SEGUNDA PARTE TOMO 17

Über den Krieg-XXXVII
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1854 vom 21. Januar 1871 ] Das war eine sehr unglückliche Woche für die französischen Waffen. Nach Chanzys Niederlage wurde Bourbakis Offensive vor Beifort zurückgeschlagen, und jetzt kommt die Schlappe dazu, die, nach preußischen Berichten, Faidherbe soeben vor St.Quentin erlitten hattl25). Über Bourbakis Niederlage kann kein Zweifel sein. Seit dem Scharmützel in Villersexel am 9. Januar hat er bei allen Bewegungen eine Langsamkeit gezeigt, die entweder von Unentschlossenheit auf Seiten des Generals oder von ungenügender Widerstandsfähigkeit auf Seiten der Truppen zeugt. Den Angriff auf die verschanzten Stellungen, die Werder zum Schutz der Belagerung von Beifort jenseits der Lisaine (oder nach anderen Karten Isel) vorbereitet hatte, begann Bourbaki nicht vor dem 15. und gab ihn am Abend des 17. als hoffnungslos auf. Zweifellos ist das Unternehmen mit ungenügenden Kräften durchgeführt worden. Das XV.Armeekorps war bei Nevers gelassen worden, vom XIX. haben wir seit einem Monat nichts gehört; die Truppen, die aus Lyon eingetroffen sind, beschränken sich auf ein Armeekorps, das XXIV. Wir hören jetzt, daß beträchtliche Verstärkungen nach Dijon geschickt werden, aber angesichts der erheblichen Verstärkungen, die auch der Gegner laufend erhält, werden sie Bourbaki nicht sofort in den Stand setzen, die Offensive wieder aufzunehmen. Man könnte fragen, ob Bourbaki seine jungen Truppen in einen Angriff auf verschanzte Stellungen hätte führen sollen, die mit Hinterladern verteidigt wurden; aber wir wissen bis jetzt wenig von den taktischen Bedingungen, unter denen der dreitägige Kampf stattfand; es ist möglich, daß Bourbaki nicht anders handeln konnte. Daß das preußische Hauptquartier nicht mit demselben verächtlichen Achselzucken auf Bourbakis Unternehmen sah wie die meisten Leute hier in London, erweist sich aus dem angespannten Eifer, mit dem es Gegen
maßnahmen ergriff. Diese Maßnahmen lassen keinen Zweifel darüber, daß Bourbakis Bewegung in Versailles bekannt war, als er seinen Marsch nach Osten begann, wenn nicht schon früher. Am 2. Januar erhielt das II.Korps den Befehl, von Paris in südöstlicher Richtung nach dem Becken der oberen Seine zu marschieren. Fast gleichzeitig verließ Zastrow mit der 13.Division die Umgegend von Metz, um nach Chatillon zu marschieren. Unmittelbar nach der Einnahme von Rocroi am 9., wurde die 14.Division (die von Zastrows VII.Korps übriggeblieben war) von Charleville nach Paris beordert; von da an folgt sie dem II.Korps; und bereits am 15. finden wir ihre Vorhut (ein Bataillon des 77. Regiments) bei Langres in ein Gefecht verwickelt. Gleichzeitig werden Landwehrtruppen eilig von Deutschland nach dem südlichen Elsaß geworfen. Manteuffel verdankt augenscheinlich sein neues Kommando keinem anderen Grund als dieser ersten ernsthaften Bewegung gegen den schwächsten Punkt der ganzen deutschen Linie.1 Wenn Bourbaki genügend Truppen aufgebracht hätte, Werder zu überrennen, so konnte er ihn in das Rheintal zurückwerfen, die Kette der Vogesen zwischen Werder und seine eigenen Truppen bringen und mit dem größeren Teil seiner Kräfte gegen jene deutschen Verstärkungen marschieren, die er dann hätte einzeln angreifen können, so wie sie aus den verschiedenen Richtungen herankamen. Er konnte bis zur Eisenbahn Paris—Straßburg vordringen; und es ist recht zweifelhaft, ob in diesem Fall die Einschließung von Paris hätte fortgesetzt werden können. Seine Niederlage beweist nichts gegen die Strategie seiner Bewegung; sie beweist nur, daß sie mit ungenügenden Kräften unternommen wurde. Der Schreiber dieser Artikel ist nach wie vor der Meinung, daß der kürzeste und sicherste Weg, Paris zu entsetzen, ein Angriff auf die Eisenbahnlinie Paris—Straßburg ist, die einzige durchgehende Eisenbahnlinie der Deutschen; denn wir wissen jetzt, daß die andere Linie, über Thionville und Mezieres, wegen der Sprengung eines Ardennentunnels noch unpassierbar ist und es für die nächste Zeit auch bleiben wird. Das ist, nebenbei gesagt, das zweitemal in diesem Kriege, daß die Zerstörung eines Tunnels eine Eisenbahnlinie für Monate unterbricht, während zerstörte Brücken und Viadukte stets in unglaublich kurzer Zeit wiederhergestellt worden sind. Was Chanzy anbetrifft, so hat er offensichtlich einen sehr großen Fehler gemacht, sich überhaupt auf eine regelrechte Schlacht einzulassen. Er muß von Bourbakis Bewegung wenigstens seit einem Monat gewußt haben; er muß gewußt haben, daß dies die eigentliche Bewegung zur Entsetzung von
Paris war und daß inzwischen das ganze Gewicht von Friedrich Karls Armee über ihn hereinbrechen konnte. Er war nicht gezwungen, eine Schlacht anzunehmen; im Gegenteil, er hätte seinen Gegner, weiter als für diesen gut war, weglocken können, und zwar durch einen langsamen Rückzug unter fortwährenden Nachhutgefechten, ähnlich jenen, durch die er im Dezember seinen Ruf begründete. Er hatte reichlich Zeit, seine Vorräte an sichere Plätze zu senden, und hatte auch die Wahl, sich entweder in die Bretagne mit ihren befestigten Seehäfen oder über Nantes in das Gebiet südlich der Loire zurückzuziehen. Überdies konnte ihm Friedrich Karl mit seiner gesamten Truppenmacht nicht sehr weit folgen. Ein solcher militärischer Rückzug würde auch unseren bisherigen Erfahrungen mit Chanzy eher entsprochen haben; und da er wissen mußte, daß die neuen Verstärkungen, die er erhalten hatte, vorläufig weder in Hinblick auf Ausrüstung, Bewaffnung noch Disziplin zu einem Hauptschlag fähig waren, müssen wir zu dem Schluß kommen, daß die Schlacht vor Le Mans nicht aus militärischen, sondern aus politischen Gründen geschlagen wurde und daß der hierfür verantwortliche Mann nicht Chanzy, sondern Gambetta ist. Chanzys jetziger Rückzug ist allerdings durch die vorangegangene Niederlage sehr erschwert; aber Chanzy zeichnet sich durch geschickte Rückzüge aus, und bisher scheinen die Sieger den Zusammenhalt seiner Armee nicht wesentlich gelockert zu haben, andernfalls würden sie wirkliche Beweise für ihre Behauptung beibringen, daß diese Armee „Spuren der Auflösung zeigt". Ob Chanzys Rückzug wirklich ein exzentrischer ist, ist nicht gewiß. Auf alle Fälle ist aus der Tatsache, daß sich ein Teil seiner Truppen nach Alen?on und ein anderer nach Laval zurückgezogen hat, nicht unbedingt zu schließen, daß der eine Teil auf die Halbinsel Cotentin nach Cherbourg und der andere in die Bretagne nach Brest getrieben wurde. Da die französische Flotte in wenigen Stunden von einem Hafen zum andern fahren kann, wäre sogar das kein ernstes Unglück. Das Gelände der Bretagne ist durch seine zahlreichen, dichtgepflanzten Hecken - dicht wie auf der Insel Wight, nur noch viel zahlreicher - für die Verteidigung ausgezeichnet geeignet, besonders für unerfahrene Truppen, deren Unterlegenheit dort kaum in Erscheinung treten wird. Friedrich Karl wird sich wahrscheinlich nicht in ein Labyrinth wagen, in dem die Armeen der Ersten Republik jahrelang gegen einen bloßen Bauernaufstand kämpften11261. Wir kommen bei der Beurteilung des ganzen Januarfeldzugs zu dem Schluß, daß die Franzosen überall verloren haben, weil sie zu viele verschiedene Dinge zur gleichen Zeit zu tun versuchten. Sie können nur dann zu gewinnen hoffen, wenn sie ihre Massen auf einen Punkt konzentrieren, auf
die Gefahr hin, an den anderen Punkten zeitweilig zurückgetrieben zu werden, wobei sie natürlich regelrechte Schlachten vermeiden müßten. Tun sie das nicht, und tun sie es nicht bald, so kann Paris als verloren betrachtet werden. Wenn sie aber nach diesem altbewährten Grundsatz handeln, können sie noch gewinnen, wie düster die Dinge heute auch für sie ausschauen mögen. Die Deutschen haben jetzt alle Verstärkungen erhalten, auf die sie für die nächsten drei Monate rechnen konnten, während die Franzosen in ihren Ausbildungslagern mindestens 200 000 bis 300 000 Mann haben müssen, die in dieser Zeit zum Kampf gegen den Feind bereit sein werden.
Über den Krieg - XXXVIII
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1858 vom 26. Januar 1871] Wir sind wieder in einer kritischen Periode des Krieges, die sich als die kritische Periode erweisen kann. Von dem Augenblick an, als bekannt wurde, daß die Regierung in Paris das Brot rationiert hat, konnte es keinen Zweifel mehr geben, daß der Anfang vom Ende gekommen war. Wie rasch daraufhin das Angebot der Übergabe folgen werde, war eine untergeordnete Frage. Wir nehmen demnach an, daß die Absicht besteht, den etwa 220 000 Belagerern ein belagertes Heer von etwa 500 000 Bewaffneten zu übergeben, und zwar zu allen Bedingungen, die die Belagerer vorzuschreiben belieben. Ob es möglich sein wird, das ohne neuen Kampf auszuführen, bleibt abzuwarten; auf keinen Fall könnte ein solcher Kampf die Lage der Dinge wesentlich ändern. Ob Paris noch weitere vierzehn Tage aushält oder ob es einem Teil dieser 500 000 Bewaffneten gelingt, sich einen Weg durch den Belagerungsring zu erzwingen, das wird den weiteren Kriegsverlauf nicht sehr beeinflussen. Wir können nicht umhin, in erster Linie General Trochu für diesen Ausgang der Belagerung verantwortlich zu machen. Er war gewiß nicht der Mann, aus den zweifellos ausgezeichnet geeigneten Leuten, die ihm unterstellt waren, eine Armee zu formen. Er hatte fast fünf Monate Zeit, aus seinen Männern Soldaten zu machen; aber sie scheinen am Ende der Belagerung nicht besser zu kämpfen als zu ihrem Beginn. Der letzte Ausfall Vom Valerien'1271 wurde mit weit weniger Schneid ausgeführt als der frühere über die Marne; viel davon war theatralische Aufmachung und nur wenig wahre Wut der Verzweiflung. Man wende nicht ein, die Truppen seien nicht fähig gewesen, die von kriegserprobten deutschen Soldaten bemannten Brustwehren zu stürmen. Warum waren sie es nicht? Fünf Monate sind genügend Zeit, um aus den Männern, die Trochu unterstanden, recht beachtliche Soldaten zu machen; es gibt für diesen Zweck keine besseren
Bedingungen als die Belagerung eines großen verschanzten Lagers. Ohne Zweifel hatten die Soldaten nach den Ausfällen im November und Dezember den Mut verloren - aber etwa darum, weil sie ihre Unterlegenheit gegenüber ihren Gegnern erkannten oder vielmehr darum, weil sie jedes Vertrauen in Trochus vorgebliche Entschlossenheit, den Kampf auszutragen, verloren hatten? Alle Berichte aus Paris schreiben den Mangel an Erfolgen übereinstimmend dem fehlenden Vertrauen der Soldaten zum Oberkommando zu. Das ist berechtigt. Wir dürfen nicht vergessen, daß Trochu Orleanist ist und als solcher in beständiger Furcht vor La Vdlette, Belleville und den anderen „revolutionären" Stadtvierteln von Paris lebt, die er mehr als die Preußen fürchtet. Das ist keine bloße Vermutung oder Schlußfolgerung unsererseits. Wir wissen es aus einer Quelle, die keinen Zweifel zuläßt: aus einem Brief, den ein Mitglied der Regierung1 aus Paris abgesandt hat und in dem festgestellt wird, Trochu sei von allen Seiten gedrängt worden, die Offensive energisch aufzunehmen, er habe sich aber beharrlich geweigert, weil ein solcher Weg Paris den „Demagogen" hätte in die Hände liefern können. Demnach scheint der Fall von Paris jetzt fast sicher zu sein. Es wird ein harter Schlag für die französische Nation sein, unmittelbar nach St.Quentin[1251, Le Mans[122! und Hericourt11211, und seine moralische Wirkung wird unter diesen Umständen sehr groß sein. Außerdem stehen im Südosten Ereignisse bevor, die diesen Schlag zu einem moralisch vernichtenden machen können. Bourbaki scheint in der Umgegend von Beifort in einer Weise zu zögern, die vermuten läßt, daß er die Lage, in der er sich befindet, durchaus nicht begreift. Das XXIV. Korps unter Bressolles war am 24. Januar noch in Blamont, etwa zwölf Meilen südlich von Montbeliard, dicht an der Schweizer Grenze; und selbst wenn wir annehmen, daß das Bourbakis Nachhut war, so ist nicht zu vermuten, daß die beiden anderen Korps, die er bei sich hatte, weit davon entfernt waren. Inzwischen hören wir, daß preußische Detachements schon am 21. in Dole die Eisenbahnlinie zwischen Besan§on und Dijon unterbrochen haben, daß sie seitdem St.Vit - eine andere, Besan^on nähere Station auf derselben Linie - besetzt haben und so Bourbakis Rückzug nach Lyon auf den schmalen Streifen zwischen dem Doubs und der Schweizer Grenze beschränken. Dies ist ein Gebiet von parallel verlaufenden Bergketten und Tälern, wo eine verhältnismäßig kleine Truppe viele Positionen finden kann, um den Rückzug einer derartigen Armee wie der Bourbakis aufzuhalten. Diese Detachements am Doubs sind vermutlich die 13.Division von Zastrows VII. Armeekorps oder
1 Jules Favre; siehe vorl. Band, S.493
vielleicht ein Teil von Franseckys II.Korps, das am 23. bei Dijon auftauchte. Das 60.Regiment, das mit dem 21. die 8.Brigade (oder 4.Brigade des II.Korps) bildet, wurde vor dieser Stadt von Garibaldi zurückgedrängt und verlor seine Fahnen. Da Garibaldi jedoch höchstens 15 000 Mann hat, wird er die Stadt nicht gegen die überlegenen Kräfte halten können, die sicher inzwischen dort angekommen sind. Er wird zurückgetrieben werden, und der preußische Vormarsch wird bis zum Doubs und darüber hinaus fortgesetzt werden. Wenn Bourbaki nicht inzwischen von den Beinen seiner Soldaten guten Gebrauch gemacht hat, wird er entweder mit seiner ganzen Armee in die Festung Besangon getrieben werden und dort das Spiel von Metz wiederholen, oder er wird in eine Ecke des Jura nahe der Schweizer Grenze gedrängt werden und sich gezwungen sehen, die Waffen diesseits oder jenseits der Grenze niederzulegen11281. Und sollte er auch mit dem Großteil seiner Truppen entkommen, so ist es doch fast sicher, daß zahlreiche Nachzügler, viel Gepäck und vielleicht auch Artillerie geopfert werden müßten. Nach dem dreitägigen Kampf bei Hericourt hatte Bourbaki keine Veranlassung, auch nur einen Tag länger in dieser ungedeckten Stellung nahe der Grenze zu bleiben, zumal preußische Verstärkungen gegen seine Verbindungen im Anmarsch waren. Seine Versuche, Beifort zu entsetzen, waren fehlgeschlagen; jede günstige Aussicht auf eine weitere Offensivbewegung in dieser Richtung war entschwunden; seine Stellung wurde täglich gefährdeter, und nichts als ein schneller Rückzug konnte ihn retten. Allem Anschein nach hat er auch das vernachlässigt, und wenn seine Unvorsichtigkeit zu einem zweiten Sedan führen sollte, wäre dieser Schlag für das französische Volk moralisch vernichtend. Wir sagen moralisch, denn materiell muß es nicht sein. Deutschland ist gewiß nicht so erschöpft, wie Gambetta vorgibt; immerhin aber entfaltet Deutschland in diesem Augenblick eine größere absolute und relative Stärke, als es sie in den kommenden Monaten von neuem entfalten kann. Für einige Zeit müssen die deutschen Kräfte abnehmen, während die französischen Kräfte sogar nach der Übergabe der Pariser Garnison und der Armee Bourbakis,falls es dazu kommen sollte, nichts daran hindert, wieder zuzunehmen. Die Preußen selbst scheinen jede Hoffnung aufgegeben zu haben, ganz Frankreich erobern und besetzen zu können; und solange der kompakte Block im Süden frei bleibt und im Norden der passive und gelegentlich auch aktive Widerstand (wie die Sprengung der Moselbrücke bei Toul) nicht aufgegeben wird, sehen wir nicht, wie Frankreich gezwungen werden könnte, sich zu ergeben - es sei denn, es wäre kriegsmüde geworden.
Über den Krieg - XXXIX
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1860 vom 28. Januar 1871] Nur zweimal seit Sedan haben die Operationen einer französischen Armee General Moltke ernstlich beunruhigt. Das erstemal war das etwa Mitte November, als die Loire-Armee nach der Niederlage von der Tanns in Coulmiers11021 nach links abschwenkte, um Paris von Westen her zu erreichen, und bis Dreux vorrückte. Damals traf Moltke mit einer Entschlossenheit, die einer solchen kritischen Situation angemessen war, Vorbereitungen zur sofortigen Aufhebung der Belagerung, falls der Großherzog von Mecklenburg mit allen zeitweiligen Verstärkungen, die ihm zu Hilfe gesandt worden waren, nicht stark genug sein sollte, den Vormarsch des Feindes aufzuhalten. Dieser Vormarsch wurde aufgehalten, und die Belagerung konnte fortgesetzt werden. Das zweitemal war es Bourbakis Marsch nach dem Osten, der die Ruhe im Hauptquartier von Versailles störte. Wie ernst diese Bewegung beurteilt wurde, zeigen uns die Maßnahmen, die sofort dagegen ergriffen wurden. Werders Truppen - das XIV. Korps und die Reservedivisionen von Tresckow und Schmehng - wurden sofort durch zwei weitere Korps verstärkt, wovon eins, nämlich das II., bereits am 2. Januar von Paris abmarschierte. Der Ton der offiziösen Mitteilungen wurde vorsichtig; am 11. machte die „Provinzial-Correspondenz"11291 auf die Tatsache aufmerksam, daß „im Osten Frankreichs bedeutende und entscheidende Schlachten bevorstehen", und daß Bourbaki beabsichtige, nach der Entsetzung Beiforts die preußische Verbindungslinie bei Nancy zu durchbrechen. Inoffizielle Korrespondenten sprachen sich, wenn auch stets zurückhaltend, etwas deutlicher aus; wir wollen nur einen von ihnen anführen: Wickede von der „Kölnischen Zeitung". Unmittelbar nach dem Treffen von Villersexel, in dem Werder seine Verbindungen mit Tresckows Truppen vor Beifort und seinen Rückzug dorthin gesichert hatte, sagte er:
„Daß die Franzosen Beifort nicht entsetzen können, dafür ist hinreichend gesorgt; und auch die Befürchtung, daß es ihnen vielleicht gelingen dürfte, über Chaumont nach Nancy oder einem anderen Punkte der Nancy-Pariser Eisenbahn durchzubrechen und uns dadurch manchen Schaden zuzufügen, die man vielleicht einige Tage nicht ganz ohne Grund hegen durfte, ist durch mehrere letzte glückliche Gefechte für wenigstens die nächste Zeit wieder aller Wahrscheinlichkeit nach beseitigt." Am 16. Januar schrieb er aus Nancy, daß, nachdem Manteuffel mit drei Divisionen jenseits Chätillon angekommen war, „jede Besorgnis, daß ein feindliches Korps sich dieser Stadt bemächtigen könne - die man vor einigen Tagen noch mit Recht1 hegen konnte - jetzt wieder gänzlich verschwunden ist". (Unmittelbar nach diesem Brief wird einer aus Baden angeführt, der mit den Worten beginnt: „Der Ernst der Situation vor Beifort ist nicht zu verkennen.") Aber Herr Wickede war zu weiteren Besorgnissen verurteilt, denn am folgenden Tage mußte er mitteilen, daß Nachrichten über die Besetzung von Flavigny (elf Meilen von Nancy) durch französische Truppen eingetroffen sind. Sofort wurden die Wachen verstärkt, starke Patrouillen ausgesandt und die zwanzig Lokomotiven auf dem Bahnhof unter Dampf gesetzt; Offiziere, Regierungsbeamte und andere Deutsche packten ihre Koffer und hielten sich zur sofortigen Abreise bereit. Man glaubte, die Truppen in Flavigny seien Garibaldis Vorhut; es stellte sich aber heraus, daß es ungefähr zwanzig Franktireurs aus den Vogesen waren, die bald wieder verschwanden. Aber die preußische Besatzung von Nancy war bis zum 19., als die Nachrichten von Bourbakis entscheidender Niederlage an der Lisaine eintrafen, noch nicht völlig beruhigt; und erst dann konnte Wickede endlich wieder seinen alten Ton anschlagen. Sollten die Franzosen nach all diesen Niederlagen nicht zu der Überzeugung kommen, daß weiterer Widerstand hoffnungslos ist? Das war die Meinung der unmittelbar Beteiligten über eine Operation, die nach ihrem Fehlschlag von der „Times" als einfach absurd abgetan wurde. Es konnten Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob die Operation mit genügenden Kräften unternommen worden war oder ob sich ein eventueller Erfolg schnell genug auswirken konnte, um Paris zu retten, bevor der Hunger die Übergabe erzwang, oder ob dies überhaupt die beste Richtung für einen Schlag gegen die deutschen Verbindungslinien war. Aber solch eine Bewegung, eine der wirksamsten, die der Strategie bekannt sind, als einfach absurd hinzustellen, das blieb den Moltkes der „Times" vorbehalten. Inzwischen hat Graf Moltke mit seiner gewöhnlichen Meisterschaft
1 mit Recht: in der „Pall Mall Gazette" englisch und deutsch
operiert. Es war zu spät, Werder noch vor Bourbakis Ankunft Verstärkungen zu schicken; Moltke wählte daher das beste, was er tun konnte, und konzentrierte seine Verstärkungen bei Chätillon, wo Manteuffel am 15. oder kurz vorher über drei Divisionen (die 3., 4. und 13.) verfügte, zu denen das 60. Regiment (des III. Korps) stieß, das vom Prinzen Friedrich Karl in der Umgebung zurückgelassen worden war. Wir dürfen annehmen, daß sich unterdessen auch die 14. Division Manteuffel angeschlossen hat. Jedenfalls hatte er auf seinem Vormarsch nach Süden wenigstens einundvierzig, wenn nicht dreiundfünfzig Bataillone unter sich. Mit diesen Truppen marschierte er zum Doubs, Dijon südlich liegenlassend, wo er Garibaldi durch einen Angriff am 23. bloß beschäftigte, aber augenscheinlich ohne die Absicht, seinen Vormarsch durch ernstliche Treffen mit Garibaldi zu verzögern oder die Stadt zu erobern. Im Gegenteil, er verfolgte beharrlich sein Hauptziel, Bourbaki den Rückzugsweg abzuschneiden. Nach den letzten Telegrammen wurde dieses Ziel fast erreicht. Seine Truppen hatten den Doubs überschritten und standen bei Quingey und Mouchard, wo die Eisenbahn von Dijon nach Pontarlier und der Schweiz die Linie Besan^on—Lyon kreuzt. Es bleibt noch eine gute Straße, auf der Bourbaki entkommen kann, aber sie führt über Champagnole, nur 25 Meilen von Mouchard entfernt, und kann gegenwärtig bereits besetzt sein. In diesem Fall würde Bourbaki nur die Landstraße übrigbleiben, die durch das Quellgebiet des Doubs führt, wo er schwerlich mit seiner Artillerie durchkommen kann; und sogar dieser Weg kann ihm abgeschnitten werden, bevor er außer Gefahr ist. Falls er die feindlichen Truppen nicht in einem Gebiet durchbrechen kann, das für die Verteidigung sehr günstig ist, so hat er nur die Wahl, sich unter den Schutz der Forts von Besan?on zurückzuziehen oder sich im offenen Felde zu ergeben - die Wahl zwischen Metz und Sedan sofern er sich nicht der Schweiz ausliefert. Es ist unbegreiflich, warum er so lange bei Beifort gezaudert hat, denn die letzten preußischen Telegramme melden, er stehe noch immer nordöstlich von Besan?on. Wenn er Werder nicht schlagen konnte, bevor Manteuffel ankam, wieviel weniger durfte er hoffen, es nachher zu können? Bourbaki hätte sich sofort nach seiner letzten Niederlage vor Beifort in eine sichere Stellung zurückziehen müssen. Warum er das nicht tat, ist völlig unerklärlich. Aber wenn ihm das Schlimmste zustoßen sollte, so müßte man nach seiner geheimnisvollen Reise von Metz nach Chislehurst[1301 und nach seiner Weigerung in Lille, der Republik die Ehrenbezeigung zu erweisen, die Loyalität des früheren Befehlshabers der Kaiserlichen Garde stark bezweifeln.
Über den Krieg - XL
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1864 vom 2. Februar 1871] Wenn wir dem jüngsten Telegramm aus Bern glauben sollen - und wir haben feeinen Grund, ihm nicht zu glauben so ist unsere Voraussage über das Schicksal von Bourbakis Armee1 eingetroffen. Es wird mitgeteilt, daß dem Schweizer Bundesrat offiziell gemeldet wurde, diese etwa 80 000 Mann starke Armee habe Schweizer Gebiet betreten, wo sie natürlich ihre Waffen niederlegen muß. Die genauen Stellen, an denen sich der Übertritt ereignet hat, sind nicht angegeben worden; es muß aber südlich von Blamont und nicht südlicher als Pontarlier geschehen sein. Die einzelnen Detachements werden die Grenze an verschiedenen Stellen passiert haben, das Gros der Truppen wahrscheinlich in Les Brenets, wo die Straße von Besanfon nach Neuchatel auf Schweizer Territorium übergeht. So ist wieder eine französische Armee verloren, wegen - um den mildesten Ausdruck zu gebrauchen - der Unentschlossenheit ihres Führers. Bourbaki mag ein schneidiger Offizier an der Spitze einer Division sein, aber der Mut, sich in einem entscheidenden Moment zum kühnen Entschluß zusammenzureißen, ist sehr verschieden von dem Mut, eine Division unter Feuer mit 6clat zu kommandieren; und wie vielen Menschen mit unbestreitbarem und glänzendem persönlichem Mut scheint Bourbaki die nötige moralische Stärke zu einem entscheidenden Entschluß zu fehlen. Spätestens am Abend des 17. Januar, als ihm sein Unvermögen, Werders Linie zu durchbrechen, völlig klar geworden war, hätte er sogleich einen Entschluß über sein weiteres Tun fassen müssen. Er hätte wissen müssen, daß sich seiner Rückzugslinie preußische Verstärkungen von Nordwesten her näherten, daß seine Stellung, mit einem siegreichen Feind vor sich und
einer langen Rückzugslinie dicht an einer neutralen Grenze hinter sich, äußerst gefährdet, daß sein Unternehmen unwiderruflich fehlgeschlagen und daß es unter diesen Umständen seine dringendste, ja, seine einzige Pflicht war, seine Armee zu retten. Mit anderen Worten, er mußte sich so rasch zurückziehen, wie es der Zustand seiner Armee erlaubte. Aber den Entschluß zum Rückzug zu fassen, durch die Tat einzugestehen, daß sein Unternehmen fehlgeschlagen war, scheint zuviel für ihn gewesen zu sein. Er vertrödelte seine Zeit auf dem Schauplatz seiner letzten Schlachten, unfähig vorzurücken, nicht gewillt, sich zurückzuziehen, und gab so Manteuffel Zeit, ihm den Rückzug abzuschneiden. Wäre er sofort abmarschiert und hätte er nur fünfzehn Meilen täglich zurückgelegt, so hätte er Besan^on am 20. und die Gegend von Dole am 21. erreicht, gerade um die Zeit, als dort die ersten Preußen auftauchten. Diese Preußen konnten nicht sehr stark sein, und selbst Bourbakis Vorhut hätte genügen müssen, sie, wenn nicht gänzlich zurückzutreiben, so doch auf das rechte oder westliche Ufer des Doubs zu verweisen. Das hätte genügt, Bourbakis Rückzugslinie zu sichern, besonders bei einem Gegner von der Qualität Manteuffels, der zwar solange einigermaßen richtig handelt, wie die Ausführung von Moltkes Befehlen auf keinen Widerstand stößt, aber sofort unter das Niveau der Mittelmäßigkeit sinkt, sobald dieser Widerstand Ansprüche an seine eigenen Geisteskräfte stellt. Es ist einer der seltsamsten Punkte des zwischen Bismarck und Jules Favre zustande gekommenen Dokuments11311, daß die vier Departements, in denen Bourbaki und Garibaldi operieren, nicht in den allgemeinen Waffenstillstand einbezogen wurden, sondern daß die Preußen sich faktisch das Recht vorbehalten, hier den Kampf so lange fortzusetzen, wie es ihnen beliebt. Das ist eine unerhörte Bedingung, die mehr als alles andere zeigt, daß der Eroberer in echt preußischer Manier jedes Zugeständnis erpreßt hat, das zu erpressen ihm seine augenblickliche Überlegenheit gestattete. Der Waffenstillstand gilt für den Westen, wo Friedrich Karl findet, daß er lieber nicht über Le Mans hinausgehen sollte, er gilt für den Norden, wo Goeben durch Festungen aufgehalten wird, aber nicht für den Südosten, wo Manteuffels Vormarsch ein zweites Sedan in Aussicht stellte. Als Jules Favre dieser Bedingung zustimmte, willigte er in Wirklichkeit in die Auslieferung Bourbakis an die Preußen oder an die Schweiz ein, mit dem einzigen für ihn vorteilhaften Unterschied, daß er die Verantwortung dafür von seinen Schultern auf die Bourbakis schob. Alles in allem sind die Übergabebedingungen von Paris ein unerhörtes Dokument. Als sich Napoleon bei Sedan ergab, lehnte er es ab, sich in Ver
Handlungen einzulassen, die über seine eigene Kapitulation und die seiner Armee hinausgingen; als Gefangener sei er außerstande, die Regierung und Frankreich zu binden. Wenn aber Herr Jules Favre Paris und die Pariser Armee übergibt, läßt er sich auf Bedingungen ein, die das übrige Frankreich binden, obgleich er in genau derselben Lage ist wie Napoleon in Sedan. Ja, in einer noch schlimmeren. Napoleon stand fast bis zum Tage seiner Kapitulation in unbehinderter Verbindung mit dem übrigen Frankreich; Herr Jules Favre hatte fünf oder sechs Wochen lang nur selten Gelegenheit zu erfahren, was außerhalb von Paris vor sich ging. Informationen über die militärische Lage jenseits der Forts konnte er bloß von Bismarck erlangen,undan Hand dieser einseitigen Berichte, die ihm der Feind geliefert hatte, wagte er zu handeln. Herr Jules Favre hatte die Wahl zwischen zwei Übeln. Er konnte so handeln, wie er gehandelt hat, einen dreiwöchigen Waffenstillstand nach dem Diktat des Feindes schließen und die wirkliche Regierung von Frankreich, die von Bordeaux'861, daran binden. Oder er konnte sich weigern, für das übrige Frankreich zu handeln und Bismarck anbieten, nur für Paris allein zu unterhandeln; sollten die Belagerer Schwierigkeiten machen, konnte er ebenso vorgehen wie der Kommandant von Pfalzburg: die Tore öffnen und die Eroberer zum Einmarsch auffordern. Der zweite Weg hätte weit mehr im Interesse seiner Würde und seiner Zukunft als Politiker gelegen. Die Regierung in Bordeaux wird mit dem Waffenstillstand und der Wahl einer Nationalversammlung einverstanden sein müssen. Sie hat kein Mittel, die Generale zur Ablehnung des Waffenstillstands zu zwingen; sie wird es sich überlegen, Zwietracht unter das Volk zu säen. Den vielen vernichtenden Schlägen, welche die Franzosen in der letzten Zeit erhalten haben, fügt Bourbakis Übertritt in die Schweiz einen weiteren hinzu. Wie wir in Vorwegnahme des Ereignisses schon erklärt haben1, glauben wir, daß dieser Schlag, unmittelbar nach der Übergabe von Paris, so niederschmetternd auf die geistige Verfassung der Nation wirkt, daß Frieden geschlossen werden wird. Was Frankreichs materielle Hilfsquellen anbelangt, so sind sie von der Erschöpfung so weit entfernt, daß der Kampf noch monatelang fortgesetzt werden könnte. Es gibt eine auffallende Tatsache, die zeigt, wie riesig die Schwierigkeiten einer vollständigen Eroberung Frankreichs sind. Prinz Friedrich Karl hatte nach siebentägigem Kampf Chanzys Armee in völliger Auflösung zurückgetrieben. Mit Ausnahme von
ein paar Brigaden blieben keine Truppen zurück, um ihm Widerstand zu leisten. Vor ihm lag ein reiches und verhältnismäßig wenig erschöpftes Gebiet. Und doch bricht er seinen Marsch in Le Mans ab und setzt ihn darüber hinaus nur mit der Vorhut und nur auf kurze Entfernung fort. Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir nichts anderes erwartet haben1; denn es kommt der Wahrheit sicher sehr nahe, daß bei der Eroberung eines großen Landes die Schwierigkeiten der Besetzung geometrisch wachsen, während der Umfang des besetzten Gebiets arithmetisch zunimmt. Wir glauben übrigens, daß die wiederholten Fehlschläge des Januarfei dzugs die geistige Verfassung der Nation so stark erschüttert haben, daß die vorgeschlagene Nationalversammlung nicht nur zusammentreten, sondern auch Frieden schließen wird; und so werden mit dem Ende des Krieges auch diese Artikel „Uber den Krieg" ein Ende finden.
Die militärische Lage in Frankreich
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1869 vom 8. Februar 1871] Wenn die Reihe von Fehlschlägen der französischen Waffen in dem Januarfeldzug, die Niederlagen Faidherbes und Chanzys, der Fall von Paris, Bourbakis Niederlage und Übertritt auf Schweizer Gebiet - wenn alle diese niederschmetternden Ereignisse, die sich in der kurzen Zeit von drei Wochen ereigneten, erwarten ließen, daß der Widerstandsgeist in Frankreich gebrochen sei, so ist es jetzt nicht unwahrscheinlich, daß die Deutschen durch ihre übertriebenen Forderungen'1311 diesen Geist aufs neue wecken. Wenn das Land durch den Frieden ebenso völlig ruiniert werden soll wie durch den Krieg, warum dann überhaupt Frieden schließen? Die besitzenden Klassen, die städtische Bourgeoisie und die größeren Landbesitzer sowie ein Teil der Kleinbauern bildeten bisher die Friedenspartei; von ihnen durfte man erwarten, daß sie Friedensdeputierte in die Nationalversammlung wählen würden. Aber wenn solche unerhörten Forderungen aufrechterhalten werden, so könnte sich der Schrei nach Krieg bis aufs Messer aus ihren Reihen ebenso erheben wie aus denen der Arbeiter in den großen Städten. Jedenfalls dürfen wir keine Möglichkeit übersehen, die nach dem 19. Februartl32] zu einer Wiederaufnahme des Krieges führen könnte, zumal da die Deutschen selbst, sofern wir der heutigen „Daily News" glauben dürfen, mit der Entwicklung der Dinge nicht so zufrieden sind, daß sie von ernsthaften Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten absehen. Wir wollen deshalb noch einmal einen Blick auf die militärische Lage in Frankreich werfen. Die siebenundzwanzig französischen Departements, die gegenwärtig von den Preußen besetzt sind, umfassen eine Fläche von 15 800 000 Hektar mit einer Bevölkerung (ohne die noch nicht bezwungenen Festungen) von etwas weniger als 12 500 000 Menschen. Frankreich hat insgesamt eine
Bodenfläche von 54 240 000 Hektar mit einer Bevölkerung von 37 382 000. Folglich sind in runden Zahlen 38 500 000 Hektar mit einer Bevölkerung von 25 000 000 noch nicht erobert - volle zwei Drittel der Bevölkerung und bedeutend mehr als zwei Drittel des Landes. Paris und Metz, deren Widerstand das weitere feindliche Vorrücken so lange behindert hat, sind freilich gefallen. Das noch nicht eroberte Gebiet enthält keine verschanzten Lager ausgenommen Lyon die dieselbe Rolle wie diese beiden Festungen spielen könnten. Etwas weniger als 700 000 Franzosen (ohne die Nationalgarde von Paris) sind gefangengenommen oder in der Schweiz interniert. Aber es gibt andere Umstände, die diesen Mangel ausgleichen, selbst wenn die drei Wochen Waffenstillstand nicht genutzt werden sollten,neue verschanzte Lager zu schaffen, wozu reichlich Zeit vorhanden wäre. Der größte Teil des noch nicht eroberten französischen Gebiets liegt südlich der Linie Nantes — Besan^on; er bildet einen kompakten Block, der von drei Seiten durch Meere oder neutrale Grenzen gedeckt ist und nur an seiner nördlichen Grenzlinie dem feindlichen Angriff offenliegt. Hier liegt die Stärke des nationalen Widerstands; hier sind die Menschen und die Mittel zu finden, die den Krieg führen können, falls er wieder aufgenommen wird. Um dieses ungeheure Rechteck von 450 mal 250 Meilen gegen einen verzweifelten regulären und irregulären Widerstand der Bevölkerung zu erobern und zu besetzen, würden die gegenwärtigen Kräfte der Preußen nicht genügen. Die Übergabe von Paris wird, wenn vier Armeekorps als Besatzung dieser Hauptstadt zurückgelassen werden, neun Divisionen freisetzen; Bourbakis Übergabe setzt Manteuffels sechs Liniendivisionen frei; zusammen also fünfzehn Divisionen oder 150 000 bis 170 000 Soldaten für Feldoperationen zusätzlich zu Goebens vier und Friedrich Karls acht Divisionen. Aber Goeben hat reichlich im Norden zu tun, und Friedrich Karl hat durch sein Steckenbleiben in Tours und Le Mans gezeigt, daß seine Offensivkraft völlig erschöpft ist, so daß für die Eroberung des Südens nur die genannten fünfzehn Divisionen übrigbleiben, während auf etliche Monate hinaus keine weiteren Verstärkungen zu erwarten sind. Diesen fünfzehn Divisionen werden die Franzosen anfangs vorwiegend neue Formationen entgegenstellen müssen. Bei Nevers und Bourges standen das XV. und das XXV. Korps; in derselben Gegend muß das XIX.Korps gestanden haben, von dem wir seit Anfang Dezember nichts mehr gehört haben. Dann gibt es noch das XXIV. Korps, das Bourbakis Zusammenbruch entronnen ist, und Garibaldis Truppen, die kürzlich auf 50 000 Mann verstärkt worden sind, aber aus welchen Truppenteilen und aus welchen Lagern, wissen wir nicht. Im ganzen sind es etwa dreizehn oder vierzehn
Divisionen, vielleicht auch sechzehn, aber quantitativ wie qualitativ gänzlich ungenügend, den Vormarsch der neuen Armeen aufzuhalten, die ihnen mit Sicherheit entgegengeschickt werden, wenn der Waffenstillstand ablaufen sollte, ohne daß Frieden geschlossen worden ist. Aber die drei Wochen Waffenstillstand geben nicht nur diesen französischen Divisionen die Zeit, sich zu festigen; sie werden auch den mehr oder weniger frischen Aushebungen, die sich jetzt in den Ausbildungslagern befinden und von Gambetta auf 250 000 Mann geschätzt werden, die Möglichkeit geben, wenigstens die besten ihrer Bataillone zu brauchbaren Korps zu formieren, die fähig sein werden, sich mit dem Feind zu messen. Wenn also der Krieg wiederaufgenommen würde, wären die Franzosen in der Lage, jeden ernsten Einfall nach dem Süden abzuwehren, vielleicht nicht unmittelbar an der Loire-Grenzlinie oder weit nördlich von Lyon, aber doch an Punkten, wo die Anwesenheit des Feindes ihre Widerstandskraft nicht wesentlich schwächen wird. Natürlich gibt der Waffenstillstand reichlich Zeit, die Ausrüstung, Disziplin und Moral von Faidherbes und Chanzys Armeen wiederherzustellen, ebenso die aller andern Truppen in Cherbourg, Le Havre usw. Die Frage ist nur, ob die Zeit entsprechend genutzt werden wird. Während so die Stärke der Franzosen an Quantität wie an Qualität beträchtlich zunehmen wird, werden die Deutschen wahrscheinlich überhaupt keine Verstärkung erhalten. In dieser Beziehung würde der Waffenstillstand für die französische Seite von Vorteil sein. Aber außer dem kompakten Block des südlichen Frankreichs sind die beiden Halbinseln - Bretagne mit Brest und Cotentin mit Cherbourg noch nicht erobert, ebenso die beiden nördlichen Departements mit ihren Festungen. Auch Le Havre ist ein noch nicht eroberter, gut befestigter Platz an der Küste. Jeder dieser vier Distrikte hat mindestens einen gut befestigten, sicheren Ort an der Küste für eine zurückweichende Armee. Somit kann also die Flotte, die augenblicklich nichts, absolut gar nichts zu tun hat, die Verbindungen zwischen dem Süden und all diesen Plätzen aufrechterhalten und Truppen von einem Platz zum andern, je nachdem, wie es gerade erforderlich ist, transportieren und es einer geschlagenen Armee plötzlich ermöglichen, die Offensive mit überlegenen Kräften wiederaufzunehmen. Solange also diese vier westlichen und nördlichen Distrikte in gewissem Grade unangreifbar sind, bilden sie ebensoviele schwache Stellen in den Flanken der Preußen. Die gegenwärtige Gefahrenlinie der Franzosen reicht von Angers bis Besanfon; aber die der Deutschen erstreckt sich darüber hinaus von Angers über Le Mans, Rouen und Amiens bis zur belgischen 17*
Grenze. Vorteile, die auf dieser Linie über die Franzosen errungen werden, können niemals entscheidend werden, vorausgesetzt, daß letztere nur ein wenig gesunden Menschenverstand beweisen; aber alle hier über die Deutschen errungenen Vorteile können unter gewissen Umständen von entscheidender Bedeutung sein. Das ist die strategische Lage. Bei sinnvoller Ausnutzung der Flotte können die Franzosen mit ihren Truppen im Westen und Norden so manövrieren, daß sie die Deutschen zwingen, dort weit überlegene Verbände zu unterhalten, und somit jene Truppen schwächen, die zur Eroberung des Südens ausgesandt werden sollen, das zu verhindern die Hauptaufgabe der französischen Kräfte wäre. Wenn sie ihre Armeen mehr als bisher zusammenziehen und andererseits zahlreichere kleine Partisanentrupps aussenden, können die Franzosen mit ihren vorhandenen Truppen bessere Resultate erzielen. Es scheinen viel mehr Truppen in Cherbourg und Le Havre zu stehen, als zur Verteidigung nötig sind. Und die ausgezeichnet durchgeführte Zerstörung der Brücke von Fontenoy bei Toul, im Zentrum des vom Eroberer besetzten Gebiets, zeigt, was kühne Partisanen vollbringen können. Wenn der Krieg nach dem 19. Februar überhaupt wiederaufgenommen werden soll, muß er wirklich ein Krieg bis aufs Messer werden, ein Krieg wie der Spaniens gegen Napoleon I.1741, ein Krieg, in dem noch so viele Erschießungen und Brandschatzungen den Widerstandsgeist nicht brechen können.
Bourbakis Katastrophe
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1878 vom 18. Februar 1871] Der Korrespondent des „Standard" gibt uns endlich einen Augenzeugenbericht über die Ereignisse in Bourbakis Armee während ihres unglückseligen Januarfeldzugs. Der Korrespondent befand sich bei General Cremers Division, die auf dem Vormarsch die äußerste Linke und auf dem Rückzug die Nachhut bildete. Sein Bericht, obgleich natürlich einseitig und voller Ungenauigkeiten über Dinge, die sich nicht unter seinen Augen ereignet haben, ist sehr wertvoll, weil er bisher unbekannte Tatsachen und Daten liefert und somit diese Phase des Krieges besser beleuchtet. Bourbakis Armee, 133 000 Mann mit 330 Geschützen, verdiente, wie es scheint, kaum die Bezeichnung Armee. Die Liniensoldaten, die leidliche Offiziere hatten, waren physisch den Mobilgarden unterlegen, dagegen hatten diese kaum einige Offiziere, die auch nur mit den Anfangsgründen ihres Dienstes vertraut waren. Die aus der Schweiz eingelaufenen Berichte bestätigen das; wenn sie über die physische Beschaffenheit der Truppen noch ungünstiger berichten, dürfen wir nicht die Wirkung eines einmonatigen Feldzugs bei Hunger und Kälte vergessen. Die Ausrüstung mit Kleidung und Schuhen scheint nach allen Berichten jämmerlich gewesen zu sein. Eine Intendantur oder auch nur eine einfache Organisation, die mit etwas Ordnung und Regelmäßigkeit Requisitionen und die Verteilung der so beschafften Nahrung durchgeführt hätte, scheint so gut wie ganz gefehlt zu haben. Von den viereinhalb beteiligten Korps sind drei (das XV., XVIII. und XX.) bereits am 5. Dezember unter Bourbakis Kommando gestellt worden; bald danach muß der Plan, nach Osten zu marschieren, beschlossen worden sein. Bis zum 5. Januar waren seine sämtlichen Bewegungen bloße Konzentrationsmärsche, die vom Feind nicht gestört wurden; sie waren demnach
kein Hindernis, die Organisation dieser Armee zu verbessern - ganz im Gegenteil. 1813 bildete Napoleon seine Neuausgehobenen auf dem Marsch nach Deutschland zu Soldaten aus. Bourbaki hatte einen vollen Monat Zeit, das zu tun; wenn danach seine Truppen in dem beschriebenen Zustand auf den Feind stießen, so kann er daran unmöglich ohne Schuld sein. Er hat keine Fähigkeit als Organisator bewiesen. Nach dem ursprünglichen Plan sollten vier Kolonnen auf Beifort marschieren: eine ostwärts des Doubs durch den Jura, um Montbeliard und die preußische Linke anzugreifen oder zu umgehen; eine zweite das Flußtal entlang, um den Feind frontal anzugreifen; eine dritte auf einem weiter westlichen Weg über Rougemont und Villersexel gegen die feindliche Rechte; und Cremers Division sollte von Dijon über Lure an der preußischen Rechten vorbei vorstoßen. Aber das wurde geändert. Die ersten drei Kolonnen rückten sämtlich auf dem einen Weg durch das Tal vor, wodurch - wie behauptet wird - fünf Tage verlorengingen, in denen Werder Verstärkungen erhielt, und wodurch die ganze Armee, auf eine einzige Rückzugslinie geworfen, wiederum Zeit verlor und so von Lyon abgeschnitten und gegen die Schweizer Grenze getrieben wurde. Nun ist es ganz klar, wenn man ungefähr 120000 Mann, die überdies so locker organisiert waren wie diese, in eine Kolonne und auf eine einzige Marschlinie bringt, müssen Verwirrung und Verzögerung entstehen; aber es ist nicht so sicher, ob dieser Fehler tatsächlich in dem hier angegebenen Maß begangen wurde. Nach allen vorangegangenen Berichten kamen Bourbakis Truppen vor Beifort in einer breiten Front an, die sich von Villersexel bis zur Schweizer Grenze erstreckte, was dafür spricht, daß die verschiedenen, im ursprünglichen Plan genannten Wege benutzt worden waren. Aber was immer der Grund gewesen sein mag, die Verzögerung trat ein und war der Hauptgrund der Niederlage bei Hericourt[121]. Das Treffen von Villersexel fand am 9. Januar statt. Villersexel ist etwa zwanzig Meilen von der preußischen Stellung in Hericourt entfernt. Es kostete Bourbaki fünf Tage - bis zum Abend des 14. -, seine Truppen vor dieser Stellung so in Front zu bringen, daß sie zum Angriff am nächsten Morgen bereit waren! Das bezeichneten wir bereits in einem früheren Artikel als den ersten großen Fehler in diesem Feldzug1, und wir sehen jetzt aus dem Bericht des Korrespondenten, daß dies auch von Cremers Offizieren erkannt wurde, noch ehe die Schlacht von Hericourt begann. In diesen drei Tagen kämpften 130 000 Franzosen gegen 35 000 bis
40 000 Deutsche und konnten ihre verschanzte Stellung nicht erobern. Bei einer solchen zahlenmäßigen Überlegenheit waren die kühnsten Flankenbewegungen möglich. 40 000 bis 50 000 Mann, entschlossen in den Rücken der Deutschen geworfen, während der Rest sie frontal beschäftigte, hätten kaum verfehlt, sie aus ihrer Stellung hinauszutreiben. Aber statt dessen wurde nur die Front - die verschanzte Front der Stellung - angegriffen, und dadurch entstanden ungeheure und nutzlose Verluste. Die Flankenangriffe wurden so schwach ausgeführt, daß eine einzige deutsche Brigade (die Kellers) nicht nur genügte, sie auf dem rechten Flügel zurückzuschlagen, sondern außerdem noch imstande war, Frahier und Chenebier in Schach zu halten und so ihrerseits die Franzosen zu überflügeln. Bourbakis junge Truppen waren so vor die schwerste Aufgabe gestellt, die es für einen Soldaten in der Schlacht geben kann, während die eigene zahlenmäßige Überlegenheit es ihnen leicht gemacht hätte, die Stellung durch taktische Manöver zu erobern. Aber wahrscheinlich hatten die Erfahrungen der letzten fünf Tage Bourbaki davon überzeugt, daß es nutzlos sei, von seiner Armee Beweglichkeit zu erwarten. Nachdem am 17. Januar der Angriff endgültig abgewehrt war, erfolgte der Rückzug nach Besanfon. Daß dieser Rückzug hauptsächlich auf dem einen Weg durch das Doubstal stattgefunden hat, ist wahrscheinlich; wir wissen aber auch, daß sich große Teile der Armee auf anderen Wegen, näher der Schweizer Grenze, zurückgezogen haben. Am Nachmittag des 22. kam die Nachhut unter Cremer jedenfalls in Besanfon an. Folglich müßte die Vorhut dort bereits am 20. eingetroffen sein und bereitgestanden haben, am 21. gegen die Preußen zu marschieren, die am gleichen Tage Dole erreichten. Aber nein, es wurde keine Notiz von ihnen genommen, ehe Cremer angelangt war, der sogleich, nachdem er aus der Nachhut zur Vorhut geworden war, ausgesandt wurde, um die Preußen am 23. bei St. Vit zu treffen. Am nächsten Tage wurde Cremer nach Besanfon zurückbeordert; zwei Tage wurden durch Unentschlossenheit und Untätigkeit vergeudet, bis Bourbaki am 26., nachdem er Musterung über das XVIII. Korps gehalten hatte, einen Selbstmordversuch machte. Dann beginnt ein ungeordneter Rückzug in Richtung Pontarlier. Aber an diesem Tage waren die Deutschen in Mouchard und Salins näher an der Schweizer Grenze als die Flüchtenden und schnitten ihnen den Rückzug faktisch ab. Das war kein Wettrennen mehr; die Deutschen konnten gemächlich alle Ausgänge der Längstäler besetzen, durch die ein Entkommen noch möglich war, während andere Truppen die Franzosen im Rücken bedrängten. Dann folgte das Treffen bei Pontarlier, das der geschlagenen französischen Armee ihre Lage zu
Bewußtsein brachte; das Ergebnis davon waren die Konvention von Les Verrieres und der Ubertritt dieser ganzen Armee auf Schweizer Gebiet[13S1. Das ganze Verhalten Bourbakis vom 15. bis zum 26. Januar scheint zu beweisen, daß er jedes Vertrauen zu seinen Truppen und infolgedessen auch jedes Vertrauen zu sich selbst verloren hatte. Warum er den Marsch seiner Kolonnen bei Besan^on bis zu Cremers Ankunft aufschob und so jede Möglichkeit zum Entkommen verpaßte; warum er Cremers Division, die beste der Armee, zurückrief, unmittelbar nachdem er sie aus Besan^on zum Treffen mit den Preußen gesandt hatte, die den direkten Weg nach Lyon sperrten; warum er danach weitere zwei Tage versäumte, wodurch die in Besan9on verlorene Zeit auf volle sechs Tage verlängert wurde - all das ist nicht anders zu erklären, als daß Bourbaki jene Entschlossenheit fehlte, welche die allererste Eigenschaft eines selbständigen Befehlshabers ist. Es wiederholt sich die alte Geschichte der Augustkampagne. Und es ist merkwürdig, daß dieses sonderbare Zögern sich wieder bei einem vom Kaiserreich übernommenen General zeigt, während keiner der Generale der Republik - was auch sonst ihre Fehler gewesen sein mögen - eine solche Unentschiedenheit gezeigt oder eine solche Strafe dafür erlitten hat.
Karl Marx
An den Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei"341
London, 2. August 1870
Freunde! Zunächst meinen Dank für den ausführlichen Bericht über die Arbeiterpartei in Deutschland! Ich habe ihn dem Generalrat sofort mitgeteilt. Die verlangte Arbeit über die grundeigentümlichen Verhältnisse in Deutschland mußte wegen absolutem Zeitmangel einstweilen unterbleiben!135'. Den auf dem Braunschweiger Meeting erlassenen Aufruf (v. 16. Juli1 1870) habe ich - wie Ihr aus dem von mir vorige Woche zugeschickten Manifest des Generalrats ersehen haben werdet - stellenweise diesem Manifeste einverleibt2... Der Generalrat kann nach § 3 der Statuten11361 den Kongreßtermin nicht aufschieben. Er würde jedoch unter den gegenwärtigen außerordentlichen Umständen die Verantwortlichkeit eines solchen Schrittes auf sich nehmen, wenn er dazu die nötige Unterstützung seitens der Sektionen fände. Es wäre daher wünschenswert, daß uns in diesem Sinne ein motivierter Antrag offiziell von Deutschland zuginge.
Nach der gekürzten Veröffentlichung in: W.Bracke, „Der Braunschweiger Ausschuß der social-demokratischen Arbeiter-Partei in Lotzen und vor dem Gericht", Braunschweig 1872, S. 154.
1 Bei Bracke irrtümlich: 24. Juli - 2 siehe vorl. Band, S.6
Karl Marx/Friedrich Engels
[Über Karl Blind1'3711]
Der Artikel sollte nicht mit „Prinz N[apoleon] etc." überschrieben sein, sondern mit „Ich". Für jede einzelne Verwendung des Namens Pr[inz] Nap[oleon] wird das Pronomen „Ich" mindestens zwanzigmal gebraucht, abgesehen von dessen abgewandelten Fällen und abgeleiteten Formen. Was in diesem Artikel über Pr. Nap. gesagt wird, ist schon des öfteren gedruckt worden, und was über das „Ich" gesagt wird, darüber wurde in England ach schon so viel berichtet, gedruckt und veröffentlicht, wie die Besitzer und Herausgeber von eingegangenen und bestehenden Sonntags blätter n zu ihrem Leidwesen wissen. Ihrer Vorwände beraubt, bringt die Zeitung eine neue Version der alten Geschichte des Herrn Blind: Wie Karl Blind durch verschiedene widrige Umstände leider verhindert war, den Lauf der Geschichte zu verändern. Zuerst kommt die oft wiederholte Legende, mit der er vor allem hausieren geht, wie er von der sterbenskranken provisorischen Regierung des süddeutschen Aufstands von 184911381 in diplomatischer Mission angeblich zu der damaligen Regierung der Französischen Republik, in Wirklichkeit jedoch zu der revolutionären Regierung Ledru-Rollin geschickt worden sei, die, wie man erwartete, in Kürze durch eine Volksbewegung eingesetzt werden würde. Doch o weh! Die Regierung, die ihn geschickt hatte, wurde von den Preußen ohne viel Federlesens ins Schweizer Exil gejagt und die Demonstration vom 13.Juni, welche die Regierung, bei der er wirklich akkreditiert war, einsetzen sollte, wurde ebenso ohne viel Federlesens auseinandergejagt^1391. Er hatte das Glück, von einer reichlich grotesken Mission, mit der er von einer toten Regierung an eine ungeborene Regierung beauftragt worden war, durch die bestehende französische Regierung befreit zu werden, die ihn am 13.Juni bei der „friedlichen" Demonstration der erregten Pariser Nationalgarde verhaftete und schließlich des Landes verwies. Wäre die Regierung, die ihn geschickt hatte, am Leben geblieben,
und wäre die Regierung, zu der er in Wirklichkeit geschickt wurde, ins Leben gerufen worden, was hätte Karl Blind nicht alles tun können! Dadurch, daß er sich von irgend jemand in Baden an irgend jemand in Paris eine Mission besorgte, hat Blind es auf „diplomatische Weise" verstanden, der leisesten Möglichkeit einer riskanten Begegnung mit der herannahenden preußischen Armee auszuweichen. Auf alle Fälle hat er etwas getan.1 Im Jahre 1870, bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges, bestand wieder die Möglichkeit, daß Italien sich mit Frankreich verbünden könnte. Doch Karl Blind war auf der Wacht. „Hätte König V[iktor] E[manuel] etc." (Seite 519). Doch wieder handelte es sich um die Mission einer nicht bestehenden Regierung an eine andere nicht bestehende Regierung. Louis-Napoleon weigerte sich, Rom Viktor Emanuel zu überlassen. Dadurch zwang er letzteren, die von den Franzosen besetzte Stadt zu nehmen und machte so auch ein Bündnis zwischen Italien und Frankreich unmöglich.[1401 Wieder wurden die Dienste und Angebote des Karl Blind, was sie auch immer wert gewesen sein mögen, abgelehnt. Und so mußte sich dieser ewige Diplomat in partibus[101, anstatt den Lauf der Geschichte zu verändern, mit dem „wärmsten Dank" Mazzinis begnügen. Unwillkürlich muß man sich dabei an den Prahlhans erinnern, der, als er in einen Krawall verwickelt wurde, ausrief: „Haltet mich zurück, Freunde, sonst werde ich eine furchtbare Tat vollbringen." Zum Unglück für die Welt, doch vielleicht zum Glück für Herrn Karl Blind hindert ihn immer dann, wenn er im Begriffe ist, in den Vordergrund des historischen Geschehens zu treten, irgendein ungünstiger Umstand daran, jene „furchtbare Tat" zu vollbringen, die ihn unsterblich machen sollte. Hoffen wir, daß dies die letzte gelahrte Abhandlung zumindest in englischer Sprache ist, die Karl B. über K. B. für K. B. geschrieben hat.
Geschrieben zwischen 22. und 30. August 1870. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Diese beiden letzten Sätze hat Marx geschrieben. Auf der ersten Seite der Engelsschen Handschrift schrieb Marx noch eine andere Variante an den Rand: „Dadurch, daß er rechtzeitig diese Scheinmission ins Ausland übernahm, hat Blind es verstanden, jeder Begegnung mit den damals in Baden einfallenden preußischen Truppen auszuweichen,"
Karl Marx/Friedrich Engels [Brief an den Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei11 m\
... Die Militärkamarilla, Professorschaft, Bürgerschaft und Wirtshauspolitik gibt vor, dies1 sei das Mittel, Deutschland auf ewig vor Krieg mit Frankreich zu schützen. Es ist umgekehrt das probateste Mittel, diesen Krieg in eine europäische Institution zu verwandeln. Es ist in der Tat das sicherste Mittel, den Militärdespotismus in dem verjüngten Deutschland zu verewigen als eine Notwendigkeit zur Behauptung eines westlichen Polens, des Elsaß und Lothringens. Es ist das unfehlbarste Mittel, den kommenden Frieden in einen bloßen Waffenstillstand zu verwandeln, bis Frankreich so weit erholt ist, um das verlorene Terrain herauszuverlangen. Es ist das unfehlbarste Mittel, Deutschland und Frankreich durch wechselseitige Selbstzerfleischung zu ruinieren. Die Sch... und N...2, welche diese Garantien für den ewigen Frieden entdeckt haben, sollten doch aus der preußischen Geschichte wissen, aus Napoleons Pferdekur im Tilsiter Frieden[1431, wie solche Gewaltmaßregeln zur Stillmachung eines lebensfähigen Volkes gerade das Gegenteil des beabsichtigten Zweckes bewirken. Und was ist Frankreich, selbst nach Verlust von Elsaß und Lothringen, verglichen mit Preußen nach dem Tilsiter Frieden! Wenn der französische Chauvinismus, solange die altstaatlichen Verhältnisse dauern, eine gewisse materielle Rechtfertigung hatte in der Tatsache, daß seit 1815 die Hauptstadt Paris und damit Frankreich nach wenigen verlorenen Schlachten preisgegeben war - welche neue Nahrung wird er nicht erst saugen, sobald die Grenze östlich an den Vogesen und nördlich an Metz liegt?
1 die von Preußen geplante' Annexion Elsaß-Lothringens - 2 Randbemerkung von Engels: Schufte und Narren
Daß die Lothringer und Elsasser die Segnungen deutscher Regierung wünschen, wagt selbst der .. -1 Teutone nicht zu behaupten. Es ist das Prinzip des Pangermanismus und „sicherer" Grenzen[144], das proklamiert wird und das von östlicher Seite zu schönen Resultaten für Deutschland und Europa führen würde! Wer nicht ganz vom Geschrei des Augenblicks übertäubt ist oder ein Interesse hat, das deutsche Volk zu übertäuben, muß einsehen, daß der Krieg von 1870 ganz so notwendig einen Krieg zwischen Deutschland und Rußland im Schöße trägt, wie der Krieg von 1866 den Krieg von 1870. Ich sage notwendig, unvermeidlich, außer im unwahrscheinlichen Falle eines vorherigen Ausbruches einer Revolution in Rußland. Tritt dieser unwahrscheinliche Fall nicht ein, so muß der Krieg zwischen Deutschland und Rußland schon jetzt als un fait accompli (eine vollendete Tatsache) behandelt werden. Es hängt ganz vom jetzigen Verhalten der deutschen Sieger ab, ob dieser Krieg nützlich oder schädlich. Nehmen sie Elsaß und Lothringen, so wird Frankreich mit Rußland Deutschland bekriegen. Es ist überflüssig, die unheilvollen Folgen zu deuten. Schließen sie einen ehrenvollen Frieden mit Frankreich, so wird jener Krieg Europa von der moskowitischen Diktatur emanzipieren, Preußen in Deutschland aufgehen machen, dem westlichen Kontinent friedliche Entwicklung erlauben, endlich der russischen sozialen Revolution, deren Elemente nur eines solchen Stoßes von außen zur Entwicklung bedürfen, zum Durchbruch helfen, also auch dem russischen Volke zugute kommen. Aber ich fürchte, die Sch... und N... werden ihr tolles Spiel ungehindert treiben, wenn die deutsche Arbeiterklasse nicht en masse ihre Stimme erhebt. Der jetzige Krieg eröffnet dadurch eine neue weltgeschichtliche Epoche, daß Deutschland bewiesen hat, daß es selbst mit Ausschluß von DeutschÖsterreich fähig ist, umabhängig vom Auslande, seine eigenen Wege zu gehen. Daß es zunächst seine Einheit in der preußischen Kaserne findet, ist eine Strafe, die es reichlich verdient hat. Aber ein Resultat ist selbst so unmittelbar gewonnen. Die kleinlichen Lumpereien, wie z.B. der Konflikt zwischen nationalliberalen Norddeutschen und volksparteilichen Süddeutschen [145], werden nicht länger nutzlos im Wege stehen. Die Verhältnisse werden sich auf großem Maßstab entwickeln und vereinfachen. Wenn die
1 Randbemerkung von Engels: enragierteste
deutsche Arbeiterklasse dann nicht die ihr zukommende historische Rolle spielt, ist es ihre Schuld. Dieser Krieg hat den Schwerpurakt der kontinentalen Arbeiterbewegung von Frankreich nach Deutschland verlegt. Damit haftet größere Verantwortlichkeit auf der deutschen Arbeiterklasse. ..
