch Berlin und Leipzig 1773. Obgleich Catharine II. dies Tagebuch natürlich vor dem Druck Zensur passieren ließ, so finden sich doch darin allerhand Bestätigungen der in den vorstehenden Pamphlets angegebnen facts. g) „Copies and Extracts of several letters written by the King of Sweden and his Ministers relating to the Negociations of Baron Görtz etc., published at Copenhagen by order of the King of Denmark"21. London 1717. h) „Letters which passed between Count Gyllenborg, the Baron Görtz, Sparre etc.", published by authority.22 London 1717. g) und h) sind natürlich allen Historikern wohlbekannt, es fehlt ihnen aber der Schlüssel zum Verständnis derselben. Beide Publikationen drehn sich besonders um den Plan, den Charles XII. aus Rache gegen England gefaßt hatte, mit einer schwedischen Armee an der englischen Küste zu landen und den Prätendenten zu proklamieren.
" „ Ich schmeichle mir, daß diese kleine Schilderung von jener seltsamen Art ist und von bisher so unbemerkten Dingen handelt, daß ich sie mit Stolz als eine wertvolle Neujahrsgabe an die Gegenwart betrachte; und daß die Nachwelt sie noch nach vielen Jahren als eine solche annehmen und sie am Jahrestag von neuem lesen und sie ihre Mahnschrift nennen wird. Ich muß mir ein Denkmal setzen so gut wie andere." - 18 „Eine Untersuchung der Gründe der Haltung Großbritanniens hinsichtlich der gegenwärtigen Lage in Europa" - 19 Glücksritter 20 „eine ganz besondere enge Verbindung mit dem russischen Minister unterhielt" -21 „Kopien und Auszüge aus verschiedenen Brief en des Königs von Schweden und seinen Ministern bezüglich der Verhandlungen des Barons Görtz etc., veröffentlicht in Kopenhagen auf Befehl des Königs von Dänemarli - 22 „Briefe, die zwischen dem Grafen Gyllenborg, Baron Görtz, Sparre etc. gewechselt wurden", veröffentlicht mit amtlicher Erlaubnis.
Neben diesen Pamphlets noch eine Reihe andrer Schriften, die sich gelegentlich auf die schwedisch-englisch-russische Geschichte beziehn, oder englische Pamphlets, die vom schwedischen Gesandten Gyllenborg nachweisbar inspiriert sind, wie z.B. „Remarks on Mr.Jackson's Memorial etc."23 Zu welchen Mitteln die Whigs ihre Zuflucht nahmen, kannst Du daraus sehn, daß sie verbreiteten, „that the King of Sweden was a Roman Catholic and that the Czar was a good Protestant"24. Es muß jedem auffallen, daß die Engländer während jener Zeit so einen lächerlichen Lärm machten wegen der Compagnie des Indes25, die Ostreich in Ostende bildete, während sie dem Peter förmlich ihre Flotte zur Verfügung stellten und ihm halfen, seine Häfen in der Ostsee gründen. Dabei geht aus den Klagschriften der englischen Baltic merchantsz6 der damaligen Zeit hervor, daß Herr Peter keineswegs sanft mit ihnen umging. England war auch die erste europäische Großmacht, die seinen /Caisertitel anerkannte etc. Vor allem beweisen die oben angeführten Pamphlets, daß man keineswegs aus Illusion oder Ignoranz handelte. Folgende Anecdotes aus den „Memoiren der Schwester Friedrich des Großen" über Peter werden Dich amüsieren. Peter und die Czarine besuchen sie zu Potsdam. „La Czarine debuta par baiser la main ä la reine qu'il voulut embrasser, mais eile le repoussa. Elle lui presenta ensuite le duc et la duchesse de Mecklenbourg qui les avaient accompagnes et 400 soi-disant dames qui etaient a sa suite. C'etait pour la pilupart, des servantes allemandes, qui faisaient les fonctions de dames, de femmes de chambre, de cuisinieres et de blanchisseuses. Presque toutes ces creatures portaient chacune sur les bras un enfant nchement vetu; et lorsqu'on leur demandait, si c'etaient les leurs, elles repondaient en faisant des salamalecs ä la Russienne: Le Czar m'a fait l'honneur de me faire cet enfant. La reine ne voulut pas saluer ces creatures"etc.27
23 „Bemerkungen über Herrn Jacksons Denkschrift etc." -24 „daß der König von Schwedenein Katholik und der Zar ein guter Protestant wäre"-25 Indischen Kompanie -2S Ostseekaujleute 27 „Die Zarin begann damit, der Königin die Hand zu küssen, die er [der Zar] umarmen wollte, sie wehrte ihn aber ab. Sie stellte ihr dann den Herzog und die Herzogin von Mecklenburg vor, welche sie begleitet hatten, und 400 sogenannte Damen, die in ihrem Gefolge waren. Größtenteils waren dies deutsche Dienstboten, welche die Geschäfte von Damen, Kammerfrauen, Köchinnen und Wäscherinnen verrichteten. Fast jedes dieser Geschöpfe hatte ein reich gekleidetes Kind auf dem Arme, und wenn man sie fragte, ob es die ihren wären, so antworteten sie, indem sie tiefe Verbeugungen auf russische Art machten: Der Zar hat mir die Ehre gezeigt, mir dieses Kind zu machen. Die Königin wollte diese Geschöpfe gar nicht grüßen" usw.
In einem der Zimmer in Potsdam stand ein Priap „dans une posture tres indecente. Le Czar admira cette statue beaucoup et ordonna ä la Czarine de la baiser. Elle voulut s'en defendre, ll se fächa et lui dit en allemand corrompu: Kop ab... La Czarine eut si peur qu'elle fit tout ce qu'il voulut. II demanda sans fa^on cette statue et plusieurs autres au roi qui ne put les lui refuser"28 etc. Die Curiosa, die ich auf dem Museum aufgetan, möchte ich an den Mann bringen. Für eine Zeitung sind sie zu retrospektiv. Ich will mich daher an „Putnam" wenden. Du mußt mir aber vorher schreiben, für wann die „improvements in modern warfare"29 fertig sein können, da Pfutnam] natürlich erst die bestellte Ware verlangen wird, eh' er sich auf neuangebotne einläßt. Die französischen Geschichten haben mich sehr interessiert, und ich bitte Dich, mir den „Examiner" zu schicken, so oft er Ahnliches enthält. Der „Guardian" ist hier bei Wylde. Die Zeitungsschreiberei ist jetzt sehr lästig, da in England selbst nichts vorgeht und die Wendung in den ökonomischen Verhältnissen noch sehr unklar ist. Das Entscheidende hierin sind für den Moment die Börsenschwindeleien, worüber einem das nötige Material fehlt. Bruno30 seit der Zeit ein- oder 2mal wiedergesehn. Der Bursche hat offenbar einen Plan, da er sans sous31 zu seinem eher frere32 gekommen ist. Er ist durch und durch altjunggeselhg, ängstlich für seine Konservation und Präservation bedacht und nicht ohne einige geheime misgivings33 über sein Verhältnis zur Gegenwart. Nach und nach fängt er an zu entdecken, daß London ein merkwürdiger Platz ist, daß es daselbst „Gegensätze zwischen arm und reich" gibt, und was dergleichen andre „Entdeckungen" sind. Seine Vornehmtuerei und Abgetansein mit der Welt auf der einen Seite und seine kindische Neugier und bäuerliche Überraschung über everything und anything34 andrerseits bilden einen keineswegs erquicklichen Kontrast. Er ochst jetzt hauptsächlich Englisch. Sobald ich wieder ein Rendezvous mit ihm habe, werde ich Dir darüber berichten. Salut. . Dein K.M.
28 „in einer sehr unanständigen Stellung. Der Zar bewunderte diese Statue sehr und befahl der Zarin, sie zu küssen. Sie wollte sich dagegen wehren, er ward aber böse und sagte in gebrochenem Deutsch zu ihr: Kop ab... Die Zarin hatte so große Furcht, daß sie alles tat, was er verlangte. Er begehrte nun ohne Umstände diese Statue und mehrere andere vom Könige, der sie ihm nicht verweigern konnte" - 29 „Fortschritte in der modernen Kriegführung" 30 Bruno Bauer-31 ohne einen Pfennig-32 lieben Bruder (Edgar Bauer)-33 Befürchtungen 34 alles und jedes
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Marx an Engels in Manchester
13. Februar 1856 28, Dean Street, Soho, London
Dear Fred, Wie Imandt mir schreibt, geht Heise einem allmählichen Erlöschen entgegen, infolge des zu vielen „01s", das er auf die Lebenslampe geschüttet. Im[andt] selbst knurrt bedeutend über die Schotten, bei denen es unmöglich, mehr als 12 Stunden zu brauchen, um ihnen Deutsch beizubringen, welche Schikanen auch immer man anwende. Die Kerls sind aus Geiz dem „Begreifen" zugetan. Aber das große Ereignis, das Ereignis wegen dessen ich diese zweite Epistel hart auf dem Fuß der ersten folgen lasse, ist das Ereignis Seiler. Du weißt, wie die Auspizien dieses Sebastian Nothanker aussahen zur Zeit Deiner Anwesenheit hier. Der alte Greengrocer1 zeigte sich rather2 unerbittlich, und Seiler selbst, mit dem glücklichen Instinkt, der ihn bezeichnet, fand bald heraus, daß es überhaupt töricht sei, an 200 £ zur Abtragung der Vergangenheit, statt zur Schmierung der Räder der Zukunft zu depensieren. Faßt also den heroischen Entschluß, dem Schwiegervater anzuzeigen, er solle keinen Gläubiger zahlen, vielmehr ruhig zusehn, falls er gesperrt würde. Er wolle dann durch den court of insolvency3 passieren, und so gereinigt, neuen Lebenslauf mit Hülfe des Alten beginnen. Der Alte fand dies sehr praktisch. Den Seiler kitzelte dabei die Aussicht, in die crapuleuse4 Gesellschaft der Queen's Bench1201 eingeweiht, mit reichlichen Zufuhren von Frau und Schwiegermutter versehn, offne Tafel zu führen und nebenbei sein unsterbliches Werk über Alexander 11. zu vollenden - bestehend aus Auszügen aus der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitun]g", die er mit einem zweideutigen Syrup überschmiert hat. Das Geschäft ward also aufgebrochen, at once5. Eine goldne Zeit des farniente6 und der sog. „Geschäftsgänge" nach der Stadt begann. Die sonderbare Verlegenheit bestand
Grünkrämer - 2 ziemlich - 3 das Konkursgericht - 4 liederliche - 5 sofort - 6 Nichtstuns
nun darin, daß trotz der Warrants7, die gegen ihn ausgenommen waren, und trotz der ostentatious exhibition8 seiner werten Person in den Straßen von London, kein einziger Gläubiger Anstalt machte, Sebastiani sich zu bemächtigen. Der alte Greengrocer, dessen Glauben an die „Persönlichkeit" seines Schwiegersohns keineswegs infolge dieser seiner Unverletzbarkeit stieg, sagte ihm, es sei nun Zeit, das Haus zu räumen und sich mit seiner Frau in eine ferne cottage zurückzuziehn. Während des Akts des Ausräumens wurde ein Teil der Möbel noch von wachsamen Gläubigern konfisziert, u. a. 7 Paar Stiefel, dem Sebastian zugehörig, Sebastian trug selbst Sorge, daß auch die „cottage" kein Geheimnis blieb, indem es keineswegs sein Plan war, mit der Gattin Kartoffel ein zurückgezognes Stilleben zu führen. Kurz und gut, er intrigierte so viel mit der Kartoffel und der Schwiegermutter und dem Greengrocer, daß beschlossen ward, ihn nach der „neuen Welt" zu senden - of course9 New York - wo er seine Gattin nachkommen lassen soll, sobald er sich eine „Position" erobert. Die Frage hängt jetzt - er soll diese Woche abreisen - an der Zahl der £, die er als Reisegeld mitnehmen soll. Er verlangt 60 £. Der Greengrocer hält die Hälfte für hinreichend. Sebastians Plan ist, von Amerika aus eine 5-Pfundnote nach der andern aus der teuren Gattin herauszupressen, seinen Bauch zu pflegen, seine „Kaspar Hauser" und Alexander II. zu edieren und als Strohwitwer niemals der süßen Trennungswehmut von der Kartoffel verlustig zu gehn. Kurios würde es sein, wenn schließlich doch noch ein Gläubiger ihn auffinge. Jedenfalls hat er es erreicht, auch England als „finanzieller" Flüchtling zu verlassen, nur in mehr respektablen circumstances10 als Deutschland, Belgien und die Schweiz. Sein Plan war, daß Pieper ihn als Gesellschafter begleiten sollte. Pieper war nur scheinbar auf diesen Plan eingegangen, um sich eines Teils der 7 Paar Stiefel zu bemächtigen, worin ihm jedoch die broker11 zuvorkamen. Vor einigen Abenden saß Pieper hier im Haus und gab den Kindern Unterricht, als unten der postman12 an die Tür knockte13. Ein Brief für Pieper von weiblicher Hand. Einladung zu einem Rendezvous. Da er die Hand nicht kannte und ebensowenig die Unterschrift, wiegte er sich in großen Erwartungen und gab meiner Frau den Brief zu lesen. Diese erkannte in der Unterschrift sogleich das alte irische dicke Saumensch, unsre ExAmme, die selbst nicht schreiben kann und daher den Brief sich von dritter Hand hatte schreiben lassen. Du kannst Dir denken, mit welchem Gelächter
7 Haftbefehle -8 prahlerischen Zurschaustellung-9 natürlich -10 Umständen -11 Pfändungsbeamten - 12 Briefträger -13 klopfte
Fridolin14 gekitzelt wurde. Er hielt indes sein rendezvous mit der „cow"15. Das also sind seine „adventures"16. 0 König Wiswamitra, was für ein Ochs bist Du!f21) Vergiß den Panslawismus1121 nicht. Salut. Dein K.M.
14 Wilhelm Pieper - 16 „Kuh" - 16 „Abenteuer"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29. Febr. 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels, Ich hatte während der ganzen Woche zum Besuch hier den G. Levy aus Düsseldorf, den die dortigen Arbeiter als Legatär hergesandt. Er ist erst gestern abgereist und nahm meine ganze freie Zeit so in Beschlag, daß ich trotz des besten Willens nicht dazu kam, Dir zu schreiben. Ich werde Dir weiter unten über die teilweis wichtigen Mitteilungen berichten, deren carrier1 er war. Von den 3 Büchern, die Du verlangtest, hatte Norgate and Williams keins ready2. Ich habe das „Siegeslied Igors"1-221 bestellt, wollte Dir aber vorher über die beiden andern berichten. Dobrowskys „Slavin", Ausgabe von Hanka, entspricht in keiner Art den Erwartungen, die sein Titel erregt. Das Buch zerfällt in 2 Teile, wenn nicht der Anordnung, doch dem Inhalt nach, nämlich: 1. Kleine essays über slawische Sprachforschung, die nach den neuern Forschungen höchstens noch ein antiquarisches Interesse besitzen können (z.B. Probe aus dem Windischen neuen Testament, slawenische Deklination, über die slawenische Übersetzung des alten Testaments etc.). 2. Ein jeden polemischen Stachels ermangelnder Versuch, den Charakter der slawischen Völker in integrum zu restituieren3. Dies geschieht durch Auszüge aus verschiednen Werken, meist aus deutschen Schriften. Folgendes ist der Katalog dieser Aufsätze, die das corpus des Buchs konstituieren1231: Slawische Völker. (Aus Herders „Ideen" etc.) Sitten der Kroaten. (Aus von Engels „Geschichte von Dalmatien, Croatien, Slavonien". Halle 1798.) Sitten und Gebräuche der Illyrier, der Morlaken etc. (Aus ditto.) Charakter der Illyrier. (Aus Taubes „Beschreibung des Königreichs Slavonien". Leipzig 1777.)
erbringer - 2 zur Hand - 3 vollständig wiederherzustellen
Die Tracht der Illyrier. (Aus Hacquets „Beobachtungen auf einer Reise nach Semlin".) Prokops Schilderung der Slawen und Anten. (Aus Stritters „Geschichte der Slawen nach den Byzantinern" in Schlözers „Allgemeine Nordfische] Geschichte".) Auszüge aus des Herrn Prof. B.Hacquets „Abbildung und Beschreibung der südwest- und östlichen Slawen". Volkstümliches der Russen. (Aus Dupre de St.Maure: „Observations sur les moeurs et les usages russes". Paris 1829. 3 vol.) Charakter und Kultur der Slawen im Allgemeinen. (Aus Schaffarik: „Geschichte der slawischen Sprache" etc. Ofen 1826.) Dies ist ungefähr alles. Angehangen ist in tschechischer Sprache: „Der böhmische Cato", „aus einer alten Handschrift, die der selige Voigt in Act[a] lit[erarial beschrieben hat". Dobrowsky schreibt in einem knotenhaft gutmütigen und naiven Stil, mit der höchsten Kordialität gegen seine „seligen" oder noch lebenden deutschen Kollegen. Das einzige, was mir interessant in dem „Slavin" schien, sind die paar Stellen, worin er die Deutschen direkt als die Väter der slawischen Geschichts- und Sprachforschung anerkennt. In bezug auf Sprachforschung zitiert er u.a. „Schlözer, Vorschlag zu einer allgemeinen vergleichenden slawischen Sprachlehre und Wörterbuch"1241. Ferner: „Schlözer, Vorschlag, das Russische vollkommen richtig und genau mit lateinischer Schrift auszudrücken". Uberhaupt erscheint „Herr Hofrat Schlözer" als der Patriarch, als dessen Schüler sich die andern bekennen. „Schlözers Nestor: Ein unentbehrliches Werk für jeden, der sich mit der kritischen Behandlungsart der slawischen Geschichte überhaupt und der russischen Annalen insbesondre bekannt machen will." Von Voigts „Geschichte Preußens": „War der erste, der die Böhmen mit den Denkmalen des Altertums bekannt machte."1251 Werden sonst zitiert: „Johann Leonhard Frischens Programmen von der slawischen Literatur" 1727-1736, „der die Geschichte mehrer slawischer Mundarten erläutert hat". „Slawischer Bücherdruck in Würtenberg im löten Jahrhundert. Ein literarischer Bericht von Chr. Friedr. Schnurrer, Prof. in Tübingen, 1799" - „sehr schätzbares Buch, das die schönsten und wichtigsten Beiträge zur Geschichte des windischen und kroatischen Bücherwesens enthält". Sonst noch zitiert: Schlözer: „Allgemeine] Nordische] Geschichte". Joh.Christoph de Jordan: „De originibus Slauicis opus etc." Wien 1745, fol.
2. P.P.Gelasiw Dobner, ad Hajek: „Annales Bohemorum". Prag 1761 und 63. (Schlözer sagt davon: primus delirare desiit4.) Stritter: „Memoriae popul[orum] ad Danubium e Script. Byzant[inis]". Petersburg 1774. Gercken: „Versuch in der ältesten Geschichte der Slaven". Leipzig 1771. Gatterers „Einleitung in die synchronistische] Universalhistorie". Göttingen 1771, und Gebhardi: „allgemeine] Welthistorie", 1789. Von allen diesen Werken nur die Titel mit Ausnahme der oben ausgezognen Urteile. Voila le „Slavin".5 Was das 3te Werk betrifft, so ist sein Titel: Dr. M.W.Heffter: „Der Weltkampf der Deutschen und Slaven seit dem Ende des 5ten Jahrhunderts", 1847 (kostet 7 sh.). Der Verfasser gesteht in der Vorrede selbst, daß er eigentlich nur genau und originell bewandert ist in der slawischen Geschichte, soweit sie das preußische „Vaterland" betrifft. Von den 481 Seiten des Buchs werden über 3/4 eingenommen von der Periode vom Ende des 5ten Jahrhunderts bis 1147. Der Rest geht nur gelegentlich und ganz kursorisch über das 13te oder gar 14te Jahrhundert hinaus. Nach diesem avis, das ich Dir über die beiden Schriften gegeben, erwarte ich nun Deine ordre, sie zu bestellen oder nicht. Von Heffter ist ferner noch erschienen: „DasSlawentum". Leipzig 1852. (45 Seiten oder so.) Bildet das lOte Bändchen der bei Brockhaus erscheinenden „Unterhaltungen, Belehrungen etc." Populäre Zusammenfassung slawischer Geschichte. Aus diesem Büchelchen habe ich ersehn, daß Nicolas im Jahre 1849 durch Ukase „allen seinen Untertanen die Beteiligung am Panslawismus aufs strengste verboten hat". Im Museum habe ich 5 Foliobände Manuskripte über Rußland - (nur über das 18te Jahrhundert) aufgetrieben und ausgezogen. Sie gehören zum Nachlasse des Archdeacon6 Göxe, der wegen seines Sammlerfleißes bekannt ist. Enthalten viele Originalbriefe (bisher noch ungedruckt) der englischen Gesandten in Petersburg an das hiesige Kabinett, worunter manche very compromising indeed7. Aus dem Jahr 1768 befindet sich ein Manuskript dadrunter von einem der Gesandtschaftsattaches über „den Charakter der russischen Nation". Ich werde Dir einige Auszüge darausschicken. Von einem Vetter Pitts8, Gesandtschaftskaplan, ebenfalls ein interessanter Bericht über die russischen „Arteis". Die neusten französischen Schriften sind mit wenigen Ausnahmen fast alle panslawistisch tingiert, obgleich antirussisch. So Desprez, besonders
4 der erste, der aufgehört hat zu faseln - 6 Das ist der „Slavin". - 6 Archidiakonus (Würdenträger der katholischen Kirche) -7 in der Tat sehr bloßstellend - 8 L. K.Pitt
aber Cyprien Robert, der 1848 zu Paris ein Journal herausgab: „LaPologne. Annales contemporaines des peuples de l'Europe Orientale etc." Von demselben Mann erschienen u.a.: „Les Slaves de Turquie, edition de 1844, precedee d'une introduction" etc. 8°, Paris 1852. Ferner: „Le Monde slave, son passe, son etat present et sön avenir". Paris 1852. Ein Pariser Schriftsteller9, dessen nom de guerre10 Edmond ist, soll aber ein Pole sein, bildet Ausnahme, insofern er eine höchst giftige Schrift gegen die russischen Prätentionen auf Sozialismus, über ihre Commune etc. publiziert hat. Es ist mir bisher nicht möglich gewesen, die Schrift aufzutreiben. Ich werde in der „Revue des deux Mondes" nachsehn, wo sich Auszüge daraus befinden sollen. Ich hatte den Brief heut angefangen mit der Absicht, Dir eine Unmasse Klatsch zu schreiben. Da ich aber auf einen Abweg geraten bin und die Zeit drängt, so will ich das für morgen lassen und mich für heute nur mit der Mitteilung begnügen, daß Heise (wie Imandt schreibt) infolge der spirituosa einem schnellen Ende zugehn soll; daß der Tabaks- und FlüchtlingsOswald, der kein Wort Französisch weiß, als Professor der französischen Sprache am Londoner University College angestellt ist; daß Ruges Freunde verbreiten, er habe die „Wassersucht", obgleich er wahrscheinlich nur einen Wasserkopf hat; daß einige gediegne deutsche Männer (Faucher, Meyen, Frank, Tausenau etc.) sich morgen bei Gastwirt Kerb versammeln, um zu einer entente cordiale11 über das', was dem Vaterland not tut, zu kommen, und daß „Meyen" die „Hoffnung" ausgesprochen hat, Bucher „zur Teilnahme" an dieser Konsultation bewegen zu können; schließlich, daß Proudhon kgl. kaiserl. französischer Eisenbahndirektor geworden ist. Salut. Dein K.M.
9 Charles Edmond Chojecki -10 Pseudonym -11 freundschaftlichen Übereinkunft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5.März 1856 28, Dean Street, Soho
Dear Frederic, Ich werde nächste Woche den Heffter näherer Prüfung unterwerfen. Ist Material drin, so bestelle ich ihn. Ein sehr miserables Buch ist: Eichhoff: „Histoire de la langue et de la litterature des Slaves". Paris 1839. Außer dem grammatischen Teil, den ich nicht beurteilen kann (auffällt mir aber, daß die Litauer und Letten für Slawen erklärt werden. Ist das nicht nonsense?), ist das andre meistenteils Plagiat aus Schaffarik. Der Kerl gibt auch Proben in den Originalsprachen, nebst französischer Übersetzung, von den Nationaldichtungen der Slawen. Darunter fand ich dann auch Igors Expedition1221. Die Pointe des Gedichts ist eine Mahnung der russischen Fürsten zur Einigkeit, grad' vor dem Einfall der eigentlichen Mongolenbanden. Sonderbar ist eine Stelle in dem Gedicht: „Voici les jolies filles des Gothes entonnent leurs chants au bord de la Mer noire."1 So daß hienach die Geten oder Goten den Sieg der türkischen Polovcenen1261 über die Russen gefeiert hätten. Das ganze Lied ist christlich-heroisch, obgleich die heidnischen Elemente noch stark durchschimmern. Dagegen ganz polemisch und fanatisch gegen die Deutschen ist das böhmische Heldenlied Zaboi (Samo?) in der Sammlung der heroischen Dichtungen der Böhmen, herausgegeben in deutscher Übersetzung von Hanka und Swoboda.12,7^ Scheint gegen einen deutschen capitano2 des Dagobert gerichtet, den die Böhmen klopften. Aber ebensosehr Rachegeschrei gegen das Christentum als die Deutschen, denen unter anderm in sehr naiv-poetischer Form vorgeworfen wird, daß sie die braven Böhmen zwingen wollen, mit einer einzigen Frau vorliebzunehmen. Von Volkspoesien, deren die Polen keine haben, außer dem „Gebet des Adalbert" an die Mutter Gottes, habe ich sonst noch gefunden:
1 „Siehe, die schönen gotischen Jungfrauen erhoben ihren Gesang am Ufer des Schwarzen Meeres." - 2 Hauptmann
Götze: „Fürst Wladimir und seine Tafelrunde"1281, 1819. „Stimmen des russischen Volkes", 1828. Kapper (Siegfried): „Slavische Melodien". Leipzig 1844. Von demselben: „Die Gesänge der Serben", 1852. (Vollständiger als [die] der Jakob1291.) Endlich von Vuk Stephanowitsch: „Serbische Hochzeitslieder". Deutsch von E.Wesely. Pest 1826. Schriften, die mir aufgefallen sind und die ich noch nächste Woche für Dich durchsehn will, nebst dem Cyprien3 und Desprez: „Südslavische Wanderungen im Sommer 1850". 2 Bde. Leipzig 1851[301. (Ist auch ins Englische übersetzt.) „Betrachtungen über das Fürstenthum Serbien". Wien 1851. „Die serbische Bewegung in Südungarn". 1851 Berlin. „Slawismus und Pseudomagyarismus. Von aller Menschen Freunde, nur der Pseudomagyaren Feinde". Leipzig 1842. „Die Beschwerden und Klagen der Slaven in Ungarn". Leipzig 1843. Ich erinnere mich nicht, ob die „N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" in Manchester. Sie ist jetzt sehr interessant. Die preußische Regierung hat jetzt, wie L[udwig] XVIII. früher, ihre chambre introuvable1311 gefunden, und es fängt jetzt der bürokratischen Regierung an, bange vor den Krautjunkern zu werden, die ihren Sieg ernsthaft nehmen. Bei Behandlung der ländlichen Gemeinde-, Gerichts- und Grundeigentumsverhältnisse, wo es, wie der alte Dolleschall sagt, „ums Brot geht", werden die Kollisionen in der preußischen Kammer ernsthaft. Du wirst gesehn haben u.a., daß Graf Pfeil für die Grundherrn das Privileg in Anspruch nahm, ihre Leute durchprügeln zu lassen, und sich solcher von ihm selbst begangnen Heldentaten rühmte. Die Linke hat nun Maueranschläge vom Jahr 1848, unterschrieben von demselben Pfeil im Jahre 1848 und ganz im Ton „des Tolljahrs"1321 gehalten, ausgegraben. Es ist zu Duellen zwischen beiden Seiten gekommen, und heute enthält die „N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" einen leader, einen Leitartikel, worin sie rundheraus sagt: es gebe „verworfne Schufte" in ihrer Partei, wie es sehr „edle" Leute in der liberalen Partei gebe. Sie predigt „Milde", „Versöhnung", „Kampf der Prinzipien, aber keine Persönlichkeit". Die Linke möge bedenken, daß „der Berg die Gironde immer auffresse"1331. Sie möge erwägen, daß, „Frieden oder nicht, Preußen sehr große Wirren, innere oder äußere, bevorständen", und daß „Parteispaltung" in diesem Moment „Selbstmord" sei. Ist das nicht köstlich? Und dabei kräht kein Hahn in Preußen um die Kammer und ihre Spaltungen. Um so wichtiger dies Geständnis der Furcht. Vater Leo hat vor dem Könige4 eine
3 Cyprien Robert - 4 Friedrich Wilhelm IV.
Vorlesung über Münzer gehalten (abgedruckt zum Teil in der „Nfeuen] Preußischen]"). Man möchte sagen, daß sie direkt gegen Deinen Aufsatz5 in der „Revue der Nfeuen] Rheinischen] Z[eitung]"1341 gerichtet ist. Die Reformation muß natürlich von dem Vorwurf befreit werden, die Mutter der Revolution zu sein. M[ünzer] war ein „Schwarmgeist", der sagte: „intelligo ut credam"6. Luther sagte: „credo ut intelligam"7. Die „Spenersche" hat geantwortet: Luther habe in spätem Jahren die elende Rolle, die er politisch gespielt, bereut etc. Du siehst, daß die Gärung selbst in der offiziellen Schicht durchbricht." Apropos der Reformation, so hat Ostreich doch von vornherein die Grundlage zur Gefährlichkeit der Slawen gelegt, wo alle Stämme, außer den Russen, reformatorisch gesinnt waren. Mit der Reformation die Ubersetzung der Bibel in alle slawischen Volksdialekte. Damit allerdings Erwachen der Nationalität. Andrerseits tiefe Allianz mit dem protestantischen deutschen Norden. Hätte Ostreich diese Bewegung nicht unterdrückt, so war in dem Protestantismus sowohl die Grundlage für das Uberwiegen des deutschen Geistes als ebensoviel Wälle gegen das griechisch-katholische Rußland aufgeführt. Ostreich hat die Deutschen in allen Dreck hereingeritten und in Deutschland, wie im Osten, den Russen vorgearbeitet. Hast Du die Parlamentssitzung vom letzten Freitag gelesen1351, worin Evans dem Palmerston vorwirft, er habe ihn vor 31/2 Monaten von wegen Kars1161 gewarnt, dieser sich aber ungläubig gestellt; worin er erzählt, daß Panmure in der Depesche, worin er dem Simpson schreibt: „You are nominated successor of Raglan"8, hinzufügt: „Take care of Dowb!"9 Der unglückliche Simpson schreibt zurück: „Repeat your despatch"10 und nun Panmure, „LordCarnot", wie ihn Evans nennt, „talce care of Dowbiggin", einen seiner Vettern; worin endlich Lord Hamilton den Evans bezüchtigt, er habe nach der Schlacht von Inkerman1361 dem Raglan geraten, Kanonen und trenches11 im Stich zu lassen und die englische Armee einzuschiffen. Vorgestern machte der arme Evans „amende honorable"12.[37] Der Verrat in Kars scheint ziemlich klar aus der Schrift eines gewissen Swan1381, der eben vom Orient zurückkehrt, hervorzugehn, Verrat nicht während der letzten Tage, sondern vorher, um die Situation herbeizuführen. Nun zu Seiler. Selbiger ist vor etwa 3 Wochen mit dem Southampton Steamer13 nach Amerika geschifft, da der Sheriff anfing, ihn zu verfolgen,
„Der deutsche Bauernkrieg" - 6 „Ich begreife, um zu glauben" - 7 „Ich glaube, um zu begreifen" - 8 „Sie sind zum Nachfolger Raglans ernannt" - 9 „Tragt Sorge für Dowb!" 10 „Wiederholen Sie Ihre Depesche" -11 Laufgräben -12 „öffentliche Abbitte" -13 Dampfer
mit dem festen Vorsatz, von Halifax aus an die „New-Yorker Staatszeitung", an der er früher mitschrieb, zu telegraphieren: „Sebastian Seiler, der berühmte Verfasser des ,Kaspar Hauser', ist glücklich an der Westseite des Atlantischen Ozeans gelandet." Der große Mann hat hier zurückgelassen seinen Alexander II., 55 Seiten, meist Auszüge aus der Afugsburger] „Allgemeinen] Zfeitung]", von dem ihm eine Kopie sofort nachgeschickt werden mußte. Er soll nämlich auf beiden Seiten des Ozeans erscheinen. Mit diesem Wischwasch hat er großen Humbug getrieben, seine Frau, Schwägerin etc. daran abschreiben lassen, so daß sie alle über den „eisernen" Fleiß des poor14 Sebastian bewildert15 waren und sind. Die Negoziationen mit den Londoner Buchhändlern über diesen Alexander II. dienten dazu, seine „Geschäftsgänge" nach London, wo er täglich die Qualität des Lobster16 und andrer Wesen, u.a. auch des französischen „Omelette" genau untersuchte, gelehrt zu übertünchen. Außer diesem Alexander hat er noch andern Gestank zurückgelassen. Du erinnerst Dich, daß Liebknecht einen Wechsel für ihn gezeichnet, von der törichten Illusion geködert, daß Seiler ihm einige Pfund von dem Diskontierten ablassen würde. Der Wechsel ward fällig, aber nicht präsentiert. Seiler renommierte, daß er ihn gezahlt. Er hatte ihn nur erneuert. Zwei Tage nach seiner Abreise erhält Liebknecht Brief von einem Advokaten aus der City: er solle den Wechsel zahlen. Pieper, den die grünbebrillte Schwägerin Seilers seiner gläsernen Augen wegen liebt, zum Greengrocer17 entsandt. Schrecken in der family. Sebastian hatte nämlich schon das Geld zur Zahlung des Wechsels erhalten, aber es hinuntergegurgelt. Die Liebe überwindet indes alles, und seine Frau ist überzeugt, daß sie nur einmal, und zwar nur von Sebastian Liebe beanspruchen kann. Sie sucht also zu arrangieren. Der Greengrocer aber ernst und düster, täglich aufgeklärter über die whereabouts of his dear son-in-law18. Die Sache schwebt noch. Unterdes laufen täglich neue, angeblich eingelöste Wechsel ein. Levg.W Von den Düsseldorfer Arbeitern hergesandt in doppeltem Auftrag. 1. Denunziation Lassalles. Und ich glaube, nach sehr scharf er Examination, daß sie recht haben. L[assalle], seit die Gräfin19 ihre 300 000 Taler erhalten'401, ganz umgewandelt; die Arbeiter absichtlich zurückstoßend, Sybarit, mit den Blauen kokettierend. Sie werfen ihm ferner vor, daß er beständig die Partei für seinen Privatdreck ausgebeutet und die Arbeiter selbst zu Privatverbrechen benutzen wollte im Interesse des Prozesses. Der
14 armen -15 verblüfft -16 Hummers sohnes -19 Sophie von Hatzfeldt -17 Grünkrämer-18 Absichten seines lieben Schwieger
Prozeß kam so zu Ende: Der Geschäftsführer des Grafen Hatzfeldt, Stockum, von dem Du weißt, daß er später vor den Assisen zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt, hatte sich mit dem Grafen überworfen. Er ließ Lass[alle] wissen, daß er Dokumente besitze, die den Grafen wegen Meineid, Fälschung etc. in die Ketten bringen würden. Lass[alle] verspricht ihm 10 000 Taler. Lass[alle] andrerseits überredet den Oberprokurator Kösteritz (der wegen dieser Affaire gezwungen worden, seinen Abschied zu nehmen), den Grafen Hatzfeldt wissen zu lassen, ein Anklageakt liege gegen ihn vor. Hatzfeldt brennt schon durch nach Paris, als L[assalle] ihm die verfänglichen Papiere auf Unterzeichnung des Vergleichs mit der Gräfin hin einhändigt und den Anklageakt zurücknimmt. (Kösteritz handelte natürlich rein als sein instrument.) Also nicht sein juristischer Scharfsinn, sondern eine ganz gemeine Intrige hat das plötzliche Ende des Prozesses herbeigeführt. Die 10 000 Taler an den Stockum zahlte L[assalle] nicht, und die Arbeiter sagen mit Recht, ein solcher Treubruch sei nur zu entschuldigen, wenn er die Gelder der Partei überhändigt, statt sie für die Gräfin zu ertrügen. Sie erzählen eine Masse Privatgemeinheiten, die ich nicht reproduzieren kann, weil ich eine über der andern vergessen. U.a.: Lassalle spielte in fremden Staatspapieren mit dem Düsseldorfer Scheuer, der ihm die Gelder dazu vorstreckte. Sie verloren. Scheuer machte unterdes Bankrott. L[assalle] gewinnt den Prozeß. Sch[euer] verlangt das Geld, das er dem L[assalle] vorgeschossen. Dieser verweist ihn höhnisch auf einen §6 des Code", worin das Spielen auf fremden Börsen verboten. Die Arbeiter sagen, sie hätten L[assalle] alles hingehn lassen, auf den Vorwand hin, daß er nun einmal ehrenhalber in den Prozeß involviert. Jetzt, wo er gewonnen, statt sich von der Gräfin seine Arbeit zahlen zu lassen und sich unabhängig zu machen, lebe er schmählich unter ihrem Joch als homme entretenu, without any pretext whatever20. Er habe immer renommiert, was er tun wolle, sobald der Prozeß gewonnen. Er werfe sie jetzt als überflüssige Instrumente absichtlich herausfordernd beiseite. Einem (privaten) Meeting habe er noch beigewohnt, Neujahrstag, weil ein französischer Oberst zugegen. Zum allgemeinen Erstaunen habe er vor 60 Arbeitern von nichts gesprochen als „Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei", westmächtlich gen Rußland. Sein Plan sei gewesen, nach Berlin zu gehn, dort den großen Herrn zu spielen und Salon zu eröffnen. Er habe, bei seiner Rückkehr von dort, der Gräfin in Gegenwart Levys versprochen, „ihr einen Hof von Literaten" zu schaffen. Er habe, ebenfalls in Gegenwart Levys,
20 ausgehaltener Mann, ohne jede Beschönigung
beständig seine „Diktatorgelüste" (er scheint sich ganz anders zu nehmen, wie wir ihn nehmen; er hält sich für weltbezwingend, weil er rücksichtslos in einer Privatintrige, als ob ein wirklich bedeutender Mensch 10 Jahre einer solchen Bagatelle opfern würde) geäußert etc. etc. Wie gefährlich er übrigens: um einen Mann von der Arbeiterpartei als Scheinspion in die Polizei zu schmuggeln, hat er ihm einen meiner Briefe gegeben, von dem er sagen solle, ihm habe er denselben gestohlen, um sich so zu legitimieren. Die Arbeiter sagen ferner: Bei seiner diplomatischen Manier würde er nicht so schroff gegen sie aufgetreten sein, wenn er nicht direkt bezwecke, zur Bürgerpartei überzugehn. Er traue sich indes genug Einfluß zu, im Moment einer Insurrektion sie beschwatzen zu können, wenn er auf den Tisch steige, die Massen harangiere etc. So groß, sagt Levy, sei der Haß gegen ihn, daß, was immer wir beschließen möchten, die Arbeiter ihn massakrieren würden, befände er sich im Moment der Bewegung in Düsseldorf. Sie seien übrigens überzeugt, daß er zur rechten Zeit sich anderseitig verfügen würde, falls ihm Verdächtiges zu Ohren komme. Dies alles ist nur einzelnes, herausgehört und strichweise fixiert. Das Ganze hat auf mich und Freiligrath einen definitiven Eindruck gemacht, so sehr ich für L[assalle] eingenommen war und so mißtrauisch ich gegen Arbeiterklatsch bin. fch habe dem Levy gesagt: Es sei natürlich unmöglich, auf den Bericht einer einzigen Seite hin zu einem Schluß zu kommen; Verdacht sei unter allen Umständen nützlich; sie sollten fortfahren, den Mann zu überwachen, aber jeden öffentlichen Eklat einstweilen vermeiden; wir würden vielleicht Gelegenheit finden, den Lassalle zu zwingen, eine klare Stellung einzunehmen etc. etc. Qu'en pensez-vous?21 Auch Lupus* Ansicht möchte ich wissen. 2. Der 2te Zweck von Levys Sendung war, mir Aufschlüsse über die Arbeiterverhältnisse in der Rheinprovinz zu geben. Die Düsseldorfer Arbeiter stehn noch mit den Kölnern, wobei sich „keine Herrn" mehr befinden, in Verbindung. Die Hauptpropaganda besteht aber jetzt in den Fabrikarbeitern in Solingen, Iserlohn und Umgegend, Elberfeld und dem Herz[oglich]-Westfälischen. In den Eisendistrikten wollen die Kerls mit Gewalt losschlagen und sind nur mit Aussicht auf französische Revolution und damit, daß „die Londoner die Zeit noch nicht gekommen glauben", zurückzuhalten. Sollte sich die Sache noch lang hinziehn, so glaubt L[evy], daß eine Erneute schwerlich zu verhindern sein wird. Unter allen Umständen aber würde eine Pariser Insurrektion das Signal geben. Die Leute scheinen
21 Wie denkst Du darüber?
des festen Glaubens, daß wir und unsre Freunde gleich im ersten Moment zu ihnen eilen werden. Sie fühlen natürlich das Bedürfnis politischer und militärischer Chefs. Das ist nun keineswegs den Leuten zu verdenken. Ich fürchte aber, daß bei ihren höchst naturalistischen Plänen sie viermal kaputt gemacht sind, eh* wir möglicherweise auch nur England verlassen haben. Jedenfalls schuldet man ihnen, von militärischem Gesichtspunkt aus genau darzustellen, was tubar und untubar ist. Ich habe, of course22, erklärt, daß wir, falls die Verhältnisse es erlaubten, uns bei den rheinischen Arbeitern einstellen würden; daß jede Erneute auf ihre Faust, ohne Initiative in Paris oder Wien oder Berlin, Blödsinn; daß, falls Paris das Signal gebe, es gut sei, unter allen Umständen alles zu riskieren, da dann selbst eine momentane Niederlage nur momentan üble Folgen haben könne; daß ich mit meinen Freunden ernstlich zu Rate gehn würde über die Frage, was in der Rheinprovinz direkt von der Arbeiterbevölkerung aus zu machen, und daß sie in einiger Zeit wieder nach London senden sollten, aber nichts tun, ohne vorherige Verständigung. Die Rotgerber von Elberfeld (oder Barmen?), die 1848 und 49 ganz reaktionär, sind jetzt besonders revolutionslustig. Levy hat mir versichert, daß Du persönlich bei den Arbeitern im Wuppertale als „ihr" Mann betrachtet wirst. Am Rhein scheint übrigens der Glaube an Revolution in Frankreich ziemlich verbreitet und selbst die Philister sagen: Diesmal geht's anders wie 1848. Diesmal kommen Lüt' wie Robespierre etc. statt der Schwätzer von 1848. Das Ansehn der Demokratie ist am Rhein wenigstens sehr low23 gefallen. Salut. Dein K.M.
22 natürlich- 23 tief
7
Engels an Marx in London
Manchester, 7. März 56
Lieber Marx, Sehr verbunden für den ausführlichen Brief ad Slavica1. Eichhoff ist als philologischer Schwindler, der den Klaproth (der doch noch etwas wußte) noch überschwindelt hat, mir schon früher bekannt gewesen. Die Geschichte mit den Goten im „Igor"[221 werde ich nachsehn, wenn ich das Buch erhalten, indes ist etabliert, daß eine Anzahl Goten bis ins 10. und vielleicht 11. Jahrhundert in der Krim sitzen geblieben sind; wenigstens figurieren sie in den byzantinischen [Quellen] als Goten. Kannst Du mir Titel und Preis der böhmischen Sammlung von Hanka und Swoboda'271 verschaffen? Sie wird zwar gewiß sehr unkritisch sein, beide sind komplette Esel. Polnische Volkslieder sind in den 40er Jahren irgendwo gedruckt worden. Götze, „Wladimir"'281 pp. habe ich in Grimms Übersetzung von Wuk, „Serbische Grammatik", zitiert gefunden, mit der Bemerkung: „leider ohne den russischen Text".. Kapper ist ein Prager Jud, der die „Südslavischen Wanderungen" im konstitutionellen Blatt aus Böhmen Anno 1848/49 schrieb, ein Belletrist, ob seine Übersetzungen was taugen, kann ich nicht sagen, j'en doute cependant2. Die serbischen Hochzeitslieder hat die Jakob alle übersetzt.1291 Die von Dir angeführten politischen Schriften über die ungarischen und türkischen Serben wären wohl der Mühe wert, eben anzusehn, wenn sie im Museum sind. Die ,,N[eue] Preußische Zeitung]" ist nicht in Manchester, doch hab' ich die Pfeilsche Geschichte in der „Kölner" und „Augsburger" verfolgt und mein Gaudium dran gehabt. Dagegen war mir der bußfertige leader3 der „N. Pr." natürlich neu; gar zu schön ist die plötzliche Einsicht, daß Adel und Bürgerschaft trotz allem feudalen Flitter au fond4 heute eins sind. Was Du über Ostreich wegen der Slawen und des Protestantismus sagst, ist ganz richtig. Glücklicherweise hat sich in der Slowakei ein sehr starker Protestantismus erhalten, der sehr zur Untätigkeit der Slowaken gegen die
1 über das Slawische - 2 ich zweifle jedoch daran - 3 Leitartikel - 4 im Grunde
Ungarn beitrug, und in Böhmen wird jede ernsthaft-nationale Bewegung außer der proletarischen auch noch eine starke hussitisch-remimszenzliche Beimischung erhalten, so daß dadurch das spezifisch Nationale geschwächt wird. Schade ist's um die slowenischen Bauern, die sich im 15. Jahrhundert so famos schlugen. Die Karsgeschichte werde ich durchlesen, wie heißt die Schrift von Swan™? Die Seilenade nimmt ja einen allen Menschen, nur nicht Liebknecht und dem greengrocer5 erwünschten H[ergan]g6. Einen faulen Blick in den Sumpf usw. Lassalle. Es wäre schade um den Kerl, seines großen Talents wegen, aber diese Sachen sind doch zu arg7. Er war immer ein Mensch, dem man höllisch aufpassen mußte, als echter Jud von der slawischen Grenze war er immer auf dem Sprunge, unter Parteivorwänden jeden für seine Privatzwecke zu exploitieren. Dann diese Sacht, sich in die vornehme Welt einzudrängen, de parvenir8, wenn auch nur zum Schein, den schmierigen Breslauer Jud mit allerhand Pomade und Schminke zu übertünchen, waren immer widerwärtig. Indes, das waren alles bloß Sachen, die bloß zum scharfen Aufpassen nötigten. Wenn er aber solche Historien aufstellt, woraus direkt eine Parteischwenkung hervorgeht, so kann ich's den Düsseldorfer Arbeitern gar nicht verdenken, wenn sie diesen Haß gegen ihn fassen. Ich geh' heute abend zu Lupus und lege ihm die Sache vor. Getraut hat keiner von uns je dem Lassalle, man hat ihn aber gegen Dummheiten, von H.Bürgers herrührend, natürlich in Schutz genommen. Meine Ansicht ist, daß man alles so gehn läßt, wie Du es den Düsseldorfern vorgeschrieben. Kann er zu einem direkten overt fact9 gegen die Partei gebracht werden, so haben wir ihn. Das scheint aber noch zu fehlen, und Skandal wäre ohnehin ganz am unrechten Ort. Die Geschichte mit der Hatzffeldt] und den 300 000 Talern war mir ganz neu, ich dachte, sie hätte bloß ein Monatliches oder jährliches. Daß er dem Hatzfeldt die schwarz und gelbe Jacke erspart, ist ihm nie zu vergeben. Auf die übrigen Geschichten komme ich zurück. Dein F. E.
5 Grünkrämer -G Papier beschädigt-7 siebe vorl. Band, S. 26 - 28 -8 emporzukommen -v offenkundigen Schritt
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Marx an Engels in Manchester
[London] Dienstag [25. März 1856]
Lieber Engels, In einem nächsten Brief Antwort auf Dein letztes Schreiben. Heute nur eine Anfrage, von der ich wünsche, daß Du sie womöglich umgehend beantwortest. Ich habe heute keinen Artikel an die „Tribüne" geschickt, weil ich mit dem Durchlesen des Blue Book über Karst41] nicht fertig wurde - es geriet mir erst spät gestern abend in die Hand. Ich habe meinen Artikel1421 Freitag abzusenden, gleichzeitig mit dem, den ich von Dir erwarte. Nun ad rem: Ein großer Teil des Blue Book ist rein militärischer Natur; Du kannst später sehn, ob was damit zu machen ist. Aber über einen Punkt wünsche ich Deine kritische opinion1, da er wesentlich auch für die politisch diplomatische Seite der Sache, und ich darüber schon in dem Freitagartikel sprechen muß. Die Türken schlugen Ende Juni vor, eine Hülfsarmee nach Redut Kaie zu schicken, um von da auf Kutais etc. zu operieren. Die englische Regierung ihrerseits wollte Entsatztruppen über Trapezunt nach Erzerum schicken, wie es scheint, Kars als unwesentlichen Punkt aufgebend und Erzerum als Zentrum des Widerstands betrachtend. Jedenfalls wurde mit dieser Streitfrage die zum Handeln günstige Zeit unwiderruflich gekillt. Damit Du fully2 über die question3 informiert bist, füge ich hier die entscheidenden Extracts4 zu. Stratford de Redcliffe to Clarendon. 28. June, 1855. „The Turkish ministers, who had talked of sending 10 000 men from Batoum to Erzeroum, now, in their embarrassment, incline to another plan. They propose to form an entrenched camp at Redoute-Kaleh, and to concentrate there the corps of General Vivian - completed by a draft of 10 000 men from the Bulgarian army - that of General Beatson, and the detachment from Batoum, reduced to 7000 men. The total of these combined forces would be about 30 000 of all arms. Stationary they might
1 Meinung - 2 vollständig - 3 Frage - 4 Auszüge
operate as a diversion in favour of the army at Kars or Erzeroum; advancing by Kutais or Georgia they might either attack the Russians in the rear or force them to retreat."5 Id. to id., 30. June, 1855. „The meeting which I had previously announced, took place this morning at the Grand Vizier's house on theBosphorus. In addition to his Highness, the Seraskier and Fuad Effendi were present. I was accompanied by Brigadier-Generell Mansfield... It appears, that the Russians advancing from Gumri with an amount of force varying from 20 - 30 000, had presented themselves before Kars; that a partial engagement of Cavalry had taken place, followed two days later by an attack, which had been repulsed, on the part of the enemy, and that the town was threatened with a siege... It was clear, to all present, that whether the Russians besieged or turned Kars, the Turkish army required an effort to be made for its relief with all practicable dispatch, and that of 3 possible modes of acting for that purpose, the only one likely to prove effective was an expedition by Kutais into Georgia. To send reinforcements by Trebizond would be at best a palliative. To establish an entrenched camp at Redoute-Kaleh, would, at this unhealthy season, be equivalent to' consigning the troops to destruetion. The real question was, whether a force numerically sufficient, and in all respects effective, could be collected in time at Kutais to make an excursion into Georgia and threaten the communications of the Russian army... The Turkish ministers proposed that the expeditionary force should be composed of 12 000 men from Batoum and the neighbouring stations; of the troops made over to General Vivian, and estimated at 10 000 of all arms; of General Beatson's Irregulär Cavalry, of 10 000 men to be detracted from the army in Bulgaria as the complement of the Turkish contingent; of 5000 more derived from the same source; of an Egyptian regiment of horse now here, and of another regiment expected from Tunis. To these the
5 Stratford de Redcliffe an Clarendon. 28. Juni 1855. „Die türkischen Minister, die davon gesprochen hatten, 10000 Mann von Batum nach Erzerum zu entsenden, neigen jetzt in ihrer Verlegenheit zu einem andern Plan. Sie schlagen vor, bei Redut Kaie ein verschanztes Lager anzulegen und dort das Korps General Vivians durch ein Kontingent von 10 000 Mann aus der bulgarischen Armee auf die volle Stärke gebracht -, das Korps General Beatsons sowie das auf 7000 Mann reduzierte Detachement von Batum zu konzentrieren. Insgesamt würden diese vereinigten Streitkräfte ungefähr 30 000 Mann aller Waffengattungen ausmachen. Von diesem Standort aus könnten sie als eine Ablenkung zugunsten der Armee in Kars oder Erzerum operieren; indem sie über Kutais oder Georgien vorrücken, könnten sie entweder die Russen im Rücken angreifen oder sie zum Rückzug zwingen."
3 Man/Enget», Werke, Bd. 29
Seraskier proposed to add 2000 Albanians by way of riflemen. These several forces... would present a total of 44 000 men, not perhaps to be reckoned with prudence at more than 36 000 effectives."6 Id. to id., l.July, 1855. the proposed diversion at Redoute-Kaleh originated with the Porte."7 Clarendon to Stratford de Redcliffe. July 13. 1855. „...Her Majesty's government are of opinion, that the wiser course would be to send reinforcements to the rear of the Turkish army, instead of sending an expedition to the rear of the Russian army. The reinforcements might go to Trebizond, and be directed from thence upon Erzeroum. The distance from Trebizond to Erzeroum is less than that from Redoute-Kaleh to Tiflis, and the march is through a friendly instead of through a hostile country; and at Erzeroum the army would meet supporting friends instead of opposing enemies, and supplies instead of famine. If the army at Kars cannot maintain that position against the Russians, it will be easier to
8 Derselbe an denselben, 30. Juni 1855. „Die von mir bereits angekündigte Zusammenkunft fand heute morgen im Hause des Großwesirs am Bosporus statt. Außer Seiner Hoheit waren der Seraskier und Fuad Effendi zugegen. Ich wurde von Brigadegeneral Mansfield begleitet... Es scheint, daß die in einer Stärke von 20-30 000 Mann von Gumri vorrückenden Russen sich vor Kars gezeigt hätten und daß es zu einem Teilgefecht der Kavallerie gekommen sei, dem zwei Tage darauf ein vom Feind zurückgeschlagener Angriff gefolgt und die Stadt von Belagerung bedroht sei... Allen Anwesenden war es klar, daß, ob die Russen nun Kars belagerten oder es umgingen, die türkische Armee zu ihrer Entsetzung aller im Bereich des Möglichen liegenden Anstrengungen bedurfte und daß zur Erreichung dieses Zweckes von drei Aktionsmöglichkeiten die einzige Erfolg versprechende eine Expedition über Kutais nach Georgien sei. Die Entsendung von Verstärkungen über Trapezunt wäre bestenfalls ein Notbehelf. Ein verschanztes Lager zu errichten, hieße bei der gegenwärtig ungesunden Jahreszeit, die Truppen der Vernichtung preisgeben. Die ^eigentliche Frage war, ob eine zahlenmäßig ausreichende und in jeder Hinsicht einsatzfähige Streitkraft rechtzeitig in Kutais konzentriert werden könne, um einen Zug nach Georgien zu unternehmen und die Verbindungen der russischen Armee zu bedrohen... Die türkischen Minister schlugen vor, daß die Expeditionsarmee aus 12 000 Mann von Batum und den benachbarten Standorten, aus den General Vivian unterstellten Truppen, die auf 10 000 Mann aller Waffengattungen geschätzt werden, aus General Beatsons irregulärer Kavallerie, aus 10 000 Mann, die von der Armee in Bulgarien zur Ergänzung des türkischen Kontingents abgezogen wurden, aus weiteren 5000 gleicher Herkunft, einem ägyptischen Reiterregiment, das sich zur Zeit hier befindet, sowie einem weiteren aus Tunis erwarteten Regiment gebildet werden soll. Zu diesen schlug der Seraskier vor, 2000 albanische Schützen hinzuzufügen. Diese verschiedenen Streitkräfte... würden sich auf insgesamt 44 000 Mann belaufen - vorsichtig gerechnet vielleicht nicht mehr als 36 000Einsatzbereite." 7 Derselbe an denselben, 1. Juli 1855. „... die vorgeschlagene Ablenkung bei Redut Kaie ging von der Pforte aus."
defeat them by the whole force collected, than by divided portions of that force; and a defeat would be the more decisive, the further it took place within the Turkish frontier. Trebizond is a place where supplies of all kinds might be landed etc."8 Id. to id., 14.Jtdy, 1855 (Telegraphic). „The plan for reinforcing the army at Kars contained in your despatch of the 30th June and 1 st inst., is disapproved. Trebizond ought to be the base of Operations, and if the Turkish army of Kars and Erzeroum cannot hold out at the latter place against the Russians, it might fall back on Trebizond, where it would easily be reinforced."9 Id. to id., 16-July, 1855. „If, indeed, Omer Pasha... should determine to take any part of his own army, with Tunisians and Albanians to Redoute-Kaleh, Her Majesty's government would have nothing to say to that proceeding, but as regards the contingent under General Vivian and General Beatson's Horse, Her Majesty's government abide by their opinion that they should be directed through Trebizond or Erzeroum."10
8 Clarendon an Stratford de Redcliffe. 13. Juli 1855. „... die Regierung Ihrer Majestät ist der Ansicht, es wäre klüger, Verstärkungen in das Hinterland der türkischen Armee statt einer Expedition in das Hinterland der russischen Armee zu senden. Die Verstärkungen könnten nach Trapezunt gehen und von da nach Erzerum dirigiert werden. Die Entfernung von Trapezunt nach Erzerum ist geringer als die von Redut Kaie .nach Tiflis, und der Weg geht durch befreundetes und nicht durch Feindesland. In Erzerum würde die Armee hilfreichen Freunden und nicht widersetzlichen Feinden begegnen und Vorräte vorfinden statt Hunger. Kann die Armee in Kars diese Position gegen die Russen nicht halten, so wird es leichter sein, sie durch die ganze vereinigte Streitmacht zu schlagen als durch einzelne ihrer Teile; und eine Niederlage würde um so entscheidender sein, je weiter sie innerhalb der türkischen Grenzen stattfände. Trapezunt ist ein Ort, wo alle Arten von Ausrüstungen ausgeschifft werden könnten etc." 8 Derselbe an denselben, 14. Juli 1855 (Telegraphisch). „Der Plan zur Verstärkung der Armee in Kars, der in Ihren Depeschen vom 30. Juni und vom 1. dieses Monats enthalten ist, wird mißbilligt. Trapezunt sollte die Operationsbasis bilden, und wenn die türkische Armee von Kars und Erzerum letzteren Platz gegen die Russen nicht behaupten kann, so mag sie sich auf Trapezunt zurückziehen, wo sie leicht verstärkt werden könnte." 10 Derselbe an denselben, 16. Juli 1855. „Wenn Omer Pascha sich wirklich... entscheiden sollte, einen Teil seiner eigenen Armee mit Tunesiern und Albaniern nach Redut Kaie zu führen, so hätte die Regierung Ihrer Majestät zu einem solchen Vorgehen nichts zu bemerken; was aber das Kontingent unter General Vivian und General Beatsons Kavallerie anbelangt, so beharrt die Regierung Ihrer Majestät auf Ihrer Meinung, daß sie durch Trapezunt oder Erzerum geführt werden sollten."