Geschrieben zwischen 22. und 30. August 1870. Nach der ersten Veröffentlichung in dem Flugblatt „Manifest des Ausschusses der social-demokratischen Arbeiterpartei" vom 5. September 1870.
Karl Marx Zweite Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg1"161
An die Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation in Europa und den Vereinigten Staaten In unserm ersten Manifest vom 23. Juli sagten wir: „Die Totenglocke des zweiten Kaiserreichs hat bereits in Paris geläutet. Es wird enden, wie es begonnen: mit einer Parodie. Aber vergessen wir nicht, daß es die Regierungen und die herrschenden Klassen Europas waren, die es Louis Bonaparte ermöglichten, 18 Jahre lang die grausame Posse der Restauration des Kaiserreichs zu spielen."1 Also schon bevor die Kriegsoperationen begonnen hatten, behandelten wir die bonapartistische Seifenblase als ein Ding der Vergangenheit. Wir haben uns nicht über die Lebensfähigkeit des zweiten Kaiserreichs getäuscht. Wir hatten auch nicht unrecht in unsrer Befürchtung, der deutsche Krieg werde „seinen streng defensiven Charakter verlieren und in einen Krieg gegen das französische Volk ausarten"2. Der Verteidigungskrieg endete in der Tat mit der Ergebung Louis-Napoleons, der Kapitulation von Sedan und der Proklamation der Republik in Paris. Aber schon lange vor diesen Ereignissen, schon in demselben Augenblick, wo die gänzliche Fäulnis der bonapartistischen Waffen zur Gewißheit wurde, entschloß sich die preußische Militärkamarilla zur Eroberung. König Wilhelms eigne Proklamation im Anfange des Kriegs lag zwar als häßliches Hindernis in ihrem Weg. In seiner Thronrede an den Norddeutschen Reichstag hatte er feierlich erklärt, Krieg zu führen nur gegen den Kaiser der Franzosen und nicht gegen das französische Volk. Am 1 I.August hatte er ein Manifest an die französische Nation erlassen, worin er sagte3:
„Der Kaiser Napoleon hat die deutsche Nation, die gewünscht hat und noch immer wünscht, mit dem französischen Volk in Frieden zu leben, zu Wasser und zu Land
1 Siehe vorl. Band, S.5 -2 siehe vorl. Band, S.6 - 3 (1870) fehlten dieser Satz und das Zitat aus dem Manifest König Wilhelms
angegriffen; ich habe den Befehl über die deutsche Armee übernommen, um seinen Überfall zurückzuweisen, und ich bin durch militärische Vorkommnisse dahin gebracht worden, die Grenzen Frankreichs zu überschreiten."11"^ Nicht zufrieden damit,den „rein defensiven Charakter" des Kriegs zu behaupten durch die Angabe, daß er nur den Oberbefehl über die deutschen Armeen übernommen, „am Überfälle zurückzuweisen1, fügte er noch bei, er sei nur „durch militärische Vorkommnisse dahin gebracht", die Grenzen Frankreichs zu überschreiten. Ein Verteidigungskrieg schließt natürlich Angriffsoperationen nicht aus, diktiert durch „militärische Vorkommnisse".1 Demnach hatte also dieser gottesfürchtige König sich vor Frankreich und der Welt verpflichtet zu einem rein defensiven Krieg. Wie ihn befreien von diesem feierlichen Versprechen? Die Bühnenregisseure mußten ihn darstellen, als gebe er widerwillig einem unwiderstehlichen Gebot der deutschen Nation nach; der liberalen deutschen Mittelklasse mit ihren Professoren, ihren Kapitalisten, ihren Stadtverordneten, ihren Zeitungsmännern gaben sie sofort das Stichwort. Diese Mittelklasse, welche in ihren Kämpfen für die bürgerliche Freiheit von 1846-1870 ein nie dagewesenes Schauspiel von Unschlüssigkeit, Unfähigkeit und Feigheit gegeben hat, war natürlich höchlichst entzückt, die europäische Bühne als brüllender Löwe des deutschen Patriotismus zu beschreiten. Sie nahm den falschen Schein staatsbürgerlicher Unabhängigkeit an, um sich zu stellen, als zwinge sie der preußischen Regierung auf - was? die geheimen Pläne eben dieser Regierung. Sie tat Buße für ihren jahrelangen und fast religiösen Glauben an die Unfehlbarkeit Louis Bonapartes, indem sie laut die Zerstückelung der französischen Republik forderte. Hören wir nur einen Augenblick den plausiblen Vorwänden dieser kernhaften Patrioten zu! Sie wagen nicht zu behaupten, daß sich das Volk von Elsaß-Lothringen nach deutscher Umarmung sehne: gerade das Gegenteil. Um seinen französischen Patriotismus zu züchtigen, wurde Straßburg, eine Festung, beherrscht von einer selbständigen Zitadelle, sechs Tage lang zwecklos und barbarisch mit „deutschen" Explosivgeschossen bombardiert, in Brand gesetzt und eine große Anzahl verteidigungsloser Einwohner getötet. Jawohl! der Boden dieser Provinzen hatte vor langer Zeit dem längst verstorbnen deutschen Reich angehört. Es scheint daher, daß das Erdreich und die Menschen, die darauf erwachsen sind, als unverjährbares deutsches Eigentum konfisziert werden müssen. Soll die alte Karte von Europa einmal
1 (1870) fehlte dieser Absatz; der folgende bis einschließlich der Worte „der deutschen Nation nach" wurde 1870 gekürzt wiedergegeben
umgearbeitet werden nach dem historischen Recht, dann dürfen wir auf keinen Fall vergessen, daß der Kurfürst von Brandenburg seinerzeit für seine preußischen Besitzungen der Vasall der polnischen Republik war.'1181 Die schlauen Patrioten jedoch verlangen Elsaß und Deutsch-Lothringen als eine „materielle Garantie" gegen französische Überfälle. Da dieser verächtliche Vorwand viele schwachsinnige Leute verwirrt gemacht hat, fühlen wir uns verpflichtet, näher darauf einzugehn. Es ist unzweifelhaft, daß die allgemeine Gestaltung des Elsaß, zusammen mit der des gegenüberliegenden Rheinufers, und die Gegenwart einer großen Festung wie Straßburg, ungefähr halbweg zwischen Basel und Germersheim, einen französischen Einfall nach Süddeutschland sehr begünstigt, während sie einem Einfall von Süddeutschland nach Frankreich eigentümliche Schwierigkeiten entgegenstellt. Es ist ferner unzweifelhaft, daß die Annexion von Elsaß und Deutsch-Lothringen Süddeutschland eine weit stärkere Grenze geben würde; es würde dann Herr sein über den Kamm der Vogesen in ihrer vollen Länge und über die Festungen, welche deren nördliche Pässe decken. Wäre Metz auch annexiert, so würde Frankreich gewiß für den Augenblick zweier hauptsächlicher Operationsbasen gegen Deutschland beraubt sein, aber das würde es nicht verhindern, neue bei Nancy oder Verdun zu errichten. Deutschland besitzt Koblenz, Mainz, Germersheim, Rastatt und Ulm, lauter Operationsbasen gegen Frankreich, und hat sich ihrer in diesem Kriege reichlich bedient; mit welchem Schein von Berechtigung könnte es den Franzosen Metz und Straßburg mißgönnen, die einzigen beiden bedeutenden Festungen, die sie in jener Gegendbesitzen? Überdies gefährdet Straßburg Süddeutschland nur, solange dieses eine von Norddeutschland getrennte Macht ist. Von 1792-1795 wurde Süddeutschland nie von dieser Seite angegriffen, weil Preußen am Kriege gegen die französische Revolution teilnahm; aber sobald als Preußen 1795 seinen Separatfrieden'1491 machte und den Süden sich selbst überließ, begannen die Angriffe auf Süddeutschland, von Straßburg als Basis, und dauerten fort bis 1809. In Wirklichkeit kann ein vereinigtes Deutschland Straßburg und jede französische Armee im Elsaß unschädlich machen, wenn es alle seine Truppen zwischen Saarlouis und Landau konzentriert, wie in diesem Krieg geschehn, und vorrückt oder eine Schlacht annimmt auf dem Wege von Mainz nach Metz. Solange die Hauptmasse der deutschen Truppen dort steht, ist jede von Straßburg nach Süddeutschland einrückende Armee umgangen und in ihren Verbindungen bedroht. Wenn der jetzige Feldzug irgend etwas gezeigt hat, so die Leichtigkeit, Frankreich von Deutschland aus anzugreifen.
Aber ehrlich gesprochen, ist es nicht überhaupt eine Ungereimtheit und ein Anachronismus, wenn man militärische Rücksichten zu dem Prinzipe erhebt, wonach die nationalen Grenzen bestimmt werden sollen? Wollten wir dieser Regel folgen, so hätte Osterreich noch einen Anspruch auf Venetien und die Minciolinie und Frankreich auf die Rheinlinie, zum Schutz von Paris, welches sicherlich Angriffen von Nordosten mehr ausgesetzt ist als Berlin von Südwesten. Wenn die Grenzen durch militärische Interessen bestimmt werden sollen, werden die Ansprüche nie ein Ende nehmen, weil jede militärische Linie notwendig fehlerhaft ist und durch Annexion von weiterm Gebiet verbessert werden kann; und überdies kann sie nie endgültig und gerecht bestimmt werden, weil sie immer dem Besiegten vom Sieger aufgezwungen wird und folglich schon den Keim eines neuen Kriegs in sich führt. Das ist die Lehre aller Geschichte: Es ist mit Nationen wie mit einzelnen. Um ihnen die Möglichkeit des Angriffs zu entziehn, muß man sie aller Verteidigungsmittel berauben. Man muß sie nicht nur an der Kehle fassen, sondern auch töten. Wenn jemals ein Eroberer „materielle Garantien" nahm, um die Kräfte einer Nation zu brechen, so war es Napoleon I. durch seinen Vertrag von Tilsit'1431 und die Art und Weise, wie er ihn gegen Preußen und das übrige Deutschland durchführte. Und dennoch, einige Jahre später brach seine gigantische Macht wie ein verfaultes Schilfrohr vor dem deutschen Volk. Was sind die „materiellen Garantien", die Preußen in seinen wildesten Träumen Frankreich aufzwingen kann oder darf, im Vergleich zu denen, welche Napoleon I. ihm selbst abzwang? Der Ausgang wird diesmal nicht weniger unheilvoll sein. Die Geschichte wird ihre Vergeltung bemessen nicht nach der Ausdehnung der von Frankreich abgerissenen Quadratmeilen, sondern nach der Größe des Verbrechens, daß man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Politik, der Eroberungen aufs neue ins Leben gerufen hat. Die Wortführer des deutschtümlichen Patriotismus sagen: Aber ihr müßt nicht die Deutschen mit den Franzosen verwechseln. Wir wollen nicht Ruhm, sondern Sicherheit. Die Deutschen sind ein wesentlich friedliebendes Volk. In ihrer besonnenen Obhut verwandelt sich sogar die Eroberung aus einer Ursache künftigen Kriegs in ein Pfand ewigen Friedens. Natürlich war es nicht Deutschland, welches 1792 in Frankreich einfiel mit dem erhabnen Zweck, die Revolution des 18. Jahrhunderts mit Bajonetten niederzumachen! War es nicht Deutschland, welches seine Hände bei der Unterjochung Italiens, der Unterdrückung Ungarns und der Zerstücklung Polens besudelte? Sein jetziges militärisches System, welches die ganze
kräftige männliche Bevölkerung in zwei Teile teilt - eine stehende Armee im Dienst und eine andere stehende Armee im Urlaub -, beide gleichmäßig zu passivem Gehorsam gegen die Regenten von Gottes Gnaden verpflichtet, so ein militärisches System ist natürlich eine „materielle Garantie" des Weltfriedens und obendrein das höchste Ziel der Zivilisation! In Deutschland, wie überall, vergiften die Höflinge der bestehenden Gewalt die öffentliche Meinung durch Weihrauch und lügenhaftes Selbstlob. Sie scheinen indigniert beim Anblick der französischen Festungen Metz und Straßburg - diese deutschen Patrioten -, aber sie sehen kein Unrecht in dem ungeheuren System moskowitischer Befestigungen von Warschau, Modlin und Iwangorod. Während sie vor den Schrecken bonapartistischer Einfälle schaudern, schließen sie die Augen vor der Schande zarischer Schutzherrschaft. Ganz wie 1865 zwischen Louis Bonaparte und Bismarck Versprechungen ausgewechselt worden, ebenso 1870 zwischen Gortschakow und Bismarck.11501 Ganz wie Louis-Napoleon sich schmeichelte, daß der Krieg von 1866 durch gegenseitige Erschöpfung Österreichs und Preußens ihn zum obersten Schiedsrichter über Deutschland machen werde, ebenso schmeichelte sich Alexander, der Krieg von 1870 werde ihn durch gegenseitige Erschöpfung Deutschlands und Frankreichs zum obersten Schiedsrichter des europäischen Westens erheben. Ganz wie das zweite Kaiserreich den Norddeutschen Bund'101 unvereinbar mit seiner Existenz hielt, ganz so muß das autokratische Rußland sich gefährdet glauben durch ein deutsches Reich mit preußischer Führerschaft. Das ist das Gesetz des alten politischen Systems. Innerhalb seines Bereichs ist der Gewinn des einen der Verlust des andern. Des Zaren überwiegender Einfluß auf Europa wurzelt in seiner traditionellen Oberherrlichkeit über Deutschland. Im Augenblick, wo vulkanische soziale Kräfte in Rußland selbst die tiefsten Grundlagen der Selbstherrschaft zu erschüttern dröhn, kann sich da der Zar eine Schwächung seiner Stellung gegenüber dem Ausland gefallen lassen? Schon wiederholen die Moskauer Blätter dieselbe Sprache wie die bonapartistischen Zeitungen nach dem Kriege von 1866. Glauben die Deutschtümler wirklich, daß Freiheit und Frieden1 Deutschlands gesichert sei, wenn sie Frankreich in die Arme Rußlands hineinzwingen? Wenn das Glück der Waffen, der Übermut des Erfolgs und dynastische Intrigen Deutschland zu einem Raub an französischem Gebiet verleiten, bleiben ihm nur zwei Wege offen. Entweder muß es, was auch immer daraus folgt, der offenkundige
1 (1870) Unabhängigkeit, Freiheit und Frieden
Knecht russischer Vergrößerung werden,1 oder aber es muß sich nach kurzer Rast für einen neuen „defensiven" Krieg rüsten, nicht für einen jener neugebackenen „lokalisierten" Kriege, sondern zu einem Racenkrieg gegen die verbündeten Racen der Slawen und Romanen.2 Die deutsche Arbeiterklasse hat den Krieg, den zu hindern nicht in ihrer Macht stand, energisch unterstützt, als einen Krieg für Deutschlands Unabhängigkeit und für die Befreiung Deutschlands und Europas von dem erdrückenden Alp des zweiten Kaiserreichs. Es waren die deutschen Industriearbeiter, welche mit den ländlichen Arbeitern zusammen die Sehnen und Muskeln heldenhafter Heere lieferten, während sie ihre halbverhungerten Familien zurückließen. Dezimiert durch die Schlachten im Auslande, werden sie noch einmal dezimiert werden durch das Elend zu Hause.3 Sie verlangen nun ihrerseits „Garantien", Garantien, daß ihre ungeheuren Opfer nicht umsonst gebracht worden, daß sie die Freiheit erobert haben, daß die Siege, die sie über die bonapartistischen Armeen errungen, nicht in eine Niederlage des deutschen Volks verwandelt werden wie im Jahre 1815[1511. Und als erste dieser Garantien verlangen sie „einen ehrenvollen Frieden für Frankreich" und „die Anerkennung der französischen Republik". Der Zentralausschuß4 der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei veröffentlichte am 5.September ein Manifest, worin er energisch auf diesen Garantien bestand.
„Wir", sagte er, „wir protestieren gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen. Und wir sind uns bewußt, daß wir im Namen der deutschen Arbeiterklasse sprechen. Im gemeinsamen Interesse Frankreichs und Deutschlands, im Interesse des Friedens und der Freiheit, im Interesse der westlichen Zivilisation gegen orientalische Barbarei werden die deutschen Arbeiter die Annexion von Elsaß-Lothringen nicht geduldig ertragen ... Wir werden treu zu unsern Arbeiterkameraden aller Länder stehn für die gemeinsame internationale Sache des Proletariats!"'-1621 Unglücklicherweise können wir nicht auf ihren unmittelbaren Erfolg rechnen. Konnten die französischen Arbeiter mitten im Frieden nicht den Angreifer zum Stehn bringen, haben da die deutschen Arbeiter mehr Aussicht, den Sieger aufzuhalten mitten im Waffenlärm? Das Manifest der
1 (1870) folgt: eine Politik, die der Tradition der Hohenzollern entspricht - 2 (1870) folgt: Das ist die Friedensperspektive, welche die hirnkranken Patrioten der Mittelklasse Deutschland „garantieren". - 3 (1870) folgt: Und die patriotischen Schreier werden ihnen zum Trost sagen, daß das Kapital kein Vaterland hat und daß der Arbeitslohn geregelt ist durch das unpatriotische internationale Gesetz der Nachfrage und Zufuhr. Ist es daher nicht die höchste Zeit, daß die deutsche Arbeiterklasse das Wort ergreift und den Herrn von der Mittelklasse nicht länger erlaubt, in ihrem Namen zu sprechen. — 4 (1870) Ausschuß
deutschen Arbeiter verlangt die Auslieferung Louis Bonapartes, als eines gemeinen Verbrechers, an die französische Republik. Ihre Herrscher geben sich alle Mühe, ihn in den Tuilerien wieder einzusetzen als den besten Mann, um Frankreich zu ruinieren. Wie dem auch sein möge, die Geschichte wird zeigen, daß die deutschen Arbeiter nicht von demselben biegsamen Stoff gemacht sind wie die deutsche Mittelklasse. Sie werden ihre Pflicht tun. Wie sie, begrüßen wir die Errichtung der Republik in Frankreich, aber zur selben Zeit mühen wir uns mit Besorgnissen, die sich hoffentlich als grundlos erweisen. Diese Republik hat nicht den Thron umgeworfen, sondern nur seinen leeren Platz1 eingenommen. Sie ist nicht als eine soziale Errungenschaft proklamiert worden, sondern als eine nationale Verteidigungsmaßregel. Sie ist in den Händen einer provisorischen Regierung, zusammengesetzt teils aus notorischen Orleanisten, teils aus Bourgeoisrepublikanern; und unter diesen sind einige, denen die Juni-Insurrektion von 1848[153!ihr unauslöschliches Brandmal hinterlassen hat. Die Teilung der Arbeit unter den Mitgliedern jener Regierung scheint wenig Gutes zu versprechen. Die Orleanisten haben sich der starken Stellungen bemächtigt - der Armee und der Polizei -, während den angeblichen Republikanern die Schwatzposten zugeteilt sind. Einige ihrer ersten Handlungen beweisen ziemlich deutlich, daß sie vom Kaiserreich nicht nur einen Haufen Ruinen geerbt haben, sondern auch seine Furcht vor der Arbeiterklasse. Wenn jetzt in maßlosen Ausdrücken unmögliche Dinge im Namen der Republik versprochen werden, geschieht das nicht etwa, um den Ruf nach einer „möglichen" Regierung hervorzulocken? Soll nicht etwa die Republik in den Augen der Bourgeois, die gerne ihre Leichenbestatter würden, nur als Übergang dienen zu einer orleanistischen Restauration? So findet sich die französische Arbeiterklasse in äußerst schwierige Umstände versetzt. Jeder Versuch, die neue Regierung zu stürzen, wo der Feind fast schon an die Tore von Paris pocht, wäre eine verzweifelte Torheit. Die französischen Arbeiter müssen ihre Pflicht als Bürger tun2, aber sie dürfen sich nicht beherrschen lassen durch die nationalen Erinnerungen von 1792, wie die französischen Bauern sich trügen ließen durch die nationalen Erinnerungen des ersten Kaiserreichs.[1M] Sie haben nicht die Vergangenheit zu wiederholen, sondern die Zukunft aufzubauen. Mögen sie ruhig und entschlossen die Mittel ausnutzen, die ihnen die republikanische Freiheit gibt, um die Organisation ihrer eignen Klasse gründlich durch
1 (1870) seinen durch deutsche Bajonette erledigten Platz - 2 (1870) folgt: und sie tun es
zuführen. Das wird ihnen neue, herkulische Kräfte geben für die Wiedergeburt Frankreichs und für unsre gemeinsame Aufgabe - die Befreiung des Proletariats. Von ihrer Kraft und Weisheit hängt ab das Schicksal der Republik. Die englischen Arbeiter haben bereits Schritte getan, um durch einen gesunden Druck von außen den Widerwillen ihrer Regierung gegen die Anerkennung der französischen Republik zu brechen.11851 Dies heutige Zaudern der englischen Regierung soll wahrscheinlich den Antijakobinerkrieg von 1792 wiedergutmachen, ebenso wie die frühere unanständige Eile, womit sie dem Staatsstreich ihre Zustimmung gab.[156i Die englischen Arbeiter fordern außerdem von ihrer Regierung, daß sie sich mit aller Macht der Zerstücklung Frankeichs widersetze, nach welcher zu schreien ein Teil der englischen Presse schamlos genug ist . Es ist dies dieselbe Presse, die zwanzig Jahre lang Louis Bonaparte als die Vorsehung von Europa vergöttert und der Rebellion der amerikanischen Sklavenhalter frenetischen Beifall zugeklatscht hat. Heute wie damals schanzt sie für den Sklavenhalter. Mögen die Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation in allen Ländern die Arbeiterklasse zu tätiger Bewegung aufrufen. Vergessen die Arbeiter ihre Pflicht, bleiben sie passiv, so wird der jetzige furchtbare Krieg nur der Vorläufer noch furchtbarerer internationaler Kämpfe sein und wird in jedem Lande führen zu neuen Niederlagen der Arbeiter durch die Herren vom Degen, vom Grundbesitz und vom Kapital.
William Haies, George Harris, Fred. Leßner, Lopatin, B. Lucrajt, George Milner, Thomas Mottershead, Charles Murray, George Odger, James Parnell, Pfänder, Rühl, Joseph Shepherd, Cowell Stepney, Stoll, Schmutz
Vive la republique!2
Korrespondierende Sekretäre Eugene Dupont, für Frankreich Karl Marx, für Deutschland und Rußland Giovanni Bora, für Italien Zevy Maurice, für Ungarn Antoni Zabicki, für Polen
1 (1 870) lautet dieser Nebensatz: die natürlich von einem Teil der englischen Presse ganz so geräuschvoll bevorwortet wird, wie von den deutschen Patrioten - 2 (1870) Es lebe die Republik!
A. Serraillier, für Belgien, Holland James Cohen, für Dänemark und Spanien J.G.Eccarius, für die Vereinigten Hermann Jung, für die Schweiz Staaten von Amerika William Townshend, Vorsitzender John Weston, Schatzmeister J.George Eccarius, Generalsekretär
Büro: 256, High Holborn, London, W.C. 9. September 1870
Geschrieben zwischen 6. und 9. September 1870. Nach: „Der Bürgerkrieg in Frankreich", dritte deutsche Auflage, Berlin 1891.
Karl Marx
[Über die Verhaftung der Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses"571]
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1744 vom 15. September 1870] Der Ausschuß der Deutschen Sektion der Internationalen Arbeiterassoziation mit dem Sitz in Braunschweig1 gab am 5. dieses Monats ein Manifest an die deutsche Arbeiterklasse heraus, in welchem diese aufgerufen wird, die Annexion des Elsaß und Lothringens zu verhindern und zu einem ehrenvollen Frieden mit der Französischen Republik beizutragen. Auf Anordnung des kommandierenden Generals Vogel von Falckenstein ist nicht nur dieses Manifest beschlagnahmt worden, auch alle Mitglieder des Ausschusses, sogar der bedauernswerte Drucker des Dokuments, wurden verhaftet und wie gewöhnliche Verbrecher in Ketten nach Lotzen in Ostpreußen gebracht.
Aus dem Englischen.
1 Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Hanär« flOS. Tr»li2£iRe onn«e< 8" Janviar IBTfl.
ORGANE DES SECT10MS BELGES DE L'ASSOCIATION IKTERNATIOKALE DES TRAVMLLEÜRS. PARAISSANT LE SAMEDI.
Friedrich Engels
An den 6. Kongreß der belgischen Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation11581
[„L'Internationale" Nr. 103 vom 1. Januar 1871] London, 23.Dezember 1870
Bürger! Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation entbietet Eurem 6. Kongreß seine besten Wünsche. Allein die Tatsache der Tagung dieses Kongresses beweist aufs neue, daß das belgische Proletariat seine Anstrengungen zur Emanzipation der Arbeiterklasse unermüdlich fortsetzt und das sogar in einer Zeit, da ein blutiger und brudermörderischer Krieg ganz Europa mit Schrecken erfüllt und jedes andere Interesse der öffentlichen Meinung im Augenblick verdrängt. Mit besonderer Genugtuung haben wir festgestellt, daß die belgischen Sektionen in bezug auf diesen Krieg das Aktionsprogramm befolgen und die Ideen verkünden, welche die Interessen des Proletariats aller Länder vorschreiben: Ablehnung jeglichen Eroberungsgedankens und Erhaltung der Republik in Frankreich. Übrigens befinden sich unsere belgischen Freunde in dieser Beziehung in völliger Übereinstimmung mit den Arbeitern der anderen Länder. Seit der Besetzung Rouens durch die Preußen sind die letzten uns noch verbliebenen Verbindungen mit Frankreich vorläufig unterbrochen worden. Aber in England, in Amerika und in Deutschland hat sich die Bewegung gegen den Eroberungskrieg und für die Erhaltung der Französischen Republik sehr schnell unter den Arbeitern verbreitet. Besonders in Deutschland hat diese Bewegung solche Ausmaße angenommen, daß sich die preußische Regierung genötigt sah, im Interesse ihrer eroberungslüsternen und reak
tionären Politik gegen die Arbeiter loszuschlagen. Der Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Deutschland mit dem Sitz in Braunschweig ist verhaftet worden; viele Mitglieder dieser Partei haben das gleiche Schicksal erlitten. Schließlich sind zwei Abgeordnete des Norddeutschen Reichstags, die Bürger Bebel und Liebknecht, die dort die Ansichten und die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, hinter Schloß und Riegel gesetzt worden. Die Internationale wird beschuldigt, allen diesen Bürgern die Anweisung zu einer ausgedehnten revolutionären Verschwörung gegeben zu haben. Wir haben es hier zweifelsohne mit einer zweiten Auflage des berüchtigten Komplotts der Internationale zu Paris zu tun, ein Komplott, von dem die bonapartistische Polizei behauptete, es aufgedeckt zu haben, und das sich schließlich in ein elendes Nichts auflöste. Trotz dieser Verfolgungen ist die internationale Arbeiterbewegung auf dem Vormarsch und erstarkt immer mehr,11591 Der gegenwärtige Kongreß bietet Euch eine Gelegenheit festzustellen, wieviel Sektionen und andere angeschlossene Gesellschaften bestehen und wieviel Mitglieder jede von ihnen hat, um so ein genaues Bild von dem Fortschritt unserer Bewegung in Belgien zu erhalten. Wir hätten gern, daß Ihr dem Generalrat das Ergebnis dieser Statistik über die Lage unserer Assoziation in Belgien mitteilt; wir werden uns bemühen, diese Statistik auch für die anderen Länder zu ergänzen. Es versteht sich von selbst, daß wir diese Mitteilung vertraulich behandeln und die Tatsachen, die wir ihr entnehmen, nicht an die Öffentlichkeit gelangen lassen werden. Der Generalrat erlaubt sich ferner, die Hoffnung auszusprechen, daß die belgischen Sektionen im Laufe des Jahres 1871 auch Gelegenheit haben, sich der auf den verschiedenen internationalen Kongressen gefaßten Beschlüsse betreffs der Beitragszahlungen an den Generälrat zu erinnern. Bedingt durch den gegenwärtigen Krieg treffen aus den meisten Ländern des Kontinents keine Gelder ein, und wir wissen sehr wohl, daß auch die belgischen Arbeiter die durch diesen Krieg verursachte allgemeine Depression am eignen Leibe spüren. Der Generalrat wirft diese Frage nur auf, weil er die belgischen Sektionen daran erinnern möchte, daß er ohne materielle Unterstützung nicht in der Lage sein wird, die Propaganda in dem von ihm gewünschten Umfang durchzuführen. In Abwesenheit des Bürgers Serraillier, des Sekretärs für Belgien, hat der Generalrat den Unterzeichner beauftragt, diese Mitteilung an den Kongreß zu richten. Gruß und Brüderlichkeit Friedrich Engels
Karl Marx Die Preß- und Redefreiheit in Deutschland
[„The Daily News" vom 19. Januar 1871]
An den Redakteur der „Daily Neuis''
Sir, Als Bismarck die französische Regierung beschuldigte, „die freie Meinungsäußerung von Presse und Volksvertretern in Frankreich unmöglich gemacht zu haben", hatte er offenbar lediglich die Absicht, einen Berliner Witz zu reißen. Wenn Sie die „wahre." öffentliche Meinung in Frankreich kennenlernen wollen, dann wenden Sie sich bitte an Herrn Stieber, den Herausgeber des Versailler „Moniteur"[160] und notorischen preußischen Polizeispitzel! Auf Bismarcks ausdrücklichen Befehl sind die Herren Bebel und Liebknecht unter dem Vorwand einer Anklage wegen Hochverrats einfach darum verhaftet worden, weil sie es gewagt hatten, ihre Pflichten als deutsche Volksvertreter zu erfüllen, das heißt im Reichstag gegen die Annexion von Elsaß und Lothringen zu protestieren, gegen neue Kriegskredite zu stimmen, ihre Sympathie für die Französische Republik auszudrücken und den Versuch der Verwandlung Deutschlands in eine einzige preußische Kaserne zu verurteilen. Für die Äußerung derselben Ansichten sind die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei seit Anfang September vorigen Jahres wie Galeerensträflinge behandelt worden und müssen noch jetzt eine Justizkomödie unter der Anklage des Hochverrats über sich ergehen lassen. Das gleiche Schicksal hat zahlreiche Arbeiter ereilt, die das Braunschweiger Manifest propagierten. Unter ähnlichen Vorwänden wird Herr Hepner, der zweite Redakteur des Leipziger „Volksstaats"[161], wegen Hochverrats verfolgt. Die wenigen außerhalb Preußens erscheinenden unabhängigen deutschen Zeitungen dürfen in das
Herrschaftsgebiet der Hohenzollern nicht eingeführt werden. In Deutschland werden täglich Arbeiterversammlungen für einen ehrenhaften Frieden mit Frankreich von der Polizei auseinandergejagt. Nach der offiziellen preußischen Doktrin, wie sie in naiver Weise von General Vogel von Falckenstein dargelegt wurde, ist jeder Deutsche, „der versucht, den voraussichtlichen Zielen der preußischen Kriegführung in Frankreich zuwiderzuhandeln", des Hochverrats schuldig. Wenn die Herren Gambetta und Co. gleich den Hohenzollern gezwungen wären, die öffentliche Meinung mit Gewalt zu unterdrücken, brauchten sie nur die preußische Methode anzuwenden und unter dem Vorwand des Krieges über ganz Frankreich den Belagerungszustand zu verhängen. Die einzigen französischen Soldaten, die sich auf deutschem Boden befinden, schmachten in preußischen Kerkern. Dennoch fühlt sich die preußische Regierung bemüßigt, rigoros den Belagerungszustand beizubehalten, das heißt die roheste und empörendste Form des Militärdespotismus und die Aufhebung aller Gesetze. Der Boden Frankreichs ist von fast einer Million deutscher Eindringlinge heimgesucht. Trotzdem kann die französische Regierung unbesorgt auf jene preußische Methode, „die freie Meinungsäußerung zu ermöglichen", verzichten. Vergleichen Sie die beiden Bilder! Deutschland hat sich jedoch als ein zu enges Feld für Bismarcks allumfassende Liebe zur unabhängigen Meinungsäußerung erwiesen. Als die Luxemburger ihren Sympathien für Frankreich Ausdruck gaben, machte Bismarck diese Gefühlsäußerung zu einem seiner Vorwände für die Kündigung des Londoner Neutralitätsvertrages11621. Als die belgische Presse eine ähnliche Sünde beging, forderte der preußische Botschafter in Brüssel, Herr von Balan, die belgische Regierung auf, nicht nur alle antipreußischen Zeitungsartikel, sondern sogar das Drucken bloßer Nachrichten zu verbieten, die darauf berechnet waren, den Franzosen in ihrem Unabhängigkeitskrieg Mut zuzusprechen. Fürwahr eine sehr bescheidene Forderung, die belgische Verfassung „pour le roi de Prusse"1 aufzuheben! Kaum hatten einige Stockholmer Zeitungen es sich erlaubt, ein paar harmlose Witze über die notorische „Frömmelei" Wilhelm Annexanders1141 zu machen, als sich Bismarck mit grimmigen Sendschreiben auf das schwedische Kabinett stürzte. Sogar am Längengrad von St.Petersburg brachte er es fertig, eine allzu zügellose Presse zu erspähen. Auf seine ganz ergebene Bitte wurden die Redakteure der wichtigsten Petersburger Zeitungen vor den Chefzensor geladen, der ihnen befahl, sich aller kritischen Bemerkungen über den treuen borussischen Vasallen des
Zaren zu enthalten. Einer dieser Redakteure, Herr Saguljajew, war unvorsichtig genug, das Geheimnis dieser Warnung in den Spalten des „Golos"11631 zu lüften. Sofort stürzte sich die russische Polizei auf ihn und verfrachtete ihn in irgendeine abgelegene Provinz. Es wäre ein Fehler, zu glauben, daß diese Gendarmeriemethoden nur dem Paroxysmus des Kriegsfiebers zuzuschreiben sind. Sie sind im Gegenteil die genaue methodische Anwendung des Geistes der preußischen Gesetze. Es existiert in der Tat im preußischen Strafgesetzbuch eine sonderbare Bestimmung, kraft deren jeder Ausländer auf Grund seiner Handlungen oder Schriften in seinem oder einem andern fremden Lande wegen „Beleidigung des preußischen Königs" und wegen „Hochverrats gegen Preußen" verfolgt werden kann! Frankreich - und seine Sache ist glücklicherweise weit davon entfernt, verzweifelt zu sein - kämpft im Augenblick nicht nur für seine eigene nationale Unabhängigkeit, sondern für die Freiheit Deutschlands und Europas. Ich verbleibe, Sir, hochachtungsvoll Ihr Karl Marx London, 16.Januar 1871
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
[Resolutionsentwürfe des Generalrats über die Stellung der englischen Arbeiterklasse zum Deutsch-Französischen Krieg in der gegenwärtigen Etappe11641]
1. Daß die Arbeiterbewegung ihre Anstrengungen zur Unterstützung der Französischen Republik am Anfang hätte darauf konzentrieren sollen, die Anerkennung der Republik durch die britische Regierung zu erzwingen. 2. Daß die militärische Intervention Englands zugunsten Frankreichs, wie sie von denen, die sie vorschlagen, gemeint ist, nur zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte von Nutzen sein können, der jedoch schon lange vorbei ist. 3. Daß England nicht nur unfähig bleibt, wirksam in die kontinentalen Angelegenheiten einzugreifen, sondern sich auch nicht vor dem kontinentalen Militärdespotismus schützen kann, solange es nicht die Freiheit wiedererlangt, seine eigentliche Kriegsmacht, d.h. seine Kriegsflotte, einzusetzen; diese Freiheit kann es nur wiedererlangen, wenn es sich von der Pariser Deklaration11851 lossagt.
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
An den Spanischen Föderalrat der Internationalen Arbeiterassoziation11661
London, 13.Februar 1871
Bürger! Der Generalrat hat mit großer Freude Euren Brief vom 14. Dezember erhalten. Euer voriger Brief vom 30. Juli hat uns ebenfalls erreicht; er war dem Bürger Serraillier, dem Sekretär für Spanien, mit der Weisung übergeben worden, unsere Antwort an Euch weiterzuleiten. Aber der Bürger Serraillier hat sich kurz darauf nach Frankreich begeben, um für die Republik zu kämpfen, und ist dann in Paris mit eingeschlossen worden. Wenn Ihr also auf Euren Brief vom 30. Juli, der sich noch in seinen Händen befindet, keine Antwort erhalten habt, so ist das eine Folge dieser Umstände. Jetzt hat der Generalrat in seiner Sitzung vom 7. d.M. dem unterzeichnenden F.E. vorläufig die Korrespondenz mit Spanien übertragen und ihm Euren letzten Brief ausgehändigt. Wir haben regelmäßig die spanischen Arbeiterzeitungen erhalten - „La Federacion" aus Barcelona, „La Solidaridad" aus Madrid (bis Dezember 1870), „El Obrero" aus Palma (bis zum Verbot) und vor kurzem „La Revolucion social" aus Palma (nur Nr. l)t1671. Diese Zeitungen haben uns über die Vorgänge in der spanischen Arbeiterbewegung auf dem laufenden gehalten; wir haben mit großer Genugtuung gesehen, daß die Ideen der sozialen Revolution immer mehr zum Gemeingut der Arbeiterklasse Eures Landes werden. Zweifellos haben die leeren Deklamationen der alten politischen Parteien, wie Ihr sagt, viel zu sehr die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich gelenkt und sind dadurch zu einem großen Hindernis für unsere Propaganda geworden. Das ist in den ersten Jahren der proletarischen Bewegung überall so gewesen. In Frankreich, in England, in Deutschland waren und sind noch heute die Sozialisten genötigt, den Einfluß und die Tätigkeit der
alten politischen Parteien zu bekämpfen, mögen es nun aristokratische oder bürgerliche, monarchistische oder sogar republikanische sein. Die Erfahrung hat überall bewiesen: Das beste Mittel, um die Arbeiter von dieser Herrschaft der alten Parteien zu befreien, besteht darin, in jedem Lande eine proletarische Partei mit einer eigenen Politik zu gründen, einer Politik, die sich klar von der der anderen Parteien unterscheidet, weil sie die Bedingungen der Emanzipation der Arbeiterklasse ausdrücken muß. Die Einzelheiten dieser Politik können je nach den besonderen Umständen jedes Landes variieren; da aber die grundlegenden Beziehungen der Arbeit zum Kapital überall die gleichen sind und die Tatsache der politischen Herrschaft der besitzenden Klassen über die ausgebeuteten Klassen überall besteht, werden die Grundsätze und das Ziel der proletarischen Politik identisch sein, zumindest in allen westlichen Ländern. Die besitzenden Klassen, Landaristokraten und Bourgeois, halten das arbeitende Volk in der Knechtschaft nicht nur durch die Macht ihrer Reichtümer, durch die bloße Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, sondern auch durch die Staatsgewalt, durch die Armee, die Bürokratie und die Gerichte. Es hieße eines der mächtigsten Aktionsmittel - besonders in bezug auf Organisation und Propaganda - preisgeben, wenn wir darauf verzichteten, unsere Gegner auf politischem Gebiet zu bekämpfen. Das allgemeine Wahlrecht gibt uns ein ausgezeichnetes Aktionsmittel in die Hand. In Deutschland, wo die Arbeiter als politische Partei fest organisiert sind, ist es ihnen gelungen, sechs Abgeordnete in die sogenannte nationale Vertretung zu entsenden; und die Opposition, die unsere Freunde Bebel und Liebknecht dort gegen den Eroberungskrieg organisieren konnten, hat im Interesse unserer internationalen Propaganda mächtiger gewirkt, als jahrelange Propaganda durch die Presse und Versammlungen es vermocht haben. Gerade jetzt sind auch in Frankreich Arbeitervertreter gewählt worden, die unsere Grundsätze laut verkünden werden. Bei den nächsten Wahlen wird sich das gleiche in England abspielen. Wir erfahren mit Freude, daß Ihr beabsichtigt, uns die Beiträge der Zweigorganisationen Eures Landes zu überweisen; wir werden sie mit Dank entgegennehmen. Überweist sie bitte per Scheck an irgendeinen Londoner Bankier, zahlbar an unseren Schatzmeister John Weston oder in eingeschriebenem Brief an die Adresse des Unterzeichneten, entweder 256, High Holborn, London (Sitz unseres Rats) oder seine Privatwohnung: 122, R[egent's] P[ark] R[oad]. Wir erwarten mit großem Interesse die Statistik Eurer Föderation, die Ihr uns zu senden versprochen habt.
Was den Kongreß der Internationale anbetrifft, so hat es keinen Zweck, daran zu denken, solange der gegenwärtige Krieg andauert. Aber wenn, wie es den Anschein hat, der Friede bald wiederhergestellt sein wird, dann wird sich der Rat unverzüglich mit dieser wichtigen Frage beschäftigen und Eure freundliche Einladung, ihn nach Barcelona einzuberufen, in Erwägung ziehen. Wir haben noch keine Sektionen in Portugal; es wäre vielleicht für Euch leichter als für uns, Beziehungen zu den Arbeitern dieses Landes anzubahnen. Wenn dem so ist, schreibt uns bitte noch einmal darüber. Ebenso glauben wir, daß es wenigstens für den Anfang besser wäre, wenn Ihr zu den Buchdruckern von Buenos Aires Beziehungen anknüpfen könntet; allerdings solltet Ihr uns später die erzielten Resultate mitteilen. Inzwischen würdet Ihr uns einen angenehmen und der Sache nützlichen Dienst erweisen, wenn Ihr uns eine Nummer der „Anales de la Sociedad tipogr[afica] de B[uenos] A[ires]"11681 zur Kenntnis zuschickt. Im übrigen schreitet die internationale Bewegung trotz aller Hindernisse weiter voran. In England haben sich gerade jetzt die Zentralräte der Trade-Unions (Trades' Councils) von Birmingham und Manchester und mit ihnen die Arbeiter der zwei wichtigsten Industriestädte des Landes direkt unserer Assoziation angeschlossen. In Deutschland sind wir augenblicklich den gleichen Verfolgungen durch die Regierungen ausgesetzt, wie vor einem Jahr in Frankreich durch Louis Bonaparte. Unsere deutschen Freunde, von denen mehr als fünfzig im Gefängnis, leiden buchstäblich für die internationale Sache; sie sind verhaftet und verfolgt worden, weil sie sich mit allen ihren Kräften der Eroberungspolitik widersetzt und gefordert haben, daß das deutsche Volk sich mit dem französischen Volk verbrüdern soll. In Österreich sind ebenfalls viele unserer Freunde eingesperrt worden, aber die Bewegung schreitet dennoch vorwärts. In Frankreich waren unsere Sektionen überall die Seele und die Kraft des Widerstandes gegen die Invasion; sie haben sich in den großen Städten des Südens der örtlichen Gewalt bemächtigt; und wenn Lyon, Marseille, Bordeaux und Toulouse eine nie dagewesene Energie entwickelt haben, so nur dank der Anstrengungen der Mitglieder der Internationale. In Belgien ist unsere Organisation stark, und unsere belgischen Sektionen haben soeben ihren sechsten Nationalkongreß abgehalten. In der Schweiz scheinen die Meinungsverschiedenheiten, die vor einiger Zeit in unseren Sektionen aufgetaucht waren, im Abflauen begriffen zu sein. Aus Amerika ist uns der Beitritt neuer französischer, deutscher und tschechischer (böhmischer) Sektionen gemeldet worden, und außerdem unterhalten wir weiter brüderliche Beziehungen zu der großen 19 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Organisation der amerikanischen Arbeiter, der Arbeiterliga (Labor League)[U9!. In der Hoffnung, bald weitere Mitteilungen von Euch zu erhalten, senden wir Euch unseren brüderlichen Gruß.
Für den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation F.E.
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Friedrich Engels
Die Lage in Rußland"701
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1900 vom 16. März 1871]
An den Redakteur der „Pall Mall Gazette"
Sir, die englische Regierung erklärt, daß sie von einem Bündnis zwischen Rußland und Preußen nichts wisse. In Deutschland bestreitet niemand das Bestehen eines solchen Bündnisses, im Gegenteil, die preußenfreundhche Presse frohlockt über diese Tatsache; die antipreußischen Zeitungen sind darüber entrüstet. Eine der letzteren, „Der Volksstaat", glaubt, daß Herr Gladstone durch diese Ableugnung nur zu verstehen geben wollte, daß hier kein Bündnisvertrag, sondern eher ein Vasallenverhältnis vorliegt, und daß er in diesem Fall im Recht sei. Die Telegramme, die zwischen Versailles und St.Petersburg, zwischen dem „Ihr bis in den Tod getreuer Wilhelm" und seinem zurückhaltenderen Neffen Alexander gewechselt wurden, lassen wirklich keinen Zweifel mehr über die Verbindungen zwischen den beiden großen Militärmonarchien des Kontinents bestehen. Diese Telegramme wurden, nebenbei gesagt, zuerst im „Journal de St.-Petersbourg"11711 veröffentlicht. Ebenso bezeichnend ist die Tatsache, daß sie in der deutschen Presse nicht in ihrem vollen Wortlaut abgedruckt worden sind; unterdrückt wurde vor allem Kaiser Wilhelms Versicherung, dem Zaren bis in den Tod ergeben zu sein. Auf alle Fälle läßt der volle Wortlaut der Korrespondenz keinen Zweifel darüber, daß Kaiser Wilhelm das tiefe Gefühl der Verpflichtung ausdrücken will, das er Rußland gegenüber hegt, und seine Bereitwilligkeit, Rußland als Gegenleistung seine Dienste zur Verfügung zu stellen. Daß der Kaiser bereits die Siebzig überschritten hat und die Gesinnung seines mutmaßlichen Erben1 zweifelhaft ist, bedeutet selbst
1 Kronprinz Friedrich Wilhelm
verständlich für Rußland einen starken Antrieb, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist. Überdies ist die innere Lage in Rußland alles andere als zufriedenstellend. Die Finanzen sind fast hoffnungslos zerrüttet; die besondere Form, in der die Befreiung der Leibeigenen und die anderen damit verbundenen sozialen und politischen Veränderungen durchgeführt worden sind, hat die landwirtschaftliche Produktion in nahezu unglaublichem Grade aus dem Geleise gebracht. Die halben Maßregeln liberalen Charakters, die abwechselnd bewilligt, zurückgezogen und wieder bewilligt wurden, haben den gebildeten Klassen gerade genügend Spielraum gegeben, eine ganz bestimmte öffentliche Meinung zu entwickeln; diese öffentliche Meinung steht in allen Punkten im Gegensatz zur Außenpolitik, welche die jetzige Regierung bisher zu verfolgen schien. Die öffentliche Meinung in Rußland ist im wesentlichen ungestüm panslawistisch, das heißt feindlich gegen die drei großen „Bedrücker" der slawischen Race: die Deutschen, die Ungarn und die Türken. Ein preußisches Bündnis wäre ihr ebenso widerwärtig wie ein österreichisches oder türkisches. Sie fordert außerdem eine unmittelbare kriegerische Aktion im panslawistischen Sinne. Die ruhige, langsame, aber äußerst sichere unterirdische Aktion der russischen traditionellen Diplomatie stellt ihre Geduld auf eine schmerzliche Probe. Solche Erfolge, wie sie auf der Konferenz11061 erzielt wurden, so wichtig sie an sich auch sein mögen, gelten den russischen Panslawisten nichts. Sie hören nichts als den „Schrei der Qual" ihrer unterdrückten Racenbrüder; sie fühlen nichts eindringlicher als die Notwendigkeit, die verlorene Oberhoheit des heiligen Rußlands durch einen großen Schlag, einen Eroberungskrieg, wiederherzustellen. Sie wissen überdies, daß der mutmaßliche Erbe1 einer der ihrigen ist. Wenn wir all das und außerdem die großen strategischen Eisenbahnlinien nach Süden und Südwesten in Betracht ziehen, die jetzt weit genug fertiggestellt sind, um Angriffen gegen Österreich oder die Türkei oder gegen beide wirksam zu dienen, besteht da nicht ein starker Antrieb für die russische Regierung und für den Kaiser Alexander persönlich, das alte bonapartistische Mittel anzuwenden und sich der inneren Schwierigkeiten durch einen auswärtigen Krieg zu erwehren, solange das preußische Bündnis noch sicher erscheint? Unter solchen Umständen erlangt die neue russische Anleihe von 12 Millionen Pfund Sterling eine ganz besondere Bedeutung. Zwar ist ein patriotischer Protest an der Börse in Umlauf gesetzt worden, jedoch wird gemel
1 Zarewitsch Alexander, der spätere Alexander III.
det, daß er ohne Unterschriften war und offenbar auch geblieben ist, und wir hören, daß der Betrag der Anleihe mehr als gedeckt worden ist. Für welche Absichten unter anderem diese 12 Millionen benutzt werden sollen, darüber werden wir durch die „Ostsee-Zeitung"[17al in Stettin informiert, ein Blatt, das nicht nur viele Jahre lang die allerbesten Informationen über russische Angelegenheiten gehabt hat, sondern auch unabhängig genug war, sie zu veröffentlichen. Der Deutsch-Französische Krieg, sagt der Petersburger Korrespondent dieser Zeitung (unter dem 4. März neuen Stils), habe die russischen Militärautoritäten von der gänzlichen Unwirksamkeit des Befestigungssystems überzeugt, wie es bisher bei der Anlage russischer Festungen befolgt wurde; und das Kriegsministerium habe bereits den Plan für die nötigen Veränderungen festgelegt. „Es wird berichtet, daß das neue System, das auf der Einführung detachierter Forts basiert, zum ersten Mal bei den wichtigeren Grenzfestungen angewandt werden soll, mit deren Rekonstruktion sogleich begonnen werden soll. Die ersten Festungen, die mit detachierten Forts versehen werden sollen, sind Brest-Litowsk, Deblin und Modlin." Nun, Brest-Litowsk, Deblin (oder Iwangorod) und Modlin (oder NowoGeorgiewsk mit seinem offiziellen russischen Namen) sind aber genau die drei Festungen, die, mit Warschau als zentralem Punkt, den größeren Teil des Königreichs Polen beherrschen; Warschau erhält jetzt aus dem guten Grunde keine detachierten Forts, weil es sie schon seit einer Reihe von Jahren besitzt. Rußland verliert keine Zeit, seine Macht in Polen zu befestigen und seine Operationsbasis gegen Österreich zu verstärken; die Eile, mit der dies geschieht, ist kein gutes Vorzeichen für den europäischen Frieden. All das kann vorläufig als reine Verteidigungsmaßnahme betrachtet werden. Aber der genannte Korrespondent berichtet weiter: „Die Kriegsvorbereitungen in Rußland, die bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges begonnen haben, werden mit unvermindertem Eifer fortgesetzt. Kürzlich verfügte das Kriegsministerium die Formierung der vierten Bataillone. Die Durchführung dieses Befehls hat bereits in allen Regimentern begonnen, einschließlich jener im Königreich Polen. Die Detachements für den Eisenbahn- und Telegraphendienst im Felde, ebenso die Sanitätskompanien sind bereits organisiert worden. Die Mannschaften werden eifrig unterrichtet und in ihren verschiedenen Pflichten ausgebildet, und die Sanitätskompanien werden sogar unterwiesen, wie man erste Verbände bei Verwundeten anlegt, Blutungen stillt und Ohnmächtige wieder belebt." Nun bestehen in fast jeder großen Armee des Kontinents die Infanterieregimenter in ihrer Friedensstärke aus drei Bataillonen, und der erste
unverkennbare Schritt von der Friedens- zur Kriegsstärke ist die Bildung der vierten Bataillone. Am Tage, da Louis-Napoleon den Krieg erklärte, verfügte er auch die Bildung der vierten Bataillone. In Preußen ist dies das erste, was nach Erlaß des Mobilmachungsbefehls geschieht. Genauso ist es in Österreich und ebenso in Rußland. Was man auch immer von der plötzlich entdeckten Notwendigkeit detachierter Forts für die polnischen Festungen denken mag oder von dem ebenso plötzlichen empressement1 für die Einführung der preußischen Krankenträger2 und der Eisenbahnund Telegraphendetachements in den russischen Dienst (in einem Land, wo sowohl Eisenbahnen wie Telegraphen ziemlich selten sind), - hier, in der Bildung der vierten Bataillone, haben wir ein unverkennbares Zeichen dafür, daß Rußland die Grenze zwischen Friedens- und Kriegszustand schon überschritten hat. Niemand wird sich einbilden, daß Rußland diesen Schritt ohne einen Zweck unternommen hat; und wenn dieser Schritt etwas bedeuten soll, so bedeutet er den Angriff gegen irgendwen. Vielleicht erklärt dies, wofür die 12 Millionen Pfund Sterling gebraucht werden. Ihr usw. E.
Aus dem Englischen.
1 Eifer - 2 Krankenträger: in der „Pall Mall Gazette" deutsch
Karl Marx/Friedrich Engels
An den Redakteur der „Times"1,731
Sir, in Ihrer Ausgabe vom 16. März behauptet Ihr Pariser Korrespondent: „Karl Marx... hat an einen seiner Hauptanhänger in Paris einen Brief geschrieben, worin er erklärt, daß er mit der Haltung, welche die Mitglieder der Gesellschaft" (der Internationale) „in jener Stadt eingenommen haben, nicht zufrieden ist, etc." Diese Behauptung hat Ihr Korrespondent offensichtlich dem „ParisJournal" [174! vom 14. März entnommen, in dem auch die vollständige Veröffentlichung des angeblichen Briefes versprochen wird. Im „Paris-Journal" vom 19. März ist tatsächlich ein Brief aus London vom 28. Februar 1871 enthalten, der angeblich von mir unterschrieben sein soll und dessen Inhalt mit der Behauptung Ihres Korrespondenten übereinstimmt. Ich erlaube mir zu erklären, daß dieser Brief von Anfang bis zu Ende eine unverschämte Fälschung ist.
Geschrieben am 21. März 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Erklärung des Generalrats an die Redaktionen der „Times" und anderer Zeitungen1'751]
[„The Times" Nr.27018 vom 23. März 1871]
An den Redakteur der „Times"
Sir, im Auftrage des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation bitte ich Sie darum, folgendes in Ihrer Zeitung zu veröffentlichen: Eine Mitteilung, wonach die Pariser Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation den Ausschluß aller Deutschen aus der Internationalen erklärt, also im Sinne der Antideutschen Liga gehandelt hätten, macht die Runde in der englischen Presse. Die Mitteilung steht im schreiendsten Widerspruch zu den Tatsachen. Weder der Föderalrat unserer Assoziation zu Paris, noch irgendeine der Pariser Sektionen, die er repräsentiert, haben jemals von einem solchen Beschluß geträumt. Die sogenannte Antideutsche Liga, soweit sie überhaupt existiert, ist ausschließlich das Werk der Aristokratie und der Bourgeoisie. Sie ward ins Leben gerufen durch den Jockey-Club11761 und in Gang gehalten durch die Zustimmungen der Akademie, der Börse, einiger Bankiers und Fabrikanten usw. Die Arbeiterklasse hatte nie damit zu schaffen. Der Zweck dieser Verleumdungen springt ins Auge. Kurz vor dem Ausbruch des neulichen Krieges mußte die Internationale als Sündenbock für alle mißliebigen Ereignisse herhalten. Dieselbe Taktik wird jetzt wiederholt. Während Schweizer und preußische Blätter sie als Urheber der Unbilden gegen die Deutschen in Zürich11771 denunzieren, berichten gleichzeitig französische Blätter, wie der „Courrier de Lyon", der „Courrier de la Gironde", die „Liberte" 11781 usw. von gewissen geheimen Zusammen
künften der Internationalen zu Genf und Bern, unter dem Vorsitz des preußischen Gesandten, worin der Plan ausgeheckt worden sei, den vereinigten Preußen und Internationalen Lyon zum Behuf gemeinsamer Plünderung zu überliefern. Hochachtungsvoll Ihr J.George Eccarius, Generalsekretär der Internationalen Arbeiterassoziation
256, High Holborn, 22. März
Aus dem Englischen.
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Karl Marx
An die Redaktion des „Volksstaat"1'791
[„Der Volksstaat" Nr.26 vom 29. März 1871] Das „Paris-Journal", eines der gelungensten Organe der Pariser Polizeipresse, veröffentlichte in seiner Nummer vom 14. März einen Artikel unter dem sensationellen Aushängeschild: „Le Grand Chef de 1'Internationale" („Grand Chef" ist wohl die französische Ubersetzung des Stieberschen „Hauptchef"11801). „Er", beginnt der Artikel, „ist, wie bekannt, ein Deutscher, was schlimmer ist, ein Preuße. Er nennt sich Karl Marx, wohnt zu Berlin etc. Nun wohl! Dieser Karl Marx ist unzufrieden mit der Haltung der französischen Mitglieder der Internationalen. Dies spricht schon für ihn. Er findet, daß sie sich unendlich zu viel mit Politik und nicht genug mit den sozialen Fragen beschäftigen. Das ist seine Ansicht, und er hat sie soeben sehr entschieden formuliert in einem Brief an seinen Bruder und Freund, den Bürger Serraillier, einen der Pariser Hochpriester der Internationalen. Karl Marx bittet die französischen Mitglieder, insbesondere die Pariser Athliierten, nicht aus dem Äuge zu verlieren, daß ihre Gesellschaft einen einzigen Zweck hat: die Organisation der Arbeit und die Zukunft der Arbeitergesellschaften. Aber man desorganisiert die Arbeit, statt sie zu organisieren, und er glaubt, die Delinquenten zum Respekt der Statuten der Assoziation zurückrufen zu müssen. Wir erklären uns im Stand, diesen merkwürdigen Brief des Herrn Karl Marx publizieren zu können, sobald er den Mitgliedern der Internationalen mitgeteilt worden sein wird." In seiner Nummer vom 19. März hat das „Paris-Journal" in der Tat einen angeblich von mir unterzeichneten Brief, der sofort von der gesamten Pariser Reaktionspresse nachgedruckt ward und dann seinen Weg in Londoner Blätter fand. Mittlerweile jedoch hatte „Paris-Journal" ausgewittert, daß ich in London hause und nicht in Berlin. Es datiert daher diesmal den Brief von London, im Widerspruch zu seiner ersten Ankündigung. Diese
nachträgliche Korrektur leidet jedoch an dem Mißstand, daß sie mich mit meinem zu London befindlichen Freunde Serraillier über den Umweg von Paris korrespondieren läßt. Der Brief, wie ich bereits in der „Times"1 erklärt habe, ist von Anfang bis zu Ende eine unverschämte Fälschung. Dasselbe „Paris-Journal" und andere Pariser Organe der „guten Presse" verbreiteten das Gerücht, der Pariser Föderalrat der Internationalen habe den außerhalb seiner Kompetenz liegenden Beschluß gefaßt, die Deutschen von der Internationalen Arbeiterassoziation auszuschließen. Die Londoner Tagesblätter griffen die willkommene Nachricht hastig auf und ergingen sich in schadenfroh gerührten Leitartikeln über den endlich vollzogenen Selbstmord der Internationalen. Leider bringt die „Times" heute folgende Erklärung des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation2: „Eine Mitteilung, wonach die Pariser Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation den Ausschluß aller Deutschen aus der Internationalen erklärt, also im Sinne der Antideutschen Liga gehandelt hätten, macht die Runde in der englischen Presse. Die Mitteilung steht im schreiendsten Widerspruch zu den Tatsachen. Weder der Föderalrat unserer Assoziation zu Paris, noch irgendeine der Pariser Sektionen, die er repräsentiert, haben jemals von einem solchen Beschluß geträumt. Die sogenannte Antideutsche Liga, soweit sie überhaupt existiert, ist ausschließlich das Werk der Aristokratie und der Bourgeoisie. Sie ward ins Leben gerufen durch den JockeyClub'1761 und in Gang gehalten durch die Zustimmungen der Akademie, der Börse, einiger Bankiers und Fabrikanten usw. Die Arbeiterklasse hatte nie damit zu schaffen. Der Zweck dieser Verleumdungen springt ins Auge. Kurz vor dem Ausbruch des neulichen Krieges mußte die Internationale als Sündenbock für alle mißliebigen Ereignisse herhalten. Dieselbe Taktik wird jetzt wiederholt. Während z.B. Schweizer und preußische Blätter sie als Urheber der Unbilden gegen die Deutschen in Zürich'1771 denunzieren, berichten gleichzeitig französische Blätter, wie der ,Courrier de Lyon', der .Courrier de la Gironde', die Pariser .Liberte' usw. von gewissen geheimen Zusammenkünften der Internationalen zu Genf und Bern, unter dem Vorsitz des preußischen Gesandten, worin der Plan ausgeheckt worden sei, den vereinigten Preußen und Internationalen Lyon zum Behuf gemeinsamer Plünderung zu überliefern." Soweit die Erklärung des Generalrats. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Großwürdenträger und herrschenden Klassen der alten Gesell
1 Siehe vorl. Band, S.295 - 2 vgl. vorl. Band, S.296/297
schaft, welche ihre eigene Macht und die Exploitation der produktiven Volksmassen nur noch durch nationale Kämpfe und Gegensätze erhalten können, in der Internationalen Arbeiterassoziation ihren gemeinsamen Gegner erkennen. Ihn zu vernichten, sind alle Mittel gut.
London, 23. März 1871
Karl Marx Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation für Deutschland
Karl Marx [An die Redaktion des „De Werker""811]
London, 31. März 1871
Bürger! Mein angeblicher Brief an die Internationalen von Paris ist lediglich, wie ich bereits in der „Times" vom 22. März erklärt habe1, eine Fälschung des „Paris-Journal", eines dieser in der kaiserlichen Kloake ausgebrüteten Boulevardblätter. Übrigens haben, wie es scheint, alle Organe der „guten Presse" Europas, die Direktive bekommen, die Fälschung als ihre stärkste Waffe gegen die Internationale zu benutzen. In den Augen dieser ehrbaren Verfechter der Religion, der Ordnung, der Familie und des Eigentums ist das Verbrechen der Fälschung nicht die geringste Sünde. Gruß und Brüderlichkeit Karl Marx
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx An den Redakteur der „Times"11821
[„The Times" Nr.27028 vom 4. April 1871]
Sir, gestatten Sie mir, die Spalten Ihrer Zeitung wiederum zu benutzen, um weit verbreitete Lügen zu widerlegen? In einem Telegramm, aus Paris vom 30. März datiert, ist ein Auszug aus dem „Gaulois"[1831 enthalten; dieser Auszug mit der sensationellen Schlagzeile „Pariser Revolution angeblich von London aus organisiert" schmückte vorigen Sonnabend die Londoner Blätter. Nachdem der „Gaulois" während des neulichen Krieges mit dem „Figaro"11841 und dem „Paris-Journal" im Aushecken von Münchhausiaden erfolgreich konkurriert hat, was die Pariser petite presse1 in der ganzen Welt zum Gespött werden ließ, scheint er mehr denn je davon überzeugt zu sein, daß das auf Neuigkeiten erpichte Publikum sich stets an den Grundsatz klammern wird: „Credo, quia absurdum est"2. Aber sogar der Freiherr von Münchhausen, hätte er es unternommen, in London „in den ersten Tagen des Februar", als Herr Thiers noch nicht in offizieller Position war, „die Insurrektion vom 18. März" zu organisieren, die durch den Versuch desselben Herrn Thiers, die Pariser Nationalgarde zu entwaffnen, hervorgerufen worden war? Nicht zufrieden damit, die Herren Assi und Blanqui auf eine imaginäre Reise nach London zu schicken, damit sie dort mit mir in geheimem Konklave konspirieren, fügt der „Gaulois" diesem Konklave noch zwei imaginäre Personen hinzu einen „Bentini, Hauptagent für Italien", und einen „Dermott, Hauptagent für England". Ebenso großmütig bestätigt der „Gaulois" mich in der Würde des „obersten Chefs der Internationale", die mir zuerst vom „Paris
1 Boulevardpresse - 2 „Ich glaube es, weil es widersinnig ist"
Journal" verliehen wurde. Ich fürchte, der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation wird trotz dieser beiden ehrbaren Organe seine Geschäfte weiter erledigen, ohne sich mit irgendeinem „Chef" oder „Präsidenten" zu belasten. Ich verbleibe, Sir, hochachtungsvoll Ihr ergebener Karl Marx London, 3. April
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Uber den Streik der Zigarrenarbeiter in Antwerpen11851]
[„Der Volksstaat" Nr.30 vom 12. April 1871] In Antwerpen sind 500 Zigarrenarbeiter außer Arbeit. Die Fabrikanten stellten ihnen die Wahl: entweder ihre (zur Internationalen Arbeiterassoziation gehörige) Gewerkschaft aufzulösen oder entlassen zu werden. Alle ohne Ausnahme wiesen diese Zumutung entschieden zurück, und so schlössen die Fabrikanten ihre Werkstätten. Die Arbeiter haben 6000 frs. (1600 Taler) in ihrer Kasse; sie haben sich mit den Zigarrenarbeitern von Holland und England bereits in Verbindung gesetzt und jeder Zuzug von dort ist verhindert. Von England werden sie nicht unbedeutende Geldunterstützung erhalten, 176 Pfund St. (1200 Taler) sind bereits abgegangen und für weitere Hülfe wird gesorgt. Die Antwerper verlangen übrigens nur Vorschuß, da sie erklären, imstande zu sein, jede geleistete Hülfe zurückzuerstatten. Sollten die deutschen Zigarrenarbeiter oder andere Gewerkschaften imstande sein, ihren Antwerper Brüdern Unterstützung zuwenden zu können, so ist zu hoffen, daß sie nicht damit zurückhalten. Geldsendungen sind zu machen an Ph.Coenen, Boomgaardsstraat 3, Antwerpen. Jedenfalls aber ist es ihre Pflicht, deutsche Zigarrenarbeiter von allem Zuzug nach Antwerpen abzuhalten, solange die Fabrikanten dort auf ihren Forderungen beharren.