Lord. Panmure to General Vivian, 14. July, 1855. „... I place such füll reliance on your professional ability, that I feel no anxiety lest you should undertake any expedition of a nature so wild and ill-digested as that contemplated by the Porte... A coup de main by means of suddenly throwing an army on the coast to threaten, or even to attack an enemy's stronghold, is one thing, but a deliberate expedition to invade an enemy's country, and on his own territory to make war upon him, is quite another."11 Ich gestehe, daß Ciarendons Strategie und der feine Unterschied, den Lord Panmure Carnot zugunsten des Sewastopol „coup de main" gegen den türkischen Plan einer strategischen Bewegung in Georgien macht, mir höchst kurios vorkommen. Also, womöglich, antworte über diese Punkte umgehend. Salut. Dein K.M.
11 Lord Panmure an General Vivian, 14. (im Original: 18.) Juli 1855. „... ich setze ein viel zu festes Vertrauen in Ihre Fachkenntnis, um besorgt zu sein, daß Sie sich auf eine Expedition von so abenteuerlicher und verworrener Art einlassen könnten, wie sie die Pforte vorschlägt... Ein Handsireich, mit dem man plötzlich eine Armee an die Küste wirft, um eine feindliche Festung zu bedrohen oder gar zu attackieren, ist etwas ganz anderes als eine wohlüberlegte Expedition mit dem Ziel, in ein feindliches Land einzufallen und den Feind auf seinem eigenen Gebiet zu bekriegen."
9
Marx an Engels in Manchester
[London] 10. April 1856
Dear Frederic, Es ist hohe Zeit, daß ich wieder schreibe. Ich bin durch allerlei Häusliches davon abgehalten worden. Einliegend 1 Brief von Levy aus Düsseldorf an mich, der in dem Briefe erwähnte Touroute ist französischer Excolonel1. Er war gestern m meiner Abwesenheit in meinem Hause, und so werde ich ihn vor einigen Tagen nicht zu Gesicht bekommen, da er nach Liverpool abgereist ist. Er hatte längere Unterredung mit meiner Frau, deren Quintessenz sich in Einlage 2[4S1 findet, von Madame selbst redigiert. Der in Levys Brief erwähnte M. ist Miquel. In ein paar Tagen erhältst Du den angekommenen „Igor"t221; russischdeutsch; das Blue Book1411; Destrilhes: „Confidences sur la Turquie" und einen Ausschnitt aus dem „L'Homme", den ich verlegt habe und daher heute nicht mitschicken kann, nämlich einen Brief von einem in Cayenne befindlichen deporte2 namens Tassilier an M. le Ministre de la Marine3, worin die furchtbaren Schweinereien Boustrapas1441 gegen die Deportierten bloßgelegt sind.1451 Das Blue Book hättest Du längst erhalten, aber d'abord4 war ich durch die pressure5 der Tagesereignisse mehrmals gezwungen, meine Artikel1421 über diesen Gegenstand zu unterbrechen und über andre Themata zu schreiben, so daß ich das Buch nicht missen konnte. Dann kamen die Dir bekannten Freunde, die wenigstens auf einen Tag die novelty6 zu haben wünschten und nach einer Woche sie noch nicht zurückerstattet hatten. As to these Kars papers7, so hat die „Times" m 3 fulminanten Leaders8 den Teil derselben abdeklamiert, der von August 1854 - about9 Februar 1855 geht, d.h. die wirklich interessante und entscheidende Epoche gar nicht berührt. Der Zweck dabei natürlich, vom Ministerium alle respon
1 Ex-Oberst - 2 Deportierten - 3 den Minister der Marine - 4 zunächst - 6 den Druck 6 Neuheit - 7 Was diese Karsdokumente betrifft - 8 Leitartikeln - 9 ungefähr
sibility10 abzuwälzen auf Redcliffe und die türkischen Paschas in Asien: Das schönste dabei, daß die englische Regierung, wie Du aus Destrilhes sehn wirst, das lausige türkische Ministerium Redcliffe gewaltsam am Ruder hielt, daß die Schweinereien, worüber Williams klagt, teils protegierte, teils veranlaßte. Dies alles indes Nebensache. Ich habe durch einen ähnlichen Prozeß wie den bei Stieber angewandten - nämlich Nachweisung von falsified dates and forged passages11 [46) -, nach meiner Ansicht unwiderleglich den Plan und die konsequente Ausführung desselben - Kars fallen zu machen - dem britischen government12 nachgewiesen, das diesmal noch das Glück hatte, Bonaparte gegenüber sich als eifrig „für die Sache" figurieren machen zu können. Auf das eigentlich Militärische, i.e. die Defence of Kars13, bin ich, of course14, nicht eingegangen, habe indes einige misgivings15 über die „Größe" des Williams Jones, dem ich mein Manuskript16 mitgeteilt, bezweckt, if possible17, d.h. wenn er die Gelder für Martin's Hall1471 auftreibt, lecture18 über den fall of Kars in besagtem Lokal zu halten, bevor die Parlamentsdebatte darüber beginnt. There is now going on a bitter controversy between the Chartists and the Urquh'artites at Newcastle upon Tyne, London, Birmingham, and several other places.19'481 Du wirst wissen, daß Jones, mit Finlen als Schatten, sich zum Diktator des Chartismus proklamiert hat und eine neue Organisation eingerichtet hat, die, indeed20, im Wachsen begriffen ist, andrerseits aber auch großen Sturm der Entrüstung gegen ihn hervorgerufen.'491 In der Rheinprovinz und Berlin scheint die von Frankreich aus hereingedrungene „Spekulation auf die Spekulation" - nicht in Ideen, sondern Aktien - so schlimm zu grassieren wie jenseits des Rheins. Jammertöne über dies soziale mischief21 und Betörung sind formuliert in des Ministeriums ,,Pr[eußischer] Correspondenz". There is seriously and emphatically22 angespielt auf die „unvermeidliche" allgemeine Geldkrise in nächster Zukunft. Du weißt, daß Heine tot ist, aber Du weißt nicht, daß Ludwig Simon von Trier über sein Grab gepißt hat - ich wollte sagen, sein Wasser abgeschlagen - in der New-Yorker „Neuen Zeit" des quondam23 Löwen des
10 Verantwortung - 11 gefälschten Daten und erfundenen Stellen - 12 Regierung - 13 Verteidigung von Kars - 14 natürlich - 15 Befürchtungen - 16 „Der Fall von Kars" -17 wenn möglich - 18 Vortrag - 19 Es ist jetzt ein erbitterter Streit im Gange zwischen den Chartieten und den Urquartisten in Newcastle upon Tyne, London, Birmingham und in verschiedenen anderen Städten. - 20 in der Tat - 21 Unheil - 22 Dort wird ernst und nachdrücklich - 23 einstmaligen
nach Stuckert retirierten Parlaments teutscher Nation1501. Der Dichter oder Minnesinger des Judenweibs Hohenscheiße-esche oder -linden von Frankfurt a.M. findet natürlich, daß Heine kein Dichter war. Er hatte „kai Gemiet", war voller „Bausheit" und verleumdete nicht nur Kobes I, sondern sogar Bernes24 Fraindin, des graußen Bernes „Mause", Muse oder Möse, die Straußin251511. Hier existiert a society for the protection of small tradesmcn26. Diese society gibt einen Wochenwisch zu selbiger Protection heraus27. In dieser Wochenschrift prangt unser Freund Seiler „nebst Gattin" als „swindler"28. But29 größre Dinge sind auf dem Tapet. Pieper, der aus Genialität seit Januar wieder als Freibeuter gelebt und trotz den nicht unbedeutenden subsidies30, die er von mir erhielt, jeden Tag auf dem qui vive mit seiner landlady31 lebte, bildet sich ein, plötzlich, es fehle ihm ein kleines Kapital, um ein großer Mann zu werden. Seilers sister-in-Iaw32, 2te Tochter des Greengrocers33, ein Talglicht, das eine grüne Brille trägt, seit langer Zeit sterblich in besagten Pieper verliebt. Die ganze Person grün, wie Grünspan, nicht einmal wie Gemüse und dabei greens ohne any meat oder flesh whatever34. Pieper erklärt sie für bildhäßlich, hat aber doch entdeckt, daß sie nicht ohne Verstand ist, den sie dadurch unstreitig bewiesen, daß sie unsre Haidschnucke von Hannover für einen verschlagnen deutschen Byron hält. Also Pieper, an dem die Person klebt nicht nur wie eine Klette, sondern wie Caterpillar35 - Pieper vorvorgestern entschließt sich, dem Schwiegervater Seilers sein Herz zu öffnen. Er wollte es nicht vor der „Geliebten" tun, aus Furcht, sie küssen zu müssen, und das ist in der Tat hard work36 für einen Okzidentalen, der noch nicht gewohnt ist to feed upon tallow37. Aber als echter Pieper fällt die Liebeserklärung zusammen mit einem - Anleihversuch. Pieper konnte vor dem Greengrocer nicht sein Herz auspumpen, ohne den Greengrocer anzugehn, seine pockets38 auszupumpen und ohne ihn anzupumpen. Er müsse nämlich ein kleines Kapital haben, say 20-40 pounds, to create himself a position als fashionabler39 Stundengeber. Unterdes denkt er, seine „Geliebte" schon als Braut die Freuden des Witwenstandes genießen zu lassen und sie aus Mitleid niemals zu heiraten. Die ganze Affaire übelriechend trotz allem Greens, aber Pieper bildet sich ein, er werde sich als Ehrenmann herausschlagen, d. h. dem would-be40 Schwie
24 Ludwig Börne - 26 Jeanette Wohl-Strauß - 26 eine Gesellschaft zum Schutz der Kleinhändler - 27 „Protection for Trade" - 28 „Schwindler" - 29 Aber - 30 Zuwendungen 31 Kriegsfuß mit seiner Wirtm - 32 Schwägerin ~ 33 Grünkrämers - 34 Grünzeug ohne jedes Fleisch _3S eine Raupe - 36 eine Zumutung - 37 sich von Talg zu ernähren - 38 Taschen 39 etwa 20- 40 Pfund, um sich eine Stellung zu schaffen als vornehmer - 40 vorgeblichen
gervater die „angestrebten" Vorschüsse at a certain epoch looming in the future41 auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen, und ihm großmütigerweise seine Tochter noch in den Kauf lassen. Seit dem verhängnisvollen Tag war er nur einmal, auf eine Minute, in meinem Haus, in meiner Abwesenheit. Nannte sich „den Glücklichen". Jennychen nannte ihn „Benedick the married man" tS2! aber Laurachen sagte, Benedick was a wit, he is but „a clown", and „a cheap clown" too42. Die Kinder lesen beständig ihren Shakespeare. Liebknecht ist endlich zu etwas gekommen, nämlich zu einem jungen Liebknecht. Meine Frau hat auf „Sr. Majestät allerhöchsten Spezialbefehl" einen Paß von Berlin erhalten. Mai wird sie mit der ganzen family nach Trier, für 3-4 Monate. Salut. Gruß an Lupus. K.M.
41 zu einem gewissen, in der fernen Zukunft liegenden Zeitpunkt-42 Benedikt war ein Mann von Witz, er ist aber nur ein „Hanswurst", und „ein gewöhnlicher Hanswurst" obendrein
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Engels an Marx in London1531
Manchester, 14. April 56
Dear Marx, Auf das Bluebook1411 bin ich begierig. Da ich aber nicht die Zeit habe, den chronologischen Vergleichungsprozeß durchzumachen, dem Du es unterworfen hast, so könntest Du mir gelegentlich ein paar hints1 mitteilen, wo die Haupthaken liegen; ich kann mich nur auf das military beschränken, das ich genau durchgehn werde, womöglich auch mit dem Buch von Sandwith vergleichen. Von dem coup d'etat des Jones2 und den folgenden Geschichten wissen wir hier gar nichts, ich muß mir doch das „P[eople's] Paper" wieder anschaffen. Der Schwindel in Deutschland ist wirklich so brillant wie noch nie. Mevissen ist König der Rheinprovinz, kauft mit Morny zusammen die „ Independance" und legt in Luxemburg(!) eine internationale (hurra!) Bank an. Den Heulartikel der „Preußischen] Corr[espondenz]" hab' ich gelesen. Indessen ist dafür gesorgt, daß Manteuffel und von der Heydt den Schwindel nicht erdrücken; in Hannover, Leipzig und überall werden Credits mobiliers1541 angelegt, und was diese nicht fertigbringen, wird unter der Hand doch ausgeschwindelt. Jetzt eröffnet sich die letzte Phase des Schwindels: Rußland importiert Kapital und Spekulation, und an diesen Distanzen und hundertmeiligen Eisenbahnen wird sich der Schwindel wohl so entwickeln, daß er binnen kurzem den Hals bricht. Wenn wir erst von the Grand Irkutsk Trunk Line with branches to Pekin3 pp. hören, dann wird es Zeit, unsre Bündel zu schnüren. Diesmal wird der crash4 so unerhört wie noch nie; alle Elemente sind da: Intensivität, universelle Ausbreitung und Hineinverwicklung aller besitzenden und herrschenden sozialen Elemente. Am amüsantesten sind dabei die Herren Engländer, die der Überzeugung leben, bei dem „gesunden" Trade5, der hier herrsche, könne so etwas gar nicht vorfallen. Daß in industrieller Produktion kein starker Schwindel
1 Anhaltspunkte - 2 siehe vorl. Band, S. 38 - 3 der Großen Irkutsker Hauptlinie mit Zweiglinien nach Peki ng - 4 Krach - 6 Handel
getrieben wird, wo es allgemein bekannt ist, daß man mit einer geringen Kapitalanlage in direkter Produktion die Überführung aller Märkte binnen eines Jahrs hervorrufen kann, und besonders solange eine so kolossale Nachfrage nach Kapital für Kommunikationen besteht - ist klar genug. Aber auch die industrielle Produktion wird durch den Schwindel in Kommunikationen bedeutend über ihr Maß gehoben, nur langsamer als z.B. 1833-36 und 1842-45. Dies Jahr gehn die Baumwollpreise rapid in die Höhe, angesichts einer bisher unerhörten Ernte von 3 500 000 Ballen, die dies Jahr nicht größer erscheint, als z.B. 21/2 Mill. Ballen 1850 erschienen haben würden. Dazu nimmt der Kontinent dies Jahr, im Verhältnis zu England, fast 3mal soviel als vor 5 Jahren, wozu folgende Tabelle der Exporte aus Amerika vom I. September bis I. April jedes Jahrs Belege liefert (in Tausend Ballen):
Ausfuhr nach England 1856 1855 1854 1853 in 7 Monaten 1 131 000 963 000 840 000 1100 000 nach Frankreich in 7 Monaten 354 000 249 000 229 000 255 000 nach anderen europäischen Häfen in 7 Monaten 346 000 167 000 179 000 204 000®
Also der Kontinent, der 1853 45/110 = 1/3 der englischen Ausfuhr nahm, nahm 1856 70/113 = 5/s. Dazu kommt dann noch, was der Kontinent von England bezog. Du siehst, die kontinentale Industrie hat sich ganz außer allem Verhältnis zur englischen gehoben, und die Herren Briten, being rather on the decline7, haben alle Ursache, in ihrer Baumwollindustrie nicht zu overtraden8, 1853 Und 56 aber lassen sich am besten vergleichen, weil in beiden Jahren die Ernte, sehr groß - 3 300 000 und 3 500 000 Ballen war. Der große Export nach Frankreich ist nur scheinbar, denn ein Teil geht von Havre nach der Schweiz, Baden, Frankfurt und Antwerpen. In diesem enormen Aufschwung der kontinentalen Industrie liegt aber der lebensfähigste Keim der englischen Revolution. Den „Protection for Trade"-Wisch seh* ich von Zeit zu Zeit, leider hab' ich aber amicum9 Sebastian nicht darin bewundern können. Die Pieperiade wird nachgerade abgeschmackt. Dies Histörchen hat wieder sehr amüsante Seiten, aber auch eklige Haken, und die immer durchgehende Eitelkeit macht einen fatalen Eindruck. Sowie der Kerl 2 Minuten los ist von Kontrolle, so macht er Albernheiten unter der Decke der bloß
6 Bei den Zahlen dieser Tabelle sind die letzten drei Nullen von Marx hinzugefügt ziemlich abfallen - 8 sich nicht zu übernehmen -0 Freund -'die
ihm sichtbaren Genialität. Ich hoffe, er wird das Talglicht heiraten müssen und die kleine Summe nicht kriegen, es war' ihm recht. Für die Deiner Frau durch den Allerhöchsten Spezialbefehl erwiesene Galanterie müssen wir doch Vorkommendenfalls uns erkenntlich erzeigen.10 Jedenfalls muß er11 im Cachot seine allowance12 Champagner bekommen. Die Lassalliaden1551 haben mich sehr erheitert, der krause Juddekopp muß sich über dem roten Schlafrock und in der Marquisen-Draperie, wo bei jeder Bewegung der polnische Schmuhl durchkuckt, sehr reizend ausnehmen. Gesehen, muß der Kerl einen höchst lausig-widerwärtigen Eindruck machen. Den Brief von L[evy] halte ich hier und schreibe, womöglich morgen, Diverses über die Arbeitergeschichten. Es würde übrigens gut sein, Briefe, worin dergleichen sind, auch mit Siegellack zu verschließen. Du erhältst sodann auch den L[evy]schen Brief zurück. Ich schrieb Dir, daß ich wieder hören kann, mir sind drei Geschwüre nacheinander im Ohr aufgegangen, das half. Herzliche Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
10 siehe vorl. Band, S. 40 - 11 Friedrich Wilhelm IV. -12 Gefängnis seine Ration
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Marx an Engels in Manchester
London, 16. April [1856]
Dear Frederic, Heute ist durch die Dir bekannte Parcelcompagnie1 an Dich abgegangen ein Paket, enthaltend: 1. Kars papers[66J. 2.,, Igor"[221. 3. Destrilhes, „Confidences sur la Turquie". 4. 2 Nummern des „L'Homme". In dem einen der Brief von Cayenne, in dem andern Pyats Litanei an die Marianne1671, die er auf einem Chartistenmeeting zur Feier der französischen Revolution am 25. Februar dieses Jahres ablas. Der brave Mann hoffte natürlich, den Skandal wegen seines „lettre a la reine" [B81 sich diesmal wiederholen zu sehn. Schnitt sich jedoch. Du siehst daraus zugleich, welch Subalternverhältnis die hiesigen französischen Revolutionsmacher zur „Marianne" einnehmen. 5. 2 Ausschnitte aus dem „People's Paper", die 2 ersten Artikel von mir über die Kars papers2. Werde Dir auch Fortsetzung und Schluß schicken. Da das Original von Artikel I verlorengegangen war und die Zeit und noch mehr Ernest Jones auf mich preßte, so mußte ich aus dem Kopf den „Tribune"-Artikel zusammenhudeln, hastig, und so hat sich mancherlei Blödsinn eingeschlichen, der Deiner Spürnase am wenigsten entgehn wird. But never mind that!3 Ich erzähle das nur, damit Du weißt, warum ich Dir die Sache nicht gleich schickte. Vorgestern fand ein kleines Bankett statt zur Jahresfeier des „People's Paper". Diesmal, da die Zeiten es mir zu erheischen schienen, nahm ich die Einladung an, so mehr, da ich allein (as announced in the „Paper"4) von der ganzen Emigration eingeladen war und auch der erste Toast auf mich kam, nämlich von mir vorzubringen war auf die souverainete du Proletariat dans tous les pays5. Ich hielt also kleinen englischen speech6, den ich indes nicht abdrucken lassen werde1691. Der Zweck, den ich wollte, ist erreicht. Herr Talandier - der sich sein ticket zu 21/2 sh. kaufen mußte - und die übrige französische und sonstige Emigrationsbande hat sich überzeugt, daß wir
1 Paketgesellschaft - 2 „Der Fall von Kars", Artikel I und II - 3 Aber das macht nichts! 4 wie im „Paper" angekündigt - 5 Herrschaft des Proletariats in allen Ländern - 6 Vortrag
Zweite und dritte Seite des Briefes von Marx an Engels vom 16. April 1856

die einzig „intimen" Alliierten der Chartisten sind und daß, wenn wir uns von öffentlichen Demonstrationen zurückhalten und den Frenchmen7 überlassen, öffentlich mit dem Chartismus zu kokettieren, wir es jederzeit in unsrer Gewalt haben, die uns schon historisch zukommende Position wieder einzunehmen. Es war das um so nötiger geworden, als auf dem quotierten Mfeeting vom 25. Februar, unter Pyats Vorsitz, der deutsche Knote Scherzer (old boy8) auftrat und in wahrhaft schrecklichem Straubingerstil1601 die deutschen „Gelehrten" denunzierte, die „geistigen Arbeiter", die sie (die Knoten) im Stich gelassen und so nötigten, sich neben den andern Nationen zu blamieren. Du kennst ja den Scherzer von Paris her. Ich habe mit Freund Schapper wieder einige Zusammenkünfte gehabt und einen sehr reuigen Sünder in ihm gefunden. Die Zurückgezogenheit, worin er seit 2 Jahren lebt, scheint seine Geisteskräfte rather9 geschärft zu haben. Du begreifst, daß für allerlei Eventualitäten es immer gut sein kann, den Mann an der Hand zu haben and, still more10, ihn aus der Hand Willichs zu haben. Schapper hat jetzt große Wut auf die Knoten in W[indmill]£611. Ich werde Deinen Brief an Steffen11 besorgen. Den Brief von L[evy] hättest Du dort behalten sollen. Tu das überhaupt mit allen Briefen, um deren Rücksendung ich nicht bitte. Je weniger sie die Post passieren, the better12. Ich bin ganz Deiner Ansicht wegen der Rheinprovinz. Für uns ist das Fatale, daß ich, looming in the future13, etwas sehe, was nach „Vaterlandsverrat" schmecken wird. Es wird sehr von der tournure14 der Dinge in Berlin abhängen, ob wir nicht gezwungen werden, in ähnliche Position zu kommen wie in der alten Revolution die Mainzer Klubbisten1621. Ca sera dur.ls Wir, die so enlightened16 sind über unsre braven freres17 von jenseits des Rheins! The whole thing in Germany18 wird abhängen von der Möglichkeit, to back the Proletarian revolution by some second edition of the Peasants' war19. Dann wird die Sache vorzüglich. Von Stieber II ist mir nichts zu Ohren gekommen. Schreib mir, was Du davon weißt. Nun zu der chronique scandaleuse20. Die Piepersche Komödie hat ein ebenso rasches wie bittres Ende genommen. Auf der einen Hand erhielt er einen Brief, worin der alte Greengrocer21 ihm rundweg abschlägt und ihm sein Haus verbietet. Auf der andern Seite erschien die grünbebrillte Nachteule - eine unbeschreiblich
7 Franzosen - 8 der alte Knabe -9 ziemlich -10 und, mehr noch -11 siehe vorl. Band, S.-531 12 um so besser -13 in ferner Zukunft -14 Wendung -15 Das wird hart sein. -16 aufgeklärt 17 Brüder -18 Die ganze Sache in Deutschland -19 die proletarische Revolution durch eine Art zweite Auflage des Bauernkrieges zu unterstützen - 20 Skandalchronik - 21 Grünkrämer
häßliche Hutschachtel - in unsrem Haus, um „ihren" Pieper zu finden. Sie schlug inm vor, mit ihr durchzubrennen. Mit großer Diskretion lehnte er dies auf das entschiedenste ab. So ist die Komödie ausgespielt/Daß Wunderhold durch diese bittre Erfahrung seiner Unwiderstehlichkeit in etwas kuriert werden wird, ist zu hoffen. Einliegend ein Brief Seilers. Dieser Falstaff hat Edgarn22 gleich bei seiner Ankunft in New York gefunden, als ersterer eben auf dem Sprung war, nach Texas abzusegeln. Edgar hat einstweilen Geld von der Erbschaft her. Die ekelhaften Folgen dieses Zusammentreffens mit S [eiler] siehst Du aus dem Brief. Schöne Kompagnie. Seiler und Conrad Schramm! Salut. Dein K.M.
22 Edgar von Westphalen
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Marx an Engels in Manchester
26. April 1856 28, Dean Street, Soho, London
Dear Frederic, Du erhältst einliegend 1. 2 Kars papers, Fortsetzung und Schluß1. 2. einen Artikel, den ich dem Jones über den Duke of York2 gegeben habe. Ich mache darin tant bien que mal old3 Cobbetts Manier nach und schicke ihn zur speziellen Mitteilung an lupus. 3. Des alten Chartisten Frost speech4 in New York. 4. Einen Brief von Miquel. Letztrer zurückzuschicken. Ich habe nämlich noch nicht geantwortet, indem ich vor der Antwort Deine ausführliche „opinion"5 hören möchte? Dies ist etwas schlüpfrige Sache. „Fragen mitunter verfänglich"1631, und es ist schwer, das richtige Maß in der Antwort zu beobachten.1641 Que dites-vous du discours de M. de Walewski?61651 In London herrscht allgemeine Wut gegen das government7, und selbst die shopkeepers8 nehmen revolutionäre Phrasen ins Maul. Wenn Du kannst, so schick dem Pieper einiges. Es ist jetzt möglich, daß er als corrector am „Pfeople's] Pfaper]" unterkömmt. Ich kann ihm jetzt nur Naturalverpflegung liefern. Ich habe ihn ernsthaft wegen seiner dummen Streiche gerüffelt, die ihn von neuem aufs Pflaster geworfen. Über hiesige Politik könnte ich Dir einiges mitteilen. Indes wäre es bedenklich, es durch Post zu tun. Im „Advertiser" von heute, in der Pariser Korrespondenz, ein kurzer, aber interessanter Bericht über einen Prozeß gegen Anhänger der Marianne1571, die sich famos benehmen.
1 „Der Fall von Kars", Artikel III und IV - 2 „Das Oberhaus und das Denkmal des Herzogs von York" - 3 recht und schlecht des alten - 4 Rede - 5 „ Meinung" - 6 Was sagst Du zu der Rede des Herrn von Walewski? - 7 die Regierung - 8 Krämer
In der „Presse" (Paris) erbaulicher Krakeel gegen Bonapartes legislateur poete9 - Belmontet - von Pelletan, worin letztrer den „empereur"10 so beleidigt hat, daß er wahrscheinlich expulsiert wird. Salut. Dein K.M.
' gesetzgebenden Poeten - 10 „Kaiser"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 7. Mai 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Frederic, Ich habe Dir wieder einen Brief aus Deutschland zu adressieren. Da Du aber bisher weder Empfang des Parcels1, noch des Briefs, worin Miquels Schreiben eingeschlagen war, angezeigt hast, so weiß ich nicht, ob die Sachen an Dich gelangt sind. Antworte darauf umgehend. Bei verfänglichen Briefen ist es nötig, der Ablieferung sicher zu sein. Salut. Dein K.M.
1 Pakets 4*
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. Mai11856 28, Dean Street, Soho
Dear Frederic, Deinen Brief erhalten. Meine pressure2 auf Dich, in dem yesterday letter3, erklärlich d'abord4, weil früher das Paket meiner Frau nach Manchester nicht ankam, obgleich per Post geschickt. Zweitens aber weißt Du, wie einem Menschen zumute ist, den die Hämorrhoiden tanzen machen. Und dieser Mensch hin ich. Es freut mich, daß Du und Lupus über M[iquel]s Brief1641 ganz meine Ansicht habt - es war mir innerlich „sehr übel" zumut, als ich diese „Klugheit" verdauen sollte. Meine Familie reist ab, wenn die von mir getroffnen pekuniären Maßregeln nicht fehlgehn, in spätestens 10-14 Tagen. Schade, daß Du so überarbeitet bist. Wir könnten sonst une petite tour5 nach Schottland machen. Auf dem Museum werde ich Deine Aufträge besorgen, sobald ich wieder hingehe. Einliegend 2 Briefe, 1. von Imandt; 2. von Köln. Es wird wohl am besten sein, wenn ich durch meine Frau den Kölnern antworte? There exists some jealousy6 zwischen Köln und Düsseldorf as to the leadmg of the proletarian movement. Besides7 weiß ich nicht, ob die Kölner wissen, daß die Düsseldorfer ganz mit Lassalle gebrochen, der allgemein unter ihnen anrüchig. Von Sheffield traf gestern folgende komische Botschaft ein: Council Hall, Sheffield, May 6th, 56 „Doctor, The Sheffield Foreign Affairs Committee1661 instructs me to convey to you an expression of their warm thanks for the great public Service you
1 Im Original: April -2 Mein Druck - 3 gestrigen Brief - 4 erstens - 6 eine kleine Tour - 6 Es besteht einige Eifersucht -7 was die Führung der proletarischen Bewegung betrifft. Außerdem
have rendered by your admirable expose of the Kars Papers published in the .People's Paper'8. I have the Honour etc. Cyples, Secretary."9
Dies ist Seelengröße, da Todeskampf zwischen „People s Paper" und „Free Press", überhaupt zwischen Chartism und Urquhartism.1481 Der große Ironside ging noch einen Schritt weiter und dekretierte that the „thanks of the country" were due to Dr. M. etc.10 Es wäre viel besser, wenn die Kerls mir das Geld geschickt hätten, das sie durch Wiederabdruck der Palmerstonartikel unter dem Titel „Story of the Life etc." (als Pamphlet) gemacht haben1671. Seiler sendet mir - heute eingetroffen - von New York - im „Democrat" - „Das Recht deutscher" vereinigter Staatenbürger in Europa". Wird nie gelesen, wenigstens nicht in dieser Welt. Seit ich dem Pieper die 2 £ von Dir eingehändigt, habe ich ihn nicht gesehn. Außerdem hatte er bis gestern abend die für die ,,P[eople's] P[aper]" zugesagte Arbeit, wie mir Jones sagen ließ, nicht geliefert. Nous verrons.11 Wenn er diesmal wieder mutwillig die Gelegenheit versäumt, soll ihn der Teufel holen. Er hat jetzt Chance, der Esel. Salut. Dein K.M.
Apropos! Heines Testament1681 gesehn! Rückkehr zum „lebendigen Gott" und „Abbitte vor Gott und den Menschen", sollteer je was „Immoralisches" geschrieben haben! Oberst Touroute nicht wiedergesehn vor seiner Abreise nach Deutschland. Schick die einliegenden Briefe nicht zurück. Grüß Lupus.
8 „Der Fall von Kars" - 9 Council Hall, Sheffield, 6. Mai 56 „Herr Doktor, Das Sheffielder Komitee für Auswärtige Angelegenheiten beauftragt mich, Ihnen seinen aufrichtigen Dank für die großen Dienste zu übermitteln, die Sie der Öffentlichkeit durch Ihr in ,People s Paper veröffentlichtes bewundernswertes Expose über die auf Kars bezüglichen Dokumente geleistet haben. Ich habe die Ehre etc. Cyples, Sekretär." 10 daß der „Dank des Landes" Dr. M[arx] gebühre etc. -11 Wir werden sehen.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 23. Mai 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels, Die Familie gestern abgereist. Ich war diese Woche arbeitsunfähig, teils durch den trouble1 im Haus, teils durch einen in dieser Form noch nicht bei mir stattgehabten Rückenrheumatismus. Beiliegend Bazancourt - die „napoleonische" Erzählung der Krimgeschichte. Ließe sich nicht draus etwas für „Putnam" machen?'691 Ich habe sehr nötig, diese Firma in Requisition zu nehmen, da die Kosten und Ausstattung für die Reise mich zwangen, durch Zitschkes Vermittlung einen Solawechsel von 30 £ auf 3 Monate Ziehung auf mich aufzunehmen. Einer von den „Putnams" war bei Freiligrath, und sie sind willig, Beiträge zu nehmen. Ich habe von dem Bazancourt nur die Auszüge in den französischen Blättern gelesen. Danach scheint es mir viel Stoff zum Lustigmachen zu bieten. Anders als frivol scheint mir die Sache nicht behandelbar. Wenn gemacht, dürfte es nicht zu kurz gemacht werden, sondern mit der fixen Idee, Raum zu füllen. Trübner, der vor 2 Monaten auf meine schwedische Scheiße1701 einzugehn schien, dann aber nichts von sich hören ließ, hat mir gestern geschrieben und auf Dienstag eine entrevue2 wegen der Sache festgesetzt. Das gäbe 20 Bogen Arbeit. Ich bin in einem serioiis dilemma3, ob ich jetzt einen trip4 machen soll oder nicht. Einerseits muß ich schanzen, um Gelder herauszuschlagen. Andrerseits hat mir der Doktor gesagt - und ich glaube, er hat recht - ich müsse etwas reisen und Luft verändern, da meine Leber wieder in unregelmäßiger Funktion. I am not yet decided5, was ich tun soll. Der Aufenthalt
1 Wirrwarr - 2 Zusammenkunft - 3 ernsthaften Dilemma - 4 eine Reise - 6 Ich bin noch unentschlossen
hier ist nicht ganz so wohlfeil, da ich auch den Pieper auf dem Hals habe. Aber die Arbeiten sind die Hauptsache. As to6 Bazancourt schreib mir, ob Du auch den ersten Teil brauchst. Läßt sich nichts mit der Sache machen, so ist es besser, ihn ungekauft zu lassen. Ich bin heut nicht schreibfähig, muß Dich aber doch noch um Aufklärung über einen philologischen Skrupel angehn. In Shakespeare „Henri IV." findet sich Hiren für Syrene und nach einer Note des Pedanten Johnson kömmt die Form Hiren auch bei andern altern englischen Schriftstellern vor. Der Austausch von H und S quite7 in der Ordnung. Aber, könnte Hiren nicht mit Hure zusammenhängen, und darum auch Syrene? Oder mit hoeren, auris8 etc.? Du siehst, to which low State of spirit9 ich heute depressed10 bin, da mich dieser casus sehr interessiert. Über Ruges Tragödie die „Neue Welt", worin „die Tragödie der Liebe in ihre Farce umschlägt", habe ich höchst kuriose Mitteilungen erhalten. Darüber das nächstemal. Herzen geht nach der Schweiz. Ich erwarte Deine communications11 über Ireland. Salut. Dein K.M.
6 Hinsichtlich - 7 ganz - 8 hören, Gehör - 8 bis zu welch tiefer geistiger Verfassung -10 niedergedrückt -11 Mitteilungen
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Engels an Marx in London
Manchester, 23. Mai 56
Lieber Marx, In unsrer Tour nach Irland"11 kamen wir von Dublin nach Galway an der Westküste, dann 20 Meilen nördlich ins Land hinein, dann nach Limerick, den Shannon hinunter nach Tarbert, Tralee, Killarney und zurück nach Dublin. Im ganzen ca. 450-500 Meilen englisch im Lande selbst, und haben also ca. 2/3 des ganzen Landes gesehn. Mit Ausnahme von Dublin, das sich zu London verhält wie Düsseldorf zu Berlin, und ganz den Charakter der ehemaligen kleinen Residenz trägt, auch ganz englisch gebaut ist, sieht das ganze Land aus und besonders die Städte, als wär* man in Frankreich oder Oberitalien. Gensdarmen, Pfaffen, Advokaten, Bürokraten, Rittergutsbesitzer in erfreulicher Menge und eine totale Abwesenheit aller und jeder Industrie, so daß kaum zu begreifen wäre, wovon alle diese Schmarotzerpflanzen leben, wenn nicht die Misere der Bauern das entsprechende Gegenstück bildete. Die „Maßregelung" ist an allen Ecken und Enden sichtbar, die Regierung pfuscht in alles, von sog. self-government1 keine Spur. Man kann Irland als die erste englische Kolonie ansehn, und als eine, die ihrer Nähe wegen noch direkt in der alten Weise regiert wird, und man merkt hier schon, daß die sog. Freiheit der englischen Bürger auf der Unterdrückung der Kolonien beruht. In keinem Lande hab' ich so viel Gensdarmen gesehn, und der preußische Gensdarmenschnapsausdruck hat sich in dieser mit Karabiner, Bajonett und Handschellen bewaffneten Constabulary2 zur höchsten Vollkommenheit entwickelt. Eigentümlich sind dem Land die Ruinen, die ältesten aus dem 5. und 6., die neusten aus dem 19. Jahrhundert, mit allen Mittelstufen. Die ältesten reine Kirchen; seit 1100 Kirchen und Schlösser, seit 1800 Bauernhäuser. Im ganzen Westen, besonders aber in der Gegend von Galway ist das Land mit solchen verfallenen Bauernhäusern bedeckt, die meist erst seit 1846 verlassen sind. Ich habe nie geglaubt, daß eine Hungersnot eine so handgreif
1 Selbstverwaltung - 2 Polizei
liehe Realität haben könne."21 Ganze Dörfer sind verödet, und dazwischen dann die prächtigen Parks der kleineren landlords3, fast der einzigen, die dort noch wohnen; meist Advokaten. Hungersnot, Auswanderung und clearances1731 zusammen haben das fertiggebracht. Dabei nicht einmal Vieh auf den Feldern; das Land ist komplette Wüste, die niemand haben will. In der Grafschaft Cläre, südlich von Galway, wird es etwas besser, dort gibt's doch Vieh, und gegen Limerick zu sind die Hügel von meist schottischen farmers vortrefflich bebaut, die Ruinen gecleart4, und das Land sieht bürgerlich aus. Im Südwesten viel Gebirg und Sumpf, aber auch wunderbar üppiger Waldwuchs, nachher wieder schöne Weiden, besonders in Tipperary, und gegen Dublin hin ein Land, dem man es ansieht, daß es allmählich unter große Farmer kommt. Das Land ist durch die Eroberungskriege der Engländer von 1100 an bis 1850 (so lange haben sie au fond5 gedauert und der Belagerungszustand auch) total ruiniert. Von den meisten Ruinen ist ihre Zerstörung während der Kriege konstatiert. Das Volk selbst hat dadurch seinen aparten Charakter bekommen, und mit allem national-irischem Fanatismus, den die Kerle haben, fühlen sie, daß sie in ihrem eignen Land nicht mehr zu Hause sind. Ireland for the Saxon!6 Das wird jetzt realisiert. Der Irländer weiß, daß er gegen den Engländer, der mit in jeder Beziehung überlegnen Mitteln kommt, nicht konkurrieren kann; die Auswanderung wird fortdauern, bis der vorherrschend, ja fast ausschließlich keltische Charakter der Bevölkerung zum Teufel ist. Wie oft haben die Irländer angesetzt, um zu etwas zu kommen, und jedesmal sind sie ekrasiert worden, politisch und industriell. Sie sind künstlich, durch konsequente Unterdrückung, zur vollendet verlumpten Nation geworden, und jetzt erfüllen sie bekanntlich den Beruf, England, Amerika, Australien etc. mit Huren, Tagelöhnern, Maquereaux7, Spitzbuben, Schwindlern, Bettlern und andern Lumpen zu versorgen. Der Lumpencharakter steckt auch in der Aristokratie. Die Grundbesitzer, überall anderswo verbürgerlicht, sind hier komplett verlumpt. Ihre Landsitze sind mit enormen wunderschönen Parks umgeben, aber rundherum ist Wüste, und wo das Geld herkommen soll, ist nirgends zu sehen. Diese Kerle sind zum Totschießen. Gemischten Bluts, meist große, starke, hübsche Burschen, tragen sie alle enorme Schnurrbärte unter kolossalen römischen Nasen, geben sich falsche militärische Airs de colonel en retraite8, reisen im Land herum allen möglichen Vergnügungen nach, und
3 Grundbesitzer - 4 weggeräumt - 6 im Grunde - 6 Irland den Angelsachsen! - 7 Zuhältern - 8 Allüren eines Obersten a.D.
wenn man sich erkundigt, haben sie keinen Fuchs, den Puckel voll Schulden und leben in der Furcht des Encumbered Estates Court1741. Über die Art und Weise, wie England dies Land regiert - Repression und Korruption -, lange eh' Bonaparte dies versuchte -, nächstens einmal, wenn Du nicht bald herkommst. Wie steht's damit? Dein F.E.
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Hierbei der Artikel1751, den Du aber ja erst durchsehen mußt, das Comptoir hat mich heute wieder daran verhindert. Bazanc[ourt] ist zu etwas zu gebrauchen1691, die Batrachomyomachie1761 des Bonaparte. Aber der I.Band durchaus notwendig, ich will Dir 6-sh.Stamps1 morgen dafür schicken, oder vielmehr sie liegen hierbei. Ich würde Dir raten, sofort aufzupacken, die nötigsten Papiere mitzubringen, dann kannst Du sowohl hier wie in Schottland arbeiten, wenigstens gewisse Sachen. Den Bazanc[ourt] könnten \vir + 2 zusammen machen, Du würdest freilich die Hauptarbeit haben, denn der Commerce nimmt mich bei dem sich rasch ausdehnenden Geschäft jetzt so in Anspruch, daß ich an regelmäßiges und durchgeführtes Arbeiten nicht denken kann. Ist das Ding hier fertig (1 Artikel wäre natürlich hinreichend), so kannst Du ja immer entweder hier parlamentarische Artikel machen oder einen Abstecher nach Schottland, und dann bei der Rückkehr wieder etwas hier schanzen. Bis der Panslawismus1121 fertig, möchte ich mir nicht gern zu viel andre Versprechungen auf den Hals laden, die ich am Ende nicht halten kann; aber Deine Gesundheit ist doch auch eine Konsideration, und da glaub' ich ein gutes Getränk für Dich zu haben: nämlich leichtes bayrisches Bier und noch ca. ein Dutzend Flaschen Bordeaux, das ist immer besser, mit Luftveränderung, als half and half3 etc. Ich werde Dir womöglich morgen wieder ein paar Zeilen schreiben, laß mich wissen, was Du beschließest. Dein F.E. Manchester, 26. Mai 56
1 Briefmarken - 2 mehr oder weniger - 3 Halb und Halb (englische Biersorte - halb Porter, halb Me)
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29.Mai561 28, Dean St[reet], Soho
Lieber Engels, Es wird mir schwerlich angehn, vor Ende nächster Woche von hier abzureisen, da die Geschichte mit dem Trübner sich erst bis dahin entschieden hat und ich außerdem noch mit Zitschke sprechen muß, der vor dem angegebnen Termin schwerlich nach London zurückgekehrt ist. Jedenfalls schreib' ich Dir vorher, wann ich von hier abreise. Salut. Dein K.M.
1 Jahreszahl von Engels hinzugefügt
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5. Juni 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Frederic, Ende dieser Woche reise ich nach Schottland; komme von da nach einer sechstägigen Frist zu Dir, werde Dir natürlich Notiz geben. Adressiere während dieser Woche, wenn Du mir schreibst: C. Marx, care of1 P. Imandt, 29, Cowgate, Dundee. Ich bin zu diesem Entschluß, über Schottland zu Dir zu reisen, aus doppeltem Grund gekommen: 1. Medizinischen, weil ich weiß, daß die Seefahrt mich auf den Strumpf bringen wird, und mein Rheumatismus ist erst seit vorgestern verschwunden. Dabei übertriebnes Blutscheißen und sonstige Unannehmlichkeiten. Ich konsultierte natürlich auch meinen surgeon2. 2. Pieper. Er begleitet mich nach Schottland und kehrt dann nach London zurück. Wäre ich nicht auf dies Arrangement eingegangen, so wäre der Junge - er hat Geld für die Reise von seinem ehemaligen Schüler A.Rothschild erhalten -, wie er fest entschlossen war, mit falschem Paß nach Paris gewandert, angeblich mit der Absicht, von da zu Fuß nach Genf zu gehn. Du verstehst, welches sonderliche und kompromittierliche Ende such an expedition likely was to arrive at3. Salut. Dein K.M.
1 bei - 2 Arzt - 3 ein solches Unterfangen wahrscheinlich nehmen mußte
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6. Juni 1856
Lieber Engels, Plan again changed.1 Warum, mündlich. Pieper begleitet mich nach Hull, reist dann nach London zurück. Ich komme von Hull zu Dir.1771 Dein K.M.
1 Plan wieder geändert.
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Marx an Engels in Manchester
28 July 1856 28, Dean Street, Soho, London
Lieber Frederic, Der Brief meiner Frau, den ich heute via Manchester erhalten, zeigt den am 23. Juli erfolgten Tod ihrer Mutter an. Dies wird die Rückkehr nach London beschleunigen. Gleichzeitig ein Brief von Miquel, der hierherzukommen denkt in 8-10 Tagen. In diesem Augenblick sehr ungelegen. Pieper hat schon seit 2 Wochen seine Stelle verloren. Diesmal ohne seine Schuld. Er hielt die Sache geheim, solang lupus hier war. Die Setzer hatten konspiriert, um einen Kerl hereinzubringen, der zu ihrer friendly society'781 gehört. Mit Sheffield steht die Sache wie folgt; Die Kerls hatten in der letzten Nummer schändlich gestrichen. Pieper schrieb darauf an Cyples: „I am directed by Dr. Marx to inform you that he cannot congratulate you upon the emendations etc."1'791 Dann kam folgender Brief von Ironside3: „Free Press Office, Sheffield, July 19, 1856 Dear Doctor, It could not be satisfactory either to us or to yourself to close your article in the abrupt way which you on the instant proposed. I am sorry that I was so unsuccessful in cutting down last week's contributions, and should have hesitated in doing so had it not unfortunately happened that there was really no other alternative. As to Mr. Ironside's note, perinit me to say that in another letter since received from him, he expresses regret that you should have construed his scrap as he did not intend it, and intimates a doubt that I have in some way offended you? I see no reason why our
1 „ Ich bin durch Dr. Marx ermächtigt, Ihnen mitzuteilen, daß er Sie zu den Verbesserungen nicht beglückwünschen kann etc." - 2 gemeint ist Cyples
professional intercourse may not continue and be pleasant; and I venture to hope to receive the usual packet of copy for next week's issue. You will be so good as to excuse my tardiness in writing. I have been so busy. Your etc. Cyples."3 Antwort. „July 22, 1856 Dear Sir, I write again myself to show that I bear not the least ill will against you for which, indeed, there would be no cause. In your letter d. d. July 19, you say: ,1t could not be satisfactory etc.' Now as to my own satisfaction please to leave it altogether out of the question. As to Mr. Ironside's .satisfaction* 1*11 quote you the exact words of his ,note'.- Having told you, that already the first article had ,overdosed' him, he continues as follows: ,They (Dr. Marx' articles) are entombing the paper. This must not be. They must be brought to a close forthwith. You must not have more than two more doses - this week and the next. You had better write him atonce to that effect.' I positively decline making myself guilty of manslaughter by administering another ,dose' to Mr. Isaac Ironside and ,entombing' him in the sheets of his own paper. Yours etc. Dr. K.M."1
Damit war bis jetzt die Korrespondenz am Ende. Aber von Geld auch noch keine Spur. Jones sagt, ich hätte die Kerls wegen des Ganzen verklagen können, at the outset5. Du begreifst, daß ich auf Kohlen sitze. Ich muß für eine Wohnung sorgen, wenn die family kommt, und weiß weder, wie ich aus der alten heraus
3 „Free Press Office, Sheffield, 19. Juli 1856 Lieber Herr Doktor, Es konnte weder für Sie noch für uns befriedigend sein, Ihren Artikel so abrupt abzuschließen, wie Sie es im Augenblick vorschlugen. Ich bedauere, daß mir das Zusammenstreichen Ihres Beitrages von vergangener Woche so mißglückte, und ich würde dabei gezögert haben, wenn es nicht so gewesen wäre, daß leider wirklich keine andere Wahl bestand. Was Herrn Ironsides Mitteilung betrifft, so gestatten Sie mir zu bemerken, daß er in einem anderen, uns inzwischen zugegangenen Brief sein Bedauern darüber ausspricht, daß Sie sein Schreiben anders auslegten, als es gemeint war, und er läßt die Vermutung durchblicken, daß ich Sie irgendwie beleidigt habe ? Ich sehe keinen Grund dafür, warum unser beruflicher Verkehr nicht fortdauern und angenehm sein sollte, und wage zu hoffen, für die nächste Nummer die gewöhnliche Sendung Manuskripte zu erhalten. Seien Sie so freundlich, mein verspätetes Schreiben zu entschuldigen. Ich bin so beschäftigt gewesen. Ihr etc. Cyples.' ~ 4 siehe vorl. Band, S. 539 - 6 gleich am Anfang
noch wie in neue herein, da ich weder means6 in der Hand noch irgendwelche nahen Prospekte habe. Die elektrische Bürste strebt vergeblich, die Haare zu schwärzen, da die atra cura7 sie mehr denn je bleicht. Zitschke ist durchgebrannt und so bin ich wenigstens der Zahlung an ihn bis auf unbestimmte Zukunft überhoben. Espartero und Pucheta in der spanischen Komödie - schöner hat die Geschichte nie den Heros des liberalen Bürgers und den Heros des „Pöbels" einander gegenübergestellt.1801 Salut. Dein K.M. Freiligrath hat jetzt keinen Vorgesetzten außer einem board of Directors8, der sich alle Sonnabend versammelt.
6 Mittel -' schwarze Sorge - 8 Direktorium
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Marx an Engels in Manchester
[London] I.August 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber E., Die 5-£-Note dankbarst erhalten, aber noch nicht den mir versprochnen Brief. Einliegend ein Brief von dem verrückten Mirbach, den ich - via Berlin! - erhalten habe. Von Sheffield noch kein Geld. Heute habe ich durch Pieper Brandbrief geschickt. Unterdessen hat sich folgendes ereignet: Gestern erschien bei mir Urquharts Bulldogge - the celebrated1 Collet. Er käme im Auftrag des Großkophta'81' selbst. Urquhart sei very sorry, regretted, indeed, very much that Mr. Ironside had interfered at all with my articles etc., which he thought of extraordinary value etc.2 Bat mich dann, ihm zu erzählen, wie die Sache passiert sei. Mr. Urquhart imagined that the principal cause of the quarrel was the suppression of some parts of the copy etc.3 Ich erzählte ihm dann den Hergang und teilte ihm die schriftlichen corpora delicti4 mit. Er fragte mich dann, whether I was willing to enter upon any compromise, which question I flatly denied, telling him that I was no penny-a-liner and not to be treated Iike the Londoner Iiterary vagabonds5. Er schien bloß auf diese Erklärung zu warten, indem er mir nun mit extraordinary solemnity6 erzählte, Urquhart finde die „Free Press" ungenügend. Mr. Ironside was placed on the horns of a dilemma because the „Free Press" was, indeed, but an extract from the „Sheffield Free Press" - a paper, by the bye, twice the dimensions of the „F[ree] P[ress]" - and what was suited to the wants of the readers of the „Sheffield] F[ree] P[ress]" was not all palatable to the
1 der berühmte - 2 sehr betrübt, bedauerte in der Tat sehr, daß Herr Ironside sich überhaupt in meine Artikel, die er für außerordentlich wertvoll halte, eingemischt hatte etc. 3 Herr Urquhart sei der Meinung, daß die Hauptursache des Streits die Streichung einiger Teile des Manuskripts sei etc. - 4 Beweisstücke - 6 ob ich bereit wäre, auf irgendein Kompromiß einzugehen, was ich rundweg verneinte, indem ich ihm sagte, ich sei kein Zeilenschinder und nicht wie die Londoner Schreiberlinge zu behandeln - 6 außerordentlich feierlichem Ernst
readers of the ,,F[ree] P[ress]" et vice versa. Mr.. Urquhart had, therefore, resolved upon starting in about a month a diplomatic journal at London.7 Er hoffe, daß ich dort die ganzen „Revelations"'701 geben werde und keinen grudge8 gegen ihn hege. Ich gab eine unbestimmte Antwort, die als affirmativ aufgefaßt werden konnte, mir aber frei ließ - sollten die Bedingungen zu schlecht oder sollte das Blatt zu verrückt sein -, zu refüsieren. Es wird alles von dem Charakter des Blatts abhängen. In London ist [es] etwas anders als in Sheffield, und sollte U[rquhart] mit seinem kontrerevolutionären Blödsinn so auftreten, daß ich durch Mitarbeiterschaft bei den hiesigen Revolutionärs blamiert würde, so müßte ich, of course, hard as it would be under the present miserable circumstances9, abschlägig bescheiden. Indes nous verrons10. Jedenfalls habe ich jetzt genügende Satisfaktion für meinen literary point of honour11 erhalten, indem der Chef seinen lieutenant gradezu desavouiert. Schon des Bucher und des demokratischen Lumpengesindels wegen ist diese Lösung erwünscht. Es wird nun bedeutender Krakeel im U[rquhart]schen Lager selbst vor sich gehn. Mir schien zu Iurk12 eine böse tendency13, den armen Cyples zum scape-goat14 zu machen. So sagte Collet z.B., es sei ihm nicht klar, daß Cyples den Brief Ironsides mit dessen Wissen mir zugeschickt habe. Ich erwiderte ihm darauf, der C[yples], der ein braver Mann scheine, habe so viel gegen „secret diplomacy"15 donnern hören, daß er natürlich voraussetze, im Office16 der „F. P." herrsche „public diplomacy"17. Von meiner Frau heute Brief erhalten. Sie scheint sehr angegriffen über den Tod der Alten18. Sie wird 8-10 Tage in Trier zuzubringen haben, um den sehr unbedeutenden Nachlaß der Alten zu versteigern und die proceeds19 mit Edgar20 zu teilen. Der Plan, den sie mir mitteilt, ist folgender: Sie wird dann noch einige Tage in der Nähe von Trier bei einer Freundin bleiben. Dann will sie nach Paris reisen und von da direkt nach Jersey, wo sie sich ausgedacht hat, daß wir September und Oktober zubringen sollen. Erstens zu ihrer eignen Erholung, dann sei es wohlfeiler und angenehmer wie London, endlich lernten die Kinder Französisch sprechen etc. Sie weiß
7 Herr Ironside wäre in einer Zwickmühle, weil die „Free Press" in der Tat nur ein Auszug aus der „Sheffield Free Press" sei - übrigens ein Blatt vom doppelten Umfang der „Free Press" - und was den Wünschen der Leser der „Sheffield Free Press" entspräche, wäre keineswegs schmackhaft für die Leser der „Free Press" und umgekehrt. Herr Urquhart hätte sich daher entschlossen, in etwa einem Monat in London eine diplomatische Zeitschrift zu gründen. - 8 Groll -9 natürlich, so schwer es unter den gegenwärtigen elenden Umständen sein würde - 10 wir werden sehen - 11 meine Schriftstellerehre - 12 lauern - 13 Absicht 14 Sündenbock - 15 „Geheimdiplomatie" - 16 Büro -17 „öffentliche Diplomatie" -18 Karoline von Westphalen - 19 den Ertrag - 20 Edgar von Westphalen
natürlich nichts von den hier stattgehabten Vorfällen. Einstweilen schreibe ich ihr, der Plan sei vortrefflich, obgleich ich in der Tat nicht einsehe, wie er ausführbar ist. Ich habe gestern wieder die „N[ew-]Y[ork] T[ribune]" (weekly21) gesehn. Nichts als Electoral dodge22, füllt das ganze Blatt und wird so noch für Monate tun. Ernsthaft kann die „N.-Y.T." erst wieder angepackt werden, sobald die Präsidentschaftsscheiße zu Ende ist. Salut. Dein K.M.
P.S. Bei Blind gesehn 2 Bände der Emigrationsjeremiade von Simon von Trier. Verdünntere Fadaise, jedes Wort ein Lappes, schülerhafte Stümperei, geckenhafter Hasenfuß, zierbengelhafte Naivetätsprätention, Bettelsuppe mit aufgelösten Grünschen Judenkirschen1821 drein, breite Platitüde - es ist nie etwas ähnliches gedruckt worden. Das fehlte noch, um dem „deutschen Parlament" den letzten Arschtritt zu geben, diese Selbstbloßstellung eines seiner Heroen. Ich habe natürlich nur geblättert. Ich möchte ebensogern Seifenwasser trinken, oder mit dem großen Zoroaster auf heiße Kuhpisse schmollieren, als das Zeug durchlesen. Unser Gespenst verfolgt ihn et Co. fortwährend. L. Blanc, Blanqui, Marx und Engels ist seine höllische Viereinigkeit, die er nie vergißt. U. a. sollen wir beide - die Lehrer der „ökonomischen Gleichberechtheit" - „Bewaffnete(!) Aneignung des Kapitals" gepredigt haben. Auch die Witze, die wir in der „Revue" über die Schweiz gemacht, „indignieren" ihn. „Keine Zivilliste, keine stehende Armee, keine Millionäre, keine Bettler" - „Marx und Engels hoffen, daß Deutschland nie zu dieser Stufe der Erniedrigung herabsinken wird."1831 Höchst sonderbar ist, wie der Kerl uns beide als Singular auffaßt, „Marx und Engels sagt" etc.