Geschrieben am 5. April 1871.
Friedrich Engels [Resolution des Generalrats über den Ausschluß von Tolain[l861]
In Erwägung, daß der Generalrat ersucht worden ist, die Resolution des Föderalrats der Pariser Sektionen zu bestätigen, durch welche der Bürger Tolain aus der Assoziation ausgestoßen wird, weil er, in die Nationalversammlung gewählt, um dort die Arbeiterklasse zu vertreten, ihre Sache in der feigsten Weise verraten hat; in Erwägung, daß der Platz jedes französischen Mitglieds der IAA zweifellos an der Seite der Kommune von Paris und nicht in der usurpatorischen und konterrevolutionären Versammlung von Versailles ist, bestätigt der Generalrat die Resolution des Pariser Föderalrats und erklärt den Bürger Tolain für ausgestoßen aus der IAA. Der Generalrat konnte diese Angelegenheit nicht eher regeln, weil ihm die authentische Fassung der obenerwähnten Resolution des Pariser Föderalrats erst am 25. April vorgelegt worden ist.
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels Abermals „Herr Vogt"1,871
[„Der Volksstaat" Nr.38 vom lO.Mai 1871] Seit der Augsburger Kampagne von 1859[1S8!, die ihm eine so gewaltige Tracht Prügel eingebracht hatte, schien Herr Vogt die Politik satt bekommen zu haben. Er wandte sich mit ganzer Energie den Naturwissenschaften zu, in denen er bereits früher, wie er selbst sagt, so „staunenerregende" Entdeckungen geleistet hatte. So hatte er - um dieselbe Zeit, wo durch Küchenmeister und Leuckardt die höchst komplizierte Entwicklungsgeschichte der Eingeweidewürmer nachgewiesen und damit ein wirklich großer Fortschritt in der Wissenschaft gemacht wurde - die staunenerregende Entdeckung gemacht, daß die Eingeweidewürmer aus zwei Klassen bestehen: Rundwürmer, welche rund, und Plattwürmer, welche platt sind. Jetzt stellte er dieser gewaltigen Errungenschaft eine noch größere zur Seite. Die Auffindung vieler fossilen Menschenknochen aus vorgeschichtlichen Zeiten hatte das vergleichende Studium der Schädel aus verschiedenen Menschenracen in die Mode gebracht. Man maß die Schädel in allen Richtungen, man verglich, man diskutierte, man kam zu keinem Resultat, bis Vogt endlich mit gewohnter Siegesgewißheit die Lösung des Rätsels verkündigte, daß sämtliche Menschenschädel in zwei Klassen zerfallen: solche, welche länglich (Langköpfe, Dolichozephalen) und solche, welche rundlich sind (Kurzköpfe, Brachyzephalen). Was die genauesten und fleißigsten Beobachter durch langjährige, mühsame Arbeit nicht fertiggebracht hatten, Vogt brachte es zustande durch die einfache Anwendung seines Würmerprinzips. Stellen wir neben diese staunenerregenden Entdeckungen noch die Entdeckung einer neuen Spezies im Gebiet der politischen Zoologie, nämlich die Entdeckung der Schwefelbande1189 so wird auch der Unbescheidenste zugeben müssen, daß Vogt für ein Menschenleben genug geleistet hatte.
Aber der große Geist unseres Vogt hatte keine Ruhe. Die Politik behielt ihre unwiderstehlichen Reize für den Mann, der auch auf der Bierbank so Großes leistete. Die Tracht Prügel von Anno Sechzig war glücklich verwunden, der Marxsche „Herr Vogt"1 nicht mehr im Buchhandel zu haben, über alle die faulen Geschichten war aber und abermals Gras gewachsen, unser Vogt hatte unter dem Beifall des deutschen Philisters Vorlesungsreisen gehalten, hatte sich auf allen Naturforscherversammlungen, ethnographischen und antiquarischen Kongressen breitgemacht und an die wirklichen wissenschaftlichen Größen herangedrängt; er konnte sich also wieder einigermaßen „anständig" vorkommen und berufen glauben, den deutschen Philister, den er naturwissenschaftlich eingepaukt, auch politisch einzupauken. Es gingen große Dinge vor: Napoleon der Kleine'1901 hatte bei Sedan kapituliert, die Preußen standen vor Paris, Bismarck verlangte Elsaß und Lothringen. Da war es die höchste Zeit für Vogt, sein gewichtiges Wort zu sprechen. Dies Wort nennt sich: „Carl Vogt's Politische Briefe an Friedrich Kolb", Biel 1870; es enthält zwölf Briefe, die zuerst in der Wiener „Tages-Presse" erschienen und außerdem in Vogts Moniteur, dem „Bieler Handels-Courier" [191', abgedruckt wurden. Vogt erklärt sich gegen Annexion und gegen die Verpreußung Deutschlands, und es ärgert ihn schändlich, daß er hierin als reiner Nachtreter der verhaßten Sozialdemokraten, d.h. der „Schwefelbande", dasteht. Auf den allgemeinen Inhalt des Pamphlets einzugehen wäre überflüssig, da es ganz gleichgültig ist, wie ein Vogt über dergleichen Dinge denkt. Zudem sind die Argumente, die er vorbringt, nur die der gewöhnlichsten Bierphilister-Kannegießerei, nur daß Vogt diesmal nicht den deutschen, sondern den Schweizer Philister zurückspiegelt. Uns interessiert nur die angenehme Persönlichkeit des Herrn Vogt selbst, wie sie sich durch ihre verschiedenen Wendungen und Wandlungen durchwindet. Wir nehmen also'das Broschürchen und legen daneben Vogts Unglücksbuch, die „Studien zur gegenwärtigen Lage Europas", 1859tl92], an deren Nachwehen er so schwer und so lange gelitten hat. Da finden wir, bei aller Geistesverwandtschaft, bei der ganz gleichen Lüderlichkeit der Schreibartauf Seite 10 gewinnt Vogt seine „Anschauungen" „mit eignen Ohren", was allerdings ganz eigne Ohren sein müssen -, da finden wir, daß heute Herr Vogt gerade das Gegenteil von dem sagt, was er vor elf Jahren predigte. Die „Studien" hatten den Zweck, den deutschen Philister zu überreden, daß Deutschland kein Interesse habe, sich in den Krieg zu mischen,
1 Siehe Band 14 unserer Ausgabe
den Louis Bonaparte damals gegen Österreich beabsichtigte. Zu diesem Zweck mußte Louis Bonaparte als ein völkerbefreiender „Schicksalsmensch" dargestellt, mußte gegen die landläufigen Angriffe der Republikaner und selbst mancher bürgerlichen Liberalen in Schutz genommen werden. Und der angebliche Republikaner Vogt ließ sich auch dazu herbei - mit arg sauersüßer Miene freilich und nicht ohne daß man ihm einiges Bauchgrimmen ansah, aber er tat es doch. Böse Zungen und Leute von der „Schwefelbande" wollten behaupten, der brave Vogt unterziehe sich allen diesen Beschwerden und Grimassen, nur weil er von bonapartistischer Seite das erhalten habe, was die Engländer „consideration" nennen, nämlich bares Geld. Es waren auch allerhand verdächtige Dinge vorgekommen. Vogt hatte verschiedentlichen Leuten Geld angeboten, wenn sie in seinem Sinn, d.h. in Anpreisung der völkerbefreienden Absichten des Louis Bonaparte, in der Presse wirken wollten. Herr Braß, dessen Tugend bekanntlich über allen Zweifel erhaben ist, seitdem er die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung"'1931 leitet, selbst Herr Braß wies öffentlich „den französischen Futtertrog zurück, den Vogt ihm vorsetzen wollte". Aber wir wollen von diesen unangenehmen Geschichten nicht weiter sprechen und zunächst annehmen, daß Vogts Bauchgrimmen und Grimassen ihm erbeigentümlich gehörten. Nun, seitdem ist das Unglück von Sedan passiert, und damit ändert sich auch alles für Herrn Vogt. Der völkerbefreiende Franzosenkaiser selbst wird noch mit einiger Zurückhaltung behandelt, es heißt von ihm bloß, daß
„die Revolution ihm schon auf dem Nacken saß. Auch ohne den Krieg hätte das Kaiserreich das Neujahr 1871 nicht in den Tuilerien gesehn". (S.l.) Aber seine Frau! Hören wir: „Freilich, wenn Eugenie gesiegt hätte (denn sie steht oder stand vielmehr, diese ungebildete Spanierin, die nicht einmal orthographisch schreiben kann, im Felde mit dem ganzen Drachenschwanze fanatischer Pfaffen und Landbevölkerung hinter sich), wenn Eugenie gesiegt hätte, so wäre die Lage momentan noch schrecklicher geworden" als nach den preußischen Siegen etc. Also: Siegten die Franzosen 1859 über die Österreicher, so siegte der völkerbefreiende Bonaparte; siegten sie 1870 über die Preußen, so siegte die ungebildete Eugenie mit ihrem Drachenschwanz. Man sieht den Fortschritt. Noch schlimmer geht es dem Drachenschwanz des Louis Bonaparte, denn es zeigt sich jetzt, daß auch er einen solchen hat. Gleich auf S.2 ist die Rede von „den furchtbaren Verschleuderungen des Kaiserreichs", S. 16 von dem „Gesindel, welches an der Spitze der kaiserlichen Armee und Ver
waltung stand". Diese Verschleuderungen und dieses Gesindel standen bereits 1859 und lange vorher in voller Blüte; Vogt, der damals keine Augen für sie hatte, sieht sie jetzt ganz genau. Wieder ein Fortschritt. Damit nicht genug. Wenn auch Vogt selbst nicht geradezu seinen früheren Befreier anschimpft, so kann er doch nicht umhin, den Brief eines französischen Gelehrten zu zitieren, worin es heißt: „Wenn Sie irgendeinen Einfluß haben, so suchen Sie die ärgste Entehrung von uns abzuwenden - celle de ramener l'infame" (die, den Ehrlosen - Louis Bonaparte zurückzuführen). „Lieber Heinrich V., die Orleans, einen Hohenzollern, lieber alles als diesen gekrönten Traupmann, der alles vergiftete, was er berührte." (S.13.) Wie schlimm indes der Exkaiser und seine ungebildete Gattin nebst ihren respektiven Drachenschwänzen auch sein mögen, so tröstet uns Vogt doch damit, daß noch einer in der Familie ist, der eine Ausnahme macht: der Prinz Napoleon, besser bekannt unter dem Namen Plon-Plon. Von ihm sagt Vogt S.33, daß Plon-Plon zu Vogt selbst gesagt habe, „er würde keinen Respekt vor den Süddeutschen haben, wenn sie anders handelten" (d.h. wenn sie nicht mit gegen die Franzosen zögen); auch sei er von dem unglücklichen Ausgange des Krieges überzeugt gewesen und habe davon keinen Hehl gemacht. Wer wird nun noch Vogt des Undanks zeihen? Ist es nicht rührend anzusehn, wie er, der „Republikaner", dem „Prinzen" auch im Pech noch die Bruderhand reicht und ihm ein Zeugnis ausstellt, worauf dieser sich berufen kann, wenn ja die große Konkurrenz ausgeschrieben werden sollte um einen Ersatzmann für den „Ehrlosen"? In den „Studien" wird Rußland und die russische Politik durchweg gelobt, dies Reich sei seit Aufhebung der Leibeigenschaft „eher ein Genosse der freiheitlichen Bewegung als ein Gegner derselben"; Polen sei auf dem besten Wege, mit Rußland zu verschmelzen (wie der Aufstand 1863 bewiesen hat!), und Vogt findet es ganz natürlich, daß Rußland
„den festen Punkt bildet, um welchen sich die slawischen Nationalitäten mehr und mehr zu gruppieren streben". Und daß damals, 1859, die russische Politik mit Louis-Napoleon Hand in Hand ging, war natürlich in Vogts Augen ein enormes Verdienst. Jetzt ist das alles anders - jetzt heißt es:
„Ich bin keinen Augenblick im Zweifel, daß ein Konflikt zwischen der slawischen und germanischen Welt bevorsteht... und daß Rußland in diesem die Führerschaft auf der einen Seite übernehmen wird." (S.30, 31.) Und nun wird nachgewiesen, daß nach der Annexion des Elsasses
Frankreich in diesem Konflikt sofort sich auf Seite der Slawen stellen, ja den Ausbruch dieses Konflikts möglichst beschleunigen wird, um das Elsaß wiederzugewinnen, so daß dieselbe russisch-französische Allianz, die 1859 ein Glück für Deutschland gewesen sein soll, ihm jetzt als Popanz und Schreckensgespenst vorgehalten wird. Aber Vogt kennt seinen deutschen Philister. Er weiß, daß er ihm alles bieten, sich zehnmal widersprechen darf. Wir fragen nun unwillkürlich, wie es kam, daß Vogt vor elf Jahren die Schamlosigkeit haben konnte, eine Allianz zwischen Rußland und dem bonapartistischen Frankreich als die beste Garantie der freiheitlichen Entwicklung Deutschlands und Europas auszuposaunen? Und nun gar Preußen! In den „Studien" wird Preußen deutlich zu verstehn gegeben, es möge Louis-Napoleons Pläne gegen Österreich indirekt unterstützen, sich auf Verteidigung des deutschen Bundesgebiets beschränken und dann „bei späteren Friedensverhandlungen seinen Lohn in norddeutschen Flachlanden erhalten". Die Grenzen des späteren Nordbundes[10) - das Erzgebirge, der Main und das Meer - werden Preußen schon damals als Köder vorgehalten. Und im Nachwort zur zweiten Auflage, die während des italienischen Krieges erschienen, als das Feuer den Bonapartisten schon auf den Nägeln brannte und keine Zeit mehr zu verlieren war mit Umschweifen und Redensarten, - da platzt auch Vogt direkt mit der Sprache heraus, fordert Preußen auf, einen Bürgerkrieg in Deutschland zu beginnen zur Stiftung einer einheitlichen Zentralgewalt, zur Einverleibung Deutschlands in Preußen - diese Einigung Deutschlands werde nicht so viel Wochen kosten wie der Krieg in Italien Monate. Nun gut. Genau sieben Jahre später, und ebenfalls im Einverständnis mit LouisNapoleon, handelt Preußen genau nach den von Vogt nachgeplapperten bonapartistischen Einflüsterungen; es stürzt sich in einen Bürgerkrieg, holt sich einstweilen seinen Lohn in norddeutschen Flachlanden, schafft für den Norden wenigstens eine einheitliche Zentralgewalt - und Herr Vogt? Herr Vogt kommt jetzt plötzlich und jammert uns vor, daß „der Krieg von 1870 die notwendige unausbleibliche Folge desjenigen von 1866 war"! (S. 1.) Er lamentiert über die unersättliche Eroberungspolitik Preußens, die stets „auf eine angebotene Eroberung angebissen wie der Haifisch auf ein Stück Speck" (S.20).
„Nie und nirgends habe ich einen Staat und ein Volk gesehen, das besser diesen Namen" (Raubstaat) „verdiente als Preußen." (S. 35.) Er beklagt die Einverleibung Deutschlands in Preußen als das größte Unglück, das Deutschland und Europa zustoßen konnte (achter und neun
ter Brief). Das hat nun Bismarck davon, daß er Vogts Rat gefolgt ist, und das hat Vogt davon, daß er Bismarck einen Rat gegeben hat. Soweit schien indes alles noch gut für unsern Vogt zu gehen. Die alten anrüchigen Geschichten waren beim Philister wirklich vergessen, die „Studien" waren total verschollen, Vogt konnte sich wieder für einen anständigen Bürger und passablen Demokraten ausgeben und sich etwas darauf zugute tun, daß diese seine „Politischen Briefe" der banalen Philisterströmung in Deutschland entgegentraten. Selbst die fatale Übereinstimmung in der Annexionsfrage mit den Sozialdemokraten konnte ihm nur zur Ehre gereichen: Da Vogt nicht zur Schwefelbande übergetreten war, so mußte notwendig die Schwefelbande sich zu Vogt bekehrt haben! Da auf einmal fällt der Blick auf eine schmale dünne Zeile in den neuerdings veröffentlichten Verwendungslisten der geheimen Fonds von Louis-Napoleon:
„Vogt - il lui a ete remis en Aoüt 1859... frs. 40 000." „Vogt - es sind ihm im August 1859 Übermacht worden 40 000 Francs."11"41 Vogt? Wer ist Vogt? Welch ein Unglück für Vogt, daß keine nähere Bezeichnung dabeisteht! Ja, stände da, der Professor Karl Vogt in Genf, mit Straße und Hausnummer, so könnte Vogt sagen: Das bin ich nicht, das ist mein Bruder, meine Frau, mein ältester Sohn, alles, nur ich nicht aber so! Vogt kurzweg, ohne Signalement, Vornamen, Adresse, das kann nur der eine Vogt sein, der weltberühmte Gelehrte, der große Entdecker der Rundwürmer und der Plattwürmer, der Langschädel und der Kurzschädel und der Schwefelbande, der Mann, dessen Renommee selbst bei den Polizisten der geheimen Fonds so bekannt ist, daß jede nähere Bezeichnung überflüssig wäre! Und dann - gibt es einen andern Vogt, der der bonapartistischen Regierung 1859 solche Dienste geleistet hätte, daß sie sie im August jenes Jahres (und Vogt war gerade damals in Paris) mit 40 000 Francs bezahlte? Daß Sie die Dienste geleistet haben, Herr Vogt, ist notorisch; Ihre „Studien" sind der Beweis dafür; diese „Studien" erschienen in erster Auflage im Frühjahr, in zweiter im Sommer; daß Sie vom 1 .April 1859 bis in den Sommer hinein Leute über Leute aufforderten, gegen Bezahlung Ihrerseits im bonapartistischen Interesse tätig zu sein, haben Sie selbst zugestanden; im August 1859, nach Beendigung des Krieges, waren Sie in Paris - und nun sollen wir glauben, daß der Vogt kurzweg, dem Bonaparte im August 1859 die 40 000 Francs auszahlen ließ, ein anderer, ganz unbekannter Vogt sei? Unmöglich. Wir schwören es bei allen Rundwürmern undPlattwürmern: Solange Sie uns nicht das Gegenteil beweisen, müssen wir annehmen, daß Sie der fragliche Vogt sind.
Aber, sagen Sie vielleicht, das ist ja eine Behauptung, die auf nichts beruht als auf dem Wort der jetzigen französischen Regierung, d.h. der Kommunalisten oder, was dasselbe ist, Kommunisten, die auch Schwefelbande heißen; wer wird solchen Menschen glauben? Hierauf wäre zu antworten, daß die Veröffentlichung der „Correspondance et papiers de la famille imperiale" durch die „Regierung der nationalen Verteidigung" erfolgte, deren offizieller Akt sie ist, für den sie einsteht. Und was hielten Sie von dieser Regierung, Jules Favre, Trochu usw.? „Die Männer, welche jetzt an die Spitze geschnellt worden sind, stehen niemand nach an Intelligenz, Tatkraft und erprobter Gesinnung - aber das Unmögliche können sie nicht leisten." Das sagen Sie von ihnen auf S.52. Nein, Herr Vogt, das Unmögliche können sie nicht leisten, aber sie hätten doch wenigstens Ihren Namen unterdrücken können als Dank für diese warme Anerkennung, die ihnen so selten zuteil geworden! Indes, wie Sie selbst sagen, Herr Vogt, „Geld ist nun einmal das Äquivalent des Schadens, welchen das Individuum erleidet an seiner Person" (S.24) und, wenn Ihre werte Person durch Ihre politischen Sprünge von 1859 „Schaden" - hoffentlich nur moralischen - erlitten hat, so trösten Sie sich gefälligst mit dem „Äquivalent". Als der Kriegslärm vorigen Sommer losging, waren Sie „überzeugt, daß der ganze französische Regierungsspektakel nur dazu dienen sollte, in scheinbaren Rüstungen die furchtbaren Verschleuderungen des Kaiserreichs zu decken. Unter Louis-Philippe taten dies die Holzwürmer - die über den Etat gehenden geheimen Ausgaben wurden auf das Holzkonto der Marine geschrieben; unter dem Kaiserreich hätten alle Holzwürmer der Erde nicht genügt, die Ausfälle zu decken". /Q A \ «P- f-; Da sind wir also wieder bei den beliebten Würmern angekommen, und zwar bei den Holzwürmern. Zu welcher Klasse gehören diese, zu den Rundwürmern oder zu den Plattwürmern? Wer könnte das entscheiden? Nur Sie, Herr Vogt, und Sie entscheiden es in Wirklichkeit. Laut der „Correspondance etc." gehören Sie selbst zu den „Holzwürmern" und haben Sie „die über den Etat gehenden geheimen Ausgaben" mit aufgegessen bis zum Belauf von 40 000 Francs. Und daß Sie ein „Rundwurm" sind, weiß jeder, der Sie kennt.
Geschrieben am 5. Mai 1871.
KARL MARX
Der Bürgerkrieg in Frankreich
Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation1'951
Geschrieben April/Mai 1871. Erstmalig in englischer Sprache veröffentlicht als Broschüre in London, Juni 1871. Erstmalig in deutscher Sprache veröffentlicht in „Der Volksstaat", Leipzig, vom 28. Juni bis 29.Juli 1871, und als Separatabdruck aus dem „Volksstaat", Leipzig 1871. Der vorliegende Abdruck entspricht der letzten, von Friedrich Engels besorgten Auflage in deutscher Sprache, Berlin 1891. Auf wesentliche Abweichungen von den deutschen Ausgaben von 1871 und 1876 wird in Fußnoten verwiesen.
CIVIL WAR IN FRANCE
ADDRESS
Off
THE GENERAL COUNCIL
Ol? THE INTERNATIONAL WOEKING-MEN'S ASSOCIATION,
THIRD EDITION, REVISED.
Trinted and Publisheä for the Council by EDWARD TRUELOVE, 856, HIGH HOLBORN. 1871. Price Twopence.
Titelblatt der dritten englischen Ausgabe

®CT itgetfriei in gmtifreii
Tlbtefie bee ©eneralrat^s bet ^u t er ttai umarm Jlrßeifer-Jinrociation.
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Qtagele.
fPprHa 1891. üedag 6er Cjpefcition free „Uorwärls", Berünet Dolfeblait. (Sö. (Bloße.)
Titelblatt der dritten deutschen Auflage

An die Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation in Europa und den Vereinigten Staaten
I
Am 4. September 1870, als die Pariser Arbeiter die Republik proklamierten, der fast in demselben Augenblick ganz Frankreich ohne eine einzige Stimme des Widerspruchs zujubelte - da nahm eine Kabale stellenjagender Advokaten, mit Thiers als Staatsmann und Trochu als General, Besitz vom Hotel de Ville (Stadthaus). Diese Leute waren damals durchdrungen von einem so fanatischen Glauben an den Beruf von Paris, in allen Epochen geschichtlicher Krisis Frankreich zu vertreten, daß, um ihre usurpierten Titel als Regenten Frankreichs zu rechtfertigen, es ihnen genügend schien, ihre verfallenen Mandate als Abgeordnete für Paris vorzuzeigen. In unsrer zweiten Adresse über den letzten Krieg, fünf Tage nach dem Emporkommen dieser Leute, sagten wir euch, wer sie waren.1 Und dennoch, im Sturm der Überrumplung, mit den wirklichen Führern der Arbeiter noch in Bonapartes Gefängnissen und mit den Preußen schon im vollen Marsch auf Paris, duldete Paris ihre Ergreifung der Staatsmacht; aber nur auf die ausdrückliche Bedingung hin, daß diese Staatsmacht dienen sollte einzig und allein zum Zweck der nationalen Verteidigung. Paris aber war nicht zu verteidigen, ohne seine Arbeiterklasse zu bewaffnen, sie in eine brauchbare Kriegsmacht zu verwandeln und ihre Reihen durch den Krieg selbst einzuschulen. Aber Paris in Waffen, das war die Revolution in Waffen. Ein Sieg von Paris über den preußischen Angreifer wäre ein Sieg gewesen des französischen Arbeiters über den französischen Kapitalisten und seine Staatsparasiten. In diesem Zwiespalt zwischen nationaler Pflicht und Klasseninteresse zauderte die Regierung der nationalen Verteidigung keinen Augenblick - sie verwandelte sich in eine Regierung des nationalen Verrats.
Das erste, was sie tat, war, Thiers auf die Wanderung zu schicken, zu allen Höfen Europas, um dort Vermittlung zu erbetteln mit dem Angebot, die Republik gegen einen König auszutauschen. Vier Monate nach Beginn der Belagerung, als der Augenblick gekommen schien, das erste Wort von Kapitulation fallen zu lassen, redete Trochu, in Gegenwart von Jules Favre und andern Regierungsmitgliedern, die versammelten Maires (Bezirksbürgermeister) von Paris an wie folgt:
„Die erste Frage, die mir von meinen Kollegen noch am selben Abend des 4. Septembers vorgelegt wurde, war diese: Kann Paris, mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg, eine Belagerung durch die preußische Armee aushalten? Ich zögerte nicht, dies zu verneinen. Mehrere meiner hier anwesenden Kollegen werden einstehn für die Wahrheit meiner Worte und für mein Beharren auf dieser Meinung. Ich sagte ihnen, in diesen selben Worten, daß, wie die Dinge lägen, der Versuch, Paris gegen eine preußische Belagerung zu halten, eine Torheit sei. Ohne Zweifel, fügte ich hinzu, eine heroische Torheit; aber das würde auch alles sein... Die Ereignisse" (die er selbst leitete) „haben meine Voraussicht nicht Lügen gestraft."'196' Diese nette kleine Rede Trochus wurde nachher von einem der anwesenden Maires, Herrn Corbon, veröffentlicht. Also: Am selben Abend, wo die Republik proklamiert wurde, war es Trochus Kollegen bekannt, daß Trochus „Plan" in der Kapitulation von Paris bestand. Wäre die nationale Verteidigung mehr gewesen als ein bloßer Vorwand für die persönliche Herrschaft von Thiers, Favre und Kompanie - die Emporkömmlinge des 4. September hätten am 5. abgedankt, hätten das Pariser Volk eingeweiht in Trochus „Plan" und hätten es aufgefordert, entweder sofort zu kapitulieren oder1 sein eignes Geschick in seine eigne Hand zu nehmen. Statt dessen aber beschlossen die ehrlosen Betrüger, die „heroische Torheit" von Paris durch Behandlung mit Hunger und blutigen Köpfen zu kurieren und es inzwischen zum Narren zu halten durch großsprechende Manifeste, wie z.B.: „Trochu, der Gouverneur von Paris, wird nie kapitulieren!"11973 und Jules Favre, der auswärtige Minister, „wird nicht einen Zoll breit unsres Gebiets und nicht einen Stein unsrer Festungen abtreten"'1981. In einem Brief an Gambetta bekennt derselbe Jules Favre, daß das, wogegen sie sich „verteidigten", nicht die preußischen Soldaten waren, sondern die Pariser Arbeiter. Während der ganzen Belagerung rissen die bonapartistischen Gurgelabschneider, denen Trochu weislich das Kommando der Pariser Armee anvertraut hatte, in ihrer vertraulichen Korrespondenz schnöde Witze über den wohlverstandnen Hohn
1 (1876) fehlt: entweder sofort zu kapitulieren oder
der Verteidigung. Man sehe z.B. die Korrespondenz von Alphonse-Simon Guiod, Oberkommandant der Artillerie der Pariser Armee, Großkreuz der Ehrenlegion, an Susane, Divisionsgeneral der Artillerie, welche Korrespondenz von der Kommune veröffentlicht wurde.11991 Endlich, am 28. Januar 1871t1311, ließen sie die Trugmaske fallen. Mit dem ganzen Heldenmut der äußersten Selbsterniedrigung trat die Regierung der nationalen Verteidigung in der Kapitulation von Paris hervor, als die Regierung Frankreichs durch Bismarcks Gefangene - eine Rolle von solcher Niedertracht, daß selbst Louis-Napoleon in Sedan vor ihr zurückgebebt war. Nach dem 18. März, in ihrer wilden Flucht nach Versailles, ließen die „Capitulards"'2001 den aktenmäßigen Beweis ihres Verrats in Paris zurück. Um diesen zu zerstören, sagt die Kommune in einem ihrer Manifeste an die Provinzen,
„würden diese Leute nicht davor zurückschrecken, Paris in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, umspült von einem Blutmeer"'2011. Aber um einen solchen Ausgang herbeizuführen, dafür hatten mehrere der Hauptmitglieder der Verteidigungsregierung außerdem noch ganz besondre Privatgründe. Kurz nach Abschluß des Waffenstillstands veröffentlichte Milliere, Abgeordneter für Paris zur Nationalversammlung, jetzt erschossen auf expressen Befehl von Jules Favre, eine Reihe authentischer gerichtlicher Aktenstücke zum Beweise, daß Jules Favre, in wilder Ehe lebend mit der Frau eines in Algier wohnenden Trunkenbolds, durch eine höchst verwegne Anhäufung von Fälschungen, die sich über eine lange Reihe von Jahren erstrecken, im Namen der Kinder seines Ehebruchs eine große Erbschaft erschlichen und sich dadurch zum reichen Mann gemacht hatte; und daß, in einem von den rechtmäßigen Erben unternommenen Prozesse, er der Entdeckung nur entging durch die besondre Begünstigung der bonapartistischen Gerichte. Da über diese trocknen gerichtlichen Aktenstücke nicht hinwegzukommen war, auch nicht mit noch so viel rhetorischen Pferdekräften, hielt Jules Favre zum erstenmal in seinem Leben den Mund, in aller Stille den Ausbruch des Bürgerkriegs erwartend, um dann das Pariser Volk wütend zu verlästern als eine Bande ausgebrochner Sträflinge, in hellem Aufruhr gegen Familie, Religion, Ordnung und Eigentum. Und dieser selbe Fälscher war kaum zur Herrschaft gekommen, als er, gleich nach dem 4. September, Pic und Taillefer mitfühlend in Freiheit setzte, die beide, sogar unter dem Kaiserreich, wegen Fälschung verurteilt waren bei der Skandalgeschichte mit der Zeitung „L'litendard"'2021. Einer dieser Edlen, Taillefer, hatte die Frechheit, unter der Kommune nach Paris hin
einzugehn und wurde sofort wieder eingesteckt; und darauf rief Jules Favre von der Tribüne der Nationalversammlung in die Welt hinaus, daß die Pariser alle ihre Zuchthäusler freiließen! Ernest Picard, der Karl Vogt1 der Regierung der nationalen Verteidigung, der sich selbst zum Minister des Innern der Republik ernannte, nachdem er vergeblich gestrebt, der Minister des Innern des Kaiserreichs zu werden - ist der Bruder eines gewissen Arthur Picard, der als Schwindler von der Pariser Börse ausgestoßen (Bericht der Pariser Polizeipräfektur vom 31 .Juli 1867) und auf eignes Geständnis überführt wurde eines Diebstahls von 300000 Franken, begangen als Direktor eines Zweigbüros der Societe generale12031, Rue Palestro Nr. 5 (Bericht der Polizeipräfektur vom 11. Dezember 1868). Diesen Arthur Picard ernannte Ernest Picard zum Redakteur seines Blattes „L'Electeur libre"[a041. Während die gewöhnliche Sorte Börsenleute durch die offiziellen Lügen dieses Ministerialblatts irregeleitet wurden, lief Arthur Picard hin und her zwischen dem Ministerium und der Börse und verwandelte hier die Niederlagen der französischen Armeen in baren Profit. Die ganze Geschäftskorrespondenz dieses biedern Brüderpaars fiel in die Hände der Kommune. Jules Ferry, vor dem 4. September ein brotloser Advokat, brachte es fertig, als Maire von Paris während der Belagerung, aus der Hungersnot ein Vermögen für sich herauszuschwindeln. Der Tag, an dem er sich wegen seiner Mißverwaltung zu verantworten haben wird, wird auch der Tag seiner Verurteilung sein. Diese Männer nun konnten ihre tickets-of-leave * nur in den Ruinen von Paris finden; sie waren gerade die Leute, die Bismarck brauchte. Ein wenig Taschenspielerei - und Thiers, bisher der geheime Zuflüsterer der Regierung, erschien jetzt als ihre Spitze, mit den ticket-of-leave-Männern als Ministem. Thiers, diese Zwergmißgeburt, hat die französische Bourgeoisie mehr als ein halbes Jahrhundert lang bezaubert, weil er der vollendetste geistige Ausdruck ihrer eigenen Klassenverderbtheit ist. Ehe er Staatsmann wurde, hatte er schon seine Stärke im Lügen als Geschichtsschreiber dargetan. Die
* In England gibt man gemeinen Verbrechern nach Verbüßung des größern Teils ihrer Haft häufig Urlaubsscheine, mit denen sie entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Diese Scheine heißen tickets-of-leave und ihre Inhaber ticket-of-leavemen. [Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe von 1871.]
1 In der englischen Ausgabe Joe Miller, in der französischen Falstaff
Chronik seines öffentlichen Lebens ist die Geschichte der Unglücke Frankreichs. Verbündet, vor 1830, mit den Republikanern, erhaschte er unter Louis-Philippe eine Ministerstelle, indem er seinen Protektor Laffitte verriet. Beim König schmeichelte er sich ein durch Anhetzung von Pöbelexzessen gegen die Geistlichkeit, während deren die Kirche Saint-Germain l'Auxerrois und der erzbischöfliche Palast geplündert wurden, und durch sein Benehmen gegen die Herzogin von Berry, bei der er zu gleicher Zeit den Ministerspion und den Gefängnisgeburtshelfer spielte'2051. Sein Werk war die Niedermetzlung der Republikaner in der Rue Transnonain, sein Werk die darauffolgenden infamen Septembergesetze gegen Presse und Assoziationsrecht'2061. 1840, wo er als Ministerpräsident wieder auftauchte, setzte er Frankreich in Erstaunen mit seinem Plan, Paris zu befestigen'2071. Den Republikanern, die diesen Plan als heimtückisches Komplott gegen die Freiheit von Paris anklagten, antwortete er in der Deputiertenkammer: „Wie? Sie bilden sich ein, daß Festungswerke je die Freiheit gefährden könnten? Vor allem verleumden Sie jede mögliche Regierung, wenn Sie voraussetzen, sie könnte je versuchen, sich durch ein Bombardement von Paris aufrechtzuerhalten... eine solche Regierung wäre nach ihrem Siege hundertmal unmöglicher als vorher."'2081 In der Tat, keine Regierung würde je gewagt haben, Paris von den Forts zu bombardieren, außer der Regierung, die vorher diese selben Forts den Preußen ausgeliefert hatte. Als König Bomba sich im Januar 1848 an Palermo versuchte'2091, erhob sich Thiers, damals schon lange kein Minister mehr, abermals in der Kammer: „Sie wissen, meine Herren, was in Palermo vorgeht. Sie alle erbeben vor Schauder" (im parlamentarischen Sinn), „wenn Sie hören, daß achtundvierzig Stunden lang eine große Stadt bombardiert worden ist - von wem? Von einem fremden Feind, in Anwendung des Kriegsrechts? Nein, meine Herren, von ihrer eignen Regierung. Und weswegen? Weil die unglückliche Stadt ihre Rechte forderte. Und für die Forderung ihrer Rechte erhielt sie achtundvierzig Stunden Bombardement... Erlauben Sie mir, an die Meinung von Europa zu appellieren. Es heißt der Menschlichkeit einen Dienst erweisen, wenn man sich erhebt und von vielleicht der größten Tribüne Europas widerhallen läßt einige Worte" (jawohl, Worte!) „der Entrüstung gegen solche Taten. Als der Regent Espartero, der seinem Lande Dienste geleistet hatte" (und das war mehr, als Thiers je getan),„beabsichtigte, Barcelona zu bombardieren zur Unterdrückung eines Aufstandes, da erhob sich von allen Enden der Welt ein allgemeiner Schrei der Entrüstung."'2101 Achtzehn Monate später befand sich Thiers unter den wütendsten Verteidigern des Bombardements von Rom durch eine französische Armee.'2111
21»
Der Fehler des Königs Bomba scheint in der Tat nur darin gelegen zu haben, daß er sein Bombardement auf achtundvierzig Stunden beschränkte. Wenige Tage vor der Februarrevolution, unwirsch ob der langen Verbannung von Amt und Unterschleif, wozu Guizot ihn verurteilt hatte, und in der Luft eine herannahende Volksbewegung witternd, erklärte Thiers, in dem falschen Heldenstil, der ihm den Spottnamen Mirabeau-mouche (Mirabeau-Fliege) einbrachte, der Deputiertenkammer:
„Ich gehöre zur Partei der Revolution, nicht allein in Frankreich, sondern in Europa. Ich wünsche, daß die Regierung der Revolution in den Händen gemäßigter Männer bleiben möge;... aber sollte diese Regierung in die Hände heftiger Leute fallen, selbst in die von Radikalen, so werde ich darum doch meine Sache nicht im Stich lassen. Ich werde immer zur Partei der Revolution gehören."'212'
Die Februarrevolution kam. Statt das Ministerium Guizot durch das Ministerium Thiers zu ersetzen, wie das Männlein geträumt hatte, verdrängte sie Louis-Philippe durch die Republik. Am ersten Tage des Sieges versteckte er sich sorgfältig, vergessend, daß die Verachtung der Arbeiter ihn vor ihrem Haß schützte. Dennoch hielt er sich, mit seinem altbekannten Mut, von der öffentlichen Bühne fern, bis die Junimetzeleien'2131 sie für seine Sorte Aktion freigefegt hatten. Dann wurde er der leitende Kopf der „Ordnungspartei"'2141 mit ihrer parlamentarischen Republik, jenem anonymen Zwischenreich, in dem alle die verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse miteinander konspirierten zur Unterdrückung des Volkes, und gegeneinander, jede zur Wiederherstellung ihrer eigenen Monarchie. Damals wie jetzt klagte Thiers die Republikaner an als das einzige Hindernis der Befestigung der Republik; damals wie jetzt sprach er zur Republik wie der Henker zu Don Carlos: „Ich werde dich morden, aber zu deinem eignen Besten." Jetzt wie damals wird er ausrufen müssen am Tag nach seinem Siege: „L'Empire est fait!" - Das Kaiserreich ist fertig. Trotz seiner heuchlerischen Predigten von „notwendigen Freiheiten" und seines persönlichen Ärgers gegen Louis Bonaparte, der ihn gebraucht und den Parlamentarismus hinausgeworfen hatte - und außerhalb der künstlichen Atmosphäre des Parlamentarismus schrumpft das Männlein, wie es wohl weiß, zu einem Nichts zusammen -, trotz alledem hatte Thiers seine Hand in allen Infamien des zweiten Kaiserreichs, von der Besetzung Roms durch französische Truppen bis zum Kriege gegen Preußen, zu dem er aufhetzte durch seine heftigen Ausfälle gegen die deutsche Einheit - nicht als Deckmantel für den preußischen Despotismus, sondern als Eingriff in das ererbte Anrecht Frankreichs auf die deutsche Uneinigkeit. Während seine
Zwergsarme gern im Angesicht Europas das Schwert des ersten Napoleon umherschwangen, dessen historischer Schuhputzer er geworden war, gipfelte seine auswärtige Politik stets in der äußersten Erniedrigung Frankreichs, von der Londoner Konvention von 184112151 bis zur Pariser Kapitulation von 1871 und zum jetzigen Bürgerkrieg, worin er, mit hoher obrigkeitlicher Erlaubnis Bismarcks, die Gefangenen von Sedan und Metz gegen Paris hetzte12161. Trotz der Beweglichkeit seines Talents und der Veränderlichkeit seiner Zielpunkte ist dieser Mann sein ganzes Leben lang an die allerfossilste Routine gekettet gewesen. Es ist klar, daß ihm die tiefer liegenden Strömungen der modernen Gesellschaft ewig verborgen bleiben mußten; aber selbst die handgreiflichsten Veränderungen auf der gesellschaftlichen Oberfläche widerstrebten einem Gehirn, dessen ganze Lebenskraft in die Zunge geflüchtet war. So wurde er nie müde, jede Abweichung von dem veralteten französischen Schutzzollsystem als eine Heiligtumsschändung anzuklagen. Als Minister Louis-Philippes versuchte er, die Eisenbahnen als ein hirnverbranntes Blendwerk niederzuschreien; in der Opposition unter Louis Bonaparte brandmarkte er als eine Entheiligung jeden Versuch zur Reform des verfaulten französischen Heerwesens. Niemals in seiner langen politischen Laufbahn hat er sich einer einzigen, auch nicht der geringsten Maßregel von praktischem Nutzen schuldig gemacht. Thiers war konsequent nur in seiner Gier nach Reichtum und in seinem Haß gegen die Leute, die ihn hervorbringen. Er trat in sein erstes Ministerium unter Louis-Philippe arm wie Hiob; er verließ es als Millionär. Als sein letztes Ministerium unter demselben König (vom I.März 1840) ihm in der Kammer öffentliche Anklagen wegen Unterschleif zuzog, begnügte er sich, durch Tränen zu antworten - ein Artikel, in dem er ebenso flott „macht" wie Jules Favre oder irgendein andres Krokodil. In Bordeaux 18711 war sein erster Schritt zur Rettung Frankreichs vom hereinbrechenden Finanzruin der, sich selbst mit drei Millionen jährlich auszustatten; es war dies das erste und letzte Wort jener „sparsamen Republik", worauf er seinen Pariser Wählern 1869 Aussicht gemacht hatte. Einer seiner früheren Kollegen aus der Kammer von 1830, selbst ein Kapitalist - was ihn nicht verhinderte, ein aufopferndes Mitglied der Pariser Kommune zu sein Herr Beslay, sagte neulich in einem Maueranschlage zu Thiers:
„Die Knechtung der Arbeit durch das Kapital ist jederzeit der Eckstein Ihrer Politik gewesen, und seit Sie die Republik der Arbeit im Pariser Stadthaus eingesetzt sehn, haben Sie ohne Aufhören Frankreich zugerufen: ,Seht diese Verbrecher!'"
1 (1871 und 1876) fehlt: 1871
Ein Meister kleiner Staatsschufterei, ein Virtuose des Meineids und Verrats, ausgelernt in allen den niedrigen Kriegslisten, heimtückischen Kniffen und gemeinen Treulosigkeiten des parlamentarischen Parteikampfs; stets bereit, wenn vom Amte verdrängt, eine Revolution anzufachen und sie im Blut zu ersticken, sobald er am Staatsruder; mit Klassenvorurteilen an Stelle von Ideen; mit Eitelkeit an Stelle eines Herzens; sein Privatleben so infam, wie sein öffentliches Leben niederträchtig - kann er nicht umhin, selbst jetzt, wo er die Rolle eines französischen Sulla spielt, die Scheußlichkeiten seiner Taten zu erhöhen durch die Lächerlichkeit seiner Großtuerei. Die Kapitulation von Paris, die den Preußen nicht nur Paris, sondern ganz Frankreich überlieferte, beschloß die lang andauernden verräterischen Intrigen mit dem Feinde, die die Usurpatoren des 4. Septembers, wie Trochu selbst gesagt, schon an diesem selben Tage begonnen. Andrerseits eröffnete sie den Bürgerkrieg, den sie jetzt, mit preußischer Unterstützung, gegen die Republik und Paris zu führen hatten. Schon in dem Wortlaut der Kapitulation selbst war die Falle gelegt. Damals war über ein Drittel des Landes in den Händen des Feindes, die Hauptstadt war von den Provinzen abgeschnitten, alle Verkehrsmittel waren in Unordnung. Es war unmöglich, unter solchen Umständen eine wirkliche Vertretung Frankreichs zu erwählen, wenn nicht volle Zeit zur Vorbereitung gegeben wurde. Gerade deshalb bedang die Kapitulation, daß eine Nationalversammlung innerhalb acht Tagen zu wählen sei, so daß in manchen Teilen Frankreichs die Nachricht von der vorzunehmenden Wahl erst den Tag vorher ankam. Ferner sollte die Versammlung, nach einem ausdrücklichen Artikel der Kapitulation, gewählt werden für den einzigen Zweck, über Krieg und Frieden zu entscheiden und Vorkommendenfalls einen Friedensvertrag abzuschließen. Das Volk mußte fühlen, daß die Waffenstillstandsbedingungen die Fortführung des Kriegs unmöglich machten, und daß, um den von Bismarck aufgenötigten Frieden zu bestätigen, die schlechtesten Leute in Frankreich gerade die besten seien. Aber, nicht zufrieden mit allen diesen Vorsichtsmaßregeln, hatte Thiers, schon ehe das Geheimnis des Waffenstillstands den Parisern mitgeteilt worden, sich auf eine Wahlreise nach den Provinzen begeben, um dort die legitimistische Partei1217' ins Leben zurückzugalvanisieren, die jetzt mit den Orleanisten die Stelle der augenblicklich unmöglich gewordnen Bonapartisten auszufüllen hatte. Er hatte keine Angst vor ihnen. Unmöglich als Regierung des modernen Frankreichs und daher verächtlich als Nebenbuhler - welche Partei gab ein willkommneres Werkzeug der Reaktion ab als die Partei, deren Aktion, in Thiers' eignen Worten (Deputiertenkammer, 5. Januar 1833),
„sich immer beschränkt hatte auf die drei Hülfsquellen: auswärtige Invasion, Bürgerkrieg und Anarchie"?12181 Sie aber, die Legitimisten, glaubten in Wahrheit an den Advent ihres rückwärtsgewandten tausendjährigen Reichs. Da waren die Fersen auswärtiger Invasion, die Frankreich zu Boden traten; da war der Fall eines Kaiserreichs und die Gefangenschaft eines Bonaparte; und da waren sie selber wieder. Das Rad der Geschichte hatte sich sichtbarlich zurückgedreht bis zu der Chambre introuvable (der Landrats- und Junkerkammer) von 1816.[2191 In den Versammlungen der Republik 1848 bis 1851 waren sie vertreten gewesen durch ihre gebildeten und eingeschulten parlamentarischen Führer; jetzt aber drängten sich die gemeinen Soldaten der Partei hervor alle Pourceaugnacs von Frankreich. Sobald diese Versammlung von Ruraux (Krautjunkern)12201 in Bordeaux eröffnet war, machte Thiers es ihnen klar, daß sie die Friedenspräliminarien sofort anzunehmen hätten, selbst ohne die Ehrenbezeugung einer parlamentarischen Debatte, als einzige Bedingung, unter der Preußen ihnen erlauben werde, gegen die Republik und ihre feste Burg, Paris, den Krieg zu eröffnen. Die Kontrerevolution hatte in der Tat keine Zeit zu verlieren. Das zweite Kaisertum hatte die Staatsschuld verdoppelt und die großen Städte in schwere Lokalschulden gestürzt. Der Krieg hatte die Ansprüche an die Nation furchtbar erhöht und ihre Hülfsquellen rücksichtslos verwüstet. Zur Vollendung des Ruins stand da der preußische Shylock mit seinem Schein für den Unterhalt einer halben Million seiner Soldaten auf französischem Boden, für seine Entschädigung von fünf Milliarden und Zinsen zu 5 Prozent auf deren unbezahlte Raten.12211 Wer sollte die Rechnung zahlen? Nur durch den gewaltsamen Sturz der Republik konnten die Aneigner des Reichtums hoffen, die Kosten eines von ihnen selbst herbeigeführten Kriegs auf die Schultern der Hervorbringer dieses Reichtums zu wälzen. Und so spornte gerade der unermeßliche Ruin Frankreichs diese patriotischen Vertreter von Grundbesitz und Kapital an, unter den Augen und der hohen Protektion des fremden Eroberers, den auswärtigen Krieg zu ergänzen durch einen Bürgerkrieg, eine Sklavenhalter-Rebellion. Dieser Verschwörung stand im Wege ein großes Hindernis - Paris. Paris zu entwaffnen, war erste Bedingung des Erfolgs. Paris wurde daher von Thiers aufgefordert, seine Waffen niederzulegen. Dann wurde Paris aufgehetzt durch die tollen antirepublikanischen Demonstrationen der Krautjunker-Versammlung und durch Thiers' eigene zweideutige Aussprüche über den rechtlichen Bestand der Republik; durch die Drohung, Paris zu enthaupten und zu enthauptstadten (decapiter et decapitaliser);
die Ernennung orleanistischer Gesandten; Dufaures Gesetze wegen der verfallen Wechsel und Hausmieten'2221, die den Handel und die Industrie von Paris mit dem Untergang bedrohten; Pouyer-Quertiers Steuer von 2 Centimen auf jedes Exemplar jeder nur möglichen Druckschrift; die Todesurteile gegen Blanqui und Flourens; die Unterdrückung der republikanischen Blätter; die Verlegung der Nationalversammlung nach Versailles; die Erneuerung des von Palikao erklärten und durch den 4. September vernichteten Belagerungszustandes; die Ernennung des Dezemberhelden Vinoy'2231 zum Gouverneur, des Gendarmen Valentin zum Polizeipräfekten und des Jesuitengenerals d'Aurelle de Paladines zum Oberkommandanten der Nationalgarde von Paris. Und nun haben wir an Herrn Thiers und an die Herren von der Nationalverteidigung, seine Kommis, eine Frage zu richten. Es ist bekannt, daß durch seinen Finanzminister, Herrn Pouyer-Quertier, Thiers ein Anlehen von zwei Milliarden beantragt hatte, sofort zahlbar. Ist es nun wahr oder nicht: 1. daß dies Geschäft so abgemacht wurde, daß eine Provision von mehreren hundert Millionen in die Privattaschen von Thiers, Jules Favre, Ernest Picard, Pouyer-Quertier und Jules Simon floß, und 2. daß keine Zahlung gemacht werden sollte, bis nach der „Pacification" von Paris'2241? In jedem Falle muß die Sache sehr dringlich gewesen sein, denn Thiers und Jules Favre baten ohne alle Scham, im Namen der Versammlung von Bordeaux, um Besetzung von Paris durch preußische Truppen. Das paßte aber nicht in Bismarcks Spiel, wie er, spöttisch und ganz öffentlich, den bewundernden Frankfurter Philistern bei seiner Rückkehr nach Deutschland erzählte.
II
Paris war das einzige ernstliche Hindernis auf dem Wege der kontrerevolutionären Verschwörung. Paris mußte also entwaffnet werden. In Beziehung auf diesen Punkt war die Bordeauxer Versammlung die Aufrichtigkeit selbst. Wäre das rasende Gebrüll ihrer Krautjunker nicht hörbar genug gewesen, die Überantwortung von Paris durch Thiers in die Hände des Triumvirats - Vinoy, der Dezembermörder, Valentin, der bonapartistische Gendarm, und Aurelle de Paladines, der Jesuitengeneral - hätte auch den letzten Zweifel unmöglich gemacht. Aber während die Verschwörer den wahren Zweck der Entwaffnung frech zur Schau stellten, forderten sie Paris zur Waffenstreckung auf unter einem Vorwande, der die schreiendste,
schamloseste Lüge war. Das Geschütz der Nationalgarde, sagte Thiers, gehört dem Staat und muß dem Staat wieder abgegeben werden. Die Tatsache war diese: Von dem Tage der Kapitulation an, als Bismarcks Gefangene Frankreich an Bismarck ausgeliefert, aber sich selbst eine zahlreiche Leibwache ausbedungen hatten zu demausdrücklichen Zwecke, Paris niederzuhalten, - von dem Tage an stand Paris auf der Wacht. Die Nationalgarde reorganisierte sich und vertraute ihre Oberleitung einem Zentralkomitee an, das durch ihre ganze Masse, einige der alten bonapartistischen Abteilungen ausgenommen, erwählt war. Am Vorabend des Einmarsches der Preußen in Paris besorgte das Zentralkomitee den Transport nach Montmartre, La Villette und Belleville der von den Capitulards verräterischerweise in und bei den von den Preußen zu besetzenden Stadtteilen zurückgelassenen Kanonen und Mitrailleusen. Dies Geschütz war durch die Beiträge der Nationalgarde selbst beschafft worden. Als ihr Eigentum war es amtlich anerkannt in der Kapitulation vom 28. Januar11311 und in dieser besonderen Eigenschaft ausgenommen worden von der allgemeinen Ablieferung der dem Staat gehörenden Waffen an den Sieger. Und Thiers war so durch und durch bar eines jeden, auch des durchsichtigsten Vorwandes, um den Krieg mit Paris einzuleiten, daß er auf die platte Lüge angewiesen blieb: das Geschütz der Nationalgarde sei Staatseigentum! Die Beschlagnahme des Geschützes sollte nur dienen als Vorspiel der allgemeinen Entwaffnung von Paris und damit der Entwaffnung der Revolution vom 4.September. Aber diese Revolution war der gesetzliche Zustand Frankreichs geworden. Die Republik, ihr Werk, war im Wortlaut der Kapitulation vom Sieger anerkannt. Nach der Kapitulation war sie anerkannt worden von allen fremden Mächten; in ihrem Namen war die Versammlung berufen. Die Pariser Arbeiterrevolution vom 4. September war der einzige Rechtstitel der Nationalversammlung in Bordeaux und ihrer vollziehenden Gewalt. Ohne den 4. September hätte die Nationalversammlung sofort dem 1869 unter französischer und nicht unter preußischer Herrschaft durch allgemeines Stimmrecht erwählten und gewaltsam von der Revolution zersprengten gesetzgebenden Körper Platz machen müssen. Thiers und seine ticket-of-leave-Leute hätten verhandeln müssen wegen eines Geleitscheines, unterzeichnet von Louis Bonaparte, um einer Reise nach Cayenne'2251 zu entgehn. Die Nationalversammlung mit ihrer Vollmacht, den Frieden mit Preußen abzumachen, war nur ein einzelner Zwischenfall in jener Revolution, deren wahre Verkörperung noch immer das bewaffnete Paris war; dasselbe Paris, das diese Revolution gemacht, das um ihretwillen eine fünfmonatliche Belagerung mit ihren Schrecken der Hungers
not ausgehalten und das in seinem trotz Trochus „Plan" verlängerten Widerstand die Grundlage eines hartnäckigen Verteidigungskriegs in den Provinzen geliefert hatte. Und Paris sollte jetzt entweder seine Waffen niederlegen auf das beleidigende Geheisch der rebellischen Sklavenhalter von Bordeaux und anerkennen, daß seine Revolution vom 4.September nur die einfache Übertragung der Staatsmacht von Louis Bonaparte an seine königlichen Nebenbuhler bedeute; - oder es mußte vortreten als der selbstopfernde Vorkämpfer Frankreichs, dessen Rettung vom Untergang und dessen Wiedergeburt unmöglich waren ohne den revolutionären Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die das zweite Kaisertum erzeugt hatten und die unter seiner schützenden Obhut bis zur äußersten Fäulnis herangereift waren.Paris, noch abgezehrt von fünfmonatlicher Aushungerung, zauderte keinen Augenblick. Es beschloß heldenmütig, alle Gefahren des Widerstandes gegen die französischen Verschwörer auszuhalten, trotzdem, daß noch immer preußische Kanonen von seinen eignen Forts auf es herabgähnten. Dabei aber, in seinem Abscheu gegen den Bürgerkrieg, in den Paris hineingetrieben werden sollte, beharrte das Zentralkomitee in einer verteidigenden Haltung, trotz der Aufreizungen der Versammlung, der Eingriffe der vollziehenden Gewalt und der drohenden Truppenzusammenziehungen in und um Paris. Thiers selbst eröffnete also den Bürgerkrieg, indem er den Vinoy an der Spitze eines Haufens Polizeisergeanten und einiger Linienregimenter auf einen nächtlichen Raubzug gegen Montmartre ausschickte, um dort durch Überraschung das Geschütz der Nationalgarde wegzunehmen. Es ist bekannt, wie dieser Versuch scheiterte am Widerstand der Nationalgarde und an der Verbrüderung der Truppen mit dem Volk. Aurelle de Paladines hatte schon im voraus seinen Siegesbericht gedruckt, und Thiers hielt die Maueranschläge bereit, die seine Staatsstreich-Maßregeln verkünden sollten. Beides mußte jetzt ersetzt werden durch Thiers' Aufrufe, worin er seinen großmütigen Entschluß verkündete, der Nationalgarde ihre Waffen zu lassen; er zweifle nicht, sagte er, sie werde sie benutzen, um sich gegen die Rebellen an die Regierung anzuschließen. Unter allen 300 000 Nationalgardisten entsprachen nur 300 diesem Aufruf des kleinen Thiers, sich, gegen sich selbst, an ihn anzuschließen. Die ruhmvolle Arbeiterrevolution des 18. März nahm unbestrittnen Besitz von Paris. Das Zentralkomitee war ihre provisorische Regierung. Europa schien einen Augenblick zu zweifeln, ob seine neulichen erstaunlichen Haupt-, Staats- und Kriegsaktionen irgendwelche Wirklichkeit besäßen, oder ob s ie die Träume einer längst verschwundenen Vergangenheit seien.
Vom 18. März bis zum Eindringen der Versailler Truppen in Paris blieb die proletarische Revolution so rein von allen den Gewalttaten, von denen die Revolutionen und noch mehr die Kontrerevolutionen der „höhern Klassen"strotzen, daß die Gegner keine andern Handhaben für ihre Entrüstung finden als die Hinrichtung der Generale Lecomte und Clement Thomas und den Zusammenstoß auf der Place Vendome. Einer der bonapartistischen Offiziere, der bei dem nächtlichen Uberfall auf Montmartre eine Rolle spielte, General Lecomte, hatte viermal dem 81.Linienregiment befohlen, auf einen unbewaffneten Haufen in der Place Pigalle zu feuern; als die Truppen sich weigerten, schimpfte er sie wütend aus. Statt Weiber und Kinder zu erschießen, erschossen seine eignen Leute ihn selbst. Die eingewurzelten Gewohnheiten, die den Soldaten unter der Zucht der Feinde der Arbeiter beigebracht worden, verlieren sich selbstredend nicht in demselben Augenblick, wo diese Soldaten zu den Arbeitern übergehn. Dieselben Leute richteten auch Clement Thomas hin. „General" Clement Thomas, ein malkontenter Ex-Wachtmeister, hatte sich in der letzten Zeit Louis-Philippes bei der Redaktion des republikanischen Blattes „Le National"12265 anwerben lassen, wo er gleichzeitig die Posten eines verantwortlichen Strohmanns (gerant responsable, der das Absitzen der Gefängnisstrafen übernahm) und Duellanten bei diesem sehr kampflustigen Blatt ausfüllte. Als nach der Februarrevolution die Herren vom „National" ans Ruder kamen, verwandelten sie diesen alten Wachtmeister in einen General. Es war dies am Vorabend der Junischlächterei, die er, wie auch Jules Favre, mitgeplant hatte, und bei der er eine der niederträchtigsten Henkerrollen übernahm. Dann verschwand er samt seiner Generalschaft auf lange Zeit, um wieder aufzutauchen am I.November 1870. Den Tag vorher hatte die „Regierung der Verteidigung" im Stadthause Blanqui, Flourens und andern Vertretern der Arbeiter ihr feierliches Wort gegeben, ihre usurpierte Gewalt in die Hände einer frei gewählten Pariser Kommune niederzulegen'2271. Statt ihr Wort zu halten, ließ sie gegen Paris die Bretonen Trochus los, die jetzt die Korsen Bonapartes vertraten12281. Der General Tamisier allein weigerte sich, seinen Namen mit einem solchen Wortbruch zu beflecken, und legte seinen Posten als Oberkommandant der Nationalgarde nieder. An seiner Stelle wurde jetzt Clement Thomas wieder ein General. Während seines ganzen Oberkommandos führte er Krieg, nicht gegen die Preußen, sondern gegen die Pariser Nationalgarde. Er verhinderte ihre allgemeine Bewaffnung, hetzte die Bourgeoisbataillone gegen die Arbeiterbataillone, beseitigte die dem „Plan" Trochus feindlichen Offiziere und löste, unter dem Brandmal der Feigheit, dieselben proletarischen
Bataillone auf, deren Heldenmut jetzt ihren erbittertsten Feinden Bewunderung abgerungen hat. Clement Thomas war ordentlich stolz darauf, seinen alten Juni-Vorrang als persönlicher Feind des Pariser Proletariats wiedererobert zu haben. Noch einige Tage vor dem 18.März legte er dem Kriegsminister Le Flo einen eigenen Plan vor zur „Ausrottung der Blüte der Pariser Kanaille". Nach Vinoys Niederlage konnte er es sich nicht versagen, als Privatspion auf dem Kampfplatz zu erscheinen. Das Zentralkomitee und die Pariser Arbeiter waren ebenso verantwortlich für die Erschießung von Clement Thomas und Lecomte, wie die Prinzessin von Wales für das Geschick der bei ihrem Einzug in London im Gedränge zu Tode gequetschten Leute. Die angebliche Schlächterei unbewaffneter Bürger in der Place Vendome ist ein Märchen, wovon Thiers und die Krautjunker in der Versammlung hartnäckig geschwiegen haben, und dessen Verbreitung sie ausschließlich der Bedientenstube der europäischen Tagespresse anvertrauten. Die „Ordnungsmänner", die Reaktionäre von Paris, zitterten bei dem Siege des 18.März. Für sie war es das Wahrzeichen der endlich hereinbrechenden Volks Vergeltung. Die Gespenster der unter ihren Händen gemordeten Opfer, von den Junitagen 1848 bis zum 22.Januar 187112291, stiegen vor ihren Augen empor. Ihr Schrecken war ihre einzige Strafe. Selbst die Polizeisergeanten, statt wie sich's gebührte, entwaffnet und eingesperrt zu werden, fanden die Tore von Paris weit geöffnet, um sicher nach Versailles zu entkommen. Nicht allein, daß den Ordnungsmännern nichts geschah, man erlaubte ihnen sogar, sich wieder zu sammeln und mehr als einen starken Posten mitten in Paris zu besetzen. Diese Nachsicht des Zentralkomitees, diese Großmut der bewaffneten Arbeiter, so sonderbar im Widerspruch mit den Gewohnheiten der Urdnungspartei, wurden von dieser Partei als Zeichen bewußter Schwäche mißdeutet. Daher ihr alberner Plan, unter dem Deckmantel einer unbewaffneten Demonstration das noch einmal zu versuchen, was Vinoy mit seinen Kanonen und Mitrailleusen nicht hatte erreichen können. Am 22.März setzte sich von den Stadtvierteln des Wohllebens ein Zug „feiner Herren" in Bewegung, alle Stutzer in ihren Reihen, und an ihrer Spitze die wohlbekannten Stammgäste des Kaisertums, die Heeckeren, Coetlogon, Henri de Pene etc. Unter dem feigen Vorwand einer friedlichen Demonstration, aber im geheimen gerüstet mit den Waffen des Meuchelmörders, ordnete sich diese Bande, entwaffnete und mißhandelte die Posten und Patrouillen der Nationalgarde, auf die ihr Zug stieß, und, aus der Rue de la Paix in die Place Vendome vordringend, versuchte sie, unter dem Ruf; „Nieder mit dem Zentralkomitee! Nieder
mit den Mördern! Es lebe die Nationalversammlung!" die dort aufgestellte Wache zu durchbrechen und so das dahinter gelegene Hauptquartier der Nationalgarde zu überrumpeln. Als Antwort auf ihre Revolverschüsse wurden die regelmäßigen gesetzlichen Aufforderungen12301 an sie gemacht; als diese wirkungslos blieben, kommandierte der General der Nationalgarde1 Feuer. Eine Salve zerstreute in wilde Flucht die albernen Gecken, die erwartet hatten, die bloße Schaustellung ihrer „anständigen Gesellschaft" werde auf die Pariser Revolution wirken wie die Trompeten Josuas auf die Mauern von Jericho. Sie ließen zurück zwei Nationalgarden tot, neun schwerverwundet (darunter ein Mitglied des Zentralkomitees2) und den ganzen Schauplatz ihrer Großtat bestreut mit Revolvern, Dolchen und Stockdegen, zum Zeugnis des „unbewaffneten" Charakters ihrer „friedlichen" Demonstration. Als am 13. Juni 1849[139) die Pariser Nationalgarde eine wirklich friedliche Demonstration machte, um gegen den räuberischen Angriff französischer Truppen auf Rom zu protestieren - da wurde Changarnier, damals General der Ordnungspartei, von der Nationalversammlung, und besonders von Thiers, als der Retter der Gesellschaft ausgerufen, weil er seine Truppen von allen Seiten auf diese waffenlosen Leute losgelassen hatte, um sie niederzuschießen, niederzusäbeln und unter ihren Pferdehufen zu zertreten. Damals wurde Paris in Belagerungszustand erklärt; Dufaure hetzte neue Unterdrückungsgesetze durch die Versammlung; neue Verhaftungen, neue Ächtungen, eine neue Schreckensherrschaft traten ein. Aber die „unteren Klassen" machen das anders. Das Zentralkomitee von 1871 ließ die Helden der „friedlichen Demonstration" einfach laufen, und so waren sie bereits zwei Tage später imstande, sich unter dem Admiral Saisset zu jener bewaffneten Demonstration zusammenzufinden, die mit dem bewußten Ausreißen nach Versailles endigte. In seinem Widerstreben, den durch Thiers' nächtlichen Einbruch in Montmartre eröffneten Bürgerkrieg aufzunehmen, machte sich das Zentralkomitee diesmal eines entscheidenden Fehlers dadurch schuldig, daß es nicht sofort auf das damals vollständig hülflose Versailles marschierte und damit den Verschwörungen des Thiers und seiner Krautjunker ein Ziel setzte. Statt dessen erlaubte man der Ordnungspartei, nochmals ihre Stärke an der Wahlurne zu versuchen, als am 26. März die Kommune gewählt wurde. An diesem Tage wechselten die Ordnungsmänner in den Bezirksbürgermeistereien wohlwollende Worte der Versöhnung mit ihren nur zu großmütigen Siegern, gleichzeitig in ihren Herzen feierliche Gelübde knurrend, seiner Zeit blutige Rache zu nehmen.
1 Bergeret - 2 Maljournal
Und jetzt schaut die Kehrseite der Medaille! Thiers eröffnete seinen zweiten Feldzug gegen Paris anfangs April. Die erste Kolonne von Pariser Gefangenen, die nach Versailles hineinkam, wurde empörend behandelt, während Ernest Picard, die Hände in den Hosentaschen, herumschlenderte und sie verhöhnte und die Frauen von Thiers und Favre, in Mitte ihrer Ehren(?)damen, vom hohen Balkon herab die Schändlichkeiten des Versailler Pöbels beklatschten. Die gefangenen Liniensoldaten wurden einfach erschossen; unser tapferer Freund General Duval, der Eisengießer, wurde ohne alle Form Rechtens gemordet. Galliffet, der „Louis" seiner Frau, so notorisch durch die schamlose Schaustellung ihres Leibes bei den Gelagen des zweiten Kaisertums, Galliffet prahlte in einer Proklamation, daß er die Ermordung einiger durch seine Reiter überraschten und entwaffneten Nationalgardisten, samt ihrem Hauptmann und Lieutenant, befohlen habe. Vinoy, der Ausreißer, wurde von Thiers zum Großkreuz der Ehrenlegion ernannt für seinen Tagesbefehl, worin er vorschrieb, jeden bei den Kommunalisten gefangenen Liniensoldaten zu erschießen. Desmaret, der Gendarm, wurde dekoriert, weil er den hochherzigen und ritterlichen Flourens verräterisch nach Metzgerart in Stücke zerhauen hatte, Flourens, der am 31 .Oktober 1870 der Verteidigungsregierung ihre Köpfe gerettet hatte[2S11. Die „ermunternden Einzelheiten" seiner Ermordung wurden von Thiers in der Nationalversammlung mit Behagen des breiteren mitgeteilt. Mit der aufgeblasenen Eitelkeit eines parlamentarischen Däumlings, dem man erlaubt, die Rolle des Tamerlan zu spielen, verweigerte er den Rebellen gegen seine Winzigkeit jedes Recht zivilisierter Kriegführung, selbst das der Neutralität für ihre Verbandplätze. Nichts Scheußlicheres als dieser Affe, schon von Voltaire vorgeahnt, der für eine kleine Zeit seinen Tigergelüsten freien t r T i r9.a9.i Laur lassen Kann.1—1 Nachdem die Kommune (Dekret vom 7. April) Vergeltungsmaßregeln angeordnet und es für ihre Pflicht erklärt hatte, „Paris gegen die kannibalischen Taten der Versailler Banditen zu schützen und Aug' um Auge, Zahn um Zahn zu verlangen"12331 - stellte Thiers dennoch die grausame Behandlung der Gefangenen nicht ein; er beleidigte sie obendrein noch in seinen Berichten wie folgt: „Niemals ist der betrübte Blick ehrlicher Leute auf so entwürdigte Gesichter einer entwürdigten Demokratie gefallen"12341 - ehrlicher Leute wie Thiers selbst und seine ticket-of-leave-Männer. Trotzdem wurde das Erschießen der Gefangenen für einige Zeit eingestellt. Kaum aber hatten Thiers und seine Dezembergenerale gefunden, daß das Vergeltungsdekret der Kommune nur eine leere Drohung war, daß selbst ihre Gendarmenspione, die in Paris, als Nationalgardisten verkleidet,abgefangen
waren, daß selbst Polizeisergeanten, Träger von Brandgranaten, verschont blieben - so fing auch das massenweise Erschießen der Gefangenen wieder an und wurde bis zum Ende durchgeführt. Häuser, in welche Nationalgardisten geflüchtet waren, wurden von Gendarmen umringt, mit Petroleum (das hier zum erstenmal vorkommt) übergössen und in Brand gesteckt; die halbverbrannten Leichen wurden später von der Ambulanz der Presse (in Les Ternes) herausgeholt. Vier Nationalgardisten, die sich am 25.April bei Belle-Epine einigen berittenen Jägern ergeben hatten, wurden nachher einer nach dem andern vom Rittmeister, einem würdigen Knecht Galliffets, niedergeschossen. Einer der vier, Scheffer, für tot zurückgelassen, kroch zu den Pariser Vorposten und legte gerichtliches Zeugnis ab über diese Tatsache vor einem Ausschuß der Kommune. Als Tolain den Kriegsminister über den Bericht dieses Ausschusses interpellierte, erstickte das Geschrei der Krautjunker seine Stimme; sie verboten Le Flo zu antworten. Es wäre eine Beleidigung für ihr „ruhmvolles" Heer, von seinen Taten - zu sprechen. Der nachlässige Ton, in dem Thiers' Berichte die Niedermetzelung der bei Moulin-Saquet im Schlafe überraschten Nationalgardisten und die massenhaften Erschießungen in Clamart mitteilten, verletzte selbst die Nerven der wahrhaftig nicht überempfindlichen Londoner „Times". Aber es wäre lächerlich, die bloß einleitenden Scheußlichkeiten aufzählen zu wollen, begangen von den Bombardierern von Paris und den Aufhetzern einer Sklavenhalter-Rebellion unter dem Schutz des fremden Eroberers. Inmitten aller dieser Schrecken vergißt Thiers seinen parlamentarischen Jammer von wegen der furchtbaren Verantwortlichkeit, die auf seinen Zwergschultern lastet, prahlt, daß l'Assemblee siege paisiblement (die Versammlung tagt in Frieden weiter), und beweist durch seine steten Festessen, heute mit Dezembergeneralen, morgen mit deutschen Prinzen, daß seine Verdauung nicht im mindesten gestört ist, nicht einmal durch die Gespenster von Lecomte und Clement Thomas.
III
Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: „Es lebe die Kommune!" Was ist die Kommune, diese Sphinx, die den Bourgeoisverstand auf so harte Proben setzt? „Die Proletarier von Paris", sagte das Zentralkomitee in seinem Manifest vom 18, März, „inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, haben begriffen, daß die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß
sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen... Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen."'235' Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen.'2361 Die zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit, Richterstand, Organe, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit - stammt her aus den Zeiten der absoluten Monarchie, wo sie der entstehenden Bourgeoisgesellschaft als eine mächtige Waffe in ihren Kämpfen gegen den Feudalismus diente. Dennoch blieb ihre Entwicklung gehemmt durch allerhand mittelalterlichen Schutt, grundherrliche und Adelsvorrechte, Lokalprivilegien, städtische und Zunftmonopole und ProvinzialVerfassungen. Der riesige Besen der französischen Revolution des 18. Jahrhunderts fegte alle diese Trümmer vergangner Zeiten weg und reinigte so gleichzeitig den gesellschaftlichen Boden von den letzten Hindernissen, die dem Uberbau des modernen Staatsgebäudes im Wege gestanden. Dies moderne Staatsgebäude erhob sich unter dem ersten Kaisertum, das selbst wieder erzeugt worden war durch die Koalitionskriege des alten halbfeudalen Europas gegen das moderne Frankreich. Während der nachfolgenden Herrschaftsformen wurde die Regierung unter parlamentarische Kontrolle gestellt, d.h. unter die direkte Kontrolle der besitzenden Klassen. Einerseits entwickelte sie sich jetzt zu einem Treibhaus für kolossale Staatsschulden und erdrückende Steuern und wurde vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen und Abenteurer der herrschenden Klassen - andrerseits änderte sich ihr politischer Charakter gleichzeitig mit den ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft. In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse1, einer Maschine der Klassenherrschaft. Nach jeder Revolution, die einen Fortschritt des Klassenkampfs bezeichnet, tritt der rein unterdrückende Charakter der Staatsmacht offner und offner hervor. Die Revolution von 1830 übertrug die Regierung von den Grundbesitzern auf die Kapitalisten und damit von den entfernteren auf die direkteren Gegner der Arbeiter.
1 (1871 und 1876) Unterdrückung der Arbeit
Die Bourgeoisrepublikaner, die im Namen der Februarrevolution das Staatsruder ergriffen, gebrauchten es zur Herbeiführung der Junischlächtereien, um der Arbeiterklasse zu beweisen, daß die „soziale" Republik weiter nichts bedeute, als ihre soziale Unterdrückung durch die Republik; und um der königlich gesinnten Masse der Bourgeois und Grundbesitzer zu beweisen, daß sie die Sorgen und die Geldvorteile der Regierung ruhig den Bourgeoisrepublikanern überlassen könnten. Nach dieser ihrer einzigen Heldentat vom Juni blieb den Bourgeoisrepublikanern jedoch nur übrig, zurückzutreten aus dem ersten Glied ins letzte Glied der „Ordnungspartei" - einer Koalition, gebildet aus allen konkurrierenden Fraktionen und Faktionen der aneignenden Klassen in ihrem jetzt offen erklärten Gegensatz zu den hervorbringenden Klassen. Die angemessene Form ihrer Gesamtregierung war die parlamentarische Republik mit Louis Bonaparte als Präsidenten; eine Regierung des unverholenen Klassenterrorismus und der absichtlichen Beleidigung der „vile multitude" (der schoflen Menge). Wenn, wie Thiers sagte, die parlamentarische Republik die Staatsform war, die die Fraktionen der herrschenden Klasse am wenigsten trennte, so eröffnete sie dagegen einen Abgrund zwischen dieser Klasse und dem ganzen, außerhalb ihrer dünngesäten Reihen lebenden Gesellschaftskörper. Die Schranken, die, unter frühern Regierungen, die innern Spaltungen jener Klasse der Staatsmacht noch auferlegt hatten, waren durch ihre Vereinigung jetzt gefallen. Angesichts der drohenden Erhebung des Proletariats benutzte die vereinigte besitzende Klasse jetzt die Staatsmacht rücksichtslos und frech als das nationale Kriegswerkzeug des Kapitals gegen die Arbeit. Aber ihr ununterbrochner Kreuzzug gegen die produzierenden Massen zwang sie nicht nur, die vollziehende Gewalt mit stets wachsender Unterdrückungsmacht auszustatten; er zwang sie auch, ihre eigne parlamentarische Zwingburg - die Nationalversammlung - nach und nach aller Verteidigungsmittel gegen die vollziehende Gewalt zu entblößen. Die vollziehende Gewalt, in der Person des Louis Bonaparte, setzte sie vor die Tür. Der leibliche Nachkomme der Republik der „Ordnungspartei" war das zweite Kaisertum. Das Kaisertum, mit dem Staatsstreich als Geburtsschein, dem allgemeinen Stimmrecht als Beglaubigung und dem Säbel als Zepter, gab vor, sich auf die Bauern zu stützen, auf jene große Masse der Produzenten, die nicht unmittelbar in den Kampf zwischen Kapital und Arbeit verwickelt waren. Es gab vor, die Arbeiterklasse zu retten, indem es den Parlamentarismus brach und mit ihm die unverhüllte Unterwürfigkeit der Regierung unter die besitzenden Klassen. Es gab vor, die besitzenden Klassen zu retten
durch Aufrechterhaltung ihrer ökonomischen Hoheit über die Arbeiterklasse; und schließlich gab es vor, alle Klassen zu vereinigen durch die Wiederbelebung des Trugbilds des nationalen Ruhms. In Wirklichkeit war es die einzige mögliche Regierungsform zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte. Die ganze Welt jauchzte ihm zu als dem Retter der Gesellschaft. Unter seiner Herrschaft erreichte die Bourgeoisgesellschaft, aller politischen Sorgen enthoben, eine von ihr selbst nie geahnte Entwicklung. Ihre Industrie, ihr Handel dehnten sich zu unermeßlichen Verhältnissen aus; der Finanzschwindel feierte kosmopolitische Orgien; das Elend der Massen hob sich grell ab gegenüber dem schamlosen Prunk eines gleißenden, überladnen und schuftigriechenden Luxus. Die Staatsmacht, scheinbar hoch über der Gesellschaft schwebend, war dennoch selbst der skandalöseste Skandal dieser Gesellschaft und gleichzeitig die Brutstätte aller ihrer Fäulnis. Ihre eigne Verrottung und die Verrotjtung der von ihr geretteten Gesellschaft wurde bloßgelegt durch die Bajonette Preußens, das selbst vor Begierde brannte, den Schwerpunkt dieses Regimes von Paris nach Berlin zu verlegen. Der Imperialismus ist die prostituierteste und zugleich die schließliche Form jener Staatsmacht, die von der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft ins Leben gerufen war als das Werkzeug ihrer eignen Befreiung vom Feudalismus und die die vollentwickelte Bourgeoisgesellschaft verwandelt hatte in ein Werkzeug zur Knechtung der Arbeit durch das Kapital. Der gerade Gegensatz des Kaisertums war die Kommune. Der Ruf nach der „sozialen Republik", womit das Pariser Proletariat die Februarrevolution einführte, drückte nur das unbestimmte Verlangen aus nach einer Republik, die nicht nur die monarchische Form der Klassenherrschaft beseitigen sollte, sondern die Klassenherrschaft selbst. Die Kommune war die bestimmte Form dieser Republik. Paris, der Mittelpunkt und Sitz der alten Regierungsmacht und gleichzeitig der gesellschaftliche Schwerpunkt der französischen Arbeiterklasse, Paris hatte sich in Waffen erhoben gegen den Versuch des Thiers und seiner Krautjunker, diese ihnen vom Kaisertum überkommne alte Regierungsmacht wiederherzustellen und zu verewigen. Paris konnte nur Widerstand leisten, weil es infolge der Belagerung die Armee losgeworden war, an deren Stelle es eine hauptsächlich aus Arbeitern bestehende Nationalgarde gesetzt hatte. Diese Tatsache galt es jetzt in eine bleibende Einrichtung zu verwandeln. Das erste Dekret der Kommune war daher die Unterdrückung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk.
Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller ihrer politischen Eigenschaften entkleidet und in das verantwortliche und jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune verwandelt. Ebenso die Beamten aller andern Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der Kommune an abwärts, mußte der öffentliche Dienst für Arbeiterlohn besorgt werden. Die erworbnen Anrechte und die Repräsentationsgelder der hohen Staatswürdenträger verschwanden mit diesen Würdenträgern selbst. Die öffentlichen Amter hörten auf, das Privateigentum der Handlanger der Zentralregierung zu sein. Nicht nur die städtische Verwaltung, sondern auch die ganze, bisher durch den Staat ausgeübte Initiative wurde in die Hände der Kommune gelegt. Das stehende Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht der alten Regierung einmal beseitigt, ging die Kommune sofort darauf aus, das geistliche Unterdrückungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu brechen; sie dekretierte die Auflösung und Enteignung aller Kirchen, soweit sie besitzende Körperschaften waren. Die Pfaffen wurden in die Stille des Privatlebens zurückgesandt, um dort, nach dem Bilde ihrer Vorgänger, der Apostel, sich von dem Almosen der Gläubigen zu nähren. Sämtliche Unterrichtsanstalten wurden dem Volk unentgeltlich geöffnet und gleichzeitig von aller Einmischung des Staats und der Kirche gereinigt. Damit war nicht nur die Schulbildung für jedermann zugänglich gemacht, sondern auch die Wissenschaft selbst von den ihr durch das Klassenvorurteil und die Regierungsgewalt auferlegten Fesseln befreit. Die richterlichen Beamten verloren jene scheinbare Unabhängigkeit, die nur dazu gedient hatte, ihre Unterwürfigkeit unter alle aufeinanderfolgenden Regierungen zu verdecken, deren jeder sie, der Reihe nach, den Eid der Treue geschworen und gebrochen hatten. Wie alle übrigen öffentlichen Diener, sollten sie fernerhin gewählt, verantwortlich und absetzbar sein. Die Pariser Kommune sollte selbstverständlich allen großen gewerblichen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster dienen. Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittelpunkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zentralisierte Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten weichen müssen. In einer kurzen 22*
Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, heißt es ausdrücklich, daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein, und daß das stehende Heer auf dem Lande durch eine Volksmiliz mit äußerst kurzer Dienstzeit ersetzt werden sollte. Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein. Die wenigen, aber wichtigen Funktionen, welche dann noch für eine Zentralregierung übrigblieben, sollten nicht, wie dies absichtlich gefälscht worden, abgeschafft, sondern an kommunale, d.h. streng verantwortliche Beamte übertragen werden. Die Einheit der Nation sollte nicht gebrochen, sondern im Gegenteil organisiert werden durch die Kommunalverfassung; sie sollte eine Wirklichkeit werden durch die Vernichtung jener Staatsmacht, welche sich für die Verkörperung dieser Einheit ausgab, aber unabhängig und überlegen sein wollte gegenüber der Nation, an deren Körper sie doch nur ein Schmarotzerauswuchs war. Während es galt, die bloß unterdrückenden Organe der alten Regierungsmacht abzuschneiden, sollten ihre berechtigten Funktionen einer Gewalt, die über der Gesellschaft zu stehn beanspruchte, entrissen und den verantwortlichen Dienern der Gesellschaft zurückgegeben werden. Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen. Und es ist bekannt genug, daß Gesellschaften ebensogut wie einzelne, in wirklichen Geschäftssachen gewöhnlich den rechten Mann zu finden und, falls sie sich einmal täuschen, dies bald wieder gutzumachen wissen. Andrerseits aber konnte nichts dem Geist der Kommune fremder sein, als das allgemeine Stimmrecht durch hierarchische Investitur zu ersetzen. Es ist das gewöhnliche Schicksal neuer geschichtlicher Schöpfungen, für das Seitenstück älterer und selbst verlebter Formen des gesellschaftlichen Lebens versehn zu werden, denen sie einigermaßen ähnlich sehn. So ist diese neue Kommune, die die moderne Staatsmacht bricht, angesehn worden für eine Wiederbelebung der mittelalterlichen Kommunen, welche jener Staatsmacht erst vorausgingen und dann ihre Grundlage bildeten. Die Kommunalverfassung ist versehn worden für einen Versuch, einen
Bund kleiner Staaten, wie Montesquieu und die Girondins[237] ihn träumten, an die Stelle jener Einheit großer Völker zu setzen, die, wenn ursprünglich durch Gewalt zustande gebracht, doch jetzt ein mächtiger Faktor der gesellschaftlichen Produktion geworden ist. - Der Gegensatz der Kommune gegen die Staatsmacht ist versehn worden für eine übertriebne Form des alten Kampfes gegen ÜberZentralisation. Besondre geschichtliche Umstände mögen die klassische Entwicklung der Bourgeoisregierungsform, wie sie in Frankreich vor sich gegangenen andren Ländern verhindert, und mögen gestattet haben, daß, wie in England, die großen zentralen Staatsorgane sich ergänzen durch korrupte Pfarreiversammlungen (vestries), geldschachernde Stadträte und wutschnaubende Armenverwalter in den Städten und durch tatsächlich erbliche Friedensrichter auf dem Lande. Die Kommunalverfassung würde im Gegenteil dem gesellschaftlichen Körper alle die Kräfte zurückgegeben haben, die bisher der Schmarotzerauswuchs „Staat", der von der Gesellschaft sich nährt und ihre freie Bewegung hemmt, aufgezehrt hat. Durch diese Tat allein würde sie die Wiedergeburt Frankreichs in Gang gesetzt haben. - Die Mittelklasse der Provinzialstädte sah in der Kommune einen Versuch zur Wiederherstellung der Herrschaft, die sie unter Louis-Philippe über das Land ausgeübt hatte und die unter Louis Bonaparte verdrängt wurde durch die angebliche Herrschaft des Landes über die Städte. In Wirklichkeit aber hätte die Kommunalverfassung die ländlichen Produzenten unter die geistige Führung der Bezirkshauptstädte gebracht und ihnen dort, in den städtischen Arbeitern, die natürlichen Vertreter ihrer Interessen gesichert. - Das bloße Bestehn der Kommune führte, als etwas Selbstverständliches, die lokale Selbstregierung mit sich, aber nun nicht mehr als Gegengewicht gegen die, jetzt überflüssig gemachte, Staatsmacht. Es konnte nur einem Bismarck einfallen, der, wenn nicht von seinen Blut- und Eisenintrigen in Anspruch genommen, gern zu seinem alten, seinem geistigen Kaliber so sehr zusagenden Handwerk als Mitarbeiter am „ Kladderadatsch " [2381 zurückkehrt - nur einem solchen Kopf konnte es einfallen, der Pariser Kommune eine Sehnsucht unterzuschieben nach jener Karikatur der alten französischen Städteverfassung von 1791, der preußischen Städteordnung, die die städtischen Verwaltungen zu bloßen untergeordneten Rädern in der preußischen Staatsmaschinerie erniedrigt. Die Kommune machte das Stichwort aller Bourgeoisrevolutionen - wohlfeile Regierung - zur Wahrheit, indem sie die beiden größten Ausgabequellen, die Armee und das Beamtentum, aufhob. Ihr bloßes Bestehn setzte das Nichtbestehn der Monarchie voraus, die, wenigstens in Europa, der regelrechte Ballast und der unentbehrliche Deckmantel der Klassenherr
schaft ist. Sie verschaffte der Republik die Grundlage wirklich demokratischer Einrichtungen. Aber weder „wohlfeile Regierung" noch die „wahre Republik" war ihr Endziel; beide ergaben sich nebenbei und von selbst. Die Mannigfaltigkeit der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in ihr ausgedrückt fanden, beweisen, daß sie eine durch und durch ausdehnungsfähige politische Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend gewesen waren. Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte. Ohne diese letzte Bedingung war die Kommunalverfassung eine Unmöglichkeit und eine Täuschung. Die politische Herrschaft des Produzenten kann nicht bestehn neben der Verewigung seiner gesellschaftlichen Knechtschaft. Die Kommune sollte daher als Hebel dienen, um die ökonomischen Grundlagen umzustürzen, auf denen der Bestand der Klassen und damit der Klassenherrschaft ruht. Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein. Es ist eine eigentümliche Tatsache: Trotz all des großen Geredes und der unermeßlichen Literatur der letzten sechzig Jahre über Emanzipation der Arbeiter1 - kaum nehmen die Arbeiter irgendwo die Sache in ihre eignen Hände, so ertönen auch sofort wieder die apologetischen Redensarten der Fürsprecher der jetzigen Gesellschaft mit ihren beiden Polen: Kapital und Lohnsklaverei (der Grundbesitzer ist jetzt nur noch der stille Gesellschafter des Kapitalisten), als lebte die kapitalistische Gesellschaft noch im Stande reinster jungfräulicher Unschuld, alle ihre Grundsätze2 noch unentwickelt, alle ihre Selbsttäuschungen noch unenthüllt, alle ihre prostituierte Wirklichkeit noch nicht bloßgelegt! Die Kommune, rufen sie aus, will das Eigentum, die Grundlage aller Zivilisation, abschaffen! Jawohl, meine Herren, die Kommune wollte jenes Klasseneigentum abschaffen, das die Arbeit der vielen in den Reichtum der wenigen verwandelt. Sie beabsichtigte die Enteignung der Enteigner. Sie wollte das individuelle Eigentum zu einer Wahrheit machen, indem sie die Produktionsmittel, den Erdboden und das Kapital, jetzt vor allem die Mittel zur Knechtung und Ausbeutung der Arbeit, in bloße Werkzeuge der freien und assoziierten Arbeit verwandelt.
1 (1871 und 1876) Emanzipation der Arbeit - 2 (1871 und 1876) Gegensätze
Aber dies ist der Kommunismus, der „unmögliche" Kommunismus! Nun, diejenigen Leute aus den herrschenden Klassen, die verständig genug sind, die Unmöglichkeit der Fortdauer des jetzigen Systems einzusehn - und deren gibt es viele -, haben sich zu zudringlichen und großmäuligen Aposteln der genossenschaftlichen Produktion aufgeworfen. Wenn aber die genossenschaftliche Produktion nicht eitel Schein und Schwindel bleiben, wenn sie das kapitalistische System verdrängen, wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigne Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und den periodisch wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll - was wäre das andres, meine Herren, als dejr Kommunismus, der „mögliche" Kommunismus ? Die Arbeiterklasse verlangte keine Wunder von der Kommune. Sie hat keine fix und fertigen Utopien durch Volksbeschluß einzuführen. Sie weiß, daß, um ihre eigne Befreiung und mit ihr jene höhre Lebensform hervorzuarbeiten, der die gegenwärtige Gesellschaft durch ihre eigne ökonomische Entwicklung unwiderstehlich entgegenstrebt, daß sie, die Arbeiterklasse, lange Kämpfe, eine ganze Reihe geschichtlicher Prozesse durchzumachen hat, durch welche die Menschen wie die Umstände gänzlich umgewandelt werden. Sie hat keine Ideale zu verwirklichen; sie hat nur die Elemente der neuen Gesellschaft in Freiheit zu setzen, die sich bereits im Schoß der zusammenbrechenden Bourgeoisgesellschaft entwickelt haben. Im vollen Bewußtsein ihrer geschichtlichen Sendung1 und mit dem Heldenentschluß, ihrer würdig zu handeln, kann die Arbeiterklasse sich begnügen, zu lächeln gegenüber den plumpen Schimpfereien der Lakaien von der Presse wie gegenüber der lehrhaften Protektion wohlmeinender Bourgeoisdoktrinäre, die ihre unwissenden Gemeinplätze und Sektierermarotten im Orakelton wissenschaftlicher Unfehlbarkeit abpredigen. Als die Pariser Kommune die Leitung der Revolution in ihre eigne Hand nahm; als einfache Arbeiter zum erstenmal es wagten, das Regierungsprivilegium ihrer „natürlichen Obern", der Besitzenden, anzutasten, und, unter Umständen von beispielloser Schwierigkeit, ihre Arbeit bescheiden, gewissenhaft und wirksam verrichteten - sie verrichteten für Gehalte, dejren höchstes kaum ein Fünftel von dem war, was nach einem hohen wissenschaftlichen Gewährsmann (Professor Huxley) das geringste ist für einen Sekretär des Londoner Schulrats -, da wand sich die alte Welt in Wutkrämpfen
1 (1876) Tendenz
beim Anblick der roten Fahne, die, das Symbol der Republik der Arbeit, über dem Stadthause wehte. Und doch war dies die erste Revolution, in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig war; anerkannt selbst durch die große Masse der Pariser Mittelklasse - Kleinhändler, Handwerker, Kaufleute -, die reichen Kapitalisten allein ausgenommen. Die Kommune hatte sie gerettet durch eine weise Erledigung jener immer wiederkehrenden Ursache des Streits unter der Mittelklasse selbst, der Frage zwischen Schuldnern und Gläubigern.12391 Derselbe Teil der Mittelklasse hatte sich 1848 bei der Unterdrückung des Arbeiteraufstandes vom Juni beteiligt; und unmittelbar darauf war er durch die konstituierende Versammlung ohne alle Umstände seinen Gläubigern zum Opfer gebracht worden'2401. Aber dies war nicht der einzige Grund, weswegen er sich jetzt an die Arbeiter anschloß. Er fühlte, daß es nur noch eine Wahl gab: die Kommune oder das Kaisertum, gleichviel unter welchem Namen. Das Kaisertum hatte diese Mittelklasse ökonomisch ruiniert durch seine Verschleuderung des öffentlichen Reichtums, durch den von ihm großgezognen Finanzschwindel, durch seine Beihülfe zur künstlich beschleunigten Zentralisation des Kapitals und die dadurch bedingte Enteignung eines großen Teils dieser Mittelklasse. Es hatte sie politisch unterdrückt, sie sittlich entrüstet durch seine Orgien, es hatte ihren Voltairianismus beleidigt durch Überlieferung der Erziehung ihrer Kinder an die „unwissenden Brüderlein"12411, es hatte ihr Nationalgefühl als Franzosen empört, indem es sie kopfüber in einen Krieg stürzte, der für alle die Verwüstung, die er anrichtete, nur einen Ersatz ließ - die Vernichtung des Kaisertums. In der Tat, nach der Auswanderung der hohen bonapartistischen und kapitalistischen Zigeunerban de aus Paris trst die wfilirc C3rclriiirigspaftci der Mittelklasse hervor als die „Union republicaine"'2421, stellte sich unter die Fahne der Kommune und verteidigte sie gegen Thiers' absichtliche Entstellungen. Ob die Dankbarkeit dieser großen Masse der Mittelklasse die jetzigen schweren Prüfungen bestehn wird, bleibt abzuwarten. Die Kommune hatte vollständig recht, als sie den Bauern zurief: „Unser Sieg ist eure Hoffnung!"12431 Von allen den Lügen, die in Versailles ausgeheckt und von den ruhmvollen europäischen Preßzuaven'151 weiterposaunt wurden, war eine der ungeheuerlichsten die, daß die Krautjunker der Nationalversammlung die Vertreter der französischen Bauern seien. Man denke sich nur die Liebe des französischen Bauern für die Leute, denen er, nach 1815, eine Milliarde Entschädigung'2441 zahlen mußte! In den Augen des französischen Bauern ist ja schon die bloße Existenz eines großen
Grundbesitzers ein Eingriff in seine Eroberungen von 1789. Der Bourgeois hatte 1848 die Bodenparzelle des Bauern mit der Zuschlagssteuer von 45 Centimen auf den Franken belastet, aber er tat es im Namen der Revolution; jetzt hatte er einen Bürgerkrieg gegen die Revolution entzündet, um die Hauptlast der den Preußen bewilligten fünf Milliarden Kriegsentschädigung den Bauern aufzubürden. Die Kommune dagegen erklärte gleich in einer ihrer ersten Proklamationen, daß die wirklichen Urheber des Krieges auch dessen Kosten tragen müßten. Die Kommune würde dem Bauer die Blutsteuer abgenommen, ihm eine wohlfeile Regierung gegeben und seine Blutsauger, den Notar, den Advokaten, den Gerichtsvollzieher und andre gerichtliche Vampire, in besoldete Kommunalbeamte, von ihm selbst gewählt und ihm verantwortlich, verwandelt haben. Sie würde ihn befreit haben von der Willkürherrschaft des Flurschützen, des Gendarmen und des Präfekten; sie würde an Stelle der Verdummung durch den Pfaffen die Aufklärung durch den Schullehrer gesetzt haben. Und der französische Bauer ist vor allem ein Mann, der rechnet. Er würde es äußerst vernünftig gefunden haben, daß die Bezahlung des Pfaffen, statt von dem Steuereinnehmer eingetrieben zu werden, nur von der freiwilligen Betätigung des Frömmigkeitstriebs seiner Gemeinde abhängen solle. Dies waren die großen unmittelbaren Wohltaten, die die Herrschaft der Kommune - und sie nur den französischen Bauern in Aussicht stellte. Es ist daher ganz überflüssig, hier näher einzugehn auf die verwickeiteren wirklichen Lebensfragen, die die Kommune allein fähig und gleichzeitig gezwungen war, zugunsten des Bauern zu lösen - die Hypothekenschuld, die wie ein Alp auf seiner Parzelle lastete, das ländliche Proletariat, das täglich auf ihr heranwuchs, und seine eigne Enteignung von dieser Parzelle, die mit stets wachsender Geschwindigkeit durch die Entwicklung der modernen Ackerbauwirtschaft1 und die Konkurrenz des kapitalistischen Bodenbaus sich durchsetzte. Der französische Bauer hatte Louis Bonaparte zum Präsidenten der Republik gewählt, aber die Ordnungspartei12141 schuf das zweite Kaisertum. Was der französische Bauer wirklich bedarf, fing er an, 1849 und 50 zu zeigen, indem er überall seinen Maire dem Regierungspräfekten, seinen Schullehrer dem Regierungspfaffen und sich selbst dem Regierungsgendarmen entgegenstellte. Alle von der Ordnungspartei im Januar und Februar 1850 erlassenen Gesetze'2451 waren eingestandene Zwangsmaßregeln gegen die Bauern. Der Bauer war Bonapartist, weil die große Revolution, mit all
1 (1871 und 1876) Ackerbau wisscnschaft
ihren Vorteilen für ihn, in seinen Augen in Napoleon verkörpert war. Diese Täuschung, die unter dem zweiten Kaisertum rasch am Zusammenbrechen war (und sie war ihrer ganzen Natur nach den Krautjunkern feindlich), dies Vorurteil der Vergangenheit, wie hätte es bestehn können gegenüber dem Appell der Kommune an die lebendigen Interessen und dringenden Bedürfnisse der Bauern? Die Krautjunker - dies war in der Tat ihre Hauptbefürchtung - wußten, daß drei Monate freien Verkehrs zwischen dem kommunalen Paris und den Provinzen einen allgemeinen Bauernaufstand zuwege bringen würden. Daher ihre ängstliche Eile, Paris mit einer Polizeiblockade zu umgeben und die Verbreitung der Rinderpest zu hemmen. Wenn sonach die Kommune die wahre Vertreterin aller gesunden Elemente der französischen Gesellschaft war, und daher die wahrhaft nationale Regierung, so war sie gleichzeitig, als eine Arbeiterregierung, als der kühne Vorkämpfer der Befreiung der Arbeit, im vollen Sinn des Worts international. Unter den Augen der preußischen Armee, die zwei französische Provinzen an Deutschland annexiert hatte, annexierte die Kommune die Arbeiter der ganzen Welt an Frankreich. Das zweite Kaisertum war das Jubelfest der kosmopolitischen Prellerei gewesen, die Hochstapler aller Länder waren auf seinen Ruf herzugestürzt, teilzunehmen an seinen Orgien und an der Ausplünderung des französischen Volks. Selbst in diesem Augenblick noch ist Thiers' rechte Hand Ganesco, der walachische Lump, und seine linke Hand Markowski, der russische Spion. Die Kommune ließ alle Fremden zu zu der Ehre, für eine unsterbliche Sache zu fallen. - Zwischen dem durch ihren Verrat verlornen auswärtigen Krieg und dem durch ihre Verschwörung mit dem fremden Er-» oberer entzündeten Bürgerkrieg hatte die Bourgeoisie Zeit gefunden, ihren Patriotismus durch die Organisation von Polizeijagden auf die Deutschen in Frankreich zu betätigen. Die Kommune machte einen Deutschen zu ihrem Arbeitsminister1. - Thiers, die Bourgeoisie, das zweite Kaisertum hatten Polen immerfort durch laute Verheißungen der Teilnahme getäuscht, während sie in Wirklichkeit es an Rußland verrieten und Rußlands schmutzige Arbeit verrichteten. Die Kommune ehrte die Heldensöhne Polens, indem sie sie an die Spitze der Verteidigung von Paris stellte.2 Und, um ganz unverkennbar die neue geschichtliche Ära zu bezeichnen, die sie einzuleiten sich bewußt war, warf die Kommune, unter den Augen, hier der siegreichen Preußen, dort der von bonapartistischen Generalen geführten bonaparti
1 Leo Frankel — 2 Jaroslaw Dombrowski und Walery Wröblewski
stischen Armee, das kolossale Symbol des Kriegsruhms nieder, die VendomeSäule.12461 Die große soziale Maßregel der Kommune war ihr eignes arbeitendes Dasein. Ihre besondern Maßregeln konnten nur die Richtung andeuten, in der eine Regierung des Volks durch das Volk sich bewegt. Dahin gehören die Abschaffung der Nachtarbeit der Bäckergesellen; das Verbot, bei Strafe, der bei Arbeitgebern üblichen Praxis, den Lohn herabzudrücken durch Auferlegung von Geldstrafen auf die Arbeiter unter allerlei Vorwänden ein Verfahren, wobei der Arbeitgeber in einer Person Gesetzgeber, Richter und Vollstrecker ist und obendrein das Geld einsteckt. Eine andre Maßregel dieser Art war die Auslieferung von allen geschlossenen Werkstätten und Fabriken an Arbeitergenossenschaften, unter Vorbehalt der Entschädigung, gleichviel, ob der betreffende Kapitalist geflüchtet war oder aber vorzog, die Arbeit einzustellen. Die finanziellen Maßregeln der Kommune, ausgezeichnet durch ihre Einsicht und Mäßigung, konnten sich nur auf solche beschränken, die mit der Lage einer belagerten Stadt verträglich waren. In Anbetracht der ungeheuren Diebstähle, begangen an der Stadt Paris durch die großen Finanzkompanien und Bauunternehmer unter Haussmanns[6il Herrschaft, hätte die Kommune ein weit größeres Recht gehabt, ihr Eigentum zu konfiszieren, als Louis Bonaparte das der Familie Orleans. Die Hohenzollern und die englischen Oligarchen, die beide ein gutes Stück ihrer Besitzungen von geraubtem Kircheneigentum herleiten, waren natürlich höchst entrüstet über die Kommune, die aus der Säkularisation nur 8000 Franken profitierte. Während die Versailler Regierung, sobald sie wieder zu etwas Mut und Stärke gekommen, die gewaltsamsten Mittel gegen die Kommune anwandte; während sie die freie Meinungsäußerung über ganz Frankreich unterdrückte und sogar Versammlungen von Delegierten der großen Städte verbot; während sie Versailles und das übrige Frankreich einer Spionage, weit schlimmer als die des zweiten Kaisertums, unterwarf; während sie durch ihre Gendarmen-Inquisitoren alle in Paris gedruckten Zeitungen verbrannte undalle Briefe von undnachParis erbrach; während in der Nationalversammlung die furchtsamsten Versuche, ein Wort für Paris zu verlautbaren, niedergeheult wurden in einer, selbst in der Junkerkammer von 1816 unerhörten Weise; während der blutdürstigen Kriegführung der Versailler außerhalb und ihrer Versuche der Bestechung und Verschwörung innerhalb Paris hätte da die Kommune nicht ihre Stellung schmählich verraten, wenn sie alle Anstandsformen des Liberalismus, wie im tiefsten Frieden, beobachtet hätte? Wäre die Regierung der Kommune der des Herrn Thiers verwandt
gewesen, es wäre ebensowenig Veranlassung dagewesen, Ordnungsparteiblätter in Paris wie Kommunalblätter in Versailles zu unterdrücken. Es war in der Tat ärgerlich für die Krautjunker, daß gerade um die Zeit, wo sie die Rückkehr zur Kirche als einziges Mittel zur Rettung Frankreichs erklärten, die ungläubige Kommune die eigentümlichen Geheimnisse des Nonnenklosters Picpus und der Kirche St. Laurent12471 aufdeckte. Es war eine Satire auf Thiers, daß, während er Großkreuze auf die bonapartistischen Generale regnen ließ für ihre Meisterschaft im Schlachtenverlieren, Kapitulationsunterzeichnen und Wilhelmshöher Zigarettendrehen12481, die Kommune ihre Generale absetzte und verhaftete, sobald sie der Vernachlässigung ihres Dienstes verdächtig waren. Die Ausstoßung und Verhaftung eines Mitgliedes1, das sich unter falschem Namen eingeschlichen und früher in Lyon sechs Tage Gefängnis wegen einfachen Bankerotts erlitten hatte war sie nicht eine vorbedachte Beleidigung, ins Gesicht geschleudert dem Fälscher Jules Favre, damals noch immer auswärtiger Minister Frankreichs, noch immer Frankreich verkaufend an Bismarck, noch immer Befehle diktierend jener unvergleichlichen belgischen Regierung? Aber in der Tat, die Kommune machte keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit, wie dies alle die alten Regierungen ohne Ausnahme tun. Sie veröffentlichte alle Reden und Handlungen, sie weihte das Publikum ein in alle ihre UnVollkommenheiten. In jeder Revolution drängen sich, neben ihren wirklichen Vertretern, Leute andern Gepräges vor. Einige sind die Überlebenden früherer Revolutionen, mit denen sie verwachsen sind; ohne Einsicht in die gegenwärtige Bewegung, aber noch im Besitz großen Einflusses auf das Volk durch ihren bekannten Mut und Charakter oder auch durch bloße Tradition. Andre sind bloße Schreier, die, jahrelang dieselben ständigen Deklamationen gegen die Regierung des Tages wiederholend, sich in den Ruf von Revolutionären des reinsten Wassers eingeschlichen haben. Auch nach dem 18. März kamen solche Leute zum Vorschein und spielten sogar in einigen Fällen eine hervorragende Rolle. Soweit ihre Macht ging, hemmten sie die wirkliche Aktion der Arbeiterklasse, wie sie die volle Entwicklung jeder frühern Revolution gehemmt haben. Sie sind ein unvermeidliches Übel; mit der Zeit schüttelt man sie ab; aber gerade diese Zeit wurde der Kommune nicht gelassen. Wunderbar in der Tat war die Verwandlung, die die Kommune an Paris vollzogen hatte! Keine Spur mehr von dem buhlerischen Paris des zweiten Kaisertums.Paris war nicht länger der Sammelplatz von britischen Grundbesitzern, irischen Absentees[249), amerikanischen Ex-Sklavenhaltern und
Emporkömmlingen, russischen Ex-Leibeignenbesitzern und walachischen Bojaren. Keine Leichen mehr in der Morgue, keine nächtlichen Einbrüche und fast keine Diebstähle mehr; seit den Februartagen von 1848 waren die Straßen von Paris wirklich einmal wieder sicher, und das ohne irgendwelche Polizei.
„Wir", sagte ein Mitglied der Kommune, „wir hören jetzt nichts mehr von Mord, Raub und Tätlichkeiten gegen Personen: es scheint in der Tat, als ob die Polizei alle ihre konservativen Freunde mit nach Versailles geschleppt habe." Die Kokotten hatten die Fährte ihrer Beschützer wiedergefunden - der flüchtigen Männer der Familie, der Religion und vor allem des Eigentums. An ihrer Stelle kamen die wirklichen Weiber von Paris wieder an die Oberfläche - heroisch, hochherzig und aufopfernd wie die Weiber des Altertums. Paris, arbeitend, denkend, kämpfend, blutend, über seiner Vorbereitung einer neuen Gesellschaft fast vergessend der Kannibalen vor seinen Toren, strahlend in der Begeisterung seiner geschichtlichen Initiative! Und nun, gegenüber dieser neuen Welt in Paris, siehe da die alte Welt in Versailles - diese Versammlung der Ghuls aller verstorbnen Regimes, Legitimisten und Orleanisten, gierig, vom Leichnam der Nation zu zehren mit einem Schwanz vorsintflutlicher Republikaner, die durch ihre Gegenwart in der Versammlung der Sklavenhalter-Rebellion zustimmten, die die Erhaltung ihrer parlamentarischen Republik von der Eitelkeit des bejahrten Pickelhärings12501 an der Spitze der Regierung erhofften und 1789 karikierten durch Abhaltung ihrer gespensterhaften Versammlungen im Jeu de Paume (Ballspielhaus, wo die Nationalversammlung von 1789 ihre berühmten Beschlüsse faßte). Da war sie, diese Versammlung, die Vertreterin von allem, was abgestorben war in Frankreich, aufgestützt zur Positur scheinbaren Lebens durch nichts als die Säbel der Generale von Louis Bonaparte. Paris ganz Wahrheit, Versailles ganz Lüge, und diese Lüge losgelassen durch den Mund Thiers'. Thiers sagt einer Deputation der Bürgermeister des Seine- und OiseDepartements:
„Sie können sich auf mein Wort verlassen, das ich nie gebrochen habe!" Der Versammlung selbst sagte er, sie sei „die freiestgewählte und liberalste Versammlung, die Frankreich je besessen"; seiner buntgemischten Soldateska, sie sei „die Bewunderung der Welt und die schönste Armee, die Frankreich je gehabt"; den Provinzen, das Bombardement von Paris sei ein Märchen:
„Wenn einige Kanonenschüsse gefallen sind, so geschah das nicht durch die Versailler Armee, sondern durch einige Insurgenten, die glauben machen wollen, sie schlügen sich, wo sie sich doch nirgends zu zeigen wagen."'-251' Dann wieder sagt er den Provinzen: „Die Artillerie von Versailles bombardiert Paris nicht, sie kanoniert es bloß." Dem Erzbischof von Paris sagt er, die den Versailler Truppen nacherzählten Erschießungen und Repressalien (!) seien lauter Lügen. Er verkündet an Paris, er beabsichtigte nur, „es von den scheußlichen Tyrannen zu befreien, die es bedrücken"12521, und das Paris der Kommune sei in der Tat „nur eine Handvoll Verbrecher". Das Paris des Thiers war nicht das wirkliche Paris der „schoflen Menge", sondern ein Phantasie-Paris, das Paris der Francs-fileurs1-2531, das Paris der Boulevards, männlich wie weiblich, das reiche, das kapitalistische, das vergoldete, das faulenzende Paris, das sich jetzt mit seinen Lakaien, seinen Hochstaplern, seiner literarischen Zigeuner bände und seinen Kokotten in Versailles, Saint-Denis, Rueil und Saint-Germain drängte; für das der Bürgerkrieg nur ein angenehmes Zwischenspiel war; das den Kampf durchs Fernglas betrachtete, die Kanonenschüsse zählte und bei seiner eignen Ehre und der seiner Huren schwor, das Schauspiel sei unendlich besser arrangiert, als es im Theater der Porte Saint-Martin je gewesen. Die Gefallnen waren wirklich tot, das Geschrei der Verwundeten war kein bloßer Schein; und dann, wie welthistorisch war nicht die ganze Sache! Dies ist das Paris des Herrn Thiers, ganz wie die Emigration von Koblenz das Frankreich des Herrn von Calonne war[25ii.
IV
Der erste Versuch der Sklavenhalterverschwörung zur Unterwerfung von Paris, wonach die Preußen es besetzen sollten, scheiterte an Bismarcks Weigerung. Der zweite Versuch, am 18. März, endigte mit der Niederlage der Armee und der Flucht der Regierung nach Versailles, wohin ihr die gesamte Verwaltungsmaschinerie folgen mußte. Durch Vorspieglung von Friedensunterhandlungen mit Paris gewann Thiers jetzt die Zeit, den Krieg gegen Paris vorzubereiten. Aber woher eine Armee nehmen ? Die Überbleibsel der Linienregimenter waren schwach an Zahl und unsicher von Stimmung. Seine dringenden Anrufe an die Provinzen, Versailles mit ihren Nationalgarden und Freiwilligen zu Hülfe zu eilen, stießen auf offne Weige
rung. Nur die Bretagne sandte eine Handvoll Chouans12551, die unter der weißen Fahne fochten, jeder mit dem Herzen Jesu in weißem Linnen auf der Brust, und deren Schlachtruf war: Vive le Roi! (Es lebe der König!) Thiers blieb also darauf angewiesen, in aller Eile eine buntscheckige Bande zusammenzutrommeln, Matrosen, Seesoldaten, päpstliche Zuaven11171, Valentins Gendarmen, Pietris Stadtsergeanten und Mouchards (Spitzel). Diese Armee wäre jedoch bis zur Lächerlichkeit ungenügend gewesen ohne die nach und nach eintreffenden imperialistischen Kriegsgefangnen, die Bismarck in Abschlagszahlungen losließ, hinreichend einerseits, den Bürgerkrieg in Gang und andrerseits Versailles in kriechender Abhängigkeit von Preußen zu halten. Im Verlauf dieses Kriegs selbst hatte die Versailler Polizei der Versailler Armee aufzupassen, während die Gendarmen diese Armee mit sich fortreißen mußten, indem sie sich überall an den gefährlichsten Posten zuerst aussetzten. Die Forts, welche fielen, wurden nicht genommen, sondern gekauft. Der Heldenmut der Kommunalisten überzeugte Thiers, daß der Widerstand von Paris nicht durch sein eignes strategisches Genie und die ihm verfügbaren Bajonette zu brechen war. Gleichzeitig wurden seine Beziehungen zu den Provinzen immer schwieriger. Nicht eine einzige Billigungsadresse lief ein, um Thiers und seine Krautjunker aufzuheitern. Ganz im Gegenteil. Deputationen und Adressen strömten ein von allen Seiten und verlangten, in einem keineswegs achtungsvollen Ton, Versöhnung mit Paris auf Grundlage der unzweideutigen Anerkennung der Republik, der Bestätigung der kommunalen Freiheiten und der Auflösung der Nationalversammlung, deren Mandat erloschen sei. In solchen Massen kamen sie an, daß Dufaure, Thiers' Justizminister, den Staatsanwälten in einem Zirkular vom 23. April befahl, „den Ruf nach Versöhnung" als ein Verbrechen zu behandeln! Im Hinblick jedoch auf die hoffnungslose Aussicht, die ihm sein Feldzug eröffnete, beschloß Thiers, seine Taktik zu ändern, und schrieb für das ganze Land Gemeinderatswahlen für den 30.April aus, auf Grund der neuen, von ihm der Nationalversammlung diktierten Gemeindeordnung. Mit den Intrigen seiner Präfekten hier, mit der Einschüchterung seiner Polizei dort, erwartete er ganz zuversichtlich, durch den Wahrspruch der Provinzen der Nationalversammlung die moralische Macht zu geben, die sie nie besessen hatte, und von den Provinzen die materielle Macht zu erhalten, deren er zur Besiegung von Paris bedurfte. Seinen Räuberkrieg gegen Paris, verherrlicht in seinen eignen Bulletins, und die Versuche seiner Minister, in ganz Frankreich eine neue Schreckensherrschaft zu errichten, hatte Thiers gleich von Anfang für nötig gehalten,
durch eine kleine Versöhnungskomödie zu ergänzen, die mehr als einem Zwecke dienen sollte. Sie sollte die Provinzen hinters Licht führen, die Mittelklasse in Paris anlocken und vor allem den angeblichen Republikanern der Nationalversammlung die Gelegenheit geben, ihren Verrat gegen Paris hinter ihrem Glauben an Thiers zu verbergen. Am 21.März, als er noch keine Armee besaß, hatte er der Versammlung erklärt: „Komme was da will, ich werde keine Armee nach Paris schicken." Am 27.März erhob er sich wieder: „Ich habe die Republik als vollendete Tatsache vorgefunden, und ich bin fest entschlossen, sie aufrechtzuerhalten." 12561 In Wirklichkeit unterdrückte er die Revolution in Lyon und Marseille'2571 im Namen der Republik, während das Gebrüll seiner Krautjunker die bloße Erwähnung ihres Namens in Versailles niederheulte. Nach dieser Heldentat milderte er die vollendete Tatsache herab zu einer vorausgesetzten Tatsache. Die Orleansprinzen, die er vorsichtig aus Bordeaux wegbeschieden hatte, durften jetzt, in offnem Gesetzesbruch, frei in Dreux intrigieren. Die Zugeständnisse, die Thiers in seinen endlosen Zusammenkünften mit den Delegierten von Paris und den Provinzen in Aussicht stellte - so sehr sie auch fortwährend in Ton und Färbung wechselten liefen schließlich immer darauf hinaus, daß seine Rache sich voraussichtlich auf die „Handvoll Verbrecher, beteiligt beim Morde von Clement Thomas und Lecomte" beschränken solle, unter der wohlverstandnen Bedingung, daß Paris und Frankreich den Herrn Thiers selbst rückhaltlos als die beste der Republiken anerkennen sollte, grade wie er 1830 mit Louis-Philippe getan. Und selbst die Zugeständnisse - nicht nur, daß er Sorge trug, sie zweifelhaft zu machen durch die offiziellen Erläuterungen, die seine Minister in der Nationalversammlung dazu machten; nein, er hatte auch seinen Dufaure zum Handeln. Dufaure, dieser alte orleanistische Advokat, war jederzeit der Oberrichter des Belagerungszustands gewesen, wie jetzt, 1871, unter Thiers, so 1839 unter Louis-Philippe und 1849 unter Louis Bonapartes Präsidentschaft.12581 Wenn er nicht Minister war, bereicherte er sich, indem er für die Pariser Kapitalisten plädierte, und machte politisches Kapital, indem er gegen die von ihm selbst eingeführten Gesetze plädierte. Jetzt, nicht zufrieden, eine Reihe Unterdrückungsgesetze durch die Nationalversammlung zu hetzen, die, nach dem Fall von Paris, die letzten Reste republikanischer Freiheit in Paris ausrotten sollten12591 - deutete er selbst das Geschick von Paris im voraus an, indem er die, ihm noch zu langwierige, Verfahrungsweise der Kriegsgerichte12601 abkürzte und ein neugebacknes drakonisches
Deportationsgesetz einbrachte. Die Revolution von 1848, welche die Todesstrafe für politische Verbrecher abschaffte, hatte sie durch Deportation ersetzt. Louis-Napoleon wagte nicht, die Herrschaft der Guillotine wiederherzustellen, wenigstens nicht offen ausgesprochen. Die Junkerversammlung, noch nicht kühn genug, selbst nur anzudeuten, daß die Pariser nicht Rebellen, sondern Mörder seien, mußte deshalb ihre vorweggenommene Rache gegen Paris auf Dufaures neues Deportationsgesetz beschränken. Unter allen diesen Umständen würde Thiers seine Versöhnungskomödie unmöglich so lange fortgespielt haben, hätte sie nicht, was er gerade wollte, das Wutgeschrei der Krautjunker hervorgerufen, deren wiederkäuender Verstand weder das Spiel verstand noch die Notwendigkeit seiner Heuchelei, Falschheit und Hinhaltung. Angesichts der bevorstehenden Gemeinderatswahlen vom 30. April, führte Thiers am 27. eine seiner großen Versöhnungsszenen auf. Mitten in einer Flut sentimentalen Redeergusses rief er von der Tribüne der Nationalversammlung aus: „Die einzige Verschwörung gegen die Republik, die es gibt, ist die von Paris, die uns zwingt, französisches Blut zu vergießen. Ich wiederhole es aber und abermals: Laßt diese ruchlosen Waffen fallen aus den Händen derer, die sie führen, und die Strafe wird augenblicklich aufgehalten werden durch einen Friedensakt, der nur die kleine Zahl der Verbrecher ausschließt." Den heftigen Unterbrechungen der Krautjunker antwortete er: „Sagen Sie mir, meine Herren, ich bitte Sie inständigst, habe ich unrecht? Tut es Ihnen wirklich leid, daß ich die Wahrheit sagen konnte, daß der Verbrecher nur eine Handvoll sind? Ist es nicht ein Glück inmitten all unsres Unglücks, daß die Leute, die fähig waren, das Blut von Clement Thomas und General Lecomte zu vergießen, nur seltne Ausnahmen bilden?"'2611 Frankreich jedoch hatte nur taube Ohren für Thiers' Reden, in denen er sich schmeichelte, einen parlamentarischen Sirenensang geleistet zu haben. Aus allen den 700 000 Gemeinderäten, gewählt in den 35 000 noch bei Frankreich gebliebenen Gemeinden, setzten die vereinigten Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten nicht 8000 durch. Die nachfolgenden Nach- und Stichwahlen fielen noch feindseliger aus. Die Nationalversammlung, statt von den Provinzen die so sehr benötigte materielle Macht zu erhalten, verlor selbst den letzten Anspruch auf moralische Macht: den, der Ausdruck des allgemeinen Stimmrechts von Frankreich zu sein. Und um die Niederlage zu vollenden, bedrohten die neugewählten Gemeinderäte aller französischen Städte die usurpatorische Versammlung von Versailles mit einer Gegenversammlung in Bordeaux.
Damit war der lang erwartete Augenblick zum entscheidenden Auftreten für Bismarck gekommen. Er befahl Thiers im Herrscherton, unverzüglich Bevollmächtigte für den endgültigen Friedensschluß nach Frankfurt zu senden. In demütigem Gehorsam gegen den Ruf seines Herrn und Meisters beeilte sich Thiers, seinen bewährten Jules Favre, unterstützt von Pouyer-Quertier, abzuschicken. Pouyer-Quertier, ein „hervorragender" Baumwollspinner von Rouen, ein glühender und selbst serviler Anhänger des zweiten Kaisertums, hatte an diesem nie etwas Unrechtes entdeckt, außer dem Handelsvertrag mit England[262J, der seinem eignen Fabrikanteninteresse schadete. Kaum in Bordeaux zum Finanzminister von Thiers eingesetzt, klagte er auch schon diesen „unheiligen" Vertrag an, machte Andeutungen, daß er bald abgeschafft werde, und hatte sogar die Unverschämtheit, wenn auch umsonst (da er seine Rechnung ohne Bismarck gemacht hatte), die sofortige Wiedereinführung der alten Schutzzölle gegen das Elsaß zu versuchen, wo, wie er sagte, dem keine noch gültigen internationalen Verträge im Wege stünden. Dieser Mann, der die Kontrerevolution als ein Mittel ansah, um den Arbeitslohn in Rouen herunterzudrücken, und die Abtretung französischer Provinzen als ein Mittel, den Preis seiner Waren in Frankreich heraufzuschrauben - war er nicht schon im voraus angezeigt als der würdige Genosse Jules Favres, in seinem letzten, sein ganzes Werk krönenden Verrat? Als dies fürtreffliche Paar von Bevollmächtigten nach Frankfurt kam, schnauzte Bismarck.sie alsbald mit dem Kommando an: Entweder Wiederherstellung des Kaisertums, oder unweigerliche Annahme meiner eignen Friedensbedingungen! Diese Bedingungen enthielten eine Abkürzung der Zahlungsfristen für die Kriegsentschädigung, nebst fortdauernder Besetzung der Pariser Forts durch preußische Truppen, bis Bismarck mit dein Stand der Dinge in Frankreich sich zufrieden erkläre - so daß Preußen als höchster Schiedsrichter in den innern Angelegenheiten Frankreichs anerkannt wurde! Dagegen war er bereit, zur Ausrottung von Paris die gefangne bonapartistische Armee loszulassen und ihnen die direkte Unterstützung der Truppen des Kaisers Wilhelm zu leihen. Er verbürgte seine Ehrlichkeit dadurch, daß er die Zahlung der ersten Entschädigungsrate von der „Pazifikation" von Paris abhängig machte. Solch ein Köder wurde natürlich von Thiers und seinen Bevollmächtigten gierig verschlungen. Sie unterschrieben den Vertrag am 10. Mai und besorgten seine Bestätigung durch die Nationalversammlung schon am 18. In der Zwischenzeit, vom Friedensschluß bis zur Ankunft der bonapartistischen Gefangenen, fühlte sich Thiers um so mehr verpflichtet, seine
Versöhnungskomödie wiederaufzunehmen, als seine republikanischen Handlanger in äußerster Bedrängnis waren wegen eines Vorwands, um bei den Vorbereitungen zum Pariser Blutbad ein Auge zuzudrücken. Noch am 8. Mai antwortete er einer Deputation von versöhnlichen Mittelbürgern:
„Sobald die Insurgenten sich zur Kapitulation entschließen, sollen die Tore von Paris eine Woche lang weit geöffnet werden für alle, außer den Mördern der Generale Clement Thomas und Lecomte." Einige Tage nachher, heftig von den Krautjunkern wegen dieser Zusage zur Rede gestellt, weigerte er alle Auskunft, fügte aber diesen bezeichnenden Wink hinzu: „Ich sage Ihnen, es gibt Ungeduldige unter Ihnen, die zu viel Eile haben. Diese müssen noch acht Tage warten; am Ende dieser acht Tage wird keine Gefahr mehr sein, und die Aufgabe wird dann ihrem Mut und ihren Fähigkeiten entsprechen."'263' Sobald Mac-Mahon imstande war, zu versprechen, daß er bald in Paris einrücken könne, erklärte Thiers der Nationalversammlung, er
„werde in Paris einziehen mit dem Gesetz in der Hand und volle Sühne verlangen von den Elenden, die das Leben von Soldaten geopfert und öffentliche Denkmäler zerstört hätten". Als der Augenblick der Entscheidung heranrückte, sagte er zur Nationalversammlung: „Ich werde ohne Barmherzigkeit sein"; zu Paris, sein Urteil sei gesprochen; und zu seinen bonapartistischen Banditen, sie hätten Staatserlaubnis, an Paris ihre Rache nach Herzenslust auszuüben. Endlich, als am 21. Mai der Verrat dem General Douay die Tore von Paris geöffnet hatte, enthüllte Thiers, am 22., seinen Krautjunkern das „Ziel" seiner Versöhnlichkeitskomödie, die sie so hartnäckig mißverstanden hatten.