21 von einer Woche - 22 Wahlschwindel
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Engels an Marx in London
Manchester, 4. Aug. 1856
Lieber Marx, Der Brief, der nicht kam, ist in der Hitze zu Wasser geworden. Ich weiß nicht, ob Ihr auch dort plötzlich von dieser tropischen Hitze überfallen worden seid, in der alles aufhört außer beständiges Baden und Waschen mit Wasser äußerlich und mit allerhand andern Flüssigkeiten innerlich. Gestern war ich komplett inkapabel und kaum imstande auszugehn, seit Donnerstag bin ich nicht aus dem Schweiß gekommen, selbst beim Baden nicht, und die lausigste Comploirarbeit greift einen an, daß man nachher ganz herunter ist. Dabei nachts dieselbe Schwüle. Daß die Sache mit Urq[uhart] so abgelaufen, ist sehr erfreulich. Unsre resolute Manier imponiert den Kanaillen doch immer am meisten. Ich hoffe, daß es sich wird machen lassen, daß die Sachen in Urq[uhart]s Ding erscheinen'701, nous verrons1. Ich warte täglich auf einen Brief meiner Alten, der mich nach London ruft. Ich richte mich so ein, daß ich Samstag abgehn kann, falls ich gerufen werde. Ich zieh' am Samstag aus, hab' noch keine neue Wohnung, weiß auch nicht, ob ich mir eine nehme oder auf 8 Tage vagabundiere, da ich vorhabe, nach meiner Zurückkunft allerhand tolle Geschichten anzustellen. Mein Schwager2 war hier, guter Kerl, Kommunist aus Prinzip, Bourgeois aus Interesse, wie er sehr naiv selbst sagt, spricht aber von kommunistischen Sachen immer per Wir; wollte mich bereden, den Preußen einen kleinen Finger zur Amnestierung zu bieten, worauf ich natürlich sehr determiniert antwortete und er zuletzt auch einsah, daß 1. ich es nicht könne und 2. die Preußen mir antworten würden, ich solle sie im Arsch etc. - Der Mann schien wenig Illusionen über meinen Gemütszustand zu haben und ist gewiß mit noch viel weniger weggegangen, war aber sehr verwundert, mich so fidel zu treffen.
1 wir werden sehen - 2 Karl Emil Blank
Dem Mirbach schreib* ich, sowie es etwas kühler ist, jetzt ist das nicht zu verlangen. 24 Grad Reaumur ist kein Spaß, wenn man dabei börsenmäßig angezogen herumlaufen muß. Wenn der Plan mit Jersey sich ausführen ließe, was gewiß sein Gutes hätte und auch nicht ganz unmöglich ist, so laß Deine Frau sich ja in Paris genau erkundigen, wie es mit der Reiseroute und den Kommunikationen steht, sie könnte sonst sehr in die Brüche kommen. Ich glaube, Saint Malo ist der einzige französische Ort, wohin Steamer3 von Jersey gehn. Laß Dir von ein paar Crapauds'841 die Verhältnisse erzählen. Du kennst ja mehrere, die dort waren. Dem großen Pieper kannst Du die Versicherung geben, daß ich seinen großen durchfiltrierten Artikel über Spanien im „Pjeople's] P[aper]" gelesen, ehe das Original in der ,,Trib[une]" erschien'85', „hang it!" C'est beau!4 Das „P. P." verdient übrigens, den Abtritt zu bewohnen, was sind das für Sauereien dadrin: we regret to learn thät Lord so and so has cut his finger usw.5; laß Jones doch seinen sub-editor6 verdammt schuhriegeln für solchen Blödsinn. Das Geld laß den Kanaillen in Sheffield nur ja nicht sitzen - sie müssen blechen unter jeder Bedingung. Dein F.E.
3 Dampfer „zum Henker!" Das ist schön! - 5 wir hören mit Bedauern, daß Lord Soundso sich in den Finger geschnitten hat usw. - 6 Redakteur
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22. September 1856 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels, Ich hätte schon früher Deinen letzten Brief acknowledged1, aber der ganze Tag von morgens bis abends ging, "seit 14 Tagen about2, verloren mit Wohnungen suchen. In dem alten Loch konnte unter keinen Umständen geblieben werden. Wir haben endlich eine Wohnung gefunden - ein ganzes Haus, das wir selbst zu furnish3 haben. Es ist: 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, Hampstead Road. Miete: 36 £. Den 29. September soll die Sache bezogen werden; diese Woche ist es zu möblieren. Wir sind einigermaßen in Verlegenheit, da wir about 26 £ in der Stadt zu zahlen und viel mehr für die heue Einrichtung. D.h. es fehlen uns 10-15 £ - auch nur momentan, da meine Frau infolge der Trierer Erbschaft noch eine größre Summe von ihrem Bruder4 in Berlin zu erhalten hat. Gestern schrieb er, daß er das Geld noch nicht schicken könne, weil die Niederschlesischen Eisenbahnbonds, in denen das meiner Frau zukommende Kapital deponiert, dans ce moment5 nur mit großem Verlust verkäuflich seien. Dabei macht der Herr Minister folgende melancholische Bemerkung: „Es ist freilich jetzt grade ein ungünstiges Moment, indem alle solche wirklichen Wertpapiere infolge des rasenden Credit-mobilier- und Kommandit-Gesellschaftsschwindels sehr im Kurse gesunken sind." Wenn Du einen Teil des Fehlenden supplieren kannst, denke ich den Rest mit Pfandhaus herauszubringen, bis die Berliner Sendung ankömmt. Das schlimme ist, daß keine Zeit zu verlieren. Die Nachricht vom Tode Weerths hat mich furchtbar affiziert, und es war mir schwer, die Sache zu glauben. Freiligrath schrieb mir auch schon wegen eines Nachrufs. Aber in der Tat, ich sehe kein Blatt in Deutschland. Das einzig Mögliche wäre vielleicht zunächst ein Nachruf in der „Tribüne", bis die Zeiten mehr und Besseres möglich machen! What is your opinion?6
1 bestätigt - 2 etwa - 3 möblieren - 4 Ferdinand von Westphalen - 5 gegenwärtig - 6 Was ist Deine Meinung?
Ich bin für heute zum Essen bei dem Putnamkerl7 eingeladen, der wieder hier ist. Ich weiß nicht, ob ich hingehe. Mein schlechtes Englischsprechen könnte mich blamieren. „Tribüne" hat mir die nichtgedruckten Artikel zurückgeschickt. Es sind, all in all8, der Panslawisrnus'12' und meine Artikel über Danubian principalities9 131. Herr Dana schreibt, wenn ich die Sachen nicht anderswo anbringen könne, müßten sie den „loss"10 von Rechts wegen tragen, da sie nicht zu rechter Zeit Einspruch getan. Im gegenteiligen Falle erwarten sie part ihrer expenses11 zurück. Nous verrons.12 Bruno Bauer veröffentlicht 2 Bände über England[861. Er wird den pigsty13 seines eher frere11 wohl ausführlich abhandeln. Ich weiß nicht, was er sonst in England gesehn hat. Pieper, den ich bei Ankunft meiner Frau an die Luft gesetzt, hat sich 2 Tage später wieder eingefunden und einquartiert, was jetzt grade keineswegs angenehm. Wenn ich die neue Wohnung beziehe, werde ich ihn in dem Dir bekannten kleinen Loch in Dean Street wohlinstalliert und auf meine Bürgschaft zurücklassen. Preußische Amnestie wird erwartet für 15.Oktober. Ottos Mutter starb, hinterließ 2000 Taler, diese von der preußischen Regierung konfisziert zur Zahlung der „Kosten des Kölnischen Prozesses"1871. Strohn war letzten Freitag hier. Der Kerl ist kolossal in die Breite und Dicke gegangen und infolgedessen scheint sein Behagen auf Kosten des Witzes somewhat15 zugenommen zu haben. Auch das Maul ist nicht mehr so schief hängend, rather16 wohlwollend. Uber Heine habe ich allerlei Details erhalten, die Reinhardt meiner Frau in Paris erzählt. Darüber ausführlicher ein andermal. Nur das für jetzt, daß das „Sie aber schon um achte Trank roten Wein und lachte"1881
literally17 bei ihm eingetroffen. Seine Leiche stand noch im Sterbehaus am Tag des Begräbnisses -, als der Maquereau18 der Mathilde19 mit ihrer Engelsmilde schon vor der Tür stand und sie in der Tat abholte. Der brave „Meißner", der so weichen Kuhmist apropos von Heine dem deutschen Publikum ums Maul geschmiert hat'891, hat bares Geld von der „Mathilde"
7 Frederick Olmsted - 8 alles in allem - 0 Donaufiirstentiimer - 10 „Verlust" - 11 Teil ihrer Auslagen -12 Wir werden sehen. -13 Schweinestall -14 heben Bruders (Edgar Bauer) -15 ein wenig - 16 eher -17 buchstäblich -18 Zuhälter -10 Mathilde Heine
erhalten, um dies Saumensch, das den poor20 Heine zu Tode gequält, zu verherrlichen. Aber nun noch eine Geschichte apropos de Moses Heß. Der Ruhm dieses Jünglings was due to a great part - to Sasonow21. Dieser Russe, als Heß und Mösin22 nach Paris kamen, war sehr herunter, sehr zerlumpt, sehr geld- und kreditlos, und folglich sehr plebejisch und revolutionär und weltumstürzenden Ideen zugänglich. Sasonow hörte, daß Moses nicht ohne „Moneten" sei. Er machte sich also hinter Moses und vor die Mösin. Letztre vögelte er und erstem ausposaunte er as a great literary lumen23 und führte ihn in Revuen ein und Zeitungsredaktionen. Wladimir24, of course25, hat die Hand überall im Spiel und hat überall Zutritt. So preßte er dem geizigen Moses genug Moneten ab, um wieder „scheinen" und Lockvögel für neuen Kredit auswerfen zu können. Und damit hat Sasonow eine reiche alte Jüdin geködert und in koschern wedlock26 genommen. Seit der Zeit aber ist er wieder vornehm geworden und drehte dem Moses den Rücken, ihn für a very common and subordinate fellow37 erklärend. Die Mösin aber verließ er treulos, und sie läuft jetzt schimpfend und polternd in Paris herum und erzählt jedem, der es hören will, von dem Verrat des perfiden Muskowiten. Dies ist gewissermaßen die Geschichte von der Grandeur et Decadence de la Maison Moses28. Ha st Du schon das in London erscheinende Blatt des Golowin „Russia" etc. - gesehn? Der „L'Homme" ist, faute de moyens29, für den Moment suspendiert. Die „Nation" ist eingegangen. Existiert nur noch in derselben line30. aber viel schlechter noch, „Le National". Grüß Lupum bestens. Dein K.M.
20 armen - 21 war zu einem großen Teil Sasonow zuzuschreiben - 22 Sibylle Heß - 23 als eine große literarische Leuchte - 24 Nikolai Sasonow - 25 natürlich - 26 Ehebund -27 einen sehr gewöhnlichen und untergeordneten Gesellen - 28 Größe und dem Verfall des Hauses Moses 29 aus Mangel an Mitteln - 30 Richtung
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Marx an Engels in Manchester
26. September 1856 28, Dean Street, Soho, London
Lieber Frederick, Ich habe first mit thanks den receipt des monish to acknowledge1. Es wäre schon gestern geschehn, aber wir sind in einem wahren hurly-burly2 mit dem Ausziehn. Dabei ist es noch fraglich, ob wir bis Montag heraus können, da wir mit Deinem Geld und dem Versetzen im Pfandhaus noch nicht quite3 die nötige Summe aufgemacht haben. Die jetzige Krise an den kontinentalen Börsen kömmt uns persönlich ungelegen. Neues nichts, als was Dir vielleicht schon bekannt, daß Stirner gestorben ist. Auch wie ich von Freiligrath höre, ein Brief hier in London von seinem „Exliebchen"4 aus Australien angekommen, worin sie berichtet, daß sie wieder geheiratet hatte, zugleich aber religiös geworden und durch Hinweisen auf das „höhere jenseitige Leben" es erreicht habe, ihren novum hominem5 „ins Narrenhaus" zu bringen. Letzters ist verbatim6 zu verstehn. Mit dem Putnammann7 hatte ich also ein souper8 zusammen. Außer mir zugegen nur noch Freiligrath und ein alter Yankee. Der Putnammann war ein stilles gemütliches Wesen, aber der andre Yankee ein flotter und witziger Bursche. Putnam verlangt nach dem Bazancourt[69] womöglich wieder Aufnahme der Frage „Ships against Walls"9 als Amerika besonders interessierend, mit Bezugnahme auf den letzten Krieg[90!. Dann auch wegen der schwimmenden Batterien und Kanonenboote; leichtes oder schweres Geschütz etc. Alles das scheint mit Hinsicht auf einen nähern oder weitern Krieg von Arherika gegen England gemeint zu sein. Außer diesen militaribus10 soll ich dann über Heine schreiben. Kurz, wir können jetzt in regulär intercourse11 mit diesem sehr „guten" Haus treten.
1 zunächst mit Dank den Empfang des Geldes zu bestätigen - 2 Tumult - 3 ganz -4 Marie Wilhelmine Dähnhardt - 5 neuen Mann - 0 wörtlich - 7 Frederick Olmsted - 8 Abendessen 9 „Schiffe gegen Festungen" -10 Militärartikeln -11 regelmäßigen Verkehr
Das Haus, was ich gemietet habe, ist sehr schön für den Preis und würde schwerlich so wohlfeil vermietet werden, wäre nicht seine nächste Umgebung, Wege etc. somewhat unfinished12. Du findest nun, wenn Du nach London kommst, ein vollständiges home13. What do you think of the aspect of the money-market?14 Die Diskonterhöhungen auf dem Kontinent hängen unstreitig zum Teil damit zusammen, daß infolge des kalifornischen und australischen Goldes Silber gegen Gold gestiegen ist und (die belgische Bank gibt nur noch 19 fr. 40 c. (Silber) für einen Napoleondor) die Bullionhändler15 daher überall, wo Gold und Silber gesetzlicher Standard16, letztres den Banken entziehn. Was aber auch der Grund der Diskonterhöhungen, sie beschleunigen jedenfalls den downfall17 der enormen Schwindeltransaktionen und namentlich auch des grand pawningshop at18 Paris1911. Ich glaube nicht, daß die große monetäre Krise das Jahr 1857 überwintern wird. Die stupiden Esel von Britishers19 bilden sich ein, daß diesmal bei ihnen alles sound20 ist im Kontrast zum Kontinent. Abgesehn von dem intimen Konnex zwischen der Old Lady of Threadneedle Street'921 und dem Pariser Concern, übersehn die Esel, daß großer Teil des englischen Kapitals in den kontinentalen Kredits steckt und daß ihr „sound" overtrading21 (Export soll dies Jahr 110 Mill. £ erreichen) auf der „unsound" speculation22 des Kontinents ruht, ganz wie ihre Zivilisationspropaganda von 1854-56 auf dem coup d'etat von 1851. Im Unterschied von frühern Krisen hat Frankreich diesmal allerdings die Form gefunden, worin der Schwindel über ganz Europa propagiert werden konnte und propagiert worden ist. Im Gegensatz zu dem welschen raffinement von St.-Simonismus[931, stockjobbery23 und Imperialismus scheint die inländische englische Spekulation zur primitiven Form des simplen und unmitigated fraud24 zurückgekehrt. So Strahan, Paul and Bates • die Tipperary Bank of Sadleir memory25; die Great City frauds of20 Davidson, Cole and Co.; jetzt die Royal British Bank; und schließlich die Kristallpalastgeschichte1941. (4000 falsche Aktien in Zirkulation geworfen.) Dies nun, daß die Britishers im Ausland unter kontinentalen colours27 spekulieren und im Inland zum fraude simple28 zurückkehren, nennen die Kerls „sound State of commerce"29.1951
12 etwas unfertig - 13 Heim -14 Was denkst Du über die Lage des Geldmarktes? -15 Edelmetallbarrenhändler -16 gesetzliche Währung -17 Zusammenbruch -18 der großen Pfandleihe in -19 Briten -20 gesund - 21 ihre „gesunde" Geschäftsanspannung - 22 „ungesunden" Spekulation - 23 Aktienspekulation - 24 vollständigenße/ru^s - 25 Sadleirschen Angedenkens 26 großen City-Betrügereien von - 27 Flaggen - 28 simplen Betrug - 29 „gesunden Zustand des Handels"
Die Sache hat diesmal übrigens europäische Dimensionen wie nie zuvor, und ich glaube nicht, daß wir noch lange hier zuschauen können. Selbst daß ich endlich so weit bin, wieder ein Haus einzurichten und meine Bücher kommen zu lassen, beweist mir, daß die „Mobilisation" unsrer Personen at hand30 ist. Salut. Dein K.M.
30 nahe
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Engels an Marx in London
[Manchester, nicht vor dem 27.September 1856] l...]1 Wegen Weerth will ich an [...]2 in Berlin schreiben, der bringt doch vielleicht etwas in ein Blatt, n'importe3 welches, wenn es nur erscheint. Lupus hatte die Nachricht über 10 Tage nach meiner Rückkehr von London mit keiner Silbe erwähnt, und erst am Vorabend der Ankunft meines Alten, ganz spät, gegen 11 Uhr abends, kam er damit heraus. Du kannst Dir meine Bestürzung und meinen Ärger über dies dumme Verfahren denken. Ich war für die nächsten 8-14 Tage auf keine Stunde mein eigner Herr, nicht einmal, um zu Steinthal hinzugehn und etwas Näheres zu hören, geschweige an Nekrolog und dgl. zu denken. Es ist wahrscheinlich, daß er etwas Literarisches hinterlassen hat, ich werde Sorge tragen, daß ich es zu sehen bekomme. Den Panslawismus'12' könntest Du mir gelegentlich schicken, ich will das Ding, sobald ich Zeit habe, überarbeiten und in raisonablen4 Zustand bringen - für ,,Putnam"(?) oder für sonst etwas, was sich inzwischen wohl auftun wird. Die Principalities5'3' würde ich grade jetzt, wo der Tuck6noch fortdauert, einem englischen Blatt oder „Monthly" anbieten. Wie geht's voran mit Urquhart [...]2 zweifle sehr daran [...]2 bis jetzt seh' ich keine Möglichkeit. Uns wird die Amnestie keinenfalls affizieren. Die Geschichten von Moses7 und Mösin8 haben uns hier sehr lachen gemacht. Also grade wie Ewerbeck[96], il s'est achete une place au PereLachaise de la litterature fran?aise9. Golowins „Russia" nicht gesehn, schick mir eine oder 2 Nrn., ich werde sehn, was es ist, hier kennt man es gar nicht. Bazancourt ist noch in Arbeit'69J, ich denke in ca. 10 -14 Tagen damit fertig zu sein. Du siehst, es geht so rasch nicht, ich hatte gar nichts vorarbeiten können. Hätte ich doch meine „Tribune"-Artikel über den Krieg'90'!
1 Anfang des Briefes abgerissen - 2 Papier beschädigt - 3 ganz gleich - 4 vernünftigen 6 Fürstentümer - 6 Lärm - ' Moses Heß -8 Sibylle Heß -3 hat er sich einen Platz auf dem Pere-Lachaise (Pariser Friedhof) der französischen Literatur gekauft
Alles Material ist wieder zusammenzusuchen. Mit ships agamst walls10 kann sodann auch aufgewartet werden, und wir wollen dann schon sehn, daß die Verbindung im Gang bleibt. Daß Gold gegen Silber gefallen, kann jetzt gar nicht mehr bezweifelt werden. Es ist aber auch positiv Silber verschwunden, aber wohin, ist mir nicht ganz klar. In China muß bei dem konfusen Zustand viel vergraben und versteckt worden sein. Dann ist die balance of trade11 in der letzten Zeit überaus günstig für Indien und China gegen England, den Kontinent und Amerika zusammen, gewesen. Jedenfalls sehr angenehm für John Bull, schon jetzt 6 d. in the Pound12 weniger wert zu sein. Die Geldmarktswolken ziehen sich sehr ernsthaft zusammen, und der alte „horizon politique"1971 des „Constitutionnel" wird wohl wieder zu Ehren kommen. Die Geschichte in der Bank vorigen Dienstag, wo 1 Mill. Gold geholt wurde, ist bezeichnend. Fast sieht's aus, als bräche die Sache jetzt schon los, es kann aber auch bloß ein Vorspiel sein. Der Theorie nach müßte Rußland erst vollständig in den Schwindel hereingeritten sein, ehe der Sturz kommen dürfte, allein das ist wohl nicht zu erwarten, ist auch vielleicht besser. Was hier auch noch die Spekulation sehr hemmt, ist der hohe Preis aller Rohstoffe, besonders Seide, Baumwolle und Wolle; es ist durchaus nicht safe13, darin das Geringste zu tun. Den Herren Engländern aber wird ein kurioses Licht aufgehn, wenn der crash14 kommt. Ich möchte wohl wissen, wieviel Aktien des kontinentalen Schwindels in England liegen, ich glaub' eine ganze Masse. Es gibt diesmal ein dies irae15 wie nie vorher, die ganze europäische Industrie kaputt, alle Märkte überführt (nach Indien schickt man jetzt schon nichts mehr), alle besitzenden Klassen hereingeritten, kompletter Bankrott der Bourgeoisie, Krieg und Liederlichkeit im höchsten Grad. Auch ich glaube, daß sich alles dies Anno 1857 erfüllen wird, und als ich sah, daß Du Dir wieder Möbel anschaffst, erklärte ich die Sache sofort für fix und bot Wetten drauf an. Adieu für heut, grüß Frau und Kinder herzlich. Dein F. E.
10 Schiffe gegen Festungen - 11 Handalsbilanz - 12 pro Pfund - 13 sicher - 14 Krach
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Marx an Engels in Manchester
16. Oktober 1856 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Engels! Nach Empfang der Post Office Ordre1 wurde ausgezogen, und die ersten 2 Wochen furchtbar viel Gelaufe nach und von der Stadt, um einigermaßen das Haus in Ordnung zu bringen. Daher mein Schweigen. Einliegend Auszug aus einem Buch Mieroslawskis. Du weißt, daß er nicht ohne Esprit; aber auch viel esprit de mauvais aloi3 in der Schrift, namentlich viel von dem style amphigourique3, den sich die Franzosen angequält, seitdem sie „tief" geworden und keine oberflächlichen Voltairianer mehr sind. Auch viel von der begeisterten Salbe, womit „verkannte" Nationalitäten ihr passe4 verhimmeln. Haß gegen Rußland, noch mehr gegen Deutschland; gegen den Panslawismus; dagegen freie Konföderation von slawischen Nationen mit Polen als peuple Archimede1981. Soziale Revolution in Polen als Grundbedingung der politischen entschieden hervorgehoben; aber durch eine geschichtliche Deduktion, die grade das Gegenteil beweist, nachzuweisen gesucht, daß die Herstellung der alten agrarischen Gemeine (Gmina - die russische Gemeinde latinisiert) das Wahre ist. Ich habe in den letzten Wochen auch näher die Silbergeschichte studiert und werde Dir darüber gelegentlich Bericht abstatten. Nach meiner Meinung wird Bonaparte der suspension of cash payments[99] kaum entgehn können, und dann va la Galere5! „Guardian" erhalten. Nächstens mehr. Otto ist begnadigt. Dein K.M. Mit den Urquhartiten, (die bis vorvorige Woche immer noch - Unterbrechungen dazwischen - meine alte Scheiße, von mir verändert, wieder
1 Postanweisung - 2 von schlechter Qualität - 3 geschraubten Stil - 4 ihre Vergangenheit b schwimme Galeere (komme, was da wolle)
abgedruckt'701) bis jetzt noch keinen Schritt weiter gekommen. Die Sache muß sich indes diese Woche noch entscheiden. Urquhart hat in dem „Morning Herald" die ihm sehr neuen Sachen schon als längst von ihm beseßne Geheimnisse orakelhaft wieder von sich gegeben. Der große Bucher sprach in der „National-Zeitung" - wörtlich von mir borgend - von den „interessanten Enthüllungen", unterdrückt aber meinen Namen und läßt vermuten, daß sie von englischer Seite gemacht sind. Du siehst, wie neidisch und ärgerlich diese Kanaillen.
Haus in London (9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill), in dem Marx von Oktober 1856 bis 1864 wohnte

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Marx an Engels in Manchester
[London] 30. Oktober 1856 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Dear Frederic, Ich diktiere eben einen Artikel über Persien1. Daher nur einige Zeilen. Deine £ 5 erhalten. Ist es Dir nicht möglich, mir noch diese Woche einiges Militärische über die Schweiz zu schicken, da ich daran aufgehalten bin und nicht weiter in meinen Artikeln gehe. Nächstens ausführlichen Brief.
Dein K.M.
Rüge gibt heraus: 1. „Jagdgeschichte für Kinder"; 2. Philosophische Betrachtungen über die alte ägyptische Religion. Er erzählte dies Blind, der bei der Gelegenheit entdeckte, daß Vater Rüge nicht einmal das Werk von Roth dem Namen nach kennt.
1 „Der Englisch-Persische Krieg"
6 Marx/Engels, Werke, Bd. 29
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Marx an Engels in Manchester
[London] 30. Okt. 1856 Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Der Artikel über Bazancourt1691 famos. Einliegend der Schluß des Mieroslawski. Meine Schreibfaulheit zum großen Teil daher rührend, daß meine Frau krank seit den letzten Monaten. In dem Mieroslawski wirst Du selbst bemerken: 1. daß derselbe Mann, der un royaume diplomatique1 in Polen für unmöglich hält, une revolution diplomatique2 daselbst machen wollte, i.e. unter den auspices of3 Louis Bonaparte and Palmerston; 2. daß das Schicksal der „demokratischen" lechitischen Gmina11001 notwendig ist: das eigentliche dominium4 wird usurpiert von der Krone, Aristokratie etc.; die patriarchalischen Beziehungen zwischen dem dominium und den Bauerngemeinden führen die Leibeigenschaft herbei; die fakultative Parzellierung bildet eine Art Bauernmittel' stand, den ordre equestrell01\ wozu sich der Bauer nur so lang erheben kann, als Erobrungskrieg und Kolonisation fortdauern, welches aber auch beides Bedingungen der Beschleunigung seines downfalls5 sind. Sobald die Grenze erreicht, verwandelt sich dieser ordre equestre, unfähig, die Rolle eines wirklichen Mittelstands zu spielen, in das Lumpenproletariat der Aristokratie. Ähnliches Schicksal des dominium und des Bauern in der romanischen Bevölkrung der Moldau, Walachei etc. Interessant diese Art Entwicklung, weil hier die Entstehung der Leibeigenschaft auf rein ökonomischem Weg, ohne das Zwischenglied der Erobrung und des Racendualismus nachzuweisen. Euer „Manchester Guardian" hat ja die besondre Ehre, als nächster Anlaß zu Bonapartes Erklärung gegen die englische Presse betrachtet zu
1 ein diplomatisches Königreich — 2 eine diplomatische Revolution — 3 dem Schutz von — 4 Grundeigentum — 5 Ruins
werden. Schick mir von Zeit zu Zeit den X'102'. Palm[erston] arbeitet mit Macht daran, da er entdeckt hat, daß Bona[parte]s Jahr 1847 herangenaht, ihn ganz in L[ouis]-Philippes Position zu schieben, in eine Allianz mit Rußland - wie im Sonderbundskrieg'1031 den L[ouis]-Ph[ilippe] - gegen England. Während er ihn einerseits in der neapolitanischen Scheiße ins Schlepptau gegen Ostreich zieht, verbindet er sich selbst mit Ostreich in der Türkei gegen ihn'1041. Die französischen Blätter sind wieder voller misgivings6 über die Umtriebe des perfide Albion. Die kommerzielle Krisis scheint nun doch ihren Schlußstein in den russischen Eisenbahnen zu erhalten. Der Bankrott der Herrn contractors7 des „Weltindustriepalastes"1941 läßt einen glimpse8 in die Beteiligung englischer Kapitalisten an den kontinentalen Unternehmungen tun. In Deutschland geht das Stiften von Industrie- und Bankaktienunternehmungen flott voran. Die Berliner „National-Zeitung" hat ganze lange Spalten publiziert, worin nur die Titel dieser concerns9 aufgezählt werden. Von dem Putnamman Olmsted und einem amerikanischen Reisekompagnon, der bei ihm war, erfuhr ich, daß Gurowski (der Pol) großen Einfluß auf Dana gewonnen hatte, während diese Herrn mir gleichzeitig erzählten, daß derselbe brave Mann direkt von der russischen ambassade10 in Washington regelmäßige Geldzuschüsse erhielt. Dieser G[urowski] vertrat den Panslawismus gegen uns und ist die einzige Ursache, daß Dein Artikel '121 verworfen wurde. Herr Dana, bei der Zurückschickung meines Manuskripts über die Donaufürstentümer'31, hat vergessen, to blot out11 eine in französischer Sprache geschriebne Bemerkung desselben G[urowski]. Erbemerkt nämlich bei meinen statistischen Angaben über die rouman[ian]12 Bevölkrung: „Tous ces chiffres sont exageres pour faire mousser l'idee de nationalite Roumaine. Iis sont dementis par les faits, l'histoire et la logique."13 Wir haben also die Ehre, daß unsre Artikel direkt von der russischen Gesandtschaft überwacht und zensiert werden oder vielmehr wurden. Dana soll endlich auch hinter den G[urowski] gekommen sein. Heute einen Brief von Collet erhalten, dem ich eine neue Liefrung'701 geschickt. Der Kerl geht auf alles ein. Nur spricht er nicht von den monetary terms14, obgleich ich ihn in meinem letzten Sendschreiben ausdrücklich über diesen Punkt interpelliert. Ich muß daher von neuem put on the
6 Befürchtungen - 7 Bau-Unternehmer - 8 flüchtigen Blick - 9 Unternehmen - 10 Gesandtschaft - 11 durchzustreichen - 12 rumänische -13 „Alle diese Zahlen sind übertrieben, um die Idee der rumänischen Nationalität aufzubauschen. Sie werden widerlegt durch die Tatsachen, die Geschichte und die Logik." -11 finanziellen Bedingungen
screw15, da dieses der einzig interessante Punkt für mich ist im intercourse with those Calibans16. Schreib bald über Dich selbst und Umgebung. Mit besten Grüßen von Frau und Kind. Kinder sehr wohl. Dein K.M.
16 einen Druck ausüben -16 Verkehr mit diesen Calibans
- 30
Engels an Marx in London
Manchester, 17.Novbr. 1856
Lieber Marx, Von Tag zu Tag hat mich der verfluchte Commerce vom Schreiben abgehalten. Ich habe jetzt drei Bengel in Ordnung zu halten, und da ist kein Ende des Revidierens, Korrigierens, Rüffeins und Kommandierens. Dazu den Kampf mit den Fabrikanten wegen schlechter Garne oder langsamer Ablieferung, und meine eignen Arbeiten. Ich wollte, es gefiele dem Herrn Bonaparte, Frankreich von sich und mich von diesem Trubel zu befreien. Dieser Bonaparte sitzt übrigens verdammt tief in der Sauce. Die Geschichten wegen der Plakate und der Aufregung unter den Arbeitern, die der „Times"-Korrespondent so haufenweise brachte, als infolge des „Momteur"~Artikels er Befehl erhielt de parier plus haut1, haben bei den englischen Philistern hier einen enormen Eindruck gemacht1100'. Alles glaubt an seinen speedy downfall2. Die plötzliche Entdeckung, daß der Kerl au fond3 doch ein Esel ist, und zwar von einer ganz ordinären Sorte, wird dadurch erklärt: früher war er ein Genie, jetzt aber ist er so durch liederlichen Lebenswandel ruiniert, daß sein Gehirn angegriffen ist. Es mag auch dann etwas sein, aber im ganzen ist der Kerl sich doch ganz konsequent geblieben, und bloß die englischen Philister können zwischen dem von sonst und dem von jetzt einen qualitativen Unterschied sehn. Im „Guardian" steht heute eine interessante Statistik über Bankerotte in Frankreich; ich schick' sie Dir. Die Finanzknsis scheint sich mit einigen Fluktuationen und allmählich steigender Schärfe chronisch durch den Winter hinschleppen zu wollen. Dies würde sie fürs Frühjahr bedeutend schlimmer machen, als sie bei jetzt erfolgten akutem Ausbruch geworden wäre. Je mehr Einzahlungen in die bis jetzt großenteils auf dem Papier bestehenden Gesellschaften gemacht, je mehr flottierendes Kapital fixiert wird, desto besser. Solange der Diskonto nicht unter 7 % kommt - und die letzte Erhöhung ist ein Beweis, daß er noch
1 lauter zu sprechen - 2 baldigen Zusammenbruch - 3 im Grunde
mehr erhöht werden muß - ist keine Aussicht da, daß drei bis vier Einzahlungen auch nur auf die Hälfte der Schwindelkompagnien geleistet werden können. Der östreichische Credit mobilier1541 kann schon nicht die zweite Einzahlung geleistet bekommen, und dabei macht die Regierung in Ostreich Verträge, wodurch sie die Bank zwingt, cash payments4 zu resümieren! - Ich möchte das Geld haben, was es dem Bonap[arte] gekostet haben mag, die Rente seit 6 Wochen über 66% zu halten; eben dieser deshalb gemachten großen Anstrengungen wegen halte ich den Tag für einen Wendepunkt, wenn die Rente unter 66 zu stehen kommt.11061 Je länger diese chronische pressure5 dauert, desto mehr Schweinereien der bonapartistischen Clique müssen an den Tag kommen und desto größer muß die Wut der Arbeiter werden, denen die Details bisher nicht bekannt sein konnten. Dieser Morny ist wirklich ein Meisterstück von einem suitier6, der Kerl scheint auch keine Lust zu haben, wieder nach Paris zu kommen, und die russischen Eisenbahnen und Staatspapiere sind für ihn gewiß die geeignetste Manier, sein Geld anzulegen. So schöne tabula rasa wie diesmal findet die Revolution so leicht nicht wieder vor. Alle sozialistischen dodges7 erschöpft, die forcierte Beschäftigung der Arbeiter seit 6 Jahren antizipiert und exploded8, keine Möglichkeit, neue Experimente und Phrasen zu machen. Auf der andern Seite aber auch die Schwierigkeiten ganz nackt und unverhüllt; der Stier muß ganz direkt bei den Hörnern gefaßt werden, und da möchte ich das nächste französische Provisorium wohl einmal sehen, wie sie sich die Zähne ausbeißen. Glücklicherweise ist diesmal nur mit der rücksichtslosesten Courage etwas zu machen, denn eine so rasche Ebbe wie 1848 wird man nicht mehr zu fürchten haben. Der Strohn war dieser Tage hier, hatte Diverses vom Kleinen9 gehört; der Mann (entre nous10) denkt ernsthaft daran, sich auf eigne Rechnung zu etablieren! Er bildet sich ein, er könne seinem jetzigen Prinzipal durch seine Phräschen die Kunden abspenstig machen. Ich habe jetzt James, „Naval history of England" 1792-1820 vor, hauptsächlich wegen der ships against walls11. Daraus geht hervor, daß die Engländer sich ihre naval superiority12 über Franzosen und besonders Spanier sehr mühsam erkämpfen mußten. Bei gleichen Kräften sind in den ersten Kriegsjahren Franzosen und Spanier den Engländern fast jedesmal gewachsen, und eine Masse Schiffe wurden den letzteren abgenommen.11071
4 Barzahlungen - 5 Depression - 6 Verschwender - 7 Schwindeleien - 8 verworfen - 9 Ernst Dronke - 10 unter uns - 11 Schiffe gegen Festungen -12 Überlegenheit zur See
Ich bin erst bis 1796; aber so viel seh' ich schon, daß die französische Flotte unter Napoleon ihren aller tiefsten Stand gehabt hat, und wahrscheinlich nicht ohne seine Schuld. - Die Hauptüberlegenheit der Engländer liegt im bessern Schießen zur See; die Franzosen schössen immer zu hoch, die Spanier schon viel besser. Die Geschichte mit dem „Vengeur", der am 1 .Juni 1794 au cri de vive la republique13 untergegangen sein soll, ist übrigens eine Fabel. Der „Vengeur" ergab sich den Engländern, aber ehe er wirklich in Besitz genommen wurde, kamen wieder einige französische Schiffe näher; er zog wieder französische Flagge auf, der Sukkurs wurde abgeschlagen, die Engländer kamen heran, aber das Schiff ging unter, und die Mannschaft wurde größtenteils gerettet. Es sank 4-6 Stunden nach Ende der Schlacht. Grüß Frau und Kinder bestens. Dein F. E.
15 mit dem Ruf es lebe die Republik
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Dezember 1856 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Frederic, Meine Frau mediziniert noch fortwährend, und so ist stets .noch große Störung im Haus, so daß ich schwer zum Schreiben komme. Mit dem Mieroslawski1 scheint providentielle „Teilung" vorgeherrscht zu haben, indem wahrscheinlich der größte Teil der für Dich bestimmten Auszüge (waren about2 2 Schreibbogen) als Fidibus von dem Korpus des Manuskripts losgerissen worden sind. Indes verlierst Du nicht viel. Ich habe später Lelewels „Considerations" - zu unterscheiden von seiner populären Geschichte - gelesen. Er bildet eigentlich, nebst Maciejowski (?) (ich zitiere den Namen aus dem Gedächtnis) das Material, worüber Mfieroslawski] seinen Geist ausgegossen. Was mich übrigens bei meinem neueren Studium der polnischen Geschichte decidement3 direkt für Polen entschieden hat, ist das historische Fakt, daß alle revolutions seit 1789 ihre Intensivität und Lebensfähigkeit ziemlich sicher an ihrem Verhalten zu Polen messen. Polen ist ihr „auswärtiger" Thermometer. Dies en detail nachweisbar in der französischen Geschichte. In unsrer kurzen deutschen Revolutionsepoche, ebenso in der ungarischen ist es augenfällig. Von allen revolutionären Regierungen, Napoleon I. einbegriffen, bildet das comite du salut public'1081 nur insofern eine Ausnahme, als sie nicht aus Schwäche, sondern aus „Mißtrauen" die intervention verweigerten. 1794 beschieden sie den employe4 der polnischen Insurgenten vor sich und legten diesem „citoyen"5 folgende Fragen vor: „Wie kömmt es, daß Euer Kosciuszko populärer Diktator ist und neben sich einen König duldet, von dem er überdem wissen muß, daß er von Rußland auf den Thron gesetzt worden ist? Wie kömmt es, daß Euer Dik
1 Siehe vorl. Band, S.79 und 82 - 2 ungefähr - 3 mit Bestimmtheit - 4 Vertreter (Franciszek Barss) - 5 „Bürger"
tator das Massenaufgebot der Bauern nicht durchzusetzen wagt aus Furcht vor den Aristokraten, die sich keine ,Arbeitshände' entzogen haben wollen? Wie kömmt es, daß seine Proklamationen an revolutionärer Farbe verlieren in demselben Maß, wie seine Marschroute ihn von Krakau entfernt? Wie kömmt es, daß er die Volksinsurrektion in Warschau sofort mit Galgen bestraft hat, während die aristokratischen .traitres de la patrie'6 frei umherwandeln oder hinter langsame Prozeßformalitäten geborgen werden? Antwortet!" Darauf fand sich der polnische „citoyen" genötigt zu schweigen. Que dites-vous de Neufchatel et Valangin?711091 Dieser case8 hat mich veranlaßt, meinen höchst mangelhaften Kenntnissen von der preußischen Geschichte nachzuhelfen. Indeed and indeed9, etwas Lausigeres hat die Weltgeschichte nie produziert. Die weitläufige Historie, wie die nominellen Könige von Frankreich reale Könige werden, ist auch voll von kleinlichen Kämpfen, Verrätereien, Intrigen. Aber es ist die Entstehungsgeschichte einer Nation. Die östreichische Geschichte, wie ein Vasall des deutschen Reichs sich eine Hausmacht gründet, wird interessant durch den Umstand, daß der Vasall sich selbst als Kaiser prellt, durch die Verwicklungen mit dem Orient, Böhmen, Italien, Ungarn etc. und schließlich dadurch, daß die Hausmacht solche Dimensionen annimmt, daß Europa in ihr eine Universalmonarchie fürchtet. Nichts von alledem in Preußen. Es hat sich keine einzige mächtige slawische Nation unterjocht, brachte nicht einmal fertig, in 500 Jahren Pommern zu bekommen, bis schließlich durch „Austausch"11101. Überhaupt eigentliche Erobrungen hat die Markgrafschaft Brandenburg - so wie die Hohenzollern sie überkamen - nie gemacht, mit Ausnahme von Schlesien. Weil dies ihre einzige Erobrung ist, heißt Friedrich II. wohl der „Einzige"! Kleinliche Löffeldiebstähle, bribery10, direkte Ankäufe, Erbschaftsschleichereien etc. - auf solche Lumperei läuft die preußische Geschichte hinaus. Was sonst in der feudalen Geschichte interessant ist, Kampf des Landesherrn mit den Vasallen, Mogelei mit den Städten etc., alles das ist hier zwerghaft karikiert, weil die Städte kleinlich-langweilig und die Feudalen rüpelhaft-unbedeutend sind und der Landesherr selbst ein Minimus ist. In der Reformation wie während der französischen Revolution schwankende Perfidie, Neutralität, Separatfrieden, Haschen nach einigen Happen, die Rußland ihm während der von ihm veranstalteten Teilungen zuwirft - so mit Schweden, Polen, Sachsen
6 .Vaterlandsverräter' - 7 Was sagst Du zu Neufchatel und Valangin? - 8 Fall und wahrhaftig - 10 Bestechung
Wahr
Dabei in der Liste der Regenten immer nur 3 Charaktermasken, die sich folgen wie die Nacht auf den Tag, mit Unregelmäßigkeiten, die nur Versetzungen der Reihenfolgen, nie Einführung eines neuen Charakters sind Pietist, Unteroffizier und Hanswurst. Was den Staat bei alledem auf den Beinen gehalten hat, ist die Mittelmäßigkeit - aurea mediocritas11 -, pünktliche Buchführung, Vermeidung der Extreme, Genauigkeit im Exerzierreglement, eine gewisse hausbackene Gemeinheit und „Kirchenverordnung". C'est degoütant!1211111 Wie steht's gegenwärtig im Manchester Geschäft? Kannst Du mir einige Details über den Stand des business in den manufacturing districts13 geben? Ich habe Dir noch nicht mitgeteilt, daß Vater Heise auf der Durchreise von Utrecht hier war. Ist jetzt wieder bei Imandt. Sieht wohler und voller aus denn je. Götz tauchte hier auch plötzlich wieder auf. Ist ebenso plötzlich wieder verschwunden. Freiligrath sehr zufrieden mit seinem Geschäft und sich. Zum Besuch hier Valdenaire von Trier - der verunglückte Vereinbarer. Über seinen Zweck nächstens. Schließlich muß ich Dir noch eine Gewissensfrage stellen. Ich habe Ende Dezember ziemlich beträchtliche Zahlungen zu machen. Ist es Dir möglich, bis dahin einiges beizuschaffen? Das Geld meiner Frau ist größtenteils für Hauseinrichtung draufgegangen und zur Deckung der sehr großen Ausfälle in den Einnahmen. Wann kommst Du her? Was macht Lupus? Dein K.M.
11 goldene Mittelmäßigkeit - 12 Das ist widerlich! -13 Geschäfts in den Industriebezirken
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22. Dezember [185]6
Lieber Engels, Wenn Du mir das Geld noch in dieser Woche schicken könntest, würdest Du mich sehr verpflichten. Ich war eben bei Freihgrath, um zu sehn, ob er auf meinen erst nach 2 oder 3 Wochen ziehbaren Wechsel auf Amerika mir einiges vorschießen könnte, - mais impossible!1 Putnams Geld erwartete ich heute; ist nicht gekommen. Mit dem elenden Urquhartpack wo ich Forderungen habe - schweben immer noch die transactions2. Wenn ich meinen landlord3 das erstemal nicht pünktlich zahle, bin ich entierement discredite4. In aller Eile. Salut. Dein K.M.
P. S. Kannst Du mir einige militärische Witze über den PreußischNeufchäteler Konflikt11091 schicken? Es wäre sehr an der Zeit. Den diplomatischen Teil habe ich selbst behandelt.5 Der rote Wolffb ist in Blackburn, Yorkshire, samt Familie, Schulmeister mit 60 £ St. Gehalt.
1 aber unmöglich! - 2 Verhandlungen - 3 Wirt - 4 völlig in Mißkredit gebracht - 6 „Das göttliche Recht der Hohenzollern" - 6 Ferdinand Wold
1857
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Marx an Engels in Manchester
[London] 10.Jan. 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Dear Frederic, D'abord1 mein Prost Neujahr, obgleich nachträglich. Infolge dünner Tinte und mehrnächtigen Schreibens das eine Auge mir so inflammiert, daß das Schreiben lästig. Beides erhalten, die £ 5 (die 2te Sendung) und die Mountain warfare2. Für beides my best thanks3. Ist es wahr, daß Lupus wieder von Manchester Raubrittern angefallen und geplündert? Oder ist das hier zirkulierende Gerücht bloß unkritische Reproduktion der alten Geschichte? Der alte Hill tut am besten, entweder sich ins Paradies oder auf einen idyllischen Schweizer hill4 zurückzuziehn, so daß er definitiv in Eurem Büro ersetzt werden müßte und Dir nicht doppelte Arbeit aufgehalst unter dem false pretence5 seiner „temporären" Krankheiten. Die Neufchäteler Geschichte11091 ist noch nicht so ganz beigelegt, wie einige Zeitungen behaupten. Beide Seiten sind vielleicht schon zu weit in der Renommage gegangen. Blamiert haben sich schon beide. Unser Hohenzoller mit seiner dejeretice6 für Bonaparte und die Schweizer mit ihrer „würdigen" Haltung. So haben die Schufte mehre hundert Fabrikarbeiter nach Piemont ausgewiesen, weil sie propagandistische Demonstrationen machten. Die „Borger" - denken so die Achtung Bonapartes und Ostreichs too7 sich zu sichern. Was sagst Du dazu, daß Lamoriciere und Bedeau ihre
1 Zunächst - 2 Friedrich Engels: „Kriegführung im Gebirge einst und jetzt" - 3 meinen besten Dank - 4 Hügel - 6 falschen Vorwand - 6 Willfährigkeit ~ 7 ebenfalls
epees8 den Schweizer Bürgern angeboten? Offenbar bloße Demonstration gegen Bonaparte, da die Kerls sicher waren, daß die Schweizer Borger sie nicht beim Wort nehmen würden. Große Aufregung herrscht in der petite democratie9. Es ist eine Kollision, wie sie dieselbe wünschen. Dazu betrachtet der süddeutsche Patriot natürlich den Schweizer als stammverwandt und sieht in der jetzigen Kollision in der Tat nur eine Fortsetzung der Verfassungskampagne von 1849[112]. Außerdem Erwartungen von Erhebungen der Schwarzwälder etc. Der Preuße seinerseits tut allerdings alles, um a „breach of the peace"10 vorzubeugen. So hat der Dicke11 an seinen Schwager12 in Petersburg geschrieben, wie jener Mann, der seine Frau bat, ihn zu halten, weil er sonst aus dem Fenster springen würde. „Halte mir" ist ein Wort, das unser Angestammter allen Großmächten der Reihe nach zugerufen. Die Frage ist, ob sie ihn „halten" wollen und ob nicht West und Ost mit gleicher Schadenfreude das Feuer schüren. Wie immer die Sache ausfalle, an Blamage wird es nicht fehlen. Proudhon gibt jetzt zu Paris eine „ökonomische Bibel" heraus. Destruam et aedificabo.13 Den ersten Teil hat er, wie er sagt, ausgeführt in der „Philosophie de la misere". Den zweiten wird erjetzt „enthüllen". Deutsch erscheint die Schmiere, übersetzt von Ludwig Simon, der jetzt wohlbestallter Kommis bei Königswärter (oder ähnlich, der bekannte Bankier des „National") in Paris ist. Eine neuere Schrift von einem Schüler Proudhons hab' ich hier: „De la Reforme des Banques", par AlfredDarimon, 1856. Witz der alte. Die Demonetisation de l'or et de l'argent oder que toutes les marchandises transformiert in Instruments d'echange au meme titre que l'or et l'argent14. Die Schrift ist eingeleitet von Emil Girardin und geschrieben mit Bewunderung vor Isaac Pereire. Es läßt sich daher einigermaßen aus derselben sehn, zu welchen sozialistischen coups d'etat Bonaparte immer noch im letzten Augenblick sich kapabel hält zu flüchten. Von Bruno Bauer habe ich einen ganzen lot pamphlets15, die er während des russischen Kriegs schrieb.11131 Schwach und prätentiös. Der brave Mann hat jetzt zusammen mit seinem Bruder Egbert 50 Acker Land, vor Berlin, von dem Berliner Magistrat gepachtet. Edgars, des Londoners, alte Schwiegermutter - alte Wäscherin oder something of the sort16 - soll das „Marktliche" besorgen. Dies, schreibt Bruno an Edgar, sei der Weg zur
8 Degen - 9 kleinen Demokratie - 10 einem „Friedensbruch" - 11 Friedrich Wilhelm IV.12 Alexander II. -18 Ich werde zerstören und ich werde aufbauen. -14 Aufhebung des Geldcharakters von Gold und Silber oder daß alle Waren'in Tauschmittel transformiert, genauso wie Gold und Silber -16 Haufen Broschüren -16 so etwas
„Unabhängigkeit". Er zahlt 5 Reichstaler Rente per acre, also 250 Reichstaler jährlich. Es ist alte Brache. Von dem Gewinn und Produkt dieses Landes denkt Bruno in den Stand gesetzt zu werden, mit Muße seine „Geschichte des Urchristentums" zu schreiben, die als „historische" Probe auf seine Evangelienkritik11141 dienen soll. Es sind dies artige kritische Phantasien, und einigermaßen mag Bruno influenziert gewesen sein durch die Reminiszenz, daß Faust im 2.Teil Grundeigentümer wird. Er vergißt nur, daß der Faust das Geld zu dieser Transformation vom Teufel erhielt. Lallerstedt, „La Scandinavie, ses craintes et ses esperances", schwedisches Pendant zu Mieroslawskis Buch. Enthält einige facts von Interesse. Namentlich sieht L[allerstedt] ein, daß England Schweden während des vorigen Jahrhunderts beständig russische Streiche gespielt hat. Erzählt, daß der Admiral Norris, den die Engländer nach dem Tode von Karl XII. ostensibel gegen die Russen schickten, von Peter I. mit einem wertvollen Edelstein bestochen wurde. Auch das Benehmen des Bernadotte durch einiges Neue illustriert. Hier nichts Neues. Ich gehe wenig aus und höre wenig. Salut. Dein K.M.
Herr Faucher, der Berliner, ist einer der principal sub-editors17 des „Morning Star". Gegen Lupus schreibt Horace Mayhew in den „London Illustr[ated] News" u.a.: „Symptoms of being a confirmed old Bachelor: When a man cannot go anywhere without his umbrella, that's a Symptom. When a man thinks everyone is cheating him, that's a Symptom. When a man does all the Shopping himself etc."18
17 führenden Redakteure -18 „Merkmale eines eingefleischten Junggesellen: Wenn ein Mann nirgendwo ohne Regenschirm hingehen kann, ist das ein Merkmal. Wenn ein Mann glaubt, daß ihn ein jeder betrügt, ist das ein Merkmal. Wenn ein Mann alle Einkäufe selbst macht etc."
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. Januar 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels! Edgar von Westphalen hat einen Mann mit einliegender Adresse und zwei Briefen, einen an mich, einen an Dich hergeschickt. Dieser Erich sucht Verbindungen mit Londoner Kaufleuten anzuknüpfen und geht dann wieder nach New York zurück. Er hat New-Yorker Empfehlungen, aber keine englischen. Mit Bezug auf Edgars Brief - hat er sich auf Dich und mich bezogen, auf Dich als englischen Kaufmann, auf mich als „New-York Tribune"-Korrespondenten. Ich sagte ihm, daß wir unmöglich Auskunft über seine Vermögensverhältnisse geben könnten, da wir nichts davon wüßten, Reply1: das sei auch nicht verlangt, sondern nur auf Anfrage zu bestätigen, daß er der „Erich" von New York sei und uns von dort „empfohlen" sei. It is altogether a silly business2, wie Edgar sie einzuleiten pflegt. Der Kerl scheint ein anständiger Kerl zu sein, und ich konnte ihm natürlich nicht sagen, daß eine Empfehlung von meinem Schwager eher schädlich als nützlich selbst bei uns ist. In bezug auf Dich habe ich natürlich nichts zugesagt, sondern mich nur verpflichtet, Dir den Brief Edgars zuzuschicken und Dir zugleich zu schreiben, daß die „Rekommandation", wenn verlangt, au fond3 nur eine Konstatierung der Identität der Person sein soll. Cornelius wird in kurzem London verlassen. Wird Manager einer Bergwerksaktienunternehmung in Nassau. Dem Vetter des Roesgen hat er eine Stelle (Auswanderungsgeschäft) in Havre angetragen, die gut sein soll. „Guardians" erhalten. Das fact mit den Überschwemmungen ist interesting.1 Salut. .;n„4 ins] Dein K.M.
1 Antwort - a Es ist insgesamt eine dumme Geschichte - 3 im Grunde - 4 interessant
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Marx an Engels in Manchester
[London] 20. Januar 1857 9, Grafton Terrace, Maitland [Park], Haverstock Hill
Lieber Engels, Ich bin durch und durch ein Pechvogel. Seit ungefähr 3 Wochen schickt Herr Dana mir die tägliche „Tribüne", offenbar bloß mit der Absicht, mir zu zeigen, daß sie nichts mehr von mir drucken. Mit Ausnahme von ungefähr 40 Zeilen über die moves der Banque de France1 ist nicht eine einzige Zeile von mir aufgenommen. Ich habe von Woche zu Woche das Ziehen auf die „Tribüne" aufgeschoben, weil ich glaubte, die Artikel würden nachgedruckt, but nothing of the sort2. Meine Artikel über Preußen, Persien, Ostreich11161 alles gleichmäßig rejected3. Nachdem die Hunde ungefähr 4 Jahre alle meine Sachen (und Deine too4) unter ihrem Namen gedruckt, haben sie es so erreicht, meinen Namen vor den Yankees zu eklipsieren, der im Wachsen begriffen war und mir möglich gemacht hätte, ein andres Blatt zu finden oder ihnen zu dröhn mit dem Übertritt in ein andres Blatt. Que faire?5 Guter Rat ist teuer in these circumstances6. Sobald ich ziehe, werden sie den Anlaß nehmen, mir definitiv aufzukündigen, und wöchentlich zweimal zu schreiben auf die Möglichkeit hin, daß unter 10 Artikeln vielleicht einer gedruckt und bezahlt wird, ist eine Praxis, die zu ruinierend ist, um sie fortzuführen, ünd wie kann ich ziehn, wenn nichts gedruckt wird? Dabei ein andres Pech. Ich habe den „Putnam" von November, Dezember und Januar eingesehn. Der Artikel über7 Bazancourt1691 ist nicht drin. Er ist entweder verlorengegangen (obgleich ich ihn selbst aufs Hauptpostoffice8 gebracht) oder erscheint erst später. Daß die Kerls ihn empfangen, nicht drucken wollen, und mir keine Anzeige davon machen, ist eine zu flegelhafte Voraussetzung, um sie anzunehmen.
1 Manipulationen der Bank von Frankreich („Die Krise in Europa") - 2 aber nichts dergleichen - 3 abgewiesen - 1 ebenfalls - 5 Was tun? - 6 dieser Lage - 7 im Original: von 8 Hauptpostamt
Mit den Urquhartiten habe ich es noch zu keinen fixen Bedingungen bringen können, und außerdem ist ihr Blättchen winzig und gibt in einem Monat kleine Stückchen von einem Artikel, den es oft erst in 5-6 Wochen zu Ende bringt."01 Sie können im besten Fall nur als kleine Nebenquelle benutzt werden. Die „Tribüne" in ihren höchst elenden und wäßrigen leaders9 stellt dabei ziemlich die entgegengesetzte Ansicht von allem auf, was ich ihr schreibe. Russian influence10 ist unverkennbar. Ich sitze also vollständig auf dem Sand, in einer Wohnung, worin ich mein weniges Bares gesteckt und worin es unmöglich ist, sich von Tag zu Tag durchzupissen wie in Dean Street111, ohne Aussicht und mit wachsenden Familienausgaben. Ich weiß absolut nicht, was ich anfangen soll, und bin in der Tat in einer verzweifelteren Situation als vor 5 Jahren. Ich glaubte die Quintessenz des Drecks verschluckt zu haben. Mais non 11 Dabei ist das schlimmste, daß diese Krise nicht temporär ist. Ich sehe nicht, wie ich mich herausarbeiten soll. Das elende Zusammenbrechen der Schweizer Renommage11171 war vorauszusehn. Durch force superieure12 waren die Kerls keineswegs dazu getrieben to eat dirt13. Denn, wie Cornelius selbst in Paris sich überzeugte, war das Knurren nicht nur unter den Parisern, sondern in der Armee so bedeutend, daß Bonaparte unter keiner Bedingung den Preußen ernsthafte militärische Operationen, am wenigsten an der französischen Grenze, hätte erlauben können. Daher seine efforts14, die Sache beizulegen. Die Blamage dei Schweizer ist nur erreicht durch die Bonapartes, der erst den Preußen gegenüber für die Schweiz garantiert und in dem „Moniteur" poltert, als sie seine Kompetenz ablehnt; dann der Schweiz gegenüber für Preußen garantiert und nun gezwungen ist, in halboffiziellen Artikelchen zu gestehn, daß Preußen sich ihm gegenüber zu nichts verpflichtet. Er hat das Dementi förmlich kontrasigniert, das er von der „Neuen Preußischen Zeitung" erhalten11181. So tief ist der Kerl gesunken, während sein Halbbruder Morny die Vorsorge getroffen, sich einen Posten im russischen Staatsdienst zu sichern. Ich weiß nicht, ob Du gesehn, daß Herr Ledru-Rollin die französischen „Republikaner" öffentlich aufgefordert hat, zum Corps legislatif15 des Boustrapa144' zu wählen. Er ist also zur gesetzlichen Opposition herabgesimpelt. Wenn dies einerseits zeigt, daß er die großmäulige Prätendentenstellung aufgegeben, so zeigt es andrerseits sicher auch, daß Opposition in
9 Leitartikeln -10 Russischer Einfluß -11 Aber nein. -12 höhere Gewalt -13 sich demütigen zu müssen - 14 Anstrengungen - 16 zur gesetzgebenden Körperschaft
Frankreich selbst wieder für möglich gehalten wird und die bürgerlichen Republikaner sich beeilen, sich mit den Orleanisten11191 zusammen wieder in der parlamentarischen Stellung zu befinden, um die nächste Revolution eskamotieren zu können. Ich glaube, ich habe Dir schon geschrieben, daß die Brüßler „Nation" untergegangen, jetzt ersetzt durch ihr Konkurrenzblatt, den „National", ein schwachsinniges, uninteressantes belgisches Wischiwaschi. Auch der edle „L'Homme" ist verschieden. Statt seiner erschien ein „Journal des Proscrits", das seine Existenz nicht über zwei Wochen hinaus zu fristen wußte. Von Zeit zu Zeit erscheinen noch kleine Diminutivpamphlets - in der Form der Pyatschen „Ave Maria" - von Seiten der französischen Refugies, aufgeschwollen, hohl, Wortgeklingel, gedruckte Crinolines, nur daß sie weniger Produktionskosten machen und schlechter verkauft werden. Die „Tribüne" hat die Entdeckung gemacht, daß Frankreich sich in den letzten 30 Jahren (bis 1851) viel mehr bereichert hat als England und daher es auch jetzt politisch überflügelt. Beweis: Das französische Grundeigentum ist im Wert (i.e. nominell) um das Doppelte gestiegen, das englische nur in einer geringen Proportion. Zwar rechneten die Franzosen die Häuser mit, die Engländer nicht; aber da die englische Bevölkerung nur um 33% in dem angegebnen Raum gewachsen, wohl auch nur die Zahl der Häuser (die der „Tribüne" gleichbedeutend mit ihrem Preis scheint). Erich hat seine Zwecke hier erreicht, ohne weiterer Referenz zu bedürfen.