„Ich habe Ihnen vor einigen Tagen gesagt, wir näherten uns dem Ziele; heute komme ich Ihnen zu sagen - das Ziel ist erreicht. Der Sieg der Ordnung, Gerechtigkeit und Zivilisation ist endlich gewonnen."'264' Und das war er. Die Zivilisation und Gerechtigkeit der Bourgeoisordnung tritt hervor in ihrem wahren, gewitterschwangern Licht, sobald die Sklaven in dieser Ordnung sich gegen ihre Herren empören. Dann stellt sich diese Zivilisation und Gerechtigkeit dar als unverhüllte Wildheit und gesetzlose Rache. Jede neue Krisis im Klassenkampf zwischen dem Aneigner und dem Hervorbringer des Reichtums bringt diese Tatsache greller zum Vorschein. Selbst die Scheußlichkeiten der Bourgeois vom Juni 1848 verschwinden vor der unsagbaren Niedertracht von 1871. Der selbstopfernde
Heldenmut, womit das Pariser Volk - Männer, Weiber und Kinder - acht Tage lang nach dem Einrücken der Versailler fortkämpften, strahlt ebensosehr zurück die Größe ihrer Sache, wie die höllischen Taten der Soldateska zurückstrahlen den eingebornen Geist jener Zivilisation, deren gemietete Vorkämpfer und Rächer sie sind. Eine ruhmvolle Zivilisation in der Tat, deren Lebensfrage darin besteht: wie die Haufen von Leichen loswerden, die sie mordete, nachdem der Kampf vorüber war! Um ein Seitenstück zu finden für das Benehmen des Thiers und seiner Bluthunde, müssen wir zurückgehn zu den Zeiten des Sulla und der beiden römischen Triumvirate.12651 Dieselbe massenweise Schlächterei bei kaltem Blut; dieselbe Mißachtung, beim Morden, von Alter und Geschlecht; dasselbe System, Gefangne zu martern; dieselben Ächtungen, aber diesmal gegen eine ganze Klasse; dieselbe wilde Jagd nach den versteckten Führern, damit auch nicht einer entkomme; dieselbe Angeberei gegen politische und Privatfeinde; dieselbe Gleichgültigkeit bei der Niedermetzlung von dem Kampf ganz fremden Leuten. Nur der eine Unterschied ist da, daß die Römer noch keine Mitrailleusen hatten, um die Geächteten schockweise abzutun, und daß sie nicht „in ihren Händen das Gesetz" trugen, noch auf ihren Lippen den Ruf der „Zivilisation". Und nach diesen Schandtaten, seht jetzt auf die andre, noch ekelhaftere Seite dieser Bourgeoiszivilisation, beschrieben durch ihre eigne Presse! „Während", schreibt der Pariser Korrespondent eines Londoner Tory-Blattes, „während noch einzelne Schüsse in der Ferne ertönen und unverpflegte Verwundete zwischen den Grabsteinen des Pere-Lachaise verenden, während 6000 erschreckte Insurgenten im Todeskampf der Verzweiflung in den Irrgängen der Katakomben sich verloren haben und man Unglückliche noch durch die Straßen treiben sieht, um von den Mitrailleusen schockweise niedergeschossen zu werden — ist es empörend, die Cafes gefüllt zu sehn mit Absinthtrinkern, Billard- und Dominospielern; zu sehn, wie weibliche Verworfenheit sich auf den Boulevards breitmacht, und zu hören, wie der laute Schall der Schwelgerei aus den Privatzimmerchen vornehmer Restaurants die Nachtruhe stört." Herr Edouard Herve schreibt im „Journal de Paris"[2661, einem von der Kommune unterdrückten versaillistischen Journal: „Die Art, wie die Pariser Bevölkerung (!) gestern ihre Befriedigung an den Tag legte, war in der Tat mehr als frivol, und wir fürchten, das wird mit der Zeit schlimmer werden. Paris hat jetzt ein festliches Aussehn, das wahrlich nicht am Platze ist, und falls wir nicht, die Pariser des Verfalls' genannt zu werden wünschen, muß dem ein Ende gemacht werden." Und dann zitiert er die Stelle des Tacitus:
„Und doch, den Morgen nach jenem schrecklichen Kampf, und selbst ehe er vollständig ausgefochten war, begann Rom, erniedrigt und verderbt, von neuem sich zu wälzen in jenem Sumpf der Wollust, der seinen Leib zerstörte und seine Seele befleckte alibi proelia et vulnera, alibi balneae popinaeque (hier Kämpfe und Wunden, dort Bäder und Restaurants.)"'267' Herr Herve vergißt nur, daß die „Pariser Bevölkerung", von der er spricht, nur die Bevölkerung des Paris von Thiers ist, die Francs-fileurs, die haufenweise von Versailles, Saint-Denis, Rueil und Saint-Germain zurückkehren, in der Tat das „Paris des Verfalls". In jedem ihrer blutigen Triumphe über die selbstopfernden Vorkämpfer einer neuen und bessern Gesellschaft übertäubt diese, auf die Knechtung der Arbeit gegründete, schmähliche Zivilisation das Geschrei ihrer Schlachtopfer durch einen Hetzruf der Verleumdung, den ein weltweites Echo widerhallt. Das heitere Arbeiter-Paris der Kommune verwandelt sich plötzlich, unter den Händen der Bluthunde der „Ordnung", in ein Pandämonium. Und was beweist diese ungeheure Verwandlung dem Bourgeoisverstand aller Länder? Nichts, als daß die Kommune sich gegen die Zivilisation verschworen hat! Das Pariser Volk opfert sich begeistert für die Kommune; die Zahl seiner Toten ist unerreicht in irgendeiner früheren Schlacht. Was beweist das? Nichts, als daß die Kommune nicht des Volks eigne Regierung, sondern die Gewalthandlung einer Handvoll Verbrecher war! Die Weiber von Paris geben freudig ihr Leben hin, an den Barrikaden wie auf dem Richtplatz. Was beweist das? Nichts, als daß der Dämon der Kommune sie in Megären und Hekaten verwandelt hat! Die Mäßigung der Kommune, während zweimonatlicher unbestrittner Herrschaft, findet ihresgleichen nur in dem Heldenmut ihrer Verteidigung. Was beweist das? Nichts, als daß die Kommune zwei Monate lang, unter der Maske der Mäßigung und Menschlichkeit, den Blutdurst ihrer teuflischen Gelüste sorgfältig verbarg, um sie in der Stunde ihres Todeskampfs loszulassen! Das Paris der Arbeiter hat im Akt seiner heroischen Selbstopferung Gebäude und Monumente mit in die Flammen gezogen. Wenn die Beherrscher des Proletariats seinen lebendigen Leib in Stücke reißen, dürfen sie nicht länger darauf rechnen, triumphierend in die unangetasteten Mauern ihrer Wohnsitze wieder einzuziehn. Die Versailler Regierung schreit: Brandstiftung! und flüstert dies Stichwort allen ihren Handlangern zu bis ins entfernteste Dorf, auf ihre Gegner überall Jagd zu machen als der gewerbsmäßigen Brandstiftung verdächtig. Die Bourgeoisie der ganzen Welt sieht der Massenschlächterei nach der Schlacht wohlgefällig zu, aber sie entsetzt sich über die Entweihung von Dach und Fach!
Wenn Regierungen ihren Kriegsflotten Staatsfreibrief geben, „zu töten, zu verbrennen und zu zerstören", ist das ein Freibrief für Brandstiftung? Als die britischen Truppen mutwillig das Kapitol in Washington und den Sommerpalast der Kaisers von China'2681 verbrannten, war das Brandstiftung?1 Als Thiers sechs Wochen lang Paris bombardierte, unter dem Vorwand, daß er bloß solche Häuser anzünden wollte, in denen Leute seien, war das Brandstiftung? - Im Krieg ist Feuer eine vollständig rechtmäßige Waffe. Gebäude, vom Feinde besetzt, bombardiert man, um sie anzuzünden. Müssen die Verteidiger sie verlassen, so stecken sie selber sie in Brand, damit die Angreifer sich nicht darin festsetzen können. Niedergebrannt zu werden, war stets das unvermeidliche Schicksal aller in der Schlachtfront aller regelmäßigen Armeen der Welt gelegnen Gebäude. Aber im Krieg der Geknechteten gegen ihre Unterdrücker, dem einzig rechtmäßigen Krieg in der Geschichte, da soll dies beileibe nicht gelten! Die Kommune hat das Feuer, im strengsten Sinne des Worts, als Verteidigungsmittel gebraucht. Sie wandte es an, um den Versailler Truppen jene langen graden Straßen zu versperren, die Haussmann absichtlich dem Artilleriefeuer offengelegt hatte'641; sie wandte es an, um ihren Rückzug zu decken, grade wie die Versailler in ihrem Vordringen ihre Granaten anwandten, die mindestens ebensoviel Häuser zerstörten wie das Feuer der Kommune. Noch jetzt ist es streitig, welche Gebäude durch die Verteidiger und welche durch die Angreifer angezündet wurden. Und die Verteidiger nahmen Zuflucht zum Feuer erst dann, als die Versailler Truppen bereits mit ihrem Massenabmorden der Gefangnen begonnen hatten. - Zudem hatte die Kommune längst vorher öffentlich angekündigt, daß, wenn zum äußersten getrieben, sie sich unter den Trümmern von Paris begraben und aus Paris ein zweites Moskau machen werde, wie die Verteidigungsregierung, freilich nur als Deckmantel ihres Verrats, dies ebenfalls versprochen hatte. Grade für diesen Zweck hatte Trochu das nötige Petroleum herbeigeschafft. Die Kommune wußte, daß ihren Gegnern nichts lag am Leben des Pariser Volks, aber sehr viel an ihren eignen Pariser Gebäuden. Und Thiers, seinerseits, hatte erklärt, er werde in seiner Rache unerbittlich sein. Sobald er erst seine Armee schlagfertig hatte auf der einen Seite, und auf der andern die Preußen den Ausgang absperrten, rief er aus: „Ich werde erbarmungslos sein! Die Buße wird vollständig sein, die Justiz streng." Wenn die Taten der Pariser Arbeiter Vandalismus waren, so waren sie der Vandalismus der
1 In den englischen Ausgaben von 1871 folgt hier noch der Satz: Als die Preußen, nicht aus militärischen Gründen, sondern aus bloßer Ranküne und Rachsucht Städte wie Chäteaudun und zahllose Dörfer mit Petroleum niederbrannten, war das Brandstiftung?
verzweifelnden Verteidigung, nicht der Vandalismus des Triumphs, wie der, dessen die Christen sich schuldig machten an den wirklich unschätzbaren Kunstwerken des heidnischen Altertums; und selbst dieser Vandalismus ist vom Geschichtsschreiber gerechtfertigt worden als ein unumgängliches und verhältnismäßig unbedeutendes Moment in dem Riesenkampf zwischen einer neuen, emporkommenden und einer alten, zusammenbrechenden Gesellschaft. Noch weniger war es der Vandalismus Haussmanns, der das historische Paris wegfegte, um dem Paris des Bummlers Platz zu schaffen. Aber die Hinrichtung der vierundsechzig Geiseln, voran der Erzbischof von Paris, durch die Kommune! - Die Bourgeoisie und ihre Armee hatten im Juni 1848 eine längst aus der Kriegführung verschwundene Sitte wieder eingeführt - das Erschießen ihrer wehrlosen Gefangnen. Diese brutale Sitte ist seitdem mehr oder weniger angewandt worden bei jeder Unterdrükkung eines Volksaiifstandes in Europa und Indien, womit bewiesen ist, daß sie ein wirklicher „Fortschritt der Zivilisation" war! Andrerseits hatten die Preußen in Frankreich die Sitte wieder ins Leben gerufen, Geiseln zu nehmen - unschuldige Leute, die ihnen mit ihrem Leben für die Handlungen andrer hafteten. Als Thiers, wie wir sahn, schon vom Anfang des Kampfes an die menschliche Sitte des Erschießens der kommunalistischen Gefangnen in Kraft setzte, blieb der Kommune nichts übrig, zum Schutz des Lebens dieser Gefangnen, als zur preußischen Sitte des Geiselngreifens ihre Zuflucht zu nehmen. Das Leben der Geiseln war aber und abermals verwirkt durch das anhaltende Erschießen von Gefangnen durch die Versailler. Wie konnte man ihrer noch länger schonen nach dem Blutbade, womit Mac-Mahons Prätorianer'2691 ihren Einmarsch in Paris feierten? Sollte auch das letzte Gegengewicht gegen die rücksichtslose Wildheit der Bourgeoisregierungen - die Ergreifung von Geiseln - zum bloßen Gespött werden? Der wirkliche Mörder des Bischofs Darboy ist Thiers. Die Kommune hatte aber und abermals angeboten, den Erzbischof und einen ganzen Haufen Pfaffen in den Kauf auszuwechseln, gegen den einzigen von Thiers festgehaltenen Blanqui. Thiers weigerte sich hartnäckig. Er wußte, daß er der Kommune mit Blanqui einen Kopf geben werde, während der Erzbischof seinen Zwecken am besten dienen würde als - Leiche. Thiers ahmte hierin Cavaignac nach. Welchen Schrei des Entsetzens ließen nicht im Juni 1848 Cavaignac und seine Ordnungsmänner los, als sie die Insurgenten als Mörder des Erzbischofs Affre brandmarkten! Und doch wußten sie ganz genau, daß der Erzbischof von den Ordnungssoldaten erschossen worden. Jacquemet, der Generalvikar des Erzbischofs, hatte ihm unmittelbar nach der Tat sein dahin lautendes Zeugnis eingehändigt.
Dieser ganze Verleumdungschor, den die Ordnungspartei in ihren Blutfesten nie verfehlt, gegen ihre Schlachtopfer anzustimmen, beweist bloß, daß der heutige Bourgeois sich für den rechtmäßigen Nachfolger des ehemaligen Feudalherrn ansieht, der jede Waffe, in seiner eignen Hand, für gerechtfertigt hielt gegenüber dem Plebejer, während irgendwelche Waffe in der Hand des Plebejers von vornherein ein Verbrechen ausmachte. Die Verschwörung der herrschenden Klasse zum Umsturz der Revolution durch einen unter dem Schutz des fremden Eroberers geführten Bürgerkrieg - eine Verschwörung, deren Spuren wir gefolgt sind vom September bis herab zum Einmarsch der Mac-Mahonschen Prätorianer durch das St. Clouder Tor - gipfelte in dem Blutbade von Paris. Bismarck schaut mit vergnügten Sinnen auf die Trümmer von Paris, in denen er vielleicht die „erste Rate" jener allgemeinen Zerstörung der großen Städte sah, die er bereits erfleht hatte, als er noch ein einfacher Rural in der preußischen Chambre introuvable von 1849[270] war. Er schaut zufrieden auf die Leichen des Pariser Proletariats. Für ihn ist dies nicht nur die Austilgung der Revolution, sondern zugleich die Austilgung Frankreichs, das jetzt in Wirklichkeit enthauptet ist, und durch die französische Regierung obendrein. Mit der allen erfolgreichen Staatsmännern eignen Seichtigkeit sieht er nur die Oberfläche dieses ungeheuren geschichtlichen Ereignisses. Wo hat je vorher die Geschichte das Schauspiel vorgeführt eines Siegers, der seinen Sieg damit krönt, daß er sich nicht nur zum Gendarmen, sondern auch zum gemieteten Bravo der besiegten Regierung hergibt? Zwischen Preußen und der Kommune von Paris war kein Krieg. Im Gegenteil, die Kommune hatte die Friedenspräliminarien angenommen, und Preußen hatte seine Neutralität erklärt. Preußen war also keine kriegführende Partei. Es handelte als Bravo; als feiger Bravo, weil es keinerlei Gefahr auf sich lud; als gemieteter Bravo, weil es im voraus die Zahlung seines Blutgelds von 500 Millionen von dem Fall von Paris abhängig machte. Und so kam denn endlich an den Tag der wahre Charakter jenes Kriegs, den die Vorsehung angeordnet hatte zur Züchtigung des gottlosen und liederlichen Frankreichs durch das fromme und sittliche Deutschland! Und dieser unerhörte Bruch des Völkerrechts, selbst wie es von den Juristen der alten Welt verstanden, statt die „zivilisierten" Regierungen Europas aufzurütteln, daß sie dies rechtsbrüchige Preußen, das bloße Werkzeug des Petersburger Kabinetts, in die Acht der Völker erklären - treibt sie nur zu der Erwägung, ob die wenigen Schlachtopfer, die der doppelten Postenkette um Paris entgehen, nicht auch noch dem Versailler Henker auszuliefern sind! Daß nach dem gewaltigsten Krieg der neuern Zeit die siegreiche und die
besiegte Armee sich verbünden zum gemeinsamen Abschlachten des Proletariats - ein so unerhörtes Ereignis beweist, nicht wie Bismarck glaubt, die endliche Niederdrückung der sich emporarbeitenden neuen Gesellschaft, sondern die vollständige Zerbröcklung der alten Bourgeoisgesellschaft. Der höchste heroische Aufschwung, dessen die alte Gesellschaft noch fähig war, ist der Nationalkrieg, und dieser erweist sich jetzt als reiner Regierungsschwindel, der keinen andern Zweck mehr hat, als den Klassenkampf hinauszuschieben, und der beiseite fliegt, sobald der Klassenkampf im Bürgerkrieg auflodert. Die Klassenherrschaft ist nicht länger imstande, sich unter einer nationalen Uniform zu verstecken; die nationalen Regierungen sind eins gegenüber dem Proletariat! Nach Pfingstsonntag 1871 kann es keinen Frieden und keine Waffenruhe mehr geben zwischen den Arbeitern Frankreichs und den Aneignern ihrer Arbeitserzeugnisse. Die eiserne Hand einer gemieteten Soldateska mag beide Klassen, für eine Zeitlang, in gemeinsamer Unterdrückung niederhalten. Aber der Kampf muß aber und abermals ausbrechen, in stets wachsender Ausbreitung, und es kann kein Zweifel sein, wer der endliche Sieger sein wird - die wenigen Aneigner oder die ungeheure arbeitende Majorität. Und die französischen Arbeiter bilden nur die Vorhut des ganzen modernen Proletariats. Während die europäischen Regierungen so, vor Paris, den internationalen Charakter der Klassenherrschaft betätigen, schreien sie Zeter über die Internationale Arbeiterassoziation - die internationale Gegenorganisation der Arbeit gegen die weltbürgerliche Verschwörung des Kapitals - als Hauptquelle alles dieses Unheils. Thiers klagte sie an als den Despoten der Arbeit, der sich als ihren Befreier ausgebe. Picard befahl alle Verbindung der französischen Internationalen mit denen des Auslandes abzuschneiden; Graf Jaubert, der alte, zur Mumie gewordene Mitschuldige des Thiers von 1835, erklärte es für die Hauptaufgabe aller Regierungen, sie auszurotten. Die Krautjunker der Nationalversammlung heulen gegen sie, und die gesamte europäische Presse stimmt ein in den Chor. Ein ehrenwerter französischer Schriftsteller1, der unsrer Assoziation durchaus fremd ist, spricht sich aus wie folgt: „Die Mitglieder des Zentralkomitees der Nationalgarde, wie auch der größre Teil der Mitglieder der Kommune, sind die tätigsten, einsichtigsten und energischsten Köpfe der Internationalen Arbeiterassoziation... Leute, durchaus ehrlich, aufrichtig, einsichtig, voll Hingebung, rein und fanatisch im guten Sinn des Wortes."'271'
Der polizeigefärbte Bourgeoisverstand stellt sich natürlich die Internationale Arbeiterassoziation vor als eine Art geheimer Verschwörung, deren Zentralbehörde von Zeit zu Zeit Ausbrüche in verschiedenen Ländern befiehlt. Unsere Assoziation ist aber in der Tat nur das internationale Band, das die fortgeschrittensten Arbeiter in den verschiedenen Ländern der zivilisierten Welt vereinigt. Wo immer, und in welcher Gestalt immer, und unter welchen Bedingungen immer der Klassenkampf irgendwelchen Bestand erhält, da ist es auch natürlich, daß Mitglieder unsrer Assoziation im Vordergrund stehen. Der Boden, aus dem sie emporwächst, ist die moderne Gesellschaft selbst. Sie kann nicht niedergestampft werden durch noch soviel Blutvergießen. Um sie niederzustampfen, müßten die Regierungen vor allem die Zwingherrschaft des Kapitals über die Arbeit niederstampfen - also die Bedingung ihres eigenen Schmarotzerdaseins. Das Paris der Arbeiter, mit seiner Kommune, wird ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft. Seine Märtyrer sind eingeschreint in dem großen Herzen der Arbeiterklasse. Seine Vertilger hat die Geschichte schon jetzt an jenen Schandpfahl genagelt, von dem sie zu erlösen alle Gebete ihrer Pfaffen ohnmächtig sind.
Der Generalrat: M.J.Boon, Fred. Bradnick, G.H.Buttery, Caihil, William Haies, Kolb, Fred. Leßner, G.Milner, Thomas Mottershead, Charles Murray, Pfänder, Roach, Rühl, Sadler, Coiüell Stepney, Alf.Taylor, W.Townshend1 Korrespondierende Sekretäre: Eugene Dupont, für Frankreich -KarlMarx, für Deutschland und Holland - Friedrich Engels, für Belgien und Spanien - Hermann Jung, für die Schweiz - P.Giovacchini, für Italien - Zeüy Maurice, für Ungarn - Antoni Zabicki, für Polen - J. Cohen, für Dänemark - J. G. Eccarius, für die Vereinigten Staaten Hermann Jung, Vorsitzender - John Weston, Schatzmeister - Georg Harris, Finanzsekretär - John Haies, Generalsekretär 256, High Holborn, London, W.C. 30. Mai 1871
1 In der dritten englischen Ausgabe von 1871 sind noch folgende Mitglieder des Generalrats angeführt: Delahaye,A.Herman,Lochner, J.P. MacDonnel,Ch.Mills,RochatundA.Serrailiier.
Beilagen
I
„Die Gefangnenkolonne machte halt in der Avenue Uhrich und wurde in vier oder fünf Gliedern auf dem Fußsteig aufgestellt, Front nach der Straße. Der General Marquis de Galliffet und sein Stab stiegen vom Pferd und inspizierten die Linie, vom linken Flügel anfangend. Der General ging langsam entlang, die Reihen besichtigend; hier und da hielt er, einen Mann an der Schulter berührend, oder ihn aus den hintern Gliedern hervorwinkend. Die so Ausgesuchten wurden, meist ohne weitere Verhandlung, mitten in der Straße aufgestellt, wo sie bald eine kleine Sonderkolonne bildeten... Es war augenscheinlich, daß hierbei für Mißgriffe beträchtlicher Raum gelassen war. Ein berittener Offizier machte den General auf einen Mann und eine Frau wegen irgendeiner besondern Missetat aufmerksam. Die Frau, aus den Reihen hervorstiirzend, fiel auf die Knie und beteuerte mit ausgestreckten Armen heftig ihre Unschuld. Der General wartete eine Pause ab und sagte dann, mit vollständig ruhigem Gesicht und unbewegter Haltung: Madame, ich habe alle Theater in Paris besucht, es ist nicht der Mühe wert, Komödie zu spielen (ll ne vaut pas la peine de jouer la comedie).. .Es war an jenem Tage nicht gut für einen, wenn er merklich größer, schmutziger, reinlicher, älter oder häßlicher als seine Nebenleute war. Von einem Manne fiel es mir besonders auf, daß er seine schleunige Erlösung aus diesem irdischen Jammertal wohl nur seiner eingeschlagnen Nase verdankte... Über Hundert wurden so ausgesucht, ein Zug Soldaten zum Erschießen kommandiert, und die übrige Kolonne marschierte weiter, während jene zurückblieben. Einige Minuten nachherf ingh inter uns das Feuer an, das - mit kurzen Unterbrechungen - über eine Viertelstunde anhielt. Es war die Hinrichtung dieser summarisch verurteilten Unglücklichen." (Pariser Korrespondent, „Daily News" vom 8.Juni.) Dieser Galliffet, „der Louis seiner Frau, so notorisch durch die schamlose Bloßstellung ihres Leibes bei den Gelagen des zweiten Kaisertums", war während des Kriegs bekannt unter dem Namen des französischen Fähndrich Pistol. „Der ,Temps', ein bedächtiges und keineswegs der Sensation ergebnes Blatt, erzählt eine schauerliche Geschichte von halbtotgeschossenen und vor ihrem Tod begrabnen Leuten. Eine große Anzahl wurde auf dem Platz bei St. Jacques-la-Boucherie begraben, manche von ihnen nur leicht mit Erde bedeckt. Während des Tags überhallte der Straßenlärm alles, aber in der Stille der Nacht wurden die Bewohner der umliegenden Häuser geweckt durch fernes Stöhnen, und am Morgen sah man eine geballte Faust aus dem Boden ragen. Infolgedessen wurde die Wiederausgrabung der Leichen befohlen ... Daß viele Verwundete lebendig begraben wurden, daran kann ich nicht im mindesten zweifeln. Für einen Fall kann ich einstehn. Als Brunei mit seiner Geliebten
am 24. Mai im Hofe eines Hauses des Vendomeplatzes erschossen wurden, ließ man sie bis zum Nachmittag des 27. liegen. Als man dann endlich kam, die Leichen zu entfernen, fand man das Weib noch am Leben und nahm sie zu einem Verbandplatz. Obwohl von vier Kugeln getroffen, ist sie jetzt außer Gefahr." (Pariser Korrespondent, „Evening Standard" I272l vom 8. Juni.)
II
Der folgende Brief erschien in der Londoner „Times" vom 13. Juni:[273) An den Redakteur der „Times" Mein Herr! Am 6. Juni 1871 hat Herr Jules Favre ein Rundschreiben an alle europäischen Mächte erlassen, worin er sie auffordert, die Internationale Arbeiterassoziation zu Tode zu hetzen. Einige Bemerkungen werden hinreichen, dies Aktenstück zu kennzeichnen. Schon in der Einleitung zu unsern Statuten ist angegeben, daß die Internationale gegründet wurde am 28. September 1864, auf einer öffentlichen Versammlung in St. Martin's Hall, Long Acre, London.1 Aus ihm selbst am besten bekannten Gründen verlegt Jules Favre das Datum ihres Ursprungs hinter das Jahr 1862 zurück. Um unsre Grundsätze zu erläutern, gibt er vor, „ihre" (der Internatio-, nalen) „Druckschrift vom 25. März 1869" anzuführen. Und was führt er an? Die Druckschrift einer Gesellschaft, die nicht die Internationale ist. Diese Sorte Manöver praktizierte er schon, als er, noch ein ziemlich junger Advokat, den „National", ein Pariser Blatt, gegen Cabets Verleumdungsklage verteidigte. Damals gab er vor, Auszüge aus Cabets Flugschriften vorzulesen, WAIirenu er VOR Inrn selbst CIRGCSCIIOUIIC Z/WISCIIENSATZG vor las. Dies Taschenspielerstückchen wurde indes vor vollem Gerichtshof bloßgelegt und, wäre Cabet nicht so nachsichtig gewesen, er wäre mit seiner Ausstoßung aus dem Pariser Advokatenstand bestraft worden. Von allen Aktenstücken, die er als Aktenstücke der Internationalen anführte, gehörte auch nicht eins der Internationalen an. So sagt er: „Die Allianz erklärt sich für atheistisch, sagt der Generalrat, konstituiert in London, im Juli 1869." Der Generalrat hat nie solch ein Aktenstück erlassen. Im Gegenteil, er erließ ein Aktenstück2, das die Originalstatuten der „Allianz" -L'Alliance de la Democratie Socialiste in Genf -, die Jules Favre zitiert, annullierte.
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S. 14 - 2 ebenda, S. 339-341
In seinem ganzen Zirkular, das teilweise auch gegen das Kaisertum gerichtet zu sein vorgibt, wiederholt Jules Favre gegen die Internationale nur die Polizeimärchen der Staatsanwälte des Kaisertums, die selbst vor den Gerichtshöfen desselben Kaisertums sich in ihr elendes Nichts auflösten. Es ist bekannt, daß der Generalrat der Internationalen in seinen beiden Adressen (vom Juli und September 1870)1 über den damaligen Krieg die preußischen Eroberungspläne gegen Frankreich anklagte. Später wandte sich Herr Reitlinger, Jules Favres Privatsekretär, natürlich vergebens, an einige Mitglieder des Generalrats, damit der Generalrat eine antibismarcksche Massenkundgebung zugunsten der Regierung der nationalen Verteidigung veranstalte; es wurde besonders gebeten, dabei der Republik mit keinem Wort zu erwähnen. Die Vorbereitungen zu einer Massenkundgebung bei Gelegenheit der erwarteten Ankunft Jules Favres in London wurden eingeleitet - gewiß in bester Absicht - gegen den Willen des Generalrats, der in seiner Adresse vom 9. September die Pariser Arbeiter ausdrücklich und im voraus gegen Jules Favre und seine Kollegen gewarnt hatte. Was würde Jules Favre sagen, wenn seinerseits der Generalrat der Internationalen ein Rundschreiben über Jules Favre an alle europäischen Kabinette erließe, um ihre besondre Aufmerksamkeit auf die durch den verstorbnen Herrn Milliere in Paris veröffentlichten Aktenstücke zu lenken? Ich bin, mein Herr, Ihr ergebener Diener. John Haies Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation 256, High Holborn, London, W.C. 12. Juni 1871
In einem Artikel über „die Internationale Assoziation und ihre Ziele" zitiert der Londoner „Spectator"12741, als frommer Denunziant, unter andern ähnlichen Kunstgriffen, und noch vollständiger als Jules Favre getan, das obige Aktenstück der „Alliance" als das Werk der Internationalen, und das elf Tage nach der Veröffentlichung obiger Widerlegung in der „Times". Dies kann uns nicht wundern. Schon Friedrich der Große pflegte zu sagen, daß von allen Jesuiten die protestantischen die schlimmsten sind.
Karl Marx [Brief an den Redakteur der „Pall Mall Gazette"]
8. Juni 1871
My dear Sir, würden Sie so freundlich sein, folgende wenige Zeilen in Ihre nächste Nummer einzurücken? Hochachtungsvoll Karl Marx F. Greenwood, Esq.
Nach der Handschrift.
[„The Pall Mall Gazette" Nr. 1972 vom 9. Juni 1871] An den Redakteur der „Pall Mall Gazette"
Sir, aus der Pariser Korrespondenz Ihrer gestrigen Ausgabe ersehe ich, daß ich, während ich mir einbildete, in London zu leben, in Wirklichkeit auf Wunsch von Bismarck-Favre in Holland verhaftet wurde. Aber vielleicht ist dies nur eine der zahllosen Sensationsgeschichten über die Internationale, welche die französisch-preußische Polizei in den letzten zwei Monaten unermüdlich fabrizierte, die Versailler Presse publizierte und die übrige europäische Presse reproduzierte.
Ich verbleibe, Sir, hochachtungsvoll Ihr ergebener Karl Marx 1, Modena Villas, Maitland Park 8. Juni 1871
Karl Marx/Friedrich Engels [Erklärung des Generalrats anläßlich des Rundschreibens von Jules Favre12751]
An den Redakteur der „Times"
Mein Herr! Am 6. Juni 1871 hat Herr Jules Favre ein Rundschreiben an alle europäischen Mächte erlassen, worin er sie auffordert, die Internationale Arbeiterassoziation zu Tode zu hetzen. Einige Bemerkungen werden hinreichen, dies Aktenstück zu kennzeichnen. Schon in der Einleitung zu unsern Statuten ist angegeben, daß die Internationale gegründet wurde am 28. September 1864, auf einer öffentlichen Versammlung in St. Martin's Hall, Long Acre, London1. Aus ihm selbst am besten bekannten Gründen verlegt Jules Favre das Datum ihres Ursprungs hinter das Jahr 1862 zurück. Um unsre Grundsätze zu erläutern, gibt er vor, „ihre" (der Internationalen) „Druckschrift vom 25. März 1869" anzuführen. Und was führt er an? Die Druckschrift einer Gesellschaft, die nicht die Internationale ist. Diese Sorte Manöver praktizierte er schon, als er, noch ein ziemlich junger Advokat, den „National", ein Pariser Blatt, gegen Cabets Verleumdungsklage verteidigte. Damals gab er vor, Auszüge aus Cabets Flugschriften vorzulesen, während er von ihm selbst eingeschobne Zwischensätze vorlas. Dies Taschenspielerstückchen wurde indes vor vollem Gerichtshof bloßgelegt und, wäre Cabet nicht so nachsichtig gewesen, er wäre mit seiner Ausstoßung aus dem Pariser Advokatenstand bestraft worden. Von allen Aktenstücken, die er als Aktenstücke der Internationalen anführte, gehörte auch nicht eins der Internationalen an. So sagt er:
„Die Allianz erklärt sich für atheistisch, sagt der Generalrat, konstituiert in London, im Juli 1869."
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S. 14
Der Generalrat hat nie solch ein Aktenstück erlassen. Im Gegenteil, er erließ ein Aktenstück1, das die Originalstatuten der „Allianz" - L'Alliance de la Democratie Socialiste in Genf die Jules Favre zitiert, annullierte. In seinem ganzen Zirkular, das teilweise auch gegen das Kaisertum gerichtet zu sein vorgibt, wiederholt Jules Favre gegen die Internationale nur die Polizeimärchen der Staatsanwälte des Kaisertums, die selbst vor den Gerichtshöfen desselben Kaisertums sich in ihr elendes Nichts auflösten. Es ist bekannt, daß der Generalrat der Internationalen in seinen beiden Adressen (vom Juli und September 1870)2 über den damaligen Krieg die preußischen Eroberungspläne gegen Frankreich anklagte. Später wandte sich Herr Reitlinger, Jules Favres Privatsekretär, natürlich vergebens, an einige Mitglieder des Generalrats, damit der Generalrat eine antibismarcksche Massenkundgebung zugunsten der Regierung der nationalen Verteidigung veranstalte; es wurde besonders gebeten, dabei der Republik mit keinem Wort zu erwähnen. Die Vorbereitungen zu einer Massenkundgebung bei Gelegenheit der erwarteten Ankunft Jules Favres in London wurden eingeleitet - gewiß in bester Absicht - gegen den Willen des Generalrats, der in seiner Adresse vom 9. September die Pariser Arbeiter ausdrücklich und im voraus gegen Jules Favre und seine Kollegen gewarnt hatte. Was würde Jules Favre sagen, wenn seinerseits der Generalrat der Internationalen ein Rundschreiben über Jules Favre an alle europäischen Kabinette erließe, um ihre besondre Aufmerksamkeit auf die durch den verstorbnen Herrn Milliere in Paris veröffentlichten Aktenstücke zu lenken? Ich bin, mein Herr, Ihr ergebener Diener. John Haies Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
256, High Holborn, London, W.C. 12.Juni 1871
Nach: „Der Bürgerkrieg in Frankreich", dritte deutsche Auflage, Berlin 1891.
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S.339-341 -2 siehe vorl. Band, S.3-8 und 271-279
Karl Marx [Erklärung des Generalrats an die Redaktion der „Times"12761]
An die „Times" Der Generalrat unserer Assoziation hat mich beauftragt, in Beantwortung Ihres Leitartikels vom I9.Juni 1871 über die „Internationale" folgende Tatsachen festzustellen: Sie setzen die vorgeblichen Pariser Manifeste, die von dem „Paris-Journal" und ähnlichen Journalen veröffentlicht wurden - Manifeste, welche reine Machwerke der Versailler Polizei sind - auf die gleiche Stufe mit unserer Adresse zum Bürgerkrieg in Frankreich. Sie sagen: „Die von Professor Beesly herausgegebenen und kürzlich in diesen Spalten zitierten ,Political Notes' werden auch mit voller Zustimmung in der Adresse des Rats zitiert, und wir können jetzt verstehen, warum der Exkaiser mit Recht als Retter der Gesellschaft bezeichnet werden durfte." , Nun, der Rat zitiert in seiner Adresse nichts aus den „Political Notes", außer dem Zeugnis des Schreibers, der ein bekannter und ehrenwerter französischer Gelehrter ist, über die persönlichen Eigenschaften der Internationalen, die in die letzte Pariser Revolution verwickelt waren.1 Was hat das mit dem „Exkaiser" und der von ihm geretteten Gesellschaft zu tun? Das „Programm" der Assoziation wurde nicht, wie Sie behaupten, von den Herren Tolain und Odger „vor sieben Jahren vorbereitet". Es wurde von dem auf einer öffentlichen Versammlung in St. Martin's Hall, Long Acre, am 28. September 1864 gewählten provisorischen Komitee herausgegeben. Herr Tolain ist niemals Mitglied dieses Rats gewesen, noch war er in London zugegen, als das Programm entworfen wurde.
1 Siehe vorl. Band, S.361
24 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Sie sagen, daß „Milliere eines der fanatischsten Mitglieder der Kommune" war. Milliere ist nie Mitglied der Kommune gewesen. „Wir", so fahren Sie fort, „sollten auch darauf hinweisen, daß Assi, vor kurzem Präsident der Assoziation etc." Assi ist nie Mitglied der Internationale gewesen, und was die „Präsidentenwürde der Assoziation" anbetrifft, so ist diese schon 1867 abgeschafft worden'2771.
Geschrieben um den 20. Juni 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx [Brief des Generalrats an die Redaktion des „Standard" 278]]
An den Redakteur des „Standard" Sie sagen in Ihrem Leitartikel (vom 19. Juni) über die Internationale: „Von den zwei Programmen" (dem von London und dem von Paris), „die kürzlich zugunsten der Kommune herausgegeben wurden, hat das der Pariser Zweiggesellschaft das Verdienst, ehrlicher und freimütiger zu sein." Unglückseligerweise wurde das „Pariser" Manifest nicht von unserer Pariser Zweiggesellschaft herausgegeben, sondern von der „Versailler Polizei". Sie sagen: „Die Londoner Internationalisten bestehen nicht weniger ernst darauf als ihre Pariser Brüder, daß ,die alte Gesellschaft untergehen muß und untergehen sollte'. Sie sprechen vom Verbrennen öffentlicher Gebäude und dem Erschießen der Geiseln als .einem gigantischen Bemühen zur Niederwerfung der Gesellschaft', - das, wenn auch einmal erfolglos, so lange fortgesetzt werden wird, bis das Ziel erreicht ist." Der Generalrat dieser Assoziation fordert Sie auf, die genaue Seite und die Zeilen in unserer Adresse'195' anzugeben, wo die Worte vorkommen, die Sie uns zuschreiben!
Geschrieben um den 20. Juni 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Erklärung des Generalrats zum Brief von Holyoake12791]
An den Redakteur der „Daily News"
Sir, der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation hat mich beauftragt, in Beantwortung des Briefes von Herrn George Jacob Holyoake in der Dienstagausgabe der „Daily News" folgendes zu erklären: 1. Was die Anspielung betrifft, daß die vom Rat herausgegebene Adresse11951 „für Versailles ein Anlaß zur Todesstrafe oder zur Deportation werden könnte", so glaubt der Rat, daß seine Pariser Freunde das besser beurteilen können als Herr Holyoake. 2. Es ist die Regel beim Rat, daß die Namen all seiner Mitglieder, ob sie anwesend sind oder nicht, unter seine offiziellen Dokumente gesetzt werden. In diesem Falle wurde jedoch ausnahmsweise die Zustimmung der abwesenden Mitglieder offiziell eingeholt. 3. Was die Behauptung anbetrifft, daß diese Adresse „kein englisches Erzeugnis sein kann, obwohl offenbar von einer angelsächsischen oder keltischen Feder revidiert", so gestattet sich der Rat die Bemerkung, daß die Erzeugnisse einer internationalen Gesellschaft selbstverständlich keinen spezifisch nationalen Charakter tragen können. Jedoch hat der Rat in dieser Angelegenheit nichts zu verbergen. Die Adresse wurde, wie viele frühere Veröffentlichungen des Rats, von dem korrespondierenden Sekretär für Deutschland, Dr. Karl Marx, entworfen, sie wurde einstimmig angenommen und von niemandem „revidiert".
4. Am ... I8701 stellte sich Herr George Jacob Holyoake als Kandidat für die Mitgliedschaft beim Rat vor, wurde aber nicht aufgenommen.
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener John Haies Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
256, High Holborn, London, W.C. 2 I.Juni 1871
Geschrieben am 20. Juni 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 In der „Daily News" und „Eastern Post": Im Laufe des vergangenen Jahres
Friedrich Engels [Brief des Generalrats an die Redaktionen des „Spectator" und „Examiner"12801 ]
An den Redakteur des „Spectator" (resp. „Examiner")
Sir, der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die Tatsache veröffentlichen würden, daß alle vorgeblichen Manifeste und andere Publikationen der „Internationale" in Paris, von denen die englische Presse jetzt wimmelt (und die allesamt zuerst von dem notorischen „Paris-Journal" veröffentlicht wurden), ausnahmslos reine Machwerke der Versailler Polizei sind. Ihr usw.
Geschrieben um den 2I.Juni 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx An den Redakteur der „Daily News"[28,]
[„The Eastern Post" Nr. 144 vom I.Juli 1871]
Sir, ein Rat, der aus mehr als 30 Mitgliedern besteht, kann natürlich nicht seine eignen Dokumente selbst entwerfen. Er muß mit dieser Aufgabe dieses oder jenes seiner Mitglieder betrauen und sich das Recht vorbehalten, den Entwurf entweder zurückzuweisen oder zu ergänzen. Die von mir verfaßte Adresse „Der Bürgerkrieg in Frankreich" wurde vom Generalrat der Internationale einstimmig angenommen und ist daher der offizielle Ausdruck seiner Ansichten. Was jedoch die gegen Jules Favre und Co. vorgebrachten persönlichen Anklagen betrifft, so liegt der Fall anders. In diesem Punkt mußte sich die große Mehrheit des Rats auf meine Vertrauenswürdigkeit verlassen. Gerade aus diesem Grunde unterstützte ich den Antrag eines andern Ratsmitgliedes1, daß Herr John Haies mich in seiner Antwort an Herrn Holyoake als Verfasser der Adresse nennen sollte.2 Ich halte mich für diese Anklagen persönlich verantwortlich und fordere hiermit Jules Favre und Co. auf, gegen mich eine Verleumdungsklage einzuleiten. In seinem Brief sagt Herr Llewellyn Davies:
„Es ist traurig, die Anklagen persönlicher Niedertracht zu lesen, mit denen die Franzosen einander so ungeniert bewerfen." Hat dieser Satz nicht irgendeinen Beigeschmack des Pharisäertums, mit welchem William Cobbett so oft die britische Mentalität verspottete? Fragen wir doch Herrn Llewellyn Davies, was schlimmer ist: die französische petite presse3, die im Dienst der Polizei gegen die Kommunarden - ob sie tot oder gefangen sind oder sich verborgen halten - die infamsten Ver
1 Friedrich Engels -2 siehe vorl. Band, S. 372/373 — 3 Boulevardpresse
leumdungen fabriziert, oder die englische Presse, die trotz ihrer vorgeblichen Verachtung der petite presse diese Verleumdungen bis zum heutigen Tage reproduziert? Ich halte es nicht für ein Zeichen von Inferiorität der Franzosen, wenn solch schwere Anklagen, wie sie zum Beispiel von einem Manne wie Herr David Urquhart12821 ein Vierteljahrhundert lang gegen den verstorbenen Lord Palmerston erhoben wurden, in England totgeschwiegen werden konnten, aber nicht in Frankreich. Karl Marx
1, Modena Villas, Maitland Park, Haverstock Hill 26. Juni 1871
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Erklärung des Generalrats zu den Briefen von Holyoake und Lucraft'2831]
[„The Daily News" Nr.7852 vom 29. Juni 1871]
An den Redakteur der „Daily News"
Sir, der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation hat mich beauftragt, zu den Briefen der Herren G.J. Holyoake und B. Lucraft in Ihrer letzten Montagausgabe Stellung zu nehmen. Bei Durchsicht der Protokolle des Rats finde ich, daß es Herrn Holyoake gestattet worden war, einer Sitzung des Rats am 16. November 1869 beizuwohnen, und während der Sitzung äußerte er den Wunsch, Mitglied des Rats zu werden sowie am nächsten allgemeinen Kongreß der Internationale im September 1870 in Paris teilzunehmen. Als er sich entfernt hatte, schlug Herr John Weston ihn als Kandidat für die Mitgliedschaft vor; der Vorschlag wurde aber so aufgenommen, daß Herr Weston nicht darauf bestand, sondern ihn zurückzog. Zu der Behauptung des Herrn Lucraft, daß er nicht anwesend war, als über die Adresse abgestimmt wurde, möchte ich sagen, daß Herr Lucraft anwesend war auf einer Ratssitzung am 23. Mai 1871, als offiziell bekanntgegeben wurde, daß der Entwurf der Adresse „Der Bürgerkrieg in Frankreich" bei der nächsten ordentlichen Ratssitzung am 30. Mai vorgelesen und diskutiert werden würde. Es blieb daher völlig Herrn Lucraft überlassen zu entscheiden, ob er bei dieser Gelegenheit anwesend sein wollte oder nicht. Außerdem wußte er nicht nur, daß es beim Rat die Regel war, die Namen all seiner Mitglieder, ob sie anwesend sind oder nicht,unter offizielle Dokumente zu setzen, sondern er war auch einer der eifrigsten Verfechter dieser Regel und widersetzte sich bei mehreren Gelegenheiten-so auch am 23. Mai - den Versuchen, sie abzuschaffen; damals teilte er dem Rat aus freien Stücken mit, daß „seine ganze Sympathie der Pariser Kommune
gehöre". Auf einer Ratssitzung am Dienstag abend, dem 20. Juni, war Herr Lucraft gezwungen zuzugeben, daß er sogar damals die Adresse noch nicht gelesen hatte, sondern daß alle seine Eindrücke von ihr aus Pressemeldungen herrührten. Was das Dementi des Herrn Odger anbetrifft, so ist alles, was ich sagen kann, daß man ihn persönlich aufgesucht, über die Absicht des Rats, eine Adresse herauszugeben, informiert und auch gefragt hat, ob er etwas dagegen habe, wenn sein Name in Verbindung damit figuriere; er antwortete darauf: „Nein". Die Öffentlichkeit mag ihre eignen Schlüsse daraus ziehen. Ich möchte hinzufügen, daß der Austritt der Herren Lucraft und Odger vom Rat einstimmig angenommen wurde. Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener
256, High Holborn, London, W.C.
Geschrieben am 27. Juni 1871, Aus dem Englischen.
John Haies Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
Karl Marx [Brief an den Redakteur der „Neuen Freien Presse", Max Friedländer]
Verehrter Freund, Sie sind wohl so gütig, folgende Erklärung in Ihre Zeitung einzurücken und mir die betreffende Nummer gefälligst zukommen zu lassen.
Ihr freundschaftlich ergebener Karl Marx
An die Redaktion der „Neuen Freien Presse"[281J Unter dem Titel: „Eine sozialistische Soiree", gezeichnet W., bringt die Wiener „Presse"[285] ein Feuilleton, worin ich die Ehre habe zu figurieren. W. traf mich, wie er sagt, in einer Soiree bei Herzen. Er erinnert sich sogar der Reden, die ich dort gehalten habe. Ein entschiedener Gegner Herzens, verweigerte ich stets, mit ihm zusammenzukommen, und habe den Mann daher niemals in meinem Leben gesehn. Ich zweifle, ob der phantasiereiche W. jemals in London war. Dort gibt es zufällig, außer in Palästen, keine „Marmortreppen", die W. sogar in Herzens „Cottage" fand! Ich fordre den phantasiereichen W., den die Lorbeern des „Paris-Journal" und andrer Pariser Polizeiblätter nicht schlafen lassen, hiermit auf, sich zu nennen.
London, 30. Juni 1871
Karl Marx
Karl Marx [Brief an den Redakteur der „Pall Mall Gazette", Frederic Greenwood[286]]
[„The Eastern Post" Nr. 145 vom 8. Juli 1871]
Sir, ich habe in der „Daily News" erklärt, und Sie haben es in der „Pall Mall" abgedrucktl281J, daß „ich mich für die gegen Jules Favre und Co. vorgebrachten Anklagen persönlich verantwortlich halte"1. In Ihrer gestrigen Ausgabe behaupten Sie, daß diese Anklagen „Verleumdungen" sind. Ich behaupte, daß Sie ein Verleumder sind. Es ist nicht meine Schuld, daß Sie ebenso ignorant wie arrogant sind. Lebten wir auf dem Kontinent, würde ich Sie in anderer Weise zur Rechenschaft ziehen.
Ihr ergebener Karl Marx
Haverstock Hill, N.W. 30. Juni 1871
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Die Adresse „Der Bürgerkrieg in Frankreich" und die englische Presse]
[„Der Volksstaat" Nr.54 vom 5. Juli 1871] London, 30. Juni. Solange London steht, hat keine Druckschrift ein solches Aufsehen hervorgerufen, wie die Adresse des Generalrats der Internationalen11951. Die große Presse versuchte anfangs ihr beliebtes Mittel des Totschweigens; aber einige Tage reichten hin, ihr zu beweisen, daß dies hier nicht ging. „Telegraph" 12871, „Standard", „Spectator", „Pall Mall Gazette", „Times" mußten sich nacheinander bequemen, das „beachtenswerte Dokument" zu beleitartikeln. Dann kamen Briefe Dritter in den Blättern, die auf dies und jenes im besondern aufmerksam machten. Dann wieder Leitartikel, und am Wochenschluß kamen die Wochenblätter abermals darauf zurück. Die ganze Presse hat einstimmig bekennen müssen, daß die Internationale eine europäische Großmacht ist, mit der man rechnen muß, die man nicht beseitigt, indem man nicht von ihr spricht. Die stilistische Meisterschaft, mit der die Adresse abgefaßt ist - eine Sprache, so kraftvoll wie die William Cobbetts, sagt der „Spectator" - mußten sie alle anerkennen. Daß diese Bourgeoispresse über eine so energische Geltendmachung des proletarischen Standpunktes, eine so entscheidende Rechtfertigung der Pariser Kommune ziemlich einstimmig herfallen werde, war zu erwarten. Ebenso, daß die von den Pariser Polizeiblättern fabrizierten Stieberiaden12881 und die von Jules Favre der Internationalen in die Schuhe geschobenen Schriftstücke einer ganz andern Gesellschaft (der Bakuninschen Allianz der Sozialdemokratie), trotz des öffentlichen Widerspruchs des Generalrats, ihr zugeschrieben wurden. Indes wurde doch schließlich selbst dem Philister der Lärm zu arg. „Daily News" fing an, zu beruhigen und der „Examiner", das einzige Blatt, das sich wirklich anständig benahm, trat in einem eingehenden Artikel entschieden für die Internationale auf. Zwei englische Mitglieder des Generalrats, deren einer (Odger) schon lange mit der Bour
geoisie auf einem viel zu guten Fuß gestanden, und der andere (Lucraft) durch seine Wahl in den Londoner Schulrat bedeutend rücksichtsvoller gegen die Meinung „respektabler" Leute geworden zu sein scheint, ließen sich durch den Zeitungslärm bewegen, ihren Austritt zu erklären, der auch einstimmig angenommen wurde. Sie sind bereits durch zwei andere englische Arbeiter1 ersetzt und werden bald merken, was es auf sich hat, in der Stunde der Entscheidung das Proletariat zu verraten. Ein englischer Pfaffe Llewellyn Davies jammerte in der „Daily News"[2811 über die in der Adresse enthaltenen Schmähungen gegen Jules Favre und Konsorten, und meinte, es sei doch wünschenswert, daß die Wahrheit oder Unwahrheit dieser Anklagen festgestellt werde, meinetwegen durch einen Prozeß der französischen Regierung gegen den Generalrat. Am nächsten Tage erklärte Karl Marx im selben Blatt, er halte sich, als Verfasser der Adresse, persönlich verantwortlich für diese Anklagen2; die französische Gesandtschaft scheint aber keinen Befehl zu haben, mit einer Verleumdungsklage gegen ihn vorzugehen. Schließlich erklärt dann die „Pall Mall Gazette", das sei auch gar nicht nötig, der Privatcharakter eines Staatsmannes sei immer heilig, und nur seine öffentlichen Handlungen dürften angegriffen werden. Natürlich, wenn der Privatcharakter der englischen Staatsmänner vor die Öffentlichkeit gezogen würde, so wäre der jüngste Tag der oligarchischen und bürgerlichen Welt gekommen. Ein Artikel von und über den Lumpen Netschajew hat aus dem Wiener „Wanderer"'2891 die Runde in der deutschen Presse gemacht, worin seine Taten verherrlicht werden, zusammen mit denen von Serebrennikow und Elpidin. Sollte sich dies wiederholen, so werden wir auf dies saubere Kleeblatt näher zurückkommen. Für jetzt nur die Bemerkung, daß Elpidin ein notorischer russischer Spion ist.
1 J. Roach und A.Taylor - 2 siehe vorl. Band, S.375
Karl Marx
Herr Washburne, der amerikanische Gesandte in Paris12901
An das New-Yor^er Zentralkomitee der Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation in den Vereinigten Staaten
Bürger! Der Generalrat der Assoziation hält es für seine Pflicht, Sie über das Verhalten des amerikanischen Gesandten, Herrn Washburne, während des Bürgerkriegs in Frankreich zu unterrichten.
I
Die folgende Aussage stammt von Herrn Robert Reid, einem Schotten, der 17 Jahre in Paris gelebt hat und während des Bürgerkriegs Korrespondent des Londoner „Daily Telegraph" und des „New York Herald"t291J gewesen ist. Wir wollen beiläufig bemerken, daß der „Daily Telegraph" in der Parteinahme für die Versailler Regierung so weit gegangen ist, sogar die kurzen telegraphischen Depeschen zu fälschen, die Herr Reid ihm zuschickte. Herr Reid, der sich wieder in England befindet, ist bereit, seine Erklärung durch Affidavit zu bekräftigen. „Das Dröhnen der Sturmglocken, gemischt mit dem Kanonendonner, dauerte die ganze Nacht an. Es war unmöglich zu schlafen. Wo sind - dachte ich bei mir - die Vertreter Europas und Amerikas? Ist es möglich, daß sie angesichts dieser Ströme unschuldigen Blutes keinerlei Anstrengungen zur Versöhnung machen? Diesen Gedanken konnte ich nicht länger ertragen, und da ich wußte, daß Herr Washburne in der Stadt war, entschloß ich mich, ihn sofort aufzusuchen. Ich glaube, es war am 17.April; das genaue Datum kann übrigens aus meinem Brief an Lord Lyons festgestellt werden,
dem ich am selben Tage schrieb. Als ich auf meinem Wege zu Herrn Washburnes Wohnung über die Champs Elysees ging, begegnete ich zahlreichen Ambulanzwagen mit Verwundeten und Sterbenden. Rings um den Are de Triomphe krepierten Granaten und noch mehr unschuldige Menschen kamen auf die lange Liste der Opfer des Herrn Thiers. Nach meiner Ankunft in der Rue de Chaillot Nr. 95 erkundigte ich mich beim Portier nach dem Gesandten der Vereinigten Staaten und wurde in die zweite Etage verwiesen. Wie hoch und in was für einer Wohnung man wohnt, ist in Paris ein untrügliches Zeichen des Vermögens und der Position, die man hat, eine Art sozialen Barometers. Im ersten Stock vorne finden wir zum Beispiel einen Marquis, im fünften Stock hinten einen einfachen Mechaniker; die Treppen, die sie trennen, versinnbildlichen die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen. Als ich die Treppen hinaufstieg und keine beleibten Lakaien in roten Hosen und seidenen Strümpfen antraf, dachte ich: ,Aha! Die Amerikaner legen ihr Geld besser an, wir verschwenden unsers.' Als ich in das Zimmer des Sekretärs trat, fragte ich nach Herrn Washburne. .Wünschen Sie ihn persönlich zu sprechen?' ,Ja.' - Man meldete mich und ich wurde vorgelassen. Er flegelte sich in einem Lehnstuhl und las eine Zeitung. Ich erwartete, daß er aufstehen werde, aber er bli,eb sitzen, mit der Zeitung vor dem Gesicht, ein Akt grober Ungezogenheit in einem Lande, in dem die Menschen im allgemeinen höflich sind. Ich sagte Herrn Washburne, daß wir die Sache der Menschlichkeit verrieten, wenn wir nicht alles täten, um eine Versöhnung herbeizuführen.Ob es uns gelänge oder nicht, auf alle Fälle sei es unsere Pflicht, es zu versuchen; und der Augenblick scheine um so günstiger, da die Preußen gerade jetzt Versailles zu einem endgültigen Abschluß drängten. Der vereinte Einfluß Amerikas und Englands könnte die Waagschale zugunsten des Friedens senken. Herr Washburne sagte: ,Die Pariser sind Rebellen. Sie sollen ihre Waffen niederlegen.' Ich wandte ein, die Nationalgarde habe ein legales Recht, ihre Waffen zu behalten; aber darum handle es sich hier gar nicht. Wenn die Menschlichkeit mit Füßen getreten wird, hat die zivilisierte Welt das Recht einzugreifen, und ich bitte Sie, in dieser Hinsicht mit Lord Lyons zusammenzuarbeiten. Herr Washburne: .Diese Versailler wollen auf nichts hören.' - ,Wenn sie sich weigern, tragen sie die moralische Verantwortung.' — Herr Washburne: ,Das finde ich nicht. Ich kann in dieser Angelegenheit nichts tun. Sprechen Sie lieber mit Lord Lyons.' So endete unser Gespräch. Tief enttäuscht verließ ich Herrn Washburne. Ich hatte einen groben und hochmütigen Mann vorgefunden, bei dem keines jener brüderlichen Gefühle vorhanden war, die man bei dem Vertreter einer demokratischen Republik erwarten könnte. Ich hatte zweimal die Ehre einer Unterredung mit Lord Cowley, als er unser Vertreter in Frankreich war. Sein offenes, höfliches Wesen bildete einen krassen Gegensatz zu der kalten, überheblichen und gewollt aristokratischen Haltung des amerikanischen Gesandten. Ich versuchte nun Lord Lyons zu überzeugen, daß England im Interesse der Verteidigung der Menschlichkeit verpflichtet sei, sich ernsthaft anzustrengen, um eine
Versöhnung zu erreichen, da ich überzeugt sei, daß die britische Regierung solche Grausamkeiten wie die Massaker auf dem Bahnhof Clamart und in Moulin-Saquet, ganz zu schweigen von den Schreckensszenen in Neuilly, nicht gleichgültig mitansehen könne, ohne den Fluch jedes Freundes der Menschlichkeit auf sich zu laden. Lord Lyons ließ mir mündlich durch seinen Sekretär, Herrn Edward Malet, mitteilen, daß er meinen Brief an die Regierung weitergeleitet habe und gern bereit sei, jede weitere Mitteilung, die ich in dieser Sache zu machen hätte, gleichfalls weiterzuleiten. Einen Augenblick lang waren die Umstände für eine Versöhnung äußerst günstig, und wenn unsere Regierung ihr Gewicht in die Waagschale geworfen hätte, wäre der Welt das Blutbad von Paris erspart geblieben. Auf jeden Fall ist es nicht Lord Lyons' Schuld, wenn die britische Regierung ihre Pflicht versäumte. Aber kehren wir zu Herrn Washburne zurück. Am Mittwoch, dem 24. Mai, vormittags, ging ich über den Boulevard des Capucines, als ich meinen Namen rufen hörte. Ich wandte mich um und sah Dr. Hossart neben Herrn Washburne in einem offenen Wagen, der von einer großen Gruppe Amerikaner umringt war. Nach den üblichen Begrüßungen kam ich mit Dr. Hossart ins Gespräch. Sofort drehte sich die Unterhaltung um die furchtbaren Szenen ringsum. Da wandte sich Herr Washburne an mich und erklärte im Brustton der Uberzeugung: , Jeder, der zur Kommune gehört, und alle, die mit ihr sympathisieren, werden erschossen.' Ach, ich wußte nur zu gut, daß sie alt und jung töteten, deren ganzes Verbrechen darin bestand, mit der Kommune zu sympathisieren; aber ich war nicht darauf gefaßt, es halboffiziell von Herrn Washburne zu hören, und doch hatte er, als er diese blutdürstige Phrase wiederholte, immer noch Zeit, den Erzbischof zu retten!232!."
II
„Am 24. Mai kam der Sekretär des Herrn Washburne zu der damals in der Mairie des 11. Arrondissements versammelten Kommune, um einen Vorschlag der Preußen zur Vermittlung zwischen den Versaillern und den Föderierten zu folgenden Bedingungen anzubieten: Einstellung der Feindseligkeiten. Neuwahl der Kommune einerseits und der Nationalversammlung andererseits. Die Versailler Truppen verlassen Paris und beziehen in und vor den Forts Quartier. Die Bewachung von Paris wird weiterhin der Nationalgarde anvertraut. Keiner, der in der Armee der Föderierten diente oder dient, darf bestraft werden. Die Kommune nahm diese Vorschläge in einer außerordentlichen Sitzung mit dem Vorbehalt an, daß Frankreich zwei Monate Zeit gegeben werden müßte, um die allgemeinen Wahlen für eine konstituierende Versammlung vorzubereiten. Mit dem Sekretär der amerikanischen Gesandtschaft fand eine zweite Zusammenkunft statt. Die Kommune beschloß auf ihrer Sitzung am Morgen des 25.Mai, fünf Bürger - unter ihnen Vermorel, Delescluze und Arnold - als Bevollmächtigte nach
Vincennes zu entsenden, wo sich nach den Angaben des Sekretärs von Herrn Washburne ein Vertreter der Preußen befinden würde. Die Deputation wurde jedoch von den diensthabenden Nationalgardisten am Tor von Vincennes nicht durchgelassen. Es fand noch eine letzte Zusammenkunft mit demselben amerikanischen Sekretär statt, die dazu führte, daß sich der Bürger Arnold, dem jener für seine Sicherheit einen Geleitbrief übergeben hatte, am 26.Mai nach St.Denis begab, wo er von denPreußennicht empfangen wurde. Das Ergebnis dieser amerikanischen Vermittlung (die auf eine erneute Neutralität der Preußen und eine von ihnen beabsichtigte Vermittlung zwischen den Kriegführenden schließen ließ) war, daß die Verteidigung im kritischsten Augenblick für zwei Tage lahmgelegt wurde. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die zur Geheimhaltung der Verhandlungen getroffen waren, wurden diese bald den Nationalgardisten bekannt, die sich voller Vertrauen auf die preußische Neutralität in die preußischen Linien flüchteten, um sich gefangenzugeben. Es ist bekannt, wie ihr Vertrauen von den Preußen getäuscht wurde, deren Wachen einen Teil der Flüchtlinge erschossen und die Überlebenden an die Versailler Regierung auslieferten. Während der ganzen Zeit des Bürgerkriegs wurde Herr Washburne nicht müde, die Kommune durch seinen Sekretär seiner heißen Sympathien zu versichern und ihr zu erklären, daß er die Versailler Regierung entschieden verdamme; nur seine diplomatische Stellung hindere ihn daran, dies öffentlich zu bekunden."
Die Aussage unter II stammt von einem Mitglied der Pariser Kommune, das wie Herr Reid, falls notwendig, bereit ist, sie durch Affidavit zu bekräftigen. Um das Verhalten des Herrn Washburne richtig einzuschätzen, müssen die Aussagen des Herrn Reid und des Mitglieds der Pariser Kommune im Zusammenhang gesehen werden, als Erklärungen, die auf zwei Seiten ein und derselben Sache hinweisen. Während Herr Washburne dem Herrn Reid erklärt, daß die Kommunarden „Rebellen" sind, die ihr Schicksal verdienen, erklärt er der Kommune seine Sympathien für ihre Sache und seine Verachtung der Versailler Regierung. An demselben 24. Mai, an dem er in Gegenwart von Dr. Hossart und vielen Amerikanern Herrn Reid mitteilt, daß nicht nur die Kommunarden, sondern auch alle mit ihnen Sympathisierenden unwiderruflich zum Tode verurteilt seien, teilt er der Kommune durch seinen Sekretär mit, daß nicht nur ihren Mitgliedern, sondern auch allen Angehörigen der Armee der Föderierten das Leben geschenkt werde. Wir bitten Sie, werte Bürger, diese Tatsachen der Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten zu unterbreiten und sie aufzufordern, zu entscheiden, ob Herr Washburne würdig ist, die amerikanische Republik zu vertreten.
Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation: M. J. Boon, Fred. Bradnick., G. H. Buttery, Caihill, William Haies, Kolb, F. Leßner, George Milner, Thos. Mottershead, Chas. Murray, P. Mac Donnel, Pfänder, John Roach, Rühl, Sadler, Cotoell Stepney, Alfred Taylor, W. Totonshend
F.Engels, für Belgien und Spanien J.G.Eccarius, für die Vereinigten
Korrespondierende Sekretäre: Eugene Dupont, für Frankreich Karl Marx, für Deutschland und Holland Zevy Maurice, für Ungarn Antoni Zabicki, für Polen James Cohen, für Dänemark
H. Jung, für die Schweiz P.Giovacchini, für Italien
Staaten
Hermann Jung, Vorsitzender John Weston, Schatzmeister George Harris, Finanzsekretär John Haies, Generalsekretär
Büro: 256, High Holborn, London, W.C. 1 I.Juli 1871
Nach dem Londoner Flugblatt vom Juli 1871. Aus dem Englischen.
Karl Marx
An den Redakteur des „Morning Advertiser"12931
[„The Morning Advertiser" vom 13. Juli 1871]
Sir, in einem Ihrer heutigen Leitartikel zitieren Sie eine Reihe von Sätzen wie „London, Liverpool und Manchester im Aufruhr gegen das verhaßte Kapital" etc., wobei Sie mir freundlicherweise die Urheberschaft zuschreiben. Gestatten Sie mir, zu erklären, daß sämtliche Zitate, auf denen Ihr Artikel fußt, von Anfang bis Ende Fälschungen sind. Sie sind wahrscheinlich von einigen Machwerken irregeführt worden, welche die Pariser Polizei fast täglich unter meinem Namen zu veröffentlichen pflegt, um Beweismaterial gegen die gefangenen Internationalen in Versailles zu erlangen.