Dein K.M.
Deine militärische Exposition11201 was beautiful16. In der „Augsburger" stand ein Aufsatz, wo der Übergang bei Konstanz als sehr schwierig geschildert wird. Ich habe ihn nur oberflächlich gelesen.
16 war vortrefflich
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Engels an Marx in London
[Manchester, 22. Januar 1857]
Lieber Marx, Dein Brief traf mich wie ein Donnerschlag aus heitrem Himmel. Ich dachte jetzt endlich alles im schönsten Zuge. Dich in einer ordentlichen Wohnung und das business1 geregelt; und jetzt stellt sich heraus, daß alles in Frage steht. Diese Yankees sind doch verdammt lausige Kerle, die „Tribune"-Leute scheinen zu glauben, daß sie Dich wie eine Zitrone ausgepreßt hätten und nun eine andre zum Auspressen vornehmen müßten. Die Manier, wie sie zu brechen suchen, ist aber ganz speziell feig und gemein, sie wollen Dich zur Initiative forcieren. Dabei hat man, seitdem das sonderbare Schweigen von Cluß angefangen, auch keinen einzigen zuverlässigen Menschen in ganz Amerika. Que faire cependant?2 Da die „Tribüne" diesmal die bestimmte Absicht zum Brechen zeigt, wäre es am besten, glaube ich, mit einem andern NewYorker Blatt anzubinden. Sollte man mit dem „Herald" oder „Times"3 nicht fertig werden? Ich würde an Deiner Stelle sofort Schritte tun und die Kerls an der ,,Trib[une]" zappeln lassen, bis alles arrangiert ist. Gegenüber dieser lumpigen Manier der Kerle hast Du nur Dein eignes Interesse zu befragen, ohne Rücksichten auf sie. Wenn Du glaubst, indirekte Schritte wären besser, so laß mich's wissen, ich will gern, in meinem Namen, die Unterhandlung führen, so daß Du nicht kompromittiert wirst; ich könnte schreiben, ich hätte Grund zu glauben, daß Du mit den „Trib."-Leuten nicht mehr so harmoniertest wie früher, und ein Arrangement vielleicht zu treffen wäre pp. Enfin4, alles was Du willst, pourvu que quelque chose soit faite5. Ich traue den Kerls von der „Trib." zu, daß sie auch bei Putnam gestänkert haben. An Pfutnam] würde ich sofort wegen Aufklärung schreiben. Man weiß ja nicht einmal, ob man den Strandfestungsartikel schreiben soll oder nicht. Jedenfalls wäre dran gelegen, auch diese Quelle offen zu erhalten.
1 Geschäft - 2 Was jedoch tun? - 8 „The New-York Times" - 4 Kurzum - 5 wenn nur irgend etwas getan wird
In den ersten Tagen des Februar werde ich Dir £ 5 schicken und bis auf weiteres kannst Du jeden Monat darauf rechnen. Wenn ich dafür auch mit einem Puckel voll Schulden ms neue Bilanzjahr eintrete, c'est egal6. Ich wollte nur, Du hättest .mir die Geschichte 14 Tage früher geschrieben. Mein Alter hatte mir das Geld für ein Pferd zum Weihnachtsgeschenk zur Verfügung gestellt, und da sich ein gutes fand, hab' ich es vorige Woche gekauft. Hätte ich Deine Geschichte gewußt, so hätt' ich noch ein paar Monate gewartet und die Unterhaltungskosten gespart, indes never mind7, das braucht auch nicht gleich bezahlt zu werden. Aber es ist mir höchst ärgerlich, daß ich hier ein Pferd halten soll, während Du in London mit Deiner Familie im Pech sitzest. Übrigens versteht es sich von selbst, daß Du Dich durch die Zusage der £ 5 monatlich nicht abhalten läßt, auch außerdem in schweren Fällen an mich zu schreiben, denn was irgend möglich ist, das tu ich. Ich muß ohnehin ein andres Leben anfangen, ich hab' in der letzten Zeit viel zuviel gebummelt. Herzliche Grüße an Frau und Kinder und schreib mir bald, was Du zu tun gedenkst und wie's steht. Dein F.E.
6 das ist egal - ' das hat nichts zu sagen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 23. Jan. 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, D'abord1 meinen besten Dank für die Freundlichkeit Deines Briefes. An den Olmsted habe ich vor ungefähr 10 Tagen geschrieben; erwarte also Antwort. Es scheint mir, als wenn Danas Ärger darüber, daß Freiligrath sein Geheimnis ausgeplaudert[121), einiges mit dem Benehmen der „ Tribüne" zu tun hat oder vielmehr damit, daß Dana nicht seinen Einfluß zwischengeschoben hat. Am „New-York Herald" zu arbeiten, ist unmöglich; mit der „NetüYork Times" muß es versucht werden. Ich denke unterderhand dort anzugehen durch den Dr. Abraham Jacobi, der wenigstens verschwiegen ist und den Yankees generally2 durch seine stille Weise zu imponieren scheint. Ich will nächsten Dienstag an ihn schreiben, zugleich aber an Dana in einer Weise, die ihn jedenfalls in eine unangenehmere Kollision setzen soll, als er sich einbildet. Es wäre mir lieb, wenn Du für Dienstag - nach Dienstag werde ich wahrscheinlich die Korrespondenz für die „Tribüne" suspendieren bis auf Nachricht von New York - einen militärischen Artikel über Persien? schicken kannst. Gründlichkeit ist diesmal nicht nötig. Nur einige allgemeine strategische views.4 Die „Tribüne" bildet sich wahrscheinlich ein, daß ich - von ihr vertrieben - mich resignieren werde, das amerikanische Lager ganz zu verlassen. Die Aussicht darauf, ihr „militärisches" und „finanzielles" Monopol an ein andres Blatt übergehn zu sehn, möchte ihr kaum lächeln. Ich habe ihr daher heut ein „Finanzielles" [122i geschickt. Eine Introduction in the Persian war6, wie flüchtig auch immer, wäre wichtig, weil ihr damit angedeutet wird, daß immer noch ein „war"6 da ist, mit dem andren Blättern zum Renommieren geholfen werden kann. Die Chancen
1 Zunächst - 2 überhaupt - 3 „Perspektiven des Englisch-Persischcn Krieges" - 4 Gesichtspunkte - 6 Einführung in den Persischen Krieg - 6 „Krieg"
(militärischen) der Russen und Engländer brauchten natürlich nur angedeutet zu werden. Den direkten Bruch würde ich also aufschieben, bis ich erfahre, ob sonstwo in New York anzukommen. Wenn dies nicht der Fall, und die „Tribüne" ihrerseits nicht changiert7, muß natürlich doch gebrochen werden. Ich denke aber, daß in solchem Lausekampf Zeitgewinn wichtig ist. Mir scheint die „Tribüne" zu der Ansicht gelangt, daß sie alle Extraausgaben (wenigstens europäische) sparen kann seit der „großen Wendung" der Dinge in Amerika'1235. Es ist in der Tat ekelhaft, daß man verdammt ist, es als ein Glück zu betrachten, wenn ein solches Löschpapier einen mit in sein Boot aufnimmt. Knochen stampfen, mahlen und Suppe draus kochen wie die Paupers im Workhaus8, darauf reduziert sich die politische Arbeit, zu der man reichlich in solchem concern9 verdammt ist. Als Esel bin ich mir zugleich bewußt, nicht grade in dieser letzten Zeit, aber während Jahren, den Burschen zuviel für ihr Geld geliefert zu haben. Pieper nimmt eine Schulmeisterstelle somewhere10 zwischen Portsmouth und Bnghton an; hatte schon seit Monaten auf etwas der Art gejagt. Wie ist das adventure11 von lupus? Du hast vergessen, mir ein Wort darüber zu sagen. Dein K.M.
P.S. Ich beneide die Kerls, die es verstehn, Purzelbäume zu schlagen. Es muß ein famoses Mittel sein, Ärger und Bürgerdreck sich aus dem Kopf zu treiben. Im ,,M[orning] Adverliser" sah ich einen Auszug aus den „Grenzboten", strategischen Inhalts, über persische Scheiße'1241.
7 die Haltung ändert - 8 Bettler im Armenhaus -9 Unternehmen - 10 irgendwo - 11 Abenteuer
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6. Febr. 1857
Lieber Engels, In aller Eile das acknowledgment1 der heute eingetroffnen Pfunde. Einliegend ein Brief von Miquel. Ich habe ihm sofort geschrieben. Mit der „Tribüne" verhielt sich's, wie ich vorhersah. Wieder keine Zeile. Ich habe daher heute den Kerls definitiv geschrieben, wie ich ursprünglich vorhatte, aber nicht, daß ich in der Zwischenzeit - bis ihre Antwort - ganz meine Artikel suspendieren werde. Salut. Dein K.M.
1 die Empfangsbestätigung
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16. Febr. 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, N.W.
Lieber Engels, Einliegend ein Brief von Olmsted in Antwort auf Anfrage meinerseits. Dieser article'691 also nicht genommen. Indes glaube ich selbst noch nach diesem Brief, daß sie das „Ships against Walls"1 mit Vergnügen drucken werden. Fragt sich, ob Du die Zeit hast, es zu schreiben? Ein Versuch noch bei dem Putnam, eh' er ganz aufgegeben wird, wäre wohl nötig. Jedenfalls war es höchst unverschämt von dem Herrn, mich erst nach 4 Monaten von der Sachlage zu unterrichten. Da ich jedenfalls an den Olmsted schreiben muß, siehe, ob Du seinen Vornamen aus dem Brief entziffern kannst. Den Brief von Miquel hast Du wohl erhalten. Freiligrath erzählt mir, daß außer Rüge und Heß Oppenheim und ähnliches schnödes Gesindel an das „Jahrhundert" schreibt. Freiligrath ersucht Dich, die Geschichte wegen Weerth nicht schlafen zu lassen. Gesetzt, der Jude Steinthal habe sich der Weerthschen Tagebücher bemächtigt (wegen deren der edle Campe schon an Weerths Bruder2 geschrieben), so liegt eine andre Gefahr darin, daß Weerths Verwandte, sollten sie dieselben heraushalten, sie in usum delphini[125!, emendiert und zensuriert, drucken lassen. Es ist gut, wenn W[eerth]s Bruder sich direkt an Dich wendet. Sollten die Tagebücher noch zum Vorschein kommen, so kannst Du dann den Philistern zugleich ms Gewissen reden. Es ist nebenbei höchst elend von dem Steinthal, daß er sich der alten Frau3 gegenüber auf eine dürre Notiz von Weerths Tod beschränkt, ohne Details, ohne Vor- und Nachworte. Dieser süßgrinsende Schacherer. Ich habe Deine Aufsätze über Panslawismus1121 wieder (noch nicht ganz) durchgelesen, teils zu eigner Erbauung, teils, um mir die Stellen zu notieren, wo Du bei etwaiger deutscher Bearbeitung noch zu Quellen Zuflucht
1 „Schiffe gegen Festungen" - 2 Karl Weerth - 3 Wilhelmine Weerth
nehmen mußt, die außer dem Londoner Museum schwerlich in England aufzutreiben sind. Bei dieser Gelegenheit habe ich entdeckt, daß dieselbe fremde Handschrift - (die ich einstweilen mir die Freiheit nehme, für die des polnischen Renegaten Gurowski zu halten) -, die über meine zurückgesandten Danubian Principalities4 Artikel131 schrieb: „Tout ces chiffres sont exageres"5 etc. etc. (schönes Französisch), auch die Panslawismusartikel mit Randglossen geziert hat, nämlich: ad Artikel I. Am Schluß: C. C'est ni kon.6 (Was das C sein soll (deutsches C?) ist mir unklar.) (Schöner französischer Satz. C'est ni bon. Punktum.) ad Artikel IX. Oben draufgeschrieben: Changez l'introduction7, und als Überschrift: „Southern Slavi."s Weiter zu dem Satz: „By this logic etc. it would follöw that the Hindoos are the most youthful people etc."9 bemerkt: „this deduction is illogical"10. Bei der statistischen Ubersicht über die serbische Race: „german (für German) influences destroyed them in other branches under Austrian dommion."11 (Schönes Englisch!) Ferner in bezug auf die denunzierte brigandage12 der Montenegriner: „this (für 'tis) not true"13. Ferner zu: „Croatia etc. have for Centuries past been annexed to Hungary"14 bemerkt: „But Hungary is a Compound of those various lands."15 Der passus über die mohamjmedanischen] Bosnier „they will have to be externunated, no doubt about that"16 echt russisch verfälscht, indem der nachfolgende Passus gestrichen: „These are, however, but the internal difficulties opposing the erection of a South Slav[onic] empire etc."17 Daß der Geist aller dieser Noten russisch, ist klar. Ebenso, daß Französisch mit solcher accentuation18 und solchen Fehlern kein Franzose geschrieben; daß ebenso ein Yankee nicht von „Southern Slavi" sprechen würde, überhaupt anders schreiben würde, nicht minder. Mir scheint der Ursprung dieser Noten daher unzweifelhaft. Und wenn, wie in meiner und Freiligraths und Olmsteds Gegenwart der (Yankee-) Reisegefährte Olmsteds versicherte, Gurowski direkt von der russischen Gesandtschaft in
4 Donaufürstentümer - 5 „Alle diese Zahlen sind übertrieben" - 6 Das ist nicht gut. - 7 Andern Sie die Einleitung - 8 „Südslaulen." - 9 „Nach dieser Logik etc. würde folgen, daß die Hindus das jugendlichste Volk wären etc." - 10 „diese Schlußfolgerung ist unlogisch" 11 „deutsche Einflüsse vernichteten sie in anderen Teilen unter österreichischem Herrschaftsgebiet." - 12 Räuberei - 13 „das (für es ist) nicht wahr" - 14 „Kroatien etc. ist seit Jahrhunderten an Ungarn annektiert" -15 „Aber Ungarn ist ein Gemisch aus diesen verschiedenen Ländern." -16 „sie werden ohne Zweifel vernichtet werden müssen" - 17 „Das sind indessen nur die inneren Schwierigkeiten, die der Errichtung eines südslawischen Reiches entgegenstehen etc." -18 Betonung
Washington bezahlt wird, so ist die ganze Krise bei der „Tribüne" durchaus erklärlich. Übrigens geht dann aus den Noten und dem Ausstreichen hervor, daß ursprünglich (bis etwa Nr. 9 inclusive) noch der Plan herrschte, modifiziert die Artikel über Panslawismus zu drucken, und erst dies ganz aufgegeben wurde, als dem Kerl die Pointe klar ward. Daher dann auch die späte Entscheidung des Dana. Da es mir jetzt in meiner eignen Krise natürlich sehr erbaulich ist, von Krisen zu hören, so laß mich in ein paar Zeilen wissen, wie es mit den Industriebezirken steht. Nach den Berichten der Londoner Blätter wäre die Sache sehr schief. Von Tooke sind die 2 letzten Bände der „History of prices" erschienen, von 1849 an. Es ist natürlich schade, daß der alte Herr in seinem unermüdlichen Kampf gegen die Currencykerls'1261 und Peels Akte zu ausschließlich sich mit der Zirkulationsscheiße beschäftigt. Bleibt indes in diesem Moment interessant. " Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 24. Februar [1857] 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Weinst Du oder lachst Du und schläfst Du oder wachst Du? Auf verschiedne Briefe, die ich seit 3 Wochen nach Manchester geschickt, keine Antwort erhalten. Ich unterstelle indes, daß sie angekommen. Schiclcmir die Einlage des letzten Briefs - Olmsteds Brief - zurück, da ich antworten muß one way or the other1. Dein K.M.
1 auf die eine oder andere Weise
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Engels an Marx m London
Manchester, 1 I.März 1857
Lieber Marx, Es ist, als wenn sich Gott und die Welt verschworen hätten, damit ich nicht dazu komme, Dir zu schreiben. Wenn ich eben meine, ich bin aus dem Geschäftsschwindel etwas heraus, finde ich einen ganzen Haufen unvermuteter Rückstände, werde von Kerls überlaufen, bekomme hundert Geschäftsfragen für meinen Alten zu beantworten, habe neue Marotten des Herrn Gottfr.1 auszuführen. Damit ich ja recht festsitze, schickt mir Freiligrath papierschwindelnde preußische Ex-Lieutenants auf den Hals, die tagelang Pumpversuche machen (wovor er selbst, Fr[eiligrath|, für nötig gehalten hatte, mich zu warnen) und die nach ihrer Abreise mir Pfandtickets zuschicken, damit ich ihre Uhren mit meinem Gelde auslösen soll! Ich bin dem Frfeihgrath] für diesen zugewiesenen zudringlichen Kerl2 auch nicht im entferntesten verpflichtet, hab' ihm übrigens heute meine Abenteuer mit dem Flegel geschrieben, er kann die Geschichte selbst ausfressen. Vorigen Freitag kam Herr Ernst Dronke von Glasgow ganz plötzlich aufs Comptoir. Er war bloß auf ein paar Stunden in Geschäften hier. Ich sah ihn fast nur in Gesellschaft von Charles3, wo es nicht anging, sich mit ihm auseinanderzusetzen oder ihn grob zu behandeln. Zudem kam er so plötzlich, daß ich gar keine Zeit hatte, mich auf alle seine Klüngeleien zu besinnen. Ich behandelte ihn kühlig, wie ich einen nur oberflächlich bekannten gewöhnlichen Commis behandeln würde, sprach über lauter Lappalien mit ihm, und er hütete sich sehr, irgendeine Frage zu tun, die auf die Partei Bezug hatte. Nachmittags schob er ab, will im Mai wiederkommen, wo ich wohl in London sein werde. Ich hoffe, er wird Commercant4 auf lebenslang; er sieht ganz so aus, und die sorgenfreie Existenz scheint ihm sehr zu behagen. Die £-5-Note, die ich Dir vorigen Freitag (oder Donnerstag?) schickte, hast Du doch erhalten? Die Herren Tories, Freetraders und Peeliten11271 konnten dem Pam
1 Gottfried Ermen - 2 Hugo von Selmnitz - 3 Charles Roesgen -4 Kaufmann
keinen größeren Gefallen tun, als ihn bei dieser Frage in eine Minorität zu bringen.'1281 Welches Glück der Kerl und wie dumme Gegner er hat! Hier ist jetzt große Agitation, aber da 4000 neue Voters5 auf dem Register stehn, die lauter kleine shopkeeper6 und clerks7 und overlookers8, also der Majorität nach für Bright sind, wird wohl nichts geändert werden. Bob Lowe und Sir J.Potter (a born Alderman9 und ehemals großer Hurenjäger) sollen hier aufgestellt werden.'1291 Will not do.lü Wegen Bob Lowes früherer australischer und sonstiger Abenteuer könntest Du mir wohl ein paar Details mitteilen, es ist jetzt hier sehr brauchbar. Was kostet das dicke Buch von Mieroslawski über Polen? Man muß doch so ein Kompendium haben - und was kostet Lelewels zum Grunde gelegtes Werk - wenn Du dies erfahren kannst? Apropos, ich werde Dir wieder einige „Guardians" schicken, es sind gar kapitale Schnurren drein. Die letzt geschickten sechs Stück hast Du doch erhalten? (in 2 lots11). Der Morny hat schon ganz gehörig Lunte gerochen; dies Ankaufen, was der Kerl in Rußland tut, muß den Bon[aparte] tödlich ärgern. Auch die Historie mit den Docks Napoleon, Berryer jeune12 und Fox Henderson und Co. war schön-Du hast sie doch in der „Times" gelesen? '1301 Wie sich die „Tnbune"-Geschichte weiter entwickelt hat, bin ich sehr begierig zu hören, und ebenso, was Du an Olmsted geschrieben hast. In kurzem denke ich doch wieder etwas arbeiten zu können, ich will mal sehn, ob mit China nichts anzufangen ist. Irgendeine militärisch interessante Seite muß sich dem Schwindel doch abgewinnen lassen.13 Aber solange ich bis 8 Uhr jeden Tag auf dem Comptoir schanzen muß und vor 10 Uhr nicht, mit supper14 pp. fertig, anfangen kann zu arbeiten, ist das alles nichts. Ich muß jetzt morgens allerspätestens um 10 Uhr auf dem Comptoir sein, also accordingly15 auch gegen eins zu Bett gehn, c'est embetant16! Wenn man am besten im Zuge ist, soll man schlafen gehn, cela ne va pas. Enfin, nous verrons.17 Diesen Sommer richten wir uns anders ein, oder es gibt Krawall im Geschäft. Ich will mich so einrichten, daß ich von 10-5 oder 6 arbeite und dann aber auch fortgehe, und wenn das Geschäft zum Teufel geht. Grüße Deine Frau und Kinder herzlich von mir - Ihr seid hoffentlich alle wohl? Tout ä toi.18 F. E.
6 Wähler - 6 Krämer - 7 Angestellte - 8 Inspektoren ein echter Ratsherr -10 Werden nichts ausrichten. - 11 Posten - 12 junior - 13 Friedrich Engels: „Der neue englische Feldzug in China" -14 Abendessen - 15 demgemäß - 16 das isi verdrießlich - 17 das geht nicht. Na, wir werden sehen. -18 Ganz der Deine.
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Marx an Engels in. Manchester
18. März [1857] 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Engels, Du mußt mich entschuldigen, daß ich nicht früher den Empfang der £ 5 wie Deines Briefes angezeigt. Meine Frau ist sehr unwohl, und die sämtlichen Verhältnisse des Hauses in solcher Krisis, daß der Kopf mir zu sehr schwirrt zum Schreiben. Die „Guardians" heute erhalten. Von der ,,N[ew~]Y[orIi] Tribüne" noch keine Antwort. An Olmsted konnte ich natürlich nichts schreiben, als daß er den Artikel1691 zurückschickt, wenn er ihn nicht bei Harper untergebracht. Proudhons neues ökonomisches Buch, das mir noch nicht zur Hand gekommen, hat bereits 7 Auflagen erlebt. Wie Miquel glauben konnte, ich könne an dem „Jahrhundert" mitarbeiten, begreife ich nicht - ein Wochenwisch, dessen Mitarbeiter sind: Rüge, L.Simon, Meyen, B.Oppenheim, M.Heß etc. Ich habe nichts davon gelesen, aber ich habe den Umschlagsbogen von Nr. 1 für den „Zweiten Jahrgang", darauf folgender Inhalt verzeichnet: „Nach dem Kriege, vor der Entscheidung. IV. Von Arnold Rüge". „Briefe aus Paris, der Schweiz und London" (nämlich L.Simon, Kolatschek, Meyen). „Der Geist unserer Zeit; zum Neujahrsgruß. Von Arnold Rüge". „Naturwissenschaft und Gesellschaftslehre. V. Von M.Heß". „Erziehung zum Glauben und Erziehung zur Humanität". „Notiz". Edgar Bauer gibt ein Buch heraus: „Englische Eindrücke"1861. Wird schön sein. Wegen des Preises der Bücher von Mieroslawski und Lelewel (erster Band von letztrem reine Kindergeschichte11311) werde ich mich erkundigen. Von wegen des Saukerls - Bob Lowe - sind mir momentan keine Notizen zur Hand. Vielleicht treibe ich noch welche während dieser Woche auf. Er ist ein Kerl, der in die societe du dix Decembre'1321 gepaßt hätte.
Über Pams „liberale" auswärtige Politik kommen täglich neue Enthüllungen heraus. Erst der „secret treaty"1 mit Ostreich'133'. Jetzt, daß er sich anheischig machte, gegen Bonaparte, jede Revolution in Neapel zu unterdrücken. Der letztre wollte dies aber nur soweit, als „Muratsche" Restauration nicht eingeschlossen sein sollte unter der Kategorie „Revolution". An diesem „misunderstanding"2 scheiterte die neapolitanische Expedition'1341. Pam hat die Sache in a sehr „ambiguous manner"3 gestern in den Commons4 in Abrede gestellt. Wahrscheinlich werden aber noch diese Woche weitere Papiere erscheinen, die ihn Lügen strafen. Die Russen haben diesmal nicht ganz mit ihrer gewöhnlichen Vorsicht gehandelt. Das erste Blatt auf dem Kontinent, das seit der Parlamentskrisis Pam als truly British minister'1351 verteidigt hat, ist der „Nord", der sonst beständig fanatischen Haß gegen P[am] affektiert. Selbst die ,,N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" spricht von der „unprincipled coahtion"5. Die persische Geschichte, wie ich vermutete, ist darin verpufft, daß die Engländer nichts erhalten, einige rein nominelle Konzessionen abgerechnet, vielmehr in dem Hauptpunkt dem persischen Hof nachgegeben. Rußland hat dagegen ein Stückchen Land abgetreten erhalten, wie Layard vorgestern den maulaufsperrenden Cockneys'1361 anvertraute. Er hatte natürlich nicht den Mut, die beiden facts in ihren richtigen Kausalnexus zu bringen. Er wiederholte auch die Versichrung - die Disraeli schon im Unterhaus gemacht, ohne daß Pam ein Wort darauf geantwortet -, daß Pam den Persern während des Kriegs gegen Rußland verbot, eine offensive Stellung, wie sie wünschten, einzunehmen. Die Kerls hofften nämlich damals, die ihnen entrißnen Provinzen wieder nehmen zu können. Dieselbe Warnung hatte er ihnen während der Zeit der polnischen Revolution (1830) zugehn lassen. Um sowohl die persischen als die chinesischen Krawalle richtig zu würdigen, muß man sie vergleichen mit den ersten Arbeiten Pams in diesen regions6, da beide nur Wiederholungen sind. Solange er am Ruder war, wurde der erste chinesische Krieg 11371 so geführt, daß er 100 Jahre hätte dauern können, ohne andres Resultat als eine Zunahme im Russian overland tea-trade7 und Wachsen des russischen Einflusses in Peking. Erst unter Sir R.Peel gab Ellenborough diesem Krieg eine „englische" Wendung. Es ist zu hoffen - und auch wahrscheinlich —, daß diesmal ein Parlament gewählt wird, das sich zu nichts verpflichtet, außer passivem Gehorsam
1 „Geheimverlrag" - 2 „Mißverständnis" - 3 einer sehr „zweideutigen Weise" - 4 im Unterh aus -5 „pnnzipienlosen Koalition" - 6 Gebieten - 7 russischen Uberland -Teehandel
gegen Pam. Die Auflösung der alten Parteien in einem Koalitionsministerium ausgedrückt, wie das von Aberdeen war'1381, flößte der middle class8 viel mehr das Gefühl ein, daß sie nun auf ihren Lorbeeren ruhn könne, als daß es sie beunruhigt hätte. Dieselbe Auflösung in der Diktatur Pams ausgedrückt ist sicher, nicht nur zu den erfreulichsten Blamagen und Verwicklungen nach außen hin, sondern zu einer sehr gewaltsamen Agitation im Innern zu führen, vielleicht zu einer Revolution. Der alte Bursche, der noch teilhatte an dem Manchester „massacre en mimature" und die 6 gagging acts11391 mit entwerfen half, wird sich nicht im geringsten genieren. Mutatis mutandis9 verhält sich Pams Dictatorship10 zum Koalitionsministerium wie die Herrschaft der in der letzten französischen Assemblee koalisierten Royalisten zur Herrschaft Bonapartes. Die Sachen werden in England endlich zu einer akuten Pointe getrieben werden. Apropos Bangya. Dieser selbe Bangya ist seit 1855 der adlatus11 von Sefer Pascha. Er hat die Tochter eines zirkassischen Chefs geheiratet (was seiner legitimen Frau in Pest und seiner illegitimen in Paris gleich erfreulich sein muß) und ist jetzt selbst ein zirkassischer Chef. Durch seine Verbindungen mit London hat er 300 Polen zusammengeworben und mit Munit •onsvorräten etc. in die Black Sea12 gebracht, die, nach Zeitungsnachricht, den russischen cruisers13 entgegen und glücklich bei Sefer P[ascha] angekommen. What du you think of that? 14 Der Kerl, der seine Rolle im Westen ausgespielt sah, hat eine neue im Orient begonnen. Ob wieder als demokratischer Mouchard oder auf bona fide15 ist eine andre Frage. Schreib bald, da Deine Briefe jetzt mir nötig sind to pluck up16. Die Situation ist ekelhaft. Salut (auch an Lupus). Dein K.M.
8 Mittelklasse - 9 Mit den notwendigen Abänderungen Schwarze Meer - 13 Kreuzern - 14 Was sagst Du dazu? aufzumuntern - "Diktatur - 11 Gehilfe - 12 das - 16 guten Glauben - 16 um mich
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Engels an Marx in London
Manchester, 20. März 1857
Lieber Marx, Ich hatte mir schon gedacht, daß Du wieder ziemlich tief im Pech sitzen würdest. Was meinerseits geschehen kann, geschieht. Wenn es irgend möglich, schicke ich Dir nächste Woche noch einen Fünfpfünder, und wenn ich den nicht auftreiben kann, eine Post Office Order1. Für letzteren Fall sage mir doch, bei welchem Postoffice2 ich sie zahlbar machen soll. Ich habe diesen Monat sehr schwere Schulden zahlen müssen, die Leute kamen mir aufs Comptoir gerückt, da war kein Rat als blechen. Sonst erfolgte der Fünfpfünder sofort. Es ist übrigens ein Glück, daß diese Parlamentsgeschichte eingetreten ist und die chinesische dazu'1281, in diesem Moment wird die ,,Trib[une]" wieder Hülfe bedürfen und zu terms3 kommen müssen. Ich habe hier bei dem „Guardian"-Kerl herumgewittert, ob nicht hier mit reviews und Magazines4 anzubinden wäre. Aber der Kerl scheint auch auf der Jagd zu sein, um selbst anzukommen, und da ist nicht viel herauszukriegen. Indes ich werde sehn. Da er meine Ansicht von Palmerston kennt und sie für preposterous5 erklärt, so wird er uns in Politicis6 erst recht nicht empfehlen. Trotzdem hab' ich einen gewissen hold on the fellow7, bei dem ich aber noch nicht herauskriegen kann, wie er zu verwerten ist. Die Ansicht von Palmerstons Absichten und Chancen mit dem neuen Parlament ist auch die meinige. Bonapartischer Despotismus Pams mit einem Corps legislatif8. Wir werden sehn, wohin das führt. Bangya ist sogar nach der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" von den Tscherkessen (welchen? nicht gesagt) zum „Chef des Hauses" ernannt worden und absichtlich als Ausländer zu diesem Pöstchen erkoren, damit keiner der inländischen Chefs sich über Zurücksetzung beklagen könne. Wohin Sefer Pascha (dieser ist ein andrer als Koscielski) geraten, ist nicht
1 Postanweisung - 2 Postamt - 3 Vereinbarungen - 4 Revuen und Zeitschriften - 5 widersinnig - 6 politischen Dingen - 7 Einfluß auf den Kerl - 8 einer gesetzgebenden Körperschaft
zu ergründen. Ich halte die ganze Sache für einen russischen Geniestreich, und wird man von den 300 polackischen Spartanern wohl bald nichts mehr hören. Der „Nord" muß wieder umgekippt haben. Der Brüsseler Korrespondent des „Guardian]" zitiert Stellen, die wütend gegenPalm[erston] sind. Kannst Du mir die prägnanteste Stelle angeben? Ich seh' hier dergleichen Sachen gar nicht, und bei allen Debatten soll ich gleich chapter and verse9 bei der Hand haben. Als ich neulich meine alten Zeitungen ordnete, fand sich, daß mir ein Hauptpaket englischer Blätter und Ausschnitte „Guardians", „Free Press" pp. abhanden gekommen. Glücklicherweise keine Sachen, die unser Parteiarchiv angehn - die sind gut verwahrt. Aber mit wenig Ausnahmen alles, was auf Palmerston Bezug hat, die Tuckerschen Pamphlets11401, die Ausschnitte Deiner Artikel, die Du mir geschickt hattest (davon sind auch manche bei Lupus usw. hängengeblieben). Ich brauchte und suchte sie gerade, um wieder die Details aufzufrischen. Hast Du noch einige Duplikate, die Du mir schicken kannst, und auch ein komplettes Exemplar Deiner Im Londoner Urquh[art]-Blatt abgedruckten Artikel1701? Letzteres wird dort wohl leicht aufzutreiben sein. Ich kann die Sachen sehr gut gerade jetzt gebrauchen. Bob Lowe hat hier wenig Chance. Ein Teil der Spießbürger hat sich gegen Bnght erklärt, ich glaube indes, er kommt diesmal noch durch. Lowe wird sich blamieren, sobald er herkommt. Es wär' aber göttlich, wenn er hereinkäme.11291 Herzliche Grüße an Deine Frau und Kinder. Schreib bald wieder, wie's Deiner Frau geht. Dein F.E.
9 Kapitel und Vers
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Marx an Engels in Manchester
24. März 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Engels, Einliegend einige Anti-Palmerstoniana, nämlich: 1. „Betrayal of England"'t141', 2 copies1. (NB. Derselbe Coningham, der hier Auszüge aus Ansteys Rede abdruckt, jetzt Ultra-Palmerstonian-Kandidat in Bnghton.) 2. Tucker-PamphletslU0], 8 copies. 3. Ansteys Rede[UZ1. 4. „Palmerston for Premier". 5. „Palmerston in three epochs"11431. (Mit Ausnahme der ungarischen Geschichte, die aus Urquhart abgeschrieben, ist der Rest von Herrn Wilks, in seiner Art natürlich, aus meinen Artikeln in der „Tribüne"11441 kopiert.) Die unter 1. und 2. rubrizierten Sachen brauchst Du nicht aufzuheben; wohl aber die unter 3., 4. und 5. Ich schicke morgen, wenn ich sie finde, noch einige andere Pamphlets. As to the2 „Nord" zu bemerken, daß die „Post" selbst (in einer der Nummern vom 4.-9.März) den von mir erwähnten Artikel inseriert hat. Später hat sie allerdings den Ton geändert. Nun zu private affairs. D'abord3 ein Brief von der „Tribüne" angekommen, den ich Dir schicke, sobald ich ihn beantwortet. Meine Drohung, an ein andres Blatt zu schreiben, hat doch ihre Wirkung getan, wenigstens einige. Trotz des sehr freundschaftlichen Tones ist der Beweis geliefert, daß ich die Herrn richtig verstanden. Der Vorschlag ist nämlich: Einen Artikel die Woche zahlen sie, sie mögen ihn drucken oder nicht; den zweiten schicke ich auf Risiko und ziehe darauf, wenn sie ihn drucken. Also au fait4 setzen sie mich auf die Hälfte herab. Ich gehe indes darauf ein, und muß darauf eingehn. Auch, wenn die Geschichten in.England sich entwickeln, wie ich denke, werde ich doch nach einiger Zeit mich wieder zu der alten Einnahme heraufschwingen. Es ist mir sehr leid, daß ich einstweilen noch auf Dir pressen muß, da der Rückstand, in den ich geraten, es dahin gebracht, daß alles Versetzbare
1 Exemplare - 2 Hinsichtlich des - 3 privaten Dingen. Zunächst - 4 im Grunde genommen 8*
versetzt ist und der Ausfall in der Einnahme erst gedeckt werden kann, sobald ich mir neue Quellen aufgetan. Zudem, da ich Dir das fact doch nicht verheimlichen kann, befindet sich meine Frau in highly interesting circumstances5. Indes bezweckte ich mit meinem letzten Brief keineswegs anything eise6, als Dir mein längeres Nichtantworten zu erklären. Du begreifst, daß auch die Gleichmütigsten - und ich besitze in solchem Dreck, indeed7, viel Gleichmut - zuweilen die Geduld verlieren und namentlich Freunden gegenüber sich gehn lassen. Es wäre mir sehr lieb, wenn Du mir einige „humoristische" lines, say 50 or 100 ones8, über die von den Engländern in Persien und vor Kanton entwickelte Orlandotapferkeit schicktest. Die Buschirexpedition IU51, wie Du gesehn haben wirst, hatte ihren Hauptpivot in der Spionage eines Captain Jones, der, unter false pretences9, als political agent10 nach Buschir geschickt war. Morgen wahrscheinlich mehr, da ich Dir heut die Pamphlets schicken will. Salut. Dein K.M.
NB. Es ist doch ein Unterschied, ob man erst einen coup d'etat macht und dann die Wahlen, oder erst die Wahlen macht und dann den coup d'etat bezweckt. Palmerston hat ohne Zweifel, wenigstens seine papers, overdone their part11. Lies z. B. den im Dreck bis an die Ohren sich wühlenden „Advertiser". Das hat, of course12, einige Reaktion hervorgerufen.
6 höchst interessanten Umständen - 6 irgend etwas anderes - 7 tatsächlich - 8 Zeilen, sagen wir 50 oder 100 -9 Vorspiegelung falscher Tatsachen -10 politischer Agent -11 Zeitungen, die Sache zu weit getrieben -12 natürlich
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Marx an Engels in Manchester
31 March 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Engels, Die £ 5 erhalten. Schick mir, wenn es Dir gelegen, „Manchester Examiners". Die explanations der Brightparty1 sind jetzt für mich von Interesse. Ihre Niederlage hat der Wahl erst ihren historischen point2 gegeben. Palmerstons Stellung wird jetzt erst gefährlich, wo er eine kommandierende Majorität im Parlament hat, während außerhalb des Parlaments - zum erstenmal seit der Anti-Corn-Law League11461 - wieder eine serious anti-ministerial agitation3 ins Leben treten wird. England tritt in eine serieuse Krisis - die „Times" deutet es schon an mit dem cloud which it sees gathering4 - und wenn der move5 auf dem Kontinent wieder beginnt, wird John Bull nicht die vornehm uninteressierte Stellung von 1848 behaupten. Der Sieg Pams ist die letzte Spitze der Ereignisse, die mit dem Juni 1848 begonnen haben. Unter dem mehr intelligenten public6 in London wurde die Nachricht von Manchester mit einer Art Bestürzung empfangen, kommentiert als sie war durch die unverschämte Adresse und Rede Pams. Lokal betrachtet, hat Manchester - und darüber herrscht nur eine Stimme - sich blamiert und schwer blamiert. Wenn der „Punch" nicht gekauft wäre von Pam - ein Haupteditor desselben, Taylor, ist mit 1000 1. im Sanitätsministerium angestellt so würden Potter, Turner und Garnett jedenfalls nächsten Mittwoch darin figurieren. Schreib mir einige Details über diese Burschen und ihre whereabouts7. Herr Dronke hat an Freiligrath geschrieben, daß er „mit seinem Juden brechen und sich als selbständiger Agent etablieren wird".
1 Erklärungen der Bright-Partei - 2 Gesichtspunkt - 3 ernsthafte Anti-Kabinett Agitation 4 der Wolke, die sie sich zusammenziehen sieht - 5 die Bewegung - 6 Publikum - 7 Absichten
Wegen Bangya habe ich Urquhart - von wegen seiner Verbindungen mit Konstantinopel und Zirkassien - Notizen8 zugehn lassen. Einliegend ein Ausschnitt aus „Reynolds" über den Redakteur des „Morning Advertiser" - Mr. Grant. Buchstäblich wahr. Auch der Brief von Dana. Schick ihn mir zurück. In seiner Aufzählung der gedruckten Artikel erwähnt er nur die letzten9, und selbst davon hat er einige erst 5-6 Wochen nach ihrem Eintreffen in New York gedruckt, als er sah, daß sich die Dinge wandten. Sein Geldvorschlag zeigt am besten, daß ich mich nicht in der Intention des Herrn getäuscht hatte. Seine Bemerkung wegen der Länge der Artikel ist mir ganz gelegen. Ich habe um so weniger zu liefern. Nur auffallend, daß er jetzt seit Monaten 2-3 Spalten für den fadesten London gossip10 findet. In Preußen ist auch kleine parlamentarische Krisis. „In Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf"'1471, scheint sich dort again11 zu bewahrheiten. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die Schwyzer dazu verstehn, sämtliche Flüchtlinge auszuweisen. Salut. Dein K.M.
Hast Du die Schwindeleien, die vorige Woche explodierten, der Australian Agricultural Company, der London and Eastern Bank, und der North of Europe Steam Company, wo Herr Peto im Direktorium - notiert?
8 Karl Marx: „Ein Verräter im Tscherkessengebiet" - 9 „Der Englisch-Persische Krieg", „Der Seehandel Österreichs", „Das göttliche Recht der Hohenzollern" -10 Londoner Klatsch 11 von neuem
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Engels an Marx in London
Manchester, 31. März 1857
Lieber Marx, Die Note £ 5.-K/S 84562 wirst Du heute morgen erhalten haben. Wegen des „Pressens" auf mich laß Dir nur ja keine grauen Haare wachsen; ich würde es Dir übelnehmen, wenn Du mich nicht von der Notwendigkeit der bewaffneten Intervention der Sovereigns1 unterrichtest. Ich will sehen, wie sich die Geldverhältnisse im Monat April gestalten, etwas denke ich jedenfalls in der zweiten Hälfte noch losbringen zu können. Der Vorschlag von der „Tribüne" ist sehr pfiffig, und da die Kerle so gut wie sicher sind, nur einen Artikel pro Woche zu drucken, so würde ich auch nur bei großen Gelegenheiten, wie jetzt die Wahlen pp., 2 pro Woche schicken. Indes die Verhältnisse kommen Dir zu Hülfe, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Herren Yankees im Sommer und Herbst nicht über dullness of European Politics3 zu klagen haben, während ihr eigner Schwindel sich mehr und mehr beruhigt. Die persischen und chinesischen Kriegsabenteuer11481 hab' ich fast gar nicht verfolgt, auch waren die Details sehr mager. Von dem Captain Jones weiß ich nichts. Es wäre jetzt eine reine Unmöglichkeit, sich die Sachen zusammenzusuchen, indes, wenn die ausführlichen Nachrichten über die letzte große Kavallerieattacke in Persien kommen, will ich sehn, ob was zu machen ist. Die Pamphlets3 hab' ich erhalten. Könnte ich nur Deine alten „Tribune"Artikeltl44] kriegen, da steht doch das meiste drein; Wash. Wilks und ,,Palmerst[on] for Premier" enthalten nur Allgemeines, und Chish. Ansteys Rede11421, obwohl sehr wichtig, besonders wegen der persönlichen Geschichten, apropos des Portfolios'1491 und auch stellenweise wegen des Inhalts, ist doch schauerlich decousu4. Das einzig Schlagende sind Deine beiden Tucker-Pamphlets11401, besonders „Unkiar Skelessi". Wenn Du mich
1 Goldmünzen - 2 Eintönigkeit der europäischen Politik - 3 siehe vorl. Band, S. 115 - 4 zusammenhanglos
noch mit mehr Material versorgen kannst, tant mieux5. Ich habe Maßregeln getroffen, daß es jetzt besser verwahrt wird. Die achttausend Philister, die dem dicksten Mann in Manchester (Potter) ihre Stimmen gegeben, weil er gar kein Gehirn und desto mehr Hintern hat, schämen sich schon jetzt ihres Sieges. Trotzdem hat die Wahl hier einen enormen Effekt gemacht, und die ,,Manchester"-Partei'150' fängt an, ihre Aufführung während der letzten 6 Jahre zu revidieren und zu entdecken, worin sie gefehlt hat. Ich glaube, wir hören vorderhand von peaceparty-talk'151' wenig mehr, dagegen werden Bright (wenn er wieder zu Kräften kommt) und einige andre gewiß für ausgedehntere Wahlreform auftreten, und Jones könnte von diesen Bourgeois wohl bald einige Offerten erhalten. Für Pam ist der Triumph über Bright, Gibson, Cobden, Miall, Fox (Oldham) gewiß der erfreulichste; ich glaube fast, der Kerl erhält eine working majority6 von 60-100 Mann. Jedenfalls aber aurons nous du Palmerston tout pur, und with a vengeance7. Ich habe eine Stelle aus dem „Nord" in der ,,M[orning] P[ost]" gefunden, aber bloß sein Talent drin gelobt. Die, wo er als truly British minister1135' auftritt, finde ich nicht.. Die hiesigen Palmerstonians und Bourgeois hatten Bob Lowe offeriert, daß, wenn er hier geschlagen würde, ihm £ 2000 - zu zahlen, um damit seine Wahlkosten in irgendeinem andern Nest zu bestreiten. Der Esel schlägt ab, um in Kidderminster sicher zu gehn, und kriegt dort Keile. Nach Manchester darf er aber nie mehr kommender hat sich höchst kommun benommen - erst läßt er die Philister sich für ihn kompromittieren, dann sagt er ab und schreibt gleichzeitig den Artikel der „Times", worin es heißt, es sei eine Schande, wenn Manchester Bright nicht wähle!! Der Spießbürger war diesmal enorm geteilt. Die Bourgeoisie mit großer Majorität gegen Bright und Gibson, die Spießbürger mit einer geringen Majorität. Quäker und Katholiken wie ein Mann für Bright; die Griechen auch; die etablierten Deutschen gegen ihn. Ein bespffner Anti-Bright-Mann schrie: We won't have home policy, we want foreign policy.8 Das ist ungefähr das ganze Rationale der Wahl hier: Zum Teufel mit all den Reformfragen und Klassengeschichten. Wir Spießbürger sind doch die Majorität der Wähler, cela suffit9. Das Geschrei gegen die Aristokratie usw. ist langweilig und führt zu keinem sichtbaren Resultat. We dearly love a lord for all that. Freetrade10 und was wir von bürgerlichen Sozialreformen brauchen,
5 um so besser - 6 brauchbare Stimmenmehrheit - 7 werden wir ganz unverfälschten Palmerston haben, und das ganz gehörig - 8 Wir wollen keine Innenpolitik, wir wollen Außenpolitik, - 9 das genügt - 10 Trotz alledem lieben wir einen Lord innigst. Freihandel
haben wir. Uns ist ganz kannibalisch wohl, besonders seit Pam die KriegsIncometax11 reduziert hat. Also begeben wir uns alle auf das Terrain, wo wir alle egal sind, und seien wir Englishmen12, John Bulls, unter der Leitung des truly British ministers Pam. Das ist jetzt die Stimmung der meisten Spießbürger. Der Humor von der Geschichte hier ist das Begraben der Anti-CornLaw League'1461; Smith P.Robinson (hon. sec.13) und George Wilson „that respectable fixture"14 werden aus Newalls Buildings'1521 geworfen, und die Great Liberal Party15 sieht sich nach einer neuen Organisation um. G. Wilson verliert sein Pöstchen und seine Position, vermöge derer er es zum chairman16 der Lancashire und Yorkshire Eisenbahnen mit £ 1000.- per annum1' gebracht - dies Pöstchen geht auch bald flöten; und Wilson kann wieder Stärke fabrizieren wie zur Zeit der Protection18. Der Manchesterphilister aber - selbst von Brights Partei - atmet frei auf, daß dieser alte Incubus19 endlich zerronnen ist: the League!11291 Apropos, ich glaube, das Ch. Anstey-Pamphlet enthält nur einen kleinen Teil der Antwort Pams - die Debatte dauerte 4 Tage - ist das übrige nicht zu haben? Und kannst Du mir nicht ein Exemplar des neuen Urqu[hart]Wisches schicken, der „Free Press"'1531 oder wie's heißt? Was steht von Dir drin? NB. Du kannst mir auch, s'il y a lieu20, die Titel sonstiger brauchbaren, auf Pams Affäre bezüglichen Sachen schicken, ich kann sie dann schon selbst hier besorgen. Gratuliere zu den Aussichten in der Familie von Herzen. Was machen die Mädchen? Sie müssen jetzt sehr groß sein; ich freue mich sehr, sie Pfingsten zu sehn. Grüße sie und Deine Frau herzlich. Dein F. E.
31 Kriegs-Einkommensteuer - 12 Engländer - 13 honorary secretary (ehrenamtlicher Sekretär) - 14 „dieses ehrwürdige Inventarstück" - 15 Große Liberale Partei - 16 Vorsitzenden 17 jährlich -18 des Schutzzolls - 19 Alpdruck - 20 bei Gelegenheit
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Engels an Marx in London
Manchester, 2. April 57
L. M„ Der Potter ist ein furchtbar großer, enorm fetter Kerl, ca. 46 Jahre alt, rothaarig und häutig, war 3mal Bürgermeister von Manchester, very jolly, has no brains1, aber viel Bauch und Arsch, führte die Talare in dem hiesigen Stadtrat ein apropos of the Queens visit2, wurde dafür zum Ritter geschlagen, ist sein Leben lang ein großer Hurenbock gewesen (ist noch bachelor3), besonders mit der berühmten Miss Chester (alias Polly Evans) intim, der er zweimal den Puff möblierte und zu deren law expenses4, als sie wegen Abortierung in Liverpool vor die Assisen kam und freigesprochen wurde, er £ 50 soll beigetragen haben. Ein Mann, der den Country Squires5 sehr gefallen wird, und dessen ganzes Renommee darauf beruht, daß sein Vater, Sir Tho[mas] P[otter], Knight6, seinerzeit Chef der liberalen Bewegung hier war und Milner Gibson hier introduzierte. Er selbst ist populär bei Huren, cabdrivers, publicans7, Straßenjungen und der unsolideren Sorte Spießbürger generally8. Als er Mayor9 war, hatten die Huren Ruhe vor der Polizei. Ansichten: gelind liberale. J.A.Turner ist ein solider Philister, der sich immer noch daran erinnert, daß er einmal fallierte, und der in seinem beschränkten Kreise als Präsident der commercialassociation10(Rival der liberaleren chamber of commerce11) sich plus ou moins12 nützlich macht. Mag in kommerziellen Detailfragen auch im House of Commons13 einigen Einfluß bekommen. Ist Tory (gelind) und sehr reich. Sein ältester Sohn Jack Turner, commonly called the fat boy14, ist ein großer Söffer und guter Billiardspieler; sein zweiter ein naseweiser Bengel, foxhunter15 mit considerablen16 Prätensionen auf guten Reiter, einer ekligen Fratze und rotem Schnurrbart. Er hat zum Entsetzen seiner Familie die Ballettänzerin Annie Payne geheiratet.11291 Dein F.E.
1 sehr fidel, hat keinen Verstand - 2 gelegentlich des Besuches der Königin - 3 Junggeselle 4 Gerichtskosten - 5 Landjunkern - 6 Ritter - ' Droschkenkutschern, Schankwirten - 8 überhaupt -9 Bürgermeister -10 Handelsvereinigung -11 Handelskammer -12 mehr oder weniger 13 Unterhaus -14 allgemein der dicke Bursche genannt -15 Fuchsjäger -16 auffälligen
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Marx an Engels in Manchester
9. April 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Engels, Du entschuldigst mich, daß ich so spät antworte. Meine Frau war während der letzten 2 Wochen noch leidender, als sie es seit Monaten ist, und der trouble1 im Haus war groß. Sei so gut und schick mir den Brief von Dana zurück. Ich sende Dir bei Parcelcompagme2 ein kleines Fläschchen Augentinktur. Cornelius brachte mir eine Flasche davon aus Paris mit, wo er an den Augen litt. Ich selbst hatte seit einigen Wochen infolge scharfer Nachtarbeiten Augenentzündung. Das Wasser hat mich in ein paar Tagen restauriert und wird Dir denselben Dienst tun. Du hast Dir nur beim Aufstehn und Schlafengehn einige Tropfen in das leidende Auge zu infiltrieren. Conrad Schramm ist f in Philadelphia an Brustleiden. Die „Neue Zeit" in New York, mit Ankündigung dieses Todesfalls, soll eine Art Nekrolog von ihm bringen, den ich noch nicht gelesen habe.[154l Der Schein von Besserung auf den Börsen verschwindet wieder. Der Zinsfuß steigt wieder. Credit mobiher 1541 und französische Rentes gehn wieder down3, während Aufdeckungen von kommerziellen Aktiengesellschaftsschwindeleien in London und Paris sich häufen. Glücklicherweise ist an letzterm Platz die Regierung direkt mit verwickelt. Du hast doch den Skandal zwischen Pereire und Feline gelesen? Ich hätte Dir ihn ausgeschrieben, unterstellte ich nicht, daß die Korrespondentin des „Manch[ester] G[uardian]" all dergleichen chronicles4. Ich sehe jetzt von Zeit zu Zeit den Pariser „Figaro", das einzige wirkliche Journal des Empire, worin aller respektable Schein abgestreift ist. Ich weiß nicht, ob ich Deine Aufmerksamkeit schon auf die zwei neuen testimonia gegen Pam gelenkt habe. Erstens Herbert in South Wilts vor
1 die Unruhe - 2 Paketgesellschaft - 3 herunter - 4 notiert
seinen Constituents5: Er habe Ordre erteilt, Odessa zu bombardieren; bei seinem Austritt habe Pam eine eigenhändige Ordre geschickt, es zu spare6. Zweitens Russell vor den City Wählern: Palmerston habe ihm handschriftliche Instructions von wegen seiner Aufführung auf dem Wiener Kongreß erteilt, die Clarendon ihm untersage zu veröffentlichen, und wegen deren Ausführung little John7 so glänzend down broke8. Charakteristisch für den alten Pam, daß er in seinen Blättern beständig auf dem Odessa treason9 des Herbert (dessen Schwagerschaft mit Woronzow in Pams Moborgan, dem „Advertiser" zuerst hervorgehoben wurde) und dem Vienna treason10 des Russell herumtritt.11551 Ich werde Anti-Palmerstoniana mehr für Dich suchen. Pams Rede gegen Anstey (eine dicke Broschüre) muß in meinem Besitz sein, wenn Pieper sie nicht geschossen hat. Von größern Schriften: Parish: „Diplomatie history of Grcece" und Urquhart: „Central Asia". Zu dem erstem noch zu lesen die Expositions11 vonThiersch und Maurenbrecher11561, die 1836 (?) (ich habe sie vor langem in der Hand gehabt) erschienen. Von allen blue books hat auf mich den entscheidendsten Eindruck gemacht das über den 2ten syrotürkischen war12.11571 Meine Artikel in der „Free Press" sind erst 5.1701 Liebknecht etc. haben sie mir ausgeführt. Indes finde ich sie Dir zusammen. In dem letzten habe ich wörtlich einen Deiner Artikel benutzt, wo von Peter I. die Rede.11581 Ich habe jetzt erst die Einleitung geschlossen. Aber die Kerls verschleppten erst monatelang die Sache. Später druckten sie rascher. Aber jetzt, wo die erste Zahlung geschehn soll, trete ich umsonst. Wenn sie nicht in diesem point13 mehr leisten als bisher, muß ich die connection altogether14 abbrechen. Sie haben einen neuen Kontrakt mit mir gemacht. Was habe ich aber von dem Kontrakt, wenn sie ihn in puncto puneti15 nicht halten. Salut. Dein K.M.
Grüße Lupus. Sage ihm, daß ich in Grimm den gelehrten Ursprung des kölnischen Wasserfabrikanten Farina aufgefunden, nämlich S[ans]kx[it]: vari16 Gen. varinas.
6 Wählern - G schonen - ' John Russell - 8 durchfiel - 9 Verrat - 10 Wiener Verrat -11 Darlegungen - 12 Krieg - 13 Punkt -14 Verbindung gänzlich -15 dem hauptsächlichsten Punkt 16 Wasser
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2I.April 1857
Lieber Engels, Sei so gut, umgehend zu schreiben, was ich auf den einliegenden Brief von Danaf1591 antworten soll. Die Antwort muß mit der Freitagspost abgehn. Durch Befolgung des christlichen praeceptums1 - „ärgert Dich Dein Zahn, so reiße ihn aus", habe ich mir endlich Ruhe verschafft: zugleich entdeckt, daß dieser verfluchte Zahn die Grundsuppe aller übrigen Gebresten bildete, die mich seit Monaten verfolgten. Unsre Wohnung hast Du richtig entdeckt. Herrn Edgars2 Buch heißt nicht „Englische Eindrücke", sondern „Englische Freiheit". 1/4 davon soll Mormonismus enthalten. Das Ganze prätendiert Physiognomie or, if you like8, Physiologie des Nationalcharakters zu geben. Gelesen habe ich nichts davon. Brief an Dich in some days4. Salut. Dein K.M.
1 Gebots - 2 Edgar Bauer - 3 oder, wenn Du willst - 4 einigen Tagen
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Engels an Marx in London
[Manchester, 22. April 1857]
Lieber Mohr, Die Geschichte mit dem Konversationslexikon'1591 kommt mir ganz gepfiffen und Dir wahrscheinlich auch. Voila enfin1 Aussicht auf Ersatz der Ausfälle und für mich Aussicht auf eine regelmäßige Beschäftigung für meine Abende. La paix allait me demoraliser2; seitdem keine Artikel mehr für die „Trib[une]"zu schreiben waren, hab'ich viel zuviel gebummelt, wozu sich hier Veranlassung genug bot. Dana muß, was die Militaria angeht, sofort folgende Fragen beantworten. 1. Wieviel Bände das Ganze zirka haben wird, und bis wie weit er denkt, im I. oder 1. und 2.Band zu kommen. 2. Sollen die militärischen Artikel sich hauptsächlich beschränken auf Erklärung der Kunstausdrücke z.B. artillery, castrametation, column3, mit historischen Randglossen und kurzer Inhaltsangabe der einzelnen Branchen der Militärwissenschaft - also z.B. Artillerie 1. Erklärung, 2. Geschichte und jetziger Stand, 3. Resume der Branchen der modernen Artilleriewissenschaft (Schießen, Bedienung, Bespannung, Gebrauch im Felde und vor Festungen pp.). 3. Oder sollen sonst noch kriegsgeschichtliche Artikel darin figurieren, z.B. unter dem head4 Austerlitz, Arbela'1601 pp., kurze comptes rendus5 der Schlachten selbst, und unter Alexander, Cäsar, Carnot pp. militärische Biographien nebst Angabe der jedesmaligen epochemachenden Fortschritte. Dann schreibe gleich an Steffen, er soll uns den Titel oder Verfasser eines möglichst kompletten und kurzen Militärwissenschafts-Lexikons angeben, dasjenige; welches die meisten aber kürzesten Artikel hat, ist das beste, denn es soll bloß dazu dienen, daß ich gleich weiß, welche Artikel ich zu machen habe, und um das Alphabetische möglichst reichhaltig und
1 Endlich - 2 Die Ruhe begann mich zu demoralisieren - 3 Artillerie, Lagerkunst, Kolonne - 1 Titel - 5 Beschreibungen
handy6 zu haben. Sowie ich das habe, kann ich an die Bearbeitung der Buchstaben A und B gehn, vielleicht schon früher, denn aus „Brockhaus" allein kann ich viele Artikel sehn und einzelne auch ohne ihn. Der Pay7 wird sich rentieren auch bei $ 2 per große Seite; eine Masse des Zeugs ist bloß Abschreiberei oder Ubersetzung, und die größeren Artikel werden nicht sehr viel Arbeit machen. Ich werde mir gleich ein paar englische Konversationslexika ansehn, damit ich sehe, welche militärische Artikel sie haben, sodann aber besonders „Brockhaus", der doch immer ein besserer Anhaltspunkt bleibt, kompletter ist und auch Dana als Vorbild zu gelten scheint. Wenn einzelne philologische Abschnitte, z.B. die germanischen Sprachen, mittelhochdeutsche, althochdeutsche pp. Literatur (idem in romanischen Sprachen, besonders provenzalisch), zu erhaschen wären, so könnte das nicht schaden. Die slawischen Sachen wird entweder die Jakob oder Herr Gurowski übernommen haben, erstere versteht auch mehr von den Sprachen als ich. Welche Artikel übernimmst Du? Jedenfalls doch deutsche Philosophie Biographie moderner englischer und französischer Staatsmänner? Einige finanzielle? Chartismus? Kommunismus? Sozialismus? Aristoteles - Epikur- Code Napoleon'1611 - und dergleichen. Ohne Party tendency whatever8 allerdings schwerer zu behandelnde Themata als die braven Militaria, wo man selbstverständlich immer von der Partei des Siegers ist. Nimm soviel Artikel Du kriegen kannst, und organisiere allmählich ein Büro. M. Pieper kann auch schanzen, für Biographica ist er ganz gut brauchbar und kriegt gleichzeitig einige gesunde trockne Notizen in seinen genialen Schädel. Vielleicht wäre Lupus auch bereit, im altklassischen Felde zu wirken, je verrai9! Obwohl die Arbeit nicht sehr interessant sein wird (wenigstens zum großen Teil), so macht mir die Geschichte doch unendlichen Spaß, weil dies ein enormer lift10 für Dich sein wird.. Ich war diesmal wirklich höllisch ängstlich, wie die Sache mit der „Trib[une]" enden werde, und besonders, als D[ana] Dich auf halben Sold zu setzen versuchte, jetzt aber wird's schon wieder gehen, und ist die Zahlung auch noch nicht so nahe, so ist dies doch ein sehr sichrer Posten, und man kann ruhig ein paar Buchstaben immer im voraus fertigmachen, das Geld kommt seiner Zeit schon. Hast Du nichts von Olmsted wegen „Putnam" gehört? Den Artikel
6 zur Hand - 7 Die Bezahlung - 8 jegliche Parteitendenz - 9 ich werde sehen - 10 Aufschwung
über Bazancourt'691 hätte ich sehr gern, vielleicht kann ich durch Acton damit hier etwas machen. Auch sonst wäre vielleicht mit ,,Putn[am]" etwas weiteres zu machen - Progress in the art of war, improvements in artillery, small arms pp., ships against stone walls11; ich mache alles, aber die Kerle müssen sich verpflichten, es auch zu drucken. Dana würde es gewiß besorgen, damit Du weniger auf die „Trib." allein angewiesen bist; laß den Editor von ,,P[utnam]" übrigens selbst schreiben, cela vaut mieux13. Laß Dana auch sagen, ob die Artikel im allgemeinen mehr oder weniger Raum füllen sollen als z.B. im „Brockhaus", und ob das Ganze auf einen größeren oder geringeren Umfang berechnet ist als ,,B[rockhaus]". - Dann weiß man doch, woran man ist. Auch wann gezahlt wird - und in wieviel Zeit das Unternehmen komplettiert sein soll. Es ist gut, das alles zu wissen. An Deiner Stelle würde ich ihm offerieren, das ganze Konversationslexikon allein zu machen, wir brächten das schon fertig. Jedenfalls nimm, was Du kriegen kannst, wenn wir 100 bis 200 Seiten in jedem Band haben, so ist das nicht zu viel, so viel „gediegene" Wissenschaft liefern wir leicht, solange das gediegne kalifornische Gold dafür einspringt. Jetzt aber grüß Deine Frau und Kinder herzlich und laß bald was von Dir hören. Dein F.Engels
Für die Augentinktur sehr verbunden. Ich laboriere noch immer etwas daran, aber ich glaube, es liegt daran, daß ich in der letzten Zeit mehr Portwein getrunken habe als sonst - drop that13!
11 Fortschritte in der Kriegskunst, Verbesserungen in der Artillerie, kleine Waffen usw., Schiffe gegen Steinwälle - 12 das wird besser sein -13 lassen wir das
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Marx an Engels in Manchester
23. April 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Fred, Morgen werde ich gleich dem Dana schreiben. Die Sache kommt mir sehr gelegen, wie Du denken kannst. Es beruhigt auch meine Frau, was in ihrer jetzigen Situation wichtig ist. Dem Steffen (der Kerl hat seine Wohnung gewechselt, ohne mir Anzeige zu machen, ist aber noch in Brighton) werde ich gleich schreiben. Pieper, wie Du aus einem meiner frühern Briefe1 Dich erinnern wirst, ist seit Weihnachten Schulmeister in Bognor, and I shall certainly leave him there2. Er wurde jeden Tag fader, verbummelter, unnützer und kostspieliger. In der Zucht des Pfaffen, bei dem er jetzt dient, wird er sich wieder erkriegen. Auch verließ mich der Bursche grad in einem Moment, wo er mir, wegen der Lage meiner Frau, unentbehrlich zu sein wähnte und nicht abgeneigt schien, sich auf höhere Bedingungen zum Bleiben pressen zu lassen. I did nothing of the sort3, sondern sprach nur meine Zufriedenheit aus, daß er endlich eine Stelle gefunden. In der Tat hat sich herausgestellt, daß seine „Notwendigkeit" nur in seiner eignen Einbildung existierte. Meine Frau verrichtet den Sekretärdienst ohne all den bother4 des edlen Jünglings. Zum Unterricht der Mädchen paßte er gar nicht. So ist beiden Seiten durch die Veränderung geholfen, und Wenn der Kerl, wovon ich überzeugt bin, wieder brauchbar wird, wird ihn das Bewußtsein sehr stärken, daß ich seiner in keiner Weise bedarf. Von Anlegung eines Büros hier in London kann also nicht die Rede sein. Es sind keine brauchbaren Leute hier. Möglich - was ich in ein paar Tagen wissen werde -, daß Dana den Freiligrath direkt aufgefordert hat. Unser Freiligrath ist wieder malcontent5 mit seiner Stelle, wo er jedoch 300 £ St. sehr bequem verdient und nichts der Rede wert zu tun hat. Was
1 Siehe vorl. Band, S. 102 - 2 und ich werde ihn ganz bestimmt dort lassen - 3 Ich tat nichts dergleichen - 4 das Getue - 5 unzufrieden
ihn ennuyiert, ist einerseits das Murren und Knurren der Aktionäre, die an ihm ihren Mißmut auslassen, teils die allerdings zweideutige Stellung, die viel Verantwortlichkeit auf ihn häuft, ohne ihm andrerseits mehr als den Schein von Selbstbestimmung zu lassen. So, at least6, legt er sich selbst sein feeling7 aus. Was in der Tat dahinter lurkt8, scheint mir Widerstreben gegen responsibility9 überhaupt. Eine Commisstelle, die ihn derselben überhebt, so wie die bei Hood, ist und bleibt sein Ideal. Dann quält ihn auch die Kollision zwischen seinem Dichterruhm und dem Wechselkurs. So viel seh* ich aus seinen gelegentlichen confessions10, daß alle diese Credit mobilier1541 im geheimen mit großen misgivings11 behaftet sind. Em alter Londoner Börsenwolf hat ihn versichert, daß die Art chronischer Krise, wie sie jetzt herrscht, ihm in einer Praxis von 40 years' standing12 unerhört sei. Ich bin noch nicht dazu gekommen, muß aber doch einmal ganz genau untersuchen das Verhältnis zwischen Wechselkurs und Bullion13. Die Rolle, die das Geld als solches spielt, in Bestimmung des Zinsfußes und des moneymarkets, is something striking and quite antagonistic to all laws of political economy14. Wichtig die 2 neu erschienenen Bände von Tookes „History oj prices". Schade, daß der Alte allen seinen Untersuchungen, durch den direkten Gegensatz zu den currency-principle-Kerls11261 veranlaßt, einen ganz einseitigen turn18 gibt. Wegen Rücksendung Deines Bazancourt'691 habe ich bereits vor 14 Tagen an Dana geschrieben. Die Urquhartisten haben mir auf Abschlag - ich solle ihnen eine genaue bill16 einsenden -101. gezahlt, die sehr gelegen kamen, da ich die Summe allein an Bäcker und Metzger schuldete. Die Mädchen wachsen sehr heran, und auch ihre Erziehung wird teuer. Sie haben in dem ladies seminary17, wohin sie gehn, private lessons18 von einem Italiener, einem Franzosen und einem drawing master19. Jetzt muß ich noch einen Musikkerl anschaffen. Sie lernen außerordentlich rasch. Das Kleinste - das baby - ist ein merkwürdiger Witzbold und behauptet, daß she had got two brains20. Für meinen Teil würde ich am liebsten schreiben für Dana Artikel wie: Ricardo, Sismondi etc. So etwas kann allenfalls objektiv im Yankeesinn geschrieben werden. Deutsche Philosophie ist schwer englisch darzustellen. Indes werde ich dem Dana verschiednes vorschlagen und ihm die Wahl überlassen.
6 wenigstens - 7 Unbehagen - 8 sich verbirgt - 9 Verantwortung -10 Geständnissen -11 Befürchtungen -12 Jahren Bestand - 13 Edelmetall -14 Geldmarktes, ist etwas überraschend und widerspricht völlig allen Gesetzen der politischen Ökonomie-15 einseitige Wendung-16 Rechnung-17 Mädchenseminar -18 Privatstunden -19 Zeichenlehrer - 20 sie zwei Gehirne hätte
Für meine Frau brauche ich jetzt schon seit 6 Monaten fortwährend den Arzt. Sie ist in der Tat sehr herunter. Apropos. Dr. Freund has passed through the court of bankruptcy für 200 £ assets, to 3000 £ debts.21 Die Bright- und Cobdenpartei wird sicher aufkommen, da Faucher der auswärtige Redakteur ihres Londoner Blatts, des „Morning Star", i?t. Ich stehe jetzt mit dem Burschen auf einem Sprechverhältnis, da ich nicht vermeiden konnte, ihn bei Edgar Bauer gelegentlich zu sehn. Der Kerl hält sich für den ersten Mann der Welt. „Bruno B[auer] hat das Selbstvertrauen verloren. Er fühlt, daß ich, nicht er,Preußen erobern wird." Er ist a curious freetrader too22, der nicht einmal weiß, was die middle classes23 sind. In Preußen herrscht und soll herrschen „der Offizier und der Student". „Ich reiße jedes englische Meeting um, wenn ich spreche." „Ich habe Geschichte gemacht. Ich war es, der Cobdens Kanton motion aufsetzte."'1621 Dies sind einige seiner Redeblumen. Der Kerl ist ein wahrer Münchhausen von Verlogenheit, ein wahrer Fähndrich Pistol von Großmäuligkeit, und alle 6 Monate einmal ist es amüsant, ihn aufschneiden zu hören. Hast Du etwas gehört - oder Lupus - von einer „Römischen Geschichte", die irgendwo um Heidelberg herum erschienen und viel Neues enthalten soll?'1631 . Was macht der Wirt vom goldnen lion25? Salut. Dein K.M.
21 Dr. Freund ist beim Konkursgericht mit 200 £ an Vermögenswerten gegen 3000 £ Schulden davongekommen. - 22 zudem ein seltsamer Freihändler - 23 Mittelklassen - 24 Antrag 25 Löwen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. Mai 1857
Dear Frederick, Die £5 erhalten. Einliegend Brief von Lassalle, den Du mir, nach Mitteilung desselben an Lupus, Anfang nächster Woche zurücksenden willst. Wie soll ich es mit dem Kerl halten? Antworten oder nicht? Die komische Eitelkeit des Burschen, der mit Gewalt berühmt werden will und ohne allen Anlaß 75 Bogen über griechische Philosophie schreibt[1641, wird Dich amüsieren. An Dana habe ich alles geschrieben, wie Du es aufgetragen. Von wegen Deines Bazancourt!8flI hatte ich schon früher auf Rücksendung gedrungen. Steffen kennt kein Buch, wie Du es brauchst; er selbst scheint mit einer englischen Übersetzung von Rüstows „Casars Heerwesen" beschäftigt. Pieper ist auf dem Sprung, wieder in seine alte Narrheit zu fallen. Hat mir einen „genialen" Brief geschrieben. Die Begeistrung, die nicht er über seine neue Stelle, aber seine neue Stelle mit Einschluß des zu ihr gehörigen Prinzipals über ihn hatte, scheint, as usually1, nachgelassen zu haben. Er will als „Kurier" nach der Schweiz gehn, oder Mittsommer mit seinem Prinzipal brechen und mit 20 £ in der Tasche wieder London imponieren. Ich werde kaltes Wasser in meinem nächsten Brief auf den Genialen gießen. Um wieder „haltbar" zu werden, muß der Jüngling längere Zeit unter der Pfaffenknute aushalten. Hast Du den letzten Report des Credit mobilier1541 gelesen? Stand in der „Times". Deutet auf Decline2. Pam as3 Reformer! Er wird die Kerls reformieren with a vengeance4. Wenn es Dir irgend möglich, schreib nächste Woche etwas Militärisches über Persien oder China5. Meine Frau geht mehr und mehr der Katastrophe entgegen, und da wird ihr der Schreiberdienst immer schwieriger. Wegen des Zahnwehs rate ich Dir, zu demselben Mittel die Zuflucht zu nehmen wie ich nach anderthalbjährlichem Bedenken. Den Schuft aus
1 wie gewöhnlich - 2 Niedergang - 3 als - 4 ganz gehörig - 5 „Persien - China"
ziehn. Ich glaubte auch immer, mein Zahnweh sei rheumatisch. Schließlich wurde doch ein corpus delicti aufgefunden. Wann kömmst Du her? Salut. Dein K.M.
Mit dem Frühling erscheinen immer einige Krankheiten unter dem Kindervolk. So war es diesmal der Fall erst mit dem Kleinsten und Laura. Jetzt ist die Reihe an Jennychen.
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Engels an Marx in London
Liebster Mohr, Hierbei der Brief von Lassalle zurück. Dorch un dorch der läppische Jüd. Es werden schöne Geschichten sein, die er zusammengeschrieben hat, auch das Ding, das „zünden" wird und worüber er so geheimnisvoll tut.[165! Daß nichts an dem Kerl ist, das wissen wir freilich, es ist aber schwer, einen positiven Grund zu finden, woraufhin mit ihm direkt brechen, besonders, da von den Düsseldorfer Arbeitern weiter nichts gehört worden.1 Er scheint - nach diesem Brief zu urteilen - sich ganz von ihnen zurückgezogen zu haben, oder vielmehr sie von ihm, denn er weiß gar nichts Positives zu sagen, wie es in Deutschland unter den Arbeitern steht. Ob er aber nicht wieder mit einem Brief von Dir bei ihnen renommieren lassen würde, ist eine andre Frage. Ich würde an Deiner Stelle ihm schreiben, das ist nicht wohl zu vermeiden, aber ihn direkt fragen, wie es mit der Arbeiterbewegung am Rheine stehe, und besonders in Düsseldorf, und da läßt sich der Brief doch so abfassen, daß er das Maul darüber halten wird, und daß er entweder sich plus ou moins2 erklären oder ihm die Korrespondenz mit Dir leid werden muß. Lupus hat sich über den Brief sehr amüsiert, aber unser Konzil über die Sache wurde gestört. Übrigens würde ich ihn doch auch fragen, wie es wäre, daß er Deine Briefe der Polizei in die Hände spielt. Über Persien ist absolut nichts zu sagen, die Kampagne war lausig, aber die Berichte sind es noch mehr. Uber China war ;bei Ankunft der letzten Mail3 allerdings etwas zu sagen und ist's auch noch, aber um jetzt, zehn Tage nach der letzten Mail, etwas zu machen, ist es zu spät; ich warte also, bis die nächste Mail kommt, wo ich mich gleich dransetze, und der Artikel4 entweder für Freitag oder den folgenden Dienstag einkommt. Richte Dich also soviel wie möglich hiernach, ich denke, die Mail kommt Ende dieser Woche. What's the matter with the children?5 Ich hoffe, Jennychen ist wieder all right!6 Grüß sie alle und Deine Frau herzlich. Dein [Manchester] Montag, 11. Mai 57 F. E.
1 Siehe vorl. Band, S. 26 -28 und 31 - 3 mehr oder weniger - 3 Post - 4 „Persien - China" 5 Was fehlt den Kindern? - 6 wohlauf
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Dem beiliegenden Artikel1 wirst Du auch wohl wieder ansehn, daß er under difficulties2 entstanden ist. Jedesmal, wenn ich vorhabe, einen Trib[une]"-Artikel zu machen, so scheint dies alle bösen latenten Säfte meines Körpers zur Erscheinung zu bringen. Diesmal sitze ich zu Hause mit Leinsamenumschlägen auf der linken Seite des Gesichts, um ein bösartiges Geschwür zur Raison zu bringen, reduziert auf magre Kost und ohne Bier, doch ist mir glücklicherweise ein Glas Wein befohlen worden. Es wird behauptet, ich hätte zu viel Roastbeef gegessen, jedenfalls bin ich seit 4 Wochen mit meinem Gesicht in einem fort beschäftigt gewesen, erst Zahnschmerzen, dann geschwollne Backe, dann wieder Zahnschmerzen, jetzt endlich die Blüte des Ganzen in einer Furunkel, wie der kleine Heckscher das DjogjTennt. Außerdem muß ich Mineralwasser saufen und des Morgens um 7 Uhr heraus, auch sehr angenehm. Hier ist jetzt alles Kunstfreund und schwatzt von den Gemälden in der Ausstellung. Die Sache wird plus ou moins3, finanziell aber jedenfalls, eine failure4. Übrigens sind sehr schöne Bilder da, jedoch meistens von den besseren und besten Malern nur second-rate5 Stücke. Zu den schönsten gehört ein prachtvolles Portrait Ariostos von Tizian. Neuere deutsche und französische Schule sehr schlecht, fast gar nicht repräsentiert. 3/4 des Ganzen englischer Schund. Spanier und Flamänder am besten repräsentiert, dann die Italiener. Du mußt doch diesen Sommer einmal herkommen das Ding ansehn mit Deiner Frau, s'il y a moyen6. Für die „Tribüne" über diese Geschichte etwas zu schreiben geht nicht, ich wüßte auch nicht, wo anfangen, den ordinären Klatsch hat die ,,Tr[ibune]" in allen Blättern. Lupus, der, wie ich Dir, glaub' ich, schrieb, ausgezogen ist, kämpft wieder den Kampf mit der landlady7. Um das Pech vollzumachen, kam die neue landlady 8 Tage nach seinem Einzüge in Wochen. Nebenan spielt ein 1 „Persien - China" - 2 unter Schwierigkeiten - 3 mehr oder weniger -1 Pleite - 5 zweitrangige - 6 wenn es möglich ist - 7 Wirtin
Kerl nicht nur die Violine schlecht, sondern auch das Waldhorn total falsch. Das Studium der pädagogischen Wissenschaften stößt also auf enorme Schwierigkeiten, weswegen der Alte auch dem Chatsworth häufiger als sonst zuspricht. In 14 Tagen - 3 Wochen bin ich in London, entweder in der Pfingstwoche oder in der folgenden. Grüße Deine Frau und Kinder herzlich. Dein F.E. Manchester, 20. Mai 57
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22 May 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Zu Deinem Trost kann ich Dir mitteilen, daß ich seit 3 Wochen und bis auf den heutigen Tag mit Medizin und Pillen überschwemmt worden bin infolge meiner alten und, wie ich glaube, erblichen liver complaints1. Nur mit der höchsten Anstrengung habe ich das „Marktliche" - ich meine die „Tribüne" - besorgt und war sonst qmte disabled2. Um die Zeit nicht ganz zu verlieren, habe ich faute de mieux3 der dansk sprog4 mich bemächtigt und eine enorme Staatshämorrhoide: „Af mit Livs og min Tids Historie" af5 0rsted (der Exminister) geöffnet. Austern zu öffnen wäre jedenfalls amüsanter gewesen. Ich habe indes nach des Doktors Versprechen Aussicht, in nächster Woche wieder Mensch zu werden. Einstweilen bin ich noch gelb wie eine Quitte und viel verdrießlicher. Was nun Dein Leidwesen betrifft, so ist es meine fixe Idee, daß das Ganze von einem hohlen Zahn herrührt, der ausgerissen werden muß und der, durch eine Reihe von Vermittlungen, allen andern bösen Symptomen zugrunde hegt. Heckscher, of course6, wird das leugnen. Indes, wenn Du herkommst, worauf ich mich sehr freue, kann es jedenfalls nicht schaden, wenn Du mich einmal zu einem wirklich vortrefflichen Dentist begleitest, der das Gebiß prüft. Meine Ansicht gründet sich darauf, daß ich vor zwei Jahren an ganz ähnlichen Geschichten litt; daß Dr. Freund ebenfalls erklärte, ich habe zu viel Fleisch gegessen, und daß endlich, durch einen courageusen7 Gang vor einigen Monaten zum Zahnarzt, die Quelle des Unwesens entdeckt ward. Ich bringe natürlich Dein periodisches Zahnweh dabei in Hauptanschlag.
1 Leberbeschwerden - 2 völlig arbeitsunfähig - 3 in Ermangelung eines Besseren - 4 dänischen Sprache - 5 von - 6 natürlich - 7 mutigen
Meiner Frau Niederkunft wird Ende dieses Monats erwartet, und diesmal nicht grade unter angenehmen circumstances8. Auf die „Tribüne", wo es jetzt lang dauert, bis eine trassierfähige Summe erreicht ist, werde ich im besten Fall nicht vor 3 Wochen ziehn können. Ich habe einen Versuch hier gemacht, um für die Zwischenzeit einen Wechsel auf mich selbst auszustellen, bin aber glänzend gescheitert. Die eigentlichen Householdschulden9 lenke ich auf, aber mit den Steuern geht das bloß zu einem gewissen Punkt, und außerdem sind bei sotanen Umständen gewisse Vorbereitungen nötig, für die geblecht werden muß. Du wirst aus den Zeitungen ersehn haben, daß ein zweiter Direktor des Credit mobilier'541 - Place war der erste - viz. Banker10 Thurneyssen durchgebrannt ist mit einer Schuldenmasse von about1130-40 Millionen fcs. Aus dem letzten Bericht des famösen Inst ituts'1661 - vom 28.April ultimo sieht man, daß, obgleich ihr net profit12 immer noch 23% beträgt, er doch um die Hälfte ungefähr gefallen ist in Vergleich mit dem Jahr 1855. Diesen Fall erklärt Herr Pereire aus 1. der Ordre im „Moniteur", März 1856, wodurch Bonaparte dem Credit verbot, die Creme von der damals existierenden französischen Überspekulation abzuschöpfen; 2. daß diese Ordre der „sagesse supreme"13 durch ein Versehn nur die societes anonymes14 einschloß und so dem Credit eine höchst unanständige Konkurrenz in der Form von societes de commandite15 auf den Hals zog; 3. die Krise in den 3 letzten Monaten von 1856. Der Credit suchte zwar diese Krise zu einigen finanziellen coups de main zu benutzen, wurde aber an dem „patriotischen" Werk durch die narrow selfishness der Banque de France16 und des unter Rothschilds Leitung stehenden Pariser syndicats der bankers verhindert; 4. Bonaparte hat ihnen noch immer nicht erlaubt, die statutengemäße issue17 von 600 Mill. Papiergeld ihrer eignen Erfindung vorzunehmen. That issue is still looming in the future 18 Pereire scheint hart auf Bonap[arte] zu pressen. Sollte dieser nicht riskieren, seine Autorisation zu geben, so scheint ein middle course19 beabsichtigt, nämlich die Banque de France auf höherm Wege, vermittelst des neuen Gesetzvorschlags, zum Handlanger des Credits zu machen. Aus dem Bericht folgt ferner, daß das Geschäft des Credit immer noch in einer ungeheueren Disproportion zu seinem Kapital steht, und daß er das vom Publikum geliehne Kapital ausschließlich zur Befördrung des Börsenspiels benutzt hat. Auf der einen Seite, als
8 Umständen -9 Haushaltungsschulden -10 nämlich Bankier-11 ungefähr -12 Reingewinn 13 „allerhöchsten Weisheit" - 14 anonymen Gesellschaften - 15 Kommanditgesellschaften 16 beschränkte Eigennützigkeit der Bank von Frankreich - 17 Ausgabe - 13 Diese Ausgabe liegt noch in ferner Zukunft, - 19 Mittelweg
Bonap[artes] quasi Staatsinstitut, erklärt es der Credit mobilier für seinen Beruf, die Preise der funds, shares, bonds20, kurz aller nationalen Börsenpapiere aufrechtzuerhalten, indem er den companies oder individual stockjobbers21 das vomPublikum geliehne Geld vorschießt zu Börsenoperationen. Auf der andern Seite als „Privatinstitut" besteht sein Hauptgeschäft im Spekulieren auf das Steigen und Fallen der Börseneffekten. Pereire vermittelt diesen Widerspruch durch etwas, was Moses Heß imstande wäre, „Sozialphilosophie"11671 zu nennen. An Deinem Artikel über China-Persien22 habe ich nur hier und da etwas weggelassen und hier und da eine Wendung geändert. Ich stimme mit allem überein, nur daß ich nicht glaube, daß die in Persien stationierten Truppen so bald nach China expediert werden. Es ist in dem Vertrag ausdrücklich •abgemacht, daß sie Persien nicht verlassen, bis die Perser Herat verlassen haben. Pam wird ihnen die ungesunde Zeit nicht schenken. Das Gesuch des General'gouverneurs von Indien - Cannings - um seine Demission, gleichzeitig mit dem Selbstmord des englischen Generals und Admirals23, deuten darauf, daß Pam wieder höchst „unverständliche" Instruktionen in dieser Hinsicht gegeben hat. Unterdes - wie die Wiener Blätter melden ist der Hauptzweck erreicht. Persien hat zwei strips of land24 an Rußland abgetreten. Mickel25 hat mir geschrieben. Ich schicke Dir dieser Tage seinen Brief. In Hoffnung, bald zu hören, daß Du wieder auf dem Strumpf bist, Salut. Dein K.M.
20 Staatspapiere, Aktien, Schuldscheine - 21 Gesellschaften oder einzelnen Börsenspekulanten - 22 „Persien - China" - 23 Stalker und Etheridge - 24 Landstreifen - 25 Johannes Miquel
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Marx än Engels in Manchester
[London] 23 May 1857
Lieber Engels, Heute morgen traf Einliegendes von Dana ein. Mir ist es rätselhaft, wie der Yankee erwarten kann, daß die Sachen für Band 111591 schon Anfang Juli in New York sein sollen, wenn er uns erst Ende Mai seine Aufträge gibt. Uberleg Dir noch einmal, welche Artikel, außer den militaribus1, angeboten werden sollen. Philosophische Sachen sind in der Tat zu schlecht bezahlt und dabei schwierig to be done in English2. Weißt Du, ob irgendein deutsches oder französisches Buch über Biographien großer Industrieller existiert? Ebenso rätselhaft ist mir, wie Aesthetics, auf I page, fundamentally3, auf Grundlage Hegels, behandelt werden sollen. Hat Lupus Lust, etwas zu übernehmen? Einliegend auch Brief von Miquel. Ich verstehe in der Tat seine Theorie von „NichtÜberproduktion", aber „Mangel an Zahlungsmitteln für die Produktion" nicht: es sei denn, daß sich das allerflachste Geschwätz der allermiserabelsten Currencykerls11261 in Deutschland eingebürgert hat. Salut. Dein K.M.
militärischen --3 englisch darzustellen - 3 1 Seite, grundlegend
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Engels an Marx in London
Manchester, Ai.Mai 1857
Lieber Marx, Dana muß toll sein, die Ästhetik auf 1 Seite abzumachen. Auch von den mihtfaribus]1 hat der Kerl keine Ahnung. Umstehend Liste der mir nur aus „Brockhaus" und dem Gedächtnis aufgefallnen Artikel. Da ich aber erst ein englisches Militär-Lexikon vergleichen muß, kann diese nicht definitiv sein, wer kann sich aller technischen Ausdrücke erinnern, die im Englischen mit A anfangen. Apropos, es existiert ein solches Lexikon von einem Vielschreiber lausigster Art, J.H.Stocqueler, kannst Du Dich nach Preis, Umfang pp. erkundigen? Noch schöner, die Artikel - mit der erwarteten Gründlichkeit und Kürze! - bis I.Juli dort haben zu wollen. Wieder recht Yankee. Jedenfalls beweist's, daß mehr auf show2 als wirklichen Inhalt gerechnet wird, was schon die $ 2 pro Seite beweisen. Gib Dana die Liste - als provisorisch - und sage, da bei diesem pay3 nicht on speculation4 gearbeitet werden könne, solle er angeben, was er haben wolle. (Grade diese Flickartikel, die die leichtesten sind, machen den pay akzeptabel.) Eine 2te Liste der technischen Ausdrücke für A werde baldigst folgen. Sowie diese gesettled5, solle er die Liste meinetwegen bis D, E oder G haben, damit dann vorangemacht werden kann. Über Aireys (General) frühere Lebensläufe weiß ich nichts. Sieh einmal eine Army List6 nach, da hat man wenigstens das Skelett. Spanish Armada weiß ich auch nichts, doch das wäre aufzutreiben - ebenso Ayacucho. Ich bin noch nicht weit genug, um morgen kommen zu können, denke Samstag abzureisen.11681 Kann man von Camden Station (wo die Tickets genommen werden) Cab7 nach Deiner Wohnung haben? und wie weit ist's? Miquels Brief bring' ich mit; ich habe wegen meiner Krankheit Lupum 8 Tage lang nicht gesehn.
1 Militärartikeln - 2 Äußerlichkeit - 3 dieser Bezahlung - 4 auf Spekulation hin - 5 abgetan 6 Armeeliste - ' Droschke
Mündlich mehr. Ich habe, wie Du begreifst, mit Rückständen pp. alle Hände voll. Dein F.E.
Abensberg (battle of8 1809) 1U PAbukir ditto 1U PAxle9 (artillery) V8 ditto Acre (St. Jean-d'-Sieges of10) V4 ditto a V2 Actium (battle of) , 1l8~1U Adjutant 1U~1l2 Afghanistan (invasion by English11) 2 Aland Isles see12 Bomarsund Albuera (battle) 1/4 Aldenhoven ditto 1797 1/4 Alessandria (fortress and sieges13) V4 Algeria (French conquest of and English bombardment of14) 2-3 Almeida (siege of in Peninsular War15) 1U Amusette (artillery) V10 Anglesey (Marquis of) 1/2 Attack (in battle and siege16) 1I2 Antwerp (fortress & sieges) 1 Approaches17 % fully18 Arbela (battle oO 1U Arquebusier V8 Aspern and Eßling (battle 1809) 3/4 Augereau (Marshai) Va Advanced guard19 V2
8 Schlacht bei - 9 Achse -10 Belagerungen von -11 Invasion der Engländer -12 Alandsinsein siehe -13 Festung und Belagerungen -14 französische Eroberung und englisches Bombardement -15 Belagerung im Spanischen Krieg -16 in der Schlacht und Belagerung -17 Laufgräben -18 ganz -19 Vorhut
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Engels an Marx in London
[London] Freitag morgen [12. Juni 1857]
Lieber Mohr, Statt zu Dir zu kommen, bin ich richtig wieder verdammt zu heißen Umschlägen auf vier Tage. Mein Gesicht ist wieder sehr schlimm, und die ganze Geschichte hat wieder von vorn angefangen. Diesmal will ich's aber ordentlich kurieren. Meine Abreise nach Manchester ist natürlich dadurch in infinitum1 verschoben. Wenn die Sache sich rasch macht, kann ich vielleicht Montag einmal wieder herauskommen. Falls inzwischen was Neues bei Dir sich ereignen sollte, so schreib mir 2 Zeilen, Du weißt ja die Adresse, 7, Grove Hill, Camberwell.[169] Ich ennuyiere mich rather2, wie Du denken kannst, infolge dieser Geschichte, aber que faire3? Grüß Frau und Kinder herzlich. Dein F.E.
1 ins Endlose - 2 ziemlich - 3 was tun
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Marx an Engels [in London]
[London] 15. Juni 1857
Lieber Engels, Weinst Du oder lachst Du, Und schläfst Du oder wachst Du? Wir sind hier ernstlich um Dich besorgt. Schreib also, wie es mit der .Gesundheit steht. Ich hoffe, daß Dir keine warmen Umschläge mehr gemacht werden, was eine ganz ältliche und mehr oder minder in Verruf gekommne Kurmethode ist. Falls Du aber bloß innere Mittel anwendest - was das Rationelle und Moderne - so seh ich nicht, warum Du Dich so ängstlich verschlossen zu halten brauchst. Meine Frau sehr leidend. Aber die Trompete hat sie zu früh geblasen, und noch hat sich nichts ereignet. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29 June [1857]
Lieber Engels, Aus dem vorliegenden Briefe11701 siehst Du, daß Dana bald das Manuskript erwartet. Was soll ich ihm schreiben? Ich kann mich nicht mit Krankheit entschuldigen, da ich fortfahre, an die „Tribüne" articles zu schicken. Der case1 ist sehr verzwickt. ' Meine Frau noch im status quo. Starker Husten dazu und Haussorgen, schwere. Ich hoffe, daß Deine Genesung vorangeht. Gestern war Steffen hier. Dein K.M.
1 Fall
10 Marx/Engels, Weife, BH. 29
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Marx an Engels in Manchester
[London] Freitag, 3. Juli [1857] 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Ich schreibe morgen. Heute nur die Anzeige, daß die 2te Hälfte der Note heut abend noch nicht angekommen. Bei dem Pech, das mich seit einiger Zeit verfolgt, könnte sie allenfalls verlorengegangen sein. Zu Williams konnte ich nicht, da der Zustand meiner Frau mir nicht erlaubte - seit Deiner Abreise ungefähr - mich von ihr zu entfernen. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3. Juli [1857]
Dear Frederic, Ich schreibe wieder, um den ersten Zettel to gainsay1. Nr. II langte an, Punkt 6. Da nie früher ein Brief so spät ankam, schrieb ich, um etwaiges mischiief2 zu verhüten. Salut. Dein K.M.
1 zu widerrufen - 2 UnKeil
10*
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6 July 1857 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Rüstow ist nicht vorrätig bei Williams. An Steffen, bei seinem Mißtrauen, da er selbst mit einer englischen Bearbeitung des Buchs beschäftigt, möchte ich nicht in dieser Angelegenheit schreiben. Ich glaube, Du könntest Dich in bezug auf die alte Welt ganz auf einige Allgemeinheiten beschränken und direkt sagen - im Artikel1 selbst daß diese Themes unter „Greek army"2 und „Roman army"3 behandelt werden sollen. Dadurch wird Zeit gewonnen. Unterdes kann man nicht nur den Rüstow schaffen, sondern ich kann Dir auch Masse sonstiger Details schicken, da ich jetzt, nach langem Suchen, auf dem Museum vollständige Quellensammlung für die Militärgeschichte der antiken Zeit gefunden. In diesem Augenblick aber kommt alles auf Eile an. Du weißt, daß ich auf Deinen Rat noch eine zweite Liste an Dana geschickt11591; welche Entschuldigung habe ich also gegenüber dem Mann? Krankheit kann ich nicht vorschützen, da ich sonst die „Tribune"-Korrespondenz ganz unterbrechen und so meine ohnehin sehr spärliche Revenue ganz reduzieren müßte. Dana kann im Notfall seine Zuflucht nehmen zu dem Mann, der ihm schon einen Teil der militärischen Artikel besorgt. In diesem Fall wäre ich ecartiert4. Um das zu verhüten, muß ich Freitag schreiben. Die Schwierigkeit besteht dann, zu wissen, was. Du begreifst, daß nichts mir fataler ist als to press upon you5 während Deiner Krankheit, und ich hatte in der Tat, als Du hier abreistest, keine Ahnung davon, daß Du in Deinem Zustand die Comptoirarbeiten sofort, und namentlich so seriously6 wieder aufnehmen würdest. Meine eigne Situation ist so, daß alles davon abhängt, ob ich in dieser Woche den kleinen Bamberger überreden kann, einen Wechsel auf mich
1 Friedrich Engels: „Armee" - 2 „Griechische Armee" - 3 „Römische Armee" - 4 ausgeschaltet - 5 Dich zu bedrängen - 6 ernsthaft
selbst zu diskontieren. Das Ende des Quartals ist da, und Gott und der Teufel stürmen nun ein. Freiligrath hat mir ein paar Zeilen geschrieben, woraus ich den Credit mobilier[611-Schrecken sehe. Das beständige Fallen der Papiere an der Pariser Börse, trotz der Aussicht der guten Ernte, hat wahren Panic unter die Financiers geworfen. Die indische Geschichte'1711 sehr lieblich. Mazzinis Putsch11721 ganz in der alten offiziellen Form. Hätte der Esel wenigstens Genua nicht hereingezogen. Salut. Dein K.M.
Es existiert ein wohlfeiler „Dictionary of mihtary science" von Campbell.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8 July 1857
Lieber Frederic, Meine Frau ist endlich niedergekommen. Das child1 jedoch nicht lebensfähig, starb gleich. Dies an und für sich kein Unglück. Jedoch teils Umstände unmittelbar damit verbunden, die furchtbaren Eindruck auf meine Phantasie gemacht; teils die Umstände, die dieses Resultat herbeiführten, so beschaffen, daß die Rückerinnerung qualvoll. Brieflich nicht tubar, auf solche Materie einzugehn. Salut. Grüß Lupus von mir und teil ihm die Nachricht mit.
Dein K.M.
1 Kind
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Engels an Marx in London
Manchester, Sonnabend, [11.] Juli 57[1731
Lieber Marx, Deine paar Zeilen erhielt ich erst heute morgen vom Comptoir; der Warehouseman1, der hier gewöhnlich die Briefe bringt, fand es kommoder, erst morgens, statt abends vorher, seine Bestellungen bei mir auszurichten. Der Inhalt Deines Briefs hat mich sehr erschüttert, trotz des Mysteriums, denn ich weiß, es muß Dir hart kommen, eh' Du so schreibst. Den Tod des Kindes kannst Du stoisch hinnehmen, Deine Frau schwerlich. Wie es ihr geht, schreibst Du nicht, ich schließe das Beste daraus, aber laß es mich doch positiv wissen, rechte Ruhe darüber hab' ich sonst doch nicht, Deine mysteriösen Andeutungen lassen in dieser Beziehung zu vielen Vermutungen Raum. Geht es ihr nur gut, so ist es am Ende doch am besten, daß die Sache vorüber ist. Die Manuskripte für Dana11591 kann ich Dir heute positiv für Freitag versprechen, d.h. die Artikel „Alma", „Abensberg"11741, „Adjutant", „Ammunition"2 und dergleichen kleines Zeug mehr, was so ziemlich (mit Ausnahme von „Algier" und „Afghanistan") alles A bis Ap und Aq abschließt. Für all dies hab' ich mein Material zusammen, und da plötzlich, infolge von Wiederbenutzung der freien Luft, in meiner Krankheit ein günstiger Wendepunkt eingetreten, der aller Wahrscheinlichkeit nach die Sache abschließen wird, so werd' ich ungestört arbeiten können. Dieser Wendepunkt datiert von gestern abend, und da mir Bewegung im Freien außer der Stadt vorgeschrieben, so wird bis Donnerstag noch nicht aufs Comptoir gegangen. Sobald ich diese ersten Artikel erledigt habe, wird „Army" (für die neuere Zeit, 1300—1850) und „Artillery" in Angriff genommen-den Anfang von „Army" mach* ich dann zuletzt, und gleichzeitig sollst Du die Liste für B haben. „Artillery" wird Freitag über 8 Tage gehn können, „Army" vielleicht auch. Einige der kleineren Geschichten schicke ich Dir vielleicht schon morgen für Dienstagspost.
1 Magazinverwalter - 2 „Munition"
Lupus ist vor ein paar Tagen nach Frankreich und der Schweiz abgereist. Der französische Vizekonsul hier, ein Kaufmann, gab ihm ohne weiteres einen Paß. Auf der Rückkehr wird er Dich wohl besuchen (in ca. 3 Wochen). Ich darf mich nicht auf dem Comptoir sehen lassen, sobald ich aber wieder dort erscheinen kann, schicke ich Dir weiteres Geld. Deine Frau grüße herzlich von mir und versichre sie meiner aufrichtigsten ganzen Teilnahme. Grüß die Mädchen und sorg, daß sie gesund bleiben. Dein alter F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 11 July 1857
Dear Frederic, Die Hauptsache ist jetzt natürlich, daß Du Deine Gesundheit herstellst. Ich muß sehn, wie ich den Dana noch auflenke. Mache Dir darüber keine Skrupel. Nächste Woche schicke ich Dir einiges über altes Heerwesen. Wie ich höre, ist Hostings das einzige Bad in England, das wahrhaft nützlich für Deine Beschwerden ist. Also geh dahin, da mit Deiner Krankheit endlich Ernst gemacht werden muß. - Der Gebrauch von Eisen als Präservativ gegen weitere Entwicklung des Übels ist jedenfalls rationell, whatever Mr. Heckscher may think of it1. Auch darüber solltest Du noch mit einem 3ten Arzt konsultieren. Die Annahme, daß jeder der Kerls nur halbwissend ist; so gut, den einen durch den andern zu kontrollieren. Meine Frau erholt sich. Ihr Zustand macht es mir indes immer noch schwer, das Haus zu verlassen. Die Revolution marschiert heran as shown by the march of the Credit mobilier1541 und die Bonap[arte] finances in general2. Mit den besten Wünschen für Deine Genesung. Dein K.M.
1 was immer auch Herr Heckscher davon denken mag - 2 wie durch die Entwicklung des Credit mobilier und durch die Finanzen Bonapartes im allgemeinen bewiesen wird
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14 July 1857
Lieber Engels, Trotz aller Mißfälle kannst Du sicher sein, daß ich und meine Frau (die nebenbei auf dem besten Weg der Genesung ist) weniger beängstigt waren durch unsre eignen affairs als durch Deinen letzten Bericht über Deinen Gesundheitszustand. Ich bin außerordentlich erfreut, daß es besser geht, sehe aber mit wirklicher Angst, daß Du wieder beabsichtigst, das Comptoir zu besuchen und zwar schon in dieser Woche. So viel mußt Du doch aus dem ganzen Gang Deiner Krankheit ersehn haben, daß Dein Körper der Stärkung und Erholung und einer temporären Abschüttlung von allem Comptoirstaub bedarf. Du mußt zur See as soon as possible1. Wenn Du in diesem entscheidenden Moment so kindisch bist - Du verzeihst mir das Wort -, wieder in das Comptoir Dich einzuschließen, werden neue Rückfälle kommen und die Widerstandskraft gegen dies Übel gleichzeitig mehr und mehr sich brechen. In solchen Rückfällen könnte die Krankheit schließlich die Lunge affizieren, und dann wären alle Abhülfsversuche vergebens. Du strebst doch sicher nicht nach dem Ruhm, Dich selbst auf dem Altar des Ermen-Engelsschen Comptoirs aufzuopfern? Mit Deinem Leiden würde man einen Menschen bedauern, den die Situation zwänge, statt seine Gesundheit zu restaurieren, sich von neuem ans Geschäft zu ketten. Bei Dir bedarf es dagegen nur eines energischen Entschlusses, um das medizinisch Notwendige zu tun. Bedenke, wie lang das Übel sich schon schleppt, wie viele Rückfälle, und Du wirst die Notwendigkeit einsehn, for some time to let Mr. Ermen shift for himself2, und Dich durch Seeluft und relativen Müßiggang zu restaurieren. Ich hoffe, Du nimmst die Sache ernsthaft und gibst das alte fehlerhafte System auf, zwischen Medizin und Comptoir abzuwechseln. Es wäre unverzeihlich, wenn Du darin beharrtest. Die Umstände, die die Entbindung meiner Frau begleiteten und die
1 so bald wie möglich - 2 Herrn Ermen für einige Zeit sich selbst zu überlassen
mich unnerved for some days3, kann ich nur mündlich mitteilen. Ich kann diese Dinge nicht schreiben. Ich habe Deine Artikel erhalten.4 My best thanks for them.5 Die indische Revolte11711 setzt mich einigermaßen in Verlegenheit. Ich bin bei der „Tribüne" expected to have some superior views of military affairs6; wenn Du mir einige allgemeine Phrasen schreiben kannst, so kann ich mit dem Stoff, den ich gesammelt, leicht einen Artikel, der lesbar ist, draus machen7. Die Lage der Insurgenten in Delhi und die moves8 der englischen Armee sind die einzigen Punkte, worüber für den Moment einige militärische Phrasen nötig. Alles andre ist matter of fact9. Herr Bamberger hat mich mit falschen Rendezvous, die er nie eingehalten, für 2 Wochen jetzt hingehalten. Ich gebe den Jüngling jetzt natürlich auf. Die Frau von Jones ist tot seit April, und er scheint sich relativ wohl zu befinden. Von Imandt heute einen Brief erhalten. Er ist in expectation10 einer Stelle, die er auf 300 £ schätzt. Wegen Dronke schreibt er mir, daß er en famille11 leben soll, mit einem Frauenzimmer, das er geschwängert hat. Es ist jedoch nicht Miss Smith. Salut. Dein K.M.
3 für einige Tage entnervten -4 siehe vorl. Band, S. 131 — 5 Meinen besten Dank dafür. -6 angeschrieben, in militärischen Angelegenheiten überlegene Kenntnisse zu haben - 7 „Der Aufstand in Indien" - 8 Operationen -9 Tatsachenmaterial -10 Erwartung -11 in häuslicher Gemeinschaft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16 July [1857]
Lieber Frederic, Ich habe Dir heute den Rüstow geschickt, den Du sobald als möglich retournierst, da Steffen grade damit beschäftigt. Ich habe ihn für mich von ihm verlangt. Die einliegenden Noten'1751 wenig wert, except, perhaps1, ein paar Zitate. Ich habe zwar die ,,Encycl[opaedia] Brit[annica]" angesehn, hatte aber keine Zeit, sie ordentlich zu lesen. Ich fürchte so, daß die Noten kaum was Neues für Dich enthalten. Benützt dazu: Ersch und Gruber: „Ecyclopedie universelle" [176';Pauly: „Realencyclopädie der class[ischen] Alterthumswissenschaft" (1844-52). Die Werke selbst zu lesen, mir grade jetzt unmöglich. Schade, daß ich mich nicht früher dransetzte. Die ,,Ency[clopaedia] Brit[annica]" ist ziemlich wörtlich aus den deutschen und französischen Werken abgeschrieben und so schwer ihr zu entlaufen, ohne die Spezialschriften selbst zu lesen. Meine Frau körperlich besser; liegt jedoch noch; und außerordentlich verstimmt, was ich ihr au fond de coeur, under present auspices2, nicht verdenke, obgleich es mich ennuyiert. Salut. Dein K.M. Ich hoffe, daß Deine Gesundheit voranmarschiert.
1 ausgenommen vielleicht - 2 im Grunde des Herzens, unter den augenblicklichen Vorzeichen
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Marx an Engels in Manchester
^ [London] 24 July 57 Lieber Engels, Das Cyclopädistische'1771 to-day1 erhalten. Wenn es Dir irgend möglich ist, so schick mir einiges Geld. Ich bin für Montag bedroht mit dem broker2 für Steuern und landlord3. Außerdem hat die gänzliche want of cash4 seit 14 Tagen mir unmöglich gemacht, meiner Frau, deren recovery5 sehr langsam, und die eher täglich schwächer wird, die kleinern, vom Doktor angeordneten Comforts zu verschaffen. Ich habe während der Zeit lauter vergebliche Versuche gemacht, entweder einen Wechsel zu diskontieren, oder, was in London sehr gebräuchlich, von einer loan-society11181 ein loan6 aufzunehmen. Zu letzterer Operation gehören 2 respektable Bürgen, und in dem Versuch, sie aufzutreiben, bin ich vollständig gescheitert. Meine ausstehenden Förderungen an die „Tribüne" sind so unbedeutend, daß ich vor 2 Wochen nicht an Ziehn eines Wechsels auf sie denken kann. Sie wären größer, wäre ich nicht einerseits früher gezwungen gewesen überzuziehn und wären andrerseits durch die häuslichen Unruhen nicht einige Ausfälle veranlaßt worden. Nichts kann mir fataler sein, als Dich in Deiner Krankheit mit meinen Miseren zu belästigen, aber ich bin so völlig isoliert, daß mir nichts andres übrigbleibt. Ich hoffe, daß Du Dich an der See bald erholen wirst. Vergiß nicht, mir gleich Deine Adresse zu schicken. Salut. Dein K.M. Den einliegenden Brief an Imandt besorgt.
1 heute - 2 Pfändungsbeamten - 3 Hauswirt - 4 Geldpleite - 6 Genesung - 6 Darlehn
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Engels an Marx in London
Waterloo bei Liverpool, 30. Juli (Mittwoch) 1857
Lieber Marx, Seit vorgestern abend bin ich endlich hier an der See11791, 3 Meilen weiter hinaus als Newbrighton, aber an der Nordseite des Mersey; ich bin leider mit einer gehörigen Erkältung hier angekommen, die mir die Drüsengeschichte momentan verschlimmert, viel Schmerzen verursacht und mir den Schlaf stört. Das schlimmste ist, daß ich für ein paar Tage so gut wie total inkapabel zum Arbeiten bin - mein täglicher Rapport an Heckscher und was ich sonst für kleine Zettel zu schreiben habe, ist alles, was ich fertigbringe. Abends bin ich so von Schmerzen und Abspannung geplagt, daß ich bis jetzt nicht einmal habe lesen können. Daß diese verdammte Geschichte auch jetzt kommen muß! Seit Freitag abend oder Samstag morgen hab* ich so wegen der Störungen und jetzt der Krankheit die ganze Zeit verlieren müssen. Ich bin Dir eine wahre Jammergestalt, krumm, lahm und schwach, und weiß mich z.B. jetzt vor Schmerzen wieder nicht zu lassen. Ich habe Dir von Manchester einen Korb Wein schicken lassen, der Deiner Frau gut tun wird, 6 Flaschen Bordeaux, 3 Port, 3 Sherry. Er muß schon dort sein, wenn die Sache ordentlich besorgt worden. Schreib mir, welche Farbe die Siegel vom Port und Sherry haben, damit ich meinen Weinhändler kontrollieren kann. Sherry sollte gelb sein, Port, glaub' ich, grün. Der Bordeaux hat die Etikette Co. Destournel, ich hab' ihn soeben importiert. Sobald irgend möglich, erhältst Du M[ilitaria].[159] Leider weiß ich nicht, ob die Post in 1 Tage nach London geht, das werd' ich erst in einigen Tagen aus der Erfahrung merken. Hoffentlich wird mich die Seeluft bald in den Stand setzen, gehörig zu schanzen, wie es jetzt ist, ennuyier' ich mich tödlich. Grüß Deine Frau und die Mädchen bestens. j-jejn F.E. Den Fünfpfünder wirst Du erhalten haben. Adresse: F.E., care of Mr. Swingwood, Bath St., Waterloo near Liverpool
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Marx an Engels in Waterloo
[London] 9.August 1857
Lieber Engels, Ich bin heute verhindert, mehr als ein paar Zeilen zu schreiben. Nur meine besten Wünsche für Deine Genesung. Die anxiety1 für Dein bodily2 Wohl ist so groß, als wenn ich selbst die Krankheit hätte, vielleicht größer. Wie steht es mit dem Punkt „Husten"? Soviel ich aus Deinen Briefen ersehn kann, bist Du wenigstens nicht damit gequält. Mein Arzt, der sehr viele cases3 Deiner Art behandelt hat, sagt, daß, wenn der Zustand der Kranken nicht erlaube, in der See zu baden, er mit Erfolg gewärmtes (tepid4) Seewasser zum Waschen des ganzen Körpers angewandt, so daß graduell immer weniger laues angewandt worden. Schreib mir, ob Du Eisen erhältst? Eisen hat in solchen Fällen wie in vielen andern die Not gebrochen. Salut. Dein K.M.
1 Besorgnis - 2 körperliches - 3 Fälle - 4 laues
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Marx an Engels in Waterloo
[London] 15. August 57
Lieber Frederick, Es freut mich sehr, daß die See, wie zu erwarten war, wohltätig wirkt. Sobald Dein Zustand zu baden erlaubt, wird die Wirkung noch rascher werden. Die See selbst ist natürlich das Hauptkurmittel. Indes sind einige innere Medikamente doch nötig, teils um zu prävenieren, teils positiv, um dem Blut fehlende Substanzen zuzuführen, und gestützt auf die ganze neuste französische, englische und deutsche Literatur, die ich jetzt über Deine Krankheit durchgelesen habe, stelle ich daher gegenüber den Behauptungen in Deinem Brief an meine Frau11801 folgende auf, die Du jedem Kollegium von Ärzten oder Chemikern zur Prüfung vorlegen kannst: 1. Wo der Lebertran in 3 Monaten wirkt, wirkt das Eisen in 3 Wochen. 2. Lebertran und Eisen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich in der Kur. 3. Momentaner Eisenmangel im Blut ist der Grundcharakter Deiner Krankheit. Du mußt Eisen nebst Seebad noch brauchen, selbst wenn alle äußern Spuren der Krankheit verschwunden wären. 4. Das heilende Element für Dich im Lebertran ist das Jod, da die fettmachende Eigenschaft des Trans unwesentlich für Dich ist. Jodide of Iron1 verbindet daher beide Elemente, die Du brauchst, und wovon Dir das eine im Lebertran suppliert wird. Gleichzeitig vermeidest Du mit diesem Mittel den unnützen Ballast für den Magen, der dem Lebertran anhängt. Voila mes Theses2, und ich hoffe, daß Du sie ernsthaft untersuchst, damit nach der Heilung nicht wieder spätere Rückfälle kommen, die exceedingly3 unangenehm sein sollen. Die Affäre mit Delhi sieht mir so aus, als ob die Engländer ihren Rückmarsch antreten müßten, sobald die rainy season4 ernsthaft had set in5. Ich habe auf meine Verantwortlichkeit, da ich Dich einstweilen als Militär in
1 Jodeisen - 2 Das sind meine Thesen - 3 außerordentlich - 4 Regenzeit - 5 eingesetzt hat
der „Tribüne" ersetzen mußte, dies aufzustellen riskiert13. NB. on the supposition7, daß die bisherigen Reports wahr sind. Es ist möglich, daß ich mich blamiere. Indes ist dann immer mit einiger Dialektik wieder zu helfen. Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, daß ich im umgekehrten Fall auch recht habe. Die beständigen Gerüchte vom Fall von Delhi werden von der Regierung in Kalkutta in Indien selbst zirkuliert und dienen, wie ich aus den indischen Blättern sehe, als Hauptmittel, Madras und Bombay presidencies8 in Ruhe zu halten. Ich sende Dir einliegend zum Zeitvertreib einen Plan von Delhi, den Du mir jedoch zurückschicken mußt. Aus den meisten Berichten der Banque de France9 sieht man bereits, daß statt des d'Argout ein Bonapartist10 am Ruder ist, der mit Diskontieren und Notenausgeben wenig Umstände macht. Der financial debacle11 in Frankreich muß enorm werden, da von allen Seiten in tollster Weise darauf losgearbeitet wird. Imandt hat mich hier bedeutend im Arbeiten gestört. Der Pot12 ist eigentlich das einzige Medium, um mit diesen spiritrappers'181' in Rapport zu treten. Mit besten Wünschen für Deine Gesundheit von mir und Frau. Dein K.M.