Ich verbleibe, Sir, Ihr etc. Karl Marx
1, Modena Villas, Maitland Park, Haverstock Hill, N.W. 1 I.Juli 1871
Aus dem Englischen.
Karl Marx
An den Redakteur des „Standard"
[„The Standard" vom I7.JUK 1871]
Sir, Ihr Pariser Korrespondent übersetzt in der heutigen Morgenausgabe des „Standard" einen Brief aus der „Gazette de France"12941, datiert Berlin, 28. April 1871, der von mir unterschrieben sein soll. Ich gestatte mir, zu erklären, daß dieser Brief von Anfang bis Ende eine Fälschung ist, genauso wie alle vorherigen vorgeblichen Briefe von mir, die kürzlich im „ParisJournal" und anderen französischen Polizeiblättern veröffentlicht wurden. Wenn die „Gazette de France" behauptet, sie habe den Brief deutschen Zeitungen entnommen, so muß das auch eine Unwahrheit sein. Eine deutsche Zeitung hätte dieses Machwerk niemals von Berlin datiert.
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener Karl Marx
London, 13. Juli
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
[Das Auftreten Mazzinis gegen die Internationalel2951]
[„II Libero Pensiero" Nr.9 vom 31. August 1871] Mazzini sagt in seiner Adresse „An die italienischen Arbeiter":
„Diese vor Jahren in London gegründete Assoziation, der ich von Anfang an meine Mitarbeit versagte... Ein Häuflein von Individuen aber, das sich anmaßt, eine Menge von Menschen direkt zu regieren, die in bezug auf ihr Vaterland, ihre Tendenzen, politischen Stellungen, wirtschaftlichen Interessen und Aktionsmittel so ungemein verschieden sind, wird schließlich dahin gelangen, entweder gar nicht zu wirken oder auf tyrannische Weise. Deshalb zog ich mich zurück, und etwas später zog sich auch die italienische Arbeitersektion zurück usw." Kommen wir zu den Tatsachen. Nach der Versammlung am 28.September 1864, in der die Internationale Arbeiterassoziation gegründet wurde, als der in jener Versammlung gewählte provisorische Rat zusammentrat, legte der Major L.Wolff ein Manifest und einen Statutenentwurf vor, die beide von Mazzini selbst verfaßt worden waren. In diesem Entwurf wurde nicht nur kein Anstoß daran genommen, „eine Menge direkt zu regieren" usw., wurde nicht nur nicht davon gesprochen, daß dieses „Häuflein von Individuen... schließlich dahin gelangen wird, entweder gar nicht zu wirken oder auf tyrannische Weise", sondern im Gegenteil, das Statut war im Geist zentralisierter Konspiration gehalten, das der Zentralbehörde tyrannische Macht übertrug. Das Manifest war in Mazzinis üblichem Stil abgefaßt: • bürgerliche Demokratie, die den Arbeitern politische Rechte anbietet, um die sozialen Privilegien der mittleren und oberen Klassen aufrechtzuerhalten. Dieses Manifest und der Statutenentwurf wurden natürlich abgelehnt. Die Italiener blieben jedoch Mitglieder, bis von gewissen französischen Bourgeois, welche sich der Internationale für ihre Zwecke bedienen woll
ten, einige Fragen von neuem aufgeworfen wurden. Nachdem diese einen Mißerfolg erlitten hatten, traten zuerst Wolff und dann die andern aus[a%1. Und so machte die Internationale mit Mazzini Schluß. Einige Zeit später erklärte der provisorische Zentralrat in Beantwortung eines Artikels von Vesinier in einer Lieger Zeitung, daß Mazzini niemals Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation gewesen sei und seine Entwürfe, Manifeste und Statuten abgelehnt worden seient297]. Mazzini hat die Pariser Kommune auch in der englischen Presse wütend angegriffen. Das tat er immer gerade dann, wenn die Proletarier sich erhoben hatten. Nach der Juni-Insurrektion von 1848 hatte er es so gemacht, als er die aufständischen Proletarier so schmählich diffamierte, daß sogar Louis Blanc, der damals wiederholt erklärt hatte, die Juni-Insurrektion sei das Werk bonapartistischer Agenten gewesen, in der Presse gegen ihn auftrat! Mazzini nennt Marx einen „begabten Kopf,... zerstörend, eine Herrschernatur"' usw., wahrscheinlich darum, weil Marx es sehr gut verstanden hat, die von Mazzini gegen die Internationale gesponnenen Intrigen zu zerstören und mit seiner Herrschernatur die schlecht verhüllte autoritäre Herrschsucht des alten Verschwörers zu beherrschen, so daß er ihn für alle Zeit gegenüber der Assoziation unschädlich machte. Darum muß die Internationale sehr froh sein, unter ihren Mitgliedern einen solchen Mann zu besitzen, dessen „begabter Kopf" und dessen „Natur" so „zerstörend" und so „beherrschend" sind, daß er die Internationale sieben Jahre lang aufrechterhielt und mehr als jeder andere Mensch arbeitete, um sie auf ihren gegenwärtigen stolzen Stand zu bringen. Was die Spaltung der Assoziation, die nach Mazzini in England bereits begonnen hat, anbetrifft, so handelt es sich in Wirklichkeit darum, daß zwei englische Mitglieder des Rats1, die zu intim mit der Bourgeoisie geworden waren, unsere Adresse über den Bürgerkrieg zu weitgehend fanden und aus der Assoziation austraten. An ihrer Stelle wurden vier andere Engländer2 und ein Ire3 Mitglieder des Generalrats, der glaubt, daß er dadurch noch stärker geworden ist, als er vorher war. Anstatt in einem Zustand der Auflösung zu sein, wird die Internationale gegenwärtig zum erstenmal öffentlich von der gesamten englischen Presse als eine große europäische Kraft anerkannt; und noch nie hat eine kleine in London herausgegebene Schrift so großen Eindruck hervorgerufen, wie die Adresse des Generalrats über den Bürgerkrieg in Frankreich, deren dritte Auflage nun erscheinen wird.
1 Odger und Lucraft - 2 Taylor, Roach, Mills, Lochner - 3 Mac Donnel
Es ist notwendig, daß die italienischen Arbeiter erkennen, daß der große Verschwörer und Agitator Mazzini für sie nur einen Rat hat: Bildet euch, lernt so gut ihr könnt (als ob dies ohne Mittel geschehen könnte!) ..., bemüht euch, soviel wie möglich Konsumgenossenschaften zu bilden (nicht einmal Produktivgenossenschaften!) - und vertraut auf die Zukunft!!!
Geschrieben am 28. Juli 1871. Aus dem Italienischen.
Karl Marx
[Begleitschreiben an die Redaktion der „Times" 12981]
An den Redakteur der „Times"
7. August 1871 1, Maitland Park Road, Haverstock Hill, N.W.
Sir, da die Notiz des „Journal Officiel", die im Widerspruch steht zu dem „Times"-Artikel über die Verzögerung der Versailler Prozesse, in der kontinentalen Presse breit kommentiert wird, kann vielleicht die Beilage1 für Ihre Leser von Interesse sein. Der zitierte Brief stammt von einem Anwalt, der die Verteidigung einiger Gefangener übernommen hat.
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener Karl Marx
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
An den Redakteur der „Times"
Sir, die Bemerkungen der „Times" über die wiederholte Verzögerung des Prozesses der kommunistischen Gefangenen in Versailles haben zweifellos den Nagel auf den Kopf getroffen und den Gefühlen der französischen Öffentlichkeit Ausdruck verliehen. Die wütende Notiz des „Journal Qfficiel" als Antwort auf diese Bemerkungen bestätigt nur ein übriges Mal diese Tatsache. Der Artikel in der „Times" hatte viele Proteste an die Pariser Presse zur Folge, Proteste, die unter diesen Umständen keine Aussicht auf Veröffentlichung hatten. Vor mir liegt der Brief eines Franzosen, dessen amtliche Stellung ihm ermöglicht, die Tatsachen zu kennen, über die er schreibt, und dessen Zeugnis über die Motive dieser unverständlichen Verzögerung gewissen Wert haben müßte. Anbei einige Auszüge aus diesem Brief:
„Bis jetzt weiß noch niemand, wann das dritte Kriegsgericht seine Sitzungen beginnen wird. Die Ursache hierfür scheint in der Ablösung des Hauptmanns Grimal, des Commissaire de la Repuiliqtte (öffentlicher Ankläger) durch einen anderen und zuverlässigeren Mann zu liegen; man hat in letzter Minute bei genauer Durchsicht seiner Anklageschrift, die vor Gericht verlesen werden sollte, herausgefunden, daß er vielleicht ein klein bißchen Republikaner war, daß er unter Faidherbe gedient hatte etc., in der Nordarmee etc. Jedenfalls präsentierte sich plötzlich ein anderer Offizier in seinem Büro und sagte: Hier ist meine Vollmacht, ich bin Ihr Nachfolger; der arme Hauptmann war so überrascht, daß er fast den Verstand verlor... Herr Thiers hat die Anmaßung, alles selbst zu tun; diese Manie geht so weit, daß er nicht nur entgegen allen Regeln des Anstands die juges d'instruction1 in seinem Kabinett zusammengerufen hat, sondern er nimmt sogar für sich in Anspruch, die
Zusammensetzung des Publikums, das in den Gerichtssaal zugelassen wird, selbst zu regeln. Er selbst verteilt die Einlaßkarten durch Herrn de St. Hilaire... Inzwischen sterben die Gefangenen in Satory wie die Fliegen - der erbarmungslose Tod arbeitet schneller als die Justiz dieses kleinen Staatsmannes... In dem Versailler Zellengefängnis sitzt ein großer Bursche, der kein Wort französisch spricht; man vermutet, daß er ein Ire ist. Wie er in dieses Elend geriet, ist noch immer ein Geheimnis. Unter den Verhafteten befindet sich ein sehr ehrenwerter Mann namens... Er sitzt schon zwei Monate in seiner Zelle und ist noch nicht verhört worden. Es ist infam."
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener Justitia
London, 7. August 1871
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx
An den Redakteur der Zeitung „!_' International''12991
Monsieur, in einem Artikel mit der Überschrift „Die Gesellschaft ,Die Internationale'" sagen Sie: „Aus ihren sauren Ersparnissen liefern die verblendeten Arbeiter den Mitgliedern des Generalrats allen nur wünschenswerten Komfort, um in London angenehm zu leben." Ich mache Ihnen bemerklich, daß mit Ausnahme des Generalsekretärs, der einen Lohn von zehn Shilling die Woche bezieht, alle Mitglieder des Generalrats ihre Pflichten anentgeltlich erfüllen und stets erfüllt haben. Ich verlange die Einrückung dieser Zeilen in Ihrer nächsten Nummer. Falls Ihr Blatt fortfährt, ähnliche Verleumdungen zu verbreiten, wird es gerichtlich verfolgt werden. Ich habe die Ehre, Sie zu grüßen Karl Marx London, 17. August 1871
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx [An den Redakteur der „Public Opinion"13001]
1. Privatbrief1
Sir, ich ersuche Sie nicht nur, die beigefügte Erwiderung2 in Ihrer nächsten Nummer zu veröffentlichen, sondern ich fordere eine ausführliche und vollständige Entschuldigung an derselben Stelle Ihres Blattes, an der Sie die Verleumdung veröffentlichten. Es würde mir leid tun, andernfalls gezwungen zu sein, gegen Ihr Blatt gerichtlich vorzugehen. Ihr ergebener K.M.
Geschrieben am 19.August 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Privatbriej: in der Handschrift deutsch - 2 siehe vorl. Band, S.398
Karl Marx An den Redakteur der „Public Opinion"
[„Public Opinion" Nr.518 vom 26. August 1871]
Sir, in Ihrer heutigen Nummer übersetzen Sie aus der Berliner „NationalZeitung"[301), einem notorischen Organ Bismarcks, eine äußerst niederträchtige Verleumdung gegen die Internationale Arbeiterassoziation, in der die folgende Stelle vorkommt: „,Das Kapital', sagt Karl Marx, .treibt mit der Kraft und dem Leben des Arbeiters Handel'; aber dieser neue Messias ist selbst um keinen Schritt weiter vorgeschritten: er nimmt von dem Arbeiter das Geld, das ihm der Kapitalist für seine Arbeit gezahlt, und gibt ihm dafür großzügig eine Anweisung auf einen Staat, der vielleicht einmal nach tausend Jahren existieren mag. Was für erbauliche Geschichten erzählt werden über die ordinäre Korruption sozialistischer Agitatoren, was für schändlichen Mißbrauch sie mit den ihnen anvertrauten Geldern treiben und was für Anklagen sie sich selbst gegenseitig an den Kopf werfen, ist aus den Kongressen und Zeitungen dieser Partei zur Genüge bekannt. Es ist das ein ungeheurer Vulkan von Schmutz, aus dessen Ausbrüchen nichts Besseres hervorgehen konnte als eine Pariser Kommune." In Erwiderung an die feilen Schreiber der „National-Zeitung" erachte ich es für genügend, zu erklären, daß ich von der Arbeiterklasse dieses oder irgendeines anderen Landes niemals auch nur einen Pfennig weder gefordert noch erhalten habe. Mit Ausnahme des Generalsekretärs, der einen Lohn von 10 Shilling die Woche bezieht, erfüllen alle Mitglieder des Generalrats der Internationale ihre Arbeit unentgeltlich. Der Finanzbericht des Generalrats, alljährlich den allgemeinen Kongressen der Assoziation vorgelegt, wurde stets einstimmig gutgeheißen, ohne je auch nur die geringste Diskussion hervorzurufen. Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener Karl Marx Haverstock Hill, 19. August 1871
Karl Marx
An den Redakteur des „Gaulois"13021
[„Le Gaulois" Nr. 1145 vom 27. August 1871] Brighton, 24. August 1871
Monsieur, da Sie Auszüge aus dem Bericht über eine Unterhaltung veröffentlicht haben, die ich mit einem Korrespondenten des „New York Herald" gehabt habe, so hoffe ich, daß Sie ebenfalls die folgende Erklärung veröffentlichen werden, die ich an den „New York Herald" gesandt habe. Ich übermittle Ihnen diese Erklärung in ihrer ursprünglichen Form, das heißt in englischer Sprache. Ich habe die Ehre, Ihr Diener zu sein Karl Marx
An den Redakteur des „New York Herald"
London, 17. August 1871
Sir, im „Herald" vom 3.August finde ich einen Bericht über eine Unterhaltung, die ich mit einem Ihrer Korrespondenten hatte. Ich erlaube mir festzustellen, daß ich alle und jede Verantwortung für die mir in diesem Bericht zugeschriebenen Erklärungen ablehnen muß, gleichviel ob sich diese Erklärungen auf Personen, die mit den kürzlichen Ereignissen in Frankreich in Zusammenhang stehen, oder auf irgendwelche politischen oder ökonomischen Anschauungen beziehen. Von dem, was ich gesagt haben soll, habe ich einen Teil anders und den anderen Teil überhaupt nicht gesagt.
Ihr ergebener Karl Marx
Aus dem Französischen und Englischen.
Karl Marx [Brief an den Redakteur der Zeitung „The Sun", Charles Dana[303]]
[„The Sun" vom 9.September 1871] Brighton, 25.August 1871
My dear Sir, vor allem muß ich Sie wegen meines langen Schweigens um Entschuldigung bitten. Ich hätte Ihren Brief längst beantwortet, wenn ich nicht ganz mit Arbeit überlastet gewesen wäre, so sehr, daß ich zusammengebrochen bin und mein Arzt es für notwendig hielt, mich für einige Monate in dieses Seebad zu verbannen mit dem strengen Befehl, nichts zu tun. Wenn ich nach London zurückkehre, werde ich Ihrem Wunsche nachkommen und, sobald sich eine günstige Gelegenheit bietet, die Sache rasch für den Druck fertigmachen. Ich habe dem „New York Herald" eine Erklärung gesandt, worin ich alle und jede Verantwortung für den Unsinn und die direkten Unwahrheiten ablehne, die mir der Korrespondent dieses Blattes zur Last legt.1 Ich weiß nicht, ob der „Herald" sie gedruckt hat. Die Zahl der in London eintreffenden Kommune-Flüchtlinge nimmt ständig ZU) wanrena unsere Mi St utzen, täglich abnehinen, so daß viele in einer sehr bedauerlichen Lage sind. Wir werden wegen Hilfe an die Amerikaner appellieren. Um Ihnen eine Vorstellung von der Lage zu geben, die unter der Republique Thiers in Frankreich herrscht, werde ich Ihnen erzählen, was meinen eigenen Töchtern passiert ist. Meine zweite Tochter, Laura, ist mit Herrn Lafargue, einem Arzt, verheiratet. Sie verließen Paris wenige Tage vor Beginn der ersten Belagerung und gingen nach Bordeaux, wo Lafargues Vater wohnte. Dieser war schwer erkrankt und wollte seinen Sohn sehen, der ihn pflegte und bis zu seinem Tode bei ihm am Krankenbett blieb. Lafargue und meine Tochter blieben
dann in Bordeaux, wo ersterer ein Haus besitzt. Während der Dauer der Kommune war Lafargue als Sekretär der Sektion der Internationale in Bordeaux tätig und wurde auch als ihr Delegierter nach Paris gesandt, wo er sechs Tage weilte, um die Lage dort kennenzulernen. Während der ganzen Zeit wurde er von der Polizei in Bordeaux nicht belästigt. Gegen Mitte Mai reisten meine beiden unverheirateten Töchter nach Bordeaux und fuhren von dort zusammen mit der Familie Lafargue nach Bagneres-deLuchon in den Pyrenäen, nahe der spanischen Grenze. Dort machte meine älteste Tochter, die einen ernsten Anfall von Rippenfellentzündung hinter sich hatte, eine Brunnenkur und unterzog sich einer regulären ärztlichen Behandlung. Lafargue und seine Frau hatten ein todkrankes Kind zu pflegen, und meine jüngste Tochter genoß die herrliche Umgebung Luchons, soweit die Familiensorgen das zuließen. Luchon ist ein Kurort für Kranke und für die beau monde1 und von allen Orten der letzte, der für politische Intrige geeignet wäre. Meine Tochter, Frau Lafargue, hatte überdies das Unglück, ihr Kind zu verlieren; und kurz nach der Beerdigung, in der zweiten Augustwoche, wer erschien da bei ihnen in der Wohnung? Der illustre Keratry, hinreichend bekannt wegen seiner Schändlichkeiten im mexikanischen Krieg192' und wegen der zweideutigen Rolle, die er während des Deutsch-Französischen Krieges, zuerst als Polizeipräfekt von Paris und später als soi-disant General in der Bretagne gespielt hat, - zur Zeit Präfekt von Haute-Garonne; mit ihm erschien Monsieur Delpech, procureur general von Toulouse. Dieses ehrenwerte Paar war von Gendarmen begleitet. Lafargue hatte am Abend vorher einen Wink bekommen und die spanische Grenze überschritten, nachdem er sich in Bordeaux mit einem spanischen Paß versehen hatte. Obgleich Sohn französischer Eltern, ist er in Kuba geboren, daher Spanier. In der Wohnung meiner Töchter wurde eine Haussuchung vorgenommen, und sie selbst von diesen beiden mächtigen Vertretern der Republique Thiers einem strengen Kreuzverhör unterzogen. Sie wurden beschuldigt, eine aufrührerische Korrespondenz zu führen. Diese Korrespondenz bestand einfach in Briefen an ihre Mutter, deren Inhalt natürlich der französischen Regierung nicht schmeichelte, und in Exemplaren einiger Londoner Zeitungen! Etwa eine Woche lang wurde ihr Haus von Gendarmen überwacht. Sie mußten versprechen, Frankreich, wo ihre Anwesenheit zu gefährlich war, sobald sie die erforderlichen Vorbereitungen für ihre Abreise getroffen hatten, zu verlassen, und sich in der Zwischenzeit als
1 große Welt
26 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Leute zu betrachten, die unter haute surveillance1 gestellt waren. Keratry und Delpech hatten sich in der Hoffnung gewiegt, sie ohne Pässe anzutreffen, aber glücklicherweise waren sie im Besitz ordentlicher englischer Pässe. Sonst hätten sie eine ebenso niederträchtige Behandlung erdulden müssen wie die Schwester von Delescluze und andere französische Damen, die genauso unschuldig waren wie sie. Sie sind noch nicht zurückgekehrt und warten wahrscheinlich auf Nachrichten von Lafargue. Inzwischen berichteten die Pariser Zeitungen die unglaublichsten Lügen: der „Gaulois" verwandelte zum Beispiel meine drei Tö.chter in drei Brüder von mir, die sehr bekannte und gefährliche Emissäre der Internationale wären, obgleich ich gar keine Brüder habe. Zu gleicher Zeit, als „La France", ein Pariser Organ Thiers', einen äußerst beschönigenden Bericht der Ereignisse in Luchon gab und behauptete, Herr Lafargue könnte unbesorgt, ohne irgendwelche Gefahr zu laufen, nach Frankreich zurückkehren, forderte die französische Regierung von der spanischen Regierung, Lafargue als Mitglied der Pariser Kommune (!) zu verhaften, der er niemals angehört hat und der er als Einwohner von Bordeaux auch nicht angehören konnte. Lafargue wurde tatsächlich verhaftet und unter der Eskorte von Gendarmen nach Barbastro gebracht, wo er sein Nachtquartier im Stadtgefängnis nehmen mußte, von dort nach Huesca, von wo aus der Gouverneur ihn auf telegraphischen Befehl des spanischen Innenministers nach Madrid schicken mußte. Laut „Daily News" vom 23. August ist er schließlich freigelassen worden. Die ganzen Vorgänge in Luchon und wie sie in den Zeitungen dargelegt wurden, waren weiter nichts als schäbige Versuche des Herrn Thiers & Co., sich an mir als dem Verfasser der Adresse des Generalrats der Internationale über den Bürgerkrieg zu rächen. Zwischen ihrer Rache und meinenTöchtern stand der englische Paß, und Monsieur Thiers ist in seinen Beziehungen zu ausländischen Mächten ebenso feige wie er seinen entwaffneten Landsleuten gegenüber skrupellos ist. Was Cluseret angeht, so glaube ich nicht, daß er ein Verräter war, aber es ist sicher, daß er eine Sache unternahm, zu der ihm der Mut fehlte; dadurch hat er der Kommune großen Schaden zugefügt. Ich weiß nichts über seinen Verbleib. Und nun addio! Ihr alter Freund Karl Marx Aus dem Englischen.
Karl Marx An den Redakteur der „Verite"13041
International Working Men's Association 256, High Holborn, London, W.C. 30. August 1871
Herr Redakteur! Als der Generalsekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation, Herr John Haies, in der „Daily News" gelesen hatte, daß Herr Renaut der Internationale ein Manifest unterschiebt, welches die französischen Bauern auffordert, sämtliche Schlösser etc. niederzubrennen, sandte er sofort an Herrn L.Bigot, den Verteidiger von Assi, das folgende Telegramm:
„Der Aufruf zu Brandstiftungen, welcher der Internationale zugeschrieben wird, ist eine Fälschung. Sind bereit, darüber eidesstattliche Erklärung vor englischem Richter abzugeben." Im Anschluß hieran beeile ich mich, die französische Öffentlichkeit durch die Vermittlung Ihres ehrenwerten Journals darauf aufmerksam zu machen, daß alle Manifeste, die in Paris unter dem Namen der Internationale seit Einrücken der Truppen der französischen Regierung in Paris gedruckt wurden, daß alle diese Manifeste, ohne Ausnahme, Fälschungen sind. Ich verbürge mich für die Wahrheit dieser Erklärung nicht allein mit meinem Ehrenwort, sondern bin auch bereit, eine eidesstattliche Erklärung („the affidavit") vor einem englischen Richter abzugeben. Ich habe Grund zu der Annahme, daß diese infamen Produkte nicht einmal direkt von der Polizei, sondern von einem Herrn B... ausgehen, einem
26*
Subjekt, das mit einem dieser Pariser Blätter liiert ist, die der „Standard" (Tory-Zeitung) in einer seiner letzten Nummern als „organes du demimonde"1 bezeichnet.
Ich versichere Sie meiner vorzüglichen Hochachtung Karl Marx
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
1 „Organe der käuflichen Presse"
Karl Marx An den Redakteur des „Evening Standard"
[„The Evening Standard" vom 6.September 1871]
Sir, in Ihrer Nummer vom 2. September veröffentlicht Ihr Berliner Korrespondent „die Übersetzung eines interessanten Artikels über die Internationale aus der ,Kölnischen Zeitung'", in dem ich beschuldigt werde, auf Kosten der Arbeiterklasse zu leben. Bis zum 30.August, dem Datum des Briefes Ihres Korrespondenten, ist kein derartiger Artikel in der „Kölnischen Zeitung" erschienen; folglich konnte Ihr Korrespondent ihn auch nicht daraus übersetzen. Dagegen erschien der in Frage kommende Artikel vor mehr als vierzehn Tagen in der Berliner „National-Zeitung", und eine englische Übersetzung desselben, die wörtlich mit der Ihres Korrespondenten übereinstimmt, erschien bereits am 19. August in der Londoner Wochenzeitschrift „Public Opinion". Die nächste Nummer der „Public Opinion" enthielt meine Antwort auf diese Anwürfe1, und ich fordere Sie hiermit auf, diese Antwort, von der ich eine Abschrift beifüge, in die nächste Nummer Ihrer Zeitung einzurücken. Die preußische Regierung hat ihre Gründe, warum sie die Verbreitung solch infamer Verleumdungen durch die englische Presse mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln anstrebt. Diese Artikel sind nur die Vorboten bevorstehender Verfolgungen der Internationale durch die Regierung.
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Diener Karl Marx Haverstock Hill, 4. September 1871
Aus dem Englischen. •
Karl Marx/Friedrich Engels [Vorschläge an den Generalrat zur Vorbereitung der Londoner Konferenz 13051]
Rechnungsablage1. 1. Einen Raum finden für die Tagungen der Konferenz. 2. Ein Hotel finden, in dem die Teilnehmer der Konferenz wohnen können - das gleiche wie letztes Mal vorschlagen, Leicester Square. 3. Eine Kommission mit Erledigung dieser beiden Punkte beauftragen. 4. Der gesamte Rat nimmt an den Tagungen der Konferenz mit beratender Stimme teil, aber nur eine bestimmte Zahl Ratsmitglieder wird mit beschließender Stimme delegiert - diese Zahl soll vom Rat festgelegt werden, wenn die Delegiertenzahl der Konferenz bekannt ist. 5. Die jetzt in London ansässigen Franzosen, die anerkannte Mitglieder der Internationale sind, haben dafür zu sorgen, daß Frankreich bei der Konferenz durch drei Delegierte vertreten ist. 6. Sollten die Mitglieder eines Landes nicht auf der Konferenz vertreten sein, so soll der korrespondierende Sekretär des Landes zu ihrem Vertreter ernannt werden.
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Rechnungsablage: in der Handschrift deutsch
Karl Marx/Friedrich Engels [Vorläufige Beschlußentwürfe für die Londoner Konferenz13061]
Vorschläge, die der Konferenz vom Generalrat unterbreitet Werden sollen 1) 1. Nach Abschluß der Konferenz werden vom Generalrat und den Zentralräten der einzelnen Länder keine Zweiggesellschaften als zur Assoziation gehörig anerkannt, bevor sie nicht dem Generalrat ihren Jahresbeitrag von 1 d. pro Kopf für das laufende Jahr entrichtet haben. 2) 2. a) Die Delegierten der Länder, wo die regelmäßige Organisation der Internationale infolge von Regierungseinmischung augenblicklich unausführbar ist, werden aufgefordert, Organisationspläne entsprechend den besonderen Bedingungen des betreffenden Landes vorzuschlagen, ß) Die Assoziation kann sich unter anderen Namen rekonstituieren; y) alle Geheimgesellschaften sind jedoch kategorisch ausgeschlossen. 3) 3. Der Generalrat wird der Konferenz einen Bericht über seine Verwaltung der Angelegenheiten der Internationale seit dem letzten Kongreß vorlegen. 5) 5. Der Generalrat wird der Konferenz vorschlagen, die Frage zu erörtern, ob an die verschiedenen Regierungen, welche die Internationale verfolgt haben und noch verfolgen, eine Entgegnung gerichtet werden soll; die Konferenz soll eine Kommission ernennen, die nach Abschluß der Konferenz den Entwurf einer Entgegnung ausarbeitet. Baseler Kongreßbeschlüsse berücksichtigen.13071 4) 4. Zur Vermeidung von Konfusionen sollen die Zentralräte der verschiedenen Länder angewiesen werden, sich fortan als Föderalräte zu bezeichnen, mit Beifügung des Namens des Landes, das sie vertreten; die lokalen Zweige und ihre Komitees sollen sich als Zweige oder Komitees ihrer bezüglichen Örtlichkeiten bezeichnen.
6) 6.1 3) 7. Alle vom Generalrat zu bestimmten Aufgaben ernannte Delegierte sollen das Recht haben, allen Versammlungen der Föderalräte und Ortskomitees oder Zweigen beizuwohnen und gehört zu werden, ohne jedoch Stimmrecht zu haben. 8. Der Generalrat soll beauftragt werden, eine Neuausgabe der Statuten herauszugeben, einschließlich der Kongreßbeschlüsse, die darauf Bezug nehmen; da in Frankreich bisher nur eine verstümmelte französische Übersetzung verbreitet war, die wiederum ins Spanische und Italienische übersetzt worden war, soll der Generalrat für eine authentische französische Übersetzung Sorge tragen und sie auch nach Spanien und Italien sowie nach Holland schicken. Deutsch. In drei Sprachen gleichzeitig drucken.
Geschrieben um den 9. September 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Der folgende Wortlaut zu Punkt 6 ist in der Handschrift durchgestrichen: „Die Föderalräte der Länder, wo eine regelmäßige Organisation der Internationale besteht, sollen ordnungsgemäß Bericht erstatten über die erhobenen Beiträge, die sie aus den einzelnen Orten und Bezirken erhalten haben."
Londoner Konferenz der Internationalen Arbeiterassoziation
17.-23. September 187113081

Karl Marx [Über die Tätigkeit der Allianz der sozialistischen Demokratie13091]
[Aufzeichnung der Rede in der Kommissionssitzung am 18. September 1871]
Marx: Der Streit begann mit der Bildung der Allianz der sozialistischen Demokratie in Genf, die von Bakunin und anderen gegründet wurde. Marx liest die beiden vom Generalrat an die Allianz 1868 und im März 1869 gerichteten Mitteilungen[310] vor; in der zweiten wird die Auflösung der Allianz und die Mitteilung über die Anzahl und die zahlenmäßige Stärke ihrer Sektionen als Bedingung für ihre Aufnahme in die Internationale gestellt. Diese Bedingungen sind nie erfüllt worden; die Allianz hat sich nie wirklich aufgelöst, sie hat immer eine Art Organisation aufrechterhalten. Das Organ der Genfer Sektionen „L'Egalite"1-3111 vom 11 .Dezember 1869 tadelte den Generalrat, daß er seine Pflicht nicht erfüllt habe, weil er auf ihre Artikel nicht geantwortet hat; der Generalrat erwiderte darauf, daß es nicht seine Pflicht war, sich in eine Zeitungspolemik einzulassen, daß er jedoch bereit sei, auf die Anfragen und Beschwerden des Romanischen Föderalrats zu antworten. Dieses Rundschreiben[312] wurde allen Sektionen mitgeteilt; sie alle haben die Haltung des Generalrats gebilligt. Der Schweizer Rat hat die „Egalite" desavouiert und mit der Redaktion gebrochen. Die Redaktion wurde ausgewechselt, und seither war das Organ der Anhänger der Allianzder „Progres",später die „Solidarite"l313]. Es kam der Kongreß von Locle13141, wo es zur offenen Spaltung der beiden Parteien, der Romanischen Föderation und der Jura-Föderation (Allianz) kam. Der Generalrat ließ die Angelegenheit auf sich beruhen, er verbot lediglich dem neuen Rat, als Romanischer Föderalrat neben dem bereits bestehenden aufzutreten. Guillaume, der entgegen unseren Statuten die Abstention von jeder Politik predigte, veröffentlichte bei Ausbruch des Krieges einen Aufruf[315], der im Namen der Internationale die Bildung einer Armee zur Unterstützung Frankreichs forderte, was in noch größerem Maße unseren Statuten widerspricht.
Nach der Aufzeichnung von Friedrich Engels. Aus dem Französischen.
Friedrich Engels
[Uber die politische Aktion der Arbeiterklasse13161]
[Rededisposition für die Sitzung der Konferenz am 21. September 1871]
1) Lorenzo Prinzip[ien]frage - dies entschieden. 2) Abstent[ion] unmöglich. Journalpolitik ist auch Politik; alle abstinenten] Blätter greifen d[ie] Regierung] an. Nur fragl[ich] wie und wie weit sich in Pol[itik] mischen. Dies je nach Umst[än]d[en] und nicht vorzuschreiben. 2) Abstjention] widersinnig; man soll abst[inieren], weil schlechte Leute gewählt werden können - also keine Kotis[ation]' , weil d[er] Kassier durchbrennen kann. Also kein Journal haben, weil der Red[akteur] sich verk[au]f[en] kann ebensogut wie der Deputierte]. 3) D[ie] politische] Freiheit - bes[onders] Assoz[iations]-, Versamml[ungs]- und Preßfreih[eit] - unsre Agitat[ions]-Mittel; ist es gleichgültig, ob uns diese genommen oder nicht? Und sollen wir uns nicht wehren, wenn man sie angreift? 4) Abstjention] gepredigt, weil man sonst das Besteh[en]de anerkannt]. Das Bestehende] besteht und se fiche pas mal2 über uns [re] Anerkennung. Wenn wir die Mittel, die uns das Best[ehende] gibt, benutzen, um geg[en] das Best[ehende] zu protestieren, ist das Anerkennung?3 3) Abst[ention] unmöglich]. Die Arb[eiter]partei als politische] Partei existiert und will politisch] agieren, und ihr Abstfention] predigen, heißt d[ie] Intern[ationale] ruinieren. Die einfache Anschauung der V[er]h[ä]lt~ nisse, der politischen] Bedrück[un]g zu sozialen] Zwecken zwingt d[ie]
1 Beitragskassierung - 2 macht sich nicht wenig lustig - 3 die Punkte 2, 3 und 4 innerhalb der Klammer wurden von Engels als Ergänzungen auf die rechte Seite seiner Rededisposition geschrieben
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Engels' Rededisposition über die politische Aktion der Arbeiterklasse

Arbeiter in d[ie] Politik; d[ie] Abst[ention]-Prediger treiben sie den B[our]g[eoi]spolitikern in d[ie] Arme. Nach der Kommune, die d[ie] politische] Aktion der Arbeiter auf d[ie] Tagesordnung gesetzt, Abst[ention] unmöglich. 4) Wir wollen d[ie] Abschaffung] der Klassen. Einziges Mittel ist d[ie] polit[ische] Gewalt in d[en] Händen des Proletariats] - und wir sollen keine Polit[ik] machen? Alle Abst[entioni]st[en] nennen sich revolutionär], D[ie] Revolution] ist der höchste Akt der Politik, und wer sie will, muß a[uch] d[ie] Mittel wollen, die die Revolution] vorbereiten, die Arbeiter für sie erziehen, und sorgen, daß er nicht am nächsten Tag wieder von Favre und Pyat geprellt wird. Es kommt nur d[a]r[au]f an, welche Politik - die ausschließlich] proletarische, nicht als Schwanz der Bfour]g[ eoijsf ie].
Geschrieben um den 21. September 1871. Nach der Handschrift.
Friedrich Engels
[Uber die politische Aktion der Arbeiterklasse]
[Eigene Aufzeichnung der Rede in der Sitzung der Konferenz am 21. September 1871]
Die absolute Abstention in Sachen der Politik ist unmöglich; alle abstinenten Blätter machen auch Politik. Es geht nur darum, wie man sie und was für eine man macht. Im übrigen ist für uns Abstention unmöglich. Die Arbeiterpartei als politische Partei existiert schon in den meisten Ländern. Nicht wir sind es, die sie mit dem Predigen von Abstention ruinieren. Die Praxis des wirklichen Lebens, die politische Bedrückung, der die bestehenden Regierungen die Arbeiter aussetzen - sei es zu politischen, sei es zu sozialen Zwecken -, zwingt die Arbeiter in die Politik, ob sie wollen oder nicht. Ihnen Abstention von der Politik zu predigen, hieße, sie der Bourgeoispolitik in die Arme treiben. Namentlich nach der Kommune von Paris, die die politische Aktion des Proletariats auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist politische Abstention ganz und gar unmöglich. Wir wollen die Abschaffung der Klassen. Was ist das Mittel, um dahin zu gelangen? Die politische Herrschaft des Proletariats. Und jetzt, wo sich alle darüber einig sind, verlangt man von uns, wir sollen uns nicht in Politik mischen! Alle Abstentionisten nennen sich Revolutionäre, und sogar Revolutionäre par excellence. Die Revolution aber ist der höchste Akt der Politik, und wer sie will, muß auch das Mittel wollen - die politische Aktion, welche die Revolution vorbereitet, welche die Arbeiter für die Revolution erzieht und ohne die die Arbeiter am nächsten Tage nach dem Kampf stets von den Favres und Pyats geprellt sein werden. Aber die Politik, auf die es ankommt, muß eine proletarische Politik sein; die Arbeiterpartei darf sich nicht als Schwanz irgendwelcher Bourgeoisparteien, sondern muß sich vielmehr als unabhängige Partei konstituieren, die ihr eignes Ziel, ihre eigne Politik hat. Die politischen Freiheiten, das Versammlungs- und Assoziationsrecht, die Preßfreiheit, das sind unsre Waffen; und wir sollten die Arme verschrän
ken und Abstention üben, wenn man sie uns nehmen will? Man sagt, jede politische Aktion bedeute, das Bestehende anerkennen. Aber wenn dieses Bestehende uns die Mittel gibt, um gegen das Bestehende zu protestieren, so ist die Anwendung dieser Mittel keine Anerkennung des Bestehenden.
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx/Friedrich Engels
Beschlüsse der Delegiertenkonferenz der Internationalen Arbeiterassoziation, abgehalten zu London vom 17. bis 23. September 187113171
I
ZUSAMMENSETZUNG DES GENERALRATS13181
Die Konferenz ersucht den Generalrat, die Anzahl der Mitglieder, die er sich selbst beifügt, zu beschränken, und vorzusehen, daß sie nicht zu ausschließlich einer und derselben Nationalität angehören.
II
BENENNUNGEN DER NATIONALEN RÄTE, LOKALEN ZWEIGE, SEKTIONEN, GRUPPEN UND IHRER KOMITEES18193
1. Gemäß Beschlusses des Baseler Kongresses, 1869, haben die Zentralräte der Länder, wo die Internationale regelmäßig organisiert ist, sich in Zukunft zu bezeichnen als Föderalräte oder Föderalkomitees, mit Beifügung der Namen ihrer respektiven Länder. Die Bezeichnung Generalrat ist dem Zentralrat der Internationalen Arbeiterassoziation vorbehalten. 2. Alle lokalen Zweige, Sektionen, Gruppen und deren Komitees sollen sich in Zukunft einfach und ausschließlich bezeichnen und konstituieren als Zweige etc. der Internationalen Arbeiterassoziation, mit Beifügung der Namen ihrer bezüglichen Örtlichkeit. 3. Demgemäß ist es den Zweigen, Gruppen und deren Komitees von nun an untersagt, Sektennamen anzunehmen, z.B. die Namen: Positivisten, Mutualisten, Kollektivisten, Kommunisten usw., oder Sonderkörper zu bilden, welche unter Bezeichnungen wie: Propagandasektionen usw. eine besondere, von den gemeinsamen Zwecken der Assoziation verschiedene Mission sich zuschreiben.
4. Art. 1 und 2 finden jedoch keine Anwendung auf die mit der Internationalen verbündeten Gewerksgenossenschaften.
III DELEGIERTE DES GENERALRATS[320]
Alle vom Generalrat zu bestimmten Sendungen ernannte Delegierte haben das Recht, den Versammlungen der Föderalräte oder -komitees, der Distrikt- und Lokalkomitees und Zweige beizuwohnen und daselbst gehört zu werden, ohne jedoch Stimmrecht zu haben.
IV BEITRAG VON EINEM PENNY (GROSCHEN) PER MITGLIED AN DEN GENE RALRAT[321]
1. Der Generalrat wird anheftbare Marken, wovon jede den Wert eines Penny vorstellt, drucken und in der verlangten Anzahl jährlich den Föderalräten oder -komitees zukommen lassen. 2. Die Föderalräte oder -komitees werden den Lokalkomitees und, in. deren Abwesenheit, den lokalen Zweigen eine der Anzahl ihrer Mitglieder entsprechende Anzahl von Marken übermachen. 3. Diese Marken sind alsdann auf das Exemplar der Statuten anzuheften1, welches jedes Mitglied zu besitzen gehalten ist. 4. Am I.März jedes Jahres haben die Föderalräte oder -komitees der verschiedenen Länder den Erlös aus den verkauften Marken dem Generalrat zu übermachen und zugleich die unverkauften Marken zurückzusenden. 5. Diese Marken, die den Wert der Einzelbeiträge vorstellen, tragen das Datum des laufenden Jahres. V BILDUNG WEIBLICHER SEKTIONEN1322'
Die Konferenz empfiehlt die Bildung weiblicher Zweiggesellschaften innerhalb der Arbeiterklasse. Dieser Beschluß richtet sich selbstredend nicht gegen die Zusammensetzung von Zweiggesellschaften aus Arbeitern und Arbeiterinnen.
1 In der englischen Ausgabe lautet dieser Teil des Satzes : Diese Marken sind alsdann auf ein besonderes Blatt der Mitgliedskarte oder auf das Exemplar der Statuten anzuheften
VI
ALLGEMEINE STATISTIK DER ARBEITERKLASSE132«
1. Die Konferenz beauftragt den Generalrat, Art.5 der Originalstatuten, soweit er sich auf eine allgemeine Statistik der Arbeiterklasse bezieht, in Kraft zu setzen, ebenso wie die Beschlüsse des Genfer Kongresses (1866) über denselben Gegenstand[324). 2. Jede lokale Gruppe ist verpflichtet zur Ernennung eines besondern statistischen Komitees, damit sie stets, soweit ihre Mittel es gestatten, bereit sei, vom Föderalrat ihres Landes oder vom Generalrat gestellte Fragen zu beantworten. Die Konferenz empfiehlt allen Gruppen, den Sekretären der statistischen Komitees eine Vergütung zukommen zu lassen in Anbetracht der allgemeinen Nützlichkeit ihres Werkes für die Arbeiterklasse. 3. Am 1. August jedes Jahres sollen die Föderalräte oder -komitees das in ihren bezüglichen Ländern gesammelte Material dem Generalrat übersenden. Letzterer wird dasselbe seinerseits zu einem allgemeinen Bericht verarbeiten, der den jährlich im September stattfindenden Kongressen oder Konferenzen vorzulegen ist. 4. Gewerksgenossenschaften und internationale Zweige, welche die verlangte Auskunft verweigern, sind dem Generalrat zur weiteren Beschluß» nähme anzuzeigen.
VII
INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN DER GEWERKSGENOSSENSCHAFTEN13261
Die wachsende Tendenz der Gewerksgenossenschaften jedes Landes, sich mit den Genossenschaften desselben Gewerks in allen andern Ländern in Verbindung zu setzen, wird der Generalrat, wie bisher, unterstützen. Seine Wirksamkeit als internationaler Vermittler zwischen den nationalen Gewerksgenossenschaften hängt wesentlich von dem Beistand ab, den diese Gesellschaften selbst dem von der Internationalen unternommenen Werk einer allgemeinen Arbeiterstatistik angedeihen lassen. Die Vorstände der Gewerksgenossenschaften aller Länder werden ersucht, den Generalrat über die Adressen ihrer bezüglichen Geschäftslokale unterrichtet zu halten.
VIII
ACKERBAUER13281
1. Die Konferenz ersucht den Generalrat und die Föderalräte oder »komitees, für den nächsten Kongreß Berichte vorzubereiten über die geeigneten Mittel zur Sicherung des Anschlusses der Ackerbauer an die Bewegung des industriellen Proletariats. 2. Inzwischen werden die Föderalräte oder -komitees ersucht, Delegierte in die ländlichen Distrikte zu schicken, um dort öffentliche Versammlungen abzuhalten, die Prinzipien der Internationalen zu verbreiten und ländliche Zweiggesellschaften zu stiften.
IX
POLITISCHE WIRKSAMKEIT DER ARBEITERKLASSE113271
In Erwägung, daß es im Eingang der Statuten heißt: „Die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse ist der große Endzweck, dem jede politische Bewegung unterzuordnen ist als Mittel"1; daß die Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation (1864) besagt: „Die Herren des Grund und Bodens und die Herren des Kapitals werden ihre politischen Vorrechte stets ausbeuten zur Verteidigung und Verewigung ihrer ökonomischen Monopole. So weit davon entfernt, die politische Emanzipation der Arbeiter zu fördern, werden sie fortfahren, ihr jedes mögliche Hindernis in den Weg zu legen... Die Eroberung der politischen Macht ist daher zur großen Pflicht der Arbeiterklasse geworden"2; daß der Kongreß von Lausanne (1867) erklärt hat: „Die soziale Emanzipation der Arbeiter ist untrennbar von ihrer politischen Emanzipation "[3281; daß die Erklärung des Generalrats über das angebliche Komplott der französischen Internationalen am Vorabend des Plebiszits (1870) folgende Stelle enthält: „Nach dem Wortlaut unsrer Statuten haben alle unsre Zweige in England, auf dem Kontinent und in Amerika unzweifelhaft die ausdrückliche Aufgabe, nicht nur Mittelpunkte für die streitbare Organisation der Arbeiterklasse zu bilden, sondern in ihren bezüglichen
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S. 14 - 2 vgl. Band 16 unserer Ausgabe, S. 12
Ländern ebenfalls jede politische Bewegung zu unterstützen, die zur Erreichung unsers Endziels dient, - der ökonomischen Emanzipation der Arbeiterklasse"^3291; daß falsche Ubersetzungen der Originalstatuten Mißdeutungen veranlaßt haben, die der Entwicklung und der Wirksamkeit der Internationalen Arbeiterassoziation schädlich waren; in Anbetracht ferner, daß die Internationale einer zügellosen Reaktion gegenübersteht, welche jedes Emanzipationsstreben der Arbeiter schamlos niederdrückt und durch rohe Gewalt den Klassenunterschied und die darauf gegründete politische Herrschaft der besitzenden Klassen zu verewigen sucht; daß die Arbeiterklasse gegen diese Gesamtgewalt der besitzenden Klassen nur als Klasse handeln kann, indem sie sich selbst als besondere politische Partei konstituiert, im Gegensatz zu allen alten Parteibildungen der besitzenden Klassen; daß diese Konstituierung der Arbeiterklasse als politische Partei unerläßlich ist für den Triumph der sozialen Revolution und ihres Endziels Abschaffung der Klassen; daß die Vereinigung der Einzelkräfte, welche die Arbeiterklasse bis zu einem gewissen Punkt bereits durch ihre ökonomischen Kämpfe hergestellt hat, auch als Hebel für ihren Kampf gegen die politische Gewalt ihrer Ausbeuter zu dienen hat, aus diesen Gründen erinnert die Konferenz alle Mitglieder der Internationalen: daß in dem streitenden Stand der Arbeiterklasse ihre ökonomische Bewegung und ihre politische Betätigung untrennbar verbunden sind.
X
ALLGEMEINER BESCHLUSS, BETREFFEND DIE LÄNDER, WO DIE REGELMÄSSIGE ORGANISATION DER INTERNATIONALEN DURCH DIE REGIERUNGEN VERHINDERT WIRD[3301
In den Ländern, wo die regelmäßige Organisation der Internationalen infolge von Regierungseinmischung augenblicklich unausführbar ist, kann die Assoziation, resp. ihre lokalen Gruppen, sich unter irgendwelchen andern Benennungen rekonstituieren. Alle eigentlich sogenannten geheimen Gesellschaften sind und bleiben jedoch förmlich ausgeschlossen.
XI
BESCHLÜSSE ÜBER FRANKREICH^11
1. Die Konferenz spricht ihre feste Uberzeugung aus, daß alle Verfolgungen die Energie der Anhänger der Internationalen nur verdoppeln und daß die Zweige fortfahren werden sich zu organisieren, wo nicht in großen Zentren, doch mindestens nach Werkstätten und Verbindungen von Werkstätten, die sich durch ihre Delegierten miteinander in Verbindung setzen. 2. Die Konferenz fordert daher alle Zweige auf, in der Verbreitung unsrer Prinzipien in Frankreich unermüdlich fortzufahren und in ihr Land eine möglichst große Anzahl der Druckschriften und Statuten der Internationalen einzuführen.
XII
BESCHLUSS ÜBER ENGLAND13321
Der Generalrat wird die englischen Sektionen in London auffordern, ein Föderalkomitee für London zu bilden. Sobald dasselbe von den Zweigen in den Provinzen und von den verbündeten Gewerksgenossenschaften anerkannt sein wird, wird der Generalrat es als den Föderalrat für England bestätigen.
XIII
BESONDERE BESCHLÜSSE DER KONFERENZ(3331
1. Die Konferenz billigt die Beifügung der Flüchtlinige der Kommune, welche der Generalrat in seinen Schoß aufgenommen hat. 2. Die Konferenz erklärt, daß die deutschen Arbeiter während des französisch-deutschen Krieges ihre Pflicht erfüllt haben. 3. Die Konferenz dankt den Mitgliedern der spanischen Föderation für die Vorlage ihrer Denkschrift über die Organisation der Internationalen, die einen abermaligen Beweis ihres Eifers für unser Gesamtwerk bietet. 4. Der Generalrat wird sofort eine förmliche Erklärung veröffentlichen, des Inhalts, daß die Internationale Arbeiterassoziation durchaus nichts zu schaffen hat mit der sogenannten Verschwörung des Netschajew, der ihren Namen betrüglich usurpiert und ausgebeutet hat.
XIV
INSTRUKTION FÜR DEN DELEGIERTEN UTIN[3B4)
Der Delegierte Utin wird ersucht, einen gedrängten Bericht über den Prozeß Netschajew, nach den russischen Quellen, in der Genfer „Egalite" zu veröffentlichen. Dieser Bericht ist vor der Veröffentlichung dem Generalrat mitzuteilen.
XV
BERUFUNG DES NÄCHSTEN KONGRESSES13351
Die Konferenz überläßt es der Entscheidung des Generalrats, je nach den Ereignissen, die Zeit und den Ort des nächsten Kongresses oder der ihn etwa ersetzenden Konferenz zu bestimmen.
XVI
ALLIANCE DE LA DEMOCRATIE SOCIALISTE[836]
In Erwägung, daß die Alliance de la D^mocratie Socialiste sich selbst für aufgelöst erklärt hat (siehe den Brief des Sekretärs der Alliance N.Shukowski an den Generalrat, datiert 10. August 1871); daß die Konferenz in ihrer Sitzung vom 18.September (siehe Nr. II dieses Zirkulars) beschlossen hat, daß alle bestehenden Organisationen der Internationalen, übereinstimmend mit dem Buchstaben und dem Geist der allgemeinen Statuten, sich fernerhin einfach und ausschließlich zu bezeichnen haben als Zweige, Sektionen, Föderationen usw. der Internationalen Arbeiterassoziation, mit Zufügung des Namens ihrer bezüglichen örtlichkeit; daß es demnach den bestehenden Zweigen und Gesellschaften fernerhin nicht gestattet ist, Sektennamen anzunehmen, wie z.B. Positivisten, Mutualisten, Kollektivisten, Kommunisten etc., oder Sonderkörper zu bilden, welche unter dem Namen von Propagandasektionen usw. eine besondere, von den gemeinsamen Zwecken der Internationalen verschiedene Mission sich zuschreiben;
daß der Generalrat in Zukunft Art.V der Baseler administrativen Kongreßbeschlüsse[337], des Inhalts: „Der Generalrat hat das Recht, den Anschluß einer neuen Sektion oder Gruppe zuzulassen oder zu verweigern, vorbehaltlich des Appells an den nächsten Kongreß" - in diesem Sinn zu deuten und anzuwenden hat, erklärt die Konferenz die Frage der Alliance de la Democratie Socialiste für erledigt.
XVII
SPALTUNG IN DEM FRANZÖSISCH-SPRECHENDEN TEIL DER SCHWEIZ[338]
1. Die verschiedenen Einwendungen des Föderalkomitees der JuraSektionen gegen die Kompetenz der Konferenz werden für unzulässig erklärt. (Vorstehendes ist nur ein Resum6 des Art. 1, der in seinem Wortlaut in der Genfer „Egalite" abgedruckt ist.) 2. Die Konferenz billigt den Beschluß des Generalrats vom 29. Juni 1870[339]. Außerdem aber, in Anbetracht der Verfolgungen, denen die Internationale gegenwärtig ausgesetzt ist, ruft die Konferenz den Geist der Solidarität und der Einigkeit an, der jetzt, mehr als je, die Arbeiter durchdringen sollte. Sie erteilt den braven Arbeitern der Jura-Sektionen den Rat, sich den Sektionen der romanischen Föderationen wieder anzuschließen. Falls diese Wiedervereinigung nicht tunlich, entscheidet sie, daß die Föderation der ausgetretenen Sektionen den Namen: Föderation des Jura (Föderation Jurassienne) annehmen wird. Sie kündigt ferner an, daß von nun an der Generalrat gehalten sein wird, öffentlich anzuklagen und zu verleugnen alle angeblichen Organe der Internationalen, welche, nach dem Vorgang des „Progres" und der „Solidarite", in ihren Spalten vor dem Bourgeoispublikum Fragen besprechen sollten, die nur zur Debatte in den lokalen und föderalen Komitees, im Generalrat oder in den geschlossenen Verwaltungssitzungen der föderalen oder allgemeinen Kongresse geeignet sind.
ANMERKUNG
Die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Beschlüsse der Konferenz werden den Föderalräten der verschiedenen Länder durch die korrespondierenden Sekretäre des Generalrats mitgeteilt werden.
Im Auftrag und Namen der Konferenz: Der Generalrat: R.Applegarth, M.J.Boon, Fred. Bradnick, G.H.Buttery, Delahaye, Eugene Dupont (abwesend als Emissär), William Haies, G. Harris, Hurlimann, Jules Johannard, Fred.Leßner, Lochner, Harriet Lato1, Charles Longuet, Constant Martin,Zeoy Maurice, Henry Mayo, George Milner, Charles Murray, Pfänder, John Roach, Rühl, Sadler, Cowell Stepney, Alfred Taylor, W.Townshend, E. Vaillant, John Weston
Korrespondierende Sekretäre: AlfredHerman, für Belgien - Th.Mottershead, für Dänemark - Karl Marx, für Deutschland und Rußland - A. Serraillier, für Frankreich - Ch. Rochat, für Holland - J. P. Mac Donnel, für Irland - Friedrich Engels, für Italien und Spanien - Leo Frankel, für Österreich und Ungarn - Walery Wröblewski, für Polen - Hermann Jung, für die Schweiz - J. G. Eccarius, für die Vereinigten Staaten - C. Le Moussu, für die französischen Sektionen der Vereinigten Staaten F. Engels, Vorsitzender Hermann Jung, Schatzmeister John Haies, Generalsekretär
256, High Holborn, London, W.C. 17. Oktober 1871 Für Beglaubigung der Ubersetzung: Der Sekretär für Deutschland: Karl Marx
Nach dem Separatabdruck aus dem „Volksstaat", Leipzig 1871.
8U1SSG Unan 3 fr. CO Eil Trois luoii .... >iio Par la posie. SO c. en plus Prisen Dum/ro 15(111,
Frinee, uq sn , . 4 f/. Btlglquo — . . i i (0 lulle — ,. k • c; Espagfle — . . fl . — Wleinigne— . . s » SO Anglner/e— . . ß » — Journal de l'Association Internationale des Travailleurs de Sa Suisse romande
Karl Marx Beschluß der Londoner Konferenz über die Streitigkeite n in der romanischen Schweizf340]
[„L'Egalite" Nr. 20 vom 21. Oktober 1871]
In bezug auf diese Streitigkeiten: 1. Die Konferenz muß sich zunächst mit den Einwänden befassen, die das Föderalkomitee der Jura-Sektionen, die der Romanischen Föderation nicht angehören, vorgebracht hat (siehe den Brief vom 4.September, welcher von dem Föderalkomitee dieser Sektion an die Konferenz gerichtet wurde). Erster Einwand: „Nur der allgemeine Kongreß", so heißt es, „der regelmäßig einberufen wird, kann allein die Kompetenz besitzen, eine solch schwerwiegende Angelegenheit wie die der Spaltung in der Romanischen Föderation zu beurteilen." In Erwägung, daß im Fall von Zwistigkeiten zwischen Gesellschaften oder Sektionen derselben nationalen Gruppe, oder zwischen Gruppen verschiedener Nationalität, der Generalrat das Recht der Entscheidung hat, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet (siehe Artikel VII der Baseler Kongreßbeschlüsse13373); daß gemäß Artikel VI der Baseler Kongreßbeschlüsse der Generalrat ebenfalls das Recht hat, jede Sektion der Internationalen bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren; daß diese Rechte des Generalrats - wenn auch nur theoretisch - vom Föderalkomitee der abgespaltenen Jura-Sektionen anerkannt wurden, weil der Bürger Robin den Generalrat mehrmals im Namen dieses Komitees gebeten hat, eine endgültige Entscheidung in dieser Frage zu fällen (siehe Protokoll des Generalrats);
daß die Rechte der Konferenz, wenn sie auch nicht die gleichen wie die des allgemeinen Kongresses sind, auf jeden Fall größer sind als die des Generalrats; daß es in Wirklichkeit nicht das Föderalkomitee der Romanischen Föderation, sondern gerade das Föderalkomitee der abgespaltenen JuraSektionen war, das durch Vermittlung des Bürgers Robin die Einberufung einer Konferenz gefordert hat, um über diese Streitigkeiten endgültig zu entscheiden (siehe Protokoll des Generalrats vom 25. Juli 1871); betrachtet die Konferenz aus diesen Gründen den ersten Einwand als erledigt. Zweiter Einwand: „Es widerspräche", so heißt es, „der elementarsten Gerechtigkeit, eine Föderation zu verurteilen, der man nicht die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben hat... Wir erfahren heute (am 4.September 1871) indirekt, daß für den 17.September eine außerordentliche Konferenz nach London einberufen ist... Es war Pflicht des Generalrats, alle regionalen Gruppen davon zu unterrichten; wir wissen nicht, warum er sich uns gegenüber in Schweigen gehüllt hat."
In Erwägung, daß der Generalrat alle seine Sekretäre angewiesen hatte, die Sektionen der entsprechenden Länder, die sie vertreten, über die Einberufung der Konferenz zu benachrichtigen, daß der Bürger Jung, korrespondierender Sekretär für die Schweiz, das Komitee der Jura-Sektionen aus den folgenden Gründen nicht informiert hat: Unter flagranter Verletzung des Beschlusses des Generalrats vom 29. Juni 187013391 bezeichnet sich dieses Komitee sogar in seinem letzten Brief an die Konferenz weiterhin als Komitee der Romanischen Föderation; dieses Komitee hatte das Recht wegen der Entscheidung des Generalrats an den künftigen Kongreß zu appellieren, jedoch nicht das Recht, die Entscheidung des Generalrats zu ignorieren; folglich existierte es von Rechts wegen nicht für den Generalrat, und der Bürger Jung war nicht berechtigt, es durch direkte Einladung, Delegierte zur Konferenz zu entsenden, anzuerkennen; der Bürger Jung hat von diesem Komitee keine Antwort auf die im Namen des Generalrats gestellten Fragen erhalten; seit der Aufnahme des Bürgers Robin in den Generalrat wurden die Forderungen des obengenannten Komitees dem Generalrat stets durch den Bürger Robin übermittelt und niemals durch den korrespondierenden Sekretär für die Schweiz.
In weiterer Erwägung, daß der Bürger Robin im Namen des obengenannten Komitees gefordert hatte, die Streitigkeiten zuerst dem Generalrat und dann - nach abschlägiger Antwort des Generalrats - einer Konferenz zu unterbreiten, so daß der Generalrat und sein korrespondierender Sekretär für die Schweiz guten Grund hatten zu der Annahme, der Bürger Robin würde seine Korrespondenten von der Einberufung der Konferenz informieren, die sie selbst verlangt hatten; daß die von der Konferenz zur Untersuchung der Schweizer Streitigkeiten ernannte Kommission den Bürger Robin als Zeugen angehört hat; daß alle Dokumente, die beide Teile dem Generalrat unterbreitet hatten, dieser Untersuchungskommission übermittelt wurden; daß unmöglich angenommen werden kann, das obengenannte Komitee sei erst am 4.September von der Einberufung der Konferenz informiert worden, da es bereits im August dem Bürger M...1 angeboten hatte, ihn als Delegierten zur Konferenz zu entsenden; aus diesen Gründen betrachtet die Konferenz den zweiten Einwand als erledigt. Dritter Einwand: „Ein Beschluß", so heißt es, „der die Rechte unserer Föderation annullieren würde, hätte die verhängnisvollsten Folgen für die Existenz der Internationale in unserem Land." In Erwägung, daß niemand die Annullierung der Rechte der obengenannten Föderation verlangt hat, betrachtet die Konferenz den dritten Einwand als erledigt. 2. Die Konferenz billigt den Beschluß des Generalrats vom 29. Juni 1870. Außerdem aber, in Anbetracht der Verfolgungen, denen die Internationale gegenwärtig ausgesetzt ist, ruft die Konferenz den Geist der Solidarität und der Einigkeit an, der jetzt mehr als je die Arbeiter durchdringen sollte. Sie erteilt den braven Arbeitern der Jura-Sektionen den Rat, sich den Sektionen der Romanischen Föderation wieder anzuschließen. Falls diese Wiedervereinigung nicht tunlich, entscheidet sie, daß die Föderation der ausgetretenen Sektionen den Namen: Föderation des Jura (Föderation Jurassienne) annehmen wird.
Sie kündigt ferner an, daß von nun an der Generalrat gehalten sein wird, öffentlich anzuklagen und zu verleugnen alle angeblichen Organe der Internationalen, welche, nach dem Vorgang des „Progres" und der „Solidarite", in ihren Spalten vor dem Bourgeoispublikum Fragen besprechen sollten, die nur zur Debatte in den lokalen und föderalen Komitees, im Generalrat oder in den geschlossenen Verwaltungssitzungen der föderalen oder allgemeinen Kongresse geeignet sind.
London, 26.September 1871
Aus dem Französischen.
Karl Marx An die Herausgeberinnen des „Woodhull & Claflin's Weekly"'34"]
[„Woodhull & Claflin's Weekly" Nr.23/75 vom 21.Oktober 1871] London, N.W., 23. September 1871
Mesdames, ich habe die Ehre, Ihnen zur Veröffentlichung in Ihrem Wochenblatt falls Sie den Beitrag genügend interessant für Ihre Leser finden - einen kurzen Bericht meiner Tochter Jenny zu übersenden über die Verfolgungen, denen sie und ihre Schwestern während ihres Aufenthalts in Bagneresde-Luchon (Pyrenäen) seitens der französischen Regierung ausgesetzt waren1. Diese tragikomische Episode scheint mir für die Republik Thiers charakteristisch zu sein. Die Nachricht von meinem Tod wurde in Paris vom „Avenir liberal", einer bonapartistischen Zeitung, ausgeheckt. Seit vergangenem Sonntag findet eine geschlossene Konferenz der Delegierten der Internationalen Arbeiterassoziation in London statt. Die Verhandlungen werden heute beendet werden. Mit bestem Dank für die hochinteressanten Zeitungen, die Sie mir reundlicherweise zuschickten, verbleibe ich, Mesdames,
Ihr sehr ergebener Karl Marx
Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Rede auf der Feier zum siebenten Jahrestag der Internationalen Arbeiterassoziation am 25. September 1871 in London 13421]
[Aufzeichnung eines Korrespondenten]
[„The World" vom 15. Oktober 1871] Über die Internationale sagte Marx, der große Erfolg, der bisher ihre Bemühungen gekrönt habe, sei auf Umstände zurückzuführen, die außerhalb der Macht ihrer Mitglieder stünden. Die Gründung der Internationale selbst sei das Ergebnis dieser Umstände gewesen und keineswegs das Verdienst der Männer, die sich dieser Aufgabe widmeten. Sie sei nicht das Werk eines Häufleins geschickter Politiker; alle Politiker der Welt zusammengenommen hätten nicht die Bedingungen und die Umstände schaffen können, die für den Erfolg der Internationale notwendig waren. Die Internationale sei nicht mit einem besonderen Glauben an die Öffentlichkeit getreten. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die Kräfte der Arbeiterklasse zu organisieren, die verschiedenen Arbeiterbewegungen miteinander zu verbinden und zu vereinen. Die Verhältnisse, die der Assoziation einen so gewaltigen Auftrieb gegeben haben, seien dieselben, denen die Arbeiter in der ganzen Welt mehr und mehr unterworfen werden, und dies sei das Geheimnis des Erfolges. Die Ereignisse der letzten Wochen hätten unmißverständlich gezeigt, daß die Arbeiterklasse für ihre Emanzipation kämpfen muß. Die Verfolgungen der Internationale durch die Regierungen würden den Verfolgungen der ersten Christen im alten Rom gleichen. Auch sie seien zuerst nur wenige der Zahl nach gewesen, aber die römischen Patrizier hätten instinktiv gefühlt, daß das Römische Reich verloren sein werde, wenn die Christen Erfolg hätten. Die Verfolgungen in Rom haben das Imperium nicht gerettet, und ebensowenig werden die Verfolgungen der Internationale in der heutigen Zeit die bestehenden Zustände retten. Das Neue an der Internationale war, daß sie von den Arbeitern selbst für die Arbeiter gegründet wurde. All die verschiedenen Organisationen vor der Internationale seien Gesellschaften gewesen, die von Radikalen
Rede auf der Feier zum 7. Jahrestag der IAA 433
aus den herrschenden Klassen für die arbeitenden Klassen gegründet wurden, die Internationale dagegen sei von den Arbeitern für die Arbeiter gegründet worden. Die Chartistenbewegung hierzulande sei mit dem Einverständnis und der Hilfe von bürgerlichen Radikalen entstanden, doch wenn sie Erfolg gehabt hätte, so hätte das nur der Arbeiterklasse zum Vorteil gereichen können. England sei das einzige Land, in dem die Arbeiterklasse weit genug entwickelt und organisiert sei, um das allgemeine Wahlrecht zum eignen Vorteil anzuwenden. Anschließend wies er auf die Februarrevolution hin und bezeichnete sie als eine Bewegung, die von einem Teil der Bourgeoisie gegen die herrschende Partei unterstützt worden sei. Die Februarrevolution habe den arbeitenden Klassen nur Versprechungen gemacht und eine Gruppe von Männern aus der herrschenden Klasse durch eine andere ersetzt. Die JuniInsurrektion dagegen sei eine Revolte gegen die ganze herrschende Klasse gewesen, einschließlich ihres radikalsten Teils. Die Arbeiter, die 1848 die neuen Männer an die Macht brachten, hätten instinktiv gefühlt, daß sie nur eine Gruppe von Unterdrückern gegen eine andere austauschten und daß sie betrogen wurden. Die letzte Bewegung sei die Kommune gewesen, die größte Bewegung, die es bisher gegeben habe - und darüber könne es nicht zwei Meinungen geben -, die Kommune war die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Über die Kommune habe es viele Mißverständnisse gegeben. Sie könne zu keiner neuen Form der Klassenherrschaft führen. Wenn die bestehenden Verhältnisse der Unterdrückung durch die Übergabe der Produktionsmittel an die produzierenden Arbeiter beseitigt würden, wodurch jeder arbeitsfähige Mensch gezwungen wäre, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, werde auch die einzige Basis der Klassenherrschaft und der Unterdrückung beseitigt. Aber bevor eine solche Veränderung vollzogen werden könne, sei eine Diktatur des Proletariats notwendig, und ihre erste Voraussetzung sei eine Armee des Proletariats. Die arbeitenden Klassen müßten sich das Recht auf ihre Emanzipation auf dem Schlachtfeld erkämpfen. Aufgabe der Internationale sei es, die Kräfte der Arbeiter für den kommenden Kampf zu organisieren und zu vereinen.
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Resolution des Generalrats über den Ausschluß von Durand[3431]
[„Der Volksstaat" Nr. 83 vom H.Oktober 1871] In Anbetracht, daß der Generalrat unwiderlegbare Beweise in Händen hat, daß Gustave Durand von Paris - Goldarbeiter, Ex-Delegierter der Goldarbeiter im Ausschuß der Pariser Gewerksgenossenschaften[344J, ExBataillonschef der Nationalgarde, Ex-Hauptkassierer des Finanzministeriums unter der Kommune, gegenwärtig Flüchtling zu London - der französischen Polizei als Spion gegen den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation sowie gegen die in London anwesenden Flüchtlinge der Kommune gedient hat und noch dient; daß er für diese Spionendienste bereits die Summe von 725 frs. erhalten hat: aus diesen Gründen wird besagter Gustave Durand als Verräter gebrandmarkt und aus der Internationalen Arbeiterassoziation ausgestoßen. Dieser Beschluß ist in allen Organen der Internationalen Arbeiterassoziation bekanntzumachen.
London, 9. Oktober 1871
Im Auftrag des Generalrats: Karl Marx, Sekretär für Deutschland
Karl Marx
[Erklärung des Generalrats zum Mißbrauch des Namens der Internationale durch Netschajew13451]
[„Der Volksstaat" Nr. 88 vom I.November 1871] Die zu London vom 17. bis 23. September 1871 versammelte Delegiertenkonferenz der Internationalen Arbeiterassoziation hat den Generalrat beauftragt, öffentlich zu erklären: daß Netschajew niemals Mitglied oder Agent der Internationalen Arbeiterassoziation war; daß seine (durch den politischen Prozeß zu St. Petersburg bekannt gewordenen)1 Versicherungen, er habe eine Sektion der Internationalen zu Brüssel gestiftet und von einer Brüsseler Sektion eine Mission nach Genf erhalten, Lügen sind; daß der besagte Netschajew den Namen der Internationalen Arbeiterassoziation usurpiert und ausgebeutet hat, um in Rußland Betrogene und Opfer zu machen.
London, 25. Oktober 1871
Im Auftrag des Generalrats: Karl Marx, Sekretär für Deutschland und Rußland
1 In der Handschrift fehlen die in Klammern eingeschlossenen Worte
Karl Marx [Beschluß des Generalrats über die Statuten der Section frangaise de 1871, angenommen in der Sitzung vom 17. Oktober 187113461 ]
An die Bürger Mitglieder der Section frangaise de 1871 Bürger! In Anbetracht der folgenden Artikel der vom Baseler Kongreß angenommenen Verwaltungsbeschlüsse[337): Artikel IV: „Jede neue Sektion oder Gesellschaft, welche den Anschluß an die Internationale beabsichtigt, hat den Generalrat sofort davon zu benachrichtigen"; Artikel V: „Der Generalrat hat das Recht, den Anschluß jeder neuen Sektion oder Gruppe zuzulassen oder zu verweigern etc.", bestätigt der Generalrat die Statuten der Section fran^aise de 1871 mit folgenden Änderungen: I. Daß aus Artikel 2 die Worte gestrichen werden „den Nachweis über seine Existenzmittel führen", und daß man dafür einfach setzt: „Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man Garantien der Moralität etc. vorlegen." Artikel 9 der Allgemeinen Statuten1 besagt: „Jeder, der die Prinzipien der Internationalen Arbeiterassoziation anerkennt und verteidigt, ist wählbar als Mitglied derselben. Jede Zweiggesellschaft ist verantwortlich für die Unbescholtenheit der Mitglieder, die sie aufnimmt." („Every branch is responsible for the integrity of the members it admits.") In Zweifelsfällen kann eine Sektion wohl Informationen einholen über die Existenzmittel als „Garantien der Moralität", während in anderen Fällen, wie zum Beispiel bei Flüchtlingen, bei streikenden Arbeitern etc. etc., der fehlende Nachweis der Existenzmittel gerade eine Garantie der Moralität sein kann. Es wäre jedoch eine bürgerliche Neuerung, die dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten widerspräche, von den Kandidaten
einen Nachweis über ihre Existenzmittel als allgemeine Bedingung für die Aufnahme in die Internationale zu verlangen. II. 1) In Erwägung, daß der Artikel 4 der Allgemeinen Statuten1 besagt: „Der Kongreß ernennt die Mitglieder des Generalrats und ermächtigt ihn, sich neue Mitglieder beizufügen" („The Congress elects the members of the General Council with power to add to their number"); so daß demzufolge die Allgemeinen Statuten nur zwei Arten der Wahl für die Mitglieder des Generalrats anerkennen, entweder ihre Wahl durch den Kongreß oder ihre Ernennung durch den Generalrat, wonach also folgende Stelle des Artikels 11 der Statuten der Section frangaise de 1871 „Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt..." den Allgemeinen Statuten widerspricht, die keiner Zweiggesellschaft, Sektion, Gruppe oder Föderation das Recht geben, Delegierte in den Generalrat zu entsenden; daß der Artikel 1 der Verordnungent347] vorschreibt: „Jede Sektion hat das Recht, sich Sonderstatuten für ihre lokale Verwaltung, je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen zu geben. Die Sonder Statuten dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten Widersprechendes enthalten"2; kann der Generalrat aus diesen Gründen den obengenannten Paragraphen der Statuten der Section frangaise de 1871 nicht zulassen. 2) Es stimmt, daß die verschiedenen in London existierenden Sektionen aufgefordert worden waren, Delegierte in den Generalrat zu entsenden, der, um die Allgemeinen Statuten nicht zu verletzen, stets auf folgende Weise vorgegangen ist: Er hat zunächst die Zahl der Delegierten festgelegt, die von jeder Sektion in den Generalrat entsandt werden sollten und sich dabei das Recht vorbehalten, sie zu akzeptieren oder abzulehnen, je nachdem, ob er sie für die allgemeinen Funktionen, die er ausüben muß, für geeignet hielt. Die Delegierten wurden Mitglieder des Generalrats nicht kraft der Delegierung durch ihre Sektion, sondern durch das Recht, das die Allgemeinen Statuten dem Rat geben, sich neue Mitglieder beizufügen. Da der Londoner Rat bis zu der von der letzten Konferenz getroffenen Entscheidung sowohl als Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation als auch als Zentralrat für England funktioniert hatte, hielt er es für angebracht, außer den Mitgliedern, die er sich direkt beigefügt hatte, Mitglieder zuzulassen, die in erster Linie von ihrer respektiven Sektion delegiert worden waren.
1 Siebe vorl. Band, S.441 - 2 ebenda, S.447
Man würde sich gewaltig irren, wenn man den Wahlmodus des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation dem des Föderalrats von Paris angleichen wollte, der nicht einmal ein nationaler Rat war, welcher, wie zum Beispiel der Föderalrat von Brüssel oder der Föderalrat von Madrid, von einem nationalen Kongreß ernannt worden ist. Da der Föderalrat von Paris nur eine Delegation der Pariser Sektionen war, konnten die Delegierten dieser Sektionen wohl ein gebundenes Mandat bei einem Rat erhalten, wo sie die Interessen ihrer Sektion zu verteidigen hatten. Der Wahlmodus des Generalrats dagegen wird von den Allgemeinen Statuten bestimmt, und seine Mitglieder könnten kein anderes gebundenes Mandat annehmen als das der Allgemeinen Statuten und VerwaltungsVerordnungen. 3) Der Generalrat ist bereit, zwei Delegierte der Section fran^aise de 1871 unter Bedingungen zuzulassen, die von den Allgemeinen Statuten vorgeschrieben und von den anderen in London bestehenden Sektionen niemals angefochten worden sind. III. Im Artikel 11 der Statuten der Section frangaise de 1871 steht folgender Paragraph: „Jedes Mitglied der Sektion verpflichtet sich, keine andere Delegierung in den Generalrat anzunehmen als die seiner Sektion." Wörtlich interpretiert könnte man diesen Paragraphen akzeptieren, da er nur besagen würde, daß ein Mitglied der Section fran?aise de 1871 sich beim Generalrat nicht als Delegierter irgendeiner anderen Sektion vorstellen darf. Wenn man den Paragraphen betrachtet, der diesem vorangegangen ist, so hat der obenerwähnte keinen andern Sinn als den, die Bildung des Generalrats völlig zu verändern und ihn entgegen Artikel 5 der Allgemeinen Statuten zu einer Delegation der Londoner Sektionen zu machen, wodurch der Einfluß der gesamten Internationalen Arbeiterassoziation durch den Einfluß der örtlichen Gruppen ersetzt werden würde. Dieser Sinn des aus Punkt 11 der Statuten der Section fran^aise de 1871 zitierten Paragraphen wird vollauf bestätigt durch die von ihm auferlegte Verpflichtung, zu wählen zwischen dem Titel eines Mitglieds der Sektion und der Funktion eines Mitglieds des Generalrats. Aus diesen Gründen kann der Generalrat den obengenannten Paragraphen nicht zulassen, da er den Allgemeinen Statuten widerspricht und den Generalrat seines Rechts beraubt, sich seine Kräfte im allgemeinen Interesse der Internationalen Arbeiterassoziation von überall herbeizuholen. IV. Der Generalrat ist überzeugt, daß die Section franfaise de 1871 die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Änderungen einsehen und nicht zögern
wird, ihre eigenen Statuten mit dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten und Verwaltungs-Verordnungen in Einklang zu bringen, und daß sie so jedem Zerwürfnis vorbeugen wird, das unter den gegenwärtigen Umständen nur das Fortschreiten der Internationalen Arbeiterassoziation hemmen könnte. Gruß und Gleichheit Im Namen und im Auftrag des Generalrats: Auguste Serraillier, korrespondierender Sekretär für Frankreich
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx Allgemeine Statute n und. Verwaltungs-Verordnungen der Internationale n Arbeiterassoziation 13481
Allgemeine Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation
In Erwägung, daß die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muß; daß der Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse kein Kampf für Klassenvorrechte und Monopole ist, sondern für gleiche Rechte und Pflichten und für die Vernichtung aller Klassenherrschaft; daß die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen, der Knechtschaft in allen ihren Formen zugrunde liegt - dem gesellschaftlichen Elend, der geistigen Verkümmerung und der politischen Abhängigkeit; daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist; daß alle auf dieses Ziel gerichteten Versuche bisher gescheitert sind aus Mangel an Einigung unter den mannigfachen Arbeitszweigen jedes Landes und an der Abwesenheit eines brüderlichen Bundes unter den Arbeiterklassen der verschiedenen Länder; daß die Emanzipation der Arbeiterklasse weder eine lokale, noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfaßt, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt; daß die gegenwärtig sich erneuernde Bewegung der Arbeiterklasse in den industriellsten Ländern Europas, während sie neue Hoffnungen wachruft, zugleich feierliche Warnung erteilt gegen einen Rückfall in die alten Irrtümer und zur sofortigen Zusammenfassung der noch zusammenhangslosen Bewegungen drängt;
aus diesen Gründen ist die Internationale Arbeiter-Assoziation gestiftet worden. Sie erklärt: Daß alle Gesellschaften und Individuen, die sich ihr anschließen, Wahrheit, Gerechtigkeit und Sittlichkeit anerkennen als die Regel ihres Verhaltens zueinander und zu allen Menschen, ohne Rücksicht auf Farbe, Glaube oder Nationalität. Keine Pflichten ohne Rechte, keine Rechte ohne Pflichten.13491 Und in diesem Geist sind die nachfolgenden Statuten verfaßt. Art. I. Die gegenwärtige Assoziation ist gegründet zur Herstellung eines Mittelpunktes der Verbindung und des planmäßigen1 Zusammenwirkens zwischen den in verschiedenen Ländern bestehenden Arbeitergesellschaften, welche dasselbe Ziel verfolgen, nämlich: den Schutz, den Fortschritt und die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse. Art.2. Der Name der Gesellschaft ist: Internationale Arbeiter-Assoziation. Art. 3. Es versammelt sich jährlich ein allgemeiner Arbeiterkongreß, bestehend aus Abgeordneten der Zweige der Assoziation. Der Kongreß verkündet die gemeinsamen Bestrebungen der Arbeiterklasse, ergreift die für das erfolgreiche Wirken der Internationalen Assoziation notwendigen Maßregeln, und ernennt den Generalrat der Gesellschaft. Art. 4. jeder Kongreß bestimmt Zeit und Ort für die Zusammenkunft des nächsten Kongresses. Die Abgeordneten versammeln sich zur bestimmten Zeit und Stelle, ohne daß dazu eine besondere Einladung erheischt wäre. Der Generalrat kann im Notfall den Ort der Zusammenkunft verlegen, aber nicht ihren Zeitpunkt aufschieben. Der Kongreß bestimmt jährlich den Sitz des Generalrates und ernennt dessen Mitglieder. Der so ernannte Generalrat ist ermächtigt, sich neue Mitglieder beizufügen. Auf seinen jährlichen Zusammenkünften erhält der Kongreß einen öffentlichen Bericht über die Jahresarbeit des Generalrats. Letzterer kann in dringenden Fällen den Kongreß vor dem regelmäßigen jährlichen Termin berufen. Art. 5. Der Generalrat wird gebildet aus Arbeitern der verschiedenen, in der Internationalen Assoziation vertretenen Länder. Er besetzt aus seiner Mitte die zur Geschäftsführung nötigen Stellen, wie die des Schatzmeisters, Generalsekretärs, der korrespondierenden Sekretäre für die verschiedenen Länder usw.
1 In der englischen Ausgabe fehlt: planmäßigen
Art. 6. Der Generalrat wirkt als internationale Agentur zwischen den verschiedenen nationalen und lokalen Gruppen der Assoziation, so daß die Arbeiter eines Landes fortwährend unterrichtet bleiben über die Bewegungen ihrer Klasse in allen anderen Ländern; daß eine Untersuchung über den sozialen Zustand der verschiedenen Länder Europas gleichzeitig und unter gemeinsamer Leitung stattfindet, daß Fragen von allgemeinem Interesse, angeregt von einer Gesellschaft, von allen andern aufgenommen werden, und daß, im Fall der Notwendigkeit sofortiger praktischer Schritte wie z.B. bei internationalen Zwisten - die verbündeten Gesellschaften sich gleichzeitig und gleichförmig betätigen können. Bei jeder passenden Gelegenheit ergreift der Generalrat die Initiative der den verschiedenen nationalen oder lokalen Gesellschaften zu unterbreitenden Vorlagen. Zur Erleichterung seines Verkehrs mit den Zweiggesellschaften veröffentlicht der Generalrat periodische Berichte. Art. 7. Da einerseits der Erfolg der Arbeiterbewegung in jedem Lande nur gesichert werden kann durch die Macht der Einigung und Kombination, während andrerseits die Wirksamkeit des internationalen Generalrats wesentlich dadurch bedingt ist, daß er mit wenigen nationalen Zentren der Arbeitergesellschaften verhandelt, statt mit einer großen Anzahl kleiner und zusammenhangloser lokaler Gesellschaften, - so sollen die Mitglieder der Internationalen Assoziation alle ihre Kräfte aufbieten zur Vereinigung der zerstreuten Arbeitergesellschaften ihrer betreffenden Länder in nationale Körper, repräsentiert durch nationale Zentralorgane. Es versteht sich von selbst, daß die Anwendung dieses Artikels von den Sondergesetzen jedes Landes abhängt, und daß, abgesehen von gesetzlichen Hindernissen, keine unabhängige lokale Gesellschaft von direkter Korrespondenz mit dem Generalrat ausgeschlossen ist. Art. 8. Jede Sektion hat das Recht, ihren eignen, mit dem Generalrat korrespondierenden Sekretär zu ernennen. Art. 9. Jeder, der die Prinzipien der Internationalen Arbeiter-Assoziation anerkennt und verteidigt, ist wählbar als Mitglied derselben. Jede Zweiggesellschaft ist verantwortlich für die Unbescholtenheit der Mitglieder, die sie aufnimmt. Art. 10. Bei Veränderung des Wohnsitzes von einem Land zum andern erhält jedes Mitglied der Internationalen Assoziation die brüderliche Unterstützung der mitverbündeten Arbeiter. Art. 11. Obgleich vereinigt zu einem ewigen Bund brüderlichen Zusammenwirkens, behalten Arbeitergesellschaften, welche sich der
Internationalen Arbeiter-Assoziation anschließen, ihre bestehende Organisation unversehrt. Art. 12. Die gegenwärtigen Statuten können durch jeden Kongreß abgeändert werden, sobald zwei Drittel der anwesenden Delegierten sich dafür erklären. Art. 13. Alles, was nicht in den vorstehenden Statuten vorgesehn ist, wird durch besondere Verordnungen ergänzt, welche der Revision jedes Kongresses unterliegen.
Verwaltungs~ Verordnungen, revidiert im Einklang mit den Beschlüssen der Kongresse (1866-1869) und der Londoner Konferenz 1871
I DER ALLGEMEINE KONGRESS
1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeiter-Assoziation ist stimmfähig und wählbar bei den Delegiertenwahlen zum allgemeinen Kongreß. 2. Jede Zweiggesellschaft, welches immer die Zahl ihrer Mitglieder, kann einen Delegierten zum Kongreß senden. 3. Jeder Delegierte hat nur eine Stimme auf dem Kongreß. 4. Die Unkosten der Delegierten werden bestritten von den sie ernennenden Zweiggesellschaften oder Gruppen. 5. Ist eine Zweiggesellschaft außerstande, einen Delegierten zu senden, so kann sie sich wegen Ernennung eines gemeinsamen Delegierten mit andern benachbarten Zweigen einigen. 6. Jede Zweiggesellschaft oder Gruppe von mehr als 500 Mitgliedern kann für jede 500 zuschüssige Mitglieder weitere1 Delegierten ernennen. 7. Sitz und Stimmrecht auf dem Kongreß wird in Zukunft nur den Delegierten solcher Gesellschaften, Zweige oder Gruppen gestattet, welche Bestandteile der Internationalen bilden und ihre Beiträge dem Generalrat entrichtet haben. Für solche Länder jedoch, wo die regelmäßige Organisation der Internationalen gesetzlich verhindert ist, werden Delegierte von Gewerksgenossenschaften und Arbeiter-Kooperativgesellschaften zugelassen zu den Kongreßdebatten über Prinzipfragen, aber nicht zur Debatte und Abstimmung über Verwaltungsangelegenheiten.
1 In der englischen Ausgabe: einen weiteren
8. Die Sitzungen des Kongresses sind zweifach: geschlossene Verwaltungssitzungen, und öffentliche Sitzungen, denen die Debatte und Abstimmung über die allgemeinen Fragen des Kongreßprogramms vorbehalten ist. 9. Das Kongreßprogramm besteht aus den Fragen, die der vorhergehende Kongreß auf die Tagesordnung setzte, den Fragen, die der Generalrat zufügt und den Fragen, die ihm von den verschiedenen Sektionen, Gruppen oder deren Komitees zur Annahme unterbreitet worden sind. Es wird vom Generalrat redigiert. Jede Sektion, Gruppe oder deren Komitee, welche der Debatte des bevorstehenden Kongresses eine nicht vom vorigen Kongreß vorgeschlagene Frage unterbreiten will, hat dem Generalrat davon vor dem 3I.März Kenntnis zu geben. 10. Der Generalrat ist beauftragt mit der Organisierung der Kongresse und soll den Zweiggesellschaften, vermittelst der Föderalräte oder -komitees, das Kongreßprogramm rechtzeitig mitteilen. 11. Der Kongreß ernennt für jede ihm vorliegende Frage einen besonderen Ausschuß. Jeder Delegierte bezeichnet den Ausschuß, dem er anzugehören wünscht. Jeder Ausschuß liest die von den verschiedenen Sektionen und Gruppen eingereichten Denkschriften über die Frage, womit er befaßt ist. Er verarbeitet sie in einen Gesamtbericht, welcher allein m den öffentlichen Sitzungen zu verlesen ist. Er entscheidet außerdem, welche der erwähnten Denkschriften dem amtlichen Bericht über die Kongreßverhandlungen beizufügen sind. 12. In seinen öffentlichen Sitzungen beschäftigt sich der Kongreß zunächst mit den vom Generalrat auf die Tagesordnung gestellten Fragen. Demnächst erfolgt die Debatte über die übrigen Fragen. 13. Bei allen Beschlüssen über Prinzipienfragen findet namentliche Abstimmung statt. 14. Mindestens zwei Monate vor der Zusammenkunft des jährlichen Kongresses haben die Zweiggesellschaften oder deren Föderationen dem Generalrat einen ausführlichen Bericht über ihre Tätigkeit und Entwicklung während des laufenden Jahres zu erstatten. Der Generalrat hat das Material zu einem Gesamtbericht zu verarbeiten, der allein im Kongreß verlesen wird.
II
DER GENERALRAT
1. Die Bezeichnung: Generalrat wird dem Zentralrat der Internationalen Arbeiter-Assoziation vorbehalten. Die Zentralräte der verschiedenen Länder, wo die Internationale regelmäßig organisiert ist, haben sich zu bezeichnen als Föderalräte oder Föderalkomitees mit Beifügung der Namen ihrer betreffenden Länder. 2. Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen. 3. Sooft seine Mittel es erlauben, wird der Generalrat einen Bericht veröffentlichen, der sich über alles erstreckt, was von allgemeinem Interesse für die Internationale Arbeiter-Assoziation ist. Zu diesem Zweck sammelt er die ihm von den Föderalräten oder -komitees der verschiedenen Länder übersandten und auf andern Wegen ihm zukommenden Materialien. Der Bericht wird in verschiedenen Sprachen aufgesetzt und gratis an die Föderalräte oder -komitees versandt, welche jeder ihrer Sektionen ein Exemplar davon übermachen. Sollte der Generalrat außerstande sein, den erwähnten Bericht zu veröffentlichen, so hat er alle drei Monate eine schriftliche Mitteilung an die verschiedenen Föderalräte oder -komitees zu machen, welche diese ihrerseits in den Zeitungen ihrer betreffenden Länder und namentlich in den Organen der Internationalen veröffentlichen werden. 4. Jede neue Sektion oder Arbeitergesellschaft, welche den Anschluß an die Internationale beabsichtigt, hat den Generalrat sofort davon zu benachrichtigen. 5. Der Generalrat hat das Recht, den Anschluß jeder neuen Sektion oder Gruppe zuzulassen oder zu verweigern, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß. Wo jedoch Föderalräte oder -komitees bestehn, muß der Generalrat sie zu Rate ziehn vor Zulassung oder Verweigerung des Anschlusses einer neuen Sektion oder Gesellschaft innerhalb ihres Bereichs; unbeschadet jedoch seines Rechts der vorläufigen Entscheidung. 6. Der Generalrat hat ebenfalls das Recht, jede Sektion der Internationalen bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren. 7. Im Fall von Zwistigkeiten zwischen Gesellschaften oder Sektionen derselben nationalen Gruppe, oder zwischen Gruppen verschiedener Natio
nalität, hat der Generalrat das Recht der Entscheidung, vorbehaltlich der Berufung an den nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet. 8. Alle vom Generalrat zu bestimmten Sendungen ernannten Delegierten haben das Recht, allen Versammlungen der Föderalräte oder -komitees, Distrikts- und Lokalkomitees und Lokalsektionen beizuwohnen und daselbst gehört zu werden, ohne jedoch daselbst Stimmrecht zu haben. 9. Englische, französische und deutsche Ausgaben der Allgemeinen Statuten und Anordnungen sind nach der amtlichen Ausgabe des Generalrats zu veranstalten. Alle Übersetzungen der Allgemeinen Statuten und Verordnungen in andere Sprachen müssen vor ihrer Veröffentlichung dem Generalrat zur Genehmigung vorgelegt werden.
III
BEITRÄGE ZAHLBAR AN DEN GENERALRAT
1. Ein allgemeiner Beitrag von einem Penny (Groschen) pro Mitglied an den Generalrat wird von allen Sektionen und verbündeten Gesellschaften erhoben. Dieser Beitrag ist bestimmt zur Deckung der Kosten des Generalrats wie z.B. für die Besoldung des Generalsekretärs, Ausgaben für Korrespondenz, Druckschriften, Vorbereitungen für Kongresse usw. 2. Der Generalrat läßt anheftbare Marken, wovon jede den Wert eines Penny vorstellt, drucken, und den Föderalräten oder -komitees jährlich in der verlangten Anzahl zukommen. 3. Die Föderalräte oder -komitees übermachen den Lokalkomitees, und, in deren Abwesenheit, den lokalen Zweigen eine der Anzahl ihrer Mitglieder entsprechende Anzahl von Marken.1 4. Diese Marken sind alsdann auf das Exemplar der Statuten anzuheften2, welches jedes Mitglied zu besitzen gehalten ist. 5. Am 1. März jedes Jahres haben die Föderalräte oder -komitees der verschiedenen Länder den Erlös aus den verkauften Marken dem Generalrat zu übermachen und zugleich die unverkauften Marken zurückzusenden. 6. Diese Marken, die den Wert der Einzelbeiträge vorstellen, tragen das Datum des laufenden Jahres.
1 In der englischen Ausgabe fehlt dieser Punkt; die folgenden Punkte 4, 5 und 6 entsprechen den Punkten 3,4 und 5 der englischen Ausgabe -2 in der englischen Ausgabe lautet dieser Teil des Satzes: Diese Marken sind alsdann auf ein besonderes Blatt der Mitgliedskarte oder auf das Exemplar (Jer Statuten anzuheften
IV
FÖDERALRÄTE ODER -KOMITEES
1. Die Ausgaben der Föderalräte oder -komitees werden von ihren betreffenden Sektionen bestritten. 2. Die Föderalräte oder -komitees haben mindestens monatlich einen Bericht an den Generalrat zu senden. 3. Sie haben dem Generalrat alle drei Monate Bericht über die Verwaltung und den Finanzzustand ihrer betreffenden Sektionen zu erstatten. 4. Jede Föderation kann Gesellschaften oder Sektionen zulassen oder aus ihrer Mitte ausschließen. Sie ist jedoch nicht ermächtigt, sie ihres internationalen Charakters zu berauben, kann aber beim Generalrat ihre Suspension beantragen.
V
LOKAL-GESELLSCHAFTEN, SEKTIONEN UND GRUPPEN
1. Jede Sektion hat das Recht, sich Sonderstatuten für ihre lokale Verwaltung, je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen, zu geben. Die Sonderstatuten dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten und Verwaltungs-Verordnungen Widersprechendes enthalten. 2. Alle lokalen Zweige, Sektionen, Gruppen und deren Komitees sollen sich in Zukunft einfach und ausschließlich bezeichnen und konstituieren als Zweige usw. der Internationalen Arbeiter-Assoziation mit Beifügung der Namen ihrer bezüglichen Örtlichkeit. 3. Demgemäß ist es den Zweigen, Gruppen und deren Komitees von nun an untersagt, Sektennamen anzunehmen, z.B. die Namen Positivisten, Mutualisten, Kollektivisten, Kommunisten usw., oder Sonderkörper zu bilden, welche unter Bezeichnungen wie: Propagandasektion usw. sich eine besondere, von den gemeinsamen Zwecken der Assoziation verschiedene Mission zuschreiben. 4. Art.2 findet jedoch keine Anwendung auf die mit der Internationalen verbündeten Gewerksgenossenschaften. 5. Alle Sektionen, Zweige und mit der Internationalen verbündeten Arbeitergesellschaften sind eingeladen, das Präsidentenamt für ihre bezügliche Sektion oder Gesellschaft abzuschaffen.
6. Die Bildung weiblicher Zweiggesellschaften innerhalb der Arbeiterklasse wird anempfohlen. Dieser Artikel richtet sich selbstredend nicht gegen die Zusammensetzung von Zweiggesellschaften aus Arbeitern und Arbeiterinnen. 7. Wo Angriffe gegen die Internationale veröffentlicht werden, ist die nächste Sektion oder ihr Komitee gehalten, dem Generalrat sofort ein Exemplar solcher Druckschrift zu überschicken. 8. Die Adressen der Geschäftslokale aller internationalen Komitees und des Generalrats sind alle drei Monate in den Organen der Assoziation zu veröffentlichen.
VI
ALLGEMEINE STATISTIK DER ARBEITERKLASSE
1. Der Generalrat hat Art. 6 der Statuten, soweit er sich auf eine allgemeine Statistik der Arbeiterklasse bezieht, in Kraft zu setzen, ebenso wie die Beschlüsse des Genfer Kongresses (1866) über denselben Gegenstand. 2. Jede lokale Gruppe ist verpflichtet zur Ernennung eines besondern statistischen Komitees, damit sie stets, soweit ihre Mittel gestatten, bereit sei, vom Föderalrat ihres Landes oder vom Generalrat gestellte Fragen zu beantworten. Allen Gruppen wird empfohlen, den Sekretären der statistischen Komitees eine Vergütung zukommen zu lassen, in Anbetracht der allgemeinen Nützlichkeit ihres Werks für die Arbeiterklasse. 3. Am I.August jedes Jahres sollen die Föderalräte oder -komitees das in ihren betreffenden Ländern gesammelte Material dem Generalrat übersenden. Letzterer wird dasselbe seinerseits zu einem allgemeinen Bericht verarbeiten, der den jährlich im September stattfindenden Kongressen vorzulegen ist. 4. Gewerksgenossenschaften und internationale Zweige, welche die verlangte Auskunft verweigern, sind dem Generalrat zur weiteren Beschlußnahme anzuzeigen. 5. Die in Art. 1 dieser Abteilung erwähnten Beschlüsse des Genfer Kongresses 1866 sind folgende: Die statistische Untersuchung der Lage der arbeitenden Klasse aller zivilisierten Länder, unternommen von der Arbeiterklasse selbst, ist an sich schon ein großes internationales Werk. Um erfolgreich zu wirken, muß man das Material kennen, worauf man wirken will. Durch die lnitia
tive eines so großen Werks beweisen die Arbeiter zudem ihre Fähigkeit, ihr eigenes Geschick in ihre Hand zu nehmen. Der Kongreß schlägt daher vor, daß an jedem Ort, wo ein Zweig unserer Gesellschaft besteht, das Werk sofort begonnen und Material über die verschiedenen Punkte des angeführten Untersuchungsplanes gesammelt werde. Er ladet die Arbeiter Europas und der Vereinigten Staaten Amerikas ein, für die Zusammentragung der Elemente einer Statistik der Arbeiterklasse mitzuwirken und ihre Berichte nebst Beweismaterial dem Generalrat einzusenden. Letzterer hat sie in einen Gesamtbericht zu verarbeiten, dem er das Beweismaterial als Anhang zufügt. Dieser Bericht, nebst Anhang, ist dem nächsten jährlichen Kongreß vorzulegen und nach dessen Genehmigung auf Kosten der Assoziation zu drucken. Untersuchungsschema, je nach Umständen zu verändern und zu ergänzen: 1. Gewerk, Name. 2. Alter und Geschlecht der Arbeiter. 3. Zahl der beschäftigten Arbeiter. 4. Löhne: a) Lehrlinge und Gehilfen. b) Tagelohn oder Stücklohn? Von Zwischenunternehmern gezahlte Löhne. Wöchentlicher und jährlicher Durchschnitt. 5. a) Arbeitsstunden in Fabriken. b) Arbeitsstunden bei kleinen Meistern und in der Hausarbeit, falls das Gewerbe in diesen verschiedenen Weisen betrieben wird. c) Nacht- und Tagesarbeit. 6. Mahlzeitsstunden und Behandlung. 7. Beschaffenheit der Werkstätten und der Arbeit, Überfüllung, mangelhafte Ventilation, Mangel an Tageslicht, Gasbeleuchtung, Reinlichkeit usw. 8. Wirkung der Arbeit auf den Körperzustand. 9. Moralitäts- und Bildungszustand, Erziehung. 10. Charakter des Geschäfts; ob mehr oder weniger gleichförmig für das ganze Jahr oder an gewisse Jahreszeiten gebunden; ob großen Schwankungen ausgesetzt, ob fremder Konkurrenz unterworfen, ob hauptsächlich für den innern oder auswärtigen Markt arbeitend. 11. Besondere Gesetzgebung über das Verhältnis zwischen Arbeiter und Meister. 12. Nahrungs- und Wohnungszustände der Arbeiter.1
1 In der englischen Ausgabe fehlen die Punkte 11 und 12
29 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Anhang
Die in London vom 17.-23. September 1871 abgehaltene Konferenz hat den Generalrat beauftragt, in englischer, französischer und deutscher Sprache eine neue authentische und revidierte Ausgabe der Allgemeinen Statuten und Verwaltungs-Verordnungen der Internationalen ArbeiterAssoziation zu veranstalten, und zwar aus folgenden Gründen:
I. ALLGEMEINE STATUTEN
Der Genfer Kongreß (1866) nahm, mit wenigen Zusätzen, die zu London im November 1864 veröffentlichten provisorischen Statuten der Assoziation an. Er entschied ebenfalls (siehe: „Congres ouvrier de l'Association Internationale des Travailleurs a Geneve du 3 au 8 Septembre 1866", Geneve 1866, p.27, Anmerkung), daß der Generalrat den amtlichen und bindenden Text sowohl der Statuten als der vom Kongreß erlassenen Verwaltungs-Verordnungen veröffentlichen solle. Der Generalrat wurde verhindert an der Ausführung dieses Beschlusses durch die Beschlagnahme der Protokolle des Genfer Kongresses, während ihres Durchgangs durch Frankreich, von Seiten der bonapartistischen Regierung. Als endlich die Protokolle, infolge des Einschreitens des Lord Stanley, damals britischer Minister des Auswärtigen, nach London gelangten, war bereits ein französischer Kongreßbericht erschienen. Der Text der Statuten und Verwaltungs-Verordnungen, den er enthielt, wurde sofort in allen französisch sprechenden Ländern wieder abgedruckt. Dieser Text war vielfältig fehlerhaft. 1. Die Pariser Ausgabe der Londoner provisorischen Statuten wurde als genaue Übersetzung zugrunde gelegt. Das Pariser Komitee jedoch, von dem diese Übersetzung ausging, hatte nicht nur die Erwägungsgründe der Statuten sehr eingreifend verändert, und, auf Interpellation des Generalrats, diese Veränderungen entschuldigt durch den bestehenden politischen Zustand Frankreichs. Es hatte auch, aus mangelhafter Kenntnis der englischen Sprache, Statutenartikel irrig übersetzt. 2. Der Genfer Kongreß hatte den provisorischen Statuten einen endgültigen Charakter zu geben. Sein zu diesem Zweck ernanntes Komitee strich einfach alle Stellen aus, worin provisorische Maßregeln erwähnt wurden; es übersah, daß verschiedene dieser Stellen, neben ihrem bloß
provisorischen Inhalt, dauernde Bestimmungen von der größten Wichtigkeit enthielten. Die nach dem Lausanner Kongreß (1867) veröffentlichte englische Ausgabe läßt diese Stellen ebenfalls aus.
II. VERWALTUNGS-VERORDNUNGEN
Die bisher mit den Statuten gemeinsam veröffentlichten VerwaltungsVerordnungen enthalten nur die Beschlüsse des Genfer Kongresses (1866). Es wurde daher nötig, die von den späteren Kongressen und von der Londoner Konferenz (1871) erlassenen Verordnungen zu kodifizieren. Für die gegenwärtige revidierte Ausgabe sind folgende Druckschriften benutzt worden: „Address and provisional Rules of the International Working Men's Association", etc. London 1864. „Rules of the International Working Men's Association". London 1867. „Congres ouvrier de l'Association Internationale des Travailleurs, tenu ä Geneve du 3 au 8 Septembre 1866". Geneve 1866. „Proces-verbaux du Congres de Geneve, 1866. Rapport du Conseil G&ieral". Publie dans le „Courrier International", Mars& Avril. Londres 1867.1 „Proces-verbaux du Congres de l'Association Internationale des Travailleurs , r6uni ä Lausanne, du 2 au 8 Septembre 1867". Chaux-de-Fonds 1867. „Troisieme Congres de l'Association Internationale des Travailleurs (Brüsseler Kongreß). Compte-rendu officiel". Bruxelles 1868. „The International Working Men's Association. Resolutions of the Congress of Geneva, 1866, and the Congress of Brüssels, 1868". London 1868. „Compte-rendu du 4me Congres International, tenu ä Bale en Septembre 1868". Bruxelles 1869. „Report of the Fourth Annual Congress of the International Working Men's Association, held at Basle, 1869. Published by the General Council". London 1869. „Quatrieme Congres de l'Association Internationale des Travailleurs, tenu ä Bale, 1869. Rapport du delegue des Sections de la Fabrique ä Geneve". Geneve 1869. „Resolutions of the Conference of Delegates of the International Working Men's Association, assembled at London, 1871". London 1871.
1 In der englischen Ausgabe wird diese Druckschrift nicht angegeben
Für den Baseler Kongreß sind ferner der deutsche Kongreßbericht, veröffentlicht in Flugblättern, und die während des Kongresses vom Generalsekretär gemachten Notizen zu Rate gezogen worden. Die Art und Weise, wie diese verschiedenen Quellen für die gegenwärtige Ausgabe benutzt worden sind, ergibt sich aus nachfolgender Zusammenstellung.
ALLGEMEINE STATUTEN
Einleitung. - Nach den Worten: „Aus diesen Gründen" sind die Worte wiederhergestellt worden: „ist die Internationale Assoziation gestiftet worden."1 Die Stelle: „Sie erachten es die Pflicht eines jeden"2 etc. ist weggelassen, weil zwei gleichmäßig authentische und miteinander unvereinbare Texte derselben vorliegen. Außerdem ist ihr wirklicher Sinn enthalten in der ihr unmittelbar vorhergehenden Stelle und in der ihr unmittelbar folgenden: „Keine Pflichten ohne Rechte" etc. Art. 3 ist wiederhergestellt nach Art. 3 der provisorischen Statuten. Art. 4. - Teil von Art. 3 und der ganze Art. 4 in Rules, etc. London 1867. Art. 5. - Einleitender Teil des Art. 3, Rules, 1867. Die Worte: „ein Präsident" sind weggelassen in Übereinstimmung mit Verwaltungsbeschluß I des Baseler Kongresses.'3501 Art. 6. - Art. 5, Rules, 1867. Die Worte: „co-operating associations" (kooperierende Assoziationen) sind abgeändert in: „nationale und lokale Gruppen der Assoziation", weil verschiedene Übersetzungen den ursprünglichen Ausdruck irrtümlich durch: „Kooperativgesellschaften" wiedergaben. Art. 7.-Art. 6, Rules, 1867. Art. 8.-Art. 10, Rules, 1867. Art. 12 bildet Art. 13 der Verwaltungs-Anordnungen in Rules, 1867. Art. 13.-Art. 12, Rules, 1867. Art. 7, Rules, 1867, ist weggelassen, weil er im Widerspruch mit einem Beschluß des Lausanner Kongresses eingefügt war. Siehe „Proces-verbaux du Congres de Lausanne", p.36.
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S. 14 - 2 ebenda, S. 15
VERWALTUNGS-VERORDNUNGEN
/. Der allgemeine Kongreß Art. 1. - Art. 11 der Verordnungen des Genfer Kongresses, („Congres de Geneve" Geneve 1866, p.26 &ff.); Art. 10, Rules, 1867; letzterer ist unvollständig. Art. 2. - Art. 9, Congres de Geneve; Art. 6, Rules, etc., 1867. Art. 3. - Art. 13, Congres de Geneve; Art. 11, Rules, etc., 1867. Art. 4. - Art. 10, Congres de Geneve; Art. 9, Rules, etc., 1867. Art. 5. - Art. 9, Congres de Geneve; Art. 7, Rules, etc., 1867. Art. 6. - Art. 12, Congres de Geneve; Art. 8, Rules, etc., 1867. Art. 7. - Baseler VerwaltungsVerordnungen, VIII. Art. 8. - Für diesen Artikel ist der „Guide Pratique pour le Congres de 1'Internationale" („Compte-rendu du Congres de Bäle", Bruxelles 1869) vervollständigt worden durch die übrigen, obenangeführten Quellen für den Baseler Kongreß. Art. 9. - Erster Teil wie für Art. 8, Zweiter Teil, Lausanner Kongreßbeschluß (Proces-verbaux, p.74,1.) Art. 10. - Art. 1 b, Congräs de Geneve; Art. 1 b, Rules, etc., 1867. Art. 11.- Guide Pratique, Baseler Kongreß, Art. 3 und 11. Art. 12. - Guide Pratique, etc., Art. 10. Art. 13. - Guide Pratique, etc., Art. 7. Art. 14. - Guide Pratique, etc., Art. 4.
II. Der Generalrat Art. 1. - Londoner Konferenz, 1871, II. 1. Art. 2. - Congres de Geneve, Art. 1; Rules, etc., 1867, Art. 1. Art. 3. - Die zwei ersten Absätze, Art. 2 und Art. 1 a, Congres de Geneve und Rules, etc., 1867. Dritter Absatz, Art. 3, Congres de Geneve. Letzter Absatz, Lausanner Kongreß, Proces-verbaux, p.3I, Art. 2. Art. 4 bis 7. - Baseler Verwaltungsbeschlüsse, IV bis VII. Art. 8. - Londoner Konferenz, III. Art. 9. - Beschluß der Londoner Konferenz, Sitzungen vom 18. und 22. September.
III. Beiträge zahlbar an den Generalrai Art. 1. Erster Absatz - Lausanner Kongreß, Proces-verbaux, p.37, 3; und Art. IX, Baseler Verwaltungsbeschlüsse. Zweiter Absatz - Art. 4, Congres de Geneve, und Rules, 1867. Art. 2 bis 6. - Londoner Konferenz, IV, 1 bis 5.
IV. Föderalräte und -komitees Art. 1. - Art. 6, Congres de Geneve, und Rules, 1867. Art. 2.-Art. 5, dito. Art. 3. - Brüsseler Kongreß, „Compte-rendu officiel", p. 50, Appendice, Seances Administratives, Resolution No. 3. Art. 4. - Art. VI, Baseler Verwaltungsbeschlüsse.
V. Lokal-Gesellschaften, Zweige und Gruppen Art. 1. - Art. 14, Congres de Geneve; Art. 12, Rules, etc., 1867. Art. 2 bis 4. - Londoner Konferenz, II, 2 bis 4. Art. 5. - Art. I, Baseler Verwaltungsbeschlüsse. Art. 6. - Londoner Konferenz, V. Art. 7. - Art. II, Baseler Verwaltungsbeschlüsse. Art. 8. - Art. III, dito.
VI. Allgemeine Statistik der Arbeiterklasse Art. 1 bis 4. - Londoner Konferenz, VI, 1 bis 4. Art. 5. - Beschluß des Genfer Kongresses (Londoner Ausgabe der Genfer und Brüsseler Kongreßbeschlüsse, p.4).
Auf Befehl und im Namen der Londoner Konferenz 1871:
Der Generalrat: R. Applegarth, Ant.Arnaud1, M.J.Boon, Fred. Bradnick, G. H. Buttery, F. Cournet1, E. Delahaye, Eugene Dupont2, Wm. Haies, G. Harris, Hurliman, Jules Johannard, Harriet Law, Fred. Leßner, Lochner3, Constant Martin,
1 Fehlt in der englischen Ausgabe - 2 auf Eugene Dupont folgt in der englischen Ausgabe: (abwesend als Emissär) - 3 nach Lochner folgt in der englischen Ausgabe: Ch.Longuet
Zevy Maurice, Henry Mayo, George Milner, Ch. Murray, Pfänder, Vitale Regis1, G. Ranvier1, John Roach, Rühl, Sadler, CowellStepney, Alfred Taylor, W.Townshend, Ed. Vaillant, John Weston
Korrespondierende Sekretäre: A. Herman, für Belgien - Th.Mottershead, für Dänemark - Karl Marx, für Deutschland und Rußland - Aug. Serraillier, für Frankreich - Ch. Rochat, für Holland - J. P. Mac Donnel, für Irland - Friedrich Engels, für Italien und Spanien - Leo Frankel, für Osterreich und Ungarn - Walery Wroblewski, für Polen - Hermann Jung, für die Schweiz - J. G. Eccarius, für die Vereinigten Staaten - Constant Le Moussu, für französische Sektionen der Vereinigten Staaten Ch. Longuet, Vorsitzender Herrn. Jung, Schatzmeister John Haies, Generalsekretär
256, High Holborn, London, W.C. 24. Oktober 1871
Nach: „Allgemeine Statuten und Verwaltungs-Verordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation". Amtliche deutsche Ausgabe, revidiert durch den Generalrath. Leipzig 1871.
Friedrich Engels [Erklärung des Generalrats zum Brief von Cochrane135],]
[„The Eastern Post" Nr. 163 vom 11. November 1871] An den Redakteur der „Eastern Post" [352)
Sir, in der „Times" vom 31 .Oktober erschien ein Brief über die Internationale, unterzeichnet von Alexander Baillie Cochrane, für dessen Beantwortung ich den Platz in Ihrer Zeitung erbitte. Zunächst ist Herr A.B.C. „nicht im Bilde, ob Herr Odger noch Präsident des englischen Zweigs dieser Gesellschaft ist". Bereits seit September 1867 ist die Präsidentenwürde des Generalrats der Internationale, die Herr A.B.C. den englischen Zweig dieser Gesellschaft nennt, abgeschafft. Es ist wohlbekannt, daß Herr Odger nach der Veröffentlichung unserer Adresse über den Bürgerkrieg in Frankreich (im Juni dieses Jahres) aus dem Generalrat ausgetreten ist. Nachdem Herr A.B.C. einigen kontinentalen Klatsch über die Zusammensetzung unserer Delegiertenkonferenz in London vom vergangenen September gelesen hat, wendet er diese Information auf die öffentliche Versammlung in St.Martin's Hall vom 28.September 1864 an. Auf dieser Versammlung wurde, wie der Schreiber in der „Times" vom 27.Oktober richtig bemerkte, das provisorische Komitee der Internationalen Arbeiterassoziation gewählt, aber nicht „Herr Odger als Präsident, Herr Cremer und Herr Wheeler als Sekretäre gewählt", wie Herr A.B.C. behauptet. Herr A.B.C. fährt dann fort, die Glaubwürdigkeit seiner Information durch folgendes „authentisches Dokument" zu beweisen. Erstens: „Die rote Fahne ist das Symbol der allgemeinen Menschenliebe." Dieses authentische Dokument ist nichts anderes als die Präambel einer der zahllosen Fälschungen, welche von der Pariser Polizei kürzlich unter
dem Namen der Internationale veröffentlicht und vom Generalrat seinerzeit zurückgewiesen wurden. Zweitens: „Das Genfer Programm unter dem Vorsitz" (es fällt einem ziemlich schwer, sich vorzustellen, wie ein Programm unter einem Vorsitz sein kann) „des Russen Michail Bakunin wurde vom Londoner Generalrat im Juli 1869 angenommen." Dies Genfer Programm ist nichts anderes als die Genfer Statuten der Allianz der sozialistischen Demokratie, die schon in Jules Favres Rundschreiben über die Internationale zitiert wurden. Nun habe ich in Beantwortung dieses Rundschreibens erklärt (siehe „Times" vom 13.Juni), daß der Generalrat nie solch ein Aktenstück erlassen hat. Im Gegenteil, er erließ ein Aktenstück, das die Originalstatuten der Allianz annullierte1. Ich kann noch hinzufügen, daß die kürzlich in London abgehaltene Konferenz sich endgültig von der von Michail Bakunin gegründeten Allianz getrennt hat und daß das „Journal de Geneve" [3B3J, diese würdige Vertreterin der Parteidogmen des Herrn A.B.C., die Verteidigung der Allianz gegen die Internationale aufgenommen hat. Drittens: Herr A.B.C. zieht aus seinem Bündel „authentischer Dokumente" irgendeinen entstellten Auszug aus den Privatbriefen unseres Freundes Eugene Dupont, der schon vor langer Zeit von dem bonapartistischen Ex-Staatsanwalt, Oscar Testut, veröffentlicht worden war[3a4'. Noch bevor sich Herr A.B.C. auf die Suche nach dieser „glaubwürdigen Information" auf den Kontinent begab, hatte sie schon in der englischen Presse die Runde gemacht. Herr Alexander Baillie Cochrane nennt unsere Gesellschaft „infam". Wie soll ich eine Gesellschaft nennen, die dem nämlichen Alexander Baillie Cochrane das Geschäft des Gesetzeverfassens überläßt?
Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener John Haies Generalsekretär der Internationalen Arbeiterassoziation
256, High Holborn
Geschrieben am 31. Oktober 1871. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels [Uber den Gründungsschwindel in England]
[„Der Volksstaat" Nr.91 vom 11. November 1871] London, 4.November. - Wir sind hier jetzt im vollen Schwung der Prosperität und der flotten Geschäfte - wir, d.h. das offizielle England, die großen Kapitalisten. Kapital ist im Überfluß auf dem Markt und sucht überall nach profitablem Unterkommen; Schwindelgesellschaften zur Beglückung der Menschheit und zur Bereicherung der Unternehmer schießen wie Pilze aus dem Boden. Bergwerke, Asphaltgruben, Pferde-Eisenbahnen für große Städte, Eisenwerke scheinen jetzt am meisten in der Mode zu sein; Minen werden ausgeboten an der Wolga und in Neu-Mexiko; in Savoyen, im Jura, in Hannover sind Asphaltgruben aufgekauft; Lissabon und Buenos Aires sollen Pferde-Eisenbahnen erhalten usw. Alle diese Aktiengesellschaften haben natürlich bloß den Zweck, die Aktien für den Augenblick in die Höhe zu treiben, damit die Unternehmer sich ihres Anteils mit Gewinn entledigen können; was dann aus den Aktionären wird, geht sie weiter nichts an: ,,^4ach uns die Sündflut!" In drei, vier Jahren werden fünf Sechstel dieser Schwindelgesellschaften den Weg alles Fleisches gegangen sein und mit ihnen das Geld der an der Leimrute hängengebliebenen Aktionäre. Es werden, wie immer, meist kleine Leute sein, die ihre Ersparnisse in diesen „äußerst soliden und vorteilhaften" Unternehmungen anlegen, und zwar gerade dann, wenn die Aktien durch den Schwindel auf den höchsten Punkt getrieben sind - und geschieht ihnen recht. Der Aktienschwindel ist eins der kräftigsten Mittel, um das angeblich, zum Teil auch wohl wirklich selbsterworbene Vermögen der kleinen Leute in die Taschen der großen Kapitalisten zu spielen, damit es auch dem Dümmsten klar werde, daß in der heutigen gesellschaftlichen Ordnung „selbsterarbeitetes" Kapital gar nicht möglich ist, daß vielmehr alles bestehende Kapital weiter nichts ist, als der ohne Bezahlung angeeignete
Ertrag fremder Arbeit. Und wenn dieser Gründungsschwindel in der letzten Zeit auch in Deutschland und Österreich in vollen Schwung gekommen ist, wenn Fürsten und Juden, Reichskanzler und Pfäfflein gemeinsam auf die Ersparnisse der kleinen Leute Jagd machen, so kann uns das nur willkommen sein. Dieses Überströmen der Kapitalien auf dem Geldmarkt ist aber nur der Widerschein der Blüte der großen Industrie. In fast allen Zweigen der Produktion wird mit einer Flottheit gearbeitet, wie sie seit Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Namentlich in den beiden Hauptindustrien Englands, in denen Eisen und Baumwolle die Rohstoffe bilden. Die Spinner von Lancashire haben endlich einmal wieder Baumwolle genug, um ihre Fabriken massenhaft ausdehnen zu können; und sie lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen. In dem kleinen Oldham allein sind fünfzehn neue Spinnereien im Bau, durchschnittlich zu fünfzigtausend Spindeln - zusammen 750 000 Spindeln, fast ebensoviel, wie der ganze Zollverein13551 (ohne Elsaß) enthält! Dazu Webstühle im Verhältnis, und ebenso geht's in den anderen Städten von Lancashire. Die Maschinenfabriken sind auf Monate, manche auf ein Jahr im voraus engagiert und erhalten jeden Preis bezahlt, wenn sie nur liefern können. Kurz, es sieht wieder aus wie 1844, nach der Eröffnung des chinesischen Markts13561, wo die Fabrikanten nur die eine Angst hatten, daß sie genug liefern könnten: sie hatten ja, wie sie sagten, Kleider für 300 Millionen Menschen zu schaffen! Damals kam der Rückschlag von 1845 und 1847, wo sich auf einmal herausstellte, daß die 300 Millionen Chinesen ihre Kleider bisher gefälligst selbst gemacht hatten, und die überproduzierten englischen Waren auf allen Märkten haufenweise unverkäuflich dalagen, während die Fabrikanten und Spekulanten zu Hunderten fallierten. Und so wird es auch jetzt wieder kommen; diese Leute lernen nichts, und wenn sie auch etwas lernten, so zwingt sie doch das innere Gesetz der kapitalistischen Produktion, fortwährend den altbekannten Kreislauf von Geschäftsaufschwung, Überproduktion und Krisis zu wiederholen, in immer größerem Maßstab zu wiederholen, bis endlich die Erhebung des Proletariats die Gesellschaft von der Notwendigkeit dieses abgeschmackten Kreislaufes befreit. Ein Herr Schwitzguebel verlangt im „Volksstaat", im Namen eines mir unbekannten Föderalkomitees der Romanischen Schweiz, nähere Aufklärung über das, was ich im „Volksstaat" betreffs des Herrn Elpidin veröffentlicht habe.1 Ich habe mit Herrn Schwitzguebel gar nichts zu tun und
kann in dieser Sache einem beliebigen Dritten durchaus keine Rede stehen. Wenn aber Herr Elpidin selbst sich in dieser Sache an die Redaktion wenden sollte, so stehe ich ihm zu Diensten und bitte die Redaktion des „Volksstaat", in diesem Falle dem Herrn Elpidin meine Adresse mitzuteilen, damit er sich direkt an mich wenden kann.
Karl Marx [Beschlußvorlage des Generalrats über die Section franfaise de 1871!35/1]
Internationale Arbeiterassoziation Beschluß des Generalrats, angenommen in der Sitzung vom 7. November 1871
I. EINLEITENDE BEMERKUNGEN Der Generalrat ist der Meinung, daß die von der Section franfaise de 1871 ausgesprochenen Gedanken über eine herbeizuführende radikale Veränderung jener Artikel der Allgemeinen Statuten, die sich auf die Zusammensetzung des Generalrats beziehen, überhaupt nichts mit der Frage zu tun haben, zu der sie sich äußern soll. Was die durch besagte Sektion dem Generalrat zugefügten Beleidigungen betrifft, so werden sie von den Föderalräten und Föderalkomitees der verschiedenen Länder ihrem wahren Wert entsprechend beurteilt werden. Der Rat bemerkt nur: daß seit dem Baseler Kongreß (vom 6. bis 11. September 1869) noch keine drei Jahre verstrichen sind, wie die besagte Sektion vorsätzlich behauptet; daß der Rat 1870, am Vorabend des Deutsch-Französischen Krieges, in einem allgemeinen Rundschreiben an alle Föderationen, einschließlich des Föderalrats von Paris, vorgeschlagen hat, den Sitz des Generalrats aus London zu verlegen'358'; daß die erhaltenen Antworten einstimmig die Beibehaltung des gegenwärtigen Sitzes des Rates und die Verlängerung seiner Vollmachten befürworteten ,* daß der Generalrat 1871, sobald es ihm die Ereignisse erlaubten, eine Delegiertenkonferenz einberufen hat, die einzig mögliche Einberufung unter den gegebenen Umständen; daß auf dieser Konferenz die Delegierten des Kontinents erklärt haben, man befürchte in ihren respektiven Ländern, den internationalen Charakter
des Generalrats durch zu zahlreiche Beifügung französischer Flüchtlinge zu gefährden; daß die Konferenz (siehe ihre „Beschlüsse etc.", XV1) „es der Entscheidung des Generalrats überläßt, je nach den Ereignissen, die Zeit und den Ort des nächsten Kongresses oder der ihn etwa ersetzenden Konferenz zu bestimmen". Was die Anmaßung der obengenannten Sektion anbetrifft, sie verträte ausschließlich „das revolutionäre französische Element", weil zu ihren Mitgliedern ehemalige Vorsitzende von Pariser Arbeitergesellschaften gehören, bemerkt der Rat: Vorsitzender einer Arbeitergesellschaft gewesen zu sein, kann sicherlich für den Generalrat ein Beweggrund sein, darf aber auf keinen Fall einen Anspruch auf die Zulassung „von Rechts wegen" bedeuten, um dort „das revolutionäre Element" zu vertreten. Denn wenn dem so wäre, hätte der Rat den Herrn Gustave Durand als Mitglied aufnehmen müssen, weil er Vorsitzender der Pariser Goldarbeiter-Vereinigung und in London Sekretär der Section fran^aise de 1871 gewesen ist. Übrigens ist es vielmehr die Aufgabe der Mitglieder des Generalrats, die Prinzipien der Internationalen Arbeiterassoziation zu vertreten als die Meinungen und Interessen dieser oder jener Körperschaft.
II. EINWÄNDE DER SECTION FRANCAISE DE 1871 GEGEN DEN BESCHLUSS DES GENERALRATS VOM 17. OKTOBER, VORGEBRACHT IN DER SITZUNG DES GENERALRATS VOM 31. OKTOBER
1. Zu der folgenden Stelle des Artikels 2 ihrer Statuten: „Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man den Nachweis über seine Existenzmittel führen, Garantien der Moralität vorlegen usw." bemerkt die Sektion, „daß die Allgemeinen Statuten die Sektionen für die Moralität ihrer Mitglieder verantwortlich machen und ihnen demzufolge das Recht zuerkennen, Garantien zu verlangen, wie sie es für nötig halten". Wollte man die Dinge so sehen, dann könnte eine von den teetotalers2 gegründete internationale Sektion in ihre besonderen Statuten folgenden Punkt einfügen: „Um als Mitglied in die Sektion aufgenommen zu werden, muß man schwören, sich jedes alkoholischen Getränkes zu enthalten." Mit
einem Wort, durch die besonderen Statuten der verschiedenen Sektionen könnten die absurdesten und unzusammenhängendsten Aufnahmebedingungen in die Internationale gestellt werden, immer unter dem Vorwand, daß sie „es für nötig halten, auf diese Weise" ihrer Verantwortung für die Unbescholtenheit ihrer Mitglieder gerecht zu werden. Der Generalrat erklärte in seinem Beschluß I vom 1 J.Oktober1, daß es „Fälle" gibt, „bei denen das Fehlen der Existenzmittel gerade eine Garantie der Moralität sein kann". Er glaubt, daß die Sektion es sich hätte ersparen können, diesen Satz zu wiederholen, indem sie sagt, daß „die Flüchtlinge" durch das „beredte Zeugnis ihres Elends gegen jeden Verdacht geschützt" sind. Auf die Phrase, daß das „Existenzmittel" der Streikenden die „Streikkasse" sei, muß man vorerst erwidern, daß diese „Kasse" oft fiktiv ist. Übrigens haben die offiziellen englischen Untersuchungen erwiesen, daß die Mehrheit der englischen Arbeiter, die im allgemeinen besser gestellt sind als ihre Brüder auf dem Kontinent, gezwungen ist - sei es durch Streiks oder Arbeitslosigkeit, sei es durch ungenügende Löhne oder infolge von Zahlungsterminen oder aus anderen Ursachen-, unaufhörlich zur Pfandleihe und zu Schulden Zuflucht zu nehmen, „Existenzmittel", deren Nachweis man nicht fordern könnte, ohne sich in unzulässiger Weise in das Privatleben der Bürger einzumischen. Eins von beiden: Entweder sucht die Sektion in den „Existenzmitteln" bloß „Garantien der Moralität", und dann erfüllt der folgende Vorschlag des Generalrats seinen Zweck: „Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man Garantien der Moralität vorlegen ", da der Vorschlag einschließt (siehe Beschluß I vom 17. Oktober), daß „eine Sektion in Zweifelsfällen Informationen über die Existenzmittel als Garantie der Moralität" einholen kann; oder die Sektion hat in Artikel 2 ihrer Statuten absichtlich außer den „Garantien der Moralität", die zu fordern sie das Recht hat, von dem Nachweis der „Existenzmittel" als Aufnahmebedingung gesprochen; und in diesem Fall bekräftigt der Generalrat, daß „dies eine bürgerliche Neuerung ist, die dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten widerspricht". 2. Auf die Ablehnung des folgenden Paragraphen aus Artikel 11 der „Statuten etc." durch den Generalrat: „Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt", antwortet die Sektion:
„Uns ist keineswegs unbekannt... daß der Buchstabe der Allgemeinen Statuten ihm" (dem Generalrat) „das Recht gibt, Delegierte zu akzeptieren oder nicht zu akzeptieren." Das beweist augenscheinlich, daß die Sektion mit dem Buchstaben der Allgemeinen Statuten nicht vertraut ist. Tatsächlich anerkennen die Allgemeinen Statuten nur zwei Arten der Wahl für den Generalrat - entweder die Ernennung durch den Kongreß oder die Beifügung neuer Mitglieder durch den Rat selbst - und es wird dort überhaupt nicht von der Beifügung oder der Nichtbeifügung von Delegierten der Sektionen oder Gruppen gesprochen. Die in erster Linie von den Sektionen in London vorgeschlagene Aufnahme von Delegierten ist niemals mehr als eine administrative Maßnahme des Generalrats gewesen, der hiermit von seinem Recht der Beifügung Gebrauch machte (siehe Beschluß II, 2 des Generalrats vom 17.Oktober). Die außerordentlichen Umstände, die den Rat dazu führten, diesen Modus der Beifügung anzuwenden, werden in seinem Beschluß vom 17. Oktober hinreichend erläutert. In demselben Beschluß (II, 3) erklärt der Rat seine Bereitschaft, Delegierte der Section fran^aise de 1871 unter den gleichen Bedingungen zuzulassen wie die anderen Delegierten der Londoner Sektionen. Aber er wird keine Forderung ernst nehmen, die entgegen den Allgemeinen Statuten ein Privileg für diese Sektion sein würde. Dadurch, daß die Section fran^aise de 1871 in Artikel 11 ihrer Statuten folgenden Paragraphen: „Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt", einfügt, beansprucht sie die Delegierung zum Generalrat als ein auf die Allgemeinen Statuten begründetes Recht. Sie tat so, als ob sie von ihrem imaginären Recht so überzeugt sei, daß sie sogar vor ihrer Anerkennung durch den Generalrat (siehe Artikel VI der Verwaltungsbeschlüsse des Baseler Kongresses13371) nicht gezögert hat, am 17. Oktober „von Rechts wegen" zwei Delegierte mit „gebundenen Mandaten", die von 20 Sektionsmitgliedern sanktioniert worden waren, zur Sitzung des Generalrats zu entsenden. Schließlich besteht sie in ihrem letzten Schreiben von neuem auf „der Pflicht und dem Recht, Delegierte zum Generalrat zu entsenden". Die Sektion sucht in der Stellung des Bürgers Herman beim Generalrat einen Präzedenzfall zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche. Sie tut so, als wüßte sie nicht, daß Bürger Herman auf Empfehlung eines belgischen Kongresses151581 vom Rat kooptiert wurde und daß er dort keineswegs eine Sektion von Lüttich vertritt.