6 „Die indische Insurrektion" - 7 unter der Voraussetzung - ® Präsidentschaften -9 Bank von Frankreich -10 Germiny - 11 Börsenkrach -14 Bierkrug
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Engels an Marx in London
Waterloo, 21. Aug. 1857
Lieber Mohr, Die Artikel'1821 wirst Du heut morgen erhalten haben. Deine Thesen1 halte ich doch für open to some observations2. Daß Eisen in 3 Wochen wirke, wo Lebertran in 3 Monaten, ist wohl nicht wörtlich zu nehmen. Von einer Kur in 3 Wochen kann überhaupt bei so einer Krankheit keine Rede sein, und ich möchte dagegen sagen, daß, Eisen oder kein Eisen, der Fälle mehr sind, wo die Kur 3 Jahre, als nur 3 Wochen gedauert hat. Daß Eisenmangel im Blut Grundcharakter der Skrofulöse, ist mir allerdings neu. Trotz aller Literatur aber ist es sicher, daß seit einiger Zeit die Mode grassiert, alle Krankheiten auf Eisenmangel im Blute zu reduzieren, eine Mode, die bereits eine Reaktion anzuregen beginnt; von der Krankheit, von der es noch am meisten feststeht, das dies ihr Grundcharakter ist, der Bleichsucht, behaupten neuerdings einige Franzosen, das Eisen habe gar nichts mit ihr zu tun. Was der Grundcharakter der Skrofulöse ist, scheint mir noch sehr im trüben zu liegen. Daß im Lebertran unter andern auch das Jod ein Hauptelement der Wirkung ist, ist gewiß. Aber lange nicht das einzige. Mit Jod in andren Gestalten kommt man nicht so weit. Außerdem ist Chlor und Brom drin, beides direkt oder indirekt auf das Übel wirkend, und inwiefern die Gallenbestandteile und flüchtigen Fettsäuren mithelfen, ist noch nicht festgestellt. Ich weiß nur, daß norwegischer Lebertran, der bitter nach Galle schmeckt, mir mehr genützt hat als neufundländer oder englischer, der dies nicht tut. Jodeisen hab' ich während der ganzen Zeit, wo ich in Manchester war (zwischen London und Waterloo), gleichzeitig mit Lebertran genommen, und die Entzündung nahm fortwährend zu und wurde schließlich chronisch. Seit ich hier bin, hab' ich fem Jodeisen mehr genommen, habe aber
1 Siehe vorl. Band, S. 160 - 2 ergänzungsfähig
längst schon mit H[eckscher] abgemacht, daß entweder Jodeisen oder Quevennesches Eisen mit Lebertran als Nachkur gebraucht wird. Das Fett im Tran ist pour le moment3 durchaus kein unnützer Ballast für mich. Seit ich wieder zu Kräften gekommen, geht auch die Fettansammlung wieder vor sich. Fertiges tierisches Fett ist natürlich nur in sehr geringem Maß in meiner Diät zulässig; die Folge davon ist, daß ich mehr Stärkemehl essen muß, und wirklich hab' ich zuzeiten einen wahren Heißhunger auf Brot; ich esse doppelt soviel Fleisch, aber viermal soviel Brot wie sonst. Das Fett im Lebertran hilft mir bei dieser Mast vortrefflich, da es in einer höchst unschuldigen Form genommen wird und nicht so irritierend wirkt wie Fleischfett oder fettgekochte Sachen. Du siehst, daß wir das Eisen nie ganz aus dem Gesicht ließen, und selbst nachdem es schon über 3 Wochen erfolglos angewandt, vielleicht sogar unter den obwaltenden Umständen die Sache verschlimmert hatte, dennoch es für die Nachkur schon reserviert hatten. Heckscher, mit dem ich vorigen Sonntag wegen Eisen sprach, war positiv dagegen, nach der gemachten Erfahrung schon jetzt wieder Eisen anzuwenden, und ich muß ihm recht geben. Später natürlich. Ich wiederhole übrigens, daß ich trotz der Einstimmigkeit der Literatur ein großes Mißtrauen gegen die Reduzierung aller Krankheiten auf Eisenmangel habe, solange wir von dem Zustande und selbst der normalen Quantität des Eisens im Blut nicht etwas mehr wissen als bis jetzt. Jedenfalls hatte ich Eisen genug im Blut, als die Geschichte ausbrach, das muß mir jeder Medicus bezeugen, der mich damals gesehn hat. Daß bei Leuten mit positiv skrofulösem Habitus, blasser Farbe, durchsichtiger Haut etc. Eisenmangel existieren mag, glaub' ich gern. Aber admis4, daß dies der Grundcharakter ist, so folgt daraus noch lange nicht der indiscriminate5 und sofortige Gebrauch des Eisens. Eisen ist sehr schwer ins Blut anders als in den kleinen Quantitäten zu bringen, in denen es sich in den gewöhnlichen Nahrungsmitteln findet. Gesetzt also, der Charakter meiner Krankheit wäre, daß das Blut nicht mehr fähig sei, das Eisen in den Nahrungsmitteln zu assimilieren, so assimiliert's das aus der Medizin noch weniger. Seeluft und Seebad stärken das System insoweit, daß das Blut diese Fähigkeit wieder erhält. Es assimiliert also auch wieder Eisen aus Fleisch und Brot, und da ich viel mehr esse als sonst, also auch soviel mehr Eisen. Hier nun, wenn diese Fähigkeit wiederhergestellt, kann medizinisch gegebnes Eisen nützen, obgleich ich glaube, daß 9/10
3 im Moment - 4 zugegeben - 5 unterschiedslose
davon unnütz durch den Körper geht, und selbst auf die Eisentheorie hin ist Anwendung von Eisen in jeder Periode der Krankheit nicht als richtig erwiesen. Nun aber kommt noch die Varietät der einzelnen Kasus und Konstitutionen hinzu. Ich scheine z.B. gegen alle Metalle besonders empfindlich zu sein; auch äußerliche Anwendung von Quecksilber, um die lokale Ausbreitung der Entzündung zu verhindern, wirkte sehr rasch bei mir, und es ist sehr möglich, daß das Jodeisen, zu einer Zeit genommen, wo mein Blut zu desorganisiert war, es zu assimilieren, die steigende Entzündung befördert hat. Jedenfalls sehe ich nicht ein, inwiefern Deine Thesen, selbst die Eisentheorie zugegeben, etwas Wesentliches an den Behauptungen meines früheren Briefs11801 umstoßen, in dem es sich übrigens nur um die sofortige Anwendung von Eisen, m keiner bestimmten Form, mit Ausschluß des Lebertrans handelte. Heute hab' ich mein erstes Seebad genommen, ist famos bekommen und hat einen Appetit gemacht vom Teufel. Vorderhand soll ich nur jeden zweiten Tag baden. Jetzt aber Postzeit. „Army" in Arbeit. Viele Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
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Engels an Marx in London
Waterloo, 25.Aug. 1857
Lieber Marx, Meinen letzten Brief brach der Postabgang plötzlich ab. Ich wollte Dir noch von Lupus' Abenteuern in Frankreich erzählen. Er hatte in London weder Geld noch Zeit sich aufzuhalten und reiste daher durch, kam an in Manchester mit 2 sh. in der Tasche. Von Lille aus wurde er von der französischen Polizei entdeckt und verfolgt. Mit seinem gewöhnlichen Glück kam er auch grade in die Wahlen und das schöne Mordkomplott mitten hineingeschneit. Er ging in ein klein Hotelchen am Louvre und wollte d?nn nach Versailles. Auf dieser Tour bemächtigten sich seiner 2 Mouchards, drängten sich zu ihm auf den Wagen, hin und zurück, und ließen ihn nicht aus den Augen. Ins Hotel zurück, setzen sich, als er im Salon soupiert, zwei Mouchards, worunter ein Elsässer Jud, an den Tisch und machen Glossen über ihn in Deutsch, Französisch und gebrochen Englisch. „Un was der Kerl noch mit einem Appetit fresse kann, un sei Kopp is doch nit e Pfennig wert." „That chap eats with much appetite and his head is not worth a farthing. The telegraphic despatch has just arrived"1 usw. Nachdem L[upus] stumm ausgehalten - sein böses politisches Gewissen zwang ihn natürlich, denn sonst wäre er ja Colle2 geschleppt und hätte sich auf der Präfektur ausweisen müssen, was für ein Wolf er sei nachdem er sich in seinem Ärger einen Zopf angetrunken, geht er auf sein Zimmer und legt sich ins Fenster - au premier3. Da entdeckt er seine Freunde von Versailles am Torweg. Die Clique wächst an, schreit ihm Bemerkungen zu, und der Chef parlamentiert mit der Wirtin. Nachher besetzen die Kerle das ganze Haus, kneipen und vandalieren die halbe Nacht und okkupieren die Zimmer rechts, links und über Lupus, der, wie Du denken kannst, in einem schönen Stew4 war - dabei war es zum Sterben
1 „Dieser Kerl ißt mit einem Appetit und sein Kopf ist nicht einen Pfennig wert. Die telegraphische Depesche ist gerade angekommen" - 2 ins Kittchen - 3 im eisten Stock 4 Schlamassel
heiß. Morgens früh wecken ihn die Kerle. Rechts und links klopfen sie an seine Wand, über ihm werden Tisch, Bett pp. über den Boden geschleift, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Endlich geht Lfupus] mit gesammelter Courage auf den Abtritt. Auf der Treppe sitzt der Jud und sein Kumpan, und der Jud sagt ganz laut: „Jetzt geht der Kerl scheißen." Er läßt sich sein Frühstück ins Zimmer bringen und erkundigt sich, wann die Straßb[urger] Bahn fährt. Die Kerle verschwinden nun allmählich, da es der Tag der Nachwahlen war und sie ihren Zweck erfüllt hatten, Lfupus] aus Paris zu vertreiben. Auf der Bahn wieder der Versailler Freund, begleitet ihn im selben Wagen vier-fünf Stationen weit, wo ihn ein andrer ablöst. Die Kerle drängen sich immer in den ganz vollen Wagen so auffällig noch hinein, daß ein französischer Philister im Scherz sagt: „II y a donc un criminel parmi nous?"5 So wird er eskortiert bis Lyon; von Chälons auf der Saone ist der Versailler wieder da auf dem Dampfboot. In Lyon geht L[upus] ins erste Hotel, findet aber, daß Kellner und alles im Dienst ist, ihn signalisiert und den Kerls telegraphiert, wenn er kommt. Der Kellner pfeift, sowie er aus dem Zimmer tritt und der Mann im Büro schreit: „Le voilä!"6 worauf er dann vor einer Elite Mouchards Revue passieren muß. Diese Verfolgung dauerte auch auf der Seyssel-Bahn, bis zu einer Stelle, wo eine Bahn in der Richtung vonPlombieres abgeht, wo Herr Bonfaparte] grade war. Von da an war Lfupus] frei, als sie sahen, daß er nicht nach Plombieres ging. Auf der Rückreise keine Spur von Verfolgung. Man sieht, was Herr Bonfaparte] mit der Societe du dix Decembre1132' angestellt hat. Die Vagabunden sind unverkennbar, besonders in der Kneiperei und der humoristischen Manier, womit sie verdächtigen Leuten den Aufenthalt in Paris verleiden. Wäre Lfupus] nicht gegangen, hätte einer wahrscheinlich Keilerei angefangen, um einen Vorwand zu haben, ihn auf die Präfektur zu bringen. Wie viele der Kerls müssen im Dienst sein, wenn ein ganzes Eskadron dem ihnen comparatively7 unbekannten Lupus nachsetzen konnte. Dabei die Organisation der Wirte, Kellner, boots8 pp. als Helfershelfer. Ich habe eben wieder gebadet, was mich im allgemeinen sehr stärkt und erfrischt, die Entzündung für den Anfang indes wieder etwas zu schärfen scheint. Das war zu erwarten. Ich fühle mich jetzt im ganzen sehr wohl und bin von den Wunden wenig geniert. Mein Alter wird wohl schon in Manchester sein, was ich morgen positiv erfahre, wo ich dann sofort nach Manchester gehe und in einigen Tagen in ein kräftigeres Seebad, viel
5 „Ist denn ein Verbrecher unter uns?" -6 „Da ist er!" -7 verhältnismäßig - 8 Hotelknechte
leicht Isle of Man. Schreib also einstweilen nach Manchester. Sobald ich vollständig geheilt und die Seebäder nicht mehr so regelmäßig brauche, denk' ich auf die See zu gehn, wahrscheinlich einmal per Steamer via9 Dublin nach Portsmouth und Isle of Wight, wo wir dann einen Kriegsrat zusammen halten können. Das hängt aber noch von Umständen ab. „Army" schreitet vor, die Alten sind fertig, das Mittelalter wird kurz, dann die neuere Zeit. Die Alten allein werden aber 6-7 Seiten, ich will sehn, was noch zu streichen ist; aber genau können wir uns nicht an Herrn D[ana] binden. Bis Freitag wird das Ding nicht zu liefern sein wegen der Störung mit meinem Alten, aber hoffentlich bis Dienstag. Apropos, schreibt denn D[ana] gar nicht um Manuskripte oder wegen der Liste für B? Wie ist das, es wäre doch kurios, wenn man gar nichts von ihm hörte. Beste Grüße. Dein F.E.
8 Dampfer über
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Marx an Engels in Manchester
[London] 26. Aug. 57
Lieber Engels, Einliegend ein billet an Dich von Schramm. Schreib ihm ein paar Worte. Ich glaube nicht, daß viel Hoffnung für ihn übrig ist. Das Abenteuer von Lupus sehr amüsant. Warum gehst Du nicht nach Hastings, dessen Wirkungen für Dein Gebresten berühmt sind. Es ist das einzig spezifische Bad der Art in England. Die Insel Man, soweit ich die Ehre hatte, sie mit Dir zü sehn - es war allerdings nur ein kleines Stück -, zeichnet sich durch Gestank aus. Mit dem Dana steht die Sache nicht sehr hübsch. Ich fand es unpassend, Dich während des schlimmen Stadiums Deines Unwohlseins im Detail dieser Angelegenheit zu halten. Es ist schon lange Zeit her, seit Dana mir die einliegende Liste für B schickte (worin nur 2 nicht militärische Artikel: „Blum" und „Bourrienne"). Gleichzeitig schrieb er mir, je rascher die Beiträge für die folgenden Bände kämen, desto angenehmer für sie. Ich meinerseits könne immer sofort, nach Einsendung der Artikel, das Honorar erhalten. Was sollte ich da nun tun in einer Zeit, wo die Beiträge für A nicht abgesandt werden konnten, und es Verdacht erregen mußte, wenn ich unter so dringender Aufforderung - und dabei mir so nützlichen Bedingungen nicht nachkam? Es blieb nichts übrig, als eine Zeitlang gar nicht und dann nur sehr selten, say every fortnight1, nach New York zu schreiben, so daß mir immer offen war, mit Schein später behaupten zu können, eigne Krankheit und häusliche troubles2 hätten mir alles Schreiben sehr schwierig gemacht, wie meine spärliche Korrespondenz auch für die Zeitung3 bewies. Unter diesen Umständen Deine Liste für B dem Dana zu schicken, wäre quite4 zweckwidrig gewesen und hätte meine Position noch mehr verfälscht. Unterdes hatte ich auch erfahren, daß Major Ripley jetzt Miteditor der „Tribüne" ist, Dana also im Notfall ein pis aller5 für die „Cyclopädie" hatte.
1 sagen wir alle 14 Tage-2 Sorgen - 3 „New-York Daily Tribüne"-4 ganz-5 einenAusweg
Well; am 24 July schickte ich Deine ersten Sendungen'1771 ab. Der August kam heran, und Dein Zustand schien sich wieder verschlimmert zu haben. Am 1 Iten August kam eine weitere Sendung6 von Dir. Mein Instinkt sagte mir, daß ein Brief von New York nun in Aussicht sei und mich in große Verlegenheit setzen würde, da Deine Krankheit eine rasche Beschleunigung der Arbeit out of question7 setzte. Um mir also eine Hintertür offenzuhalten, schickte ich dem Dana die Lieferung ab, zugleich mit einem Brief11831, worin ich ihm 1. anzeigte, das bulk8 der Beiträge sei am 7ten August abgegangen - (so daß er an Verlieren des Manuskripts denken muß) und ihm zugleich die Zögerung und Verschleppung aus einer Krankheit erklärte, die noch nicht ganz subsided9 habe. Den Schritt tat ich, weil dadurch für alle Fälle gesorgt war. Kömmt Danas Reklamation (wahrscheinlich Anfang September), so ist das Manuskript für A fertig oder nicht. Im erstem Fall ist es noch für ihn brauchbar oder nicht. Wenn das erstere, so ist nichts verloren. Wenn das zweite, so scheint die Schuld auf die Post zu fallen. Wenn es gar nicht ready10 war, so war die Täuschung um so nötiger. Am 17ten August11 erhielt ich den einliegenden Brief von Dana. Was B angeht, so kann es sich jetzt gar nicht darum handeln, die Liste auszufüllen, sondern sie so rasch wie möglich fertigzumachen. Wenn das nicht möglich ist, muß die ganze Sache aufgegeben werden. Das Resultat ist, daß meine ökonomische Stellung ganz unhaltbar und selbst meine Stellung an der „Tribüne" wacklig geworden ist. Sei so gut, mir den Plan von Delhi zurückzuschicken und schreib mir Deine Ansicht über die Indian affair12. Dein K.M.
6 „Afghanistan" und „Verhau" - 7 außer Frage - 8 die Hauptmasse - 9 nachgelassen 10 fertig -11 im Original: April -1'2 indische Angelegenheit (siehe vorl. Band, S.160/161)
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Engels an Marx in London
Kelston Cottage, Trinity st. Ryde, Isle of Wight 8. Sept. 1857
Lieber Marx, Heut bin ich endlich unter fürchterlichen Regengüssen in meine neue Wohnung gekommen, und morgen wird gleich mit „Army" wieder angefangen. In Portsmouth hab* ich gestern das militärisch Sehenswerte abgemacht, und so bleibt nur noch die „Flotte", die momentan sehr dünn aussieht. Mit der Gesundheit geht's fortwährend gut, und wenn das Wetter besser wird, so werd' ich hoffentlich bald ganz kuriert sein. Man fährt in einer halben Stunde von Portsmouth hieher, das Nest hier ist sehr aristokratisch, aber die Wohnungen nicht so teuer als in Waterloo. Wie's mit den Lebensmitteln ist, werde ich Ende der Woche wohl erfahren. Hotels pp. aber schändlich teuer. In Portsmouth meint man ordentlich im Vaterland zu sein. Von der navy1 sieht man in der Stadt nicht viel, und dagegen herrscht der Lieutenant, die falsche Würde, affektierte Reserve und das verquetschte Englisch, woraus der officer and gentleman besteht. Das Volk läuft auch fast immer in Uniform herum. Ich sah das 47. Regiment exerzieren, lauter alte Krimsoldaten mit Medaillen, soeben vom Mittelländischen Meer angekommen. Die einfacheren Evolutionen passabel, aber die verzwickten „idealen" Manöver, deren das englische Reglement so viele hat, sehr wacklig ausgeführt. Carreformation aus schräg marschierender offner Kolonne ///// schlug total fehl, es entstand eine höllische Verwirrung. Dagegen Frontmarsch in Linie, deployiertes Bataillon, sehr gut. Der kommandierende Offizier war sehr ruhig, in den Kompagnien aber wurde geflucht und gewettert wie bei uns. Die sämtlichen Bewegungen in unsrer Gangart, eher mit etwas längrem Schritt, aber rasch ausgeführt, doch mit einer großen Gelassenheit beim einzelnen Soldaten. Der preußische Leutnant würde
1 Flotte
sagen: Die Kerls haben keinen Appell. Laufschritt noch sehr mangelhaft, Tiraillement komplett wie im Schlaf betrieben. Endresultat: das Reglement sehr schlecht, die Truppen besser als das Reglement, von den Franzosen in der Krim soweit wenig gelernt, alle modernen Sachen entweder nicht eingeführt oder schlecht ausgeführt. Sobald „Army" fertig, schick' ich's Dir. Grüß Deine Frau und Kinder bestens. Dein F.E.
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Engels an Marx in London
[Ryde] 10. Sept. [1857] Donnerstag
Lieber Marx, Hierbei „Bennigsen" und „Barclay". Die napoleoniscben Generale geh ich etwas näher durch, sie folgen morgen oder übermorgen. „Army" bald fertig. Dein F.E.
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Engels an Marx in London118«
[Ryde, 11. oder 12. September 1857] [...] Berthier war ein reiner clerk1, ohne alle Ideen, aber schrecklich diensteifrig und exakt; als Napfoleon] ihn 1809 nach Bayern schickte, um die Truppen zu ordnen, ehe er selbst kam, hatte er durch ordres et contreordres2 die Armee in 3 Teile geteilt. Davout mit der Hälfte bei Regensburg, Massena mit der andern bei Augsburg, dazwischen bei Abensberg die Bayern, so daß, wenn der E[rz]h[erzog] Karl rasch avancierte, er die Corps einzeln schlagen konnte. Nur die Ankunft Nap[oleon]s und die Langsamkeit der Östreicher rettete die Franzosen. Bernadotte war 1813 gar kein General, sondern Diplomat. Er verhinderte die Generale unter ihm anzugreifen, und als Bülow zweimal bei Großbeeren und Dennewitz gegen den Befehl gesiegt hatte, stoppte Bernfadotte] die Verfolgung. Er stand in fortwährender Verbindung mit den Franzosen. Als Blücher nach der Elbe zur Vereinigung mit ihm marschiert war, um ihn zu zwingen, endlich zu agieren, hielt er noch zurück, bis Sir Ch. Stewart (englischer Kommissär in seinem Lager) erklärte, wenn er jetzt nicht marschiere, so werde er keinen Pfennig mehr zahlen. Das half trotzdem erschienen die Schweden bei Leipzig nur honoris causa im Feuer und verloren in der ganzen Kampagne nicht 200 Mann im Gefecht. B[ernadotte] war französischer Gesandter in Wien 1798, er zog die Trikolore auf zur Feier des Jahrestags eines Siegs über die Ostreicher, das Volk stürmte sein Hotel und verbrannte die Fahne. Er reiste ab, aber Napfoleon] gab ihm Unrecht und bewog das Directorium, to let the matter drop3. Kannst Du herauskriegen, wie Bockbrücken (ponts a chevalets) englisch heißen? Auch eine Beschreibung der östreichischen Biragoschen Pontons wäre erwünscht und ein kurzer Auszug - nur Andeutung - über die Beschaffenheit der Pontons bei den verschiednen Armeen (See4 Sir Howard Douglas, „Military Bndges"), ob die Russen und Preußen noch die leinenen Pontons haben? Ich hab' kein Material hier, und was ich habe in Manchester, ist sehr alt. Für englische Pontons hab' ich etwas. [...]
1 Befehlsempfänger - 2 Befehl und Gegenbefehl - 3 die Angelegenheit fallenzulassen - 4 Siehe
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Marx an Engels in Ryde
[London] 15.September [1857]
Lieber Engels, Du mußt mein Schweigen und das Nicht-acknowledgment1 Deiner verschiednen Zusendungen verzeihen. Erstens viel Arbeit und dann viele zeittötende Laufereien, keineswegs „aus innerem Drang" unternommen. Ich hoffe, trotz des schlechten Wetters geht Deine Gesundheit voran, und gebe immer noch die notion2 nicht auf, daß Du auch Eisen zuletzt in Gebrauch nimmst. Ich fürchte nur, daß das viele Schreiben Dir schädlich ist. Freitag erwarte ich Brief von Dana. Heute habe ich an ihn expediert „Barclay", „Berthier", „Blum", „Bourrienne" und Deine Beiträge.'1851 Es ist mir wichtig, nächste Woche 2te Lieferung von B zu schicken. Die einzelnen Fragen, die ich bei den nächst zu bearbeitenden französischen Generalen an Dich zu stellen habe, werde ich mit nächstem Brief schicken. Uber Berns polnische deeds3 finde ich folgendes: „Zeichnete sich aus in der Schlacht bei Iganin, wo er mit 12 leichten und 4 schweren Geschützen gegen 40 russische Kanonen von schwerem Kaliber kämpft; dann in der Schlacht von Ostrolenka^ Hier ging er mit seiner Batterie im Galopp bis zur Linie der russischen Plänkler vor, richtete gegen die über den Narew gegangnen Abteilungen ein vernichtendes Feuer, hielt den Kugelregen von 80 Geschützen aus und zwang den Feind zum Rückzug. Nach diesem Gefecht Oberst, bald darauf Oberbefehlshaber über die gesamte Artillerie, und als die polnische Streitmacht sich bei Warschau konzentrierte, General. Während der Tage vom 5. und 6. September brachte B[em] seine gesamten Geschützkräfte in den Kampf, indem er die Feldstücke zwischen den abgesonderten Befestigungswerken der äußern Linie aufstellte, rückte am 6ten mit 40 Geschützen bis unter die von den Russen bereits genommene Wola vor, aber, weder von Infanterie noch Kavallerie unterstützt, hatte zu retirieren. Als die polnische Armee sich in der Nacht vom 7ten auf Praga zog, besetzte er mit 40 Geschützen die Brücke, erhielt
1 die Nicbtbestätigung - 2 Idee - 3 Taten
aber am Morgen vom 8ten Nachricht von der mit den Russen getroffnen Ubereinkunft und dem Befehl Malachowskis, mit der Artillerie nach Modlin zu ziehn. Sieh seine Denkschrift, ,,Allg[emeine] A[ugsburger] Z[eitung]" 1831, worin er die letztern Ereignisse bespricht und Krukowiecki angreift."'1861 Da ich der obigen Autorität nicht quer über den Weg traue, bitte ich Dich zu sondieren und mir kurz, am besten gleich englisch, den betreffenden Passus zurechtzumachen. Die von Dir verlangten Notizen werde ich morgen auf dem Museum nachsehn.11871 Dein K.M.
80 Marx an Engels in Ryde
[London] 17. September1 [1857]
Lieber Engels, „Bernadotte" ist schwierig zu behandeln. Die französischen Generale, die unter Louis-Philippe schrieben, sind meist seine unbedingten partisans2; die jetzigen Schreiber unter Boustrapa1441 ebenso seine unbedingten Gegner. Die Hauptstreitpunkte, worüber ich Dich um Auskunft bitte, sind: 1. Sein Anteil an der Schlacht von Austerlitz durch die vor derselben von ihm ausgeführten Manöver. 2. Sein Benehmen bei der Schlacht von Jena; und vor der Schlacht von Eylau. 3. Sein Benehmen bei der Schlacht von Wagram. Mit seiner Gesandtschaft in Wien ist die Sache nicht exakt so, wie Du sie darstellst3. Es ist bewiesen (u.a. Schlosser, „Zur Beurtheilung Napoleons"), daß die bonapartistischen Journale in Paris B[ernadotte] als Royalist denunzierten, weil er nicht die französische Fahne aushänge. Sie trieben ihn zu seinem Schritt, den Bona[parte] nachher desavouierte. Überhaupt witterte Bona, daß Bernadotte der „Staatsmann" unter seinen Generalen sei, der seine „eignen Pläne" verfolge. Er und namentlich seine Brüder, durch ihr kleinliches und elendes Intrigieren gegen B[ernadotte], gaben ihm eine bedeutendre Stellung, als er sonst behauptet haben könnte. Napoleon war überhaupt miserabel gegen alle Personen, denen er „Selbstzwecke" zutraute. Dein K M
Blücher mußt Du mir schreiben über seine Hauptschlachten, seinen allgemeinen militärischen Charakter, endlich über das von Griesheim so sehr pointierte taktische Verdienst.11881 Bessieres, Brune, Brown, Bugeaud ditto. Bosquet im Krimfeldzug. Schick mir Danas Liste von B, da ich meine Abschrift verloren habe. Dein K.M.
1 Im Original: April - 2 Parteigänger - 3 siehe vorl. Band, S. 173
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Engels an Marx in London
Ryde, Freitag, 18. Sept. 1857
Lieber Marx, Deinen Brief erhielt ich gestern nachmittag, zu spät, noch etwas für B zurechtzumachen, dazu war ich in Portsmouth, als der Brief hier ankam, wodurch auch noch Zeit verlorenging, sonst hätte ich Dir Berns Geschichten übersetzen können.1 Ihr scheint schlechtes Wetter zu haben, hier ist es fortwährend sehr schön und nur zu heiß; vorige Woche gab's dann und wann einen starken Schauer, aber es blieb immer warm und schön dazwischen. Das Klima ist hier wirklich sehr schön, und die Vegetation, für alles, was nicht starke Sonnenhitze erfordert, so südlich fast wie Neapel. Die Hecken sind von Lorbeer. Mit meinem Zustand geht es sehr gut voran, das eigentliche Übel ist vorbei, keine einzige Drüse ist mehr entzündet, und ich beschäftige mich jetzt nur noch mit der Flickarbeit, dem Heilen der Wunden, das freilich ein langsamer Prozeß ist - und mit Auffüllung des Fleisches und Fettes. Das Baden bekommt mir sehr gut; ich kann wieder flott schwimmen - das beweist, welche Fortschritte in der Kur ich gemacht. Ich habe Pieper in Bognor besucht; ein ganz nettes Plätzchen, aber nichts gegen Ryde; ich bin begierig, wie lange er sich dort hält - er hat Chance, aber das Jeniale ist eben deswegen wieder sehr lebhaft in ihm, den Zufall rechnet er sich zum Verdienst und kommt sich schon halb als König von Bognor vor. Am Sonntag kommt er her, vielleicht auch Steffen. Sometime next week2 komme ich nach Brighton und schiffe mich dort nach Jersey ein, wohin Schramm auch geht, wie er mir schreibt. Du könntest dann wohl eben nach Brighton herüberrutschen, und wenn es sich wegen der Arbeiten einrichten ließe, eben mit nach Jersey, die Seereise täte Dir auch gut. Was meinst Du davon? Bis Dienstag bleibe ich jedenfalls noch hier, vielleicht noch etwas länger, je verrai3. Wegen Bern würde ich nur folgendes sagen: At the battle of Iganin, where he commanded the artillery he was noticed for the skill and perseverance with which he fought it against the superior
' Siehe vorl. Band, S. 174/175 - 2 Im Laufe der nächsten Woche - 3 ich werde sehen
12 Marx/Endels, Werke, Bd. 29
Russian batteries. At Ostrolenka, he again commanded the artillery in this capacity; when the Polish army had been finally repulsed in its attacks against the Russians who had passed the Narew, he covered the retreat by a bold advance with the whole of his'guns. He was now created colonel, soon after general and called to the command in chief of the whole Polish artillery. When the Russians assaulted the entrenchments of Warsaw and took Wola, Bern advanced with forty guns against this, the principal work of the whole line, but the superior force of Russian artillery opposed to him prevented the Polish infantry from returning to the assault and compelled Bern to retire.4[189i Die übrigen Sachen sind ganz alltäglich. Uber Iganin hab' ich kein Material hier, es war kein sehr bedeutendes Gefecht, eine Dammverteidigung, die, wie gewöhnlich, durch eine Umgehung fruchtlos gemacht wurde - die 40 Kanonen schweren Kalibers sind unbedingt gelogen, desgleichen der Rückzug der Russen bei Ostrolenka, der nur von Tirailleurs und Soutiens oder ein paar exponierten Bataillonen gelten kann. Was ich oben sage, ist das Günstigste, denn Diebitsch verbot die Verfolgung. Besten Dank für die Brückengeschichte. Vollständig hinreichend. Ich werde Dir nun „Battle", „Battery"5 und was ich von B sonst noch fertig bekomme, am Sonntag oder Montag zuschicken und mit dem Rest flott fortfahren. Uber Blücher schick' ich Dir auch einiges dieser Tage, sobald ich den Müffhng durchgelesen habe. Welch französische Generale und was von ihren Heldentaten willst Du noch näher untersucht haben? Gib mir möglichst Zeit, da ich nicht gut länger als 2 Stunden hintereinander arbeiten kann. Dein F.E.
4 In der Schlacht von Iganin, in der er die Artillerie befehligte, fiel er durch seine Geschicklichkeit und Ausdauer auf, mit der er sie gegen die überlegenen russischen Batterien einsetzte. Bei Ostrolenka befehligte er die Artillerie in gleicher Eigenschaft; als die Angriffe der polnischen Armee gegen die Russen, die den Narew überschritten hatten, endgültig zurückgeschlagen waren, deckte er den Rückzug durch einen kühnen Vorstoß mit all seinen Geschützen. Er wurde nun zum Obersten, bald danach zum General und zum Oberkommandierenden der gesamten polnischen Artillerie ernannt. Als die Russen die Verschanzungen von Warschau stürmten und Wola einnahmen, rückte Bern mit 40 Geschützen gegen dieses, das wichtigste Werk der ganzen Linie, vor, aber die überlegene Stärke der ihm gegenüberstehenden russischen Artillerie hinderte die polnische Infanterie, erneut zum Sturm überzugehen, und zwang Bern zum Rückzug. -5 „Schlacht", „Batterie"
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Marx an Engels in Ryde
[London] 21. Sept. 57 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Lieber Engels, Der Fortschritt Deiner Gesundheit ist mir die liebste Nachricht. Von Dana letzten Freitag Brief erhalten, kühl und kurz. Ich habe ihm geantwortet, daß ich sofort beim Postoffice1 reklamieren werde. Ferner: Da ich „Algier" und „Ammunition"2 daliegen hatte, schickte ich es ab, mit der Bemerkung, ich habe davon noch Kopie; „Army" habe ich noch im Original und werde es frisch abschreiben lassen und sofort einschicken (dies tat ich, weil Du in Deinen letzten Briefen wiederholt anzeigtest, „Army" sei beinahe fertig); sonst „Artillery" werde der größte Teil unter history of Cannon3 kommen, auch hätte ich das Manuskript nicht mehr. Überhaupt würde auf gutes Glück - und obgleich wahrscheinlich jetzt zu spät nur noch von A geschickt werden: „Army", „Armada", „Ayacucho". Die 2 letztern Sachen gab ich an, weil Du sie ganz kurz machen kannst, aber in dem Material, was ich Dir geschickt, einiges Originelle hast bei Armada und bei Ayacucho (wegen Espartero). So steht die Sache. Morgen schicke ich wieder 3 Biographien4. Meine Verhältnisse erlauben mir nicht, nach Brighton zu kommen, und noch weniger, Dich nach Jersey zu begleiten. Von den Generalen unter B brauche ich nach näherem Zusehn nichts mehr von Dir als Antwort auf meine Frage wegen Bernadotte und das Wesentliche über Blücher, Bugeaud, Bosquet (im Krimkrieg).. Für die andern Franzosen habe ich Hinreichendes. Endlich Sir G.Brown, von dem ich nichts weiß. Viel über den Mann nicht nötig. Ich habe Dana Deine Liste B und C geschickt. Salut. Dein K.M.
1 Postamt - 2 „Algerien" und „Munition" - 3 Geschichte der Kanone - 4 „Bennigsen", „Blum", „Bourrienne"
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Engels an Marx in London
Ryde, 21. Sept. 1857
Lieber Marx, Steffen und Pieper waren nebst einem Freunde von P[ieper] hier, und diese beiden letzteren sind erst soeben fort, so daß ich vor Postschluß kaum noch Zeit habe, den beiliegenden Artikel1 etwas durchzusehn und Dir wegen ,,Bernad[otte]" zu schreiben2. Austerlitz. Er wurde von Nap[oleon] nach Iglau geschickt, um von dort aus den Erzherzog Ferdinand in Böhmisn zu beobachten, erhielt rechtzeitig von Njapoleon] den Befehl, nach Brünn zu kommen, was er auch tat, mit seinem Korps zwischen Soult und Lannes (ins Zentrum) gestellt wurde und die Uberflügelung durch den rechten alliierten Flügel zurückwerfen half. Einer besonders wichtigen Aktion von B[ernadotte] bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich nicht, finde auch nichts im Jomini. Jena. Hier steht es fest, daß Bern[adotte] allerdings von Nap[oleon] den Befehl erhielt, von Naumburg nach Dornburg abzumarschieren, während Davout, der auch in Naumburg war, nach Apolda marschieren sollte. Im Befehl an Djavout] stand, daß, wenn Bernadette] schon mit ihm vereinigt, sie beide nach Apolda zusammen marschieren könnten. Djavout] wollte dies letztere, nachdem er selbst die Marschlinien der Preußen rekognosziert hatte und sich überzeugt, daß Bern[adotte] in der Richtung auf Dornburg keinen Feind treffen werde. Er bot sogar an, sich unterBern[adotte]s Kommando stellen zu wollen. Dieser aber steifte sich darauf, daß in dem ihm zugekommenen Befehl die Phrase wegen Apolda nicht vorkomme, und marschierte ab. Die Folge war, daß er den ganzen Tag des 14. herummarschierte, ohne Feind zu treffen, während Davout allein sich bei Auerstedt zu schlagen hatte; wäre B[ernadotte] dort gewesen oder nur am 14. auf den Kanonendonner losmarschiert, so konnte dieser au fond3 unentscheidende Sieg ebenso entscheidend werden wie der bei Jena. Das Zusammentreffen der Auerstedter preußischen Armee mit den Flüchtlingen
1 „Schlacht" - 2 siehe vorl. Band, S. 176 - 3 im Grunde
von Jena allein und die strategische Vorbereitung zur Schlacht durch Napol[eon] machten dann die Affaire in ihren Folgen doch entscheidend. Warum Bern[adotte] das getan, dahinter ist man nie gekommen. Jomini nennt es une exactitude trop scrupuleuse4. Wahrscheinlich freute es ihn, durch die buchstäbliche Ausführung den Nap[oleon] zu blamieren, da dieser hier allerdings auf falsche Voraussetzungen hin gehandelt. Eylau. Als Bennigsen] aufbrach, die Truppen Neys zu schlagen, die sich zu weit vorgewagt und links rückwärts von denen Bernadette] stand, legte Nap[oleon] ihm eine Falle; Ney zog sich südlich, Bernjadotte] südwestlich zurück und hatte Ordre, den Bennigsen nach der Weichsel hinzulocken, während Nap[oleon] aus Polen nördlich auf Bennigsens Kommunikationen marschierte. Ein Ordonnanzoffizier mit schriftlichen Ordres an Bernjadotte] wurde von den Kosaken gefangen, und Bennigsen erfuhr hierdurch die drohende Gefahr, an der er noch eben vorbeikam. Bernjadotte] dagegen blieb ohne Instruktion durch denselben Zufall und daher hinter der Linie. Ich sehe nicht, daß ihm hier etwas vorzuwerfen ist. Wagram. Am ersten Schlachttage „Eugene deboucha pres de Wagram; mais, donnant ici au miheu des reserves ennemies, et n'etant pas soutenu par Bernadotte qui ne s'etait engage ni assez tot ni assez franchement, il fut attaque de front et en fianc, et ramene vertement jusqu'ä ma garde"5.11901 Am 2ten Schlachttage finde ich über Bern[adotte] nichts Besondres. Jedenfalls war Monsieur Bernjadotte] kein sehr großer General, wirklich ausgezeichnet hat er sich nirgends, und auch als Politiker stak der gascon6 stark in ihm - die schöne Idee, Kaiser nach Napoleon werden zu wollen!11911 Über Bessieres kann ich gar nichts anders sagen, als daß er meist die Garde, besonders die Kavallerie, kommandierte, ein Posten, wobei Verstand ziemlich überflüssig war. Brav war er, voila tout7. Ich will B diese Woche womöglich fertigmachen, wenigstens bis sehr tief in den Buchstaben hinein, und Dir dann auch über Blücher das Nötige schreiben. Jetzt ist's Postschluß. Viele Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
4 eine zu gewissenhafte Genauigkeit - 5 „rückte Eugene (Beauharnais) bei Wagram vor; da er aber in die Mitte der feindlichen Reserven gestoßen und nicht von Bernadotte unterstützt worden war, der mit seinen Truppen nicht früh und nicht entschieden genug eingegriffen hatte, wurde er in Front und Flanke angegriffen und bis zu meiner Garde zurückgeworfen" - 6 Gascogner - 7 das ist alles
Wie ist's mit der Reise? Havelock scheint der beste Kerl in Indien zu sein, und es ist etwas Enormes, 126 Meilen in 8 Tagen zu marschieren in dem Klima und dabei 5-6 Gefechte zu bestehn. Daß das mit allgemeiner Cholera enden mußte, war vorauszusehn. Ich sehe hier die „Times" fast gar nicht, sonst könnte ich Dir über Indien ausführlicher schreiben, aber es ist zu arg hier mit der Schwierigkeit, Zeitungen zu lesen zu bekommen.
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Engels an Marx in London
Ryde, 22.Sept. 1857
Lieber Marx, Uber Bern[adotte] bei Wagram noch folgendes: Als am 5. Juli besonders durch sein laues Benehmen die Franzosen in ihrer Attacke aufgehalten, hatte B[ernadotte] im Zentrum das Dorf Adlerklaa besetzt, das etwas vor der französischen Linie vorstand, und morgens am 6., als die Ostreicher zum konzentrischen Angriff vorrückten, stand er in der offnen Ebene davor, statt Adlerklaa, stark besetzt, vor seiner Front zu haben. Als die Östreicher kamen, fand er diese Position zu gewagt (seine Truppen waren tags vorher durch sein laues Benehmen zuletzt in argen Verlust gekommen) und zog auf ein Plateau hinter Adlerklaa, aber ließ das Dorf unbesetzt, das Bellegardes Östreicher sofort stark besetzten. Hierdurch das französische Zentrum gefährdet, und Massena, der es kommandierte, schickte eine Division vor, die es wieder nahm, aber wieder von d'Aspres Grenadieren herausgeworfen wurde. Jetzt kam Napfoleon] selbst und übernahm die Leitung, formierte einen neuen Schlachtplan und vereitelte dadurch die Manöver der Östreicher. Die Schnitzer des Bernfadotte] hier sind ganz unbestreitbar, wenn Jominis Darstellung einigermaßen richtig ist.'1911 „Army" ist fertig, was das Historische angeht, bis auf die französische Revolution. Die neuere Periode und das allgemeine Organisatorische, womit ich schließe, mache ich jetzt gleich fertig und, sobald es geht, auch wieder etwas B, damit Du fortwährend Sendungen machen kannst, was die Laune des Herrn Dana schon wieder herumbringen wird. Inzwischen habe ich auch wieder etwas Geld bekommen und lege eine £-5-Note bei. Vielleicht machst Du es doch noch möglich, auf einen oder 2 Tage nach Brighton zu kommen, ich bleibe noch einige Tage hier und werde Dich wissen lassen, wann ich hinkomme. Bugeaud. Das meiste stand im Artikel „Algier" schon angedeutet. Er war ein mittelmäßiger General, dessen Siege in Algier und Marokko nicht viel zu bedeuten haben. Daß er Algerien mit 100000 Mann erobert, die Krieg
führung dort dem Lande und Feinde angepaßt und die Widerstandsfähigkeit der Araber (nicht der Kabylen) gebrochen oder vielmehr erdrückt, rechne ich ihm nicht hoch an, denn ich glaube nicht, daß er die Pläne gemacht. Er war etwas sabreur1 und bewies an der Tafna11921, daß er nicht nur bestechlich, sondern auch in schwierigen Lagen unentschlossen war. Mit 100 000 Mann und durch zehnjährigen Krieg gebildeten Unterführern wie Lamoriciere, Changarnier, Cavaignac, Negrier, Duvivier konnte er schon ohne viel Anlage etwas ausrichten, besonders da der französische Generalstab sehr gut ist; dazu beschränkte sich seine Tätigkeit meist nur auf Disponieren (wo man nicht weiß, was der Stab für ihn tat) und Führung der Reserve, da nur einzelne Divisionen und Brigaden auf einem Fleck agierten. Bosquet. An der Alma11931 führte er den Umgehungsangriff des französischen rechten Flügels auf den russischen linken Flügel mit von den Russen anerkannter Energie und Schnelligkeit aus und brachte sogar Artillerie durch für impraktikabel gehaltne weglose Schluchten aufs Plateau. Er würde hier großes Lob verdienen, wenn er nicht einen an Zahl weit schwächern Gegner vor sich gehabt hätte. - Bei Balaklawa'1941 war er sofort bei der Hand, den rechten englischen Flügel zu degagieren, so daß der Rest der englischen leichten Kavallerie sich unter dem Schutz seiner Truppen zurückziehn konnte und den Russen die Lust verging, weiter vorzugehn. Bei Inkerman1361 war er schon frühmorgens mit 3 Bataillonen, 2 Batterien bereit einzugreifen, aber abgelehnt, stellte dann 3 Brigaden als Reserve hinter dem englischen rechten Flügel (am Tschornaja-Abhang) auf und rückte mit 2 Brigaden davon um 11 Uhr in die Schlachtlinie, worauf die Russen den Rückzug antraten. Die Engländer hatten alle ihre Truppen engagiert, die Russen noch 16 Bataillone disponibel, und ohne Bosq[uet] waren die Engländer verloren. Die 16 intakten russischen Bataillone deckten den Rückzug, Verfolgung war hier nicht viel möglich, 3000 Schritte vom Schlachtfeld hört das Plateau auf. Bosq[uet] hat sich also bei jeder Gelegenheit prompt, wachsam, aktiv, kurz, als musterhafter Korpsführer gezeigt, wie er auch während der ganzen Zeit tat, daß er das Deckungskorps auf dem Tschornaja-Abhang führte. Ob er als General en chefa taugt, darüber kann man nicht viel sagen, manche Eigenschaften hat er, und wer, wie er, ein vortrefflicher Avantgarden-General ist, hat sich fast nur noch strategisch zu bewähren, dazu war im ganzen Sewastopol-Feldzug keine große Gelegenheit.'1951
1 Säbelraßler - 2 kommandierender General
Blücher. Während der Kampagne in der Pfalz, 1794, zeichnete er sich aus als Vorpostengeneral und Führer der leichten Kavallerie. Hierfür ist sein veröffentlichtes Tagebuch der beste Beweis, das noch als klassisches Werk gilt, trotz des schlechten Deutsch. Er hielt die Franzosen in beständigem Alarm und versah das Hauptquartier mit den besten Nachrichten über die Bewegung des Feindes, führte fortwährend Handstreiche und Überfälle aus und meist mit Erfolg. 1806 bei Auerstedt mißlang seine Kavalleriecharge, sein Rat, sie verstärkt mit ganzer Kraft zu wiederholen, wurde abgelehnt (dies aus dem Gedächtnis). Sein Rückzug nach Lübeck und seine Verteidigung bis zuletzt, eine der wenigen ehrenvollen Episoden in dieser Geschichte, obwohl seine strategischen Manöver während derselben oft husarenmäßig und seine schließliche Gefangennahme nicht seine Schuld, da er, wie die ganze preußische Armee, abgeschnitten war und er noch dazu den weitesten Umweg um die Arrieregarde3 zu machen hatte. Während der Zeit bis 1813 wurde er von Scharnhorst und dem Tugendbund1196 ] (Gneisenau war bekanntlich einer der Chefs und blieb daher dem König4 lebenslänglich suspekt5) als der einzig mögliche und für sie brauchbare Chef in der Art, wie Hecker von Blind und Konsorten, zum Helden gestempelt'1971, und sie hatten ihren Mann sehr gut gewählt. Er war, wie Müffling sagt, the model of a soldier6, hatte dabei alle populären Leidenschaften gegen Napoleon und die Franzosen im höchsten Grad, plebejische Gelüste, Dialekt, Redeweise und Manieren, enormes Talent, den gemeinen Mann für sich zu begeistern, und als Militär tollkühne Bravour, viel Scharfblick auf dem Terrain, Raschheit des Entschlusses und Verstand genug, in einfacheren Fällen selbst das Richtigste zu finden, in schwierigeren sich auf Gneis[enau] und Müffling zu verlassen. Strategie verstand er nicht die Spur. „It was no secret to Europe, that Prince Blücher who had now, 1815, passed his 70th year, understood nothing whätever of the conduct of a war; so little, indeed, that when a plan was laid before him for approval, even relating to some unimportant operation, he could not form any clear idea of it or judge whether it was good or bad."711981 Er konnte nämlich keine Karte verstehn und teilte diese strategische Unwissenheit mit beinahe der Hälfte von Napoljeons] Marschällen. Dafür hatte er Gneisenau, in den er das unbedingteste Vertrauen hatte. Die Kam
3 Nachhut - 4 Friedrich Wilhelm III. — s verdächtig - 6 das Muster eines Soldaten - 7 „Es war in ganz Europa kein Geheimnis geblieben, daß der alte Fürst Blücher, der 1815 die Siebziger überschritten hatte, von der Kriegsführung gar nichts verstand, ja so wenig, daß,
pagne von 1813 und 1814 nahm ohne Blücher ein ganz andres Ende, kein andrer damaliger General hätte das fertiggebracht, was er tat: aus den widerspenstigsten Elementen (Langeron und York in offner Rebellion gegen ihn) durch einen Sieg und eine tüchtige Verfolgung (Katzbach) eine kompakte Armee bilden, die zu allem kapabel war und mit der er riskieren konnte, auf eigne Verantwortung den militärisch höchst verwegnen, aber politisch wegen Bern[adotte] nötigen Marsch nach Wartenburg und der Saale zu machen, wodurch er alle seine Kommunikationen aufgab und auch die faule große Armee (die er in Schlesien nach der Schlacht von Dresden durch seine Verfolgung der Franzosen bis Bautzen rettete, so daß Nap[oleon] sich gegen ihn wenden mußte) zwang, die Schlacht von Leipzig zu riskieren. Damals ging's überhaupt etwas rebellisch her, und Blücher hatte mit % der Nordarmee (Bülow, Tauentzien, Wintzingerode) den Kontrakt geschlossen, wenn Bernadette] nicht marschiere, wollten sie sich an Bl[ücher] anschließen - auf eigne Verantwortung. Nach der Schlacht bei Leipzig war Bl[ücher] der einzige, der etwas für Verfolgung tat, obwohl auch dies noch nicht war, wie es sein sollte - er wurde gehemmt, weil die Fürsten dabei waren. 1814 sind die strategischen Schnitzer, die in der Gegend von Montmirail so schwer gezüchtigt wurden, auf Gneisfenaus ] und Müfflfings] Rechnung zu schreiben, der Entschluß, coüte que coüte8 auf Paris zu marschieren, wodurch die Kampagne entschieden, kommt Blücher zugut; 1815 ist der Marsch nach Waterloo'1"1, nach der Schlacht von Ligny, Bl[ücher] sehr hoch anzurechnen; er steht fast einzig da, und kein General als Blücher hätte seine Soldaten zu solchen Efforts9 gebracht - gleich darauf die Musterverfolgung nach Paris, die der von Jena bis Stettin als gleich klassisches Exempel zur Seite steht. Daß Blfücher] auch besseren Generalen imponieren konnte, beweist sein Verhältnis zu Langeron (der eine große Armee gegen die Türken kommandiert hatte und ein gebildeter französischer Emigrant war) und York, die sich nicht nur trotz aller anfänglichen Widerspenstigkeit bald unter ihn fügten, sondern sogar ganz auf seine Seite traten und seine besten Unterführer wurden. Au fond10 war Blfücher] Kavalleriegeneral, das war seine Spezialität, und da exzellierte er, weil das ein rein taktisches Fach ist, ohne strategische Kenntnisse vorauszusetzen. Er verlangte sehr viel von seinen Truppen, aber sie taten es und willig, und ich glaube nicht, daß ein andrer General des 19. Jahrhunderts außer Napoleon
wenn ihm ein Plan zur Genehmigung vorgelegt wurde, selbst wenn er eine unbedeutende Operation betraf, er sich kein klares Bild davon machen und kein Urteil darüber fällen konnte, ob er gut oder schlecht war." - 8 um jeden Preis -9 Anstrengungen -10 Im Grunde
und neuerdings Radetzky imstande war, ihnen so viel zuzumuten als Bl[ücher]. Anzuerkennen auch, daß er nie und nirgends den Kopf und die Courage verlor und ebenso zäh in der Selbstverteidigung wie energisch im Angriff und in schwierigen Lagen rasch entschlossen war. Enfin11, er war im 1813/15 Krieg, der ein halber Insurrektionskrieg war, ganz am Platz und wurde gut ergänzt durch seinen Stab; und in dieser Position war er ein sehr gefährlicher Gegner.'2001 Dein F.E. Note 0/H 06012, Manchester, 15. Jan. 1857.
11 Kurz
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Marx an Engels in Ryde
[London]. 23. Sept. [1857]
Lieber Engels, Meinen besten Dank für den Brief und die Einlage. Ich wünschte natürlich sehr, Dich noch vor Deiner Abreise zu sehn. Wenn es irgendwie geht, komme ich nach Brighton. Der Witz ist der, daß am Ende des Quartals alle die durch den ganzen Sommer hingehaltnen difficulties1 sich akkumulieren. Die Hauptsache und das einzige, das mich herausreißen kann, ist rasches Voranmachen mit der „Cyclopädie". Wenn der Herbst kömmt, wird es auch nötig, manches aus den Pfandhäusern zurückzuziehn. Ich denke mit den Biographien (sämtlichen) fertig zu sein für nächste Woche.12011 (Ist irgend etwas über den Esel Sir G.Brown zu sagen?) In der „Tribüne" habe ich eine series2 begonnen über die finanziellen Taten und Erlebnisse des regime Bonapartiste12021, womit ich die Zwischentage ausfülle, an denen keine indische Nachricht da ist. Wegen Indien möchte ich Dich auch gern persönlich sprechen, map in hand3. Bisher habe ich instinktiv immer das Richtige getroffen. Indes wird es jetzt bald Zeit, daß ich etwas Militärisch-/!Ugemeines über die Scheiße zusammenfassend sage. Vor ein paar Tagen fiel ich, bei der Hinfahrt zum Museum, so hübsch auf den Vorderkopf, daß meine Stirn noch schimpfiert. Ich hoffe, daß Du Eisen nimmst. Ich sprach vor ein paar Tagen den Dr. Lichtenberg im deutschen Spital, ein sehr gescheites Kerlchen. Er erklärte es als Nachkur für unumgänglich. Dein K.M.
1 Schwierigkeiten - 2 Artikelreihe - 3 mit der Karte in der Hand
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Engels an Marx in London
Ryde, 24. Sept. 1857
Lieber Marx, Das da oben ist das Schloß[2031, wo Cromwell den Karl I. eine Zeitlang einspundete. Ich werd's am Sonntag näher inspizieren. Dein Wunsch wegen Indien kreuzte sich mit der mir aufgestiegenen Idee, daß Du vielleicht gern mal meine Ansicht über den Kram hörtest. Ich fand gleichzeitig Gelegenheit, den Hauptinhalt der letzten Mail1 mit der Karte in der Hand durchzunehmen und voici ce qui en resulte2. Die Position der Engländer im Bezirk des mittleren und oberen Ganges ist so disparat, daß militärisch das einzig Richtige wäre, die Kolonne Havelock und die von Delhi, nachdem jede soviel wie möglich die detachierten und blockierten Garnisonen der Gegend abgeholt hat, womöglich in Agra zu vereinigen; außer Agra nur die benachbarten Posten südlich vom Ganges, bes. Gwalior besetzt zu halten (wegen der zentral-indischen Fürsten) und die abwärts am Ganges gelegnen Posten Allahabad, Benares, Dinapur durch ihre bisherigen Garnisonen und Nachzüge von Kalkutta halten zu lassen; inzwischen Weiber und Non-kombattanten3 den Fluß hinab zu eskortieren, damit die Truppen wieder mobil werden; und durch mobile Kolonnen die Umgegend im Respekt zu halten und Vorräte einzutreiben. Ist Agra nicht zu halten, zurück nach Khanpur resp. Allahabad, dieser letzte Punkt ist bis aufs äußerste zu halten, er ist der Schlüssel zum Land zwischen Ganges und Dschamna. Ist Agra zu halten und bleibt die Bombay-Armee disponibel, so müßten die Armeen von Bombay und Madras die eigentliche Halbinsel bis zur Breite von Ahmadabad und Kalkutta besetzt halten und Kolonnen zur Herstellung der Verbindung nach Norden ausschicken, die Bombay-Armee über Indor und Gwalior nach Agra, die Madras-Armee über Saugor und Gwalior nach Agra, und über Dschabalpur nach Allahabad. Vom Pandschab, falls sich dies hält, und von Kalkutta über Dinapur und Allahabad gehn dann die andren Kommunikationslinien auf Agra, so daß 4 Kommunikationslinien und, -mit Ausschluß des Pandschab, 3 Rückzugslinien, auf
1 Post - 2 hier ist das Resultat - 3 Kampfunfähige
Kalkutta, Bombay, Madras, hergestellt wären. Die Konzentration von Truppen auf Agra von Süden her würde also gleichzeitig dazu dienen, die zentral-indischen Fürsten zu beherrschen und die insurgierten Distrikte auf der Marschlinie zu unterwerfen. Ist Agra nicht zu halten, so muß erst die Madras-Armee die auf Allahabad laufende Verbindung herstellen und dann mit den Truppen von Allahabad auf Agra rücken, während die von Bombay auf Gwalior rückt. Die Madras-Armee scheint ausschließlich aus dem Lumpentum rekrutiert und soweit sicher. In Bombay haben sie 150 und mehr Hindustanis per Bataillon, und die sind gefährlich, um den Rest aufzuwiegeln. Steht die Bombay-Armee auf, so hört alle militärische Kalkulation vorderhand auf; dann ist nichts mehr sicher als ein kolossales massacre4 von Kaschmir bis Kap Komorin. Ist der Zustand in Bombay so, daß die Armee auch fernerhin nicht gegen die Insurgenten gebraucht werden kann, so müssen wenigstens die Madraskolonnen, die jetzt schon bis über Nagpur hinaus vorgedrungen sind, verstärkt und die Verbindung auf Allahabad oder Benares so rasch wie möglich hergestellt werden. Die Absurdität der jetzigen, durch totale Abwesenheit aller wirklichen Oberleitung herbeigeführten Position der Engländer beweist sich hauptsächlich in 2 sich ergänzenden Stücken: 1. daß sie sich zersplittert in einer Masse kleiner, weit auseinanderliegender Posten blockieren lassen, während sie 2. ihre einzige mobile Kolonne vor Delhi festlegen, wo sie nicht nur nichts ausrichten kann, sondern sogar kaputtgeht. Den Marsch auf Delhi zu befehlen, ist kassationswürdig und pendable5 von einem englischen General, der wissen mußte, was wir erst neuerdings erfahren, daß die Engländer selbst die alten Befestigungen so weit verstärkt, daß der Ort nur durch regelmäßige Belagerung genommen werden kann, zu der mindestens 15-20000 Mann erforderlich sind, und weit mehr, wenn der Platz gut verteidigt wird. Jetzt, wo sie da sind, müssen sie aus politischen Gründen dort aushalten, der Abzug wäre eine Niederlage und wird doch schwer zu vermeiden sein.'3041 Die Truppen Havelocks haben Enormes geleistet. 126 Meilen in 8 Tagen, nebst 6-8 Gefechten, in dem Klima und der Saison ist über die Möglichkeit. Sie sind aber auch ruiniert, er wird wohl auch sich blockieren lassen müssen, nachdem er sich durch Exkursionen von kürzerem Radius um Khanpur noch mehr erschöpft, oder er muß nach Allahabad zurück. Die eigentliche Linie der Wiedereroberung liegt das Gangestal hinauf; das eigentliche Bengalen wird leichter zu halten sein, die Race ist so heruntergekommen, bei Dinapur fängt die eigentlich gefährliche Gegend an.
4 Gemetzel - 5 des Hängens würdig
Die Positionen Dinapur, Benares, Mirsapur und besonders Allahabad sind daher höchst wichtig; von Allahabad wäre zuerst das Doab (zwischen Ganges und Dschamna) und die Städte an beiden Flüssen zu erobern, dann Audh, dann der Rest. Die Linien von Madras und Bombay nach Agra und Allahabad können nur sekundäre Operationslinien sein. Hauptsache ist, wie immer, Konzentration. Die den Ganges hinaufgegangnen Verstärkungen sind total versplittert, bis Allahabad ist noch kein Mann gekommen. Vielleicht unvermeidlich, um diese Posten zu sichern, vielleicht auch nicht.12051 Jedenfalls ist die Zahl der zu haltenden Posten aufs Minimum zu reduzieren, die Kräfte fürs Feld zu konzentrieren. Wenn C.Campbell, von dem wir bis jetzt bloß wissen, daß er brav ist, sich als General auszeichnen will, so muß er eine mobile Armee schaffen coüte que coüte6, Delhi fallengelassen oder nicht. Und keine Lage ist so verzweifelt, wo summa summarum 25-30 000 europäische Soldaten sind, daß nicht 5000 wenigstens für eine Kampagne zusammengebracht werden könnten, die ihre Verluste durch die abgeholten Garnisonen der Posten wieder ersetzen. Dann erst kann Campbell sehn, wie er steht und welchen Feind er eigentlich vor sich hat. The odds are, however7, daß er ira se blottir devant Delhi like a fool8 und seine Leute at the rate of 100 a day9 kaputtgehn sehn wird, wo es dann wieder um so „tapfrer" wird, erst recht dazubleiben, bis sie glücklich alle zum Teufel sind. Die tapfre Dummheit ist nach wie vor an der Tagesordnung.12001 Konzentration der Kräfte fürs Feld im Norden, kräftige Unterstützung von Madras und womöglich von Bombay, das ist alles. Wenn auch die Mahrattenfürsten an der Nerbudda abfallen, so macht das nicht viel, außer als Exempel, ihre Truppen sind schon bei den Insurgenten. Das Höchste allerdings, was erreicht werden kann, ist Hinhalten, bis Ende Oktober die ersten Verstärkungen von Europa kommen. Wenn aber noch ein paar Bombay-Regimenter rebellieren, dann hört Taktik und Strategie auf; dort steht die Entscheidung.'2071 Ich gehe spätestens Dienstag nach Brighton und Mittwoch abend 10 Uhr von dort nach Jersey, schreibe Dir aber noch näher und hoffe, Du kommst. Morgen geht's an „Battery" etc.'2081 Heut bin ich um die Insel gefahren, und da ich gestern einmal wieder tüchtig geschanzt bis 3 Uhr, so will ich mich heute ausschlafen. . Dem F. E.
6 um jeden Preis - 7 Es ist indes wahrscheinlich -8 sich wie ein Dummkopf vor Delhi sammeln wird -9 täglich 100 an der Zahl
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Marx an Engels in Ryde
[London] 25.Sept. 57
Lieber Engels, Meinen Brief von vorgestern mit der Anzeige der 5 £ wirst Du heute wohl erhalten haben. Ich begreife die Verzögrung nicht, da ich den Brief selbst rechtzeitig auf die Post legte. Deine „Army" ist sehr schön; nur wirkt die Masse auf mich wie ein Schlag auf den Kopf, da dies viele Arbeiten Dir schädlich sein muß. Namentlich wenn ich gewußt hätte, daß Du bis in die Nacht arbeiten würdest, würde ich lieber die ganze Sache haben zum Teufel gehn lassen. Die Geschichte der army hebt anschaulicher als irgend etwas die Richtigkeit unsrer Anschauung von dem Zusammenhang der Produktivkräfte und der sozialen Verhältnisse hervor. Überhaupt ist die army wichtig für die ökonomische Entwicklung. Z.B. Salär zuerst völlig in der Armee entwickelt bei den Alten. Ebenso bei den Römern das peculium castrense12091 erste Rechtsform, worin das bewegliche Eigentum der Nichtfamilienväter anerkannt. Ebenso das Zunftwesen bei der Korporation der fabri12101. Ebenso hier erste Anwendung der Maschinerie im großen. Selbst der besondre Wert der Metalle und ihr use1 als Geld scheint ursprünglich - sobald Grimms Steinalter vorbei war - auf ihrer kriegerischen Bedeutung zu beruhn. Auch die Teilung der Arbeit innerhalb einer Branche zuerst in den Armeen ausgeführt. Die ganze Geschichte der bürgerlichen Gesellschaften ferner sehr schlagend darin resümiert. Wenn Du einmal Zeit hast, mußt Du einmal die Sache von diesem Standpunkt ausarbeiten. Die einzigen Punkte in Deiner Darstellung, die nach meiner Ansicht übergangen, sind: 1. das erste fertige Auftreten des Söldnerwesens im großen and at once2 bei den Karthaginiensern; (ich werde zu unsrem private uses eine mir erst später bekannt gewordne Schrift eines Berliners über die Karthaginienser Heere12111 nachsehn); 2. die Entwicklung des Heerwesens in Italien im 15ten und Anfang des 16ten Jahrhunderts. Jeden
1 Gebrauch - 2 und auf einmal - 3 privaten Gebrauch
falls taktische Pfiffe hier ausgebildet. Zugleich höchst humoristisch Machiavellis Beschreibung (die ich Dir ausziehn werde) in seiner „Geschichte von Florenz", der Art, wie die condottierit212] sich schlugen. (Doch wenn ich zu Dir nach Brighton komme (wann?[213'), bringe ich Dir lieber den Band M[achiavelli] mit. Die „Geschichte von Florenz" ist Meisterwerk.) Endlich 3. das asiatische Kriegswesen, wie es zuerst bei den Persern erscheint, aber dann doch sehr verschieden modifiziert bei Mongolen und Türken u.a. auftritt. Bei meinen Biographien etc. war ich natürlich gezwungen, allerlei Cyclopädies, u. a. auch die deutschen, nachzusehn. Bei der Gelegenheit fand ich denn, daß unter den Rubriken „Arbeit", „Klassen", „Produktion" etc. wir redlich abgeschrieben werden, aber dumm. Dagegen vermeiden alle, uns zu erwähnen, selbst wenn sie Herrn Edgar Bauer und ähnlichen Größen Spalten widmen. Tant mieux pour nous.4 Die Biographien in den deutschen Cyclopädies für Kinder unter 8 Jahren geschrieben. Die französischen parteiisch, aber wenigstens weltmännisch. Die englischen Cyclopädies schreiben redlich die französischen und deutschen aus. In den deutschen selbst scheinen dieselben Kerls bei den verschiedensten Buchhändlern dieselbe Seiche abzulagern. Ersch und Gruber[17ßI nur gut in den spätem Bänden, wo viele gelehrte Arbeiten. Salut. Dein K.M. Die „Realencyclopädie des Alterthums" von Pauly ist solid.
4 Um so besser für uns.
13 Marx/Engels, Werke, Bd. 29
88 Engels an Marx in London
3, Edward Place, St.Helier, Jersey 6.0ktbr. 1857
Lieber Marx, L'affaire1 Harney hat dadurch ihre Lösung erhalten, daß der Edle2 gestern abend zu Schramm kam, wo ich war. Er hat sich durch einen großen pechschwarzen Bart ein sonderbares Ansehn gegeben, ähnlich in etwa dem schmierigen Juden, der mit uns im Boot vom Steamer3 ans Land fuhr; certainly ein improvement4. Er sah seine Jersey politics12141 von der heitern Seite an, er habe a great deal of fun5 davon etc.; die ernstere Auffassung, die er sicher hat, wird sich wohl erst später herausstellen. Nachher kneipte ich noch etwas mit ihm und ließ mir von der hiesigen Verfassung pp. erzählen, von vergangenen Tagen war nicht die Rede. Er scheint vorderhand dam'd glad6 zu sein, daß er sich von der großen Politik in sein kleines royaume des aveugles7 zurückgezogen hat. Als borgne8 ist er hier König der Opposition, zu seiner Rechten the first grocer9 und zu seiner Linken the first tallow-chandler in the town10. Die Schlachten werden auf dem Royal Square ausgefochten, wo der grocer den redacteur en chef11 des „Impartial" de Jersey, einen bonapartistischen Spion namens Lemoine, down geknockt12 hat, weswegen ein Prozeß seit einem Jahre spielt und nächsten Montag entschieden wird. Seit der Geldkrisis in Paris und während der Dauer derselben ist der „Impartial" suspendiert. Für Harney teilt sich die ganze Geschichte von Jersey in 2 Perioden: vor und nach der Hedschra'2151, der Expulsion der Crapauds1841. Sie zeichnen sich beide dadurch aus, daß nichts in ihnen vorgefallen ist. Schr[amm] beschäftigt sich viel mit Plänen wegen einer neuen Wohnung, wird aber schließlich wohl bleiben, wo er ist. Ich hab* ihm zugesetzt wegen eines südlicheren Aufenthalts, aber er ist, wie die meisten Leute in seinem Zustand, gern andrer Meinung, und dann sagt er, es sei eine Geldfrage und seine Verwandten täten jetzt schon, was sie könnten. Nach
1 Die Sache - 2 Julian Harney - 3 Dampfer - 4 gewiß ein Fortschritt -6 sehr viel Spaß - 6 verdammt froh - 7 Königreich der Blinden - 8 Einäugiger - 9 der erste Krämer -10 der erste Lichtzieher der Stadt - 11 Hauptredakteur - 12 niedergeschlagen
Harneys Beschreibung ist es bei Ostwind im Winter doch oft redlich kalt hier, und Schr[amm] wohnt an der den Nordwestwinden am meisten exponierten Seite der Stadt. Wenn er, wie er sagt, schon seit 3 Jahren so weit ist wie jetzt, daß er nicht gehen kann, so kann die Krankheit freilich noch etwas sich hinziehen; daß übrigens hier auch Leute die Schwindsucht bekommen und daran sterben können, beweist ein Kasus hier im Hause, die Tochter meiner dicken Wirtin ist daran gestorben. Ich mag ihm gar nicht mehr von Verziehen nach Süden sprechen, es macht ihn krittlich, und er ist doch, wie natürlich, sehr reizbar. Zum Arbeiten bin ich, wie die Sachen stehn, noch nicht gekommen, habe auch eine Masse Briefe zu schreiben, morgen geht's aber los. Gestern bin ich nach der Nordküste marschiert - 5 bis 6 Meilen von hier, sehr gute Wege, stellenweise hübsche Alleen, prächtige Brombeeren en masse und ein paar sehr schöne kleine Buchten an der Küste. Die Insel ist ein Plateau, sowie man auf der Höhe ist, steigt es sehr allmählich bis fast dicht an die Nordküste, und die Bachtäler sind nur flach eingeschnitten. Man sieht an der Nordseite einen sehr langen Strich Frankreich (Westküste des Departement de la Manche) und die Insel Sercq. Guernsey konnte ich nicht sehn. Schramms Bruder13 zeigt ihm an, daß ein Freund von ihm, ein (wahrscheinlich preußischer) Jurist namens Berger14, ca. 50 Jahre alt, in einigen Tagen hier ankommen und den Winter über hierbleiben werde. Kennst Du das Individuum? Der Kerl muß doch in London wohnen, und es ist immer gut, über Leute von der Bekanntschaft des Herrn Rudolf Schramm etwas unterrichtet zu sein. Ich glaube mich dunkel zu erinnern, daß uns einmal so ein Kerl in London zwischen die Beine gelaufen ist. Steffens kleinem Krieg für das Bergische und Märkische bin ich auch auf die Spur gekommen: Holleben, „Militärische Betrachtungen aus den Erfahrungen eines preußischen Offiziers". Dies Buch ist seine Hauptautorität und meint, das Hecken- und Gräbenterrain eines Teils der Mark und des Cleveschen erinnere an die Vendee und sei zu einem Volkskrieg wie geschaffen. Leider nicht die Leute, die drin wohnen - es ist der ebne, ackerbauende Teil der Mark. Das Buch ist sonst gut, aber ganz geeignet, St[effen] in seiner Vorliebe für Tirailleurgefecht und kleinen Krieg zu bestärken, es übertreibt nach dieser Seite hin. Die Liste für C hierbei, mit Randglossen. Beste Grüße an Deine Frau und Deine Kinder. Dein F.E.
13 Rudolf Schramm -14 gemeint ist Hermann Buck
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Engels an Marx in London
[St.Helier] 3, Edward Place, Jersey 19.0ktbr. 1857
Lieber Marx, Hierbei die balance1 der alten Unterlassungssünden, sowie die Originalnotizen über Armada12161, ich konnte einige Namen nicht genau lesen, die Du suchen mußt auszufüllen. Ich gehe jetzt an die history of cannon2. Schramm scheint mir etwas schlimmer zu werden, doch wechselt sein Zustand von Tage zu Tage. Er hat jetzt den ihm von seinem Bruder3 zugeschickten Philister Berger4 da, der in demselben Hause eine Wohnung genommen hat und dem er englischen Unterricht gibt, ein alter preußischer Schweinigel, der Zoten ohne Witz von all dem Berliner Hofpack erzählt, que le diable l'emporte. Friend5 Harney hab' ich seit 8 Tagen nicht gesehen, er ist schrecklich dumm und fühlt sich höchst comfortable6 in seiner Spießbürgerrolle12141 hier, obwohl er offenbar selbst bei seinem Paper7 unter der Zensur des Besitzers steht. Er erwartet natürlich, daß früher oder später die englischen Arbeiter einmal irgend etwas machen, aber das werde durchaus nichts Chartistisches sein, und überhaupt ist das bloß theoretische Phrase bei ihm, und es wäre ihm sicher sehr unangenehm, aus seiner kleinen spießbürgerlichen Agitation hier aufgestört zu werden. He is very busy, but busy doing nothing.8 Sein Freund, der Grocer9, der den französischen Spion10 geprügelt hatte, ist zu £ 5 verurteilt worden. Ich werde neben der history of cannon noch einige der kleineren Sachen abmachen und Dir von Zeit zu Zeit zuschicken, damit Dana sieht, daß die Sache im Gange bleibt. Schick mir aber auch die paar Notizen, wegen deren ich Dir schrieb, und die Liste der militärischen Artikel für D. Du hast doch den Brief erhalten mit der Kopie der Liste für C und den später gesandten Artikel „Military Bridges"11?
1 Ausgleichung - 2 Geschichte der Kanone - 3 Rudolf Schramm - 4 gemeint ist Hermann Buck - 5 der Teufel soll ihn holen. Freund - 6 behaglich - 7 Blatt („Jersey Independent") 8 Er ist sehr geschäftig, aber geschäftig im Nichtstun. Krämer -10 Lemoine -11 „Brücke"
Ich habe stark vor, in 14 Tagen wieder nach Manchester zu gehn. Die Geschäftsverhältnisse dort haben eine sehr eklige Wendung genommen, und es ist von Wichtigkeit, daß ich dort bin. Dabei geht die Gesundheit gut, gestern war ich 7 Stunden zu Pferd, auch hab' ich der Tugend den Abschied gegeben. Dein F.E.
90
Marx an Engels in St.Helier auf Jersey
[London] 20. Oktober 57
Dear Frederick, Du mußt mein längeres Stillschweigen entschuldigen. Erstens hatten wir 8 Tage Besuch, nämlich Imandt junior (13 Jahre alt) von Trier auf der Expedition zu seinem Onkel, und ich mußte den Burschen herumführen. Zweitens viel Arbeit. D'abord1 nun über Deinen Plan, nach Manchester zurückzukehren. Du mußt wissen, ob Deine Gegenwart nötig. Zuträglich ist es Dir sicher nicht, da das Wetter hier abominable2. Allen meint, Du seist Dir selbst schuldig, Dich viel länger in einem Klima, , besser wie das Manchester one3, zu er-holen, da jeder Rückfall lebensgefährlich wäre. Doch muß vorausgesetzt werden, daß Du Deinen Doktor konsultierst, eh' Du einen Entschluß fassest. Die amerikanische Krise - von uns in der Novemberrevue 1850tal?1 als in New York ausbrechend vorhergesagt - ist beautiful4. Der Rückschlag auf die französische Industrie war immediate5, da die Seidenwaren jetzt wohlfeiler in New York verklopft als in Lyon produziert werden. Der Jammer der englischen moneyarticle-writers6, daß ihr englischer trade sound7, aber ihre Kunden im Ausland unhealthy8 seien, ist originell und munter. Wie steht's mit den Manchester Fabrikanten? Die Glasgower haben, wie sich jetzt herausstellt, viel auf Konsignation verschickt. Was denkst Du von den Engländern in Indien? Die Kerls haben ihr gewöhnliches Schwein im Pech. Ich habe jetzt eine ganz detaillierte Liste ihrer Truppenversendungen seit 18. Juni nebst dem Datum, wann sie nach der Regierungsberechnung anlangen sollen, und dem locus9, wo. Folgendes ist ein Resume:
1 Zunächst - 2 abscheulich - 3 Klima - 4 herrlich - 5 unmittelbar - 6 Börsenkorrespondenten 7 Handel gesund - 8 ungesund -9 Ort
Day of Arrival10
Total kuttä Ceylon Bombay tohT Madras
September 20 214 214
October 2 300 300 15 1906 124 1782 17 288 288 20 4235 3845 390 30 2028 479 1549 October 8737 5036 3721
November 1 3495 1234 1629 632 5 879 879 10 2700 904 340 400 1056 12 1633 1633 15 2610 2132 478 19 234 234 20 1216 278 938 24 406 406 25 1276 1276 30 666 462 204 November 15115 ' 6782 3593 1542 1922 1276
December 1 354 354 5 459 201 258 10 1758 607 1151 14 1057 1057 15 948 647 301 20 693 185 300 208 25 624 624 December 5893 185 607 2559 2284 258
Januar 1 340 340 5 220 220 15 140 140 20 220 220 Januar 920 340 580
Sept.-Jan. 30899 12217 7921 4431 4206 2114
Troops despatched by Overlandmail11 October 2 235 Engeneers12 117 118 12 221 Artilleristen 14 244 Engeneers 122 122 October 700 460 240
Von den 30 899 Mann sind: Infanterie: 24739 Artillery: 2334 Cavalry: 3826
Von der Artillery kömmt im Monat October nur 100 Mann an in Kalkutta. Ihre eigentlichen arrivals13 beginnen von November 15. Die erste Kavallerie kömmt an 10. November.12183
10 Tag der Ankunft -11 Auf dem Landwege entsandte Truppen -12 Pioniere -13 Ankünfte
Da ich einmal bei Zahlen bin, so hier auch noch einige Details über Bonapartes Wirtschaft. Die funded debtli authentisch. Die floated15 für 1856 und 1857 nach average16 Anschlag; die andern Jahre „Moniteur". (Die Franzosen behaupten, daß diese floated debt 2000 Mill., v/as ziemlich herauskommt.) Funded Debt Louis-Philippe (18 Jahre) Bonaparte (6 Jahre 1852-57) Jahre Mill. fcs. Jahre Mill. fcs. 183 1 1621/, Decree of17 April 1852 ... 100 1832 150 March 1853... 250 1841 1871/2 December 1854 ... 500 1844 325 July 1855... 750 1847 87V2 August 1855 (Filiated vom T I qi 91/ excess der subscription18) 311/4 lotal yi//2 1857 (Bank of France Average20 für 18 Jahre: 50 Coin19) 100 Total 1 731 250 000 Average für 6 Jahre: Near21 300
Floating Debt22 Mill. fcs. Bonaparte Addition Louis-Phil[ippe] about23 1000 Mill. fcs. Republik Ende 1851 1852. 50 nur noch 700 53 262x/4 54 2053/4 55 152V4
57::::::::::::::::::I3351/S Total 1005 und fraction24 Addition von Zeit der Republik... 700 1705 Mill.
14 gedeckte Schuld -15 schwebende - 16 durchschnittlichem -17 Dekret vom -18 Zugeschrieben vom Uberschreiten der Subskription (Zeichnung einer Summe) - 19 Münze der Bank von Frankreich - 20 Durchschnitt - 21 Fast - 22 Schwebende Schuld - 23 ungefähr - 24 Bruch
Dazu noch alle municipal und departemental Kassen20, aber auch vollständig verschuldet, par ordre de Muphti26. Wenn überlegt wird, daß bei dem Antritt des Kerls die funded debt about 4000 Mill. fcs. - also von dem Tiers consolide12191 der ersten Republik an, und daß er about 2700 Mill. funded und floating debt in 6 Jahren hinzugefügt, so kann nicht bestritten werden, daß sein Londoner Aufenthalt fruchtbringend war. Dabei sind in seiner Berechnung der dette fiottante27 so kuriose Sprünge gemacht mit dem Sinzing Fund.w etc., daß das auditing29 höchst zweideutig. Aber einen gewissen Spielerhumor besitzt der Kerl. Für das Jahr 1852 rechnet er - als Istes Jahr des imperialistischen Millenniums — gar kein Defizit an und keine floating debt. Schob nämlich dem Jahr 1851 50 Mill. fcs. in dem Account30 zu (nach der lächerlichen französischen Methode das Budget von 1851 fixed31 im August 1850, aber erst closed32 im Jahre 1854) und legte andern Teil dem Jahr 1853 zur Last. Nachdem er im Gegensatz zu Louis-Phil[ippe] sein regime mit No Deficit33 angekündigt, genierte er sich nicht im geringsten, 1853 gleich die größte floating debt zu präsentieren, die seit 1800 in Frankreich erhört war. Als Passy ihm als Finanzminister 1849 vorschlug, die floating debt zu limitieren und fundieren, entließ er ihn sofort und engagierte Achille Fould. Sein Finanzsystem, genau betrachtet, ist das von Louis-Philippe, nur sans gene34 und mit obligaten sleights of hand35 und 2iir Spitze getrieben. Wegen der „Cyclopädie" schicke ich Dir das Nötige, sobald ich die erste freie Zeit. Dein K.M.
Merci für den übersandten Artikel36. Der eine Mann, den Du nicht herausbuchstabieren konntest, war Lord Burleigh. Beste Grüße an Schramm.
26 Gemeinde- und Departementskassen - 26 auf Befehl des Mufti (gemeint ist Napoleon III.) - 27 schwebenden Schuld - 28 Tilgungsfond - 29 Bilanzieren - 30 Bericht - 31 aufgestellt - 32 abgeschlossen - 33 Kein Defizit - 34 ohne Umstände - 35 Taschenspielereien 36 „Armada"
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Engels an Marx in London
[St. Helier] 3, Edward Place, Jersey 29. Okt. 1857
Lieber Marx, Heute über 8 Tage geh' ich nach Manchester zurück, welchen Weg ich nehme, weiß ich noch nicht. Heckscher, den ich auf Grund Deines Briefs noch nachträglich (vorher hatte ich ihn natürlich schon angefragt wegen der Rückreise) wegen der Lebensgefährlichkeit der Rückfälle examinierte, schreibt so, daß ich schließen muß, daß er die Lebensgefährlichkeit auf den alleinigen Fall reduziert, wenn die Lunge angegriffen werde, und daß das bei mir nicht der Fall sein werde, dafür will er einstehn. Er meint, jedenfalls nütze mir Jersey jetzt nicht viel mehr, und entweder sei die Geschichte vorüber oder ich müsse viel südlicher gehn; jedenfalls solle ich nach Manchester, wenn auch bloß versuchsweise; fort könne ich immer wieder. Jetzt warte ich bloß noch auf Geld, und dann geht's fort. Bis dahin wird History of cannon1 fertig, und die andren Sachen mach* ich lieber in Manchester, wo ich meine Bücher habe - einiges Kleine vielleicht ausgenommen. Die Liste für D hätte ich gern bald; sonst kommt uns Mr. Dana wieder zuvor. Was schreibt der Edle sonst, hast Du nichts von ihm gehört? Das Eisen hat so fürchterlich auf mein Blut gewirkt, daß ich einen ganz wilden Puls bekommen habe und mir fortwährend das Blut zu Kopf steigt; ich bin wie besoffen davon und ganz unklar im Kopf; auch kann ich vor lauter Aufregung des Nachts nicht schlafen. Ich hab's also wieder suspendieren müssen. Wenn ich's in Manchester wieder anfange, werd' ich die Dosen sehr beschränken müssen. Schramm wird von der voranschreitenden Jahrszeit doch sehr mitgenommen. Er kann jetzt natürlich nur sehr wenig ausgehn und kommt höchst selten und nur mit Mühe zur Stadt. Der alte Philister2, den ihm sein Bruder3 zugeschickt hat, ist ein großer Schweinigler, der eine Masse
1 Geschichte der Kanone - a Hermann Buck - 3 Rudolf Schramm
Berliner Klatsch weiß, sonst aber langweilig und dumm. Er kann aber den Herrn .Bruder im Interesse von Konrad treten, und das hat er mir auch versprochen. Schramm hat sich eine Türe in die Wand zwischen seinem Schlafzimmer und Wohnzimmer brechen lassen, so daß er ersteres etwas mitheizt und nicht im Winter heraus auf die Diele muß. Das hat denn auch dem Wohnungen-Suchen ein Ende gemacht. Der arme Teufel wird schwerlich übers Frühjahr kommen. Harney ist immer dummer geworden. Die Feudalgeschichten12201 hier sind wirklich derart, daß er a deal of political capital4 draus machen könnte, aber er versteht sie gar nicht einmal und verdirbt dem kleinen Advokaten, der ihm das Material und sogar die fertigen Artikel gibt, noch obendrein die besten Pointen. Es ist übrigens sehr viel Humor in dieser postumen Feudalwirtschaft hier, und der ganze Dreck ist unendlich lächerlich. Ein moderner Advokat6 als Seigneur, und die shopkeeper6 von Saint-Helier als Vasallen, die Maskerade ist ganz spaßhaft. Die Kerls halten jetzt feudale Gerichtshöfe ab, der prevöt du7 Seigneur ist ein carver und gilder8, der kein Wort französisch kann, und obwohl zweite Hauptperson, gar nicht versteht, was vorgeht. Der Seigneur droht seinen ungehorsamen Vasallen, deren ca. 60-70 Prozent der ganzen Zahl sind, die Häuser konfiszieren zu wollen, und die Vasallen - drapers und tallow-chandlers9 - drohen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Voila10 der gegenwärtige Stand. Wenn Du mir Montag, aber in time for the mail11 schreibst, so trifft mich Dein Brief noch hier; ob ich am Donnerstag noch hier bin, weiß ich nicht genau. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
Die Sepoys11711 müssen die enceinte12 von Delhi schlecht verteidigt haben, der Hauptwitz war Häuserkampf, wobei die native troops13 wahrscheinlich vorgeschickt wurden. Die eigentliche Belagerung hat also vom 5.-I4. gedauert; was folgte, war keine Belagerung mehr. Diese Zeit war hinreichend auf 300- 400 yards, wo sie schon am 5. oder 6. waren, mit den schweren Schiffskanonen in das ungedeckte Mauerwerk Breschen zu legen. Die Geschütze auf der Mauer scheinen nicht besonders bedient gewesen zu sein, sonst hätten die Engländer sich nicht so rasch nähern können. 4 eine Menge politischen Kapitals - 6 Fransois Godfrey - 6 Krämer - 7 Verwalter des - 8 Holzschnitzer und Vergolder - 9 Tuchhändler und Lichtzieher -10 Das ist -11 zur rechten Zeit für die Post -12 Umwallung - 13 Eingeborenentruppen
Der American crash14 ist herrlich und noch lange nicht vorbei. Den Sturz der Masse der Importhäuser haben wir noch zu erwarten, bis jetzt scheinen nur einzelne gefallen zu sein. Die Rückwirkung auf England scheint auch in der Liverpooler Borough-Bank eröffnet. Tant mieux.15 Der Handel ist jetzt wieder auf 3-4 Jahre Klatsch, nous avons maintenant de la chance16. Ich habe nicht einen Stamp17 im Hause, und es ist 12 Uhr Nacht.
14 amerikanische Krach -15 Um so besser. - 16 wir haben jetzt Aussicht -17 eine Briefmarke
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Marx an Engels in St.Helier auf Jersey
[London] 31. Oktober [1857]
Dear Frederic, Zwei Briefe von Dana erhalten. Erstens, daß „Army" noch , zur Zeit gekommen. Zweitens, daß infolge der commercial crisis1 alle.europäischen Korrespondenten außer mir und Bayard Taylor abgedankt sind; ich mich aber nun strictly auf 1 article per week2 einzuschränken. Ich hatte in der letzten Zeit versucht, durch diese Schranke durchzubrechen, ich solle einstweilen ausschließlich schreiben über Indian war und Financial Crisis3. Wenn ich die history of Cannon1221' noch bis Freiteig haben kann, it would be a great boon4. Sobald die nächste Mail5 ankommt von Indien, mußt Du mir etwas ausführlich über die Delhigeschichte schreiben, oder vielmehr den Artikel6, da er diesmal rein technisch sein muß, if possible7, ganz machen. Unter der Rubrik „Blücher" hatte ich den Kerls about8 8 Druckseiten geschickt, nämlich als Sousrubrik9 „The Silesian army in the campaigns etc."10 Da ich die Zeit damit verlieren mußte, Clausewitz, Müffling etc. zu lesen, mußte doch einiger Schadenersatz da sein. Was Deine Resolution wegen Manchester betrifft, so scheint sie mir, unter den Heckscherschen limitations, quite rational11. Allen sagt auch, daß die lebensgefährlichen Wirkungen rein im Falle des Ergriffenwerdens der Lunge, daß aber jeder sich in der ersten Zeit nach solcher Affaire in acht nehmen muß. Die Portionen Eisen mögen etwas zu stark gewesen sein. Jedenfalls aber wird die Nachwirkung desselben auf Deinen body12 famos sein. Seit einigen Tagen wird das Wetter hier gut. I should much like, oldboy, to see you before your return to Manchester.13 Einige Schicksalsironie ist darin, daß ich mit den verdammten Krisen
1 Handelskrise - 2 streng auf I Artikel pro Woche - 3 indischen Krieg und Finanzkrise 4 wäre es eine große Hilfe - 5 Post - 6 „Die Einnahme Delhis " - 7 wenn möglich - 8 ungefähr 9 Unterrubrik - 10 „Die schlesische Armee in den Feldzügen etc." - 11 Einschränkungen, ganz vernünftig - 12 Körper - 13 Ich möchte Dich gern sehen, alter Junge, bevor Du nach Manchester zurückkehrst.
persönlich verknittert bin. Welche satisfaction für Heinzen, s'il le savait14. Die Nachricht as to15 Schramm, immer betrübend, obgleich vorherzusehn. Was sagst Du zu Cavaignacs death16 und dem Blödsinn unsres Landes vaters17? Mit den besten Grüßen der whole family18 Dein K.M.
u wenn er es wüßte - 15 hinsichtlich - 16 Tod - 17 Friedrich Wilhelm IV. - 18 ganzen Familie
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13.Nov.1857
Lieber Engels, Donnerstag12221 vor 8 Tagen wartete ich an den 2 mir angegebnen Punkten, was allerdings einer zu viel war, von 11 zu 3 Uhr. Dann gab ich die Sache auf in despair1. Ich kann nur wenige Zeilen schreiben, da der Artikel2 mir nur einige Minuten bis zum Postschluß gelassen. Schreib mir definitiv, wann ich „cannon"12211 haben kann. Es handelt sich hier darum, in einem entscheidenden Moment (für mich) Ware nach Amerika zu schicken. Ich habe einstweilen nichts über Indien geschrieben. Ich muß darüber einiges exakt Militärisches haben, da die events3 mich und die „Tribüne" gewissermaßen blamiert haben. So sehr ich selbst in financial distress4, habe ich seit 1849 nicht so cosy5 gefühlt als bei diesem outbreak6. Du kannst außerdem dem Lupus zu seiner Beruhigung sagen, daß ich in einem gründlichen article2 der „Tribüne", now that the whole Statement is before us7, und selbst von der bloßen Tabelle der discount-rates8 von 1848-1854 bewiesen habe, daß die Krise normal 2 Jahre früher hätte eintreffen müssen. Auch die delays9 erklären sich nun so rationell, daß selbst Hegel zu seiner großen satisfaction den „Begriff" wiedergefunden haben würde in dem „empirischen Auseinander der Welt der endlichen Interessen". Salut. Dein K.M.
Schick mir jetzt, wie Du angefangen, möglichst viel Manchesterblätter. Nicht nur für die „Tribüne". Ich denke für das Vaterland über die Krise zu schreiben.
1 Verzweiflung - 2 „Die Erschütterung des britischen Handels" - 3 Ereignisse - 4 finanzieller Not - 6 wohl - 6 Ausbruch -7 jetzt, da der ganze Tatbestand vor uns liegt - 8 Diskontraten 0 Verzögerungen
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Engels an Marx in London
Manchester, 15.Novbr. 1857
Lieber Marx, Es tut mir leid, daß Du vorigen Montag gewartet hast - ich kam erst nach 6 in Euston Square an, thanks to bad arrangements of the Railway Company1 in Brighton, und fuhr selbe Nacht nach Manchester. Die Gesundheit ist gut, die Leute sind alle verwundert, auch Heckscher, daß ich mich so erholt. Das Gedächtnis ist noch schwach, ein bißchen dulness2 besteht, und ich kann keinen Alkohol mehr vertragen. Das letzte Loch ist im schönsten Heilen. Reiten und reduziertes Comptoirarbeiten muß dem abhelfen; was letzteres betrifft, habe ich mich in Ubereinstimmung mit unsrer Fabrik auf short time3 gesetzt. „Cannon"f221J sollst Du bis zur nächsten Freitagspost positiv haben. Eher ist's nicht möglich. Es werden ca. 10 lange Blätter. Der Rest von C kann bald folgen; das sind meist kleine Lumpereien, die hier bei meinen Büchern rasch abzumachen sind. Sobald ich irgend in meinen eignen Geldverhältnissen etwas klar sehe (die sehr in Konfusion sind), will ich Dir Geld schicken. Die Krisis entwickelt sich diesmal etwas eigentümlich. Der Aktienschwindel in Frankreich und Deutschland hat schon seit einem Jahr beinah in einer vorläufigen Krisis gelegen; jetzt erst ist der Hauptaktienschwindel in New York zum Kollaps und dadurch alles zur Entscheidung gekommen. Das Merkwürdigste ist, daß die Yankees zwar, wie immer, mit ausländischem Kapital, aber diesmal besonders mit kontinentalem geschwindelt haben. Die Bürokraten und Rentiers, die in Deutschland alles für sich aufgekauft haben, was nur amerikanisch war, werden schön bluten müssen. Die Vorkrisis des kontinentalen Aktienschwindels und die wenigen direkten Berührungspunkte, die er mit dem amerikanischen hatte, verzögern die sofortige zerstörende Rückwirkung der amerikanischen auf die kontinentalen Schwindelgeschichten, doch wird das bald kommen.
1 dank der schlechten Einrichtungen der Eisenbahngesellschaft - 2 Mattheit - 3 Kurzarbeit
Die Spekulation hatte außer den Aktien alle Rohprodukte und Kolonialwaren ergriffen, also auch alle Manufakturwaren, bei deren Preisen der des Rohprodukts noch stark durchklingt; und also je näher noch dem Rohprodukt und je teurer das Rohprodukt, desto mehr. Garne mehr als rohe Gewebe, diese mehr als gedruckte und buntgewebte, Seidenwaren mehr als Baumwollwaren. In Seide hatten wir hier eine Vorkrisis seit August, ca. 20 Fabrikanten fallierten mit einer Masse, die ich auf nicht unter £ 200 000 anschlagen möchte und bei der im besten Fall 35-40% herauskommen. Wir sitzen mit £6000 drin, macht auf mein Teil £300!!! oder nach Bezahlung der Dividenden im günstigsten Fall noch £ 180. Unter diesen Umständen werde ich wohl mit meinem Alten ein neues Abkommen treffen müssen. Dies beiläufig. Die Seidenkrisis geht noch voran. Das Falliment von Bennoch, Twentyman & Rigg (Konkurrenten von Blank) reitet in Coventry 5 Fabrikanten von Seidenbändern mit 100 000 £ herein, davon der größte £ 40 000, der kleinste £ 6000. T.S.Reed & Co., Derby, bedeutende Seidenspinner, Doublierer und Fabrikanten, sind außerdem gleich nach und infolge von Bennoch falliert. In Glasgow sind außer den m den Blättern angeführten noch eine ganze Menge mittlerer und kleiner Leute gepurzelt, ohne daß jemand danach fragt oder davon spricht. Ob das Haus Ernst Dronke auch unter der Zahl ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er nicht den Verstand gehabt, den Zeitpunkt zu einem ehrenvollen Exit zu benutzen. <•. Wie es mit dem Baumwollenmarkt dies Jahr gegangen hat, siehst Du aus beiliegender Zeichnung4, die nach den offiziell gedruckten Berichten unsres Maklers von mir angefertigt ist. Wo die waagerechte schwarze Linie in die Mittellinie zwischen zwei Achtel fällt, heißt das, der Preis war das dazwischenliegende,"V^tel,also z.B.zwischen 73/8 d.und 7]/2 d. heißt 77/iöd. Was die industrielle Produktion selbst betrifft, so scheint der übergroße Vorrat in Amerika hauptsächlich im Westen zu liegen, in den östlichen Häfen ist der Vorrat an Manufakturwaren nach allen Nachrichten, die ich habe, sehr gering. Daß dieser aber auch schon a drug on the market5 ist, beweist die Rücksendung ganzer Ladungen von New York nach Liverpool. Hier arbeiten 3/4 der Spinner auf Vorrat, nur 1/4 höchstens hat noch einige laufende Kontrakte. Short time beinahe ganz allgemein. Ein sehr aktives Garnkommissionshaus hier, das vor 3 Wochen noch für £ 45 000 Kontrakte laufen hatte, hat jetzt nur noch für 3000, so rasch haben die Spinner abliefern können, selbst bei short time.
4 siehe vorl. Band, S. 213 - 5 unverkäuflich
Die eigentümlich günstigen Nachrichten von Madras und Bombay (Verkäufe mit Profit, seit 1847 nicht mehr dagewesen) machen das indische Geschäft belebter. Alles wirft sich darauf, was nur kann. S.Mendel, indian6 Agent, hat sein ganzes großes Warehouse7 zum Arger der andern Kommissionäre bis 10 Uhr abends erleuchtet und schickt fort, was das Zeug hält. No doubt8, Hunderte von Spinnern und Webern konsignieren dahin. Dort bereitet sich also eine Reservekrise vor, für den Fall, daß dieser erste Stoß nicht imstande ist, den alten Dreck umzuwerfen. Der allgemeine Aspekt der hiesigen Börse war höchst ergötzlich in der vorigen Woche. Die Kerle ärgern sich schwarz über meine plötzlich sonderbar gehobene Laune. Indeed9, die Börse ist der einzige Ort, wo meine jetzige dulness10 sich in Elastizität und bouncing11 verwandelt. Dabei prophezeie ich natürlich immer schwarz; das ärgert die Esel doppelt. Am Donnerstag war der Zustand am jammervollsten, Freitag grübelten die Herren über den möglichen Effekt der Bankaktsuspension1223', und da Cotton wieder 1 d. stieg, hieß es: wir sind über das Schlimmste weg. Bis gestern war aber schon wieder die erfreulichste despondency12 eingetreten; die ganze Glorie war reine Redensart, und fast kein Mensch wollte kaufen; so daß der hiesige Markt schlecht blieb wie vorher.'224' Was dieser Krisis eine glänzende Entwicklung verspricht, ist die sofortige Notwendigkeit der Bankaktsuspension beim ersten Stoß. Dadurch wird die Bank selbst direkt hereingeritten. 1847 war es doch möglich, die Sache von 1845 an bummeln zu lassen und erst im allerletzten und schlimmsten Moment zu dieser Maßregel zu greifen. Für Ausbreitung und Fortdauer der Krise ist auch gesorgt. Die Seidenkrisis, die schon die größte Masse Söiden-(hand-loom13)weber außer Brot gesetzt, und die short time allein sind hinreichend, den home trade14 für den Winter vollständig zu ruinieren, bis Ende Oktober ging er noch gut. Die amerikanische Krisis reitet die Barmer und Elberfelder smallware manufacturers15, die Elberfelder und Krefelder und Lyoner Seidenfabrikanten, die deutschen, französischen und belgischen Tuchfabrikanten tief in die Sauce. Die smallware manufacturers von Barmen leiden noch besonders durch Bennoch, Twentyman. Draper, Pietroni & Co. reiten Italien, besonders Mailand, die Herzogtümer16, Bologna etc. herein. Wenn Baumwolle nicht auf 6 d. pro Pfund kommt, ist keine, selbst momentane Wiederbelebung der Baumwollindustrie hier möglich. Und
6 indischer - 7 Lagerhaus - 8 Ohne Zweifel - 9 In der Tat - 10 Mattheit - 11 Munterkeit 12 Verzagtheit -13 Handwebstuhl Binnenhandel -15 Kurzwarenfabrikanten -16 Toskana, Parma und Modena
jetzt steht sie noch auf 7 k 7L/4 d. Daraus siehst Du, wie wenig hier die Sache nur die Möglichkeit einer Wendung erreicht hat. Trotzdem ist im Frühjahr eine momentane Wendung möglich und sogar wahrscheinlich, eine Wendung nicht zum „guten Geschäft", aber doch so, daß wieder Geschäfte gemacht werden können, so daß die Handeismaschinerie im Gang bleibt und nicht einrostet. Bis jetzt hat keine Krisis sich so rasch und mit einem Schlage ausgelebt, und diese, die auf 10 JahreProsperität und Schwindel folgt, ist am wenigsten dazu geeignet. Auch ist kein neues Australien und Kalifornien mehr da zur Rettung, und China auf 20 Jahre im Dreck. Die Heftigkeit dieses ersten Schlags aber zeigt, welche kolossalen Dimensionen die Sache nimmt. Nach der enormen Goldproduktion und der entsprechenden kolossalen Ausdehnung der Industrie ist dies auch nicht anders möglich. Es wäre zu wünschen, daß erst diese „Besserung" zur chronischen Krise einträte, ehe ein zweiter und entscheidender Hauptschlag fällt. Der chronische Druck ist für eine Zeitlang nötig, um die Bevölkerungen warm zu machen. Das Proletariat schlägt dann besser, in bessrer connaissance de cause17, und mit mehr Einklang; grade wie eine Kavallerieattacke viel besser ausfällt, wenn die Pferde erst eine 500 Schritt traben mußten, um an den Feind zur Carrieredistance zu kommen. Ich möchte nicht, daß es zu früh etwas gäbe, ehe ganz Europa vollständig ergriffen ist, der Kampf nachher würde härter, langweiliger und mehr hin und her wogend. Mai oder Juni wäre fast noch zu früh. Die Massen müssen durch die lange Prosperität verdammt lethargisch geworden sein. Unsre Freunde Kinkel & Co. werden aber jetzt Wechsel auf Sicht für eine Revolution bei uns zur Zahlung präsentieren, das steht zu erwarten; never mind18, wir werden sie den Herren noch früh genug zahlen. Daß Du über diese Krisis Material sammelst, ist sehr schön. Ich schick* heute wieder 2 „Guardians", Du sollst ihn regelmäßig und den „Examiner and Times" von Zeit zu Zeit erhalten. Auch werde ich Dir möglichst oft alles rapportieren, was ich erfahre, damit wir einen guten stock of facts19 haben. Mir geht es übrigens wie Dir. Seitdem der Schwindel zusammenbrach in New York, hatte ich keine Ruhe mehr in Jersey, und ich fühle mich enorm fidel in diesem general downbreak20. Der bürgerliche Dreck der letzten sieben Jahre hatte sich doch einigermaßen an mich gehängt, jetzt wird er abgewaschen, ich werde wieder ein andrer Kerl. Die Krisis wird mir
17 Sachkenntnis -18 macht nichts
14*
-19 Vorrat an Tatsachen -20 allgemeinen Zusammenbruch
körperlich ebenso wohltun wie ein Seebad, das merk' ich jetzt schon. 1848 sagten wir: jetzt kommt unsere Zeit, und sie kam in a certain sense21, diesmal aber kommt sie vollständig, jetzt geht es um den Kopf. Meine MilitärStudien werden dadurch sofort praktischer, ich werfe mich unverzüglich auf die bestehende Organisation und Elementartaktik der preußischen, östreichischen, bayrischen und französischen Armeen, und außerdem nur noch auf Reiten, d.h. Fuchsjagen, was die wahre Schule ist.
Grüße Deine Frau und Kinder herzlich. Die werden auch fidel sein, trotz des Pechs, aus dem es mich Tag und Nacht ärgert, daß ich Dich nicht herausreißen kann. Dein F.E.
In Failsworth, 4 Meilen von hier, ist gestern ein Fabrikant Liddle in optima forma und unter Verlesung des burial service22 durch einen als Pfaffen angezognen Weber in effigie23 gehangen worden. Statt der Stelle „May the Lord have mercy upon your soul"24, las er: „May the Lord blast your soul". - Now is the time for Jones25, wenn er sie nur zu benutzen versteht.
21 einem gewissen Sinne - 22 der Totenmesse - 23 bildlich - 24 „Der Herr sei Deiner Seele gnädig" -25 „Der Herr verdamme Deine Seele". - Jetzt ist die Zeit für Jones
Gang der Preise von Midiling Orleans Baumwolle seit 1. Januar 1857. Bis Ende Juli 2 Daten, später 3 Daten pro Monat angegeben. 12. Nov. tiefster Stand, als die Western Bank of Scotland ihre Vorräte ä tout prix losschlagen ließ. 13. Nov. ungefähr Stand 7 d„ die Makler haben nicht quotiert. [Erklärung der Tabelle von Engels]
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Engels an Marx in London
Manchester, 7, Southgate, 16. Novbr. 1857
Lieber Marx, Hierbei die gestern vergeßne Tabelle1. Ich sehe eben, daß alles über Delhi im „Guardian" heute steht. Ich gehe jetzt nach Hause (6 Uhr) und werde mein möglichstes tun, es durchzulesen, und Dir den Artikel2, wenn auch kurz, zurechtzumachen, er kann mit der 2. Post abgehn, ich denke noch vor 12 Uhr damit fertig zu werden. An Ordnen und Stilisieren ist bei dieser kurzen notice3 nicht zu denken. Ob ich Dir unter diesen Umständen „Cannon"t221' bis Donnerstag abschicken kann, ist sehr zweifelhaft. Es bleiben nur 2 Abende, und ich kann nicht jeden Abend schreiben, ohne toll im Kopfe zu werden. Es wird also wohl bis heute über acht Tage liegen müssen. Dein F.E.
1 Siehe vorl. Band, S.209 und 213 - 2 „Die Einnahme Delhis" - 3 Frist
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Engels an Marx in London
Manchester, 7, Southgate, 17. Novbr. 57
Lieber Marx, Ob der Artikel1 gestern noch rechtzeitig kam, ist zweifelhaft. Als ich auf die Post kam, war es eben 12 Uhr durch und die Box geschlossen. Ich warf ihn also in die Extra Box, er muß also heut morgen 9.15 von hier abgegangen und 3.45 in London angekommen, also gegen 6 Uhr in Deinen Händen gewesen sein. In Wien war vor ca. 4 Wochen ein Crash2 in Aktien, bei der Gelegenheit sollen 105 Häuser dort mit Fl. 14 000 000 oder £ 1 400 000 falliert sein. Hier ist nichts gemacht worden heute. Morgen bekommst Du ein ganzes Pack „Guardians" und auch hoffentlich einiges Geld von mir.
Dein F. E.
1 „Die Einnahme Delhis" - 2 Krach
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Marx an Engels in Manchester
[London] Nov. 24. 1857
Dear Frederick, Du mußt mich entschuldigen, daß ich weder den Empfang des Geldes, Artikels1, noch diverser Briefe angezeigt habe. Domeslic affairs2 haben meine Zeit so mit Hin- und Herlaufen in Anspruch genommen, daß kaum die nötige Zeit zum Arbeiten blieb. Die monetary panic3 in London hat einigermaßen subsided4 in den letzten Tagen, wird aber bald von neuem beginnen, wozu unter anderm Fould beitragen wird, der mit einem französischen Bankdirektor hier angelangt ist, um den Goldexport von England nach Frankreich zu regulieren. Die Suspension des Bankaktes12231 selbst konnte natürlich nur so weit wirken, als sie das künstliche surplus des Panic's abnahm, das der Akt geschaffen hat. Das banking department5 hätte sich den folgenden Tag insolvent erklären müssen, da der Reservefonds nur noch 4-500 000 £ betrug, während die Deposits - public6 und private - sich über 17 Millionen beliefen. Andrerseits war diese Gefahr rein durch den Akt selbst produziert, indem der Metallvorrat im issuing department7 nicht tief unter einem Drittel der issued Notes8 stand. Beschleunigt hat der Akt den Ausbruch der money panic9 und ihn dadurch vielleicht weniger intensiv gemacht. Indes wird andrerseits das Pumpen der Bank zum Maximum von 10% (für firstrate papers10) eine Masse Transaktionen in Gang halten, die schließlich doch zu einem neuen crash11 treiben. Z.B. das Korn, Zucker etc., werden jetzt noch im Preise gehalten dadurch, daß ihre owners12 die für dieselben auf sie gezognen Wechsel diskontieren, statt die Waren zu verkaufen. Da mir der Fall dieser Warenpreise unvermeidlich scheint, glaube ich, daß diese Kerls sich nur einen schweren Bankerott vorbereiten. Das war exactly the case May 184713. Was in London, im Unterschied von frühern Krisen, den sog.- money-market14 noch einigermaßen hält, sind die joint-stockbanks15,
1 „Die Einnahme Delhis" - 2 Häusliche Angelegenheiten - 3 Geldpanik - 4 nachgelassen 6 Bank-Department - 6 öffentliche - 7 Notenausgabe-Department - 8 ausgegebenen Noten 9 Geldpanik-10 erstrangige Papiere-11 Krach -12 Eigentümer-13 genau der Fall Mai 1847 14 Geldmarkt -15 Aktienbanken
die sich eigentlich erst in den letzten 10 Jahren entwickelt haben. Diese zahlen den Philistern, kleinen Rentiers etc. 1 % weniger Zins, als die offizielle Zinsrate der Bank von England beträgt. Die Lockung von 9% ist zu groß, um ernsthaften Widerstand zu finden. So disponiert jetzt das Citygesindel in höherem Grad als je zuvor über die kleinen Kapitalien der Philister. Wenn nur eine dieser banks jetzt zusammenbräche, würde das Hallo allgemein. Es ist sehr bedauerlich daher, daß die Royal British Bank zu früh explodiert hat. In Amerika scheint es fast sicher, daß die Protectionists18 obenauf kommen infolge der Krisis. Dies wird für die Herrn Engländer nachhaltiges Pech bewirken. Ich weiß nicht, ob Steffen Dir schon mitgeteilt hat, daß er England verläßt. Seine Schwester hat nämlich ihr kleines Vermögen infolge der Krisis (Wie? weiß ich nicht) verloren. Um sie zu sich zu nehmen und sich wechselseitig durchschlagen zu können, geht er nach Deutschland. Ich glaube, daß der Schritt sehr falsch ist. Wie ich aus sichrer Quelle weiß, ist die Frau Rüge (die nur ein sächsisches Patois spricht) die einzige Professorin von Deutsch in Brighton, und die Nachfrage übersteigt so sehr die Zufuhr, daß sie jetzt schon ihre Tochter17 in demselben trade18 lanciert. S[teffen]s Schwester würde also in Brighton gutes employment19 finden, wenn Sfteffen] selbst mit den Leuten umzugehn wüßte. Apropos Rüge. Der alte Esel hat einen Prospektus, seit Monaten, in die Welt geschickt zur Wiederherausgabe der ci-devant20 „Deutschen Jahrbücher". Ihre Hauptbestimmung soll sein, anzukämpfen gegen den Materialismus, naturwissenschaftlichen und industriellen; idem gegen die grassierende vergleichende Sprachforschung etc., kurz gegen alles, wozu exakte Kenntnisse nötig sind. Zur Ausführung verlangt er 1000 Subskribenten ä 10 Taler. In den 2 Monaten haben sich summa summarum 40, sage 40 Schwärmer für die „geistige Freiheit" aufgetan. Die Musterung seines Anhangs in Deutschland ist, consequently21, höchst blamabel ausgefallen. Von Herrn Dronke weiß ich nur, daß er vor Monaten bei Freiligrath anlag, das Mittelglied für Wechselreiterei (nämlich den Diskonteur) zu spielen, die er mit dem alten Naut ins Werk zu setzen dachte. F[reiligrath] ließ ihn natürlich abfahren. Kurz darauf schrieb er ihm, daß er zwar „ganz gut" stehe, doch aber bereit sei, als Commisfür200-250£SaIärirgendwo einzutreten. FJreiligrath] solle sich für ihn nach einem Posten derart umsehn. Dies alles scheint auf ein baldiges Exit aus der kommerziellen Welt zu deuten.
16 Anhänger des Schutzzolls - 17 Hedwig Rüge - 18 Geschäft - 10 gute Beschäftigung 20 früheren-21 folglich
Becker ist aus dem Gefängnis entlassen; Bürgers dagegen neuen Beschränkungen unterworfen worden. Du schreibst in einem Deiner Briefe22, daß die Fabrikanten nur vorangehn können mit 6 d. für Baumwolle. Aber wird die große Einschränkung der Produktion die cottonpreise nicht notwendig bald zu dem Punkt herunterbringen? Jones spielt eine sehr alberne Rolle. Du weißt, daß er - ohne andre bestimmte Absicht, als in der lauen Zeit irgendeinen Vorwand für Agitation zu finden - lang vor der Krise eine Chartistenkonferenz anberaumt hatte, worin dann zugleich Bourgeoisradikale (nicht nur Bright, sondern selbst Kerls wie Cunningham) eingeladen werden sollten.12201 Es sollte überhaupt ein Kompromiß mit den Bourgeois geschlossen werden, so daß ihnen das Ballot23 gegeben würde, wenn sie den Arbeitern manhood suffrage24 einräumten. Dieser Vorschlag gab Anlaß zu Spaltungen in der Chartistenpartei, die ihrerseits wieder den Jones tiefer in sein Projekt hereintrieben. Statt nun die Krise zu benutzen, um die wirkliche Agitation mit einem schlechtgewählten Vorwand für Agitation zu vertauschen, hält er fest an seinem nonsense; chokiert die Arbeiter durch Predigen des Zusammenwirkens mit den Bourgeois, während er weit entfernt ist, den letztern das geringste Vertrauen einzuflößen. Einige der radikalen Blätter kajolieren ihn, um ihn vollständig zu ruinieren. In seinem eignen Blatt25 ist der alte Esel Frost, den er selbst zum Helden heraufdeklamiertunddenerzumPräsidenten seiner Konferenz ernannt hat, in einem saugroben Brief12261 gegen ihn aufgetreten, worin er ihm u.a. sagt: Wenn er die Kooperation der middle class26 für nötig halte - und ohne diese sei nichts zu machen -, solle er bona fide27 auftreten. Wer ihm das Recht gebe, das Programm der Konferenz aufzusetzen ohne die Alliierten? Wer ihn ermächtigte, Frost zum Präsidenten zu ernennen und selbst den Diktator zu spielen etc.? So sitzt er nun in der Patsche und spielt zum erstenmal nicht nur eine alberne, sondern eine zweideutige Rolle. Ich habe ihn lang nicht gesehn, will aber jetzt ihn besuchen. Ich halte ihn für ehrlich, und da es unmöglich ist für a public character28 in England, durch Dummheiten etc. unmöglich zu werden, so kommt es nur darauf an, daß er sich sobald wie möglich aus der selbstgelegten Falle herauszieht. Der Esel soll erst eine Partei bilden, wozu er in die Fabrikdistrikte muß. Dann werden die radikalen Bürger zu ihm für Kompromisse kommen. Salut. Dein K.M.
22 siehe vorl. Band, S. 210/211 - 23 geheime Stimmrecht --21 allgemeines Stimmrecht der Männer - 25 „The People's Paper" - 26 Mittelklasse - 27 guten Glaubens - 28 eine öffentliche Persönlichkeit
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Engels an Marx in London
Manchester, 7. Dezbr. 1857
Lieber Marx, Die Krisis'mit dem ewigen Wackeln der Preise und den sich häufenden Vorräten machte mir vorige Woche viel Schreiberei, ich konnte Dir also nur „Guardians" schicken und keinen Brief. In Deinem letzten ist ein slight mistake1. Du schreibst, „das Korn, Zucker pp. werden jetzt noch im Preise gehalten dadurch, daß ihre owners2 die für dieselben auf sie gezognen Wechsel diskontieren, statt die Waren zu verkaufen". Sie, als Bezogne, können die Wechsel nicht diskontieren; sie haben mit den Wechseln3 nichts zu tun, als sie zu akzeptieren und bei Verfall zu bezahlen. Die holders4 von Waren können sich vor den Zwangsverkäufen nur dadurch retten, daß sie Vorschüsse auf die Ware aufnehmen. Dies wird schwer sein under the circumstances5, und jedenfalls reduzieren sich die Beträge dieser Vorschüsse mit dem kolossalen Fall im Preise der Waren (35% bei Zucker!) und mit der Gewißheit, daß, sobald nur einige Zwangsverkäufe doch gemacht werden müssen, die Waren noch mehr fallen werden. Wo also die holders früher 2/3 oder 3/4 des höheren Werts vorgeschossen erhielten, bekommen sie jetzt höchstens 1/2 des reduzierten Werts, also ca. die Hälfte des früher zu erlangenden Vorschusses. Dies muß die Sache bald zum Explodieren bringen. Es ist aber auch möglich, daß der Mincing Lane and Mark Lanei227j trade6 noch etwas länger in langsamem Fallen bleibt und dann erst einige große Falliten darin eintreten. Daß diese wie auch Falliten in Liverpool und andern Häfen kommen, ist sicher. Was an Zucker, Kaffee, Baumwolle, Häuten, Farbstoffen, Seide pp. verloren wird, ist enorm. Die Baumwollernte von 1857, zu 3 Mill. Ballen angenommen (sie wird 31/4 werden), ist dies ganze lot7 jetzt £ 15000000 weniger wert als im September. Ein hiesiges Haus hat 35 000 Säcke Kaffee schwimmen, an jedem wird ein Pfund verloren. Auf ostindische Baumwolle ist der
1 kleiner Irrtum - 2 Eigentümer - 3 im Original: dem Wechsel - 4 Besitzer - 6 unter den Umständen - 6 Handel - 7 Quantum
Verlust ebenso groß - 33%. In dem Maße, als die für diese Waren gezognen Wechsel fällig werden, müssen auch die Falliten kommen. Das große amerikanische Haus, das neulich nach 2tägiger Unterhandlung von der Bank von England eine Million vorgeschossen erhielt und sich dadurch rettete, war Mr. Peabody, der 4th-July-anniversary-DinnerMann'2281. Neuerdings sollen sogar die unerschütterlichen Suse & Sibeth, die einzigen außer Frühling 8c Göschen, deren Wechsel in Ostindien nach 1847 negoziierbar waren ohne Ladungsschein der Ware als Garantie, genötigt gewesen sein, die Bank um Rettung anzuflehn. Diese S[use] & S[ibeth] sind die größten Knicker und so ängstlich, daß sie lieber gar keine Geschäfte machten, wenn es anginge, um nichts zu riskieren. Hier sieht es noch immer aus wie früher; Vor 8-10 Tagen kamen plötzlich die indischen und levantinischen Käufer in den Markt, versahen sich zu den niedrigsten Preisen mit ihrem Bedarf und halfen dadurch einigen schwer mit Baumwoll-, Garn- und Stoffvorräten belasteten Fabrikanten aus dem ärgsten Pech. Seit Dienstag (4ten Nov.?)8 ist wieder alles still. Die Kosten laufen fort für den Fabrikanten, Kohlen, ölschmiere pp. bleiben ganz dieselben bei short and füll time9, nur wages10 sind um 1/3-1/2 reduziert. Dabei wird nichts verkauft, und das floating capital11 ist bei den meisten unsrer spinners and manufacturers12 sehr knapp, und viele sind durch und durch faul. 8 oder 9 kleine sind dieser Tage schon gepurzelt, aber das ist nur das erste Symptom, daß die Krisis diese Klasse erreicht. Heute hör' ich, daß die Cookes, die Besitzer der kolossalen Fabrik in Oxford Road (Oxford Road Twist Comp.) ihre hunters, foxhounds, greyhounds13 pp. verkauft haben, daß einer seine Dienstboten ent- und seinen Palast verlassen hat, to be let14. Kaputt sind sie noch nicht, werden aber wohl bald fliegen. Noch 14 Tage, und der Tanz ist hier vollständig im Gange. Durch Sewells und Necks Fallissement wird Norwegen schwer mitgenommen; bisher war es noch nicht betroffen. In Hamburg sieht es großartig aus. Ulberg & Cramer (Schweden), die mit Schulden von Banko Mark 12000000 falliert sind (worunter 7 Mill. Wechsel auf sie!), hatten ein Kapital von nicht mehr als 300000 Mark !! Eine Masse Kerls sind bloß dadurch hereingeritten, daß sie für einen einzigen fälligen Wechsel keine baribus15 auftreiben konnten und vielleicht den hundertfachen Betrag in momentan wertlosen Wechseln im Pult hatten. So komplett und klassisch ist noch nie ein Panic gewesen wie jetzt in Hamburg.
8 (4ten Nov.?): von Marx hinzugefügt - 9 Kurz- und Vollarbeit - 10 Löhne - 11 flüssige Kapital - a2 Spinner und Fabrikanten - 13 Jagdhunde, Fuchsjagdhunde, Windhunde -11 zu Vermieten -15 Bargelder
Alles ist wertlos, absolut wertlos außer Silber und Gold. Christ. Matth. Schröder, ein sehr altes reiches Haus, fallierte auch vorige Woche. Der J.H.Schröder & Co., London (sein Bruder) telegraphierte, wenn 2 Mill. Mark Banko hinreichend wären, wolle er das Silber dafür schicken; Antwort: 3 Mill. oder gar nichts. Die 3 Millionen konnte er nicht missen und Christian Matthias flog. Wir haben Debitoren in Hamburg und wissen gar nicht, ob sie noch existieren oder kaputt sind. Die ganze Geschichte in Hamburg beruht auf der großartigsten Wechselreiterei, die je gesehen worden. Zwischen Hamburg, London, Kopenhagen und Stockholm ist dies am tollsten getrieben worden. Der amerikanische crash16 und der Fall in Produkten brachte dann die ganze Geschichte an den Tag, und für den Moment ist Hamburg kommerziell vernichtet. Die deutschen Industriellen, bes. in Berlin, Sachsen, Schlesien, werden damit wieder schwer gepackt.®291 Baumwolle ist jetzt auf 6 9/16 d. für Middling17 und wird wohl bald auf 6 d. kommen. Die Fabriken hier aber können erst dann wieder volle Zeit arbeiten, wenn durch ihre dadurch gesteigerte Produktion der Preis nicht wieder sofort über 6 d. getrieben wird. Das würde jetzt aber sofort der Fall sein. Unter den Philistern hier wirkt die Krisis stark aufs Trinken. Niemand kann es zu Hause allein mit der Familie und den Sorgen aushalten, die Klubs beleben sich, und die Konsumtion von liquor18 wächst stark. Je tiefer einer drein sitzt, desto gewaltsamer strebt er, sich aufzuheitern. Am nächsten Morgen ist er dann das schlagendste Exempel von moralischem und physischem Katzenjammer. Diese Woche werd' ich mich wieder an die „Enzyklopädie" machen und die C-Artikel möglichst weit bringen. Viel und andauernd kann ich jetzt nicht arbeiten, das Mögliche soll aber geschehn. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
Lupus ist auch in die Krise verwickelt, es wird aber sein Glück sein. Sein Samson hat falliert, dadurch bekommt er die Morgenstunden frei.
16 Krack -17 mittlere Sorte - 18 Alkohol
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. Dez. 1857
Dear Frederick, Als ich Dir den letzten Brief schrieb im oberen Stockwerk, war meine Frau im untern belagert von hungrigen Wölfen, die alle die „heavy times"1 zum Pretext2 machten, um ihr Geld abzupressen, dessen sie bar war. (Zum Glück kamen wenige Tage später 15 £ von Deutschland, die erlaubten to shift off the evil day for a week or a fortnight.) Well.3 In sotanen Umständen war ich ein rather4 konfuser Schreiber, aber doch nicht zu dem Grad konfus, daß ich nicht denselben Abend nach Abgang des Briefes mich der Konfusion erinnert und meiner Frau erzählt hätte, welches lange Gesicht Du schneiden würdest, wenn ich die Schuldner Geld aufnehmen ließe auf die Wechsel, die sie selbst zu zahlen haben etc. Ich habe sie, die be.deutend angegriffen ist von der „petite guerre"5 mit allerlei Lumpenpack, die ganze Zeit durch erheitert mit Reflexionen über die Art und Weise, wie Du mir das in der graziösesten Weise beibringen würdest. Doch konnte ich kaum so weit gehn, zu erwarten, daß Du den ridiculous blunder6 zu einem „slight mistake"7 abdämpfen würdest. My best thanks for this grace, Sir.8 Was nun die Sache selbst angeht, so hatten die Kerls in Mincing Lane und Mark Lane12271 nach dem „Economist" allerdings wieder loans9 auf ihr produce10 erhalten, aber dies move11 hat aufgehört ungefähr seit vorigem Mittwoch. Korn speziell hatte sogar während ein paar Tagen eine upward tendency12, fiel aber (eigentlich Mehl) 3 sh. per 280 lbs. infolge der French decrees13, die den Export von Korn und Mehl freigeben, bedeutend gestern infolge des downbreak14 der Kornpreise in Baltic. (Notabene: Bonapartes Maßregel hatte nur temporären Effekt in Frankreich; die Preise stiegen ein wenig in Frankreich, aber das Steigen produzierte sofort increased supplies15,
1 „schweren Zeiten" - 2 Vorwand - 3 den Unglückstag für eine Woche oder zwei hinauszuschieben.) Nun. - 4 ziemlich - 5 dem „Kleinkrieg" - G lächerlichen Fehler - 7 „kleinen Irrtum" - 8 Meinen besten Dank für diese Gnade, Sir. - 9 Darlehn - 10 Produkt -11 Spiel 12 steigende Tendenz - 13 französischen Dekrete - 14 Sturzes - 15 vermehrte Lieferungen
die bisher noch nicht auf den französischen Markt geworfen waren.) Einige Kornhändler haben hier falliert, doch noch unbedeutende Häuser und nur Operators upon grain for distant delivery16. Die großen American shipments17 kommen im spring18; die Franzosen werden England mit Korn bombardieren at any price19, sobald die pressure20 dort more serious21 wird. Nach meiner Ansicht - wenn nach der alten Regel jetzt ein paar gute Herbste folgen - werden die Effekte des repeal22 der cornlaws11461 auf landlords23 und farmers erst jetzt in England zur Wirkung kommen, und die antiquated agricultural distress24 aufs schönste sich erneuern. Der gute home trade25 infolge der industriellen prosperity26 und viel schlechte Herbste haben das Experiment von 1847-57 nicht vor sich gehn lassen und den repeal to a dead letter27 gemacht.12301 Mit der „Tribüne" habe ich eine Satisfaction erlebt. Den 6. November schrieb ich ihr in einem Artikel28, worin ich den Bankakt von 184412231 explanierte, daß die farce der Suspension in ein paar Tagen erfolgen werde; daß aber nicht so großes Wesen aus diesem monetary panic29 zu machen sei. Die wahre affaire sei der industrial crash30, der bevorstehe. Die „Tribüne" druckte dies als leader31. Die „New-York Times" (die in ein Feudalverhältnis zur London „Times" getreten ist) antwortete 3 days later32 der „Tribüne", erstens die Bank werde nicht suspendieren, lobte den Akt in der Art der money-article writers33 von Printing-House-Square12311 und erklärte den talk34 von „industrial crash" in England für „simply absurd"35. Dies tat sie am 24sten. Den Tag darauf bekam sie per Telegramm vom „Atlantic" die Nachricht, daß die Bank suspendiert habe und zugleich Nachrichten von dem industrial distress36. Es ist übrigens schön, daß Loyd-Overstone jetzt mit dem wahren Grund seines Fanatismus für das Gesetz von 1844 hervorgetreten - weil es den „hard calculators"37 erlaube, 20-30% herauszuschrauben aus der commercial world38. Daß die Kapitalisten, die so sehr gegen das „droit au travail"39 schrien, nun überall von den Regierungen „öffentliche Unterstützung" verlangen und in Hamburg, Berlin, Stockholm, Kopenhagen, England selbst (in der Form der Suspension der Akte), also das „droit au profit"40 auf allgemeine
16 Getreidespekulanten mit langfristigen Lieferungen -17 amerikanischen Schiffsladungen 18 Frühjahr -19 zu jedem Preis - 20 der Druck - 21 ernsthafter - 22 der Aufhebung - 23 Grundbesitzer - 24 einstige Agrarkrise - 25 Binnenhandel - 26 Prosperität - 27 die Aufhebung zu einem toten Buchstaben - 28 „ Der Bankakt von 1844 und die Geldkrise in England " - 29 dieser Geldpanik - 30 industrielle Krach - 31 Leitartikel - 32 3 Tage später - 33 Börsenkorrespondenten - 34 das Gerede - 36 „einfach widersinnig" - 30 der Industriekrise ~37 „nüchternen Rechnern" - 38 Handelswelt - 39 „Recht auf Arbeit" - 40 „Recht auf Profit"
Unkosten' geltend machen, ist schön. Ebenso daß die Hamburger Spießbürger sich geweigert haben, fernere Almosen für die Kapitalisten zu geben. Das Befremdende an der ganzen Geschichte ist die affair&jn Frankreich und wie sie von der Mehrzahl der englischen Presse behandelt wird. Wurde nach dem amerikanischen collapse"11 John Bull als der ruhige, self-possessed merchant42 dem Bruder Jonathan gegenübergestellt, so jetzt Jacques Bonhomne dem John Bull. Der Paris Correspondent des London „Economist" bemerkt sehr naiv darüber: „There has been not the slightest disposition to have a panic, though circumstances certainly appeared to justify one, and though the French have heretofore been extremely ready to rush into panics on the smallest pretexts."43. Der Panic, den die französische Bourgeoisie trotz ihres sanguinischen Temperaments jetzt vor der bloßen Idee eines Panic's hat, zeigt sicher am besten, was diesmal ein Panic in Frankreich meint. Die tugendhafte Disposition der Pariser Bourgeois wird aber nicht effektiver sein wie die Hamburger Association for discounting the panic441232'. Der „Observer" von vorigem Sonntag erzählt, daß auf die Verbreitung widerlicher Gerüchte gegen den Credit mobilier'541 alles auf die Börse stürzte, um a tout prix45 seine shares48 loszuschlagen. Das französische Kapital - trotz der kosmopolitischen Natur, die Herr Pereire an ihm entdeckt hat - ist im eigentlichen commerce47 ängstlich, knickerig und vorsichtig geblieben, wie es immer war. Der Schwindel (der allerdings auch wieder zur Voraussetzung des soliden commerce und industrie in its turn48 wurde) existiert eigentlich nur in Branchen, wo der Staat direkt oder indirekt der wirkliche employer49 ist. Daß aber selbst ein an sich, wie Hegel sagen würde, bankerotter Kapitalist von der Größe des französischen Go vernments50 etwas länger shiften51 kann als ein private capitalist, ist sicher: Die Polizeiverhinderung des bullion-exports82, die praktisch in Frankreich jetzt in füll vigor53 ist, mehr aber noch die Ausfuhr des Produkts der neuen Korn-, Seiden-, Weinernte etc., at which prices whatever54, hat für ein paar Wochen den Abfluß des bullions von der Bank von Frankreich verhindert. Trotz alledem the drain will set in55, und wenn es nur in die Gosse geschieht wie 1856 (Oktober), so ist die ganze Geschichte im Arsch. Unterdes
11 Zusammenbruch - 42 selbstbeherrschte Kaufmann - 43 „Nicht die geringste Neigung zu einer Panik, war vorhanden, obgleich die Umstände eine solche gewiß zu rechtfertigen schienen und obgleich die Franzosen bisher äußerst bereit waren, beim kleinsten Anlaß in Panik zu verfallen." - 44 Assoziation zur Verminderung der Panik - 45 um jeden Preis 40 Aktien - 47 Handel - 48 seinerseits - 49 Unternehmer - 60 der französischen Regierung 51 sich durchschlagen - 52 Edelmetall-Exports - 63 voll in Kraft - 54 zu welchen Preisen auch immer - 56 der Abfluß wird einsetzen
Das Britische Museum in London

gehn die französischen Fabrikanten so rücksichtslos mit ihren Arbeitern um, als ob nie eine Revolution stattgefunden. This will do good.56 Andrerseits macht Herr Bonaparte die Bank zum Unternehmer der ins Stocken geratenen Eisenbahnbauten. Assignaten werden wohl der nächste Schritt sein, sobald das drain57 beginnt. Wenn der Kerl courage hat, und solange er die Armee ordentlich zahlen kann, werden wir dann noch einer schönen Vorentwicklung zusehn. Deine Mitteilungen über die Zustände in Manchester sind mir vom äußersten Interesse, da die Zeitungen Schleier darüber werfen. Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner Ökonomischen Studien[2°31, damit ich wenigstens die Grundrisse im klaren habe bevor dem deluge58. Dein K.M.
Wie steht's mit Deiner Gesundheit? Du hast lange kein bulletin geschickt. Da Lupus beständig Buch über unsre Ahnsen vorhersagen führte, so erzähle ihm, daß der „Economist" von letztem Sonnabend erklärt, die Endmonate von 1853, durch ganz 1854, Herbst 1855 und „the sudden changes of 1856"59 habe Europa immer nur hair-breadth escape vom impendig crash60 gehabt.
56 Das wird gut tun. - 57 Abfließen - 58 vor der Sintflut - 59 „die plötzlichen Veränderungen von 1856" - " Entkommen um Haaresbreite vom drohenden Krach
100
Engels an Marx m London
Manchester, 9.Dez. 1857
Lieber Mohr, In Eile noch ein paar Details über die Krise. In Hamburg, wo die alte vielgerühmte Girobank mit ihrer Pedanterie die Krise noch aufs tollste verschlimmert hat, ist folgendes vorgekommen: Schunck, Souchay& Co. hier hatten Wechsel gezogen auf Hamburg. Um ganz sicher zu gehn, schicken sie den Bezogenen, obwohl die Wechsel für Waren pp. waren, Bank of England Seven Day Bills1. Diese wurden mitProtest retourniert, as so much waste paper2, und die Wechsel richtig protestiert. Nichts als Silber sei noch irgend etwas wert! Wechsel mit S[chunck], S[ouchay] & Co.-Endossement und 2 andern ebenso guten Häusern, 2 Monat lang, haben nicht unter 121/2% vorige Woche diskontiert werden können. NB. Wenn ich Dir die betreffenden Häuser nenne, so versteht sich, daß das bloß unter uns ist. Ich könnte in des Teufels Schwulitäten kommen, wenn dergleichen Mißbrauch vertraulicher Mitteilungen an den Tag käme. Die Liverpooler und Londoner Producehäuser3 werden bald purzeln. In Liverpool sieht'es greulich aus, die Kerle sind ganz blank und haben kaum noch die Energie zum Fallieren. Die Gesichter dort an der Börse, sagt mir jemand, der Montag da war, sind noch 3mal länger als hier. Übrigens zieht sich hier das Gewitter auch immer schwärzer zusammen. Die Spinner und Fabrikanten zahlen das Geld, das sie für Waren einbekommen, in Arbeitslohn und für Kohlen weg, und sowie das aufgegangen ist, müssen sie fliegen. Der gestrige Markt war deprimierter und schwüler als irgendein früherer. Jemand sagte mir, er wisse 5-6 indische Häuser, die anProdukten dieser Tage zum Teufel gehen müßten. DieKerle merken jetzt erst,daß derGeldschwindel das Allergenngstebei der Krise war, und je mehr sie das einsehn, desto schlimmer werden die Gesichter. Gesundheit gut. Morgen oder übermorgen mehr. Hiermit ein Pack „Guardians". Sieh ja die kleinen Lokalnotizen durch, darin sind sehr schöne facta" Dein F. E.
1 Sieben-Tage-Wechsel - 2 als wertloses Papier - 3 Handelshäuser
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Engels an Marx in London
Manchester, 1 I.Dez. 1857
Lieber Mohr, Noch immer very busy1 mit schlechten Schulden und Preisherabsetzen. Bei dieser Krise ist die Uberproduktion so allgemein gewesen wie noch nie, sie ist auch in den Kolonialwaren unleugbar und ebenso im Korn. Das ist das Famose urid muß kolossale Folgen haben. Solange die Uberproduktion sich nur auf die Industrie beschränkte, war die Historie doch nur halb, sowie sie aber auch den Ackerbau und in den Tropen ebensogut wie in der gemäßigten Zone ergreift, wird die Sache großartig. Die Form, in der die Überproduktion sich versteckt, ist immer mehr oder weniger die Ausdehnung des Kredits, diesmal aber ganz speziell die Wechselreiterei: Die Manier, Geld zu machen durch Tratten auf einen Bankier oder ein „Wechselgeschäfte" machendes Haus, und diese vor Verfall zu decken, oder auch nicht, je nachdem die Sache arrangiert war, ist auf dem Kontinent und bei den kontinentalen Häusern in England Regel. Die Kommissionshäuser hier alle tun es. Diese Manier ist aufs kolossalste in Hamburg'getrieben worden, wo über 100 Mill. Mk Banko Wechsel liefen. Aber auch sonst wurde fürchterlich Wechsel geritten, und Sieveking, Sillam, Karr, Josling & Co., Draper, Pietroni & Co. und andre Londoner Häuser sind daran zugrunde gegangen. Sie waren hauptsächlich die Bezogenen in dieser line2. Hier im englischen Fabrikgeschäft und im home trade3 ist die Sache so gemacht worden, daß die Leute statt cash in a month4 zu zahlen, nach Verfall 3 Monate dato auf sich trassieren ließen und die Zinsen zahlten. Dies nahm im Seidenfabrikgeschäft in demselben Maße zu, wie die Seidenpreise stiegen. Kurz, jeder hat über seine Kräfte gearbeitet, overtraded. Overtrading5 aber ist mit Überproduktion zwar nicht synonym, aber der Sache nach identisch. Eine mercantile Community6, die für £ 20000000 Kapital besitzt, hat dadurch ein gewisses Maß ihrer
1 sehr beschäftigt - 2 Hinsicht - 3 Binnenhandel — 4 bar in einem Monat - 5 Über seine Kräfte hinaus Handelsgeschäfte machen - 6 Handelsvereinigung
Produktions-, Verkehrs- und Konsumtionsfähigkeit. Macht sie mit diesem Kapital durch Wechselreiterei ein Geschäft, das £ 30000000 Kapital voraussetzt, so vermehrt sie die Produktion um 50%; die Konsumtion steigt auch durch die Prosperität, aber lange nicht in demselben Maße, disons7 25%. Am Ende einer beliebigen Periode entsteht notwendig eine Akkumulation von Waren von 25% über den bona fide, id est8 Durchschnittsbedarf selbst der Prosperität. Dies allein müßte die Krise zum Ausbruch bringen, selbst wenn der Geldmarkt, das Zifferblatt des Handels, sie nicht schon vorher anzeigte. Laß also den Crash9 kommen, so ist außer diesen > 25% noch mindestens andre 25% des Stocks10 aller necessaries a drug on the market11. Dies Entstehen der Überproduktion durch Ausdehnung des Kredits und overtrading kann man an der gegenwärtigen Krisis mit allen Details studieren. In der Sache selbst ist nichts Neues, aber in der merkwürdig klaren Form, in der die Sache sich jetzt abwickelt. 1847 und 1837-42 ist es lange nicht so klar gewesen. Das ist die schöne Lage, in der Manchester und die Baumwollindustrie jetzt ist: Die Preise sind niedrig genug, um was der Philister a sound business12 nennt zuzulassen. Sowie aber die geringste Vermehrung der Produktion eintritt, geht Baumwolle in die Höhe, weil keine in Liverpool ist. Also muß man fortfahren, short time13 zu arbeiten, selbst wenn Ordres da wären. Nun sind zwar Ordres da, aber von Plätzen, die die Intensität der Krise noch nicht gefühlt haben, und das wissen die Kommissionäre, also kaufen sie nicht; sie würden Schikanen ohne Ende haben und schlechte Schulden in den Kauf. » Der Markt heute wieder herunter. Garne, die 14 ä M1^ d. vtert waren, werden zu II1^ d. ausgeboten, und wer 103/4 d. bietet, bekommt sie. Die Indier sind aus dem Markt. Die Griechen sitzen mit Korn fest, darin machen sie fast alle, es ist ihre Hauptretour14 (von Galatz und Odessa). Die Deutschen können aus eben angeführten Gründen nicht kaufen. Die home trade Häuser haben ihren buyers16 Verboten, das Geringste anzukaufen. America out of the question.16 Italien laboriert am Fall aller seiner Rohprodukte. Noch 4 Wochen, und der Tanz wird hier sehr arg. Kleine Spinner und Fabrikanten fallen alle Tage. Mercks in Hamburg haben sich nur durch die 15 Mill. Regierungsvorschuß gehalten, und ihr Haus hier hat an einem Tage wenigstens Spinner, deren Rechnungen fällig waren, fortgeschickt. Der Hauptmann bei
7 sagen wir - 8 wahren, das heißt - 9 Krach -10 Vorrats -11 zum Leben notwendiger Dinge unverkäuflich - 12 ein gesundes Geschäft - 13 verkürzt - 14 Hauptrückfracht - 15 Einkäufern -16 Amerika steht außer Frage.
Mercks in Hamburg ist der Ex-Reicnsminister Dr. Ernst Merck, Jurist, aber Associe. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Auf Deinen Brief über Frankreich pp. hab' ich heut keine Zeit einzugehn, il faudrait trop reflechir17.
Dein F. E.
" er erforderte zuviel Nachdenken
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Engels an Marx in London
Manchester, 17.Dezbr. 1857
Lieber Marx, Die Krisis hält mich höllisch en haieine1. Alle Tage niedrigere Preise. Dazu kommt, daß sie uns näher auf den Pelz rückt. Mein Alter saß dieser Tage fest, wir mußten ihm Geld vorschießen. Ich denke indes nicht, daß es ernsthaft wird, das ist aber jetzt alles gleichgültig. Manchester kommt immer tiefer hinein. Der stetige Druck auf den Markt wirkt ganz enorm. Kein Mensch kann verkaufen. Jeden Tag hört man von niedrigeren Geboten, wer noch etwas Anstand hat, bietet seine Ware gar nicht mehr an. Unter den Spinnern und Fabrikanten sieht es greulich aus. Kein Garnagent verkauft den Fabriken mehr Garn zum Verweben außer gegen cash2 oder Sicherheit. Einzelne Kleine sind schon gepurzelt, das ist aber noch gar nichts.12341 Mercks sitzen total fest, hier wie in Hamburg, trotz der 2maligen starken Subventionen. Man erwartet, daß sie dieser Tage fallen. Nur außerordentliche Zufälle können sie retten. Das Hamburger Haus soll bei 4 a 5 Mill. Mk Banko Kapital für 22 Mill. liabilities3 haben (13 Mark = 1 £). Nach andern Berichten soll die Krisis das Kapital schon auf 600000 Mark zusammengeschmolzen haben. Wir kriegen noch 4 distinkte Krisen: 1. die Kolonialwaren, 2. Korn, 3. Spinner und Fabrikanten, 4. home Trade4 - diese erst im Frühjahr frühestens. In den Wolldistrikten fängt es jetzt schon an, und zwar ganz hübsch. Vergiß nicht, Dir die balance-sheets5 der Falliten zu notieren - Bennoch Twentyman, Reed in Derby, Mendes da Costa, Hoare Buxton etc. Alle sehr erbaulich. Deine Ansicht über Frankreich ist seitdem fast buchstäblich durch die Blätter bestätigt worden. Der crash® dort ist sicher und wird erst die mittelund norddeutschen Schwindler hineinbringen.
1 in Atem - 2 Bargeld - 3 Zahlungsverbindlichkeiten - 4 Binnenhandel - 5 Bilanzabschlüsse - 6 Krach
Die Verhandlungen über Macdoriald, Monteith, Stevens (L[ondon] and E[xchange] Bank) hast Du doch notiert? Die L[ondon] and EJxchange] Bank mit den borrowed notes7, die als security8 figurieren, sind das Großartigste, das ich je gelesen habe. Norddeutschland ist außer Hamburg fast noch gar nicht in die Krisis gezogen. Jetzt fängt's auch an. In Elberfeld ist Heimendahl (Seidendoublierer und Händler), in Barmen Linde & Trappenberg (small wäre Manufacturer9) falliert. Beides anständige Häuser. Die Norddeutschen haben soweit fast bloß noch Verluste gehabt; bei ihnen, wie hier, wirkt der momentan gesprengte Geldmarkt nicht so arg wie die in die Länge gezogne Unverkäuflichkeit der Waren. Wien kommt auch noch dran. Lupus gibt jetzt klein bei; wir haben recht gehabt. Der Jammer unter dem Proletariat fängt auch an. Vorderhand ist noch nicht viel Revolutionäres zu merken; die lange Prosperität hat furchtbar demoralisiert. Die Arbeitslosen in den Straßen betteln und bummeln bis jetzt noch. Garotte Robberies10 nehmen zu, doch nicht arg. Ich muß jetzt so viel herumlaufen unter Leuten, um die Krisis zu verfolgen, daß mir verdammt wenig Zeit zum Arbeiten für Dana bleibt. Inzwischen das muß auch besorgt werden. Was schreibt er? Und wie geht's mit der Zahlung dafür? Herzliche Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
Die Manchester Marktberichte stehn immer im Samstags- und Mittwochs-„Guardian". Heute geht ein ganzer Packen an Dich ab. Auch steht heute wieder eine Arbeiter-Statistik drin. Gratuliere zu der Prophezeiung wegen des Bankakts11.
7 geborgten Papieren - 8 Sicherheit - 9 Kurzwarenfabrikant -10 Raubüberfälle -11 siehe vorl. Band, S. 223
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Marx an Engels in Manchester
[London] Dez. 18. 57
Dear Frederick, Ich schreibe in aller Eile diese paar Zeilen. Ich habe eben 3te und letzte Warnung von dem lausigen Steuerkollektor erhalten, daß, wenn ich bis Montag nicht zahle, ich Montag nachmittag den broker1 ins Haus gesetzt bekomme. If, therefore2, möglich, schick mir einige Pfund bis Montag. Die Geldpressure3 ist jetzt bei mir größer noch wie usually4, weil ich seit about5 3 Wochen alles bar zahlen muß und anything like credit6 aufgehört hat, während gleichzeitig von dem Geld, das ich einnehme, immer gleich 2/3 zur Deckung schwebender debts7 fliegt. Dazu sind die Einnahmen sehr gering, da ich bisher der „Tribüne" nicht mehr als einen Artikel schicken kann. So far as to private matters.8. Ich arbeite ganz kolossal, meist bis 4 Uhr morgens. Die Arbeit ist nämlich eine doppelte: 1. Ausarbeitung der Grundzüge der Ökonomie.'2331 (Es ist durchaus nötig, für das Publikum au foody der Sache zu gehn und für mich, individually, to get rid of this nightmare10); 2. Die jetzige Krisis. Darüber - außer den Artikeln an die „Tribüne" — führe ich bloß Buch, was aber bedeutend Zeit wegnimmt. Ich denke, daß wir about Frühling zusammen ein Pamphlet über die Geschichte'2351 machen, als Wiederankündigung beim deutschen Publico - daß wir wieder und noch da sind, always the same11. Ich habe 3 große Bücher angelegt England, Germany, France. Die Geschichte über Amerika liegt alles Material in der „Tribüne". Man kann das später zusammenstellen. Übrigens ist es mir lieb, wenn Du möglicherweise den „Guardian" mir täglich schickst. Es verdoppelt die Arbeit und bringt Störung herein, wenn ich auf einmal eine ganze Woche oder so nachnehmen muß. In Frankreich werden (im Handel) die „Deutschen" - die man über
1 Pfändungsbeamten - 2 Wenn, deshalb - 3 der Geldmangel - 4 gewöhnlich - 5 ungefähr 6 jeglicher Kredit - 7 Schulden - 8 So weit über Privatangelegenheiten. - 9 auf den Grund 10 persönlich, diesen Alpdruck loszuwerden -11 immer dieselben
haupt jetzt anfangen muß zu achten -, speziell in Havre, den Tanz wohl eröffnen. Außerdem sieht es - abgesehn von der general rotteness12 des bankerotten Staats - im Handel selbst besonders faul aus in Marseille und Bordeaux, überall, wo die lausigen Crapauds1841 durch Beimischung und Einmischung fremder Elemente über ihre kleinliche lausige Knickerei und timidity13 herausgepeitscht worden sind. Au fond war nur in einem so immobilen Land ein Credit mobilier1541 möglich und notwendig. The more you become acquainted with „the Messias of nations", the less you like him.14 So oft Deine Zeit erlaubt, schreibe mir, da Du nachher doch all die so nötige „Chronique scandaleuse"10 der Krisis vergißt; ich ziehe aus Deinen Briefen aus und trage sie in die Hauptbücher ein. Salut. Besten Gruß an Lupus. Pieper hat die Genugtuung, daß sein ExPrinzipal Saalfeld, mit dessen Frau er so großen Krakeel hatte, has gone to the wall16. Dein K.M.
13 allgemeinen Fäulnis -13 Ängstlichkeit -14 Je mehr man mit dem „Messias der Nationen" bekannt wird, um so weniger liebt man ihn. - 16 „Skandalchronik" - 16 bankrott gemacht hat
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22. Dez. 57
Dear Frederick, Du hast mich siegreich den Klauen des Fiskus entrissen, und gelobet sei Dein Name - Hallelujah! Einhegend ein Brief (nebst einer Einlage) des großen Lassalle1236', der mir nun positiv anzeigt, daß er in der Tat seriously1 begonnen hat, durch seinen Ruhm in Berlin bekannt zu werden. Diese effusions2 einer schönen Seele werden Dich und. lupum ergötzen. Der brave Lassalle hat die Philosophie, den Heraklit'1041, getrieben wie den Hatzfeldtschen Prozeß'40' und schließlich seinen „Prozeß" gewonnen, wenn ihm zu glauben. Es scheint in der Tat, daß die Alten - Philologen und Hegelianer - überrascht waren, eine solche postume Blüte einer vergangnen Epoche wieder zu erleben. Doch wir werden das Ding selbst sehn und, obgleich ein geschenkter Gaul, ihm doch tief ins Maul gucken - on the express condition, of course3, daß der Heraklit nicht nach Knoblauch duftet. Fancy only this fellow going up and down the streets of Berlin and „asking for himself" strutting like a peacock, a stnde and a stand: biting his lips, with „a pohtical regard" as who should say: „This is the man who has written Heraclit."4 Vielleicht kann uns der Bursche nützlich sein zum Auftreiben von Buchhändlern, wenn er nicht etwa fürchtet, der Ruhm, den er auch auf dem ökonomischen Feld sucht, möchte durch die Konkurrenz leiden und so der „Prozeß" verlorengehn. Dem Friedländer habe ich durch Herrn Lassalle geantwortet, daß ich auch „anti-französisch", aber nicht minder „anti-englisch" bin und am allerwenigsten schreiben kann für „Lord Pam". Also ich habe die Sache abgeschlagen. Wenn der Friedländer mir die „Presse" schickt, so daß ich zuvor sehe, wes Geistes Kind sie ist, und wenn die Kerls einen bloßen
1 ernsthaft - 2 Ergüsse - 3 unter der ausdrücklichen Bedingung natürlich - 4 Stelle Dir nur diesen Burschen vor, wie er die Straßen Berlins auf und ab läuft und gespreizt wie ein Pfau „seinen Platz fordert": wie er sich die Lippen beißt, mit „einem politischen Blick", als wollte er sagen: „Das ist der Mann, der den Heraklit geschrieben hat."
wöchentlichen Money article0 von mir wollen, wofür sie dann natürlich blechen müßten, könnte ich allenfalls auf die Sache eingehn. Von Politics kann keine Rede in diesem case6 sein. Dem Lassalle habe ich kurz und kühl geschrieben.7 Ich hätte allerdings den Brief von Freiligr[ath] erhalten, aber .nicht geantwortet aus Gründen, die schwer schriftlich mitzuteilen seien. Sonst nur wenige Worte zugefügt. Schramm hat von Jersey an meine Frau geschrieben; äußerst witzigen Brief. Zur Strafe des Kosmos Leiden sind 3 seiner Kinder, 2 Töchter (darunter Frau Mevissen) an der Schwindsucht gestorben und einer seiner Buben auf dem Pacific8 ersoffen. „Reynolds" in der Nummer vom letzten Sonntag bedeutenden Angriff auf die apostates9, die union mit der middle class10 predigen. Bezieht sich auf Jones. Letztern Burschen habe ich lang nicht gesehn. Er scheint mich zu vermeiden und muß dafür „Grind" haben. Indes werde ich ihn doch überraschen - one fine morning11. Grüße Lupum. Dein K.M.
6 Artikel über Geldfragen - 6 Fall - ' siehe vorl. Band, S. 547/548 - 8 Stillen Ozean 9 Abtrünnigen -10 Mittelklasse - 11 eines schönen Morgens
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Marx an Engels in Manchester
[London] 25.Dez. 1857
Dear Frederick, Da es jetzt unsre erste Aufgabe ist, klar über die französischen Zustände zu werden, habe ich wieder durchgesehn meine sämtlichen Exzerpte über French commerce, industry and crises1, und bin zu einigen Resultaten gekommen, die ich Dir in der Kürze mitteilen will: 1. Englische, nordische und amerikanische Krisen haben in Frankreich niemals direkt eine „französische Krisis" hervorgebracht, sondern nur passive Wirkungen - chronische distress, limitation of production, Stagnation of trade, und general uneasiness2. Ursache: Frankreich hat die Handelsbilanz für sich gegen United States, Hanseatic towns3, England, Dänemark. Sie ist gegen es m Schweden und Norwegen, aber dies ist mehr als kompensiert durch Hamburg. Consequently4 können diese Krisen nie einen drain of bullion5, also feinen properly so-called monetary panic6 in Frankreich produzieren. Wenn die Bank dennoch, wie sie diesmal getan hat, den Zinsfuß heraufsetzt, geschieht es nur, um die Kapitalisten zu verhindern, ihr Geld vorteilhafter in jenen Ländern zu placieren. Solang der Export of bullion aber nicht notwendige Folge der Handelsbilanz, sondern nur der Gewinnsucht der profitmongers7, kann er mit Erfolg, wie Bonaparte jetzt wieder gezeigt, durch Gensdarmen verhindert werden. Hat das Land mit der günstigen Handelsbilanz keine langen Kredite gegeben, noch accumulated produce for the export to the centres of the crises8 - und beides widerstrebt der pedlarmäßigen8 Natur des französischen Fabrikanten und Kaufmanns -, so wird es Verluste zu tragen haben etc., aber keine akute Krisis. Der Schein des guten Glücks, mit dem Frankreich so davonkommt in der ersten Phase der general crisis10, hat auch Louis-Philippe getäuscht. In seiner
1 französischen Handel, Industrie und Krisen - 2 Flaute, Einschränkung der Produktion, Stagnation des Handels und allgemeine Unsicherheit-3 Hansestädte Folt/hch - 5 Abfluß von Edelmetall - 6 keine eigentliche sogenannte Geldpanik. - 7 Profitjäger - 8 Produkte angehäuft für den Export nach den Zentren der Krisen - u hausiererrnäßigen -10 allgemeinen Krise
Eröffnungsrede an die Kammern vor der Februarrevolution gratuliert er „la belle France" upon this privilege11. 2. Dies zugegeben, hat die erste Phase der Krisis schon schlimmer auf French industry und commerce12 gewirkt als je zuvor bei ähnlicher Gelegenheit. 3. Der erste Effekt der Krisis in Frankreich - agreeable to the nature of the crapaud13[841 - ängstlichste Einschränkung von Expenditure und business14. Daher Sammeln von Geld in der Bank von Frankreich gleichzeitig mit enormem Fall der Zirkulation in den Bank discounts15. Daher - verbunden mit dem Umstand, daß die Krisen immer im Herbst eintreffen, und daß jede französische Regierung am Schluß des Jahrs politische Unruhn fürchtet, sollte bei dem settlement der accounts16 der Zinsfuß hochstehn - Herabsetzung des Zinsfußes im Monat Dezember. Louis-Philippe ließ die Bank im Monat Dezember 1847 den Zinsfuß auf 4% herabsetzen. 4. Das Freiwerden von Kapital in commerce und industrie bringt zugleich hervor größre buoyancy17 an der Bourse18. Unter Boustrapa'441 dies noch mehr der Fall wie unter Louis-Philippe, weil er durch Dekret von 1852 die Bank gezwungen, advances on railway secunties und fonds19 und Credit foncier papiers zu machen und die vom Comptoir National d'escompte{231] diskontierten Schwindelbills20 wieder zu diskontieren, ebenso wie auf die securities21, auf die es vorgeschossen, ihm wieder vorzuschießen. Daher z.B. die hohen Kurse der französischen Railway shares und bonds22, obgleich die Receipts23 der französischen Eisenbahnen seit Ausbruch der englischen Krisen unverhältnismäßig mehr gefallen als die englischen. Z.B. Orleans receipt ist gefallen um 24% seit 29.Oktober bis 26.November, und seit der Zeit noch tiefer. Nichtsdestoweniger war Orleans quotiert am 22. Dezember auf 1355, während es stand 29. Oktober auf 2985. Es zeigt sich ebenso aus dem monthly report24 der Bank of France25 für Dezember, daß, während Discounts im Dezember gefallen um 94236520 fr. gegen Oktober und 49955500 gegen November, advances on Railway securities26 gestiegen sind. 5. Die eigentlich französische Krisis bricht erst aus, sobald die general crisis27 zu einer gewissen Höhe gediehn in Holland, Belgien, Zollverein,
11 „dem schönen Frankreich" zu diesem Privileg —12 französische Industrie und Handel 13 entsprechend der Natur des Crapauds — 14 Aufwand und Geschäft — 15 Diskontierungen - 16 Begleichen der Rechnungen — 17 steigende Tendenz — 18 Börse - 19 Vorschüsse auf Eisenbahnwertpapiere und Staatspapiere -20 Schwindelwechsel -21 Wertpapiere -22 Eisenbahnaktien und Schuldverschreibungen - 23 Einnahmen - 24 Monatsbericht - 25 Bank von Frankreich - 26 Vorschüsse auf Eisenbahnwertpapiere - 27 allgemeine Krise
Italien (Triest eingeschlossen), Levante und Rußland (Odessa); weil in diesen Ländern die Handelsbilanz bedeutend gegen Frankreich, also pressure28 direkt monetary panic29 in Frankreich bewirkt. Sobald es dann in Frankreich eingeschlagen, schlägt es d'une maniere vraiment admirable30 auf jene Länder zurück. Mit der Schweiz steht Frankreich auf demselben Fuß wie die U[nited] St[ates] mit England. Die temporäre Handelsbilanz stets für Frankreich. Da es aber äußerst verschuldet an die Schweiz, diese stets fähig, in Zeiten der Krisen heavily to draw upon it31. 6. Bricht die eigentlich französische Krisis los, dann der Teufel los mit dem security market32 und der security33 dieses Markts, dem Staat. (Dies wird auch teil upon34 England, das wieder in schönster Weise in foreign securities35 spielt at the present moment36.) Den Schwindel, den in Hamburg, England, Ujnited] St[ates] private Capitalists, hat in Frankreich der Staat selbst getrieben, und die französischen pedlars im trade37 waren alle gamblers38 an der Bourse. Schon der recoil39 der englisch-amerikanischen Krise brachte die Eisenbahnen to a dead-lock40. Was tat Herr Bonap[arte] ? Zwingt die Bank to become in fact railway contractor41 und den Kerls auf die bonds vorzuschießen, die sie durch settlement42 vom 30. November 1856 autorisiert sind zu issue43. Diese bonds betragen für 1858 about44 9 Millions £. Der Credit mobilier'541, der am 3. Dezember schon bis an die Ohren im Dreck stak, macht auch Anstalten, sich zu amalgamieren45 mit dem Credit foncier und dem Comptoir National d'escompte. Warum? Weil die letztern durch Gesetz berechtigt, advances49 auf ihre securities47 von der Bank zu erhalten und ihre discounts rediscounted43 zu haben. Also Boustrapas Plan offenbar, die Bank of France mit dem nicht von ihr beseßnen, sondern bsi ihr nur deponierten Kapital, das abfließen wird on the first signal given in the neighbouring countries49, zum Generalentrepreneur seiner sämtlichen Schwindeleien zu machen. Dies in fact sehr gut, um die Bank auch kaputt zu machen. Was übrigens Herrn Bona selbst nicht einfallen kann, ist, die calls der shareholders50 durch die Bank of France zahlen zu lassen. Diese calls betragen 1858 allein für französische Eisenbahnen nach dem settlement vom 30. November 1856 über 10 Mill. £. Sie belaufen sich auf wenigstens
28 Druck - 29 Geldpanik - 30 auf wahrhaft bewunderungswürdige Weise - 31 stark auf Frankreich zu ziehen - 32 Wertpapiermarkt - 33 Sicherheit - 34 sich auswirken auf - 35 ausländischen Wertpapieren - 36 im gegenwärtigen Augenblick - 37 Hausierer im Handel - 38 Spieler 39 Rückschlag - 40 zum Stillstand - 41 praktisch Eisenbahn-Kontrahent zu werden - 42 Vereinbarung - 43 auszugeben - 44 ungefähr - 45 verschmelzen - 46 Vorschüsse - 47 Wertpapiere 48 Wechseldiskontierungen rediskontiert-49 bei dem ersten in den Nachbarländern gegebenen Signal - 50 Raten (auf noch nicht voll bezahlte Aktien) der Aktienbesitzer
30 Mill. £ für alle Schwindelkonzerns, such as51: Mercantile and Industrial Co. of Madrid (Rothschilds), Französisch-Amerikanische Schiffskompagnie, Viktor-Emanuel-Eisenbahn, Herserange Eisenwerk-Co„ Östreichische Eisenbahn, Saragossa-Comp., Französisch-Schweizerische Eisenbahn, Lausanne-Fribourg railway, Nassau-Company, Societe Generale des Tanneries, Compagnie de la Carbonisation des Houilles, Chimay to Marienbourg railway, Lombardisch-Venetianische railway, Südamerikanische Steam Navigation Co. etc. Die Franzosen werden den Teufel fähig sein, diese calls zu zahlen. Außerdem die Germans, Hollanders, Swiss, die large holders of Fr[ench] securities52, verkloppen sie bei dem ersten serious alarm53, sei es in Frankreich oder pressure at home, at any price5i, auf der Pariser Bourse. So scheint Boustrapa 1858 schwerlich davonkommen zu können, es sei denn, daß er sich für längere Zeit durch den Belagerungszustand und Assignaten hält. Die ganze alte Scheiße ist im Arsch, und der bisher lächerlich-kühne Schwung, den der security market55 in England etc. genommen, wird auch ein Ende mit Schrecken nehmen.'2381 Salut. Dein K.M.
Pieper heut zum Besuch hier eingetroffen. Uber das Comptoir National d'escompte de Paris noch zu bemerken, daß dies Institut, eingerichtet von der provisorischen Regierung, um die Wechsel mit nur 2 Unterschriften und sonst geringer Qualität diskontierbar zu machen, 1851, gleich ein paar Tage nach dem Staatsstreich, von Boustrapa ermächtigt wurde, to make advances on Rentes Franfaises, les actions et obligations industrielles ou de credit constituees en societes anonymes56. In 1854-55 betrugen die Vorschüsse auf diese securities 940 000 £, in 1855-56 an 1 500 000 £. Außerdem erhielt es 1851 das Recht to establish un „Sous Comptoir des Chemins de Fer"57, dessen einziges business58 Vorschüsse auf railway-shares59 und bonds. Ende June 1852 seine advances60 520 0001., Ende 1852: 1 240 000 l.St, 1852-53 - 3 600 000 £; Ende 1854: 4 560 000, so daß about 9 X die advances von 1851. Es ist dies dasselbe
61 wie beispielsweise - 52 Deutseben, Holländer, Schweizer, die großen Besitzer französischer Wertpapiere - 53 ernsten Alarm - 54 Druck zu Hause, zu jedem Preis - 55 Wertpapiermarkt 56 Vorschüsse auf französische Rentenpapiere, Aktien und Obligationen von Industrie- oder Kreditaktiengesellschaften zu machen -57 ein „Unterkontor der Eisenbahnen" zu errichten 58 Geschäft - 59 Eisenbahnaktien - 60 Vorschüsse
schöne Geschäft, woran die Scotch Exchange Banfe 1846-47 den Hals brachen. Has Dr. Borchardt not yet suspended his payments?61 Ich hoffe, daß Du während der Manchester Aufregung und der Feiertage nicht zu viel kneipst und gehörige Rücksicht auf Deine Gesundheit nimmst. Besten Gruß an lupus. VVhat is friend Charley about? und old Hill?62
61 Hat Dr. Borchardt noch nicht seine Zahlungen eingestellt? ~62 Was macht Freund Charley (Charles Roesgen) ? und der alte Hill?
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Marx an Engels in Manchester
[London] 30. Dezember [1857]
Lieber Frederick, Die Lakhnau-Audh Affaire muß ich jedenfalls Friday (Ist of January)1 behandeln. Kannst Du bis übermorgen any article, however short2, darüber schicken? It would be extremely seasonable.3 Prost Neujahr I Dein K.M.
Einliegende Gratulationen soll Litpas erst Neujahrstag erhalten.
1 Freitag (1. Januar) - 2 irgendeinen Artikel, wie kurz auch immer - „Die Belagerung und Erstürmung Lakhnaus" - 3 Er käme äußerst gelegen.
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Engels an Marx in London
[Manchester] 3I.Dezember 1857
Lieber Mohr, Ich habe in der ganzen Stadt herumgesucht, um Zeitungen zu finden, die die Indian News1'1711 enthalten, meine „Guardians" darüber schickte ich Dir vorgestern. Weder beim „Guardian" noch „Ex[aminer] & T[imes]" kann ich die Nr. erhalten, und Belfield hat sie auch nicht mehr. Ich dachte, Du hättest diese Historie schon Dienstag abgemacht. Unter diesen Umständen kann ich den Artikel2 nicht machen, was mich um so mehr ärgert, als dies seit 4 Wochen der einzige Nachmittag ist, an dem ich es tun könnte, ohne dringende Geschäfte zu verbummeln. Laß mich in Zukunft Deine Absichten wegen militärischer Artikel so früh wie irgend möglich wissen, 24 Stunden Zeit ist viel grade jetzt für mich. Übrigens ist das Detail so schrecklich dürftig und alles so sehr auf telegraphische Depeschen von Khanpur nach Kalkutta basiert, daß es fast unmöglich ist, Kritik anzuwenden. Die einzigen Punkte sind diese. Von Khanpur bis Lakhnau (Alam Bagh) sind 40 miles - Havelocks Gewaltmärsche beweisen, daß 15 Meilen für Indien schon ein sehr starker Marsch auf längere Zeit ist. Colin sollte demnach, da er nur 2-3 Märsche vor sich hatte, jedenfalls am 3ten Tage von seinem Abmarsch von Khanpur vor Alam Bagh gewesen sein, with plenty of daylight still left to attack at once3. Hiernach ist Colins Marsch zu beurteilen, ich habe die Daten nicht im Kopf. 2. hatte er doch ca. 7000 Mann (man rechnete auf viel mehr, es muß also fürchterlich schlecht marschiert worden sein zwischen Kalkutta und Khanpur und viel Leute kaputtgegangen), und wenn er mit ca. 7000 Mann (inkl. der Garnison von Alam Bagh und Lakhnau) die Audhianer schlug, so ist das nichts Großes. An army of 5-7000 Englishmen has always been thought fully sufficient to go anywhere and do anything in the open field in
1 indischen Nachrichten - 2 „Die Belagerung und Erstürmung Lakhnaus" - 3 bei für einen sofortigen Angriff noth ausreichendem Tageslicht
India. That stamps the opponents at once.4 Dabei ist zu bedenken, daß die Audhianer, obwohl der kriegerischste Stamm des Gangestals, doch eben, weil sie nie unter direkt europäischer Organisation gestanden, an Disziplin, Kohäsion, Bewaffnung pp. weit unter den Sepoys standen. Daher war der Hauptkampf a running fight, that is to say a skirmishing engagement in which the Oudhians were pushed back from post to post. Now it is true the British are, with the Russians, the worst light infantry in Europe, but they have learnt something in the Crimae, and at all events they had this great advantage over the Oudhians that their line of skirmishers was properly and regularly supported by pickets and lines the whole under one individual Commander and cooperating towards a single end; while their opponents in the normal Asiatic manner, dispersed in irregulär Clusters, everyone pressing to the front, thus offering a sixfold aim to the British, having no regulär supports or reserves and each cluster commanded by its own clannish chief, acting independently of every other clan. For it must be repeated, up to now we have not heard in a single instance that any insurrectionary army in India had been properly constituted under a recognized chief.6 Andre Indikationen über den Charakter des Gefechts geben die Depeschen nicht, dazu fehlt alle Terrainbeschreibung, alle Details über Truppenverwendung, so daß ich absolut weiter (aus dem Gedächtnis, noch dazu) nichts sagen kann.12391 Wegen Frankreich hast Du in every particular6, soweit ich urteilen kann, recht. Auch dort ist der Verlauf bis jetzt normal. Hier im home Trade7 fängt die Geschichte jetzt an; die beiden Häuser in London, im Manchester Trade, gehören zu dieser Klasse. Das ist aber erst der Anfang; diese Sorte
4 Eine Armee von 5-7000 Engländern wurde bisher immer für völlig ausreichend gehalten, an jedem beliebigen Ort Indiens auf ungedecktem Terrain jede beliebige Kampfoperation durchzuführen. Dies kennzeichnet die Gegner sofort. -ö ein Rückzugsgefecht, d. h. ein Scharmützel, in dem die Audhianer von Stellung zu Stellung zurückgetrieben wurden. Es ist allerdings wahr, daß die Briten neben den Russen die schlechteste leichte Infanterie in Europa besitzen, aber sie haben einiges in der Krim gelernt, und sie hatten auf alle Fälle gegenüber den Audhianern diesen großen Vorteil, daß ihre Schützenlinie ordentlich und regulär durch Vorposten und Linientruppen unterstützt wurde, das Ganze unter einheitlichem Kommando stand und zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles zusammenwirkte, während ihre Gegner in der üblichen asiatischen Art, in ungeordnete Schwärme aufgelöst, wobei jeder einzelne zur Front drängte, auf diese Weise den Briten ein sechsfaches Ziel boten, ohne reguläre Unterstützungen oder Reserven blieben, jeder Schwärm unter dem Befehl eines eigenen Stammeshäuptlings stand und unabhängig von jedem anderen Stamm vorging. Denn es muß wiederholt werden, daß bisher noch kein einziger Fall bekannt ist, wo eine aufständische Armee in Indien in ordentlicher Weise unter einem anerkannten Häuptling gebildet worden wäre. - 6 allen Einzelheiten - 7 Binnenhandel
kann erst bedeutend hereingezogen werden, wenn der Druck 8-12 Monate gedauert hat. Mir scheint der Verlauf der ganzen Krise sich mehr an die von 1837/42 anzuschließen als an irgendeine andre - abgesehen von der famosen Allgemeinheit und umfassenden Natur der jetzigen. Augenblicklich schwindelt sich das Volk hier in dem Glauben the crisis is over8, weil die erste Phase, die Geldkrisis mit ihren unmittelbaren Folgen, vorüber ist. Au fond9 glaubt doch immer noch jeder einzelne Bourgeois, daß sein spezieller Geschäftszweig und namentlich sein eignes Geschäft thoroughly sound10 gewesen sei, und da sie so famose Standard Schwindler11 zur Vergleichung haben wie Monteith, Macdonald pp., so kommen sie sich natürlich äußerst tugendhaft vor. Trotz alledem wird das den Herrn Troost nicht dafür entschädigen, daß er ah seinen 35 000 Säcken Kaffee 2/3—3/4 seines Vermögens verliert, noch Herrn Senator Merck dafür, daß seine Ladungen und sonstigen Operationen zum Betrage von 22 Mill. Mk Banko sein ganzes Kapital auffressen werden. John Pondu, ein in den letzten 5 Jahren kolossal in die Höhe geschossener hiesiger Pilz aus Schottland hat mit 5 andern 7000 Ballen Seide schwimmen, an denen £300000 verloren werden. Alles das wickelt sich erst bis März und April ab, und die schweren Anstrengungen, den Produktenmarkt heraufzutreiben, werden an den einkommenden Schiffen regelmäßig scheitern. Es scheint jetzt Frost zu geben und Ostwind, so daß keine Schiffe herein können. Dauert dies 8-14 Tage, so gehen alle Produkte sicher herauf, um dann beim ersten Westwind, der eine ganze Flotte bringt, desto toller herunterzugehn. Voila ce qui s'appelle l'offre et la demande en temps de crise.12 Der Stock13 von Baumwolle in Liverpool fängt auch an sich zu häufen - 400000 Ballen bei heutiger Aufnahme, a rather more than average stock14. Kommt noch besser, und Cotton geht gegen das Frühjahr gewiß noch herunter, er ist jetzt wieder 1/2 d. gestiegen, weil de Jersey & Co. hier, die fast den ganzen russischen Markt versorgen, vorige Woche die Nachricht bekamen, daß die Annullierung aller ihrer nach Amerika gelegten Ordres noch rechtzeitig eingetroffen sei, und dann in Liverpool ca. 6000 Ballen einkauften. Das belebte den Markt, und diejenigen Spinner, die Geld hatten, gingen hin und kauften etwas, um sich zu den niedrigen Preisen zu decken. Dadurch wurden hier auch einige Häuser ängstlich, oder vielmehr couragiert, und kauften Garn und Gewebe ebenfalls, um den „niedrigsten Moment" nicht zu verpassen. Lange wird das nicht dauern; zunächst glaube ich, daß wir hier gelinde ups and downs15 bekommen, mit
8 die Krise ist vorüber - 9 Im Grunde -10 völlig gesund -11 Musterschwindler -12 So etwas nennt sich Angebot und Nachfrage in Zeiten der Krise. -13 Vorrat - 14 ein weitaus mehr als durchschnittlicher Vorrat -15 auf und ab gehende Bewegung
im ganzen fallender Tendenz, vielleicht auch etwas steigend, das ist nicht genau zu sagen, bis ein neuer Blitz irgendwo einschlägt. Jedenfalls kommt ein schlechtes Jahr für Spinner und Fabrikanten, schon aus Mangel an Nachfrage und Überfluß an Zufuhr. Stagnierender Druck, das ist das Gefährlichste für die hiesigen Bourgeois. Geldkrisen machen hier nicht viel, da alle Kredite äußerst kurz (14 Tage bis 6 Wochen) sind. Am Samstag war ich Fuchsjagen, 7 Stunden im Sattel. So eine Geschichte regt mich immer für ein paar Tage höllisch auf, es ist das großartigste körperliche Vergnügen, das ich kenne. Im ganzen field16 sah ich nur 2, die besser ritten als ich, sie hatten aber auch bessere Pferde. Das bringt meine Gesundheit schon auf den Strumpf. Wenigstens 20 Kerle fielen vom Pferd oder stürzten, 2 Pferde wurden ruiniert, 1 Fuchs getötet (ich war at the death17); Pech passierte sonst keins. Übrigens Waren die echten Fuchsjäger nicht mit, die reiten natürlich viel besser als ich. Die Geschichte an Lupus wird besorgt. Jetzt Prosit Neujahr für die ganze Familie auf das Krawalljahr 1858. Dein F.E.

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