3. Auf die Weigerung des Generalrats, folgenden Absatz der Statuten der Section etc. zuzulassen: „Jedes Mitglied der Sektion verpflichtet sich, keine andere Delegierung in den Generalrat anzunehmen als die seiner Sektion", antwortet die Sektion: „Wir beschränken uns darauf, zu erwidern, daß wir ein besonderes Reglement haben; unsere Vereinbarungen betreffen nur uns und gehen nur uns etwas an; und diese Forderung widerspricht keineswegs den Allgemeinen Statuten, die in dieser Hinsicht schweigen." Es ist schwer zu verstehen, wie Statuten, die in bezug auf das Recht der Delegierung zum Generalrat schweigen, zu den Bedingungen dieser Delegierung beredt sein können. Leichter zu verstehen ist jedoch, daß die besonderen Reglements einer Sektion nur für sie Gültigkeit haben. Aber man darf nicht zulassen, daß diese besonderen Reglements einer Sektion „nur sie betreffen und angehen". Denn wenn zum Beispiel der Generalrat den Artikel 11 der Statuten der Section fran^aise de 1871 annehmen würde, wäre er gezwungen, ihn in die Statuten aller anderen Sektionen aufzunehmen; und dieser Artikel, verallgemeinert, würde völlig das dem Rat laut den Allgemeinen Statuten zustehende Recht der Beifügung annullieren. Aus diesen Gründen: I. hält der Generalrat seinen Beschluß vom 17. Oktober 1871 voll und ganz für gültig. II. Falls dieser Beschluß bis zur Sitzung des Rats vom 2I.November nicht angenommen werden sollte, werden seine korrespondierenden Sekretäre beauftragt, den Föderalräten oder Föderalkomitees der verschiedenen Länder, oder in Ermangelung solcher, den lokalen Gruppen folgendes zur Kenntnis zu bringen: die „Statuten der Section franfaise de 1871", das Mandat der Delegierten der besagten Sektion, welches dem Generalrat in seiner Sitzung vom 17. Oktober mitgeteilt wurde, den Beschluß des Generalrats vom 17. Oktober, die Antwort der Section franfaise de 1871, die dem Generalrat in seiner Sitzung vom 31. Oktober mitgeteilt wurde, und diesen endgültigen Beschluß des Generalrats vom 7.November.
London, 7.November 1871
Im Namen und im Auftrag des Generalrats
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
30 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Karl Marx
[Erklärung des Generalrats an die Redaktion der „Frankfurter Zeitung und Handelsblatt" 13591]
[„Frankfurter Zeitung und Handelsblatt" Nr. 333 vom 28. November 1871] Unter dem Datum: London, 18.November, findet sich in Nr.326 der „Frankfurter Zeitung", zweites Blatt, folgende Stelle: „Der Londoner Zweig der Internationalen" hat „inseinerletztenSitzung die folgende Resolution angenommen: ,Die hervorragenden Verdienste Sir Charles Dilkes um die Volkssache geben ihm ein Recht auf die Anerkennung des Volkes; er wird demnach eingeladen, die Ehrenmitgliedschaft des internationalen Ajbeiterverbandes anzunehmen.' Auf einem früheren Meeting war Kossuth zum Mitgliede erwählt worden." Die Internationale kennt keine Ehrenmitgliedschaft. Die obenerwähnten Beschlüsse gehen wahrscheinlich von einer kleinen Londoner Gesellschaft aus, die sich ursprünglich „Internationale demokratische Assoziation" benannte und jetzt in die „Allgemeine republikanische Ligue" umgetauft hat. Sie steht in keiner Beziehung zur Internationalen.
Im Namen des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation Der korrespondierende Sekretär für Deutschland: Karl Marx
Geschrieben am 24.November 1871.
Friedrich Engels An den Spanischen Föderalrat in Madrid
London, 25.November 1871 Seit der Rückkehr des Bürgers Lorenzo von der letzten Konferenz sind wir ohne jede Nachricht von Euch. Ich habe Euch zwei Briefe geschrieben; im letzten, einem Einschreibebrief vom 8.November, bat ich, uns unverzüglich zu schreiben und dieses Schweigen zu erklären. Aber wir haben bis jetzt keine Antwort erhalten. Wir erhielten dagegen die Mitteilung, daß eine kleine Minderheit der Internationalen die Reihen der Assoziation zu spalten versucht und gegen die Beschlüsse der Konferenz sowie gegen den Generalrat konspiriert, indem sie alle Arten von Verleumdungen in Umlauf bringt13601. Wir können nicht daran zweifeln, daß dieses Euer merkwürdiges Schweigen darauf zurückzuführen ist, daß Ihr Briefe ähnlichen Inhalts erhalten habt. Wenn dem so ist, verlangen wir, daß Ihr uns Anschuldigungen oder Anklagen, die man gegen uns erhoben hat - wie es Eure Pflicht ist - mitteilt, damit wir sie widerlegen können. Auf keinen Fall dürft Ihr in Eurem Schweigen beharren, denn es verstößt gegen unsere Allgemeinen Statuten, die es Euch zur Pflicht machen, uns regelmäßige Berichte zu senden. Wir bitten um sofortige Beantwortung dieses Briefes. Wenn Ihr nicht antwortet, werden wir die Schlußfolgerung ziehen müssen, daß Euer Schweigen vorsätzlich ist, daß Ihr den erwähnten Verleumdungen Glauben schenkt und nicht den Mut habt, uns dies mitzuteilen. In diesem Fall werden wir so vorgehen müssen, wie es die Interessen der Internationale von uns erfordern werden.
Nach der Handschrift. Aus dem Spanischen.
Friedrich Engels
[Erklärung des Generalrats an die Redaktion des „Proletario Italiano"[36,]]
An die Redaktion des „PfroletarioJ Itf alianoj"
Bürger, Eure Nr.39 enthält eine Deklaration von Turiner Arbeitern, in der es heißt:
„Wir erklären in aller Öffentlichkeit, daß uns der Beschluß des Londoner Großen Rates, den Sozialismus gegenüber der Politik hintanzusetzen, von der Redaktion des .Proletario' unmittelbar nach seiner Bekanntgabe mitgeteilt wurde und daß ein solcher Beschluß keinen offiziellen Charakter trug, da er vom Großen Rat widerrufen worden ist, und zwar in Erwägung dessen, daß ihn viele europäische Assoziationen geschlossen abgelehnt haben würden, was wir selbst auch getan hätten." Diese Behauptung zwingt den Generalrat, folgendes zu erklären: 1. daß er niemals irgendeinen Beschluß gefaßt hat, den Sozialismus gegenüber der Politik hintanzusetzen, 2. daß er dementsprechend einen solchen Beschluß auch nicht widerrufen konnte, 3. daß keine europäische oder amerikanische Assoziation einen solchen Beschluß ablehnen konnte, noch irgendeinen andern Beschluß des Generalrats abgelehnt hat. Die Stellung des Generalrats im Hinblick auf die politische Aktion des Proletariats ist hinreichend festgelegt. Sie ist festgelegt: 1. Durch die Allgemeinen Statuten, deren vierter Erwägungsgrund besagt: „daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist"1.
2. Durch den Text der Inauguraladresse der Assoziation (1864), der offiziellen und verbindlichen Erläuterung zu den Statuten, der besagt: „Aber die Herren von Grund und Boden und die Herren vom Kapital werden ihre politischen Privilegien stets gebrauchen zur Verteidigung und zur Verewigung ihrer ökonomischen Monopole. Statt die Emanzipation der Arbeit zu fördern, werden sie fortfahren, ihr jedes mögliche Hindernis in den Weg zu legen... Politische Macht zu erobern ist daher jetzt die große Pflicht der Arbeiterklassen."1 3. Durch die diesbezügliche Entschließung des Lausanner Kongresses (1867): „Die soziale Emanzipation der Arbeiter ist untrennbar von ihrer politischen Emanzipation."13281 4. Durch den Beschluß IX der Londoner Konferenz (September 1871), welcher in Übereinstimmung mit dem Vorhergehenden die Mitglieder der Internationale daran erinnert, daß in dem streitenden Stand der Arbeiterklasse ihre ökonomische Bewegung und ihre politische Betätigung untrennbar verbunden sind.2 Die dem Rat somit vorgeschriebene Linie hat er immer befolgt, und er wird sie auch in Zukunft befolgen. Er erklärt daher die besagte Mitteilung, die, man weiß nicht von wem, der Redaktion des „Proletario" zugeleitet wurde, als falsch und verleumderisch.
Im Auftrag und im Namen des Generalrats Der Sekretär für Italien: F. E.
P.S. Ich habe soeben die Genfer „La Revolution Sociale"13621 erhalten,in der mitgeteilt wird, daß eine kleine Gruppe aus dem Jura die Beschlüsse der Londoner Konferenz abgelehnt hat3. Darüber ist dem Generalrat keine offizielle Nachricht zugegangen. Sobald er sie erhält, wird er die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
29. November 1871
Nach der Handschrift. Aus dem Italienischen.
1 Siehe Band 16 unserer Ausgabe, S. 12 - 2 siehe vorl. Band, S. 422 - 3 ebenda, S. 475-480
Friedrich Engels [Vollmacht für Giuseppe Boriani13631]
Internationale Arbeiterassoziation 256, High Holborn, London, W.C. 30. November 1871 Der Bürger Giuseppe Boriani ist eingetragenes Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation und ist bevollmächtigt, neue Mitglieder aufzunehmen und neue Sektionen zu bilden, unter der Bedingung, daß sie, sowohl die Mitglieder als auch die Sektionen, bei der Aufnahme folgende offizielle Dokumente der Assoziation als obligatorisch anerkennen, und zwar: die Allgemeinen Statuten und Verwaltungs-Verordnungen, die Inauguraladresse, die Beschlüsse der Kongresse, die Beschlüsse der Londoner Konferenz vom September 1871.
Im Auftrag und im Namen des Generalrats Der Sekretär für Italien: Federico Engels
Nach der Handschrift. Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels
[Über die Lage der Sektionen der Internationale in den Ländern Europas 13641]
[„LaPlebe" Nr. 144 vom 12. Dezember 1871] Was den Konferenzbeschluß über die politische Aktion anbetrifft, bin ich froh, Ihnen mitteilen zu können, daß die spanische Föderation, wie aus den letzten Nummern der Madrider „Emancipacion"13651 und der Barcelonaer „Federacion" (vom 3.Dezember) ersichtlich ist, ihn voll und ganz angenommen hat. Die Umwandlung der Internationale in Spanien in eine besondere und unabhängige politische Partei ist jetzt eine beschlossene Sache. Unsere Sache in Spanien geht ausgezeichnet: 19 000 bis 20 000 neue Mitglieder in weniger als drei Monaten! In Dänemark existiert die Internationale erst seit drei Monaten, sie hat 2000 Mitglieder allein in der Hauptstadt, einer Stadt, die kleiner ist als Mailand, auch Bauern schließen sich ihr dort massenweise an, und eine große Kampagne ist in Vorbereitung für die kommenden Wahlen, die uns eine starke und respektable Vertretung im dänischen Parlament versprechen. Auch in Deutschland und Holland geht es gut voran. In Frankreich haben wir 26 Zeitungen, und dem Herrn Thiers zum Trotz bilden sich die Sektionen von neuem.
Geschrieben zwischen 5. und lO.Dezember 1871. Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels
[Erklärung des Generalrats an die Redaktionen italienischer Zeitungen anläßlich der Artikel Mazzinis gegen die Internationale13661j
[„La Roma del Popolo" Nr.43 vom 21.Dezember 1871] Internationale Arbeiterassoziation 256, High Holborn, London, W.C. 6. Dezember 1871
Herr Direktor, auf Ihre Ehrlichkeit vertrauend, bitte ich Sie, die beigefügte Erklärung zu veröffentlichen. Wenn wir schon Krieg gegeneinander führen, dann ehrlich. Ich verbleibe, hochachtungsvoll F.Engels Sekretär des Generalrats für Italien
Internationale Arbeiterassoziation
An die Redaktion der „Roma del Popolo" In Nr.38 von „La Roma del Popolo" veröffentlicht der Bürger G. Mazzini den ersten Artikel einer Serie, betitelt „Dokumente über die Internationale". Er sagt den Lesern von vornherein: „Ich ... habe aus allen mir erreichbaren Quellen alle ihre Dokumente, alle gesprochenen oder geschriebenen Erklärungen ihrer einflußreichen Mitglieder zusammengetragen." Und das sind die Dokumente, deren Veröffentlichung er unternimmt. Er beginnt damit, daß er zwei Proben davon gibt. I. „Der Verzicht" (auf die politische Aktion) „ging so weit, daß einige der französischen Begründer der Internationale Louis-Napoleon anboten, jeder politischen
Aktivität zu entsagen, sofern er den Arbeitern, ich weiß nicht in welchem Umfang, materielle Vorteile gewähren würde." Wir erwarten von dem Bürger Mazzini die Beweise für diese Behauptung, die wir als verleumderisch bezeichnen. II. „Bakunin sagte in einer auf dem Kongreß der Friedens- und Freiheitsliga in Bern im Jahre 1868 gehaltenen Rede: Ich will die Gleichmachung der Individuen und der Klassen; ohne diese ist eine Idee der Gerechtigkeit nicht möglich und der Friede nicht erreichbar. Der Arbeiter darf nicht mehr durch lange Reden hinters Licht geführt werden. Man muß ihm sagen, was er wollen muß, wenn er es selbst nicht weiß. Ich bin Kollektivist und nicht Kommunist, und wenn ich die Abschaffung des Erbrechts fordere, so fordere ich sie, um desto rascher zur sozialen Gleichheit zu gelangen." Ob der Bürger Bakunin diese Worte gesprochen hat oder nicht, geht uns nichts an. Für den Generalrat ist wichtig festzustellen: 1. daß diese Worte, wie Mazzini selbst sagt, nicht auf einem Kongreß der Internationale, sondern auf einem Kongreß der bürgerlichen Friedensund Freiheitsliga ausgesprochen wurden; 2. daß der Kongreß der Internationale, der im September 1868 in Brüssel zusammentrat, sich in einer besonderen Abstimmung von diesem selben Kongreß der Friedens- und Freiheitsliga distanziert hat[3671; 3. daß der Bürger Bakunin, als er die angeführten Worte aussprach, überhaupt nicht Mitglied der Internationale war; 4. daß der Generalrat sich stets den wiederholten Versuchen widersetzt hat, an Stelle des umfassenden Programms der Internationale (das die Aufnahme der Anhänger Bakunins in ihre Reihen ermöglicht hat) das enge und sektiererische Programm Bakunins zu setzen, dessen Annahme mit einem Schlage die ungeheure Mehrheit der Mitglieder der Internationale ausschließen würde; 5. daß also die Internationale in keiner Weise die Verantwortung für die Handlungen und die individuellen Erklärungen des Bürgers Bakunin übernehmen kann. Was die andern Dokumente über die Internationale anbetrifft, deren baldige Veröffentlichung der Bürger Mazzini ankündigt, so erklärt der Generalrat von vornherein, daß die Internationale nur für die offiziellen, von ihr herausgegebenen Dokumente verantwortlich ist. Im Auftrag und im Namen des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation Der Sekretär für Italien: Federico Engels
Karl Marx
An den Redakteur der „Eastern Post" 13681
[„The Eastern Post" Nr. 169 vom 23. Dezember 1871]
Sir, Herr Charles Bradlaugh nimmt in seiner jüngsten Epistel an Sie den Bericht von der Sitzung des Generalrats am 12. Dezember - eine Sitzung, bei der ich wegen Krankheit fehlte - zum Vorwand, um an mir seine Roheit auszulassen. Er schreibt: „Ich bin Karl Marx wegen seiner Feindschaft verpflichtet." Meine Feindschaft gegen Herrn Charles Bradlaugh! Seit der Veröffentlichung der Adresse „Der Bürgerkrieg in Frankreich" ertönte die Stimme des Herrn Bradlaugh in dem weltweiten Chor der Verleumdung gegen die Internationale und mich. Ich behandelte ihn ebenso wie die anderen Schmäher mit verächtlichem Schweigen. Das war mehr, als die groteske Eitelkeit dieses gewaltigen Sich-Selbst-Anbeters ertragen konnte. Ich „verleumdete" ihn, weil ich von seinen Verleumdungen keine Notiz nahm. Mein Schweigen trieb ihn zum Wahnsinn; in einer öffentlichen Versammlung nannte er mich einen Bonapartisten, weil ich in der Adresse über den Bürgerkrieg, man staune, die geschichtlichen Umstände bloßgelegt hatte, die das Zweite Kaiserreich gebaren. Jetzt geht er einen Schritt weiter und verwandelt mich in einen Polizeispitzel Bismarcks. Armer Mann! Er muß unbedingt zeigen, daß die Lektionen, die er kürzlich in Paris von dem berüchtigten Emile de Girardin und seiner Clique erhalten hat, an ihm nicht spurlos vorbeigegangen sind. Für diesmal werde ich ihn der deutschen Öffentlichkeit „ausliefern", indem ich seiner Epistel die größtmögliche Verbreitung verschaffe. Wenn er so freundlich sein sollte, seine Verleumdungen in eine greifbarere Form zu kleiden, werde ich ihn einem englischen Gerichtshof „ausliefern". Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Karl Marx London, 20. Dezember 1871
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels Der Kongreß von Sonvillier und die Internationale 13691
[„Der Volksstaat" Nr.3 vom 10. Januar 1872] Was die Lage der Internationalen Arbeiter-Assoziation in diesem Augenblick ist, brauchen wir wohl kaum auszuführen. Auf der einen Seite haben ihr die großartigen Pariser Ereignisse eine Macht und Ausdehnung gegeben, wie sie solche noch nie besessen; auf der andern finden wir fast alle europäischen Regierungen wider sie verbündet, Thiers mit Gortschakow, Bismarck mit Beust, Viktor Emanuel mit dem Papst, Spanien mit Belgien. Eine allgemeine Internationalen-Hetzjagd ist losgelassen, alle Gewalten der alten Welt, Kriegsgerichte und Zivilgerichte, Polizei und Presse, Krautjunker und Bourgeois wetteifern in der Verfolgung, und auf dem ganzen Kontinent ist kaum ein Plätzchen, wo man nicht alles aufbietet, die schrekkenerregende große Arbeiterverbrüderung außerhalb des Gesetzes zu erklären. Es ist grade dieser Moment der allgemeinen, zwangsmäßigen Desorganisation durch die Mächte der alten Gesellschaft, dieser Moment, wo Einigkeit und Zusammenhalten nötiger als je, es ist grade dieser Moment gewählt worden von einer kleinen, nach ihrem eigenen Geständnis täglich mehr und mehr zusammenschwindenden Anzahl von Internationalen in einem Winkel der Schweiz, um durch ein öffentliches Zirkular einen Zankapfel unter die Mitglieder zu werfen. Diese Leute - sie betiteln sich Föderation des' Jura - sind im wesentlichen dieselben, welche unter der Führung von Bakunin seit mehr als zwei Jahren unablässig die Einigkeit in der französischen Schweiz gestört und durch eifrige Privatkorrespondenz mit einzelnen verwandten Größen in verschiedenen Ländern dem Zusammenwirken in der Internationalen entgegengearbeitet haben. Solange diese Intrigen sich auf die Schweiz beschränkten oder im stillen vorgingen, haben
wir ihnen keine größere Öffentlichkeit geben wollen; dies Zirkular zwingt uns zu sprechen. Die Föderation des Jura hat auf ihrem Kongreß zu Sonvillier am 12. November, sich darauf stützend, daß der Generalrat dieses Jahr nicht einen Kongreß, sondern eine Konferenz berufen hatte, ein Zirkular an alle Sektionen der Internationalen beschlossen, welches gedruckt in Massen nach allen Weltgegenden verbreitet worden, und worin die Sektionen aufgefordert werden, auf sofortige Berufung eines Kongresses zu drängen. Weshalb der Kongreß durch eine Konferenz ersetzt werden mußte, ist, für uns in Deutschland und Österreich wenigstens, sonnenklar. Wir hätten dort nicht vertreten sein können, ohne daß unsre Delegierten bei der Rückkehr sofort abgefaßt und in sichern Gewahrsam gebracht worden wären, und in derselben Lage hätten sich die Delegierten aus Spanien, Italien, Frankreich befunden. Eine Konferenz aber, die keine öffentlichen Debatten, sondern nur Verwaltungssitzungen hält, war sehr wohl möglich, weil die Namen der Delegierten nicht an die Öffentlichkeit kamen. Sie hatte den Nachteil, daß sie keine Prinzipienfragen entscheiden, keine Statutenveränderungen und überhaupt keine gesetzgebenden Handlungen vornehmen konnte und sich auf Verwaltungsbeschlüsse zur bessern Ausführung der durch die Statuten und Kongreßbeschlüsse festgestellten Organisation beschränken mußte. Aber das war auch das unter den Umständen allein Erforderliche, es handelte sich um Maßregeln für den augenblicklichen Notstand, und für diesen reichte sie hin. Die Angriffe gegen die Konferenz und ihre Beschlüsse jedoch waren bloß der Vorwand. Das vorliegende Zirkular spricht auch nur nebenbei davon. Es findet im Gegenteil, daß das Übel viel tiefer liegt. Es behauptet, nach den Statuten und ursprünglichen Kongreßbeschlüssen sei die Internationale nichts als „eine freie Föderation von autonomen" (selbständigen) „Sektionen", die die Emanzipation der Arbeiter durch die Arbeiter selbst bezweckt, „außerhalb jeder, selbst durch freie Zustimmung geschaffenen, leitenden Autorität".
Demnach sei der Generalrat nichts weiter als „ein bloßes statistisches und Korrespondenzbüro". Diese ursprüngliche Gründlage sei aber sehr bald gefälscht worden, zuerst durch das dem Generalrat gegebene Recht, sich selbst durch neue Mitglieder zu ergänzen, und noch mehr durch die Baseler Kongreßbeschlüsse, die dem Generalrat das Recht gaben, einzelne Sektionen bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren und Streitigkeiten vorläufig bis zum Kongreßbeschluß zu entscheiden13701. Dadurch sei dem
Generalrat eine gefährliche Macht in die Hände gegeben, die freie Vereinigung selbständiger Sektionen in eine hierarchische und autoritäre Organisation „disziplinierter Sektionen" verwandelt worden, so daß „die Sektionen ganz in der Hand des Generalrats seien, der nach Belieben ihre Zulassung verweigern oder ihre Tätigkeit suspendieren könne". Unsern deutschen Lesern, die nur zu sehr den Wert einer Organisation kennen, die sich wehren kann, wird dies alles sehr wunderbar kommen. Natürlich, denn die Theorien des Herrn Bakunin, die hier in ihrer vollen Blüte erscheinen, sind bisher nicht nach Deutschland gedrungen. Eine Arbeitergesellschaft, die vor allem den Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse auf ihre Fahne geschrieben hat, soll an ihrer Spitze haben nicht einen vollziehenden Ausschuß, sondern ein bloßes statistisches und Korrespondenzbüro! Aber der Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse ist für Bakunin und seine Gesellen bloßer Vorwand,* der wahre Zweck ist ein ganz anderer. „Die zukünftige Gesellschaft soll nichts anderes sein als die Verallgemeinerung der Organisation, welche die Internationale sich gegeben haben wird. Wir müssen also dafür sorgen, daß diese Organisation sich soviel nur möglich unserm Ideal nähert ... Die Internationale, der Keim der zukünftigen menschlichen Gesellschaft, ist gehalten, schon jetzt das getreue Abbild unserer Prinzipien der Freiheit und des Föderalismus zu sein, und aus ihrem Schöße jedes Prinzip zu verstoßen, das zur Autorität und zur Diktatur strebt." Wir Deutschen sind wegen unsres Mystizismus verschrien, aber an diesen Mystizismus reichen wir bei weitem nicht. Die Internationale, ein Vorbild der künftigen Gesellschaft, wo es keine Versailler Erschießungen, keine Kriegsgerichte, keine stehenden Heere, keine Brieferbrechungen, kein Braunschweiger Kriminalgericht13711 mehr geben wird! Grade jetzt, wo wir uns mit Hand und Fuß unsrer Haut wehren müssen, soll das Proletariat sich nicht nach den Bedürfnissen des Kampfes organisieren, den man ihm täglich und stündlich aufzwingt, sondern nach den Vorstellungen, die sich einige Phantasten von einer unbestimmten zukünftigen Gesellschaft machen! Stellen wir uns doch unsere eigne, deutsche Organisation vor, wie sie nach diesem Muster aussehen würde. Statt gegen die Regierungen und gegen die Bourgeoisie zu kämpfen, würden wir darüber spintisieren, ob auch jeder Artikel unsrer Statuten, jeder Kongreßbeschluß das getreue Abbild der künftigen Gesellschaft sein wird. Statt unsers vollziehenden Ausschusses - ein bloßes statistisches und Korrespondenzbüro, das selber zusehen mag, wie es mit den selbständigen Sektionen fertig wird, die so selbständig sind, daß sie nicht einmal eine durch ihre eigne freie Zustimmung geschaf
fene leitende Autorität anerkennen dürfen; damit verletzten sie ja ihre erste Pflicht, nämlich die, ein getreues Vorbild der zukünftigen Gesellschaft zu sein! Von Zusammenfassen der Kräfte, von gemeinsamer Aktion ist keine Rede mehr. Wenn in jeder einzelnen Sektion die Minderzahl sich der Mehrzahl fügt, so begeht sie ein Verbrechen gegen die Prinzipien der Freiheit und erkennt ein Prinzip an, das zur Autorität und zur Diktatur strebt! Wenn Stieber mit allen seinen Gesellen, wenn das ganze schwarze Kabinettt37a), wenn sämtliche preußische Offiziere auf Befehl in die sozialdemokratische Organisation eintreten, um sie zu ruinieren, so darf der Ausschuß oder vielmehr das statistische Korrespondenzbüro ihnen das beileibe nicht wehren, das hieße ja eine hierarchische und autoritäre Organisation einführen! Und namentlich keine disziplinierten Sektionen! Ja keine Parteidisziplin, keine Zentralisation der Kräfte auf einen Punkt, keine Waffen des Kampfs! Wo bliebe da das Vorbild der künftigen Gesellschaft? Kurz, wohin kämen wir mit dieser neuen Organisation ? Zu der feigen, kriechenden Organisation der ersten Christen, jener Sklaven, die jeden Fußtritt mit Dank hinnahmen und die nach dreihundert Jahren allerdings ihrer Religion durch Kriechen den Sieg verschafften - eine Methode der Revolution, die das Proletariat wahrlich nicht nachahmen wird! Grade wie die ersten Christen sich ihren vorgestellten Himmel zum Vorbild ihrer Organisation nahmen, so sollten wir uns den gesellschaftlichen Zukunftshimmel des Herrn Bakunin zum Vorbild nehmen und statt zu kämpfen - beten und hoffen. Und die Leute, die uns diesen Unsinn predigen, geben sich für die einzigen wahren Revolutionäre aus! Um wieder zur Internationalen zurückzukehren, so hat es mit alledem einstweilen gute Wege. Der Generalrat hat bis zum neuen Kongreßentscheid die Pflicht, die Baseler Beschlüsse auszuführen und wird seine Pflicht erfüllen. Und wie er sich nicht geniert hat, die Tolains und Durands auszustoßen, so wird er dafür sorgen, daß den Stiebers und Konsorten der Zutritt in die Internationale verschlossen bleibt, wenn auch Herr Bakunin dies diktatorisch finden sollte. Aber wie sind denn diese schlimmen Baseler Beschlüsse zustande gekommen? Ganz einfach. Die belgischen Delegierten schlugen sie vor, und niemand hat wärmer dafür gesprochen als Bakunin und seine Freunde, namentlich Schwitzguebel und Guillaume, die Unterzeichner des gegenwärtigen Zirkulars! Aber freilich, damals stand es anders. Damals hofften diese Herren, die Majorität zu erlangen und den Generalrat auf sich übertragen zu sehen. Damals konnten sie den Generalrat nicht stark genug machen. Und jetzt - ja, Bauer, das ist ganz was anderes! Jetzt sind die Trauben
sauer, und jetzt soll er auf ein bloßes statistisches und Korrespondenzbüro reduziert werden, damit nur ja die Schamhaftigkeit der Bakuninschen zukünftigen Gesellschaft nicht zu erröten braucht. Und diese Leute, Sektierer von Profession, die mitsamt ihrer mystischurchristlichen Doktrin einen verschwindend kleinen Teil der Mitglieder der Internationalen ausmachen, entblöden sich nicht, dem Generalrat vorzuwerfen, seine Mitglieder wollten „in der Internationalen ihr besonderes Programm, ihre persönliche Lehre vorherrschend machen; ihre Privatideen kämen ihnen vor als die amtliche Theorie, die allein Bürgerrecht in der Assoziation habe". Das ist in der Tat stark. Wer die innere Geschichte der Internationalen zu verfolgen Gelegenheit gehabt hat, der weiß, daß diese selben Leute seit beinahe drei Jahren sich hauptsächlich damit beschäftigen, ihre Sektenlehre der Assoziation als das allgemeine Programm aufzudrängen und, nachdem dies nicht gelungen, bakunistische Phrasen unter der Hand für das allgemeine Programm der Internationalen auszugeben. Trotzdem hat der Generalrat nur gegen diese Unterschiebung protestiert, ihnen aber bisher nie das Recht bestritten, der Internationalen anzugehören oder ihre Sektiererflausen, als solche, nach Herzenslust an den Markt zu bringen. Wie der Generalrat dies neue Zirkular aufnehmen wird, wollen wir abwarten. Was diese Leute mit ihrer neuen Organisation ausgerichtet haben, darüber haben sie sich selbst ein brillantes Zeugnis ausgestellt. Überall, wo die Internationale nicht auf gewaltsamen Widerstand reaktionärer Regierungen gestoßen ist, hat sie seit der Pariser Kommune Riesenfortschritte gemacht. Im Schweizer Jura dagegen, wo diese Herren seit anderthalb Jahren unbeschränkt gewirtschaftet haben - was sehen wir da? Man höre ihren eignen Bericht an den Kongreß von Sonvillier (Genfer „Revolution Sociale" vom 23. November): „Diese schrecklichen Ereignisse haben einen teilweise demoralisierenden, teilweise wohltätigen Einfluß auf unsere Sektionen ausüben müssen, ... dann kommt der Anfang des Riesenkampfes, den das Proletariat der Bourgeoisie zu liefern hat, und damit kommt das Nachdenken ... die einen drücken sich (s'en vont) und verbergen ihre Feigheit, die andern schließen sich fester als je an das erneuernde Prinzip der Internationalen an. - Dies ist die vorherrschende Tatsache der gegenwärtigen inneren Geschichte der Internationalen im allgemeinen und unsrer Föderation im besondern." Neu ist, daß dies in der Internationalen überhaupt vorgegangen sei, während gerade das Gegenteil stattfand. Wahr ist, daß dies der Fall war in der Jura-Föderation. Hört nun die Herren selbst: Die Sektion Moutier hat am wenigsten gelitten, hat aber nichts fertiggebracht:
„Wenn keine neuen Sektionen gegründet worden sind, so muß man doch hoffen etc." ... und doch war diese Sektion „ganz besonders begünstigt durch den - vortrefflichen Geist der Bevölkerung" ... „die Sektion Grange ist reduziert auf einen kleinen Kern von Arbeitern." Zwei Sektionen von Biel haben nie die Briefe des Komitees beantwortet, ebensowenig die Sektionen von Neuchätel und eine von Locle; die dritte Sektion in Biel ist „augenblicklich tot" ... obwohl „nicht alle Hoffnung verloren ist, die Internationale in Biel wieder aufleben zu sehen". Die Sektion Saint-Blaise ist tot, die von Val de Ruz ist verschwunden, man weiß nicht wie - die Zentralsektion von Locle hatte sich nach längerem Todeskampf aufgelöst, ist aber, offenbar zum Zweck der Kongreßwahl, mit Ach und Krach wieder zustandegebracht - die von La-Chauxde-Fonds ist in einer kritischen Lage - die Sektion der Uhrmacher von Courtelary verwandelt sich augenblicklich in eine Gewerksgenossenschaft unter Annahme der Statuten der Gewerksgenossenschaft schweizerischer Uhrmacher, nimmt also das Statut einer nicht zur Internationalen gehörenden Verbindung an - die Zentralsektion desselben Bezirks hat ihre Tätigkeit suspendiert, weil ihre Mitglieder in Saint-Imier und in Sonvillier so eine Separatsektion gestiftet (was dieselbe Zentralsektion nicht verhindert, im Kongreß sich durch zwei Delegierte vertreten zu lassen, neben den Delegierten der beiden Sektionen von Saint-Imier und Sonvillier); die Sektion Catebat, nach einer brillanten Existenz, hat sich infolge der Intrigen der dortigen Bourgeois auflösen müssen, desgleichen die von Corgemont; in Genf endlich existiert noch eine Sektion. Das ist es, was die Vertreter der freien Föderation unabhängiger Sektionen mit einem statistischen und Korrespondenzbüro an der Spitze in anderthalb Jahren aus einer zwar nicht ausgedehnten und zahlreichen, aber doch blühenden Föderation gemacht haben. Und das in einem Lande, wo sie vollständige Aktionsfreiheit hatten und zur Zeit, wo anderswo überall die Internationale Riesenfortschritte machte! Und in demselben Augenblick, wo sie selbst uns dies Jammerbild ihrer Mißerfolge zeigen, diesen Angstschrei der Hülflosigkeit und Auflösung ausstoßen, in demselben Augenblick treten sie vor uns mit dem Anspruch, die Internationale aus ihrer bisherigen Bahn, auf der sie zu dem geworden, was sie ist, herauszureißen und sie auf den Weg zu führen, der die Jura-Föderation von verhältnismäßiger Blüte herabgeführt hat zur vollständigen Auflösung!
Geschrieben um den 3. Januar 1872.
Karl Marx An den Redakteur der „Eastern Post"
[„The Eastern Post" Nr. 173 vom 20. Januar 1872]
Sir, im „National Reformer"[373] vom 7. Januar sagt Herr Charles Bradlaugh: „Wir wollten nur vorbringen, daß Dr.Marx in früheren Zeiten seiner Regierung Informationen gegeben hat." Ich erkläre hiermit, daß dies eine ebenso lächerliche wie infame Verleumdung ist. Ich fordere Herrn Bradlaugh auf, öffentlich einen Beweis zu erbringen, der ihm auch nur den leisesten Vorwand für seine Behauptungen liefern könnte. Zu seiner persönlichen Beruhigung füge ich hinzu, daß er nicht „gefordert" werden wird. Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Karl Marx
16. Januar 1872
Aus dem Englischen.
Karl Marx
An den Redakteur der „Eastern Post"
[„The Eastern Post" Nr. 174 vom 28. Januar 1872]
Sir, Dante sagt in seinem unsterblichen Poem, daß eine der grausamsten Qualen eines Verbannten die Notwendigkeit ist, sich mit allen möglichen Leuten abzugeben. Ich habe die Berechtigung dieser Klage tief empfunden, als ich gezwungen war, mich eine Zeitlang in eine Polemik mit Subjekten wie die Herren Charles Bradlaugh und Co. einzulassen. Ich werde ihm jedoch nicht länger gestatten, den Streit, den er mir zugeschoben hat, in ein billiges und bequemes Mittel zu verwandeln, für sich selbst im Ausland Reklame zu machen. Er hat gegen mich eine Anschuldigung veröffentlicht, die, hätte er sie in Deutschland gebracht, ihn bei allen Parteien zur Zielscheibe des Spotts gemacht hätte. Ich habe ihn daraufhin aufgefordert, öffentlich solche Beweise zu erbringen, die ihm auch nur den leisesten Vorwand für eine ebenso lächerliche wie infame Verleumdung geben könnten.1 Ich tat dies, nicht um mich zu rechtfertigen, sondern um ihn zu entlarven. Mit der niederträchtigen Hinterlist eines Kanzleischreibers versucht er, der Verpflichtung zu entgehen, indem er mich vor ein „Ehrengericht" fordert. Glaubt er wirklich, daß ein Bradlaugh oder die Redakteure der Pariser demi-monde-Presse2 oder die der Bismarckschen Presse in Berlin oder der „Tages-Presse", Wien, oder der „Criminal-Zeitung"in New York oder der „Moscow-Gazette"13741 mich nur zu verleumden brauchen, damit ich mich rechtfertige, und sogar vor einem „Ehrengericht" erscheine, dessen Mitglieder auch die Freunde dieser „ehrenwerten" Herren sein werden?
1 Siehe vorl. Band, S.481 -2 käuflichen Presse
An den Redakteur der „Eastern Post" 483
Für mich ist Herr Charles Bradlaugh erledigt, und ich überlasse es ihm, sich in aller Beschaulichkeit an der ruhigen Betrachtung seines eignen Ichs zu ergötzen. Ich verbleibe, Sir, Ihr ergebener Karl Marx
Geschrieben um den 27. Januar 1872. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
[Brief an die Redaktion des „Gazzettino Rosa"13751]
[„II Gazzettino Rosa" Nr. 50 vom 20. Februar 1872] Internationale Arbeiterassoziation 256, High Holborn, London, W.C.
London, 7. Februar
An den Bürger Direktor des „Gazzettino Rosa"
Bürger, seit einigen Monaten Kört der „Libero Pensiero" aus Florenz nicht auf, die Internationale anzugreifen, als ob die große Arbeiterassoziation gegenüber der Gesellschaft der prebendati razionalisti1, für die dieses Tageblatt Lanzen bricht, Eifersucht hegen könnte. Es schien mir bisher überflüssig, auf diese Angriffe zu antworten, wenn aber das obengenannte Blatt sich so weit entehrt, daß es in Italien die Verleumdungen der Bismarckschen Presse gegen die Internationale und ihren Generalrat in Umlauf setzt, dann ist es Zeit zu protestieren. Ich richtete also den nachfolgenden Brief an den „Libero Pensiero", den ich Sie bitte, auch im „Gazzettino Rosa" zu veröffentlichen. Gruß und Brüderlichkeit! F. Engels Sekretär für Italien beim Generalrat
1 bepfrtindeten Rationalisten
Herrn Luigi Stejanoni, Direktor des „Libero Pensiero" Signore, in Nr. 1 des „Libero Pensiero" vom 4.Januar 1872 befindet sich ein Artikel: „Die Internationale und der Oberste Rat in London", worauf ich einige Worte entgegnen möchte. In diesem Artikel wird die Frage gestellt: „Wir möchten gern wissen, was für ein Mandat Herr Engels besitzt, um Italien zu vertreten?' Ich erhebe nicht und habe niemals irgendeinen Anspruch erhoben, Italien zu vertreten. Ich habe die Ehre, beim Generalrat der Sekretär zu sein, dem speziell die Korrespondenz mit Italien anvertraut ist, ein Auftrag, der mich verpflichtet, den Rat zu vertreten und nicht Italien. Ferner sind in dem Artikel einige Londoner Korrespondenzen übersetzt, die dem Berliner „Neuen Social-Demokraten"13761 entnommen wurden und die voller infamster Verleumdungen gegen den Generalrat und die ganze Internationale sind. Auf diese werde ich nichts entgegnen. Mit solch einer Zeitung diskutiert man nicht. In ganz Deutschland weiß man, was der „Neue Social-Demokrat" ist: eine von Bismarck ausgehaltene Zeitung, Organ des preußischen Regierungssozialismus. Wenn Sie genauere Informationen über dieses Blatt brauchen, dann schreiben Sie Ihrem Leipziger Korrespondenten Liebknecht, und Sie werden sie bestimmt in genügender Menge erhalten. Ich erlaube mir nur noch hinzuzufügen, daß Sie, wenn Sie so großes Interesse an derlei Verleumdungen gegen die Internationale haben, Tausende davon im „Figaro", „Gaulois", „Petit-Journal" und der übrigen Pariser demi-monde-Presse1, im Londoner „Standard", im „Journal de Geneve", in der Wiener „Tages-Presse" und in der „Gazetta di Mosca"[374J finden können, Autoritäten, die Sie dessen entheben werden, diesen armen Teufel von Schneider zu zitieren. In einer Anmerkung der Direktion heißt es: „Vielleicht spielt er auf die kommunistische Geheimgesellschaft an, die von Karl Marx 1850 in Köln gegründet worden war; nachdem sie wie gewöhnlich aufgedeckt wurde, fielen viele arme Teufel in die Hände der preußischen Polizei, während die Haupttäter sich nach London retteten." Wer auch immer so etwas gesagt haben mag, er hat gelogen. Ich gehörte dieser Gesellschaft13771 an. Sie wurde weder von Marx gegründet, noch im Jahre 1850, noch in Köln. Sie bestand schon mehr als 10 Jahre vorher. Marx
1 käuflichen Presse
und ich waren bereits seit einem Jahr in England, verbannt und gejagt von der preußischen Regierung, als die Kölner Sektion durch eigne Unvorsichtigkeit in die Hände der Polizei fiel. Wenn Sie ausführlichere Informationen wünschen, können Sie sich an Herrn Becker, Bürgermeister von Dortmund und Mitglied des preußischen und deutschen Parlaments wenden; an Herrn Klein, Arzt und Gemeinderat in Köln; Herrn Bürgers, Herausgeber der „Wiesbadener Zeitung"[3781, sowie Herrn Leßner, Schneider und Mitglied des Generalrats der Internationale in London. Sie alle wurden in besagtem Kommunistenprozeß verurteilt'3791. Ich bitte Sie, in Ihrer nächsten Nummer diese Richtigstellung zu veröffentlichen und verbleibe hochachtungsvoll Federico Engels
Aus dem Italienischen.
Karl Marx/Friedrich Engels
[Erklärung des Generalrats zu der Polizeiwillkür der Schweizer Behörden13801]
[„The Eastern Post" Nr. 178 vom 24. Februar 1872] Die Schweizer Behörden hielten es für angebracht, auf einen einfachen Einspruch des russischen Auswärtigen Amtes hin, der unter Verletzung der Verfassung der Eidgenossenschaft direkt an einen Polizeirichter in Yverdun geschickt wurde, bei dem Bürger Utin in Genf eine Haussuchung durchzuführen unter dem unerhörten Vorwand, er könnte in die Fälschung russischer Banknoten verwickelt sein, eine Skandalaffäre, bei der - man höre und staune - der russische Staatsrat Kamenski, der mit der Verfolgung der Fälscher beauftragt war, gleichzeitig als ihr Bandenchef figuriert. Die Papiere Utins wurden beschlagnahmt und seine gesamte russische, deutsche und englische Korrespondenz einem russischen Übersetzer zur genauen Durchsicht übergeben, dessen Namen zu nennen man sich weigerte. Bürger Utin war bis Dezember 1871 Redakteur des Organs der Internationale „L'Egalite", und infolgedessen war seine Korrespondenz größtenteils die Korrespondenz der Internationale und mit den Stempeln ihrer verschiedenen Komitees versehen. Hätte sein Rechtsberater, der Bürger Amberny, dem der Rat seinen besten Dank ausspricht, nicht eingegriffen, so wären die Papiere Utins und er selbst der russischen Regierung ausgeliefert worden, mit welcher die Schweiz nicht einmal einen Auslieferungsvertrag hat. Die russische Regierung, die in ihrem Lande auf täglich wachsenden Widerstand stößt, hat sich der angeblichen Verschwörungen von Leuten wie Netschajew bedient, der nicht der Internationale angehört, um ihre Gegner im eignen Lande unter dem Vorwand, sie seien Mitglieder der Internationale, dem Gericht zu übergeben. Jetzt geht sie noch weiter. Unterstützt von ihrem treuen Vasallen, Preußen, beginnt sie in die inneren
Angelegenheiten der westlichen Länder einzugreifen und verlangt von deren Polizeirichtern, daß sie in ihrem Auftrag auf die Internationale Jagd machen. Sie beginnt ihre Aktion in einer Republik, und die republikanischen Behörden beeilen sich, sich in ergebenste Diener Rußlands zu verwandeln. Der Generalrat glaubt, daß es genügt, vor den Arbeitern aller Länder die Pläne der russischen Regierung und die Beihilfe, die ihr ihre Vasallen in Westeuropa leisten, anzuprangern.
Geschrieben am 20. Februar 1872. Aus dem Englischen.
KARL MARX
Aus dem handschriftlichen Nachlaß

KARL MARX
Entwürfe zum Bürgerkrieg in Frankreich"13811
Geschrieben April/Mai 1871. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen und Französischen.
Textstellen der Handschrift, die aus dem Französischen übersetzt wurden, sind durch spitze Klammern gekennzeichnet. Für eine Reihe von Textstellen sowie für die Erklärung einiger fremdsprachiger Ausdrücke in redaktionellen Fußnoten konnte Engels' Übersetzung der Endfassung des „Bürgerkriegs in Frankreich" zugrunde gelegt werden.
[Erster Entwurf zum „Bürgerkrieg in Frankreich"]
Die Verteidigangsregierung
Vier Monate nach Beginn der Kampfhandlungen, als die Verteidigungsregierung [der] Pariser Nationalgarde einen Köder hingeworfen hatte, indem sie ihr erlaubte, ihre Kampffähigkeit in Buzenval[127) zu zeigen, hielt die Regierung den geeigneten Augenblick für gekommen, um Paris auf die Kapitulation vorzubereiten. Auf der Versammlung der Maires von Paris zur Frage der Kapitulation enthüllte Trochu in Gegenwart und mit Unterstützung von Jules Favre und einigen anderen seiner Kollegen schließlich seinen „Plan". Wörtlich sagte er: „Die erste Frage, die mir von meinen Kollegen am Abend des 4. September vorgelegt wurde, war die: Kann Paris mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg eine Belagerung der preußischen Armee aushalten? Ich zögerte nicht, dies zu Verneinen. Mehrere meiner hier anwesenden Kollegen werden einstehn für die Wahrheit dieser meiner Worte und für mein Beharren auf dieser Meinung. Ich sagte ihnen, in diesen selben Worten, daß, wie die Dinge lägen, der Versuch, Paris gegen eine preußische Belagerung zu behaupten, eine Torheit sei. Ohne Zweifel, fügte ich hinzu, eine heroische Torheit; aber mehr wäre es nicht ... Die Ereignisse haben meine Voraussicht nicht Lügen gestraft." 11861 Trochus Plan war daher vom ersten Tage der Proklamierung der Republik an die Kapitulation von Paris und von Frankreich. Er war faktisch der Oberbefehlshaber der Preußen. In einem Brief an Gambetta bekannte Jules Favre selbst so viel, daß der niederzuschlagende Feind nicht der preußische Soldat, sondern der Pariser (Revolutionär) „Demagoge" sei. Die hochtönenden Versprechungen, welche die Verteidigungsregierung dem Volk gemacht hatte, waren daher lauter bewußte Lügen. Ihren „Plan" führten sie systematisch durch, indem sie die Verteidigung von Paris bonapartistischen Generalen übertrugen, die Nationalgarde desorganisierten und unter der Mißwirtschaft von Jules Ferry den Hunger organisierten.
Die Versuche der Pariser Arbeiter am 5. Oktober, 31. Oktober usw., an die Stelle dieser Verräter die Kommune zu setzen, wurden als Verschwörungen mit dem Preußen niedergeschlagen!t382J Nach der Kapitulation wurde die Maske fallen gelassen (beiseite geworfen). Die capitulards[200i wurden eine Regierung von Bismarcks Gnaden. Als seine Gefangenen schlössen sie mit ihm einen allgemeinen Waffenstillstand, dessen Bedingungen Frankreich entwaffneten und jeden weiteren Widerstand unmöglich machten. In Bordeaux als Regierung der Republik wieder auferstanden, flehten diese selben capitulards durch Thiers, ihren Ex-Botschafter, und Jules Favre, ihren auswärtigen Minister, im Namen der Mehrheit der sogenannten Nationalversammlung und lange vor der Erhebung von Paris Bismarck inbrünstig an, Paris zu entwaffnen und zu besetzen und „seine Kanaille" niederzuschlagen, wie Bismarck selbst bei seiner Rückkehr aus Frankreich nach Berlin seinen Bewunderern in Frankfurt spöttisch erzählte. Die Besetzung von Paris durch die Preußen - das war das letzte Wort des „Plans " der Verteidigungsregierung. Die zynische Unverschämtheit, mit der dieselben Leute seit ihrer Niederlassung in Versailles vor Preußen kriechen und nach seiner bewaffneten Einmischung rufen, hat selbst die feile Presse Europas verblüfft. Die Heldentaten der Pariser Nationalgarde, seitdem sie nicht mehr unter, sondern gegen die capitulards kämpft, hat auch den größten Zweifler gezwungen, das Wort „Verräter" den frechen Stirnen der Trochu, Jules Favre und Co. einzubrennen. Die von der Kommune beschlagnahmten Dokumente haben schließlich die juristischen Beweise für ihren Hochverrat beigebracht. Unter diesen Papieren befinden sich Briefe der bonapartistischen sabreurs1, denen die Ausführung von Trochus „Plan" anvertraut worden war, in denen diese elenden Schurken Witze reißen und sich lustig machen über ihre eigene „Verteidigung von Paris" (vgl. zum Beispiel den Brief von Alphonse-Simon Guiod, Oberkommandant der Artillerie der Pariser Verteidigungsarmee, Großkreuz der Ehrenlegion, an Susane, Divisionsgeneral der Artillerie; der Brief wurde vom „Journal Officiel" der Kommune veroffentlicht t1")). Es ist daher offensichtlich, daß die Männer, die jetzt die Versailler Regierung bilden, dem Schicksal überführter Verräter nur durch einen Bürgerkrieg, den Untergang der Republik und eine monarchische Restauration unter dem Schutz der preußischen Bajonette entgehen können. Aber - und das ist äußerst charakteristisch für die Männer des Kaiserreichs, ebenso wie für die Männer, die nur auf seinem Boden und in seiner
1 Haudegen
.Atmosphäre zu Seheinvolkstribunen sich entwickeln konnten - die siegreiche Republik würde sie nicht nur als Verräter brandmarken, sie hätte sie als gemeine Verbrecher dem Kriminalgericht übergeben müssen. Man sehe sich nur Jules Favre, Ernest Picard und Jules Ferry an, diese Großen der von Thiers' geführten Verteidigungsregierung! Eine Reihe beglaubigter gerichtlicher Aktenstücke, die sich über ungefähr 20 Jahre erstrecken und von Herrn Milliere, Abgeordneter zur Nationalversammlung, veröffentlicht wurden, beweisen, daß Jules Favre, in ehebrecherischer wilder Ehe lebend mit der Frau eines in Algier wohnenden Trunkenbolds, durch eine höchst verwickelte Verkettung verwegner Fälschungen es fertiggebracht hatte, im Namen seiner Bastarde eine große Erbschaft zu erschleichen, die ihn zum reichen Mann machte, und daß nur die Begünstigung der bonapartistischen Gerichte ihn in einem von den rechtmäßigen Anwärtern unternommenen Prozesse vor der Entdeckung rettete. So ist Jules Favre, dieses salbungsvolle Sprachrohr von Familie, Religion, Eigentum und Ordnung, schon lange dem Code penal verfallen. Lebenslängliche Zwangsarbeit wäre unter jeder anständigen Regierung sein unvermeidliches Los. Ernest Picard, der gegenwärtige Versailler Minister des Innern, der sich am 4. September selbst zum Minister des Innern der Verteidigungsregierung ernannte, nachdem er vergeblich versucht hatte, von Louis Bonaparte ernannt zu werden, - dieser Ernest Picard ist der Bruder eines gewissen Arthur Picard. Als er gemeinsam mit Jules Favre und Co. die Unverschämtheit hatte, diesen seinen biedern Bruder als Kandidaten für das Corps legislatif im Departement Seine-et-Oise vorzuschlagen, veröffentlichte die Regierung des Kaiserreichs zwei Dokumente: einen Bericht der Polizeipräfektur (vom 31 .Juli 1867), welcher besagte, daß dieser Arthur Picard als „escroc"1 von der Börse ausgeschlossen wurde, und ein anderes Dokument, vom 11.Dezember 1868, nach welchem Arthur den Diebstahl von 300000frs. gestanden hatte, von ihm begangen als Direktor eines Zweigbüros der Societe generale[2031, rue Palestro Nr.5. Ernest machte nicht nur seinen biedern Arthur zum Chefredakteur seines eignen Blattes „L'Electeur libre"[204], das unter dem Kaiserreich gegründet wurde und bis heute erscheint, ein Blatt, in dem die Republikaner täglich als „Räuber, Banditen und partageux[383]" beschimpft werden, sondern, einmal Minister des Innern der „Verteidigung" geworden, beschäftigte Ernest Arthur als seinen finanziellen Vermittler zwischen dem Ministerium des Innern und der
1 „Betrüger"
Börse, um dort die ihm anvertrauten Staatsgeheimnisse in baren Profit zu verwandeln. Die ganze „Geschäfts"-Korrespondenz zwischen Ernest und Arthur ist in die Hände der Kommune gefallen. Wie der rührselige Jules Favre ist Ernest Picard, der Joe Miller der Versailler Regierung, ein dem Code penal und den Galeeren verfallner Mann! Um dieses Trio voll zu machen: Jules Ferry, vor dem 4. September ein armer brotloser Advokat, hatte, nicht zufrieden damit, die Hungersnot in Paris zu organisieren, es fertiggebracht, aus dieser Hungersnot ein Vermögen für sich herauszuschwindeln. Der Tag, an dem er sich für seine Betrügereien während der Belagerung von Paris zu verantworten haben wird, wird für ihn der Tag des jüngsten Gerichts sein. Kein Wunder also, daß diese Männer, die nur in einer von preußischen Bajonetten geschützten Monarchie hoffen können, den Galeeren zu entgehen, die nur in der Unruhe des Bürgerkriegs ihr ticket-of-leave1 erlangen können, daß diese Desperados sogleich von Thiers ausgesucht und von den Krautjunkern als sicherste Werkzeuge der Konterrevolution akzeptiert wurden! Kein Wunder, daß, als Anfang April gefangne Nationalgardisten in Versailles den wilden Exzessen der „Lämmer" Pietris und des Mobs von Versailles ausgesetzt waren, Herr Ernest Picard, „die Hände in den Hosentaschen, von Trupp zu Trupp spazierte und Witze riß", während „auf dem Balkon der Präfektur Madame Thiers, Madame Jules Favre und ein Schwärm ähnlicher Damen in bester Gesundheit und Laune zusahen" und sich an jener widerlichen Szene ergötzten. Kein Wunder also, daß, während der eine Teil Frankreichs unter der Ferse der Eroberer stöhnt, während Paris, das Herz und Haupt Frankreichs, täglich Ströme seines besten Blutes in der Selbstverteidigung gegen die einheimischen Verräter vergießt ..., die Thiers, Favre und Co. im Palast Ludwigs XIV. wilden Gelagen frönen, wie zum Beispiel der großen fete2, die Thiers zu Ehren von Jules Favre bei dessen Rückkehr aus Rouen gab (wohin er geschickt worden war, um mit den Preußen zu konspirieren) (vor ihnen zu kriechen). Es ist die zynische Orgie entkommener Verbrecher!
1 In England gibt man gemeinen Verbrechern nach Verbüßung des größern Teils ihrer Haft häufig Urlaubsscheine, mit denen sie entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Diese Scheine heißen tickets-of-leave und ihre Inhaber ticket-of-leave-men. [Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe des „Bürgerkriegs in Frankreich" Von 1871.] - 2 Festlichkeit
Wenn die Verteidigungsregierung anfangs Thiers zu ihrem Auswärtigen Botschafter machte, der an alle Höfe Europas betteln ging, um dort einen König für Frankreich gegen ihre Intervention gegen Preußen einzutauschen, wenn sie ihn später auf eine Rundreise durch die französischen Provinzen schickte, um dort mit den chäteaux1 zu konspirieren und die allgemeinen Wahlen im geheimen vorzubereiten, welche, zusammen mit der Kapitulation, Frankreich im Handstreich nehmen sollten, — so machte Thiers seinerseits sie zu seinen Ministern und hohen Beamten. Sie waren zuverlässige Leute. Es gibt etwas recht Mysteriöses in Thiers' Vorgehen - seine Verwegenheit bei der Beschleunigung der Pariser Revolution. Nicht damit zufrieden, Paris aufzustacheln durch die antirepublikanischen Demonstrationen seiner Krautjunker, durch die Drohungen, Paris zu enthaupten und zu enthauptstadten (decapiter et decapitaliser), durch Dufaures - Thiers' Justizminister - Gesetz vom 10. März über die echeances3 der Wechsel, das den Pariser Handel mit dem Bankrott bedrohte12,221, durch die Ernennung orleanistischer Gesandten, durch die Verlegung der Nationalversammlung nach Versailles, durch die Erhebung einer neuen Zeitungssteuer, durch die Beschlf gnahme der republikanischen Pariser Blätter, durch die Erneuerung des Belagerungszustandes, der zuerst von Palikao verhängt und mit dem Sturz der bonapartistischen Regierung am 4. September aufgehoben worden war, durch die Ernennung des d6cembriseur[2a3) und Ex-Senators Vinoy zum Gouverneur von Paris, des bonapartistischen Gendarmen Valentin zum Polizeipräfekten und des Jesuitengenerals Aurelle de Paladines zum Oberkommandanten der Nationalgarde von Paris, - nicht zufrieden damit eröffnete er den Bürgerkrieg mit schwachen Kräften durch Vinoys Angriff auf die Höhen von Montmartre, durch den Versuch, zuerst den Nationalgardisten die Geschütze wegzunehmen, die ihnen gehörten und die ihnen durch die Pariser Konvention'1311 nur deshalb belassen wurden, weil sie ihr Eigentum waren; auf diese Weise gedachte er, Paris zu entwaffnen. Woher dieser fiebrige Eifer, d'en finir3? Paris zu entwaffnen und niederzuschlagen war selbstverständlich die erste Voraussetzung für eine monarchistische Konterrevolution; aber ein verschlagener Intrigant wie Thiers konnte das Scheitern des heiklen Unternehmens, indem er es ohne gehörige Vorbereitung und mit lächerlich unzureichenden Mitteln begann, nur deshalb riskieren, weil er unter dem Druck eines ungeheuer notwendig gewordenen Schrittes stand. Sein Beweggrund war folgender. Durch Vermitt
1 Schloßherren — 2 Verfalltermine - 3 es zu erledigen
32 Marx/Engels, Werte, Bd. 17
lung seines Finanzministers Pouyer-Quertier hatte Thiers ein Anlehen von zwei Milliarden beantragt, sofort zahlbar, und von einigen weiteren Milliarden, die zu bestimmten Fristen folgen sollten. Bei dieser Transaktion war jenen großen Bürgern - Thiers, Jules Favre, Ernest Picard, Jules Simon, Pouyer-Quertier usw. ein wahrhaft königliches pot-de-vin (Trinkgeld) vorbehalten. Aber die Sache hatte einen Haken. Bevor sie den Vertrag endgültig siegelten, wünschten die Kontrahenten eine Garantie: die Befriedung Von ParislWiK Daher Thiers' rücksichtsloses Vorgehen. Daher der wilde Haß auf die Pariser Arbeiter, die eigensinnig genug waren, ihn bei diesem hübschen Geschäft zu stören. Was die Jules Favres, Picards usw. anbetrifft, so haben wir genug gesagt, um zu beweisen, daß sie würdige Komplizen eines solchen Geschäfts waren. Was Thiers selber anbetrifft, so ist wohlbekannt, daß er sich während seiner beiden Amtsperioden als Minister unter Louis-Philippe 2 Millionen verschaffte, und daß man ihn in seiner Amtszeit als Premier (vom März 1840) von der Tribüne der Deputiertenkammer wegen seines Unterschleifs anklagte, worauf er als Antwort Tränen vergoß - einen Artikel, den er ebenso freigebig verteilt wie Jules Favre und der gefeierte Komödiant Frederic Lemaitre. Nicht weniger bekannt ist es, daß die erste Maßnahme, die Herr Thiers traf, um Frankreich vor dem ihm durch den Krieg drohenden Finanzruin zu retten, war - sich selbst mit einem Jahressold von 3 Millionen frs. auszustatten, mit genau der gleichen Summe, die Louis Bonaparte 1850 von Herrn Thiers und seiner Bande in der gesetzgebenden Versammlung als Entgelt dafür bekam, daß er ihnen die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts gestattete[381). Diese Ausstattung des Herrn Thiers mit 3 Millionen war das erste Wort „jener sparsamen Republik", worauf er seinen Pcirisct Wälilsyn 1869 ^^ussiclit sjsnisc ht hatte. tt ÖS i ouyer- Ijuertier betrifft, so ist er Baumwollspinner in Rouen. 1869 war er der Führer eines Fabrikanten-Konklaves, das eine allgemeine Kürzung der Löhne zur „Eroberung" des englischen Marktes für notwendig erklärte, - eine Intrige, die von der Internationale vereitelt wurde[385). Pouyer-Quertier, sonst ein glühender und völlig serviler Anhänger des Kaisertums, fand nur einen Fehler an ihm, seinen Handelsvertrag mit England[262), der seinen eignen Fabrikanteninteressen schadete. Sein erster Schritt als Finanzminister des Herrn Thiers war, den „verhaßten" Vertrag anzuklagen und die Notwendigkeit zu verkünden, die alten Schutzzölle für seinen eignen Betrieb wieder einzuführen. Sein zweiter Schritt war der patriotischeVersuch, das Elsaß durch die wiedereingeführten alten Schutzzölle zu treffen, unter dem Vorwand, daß in diesem Fall kein internationaler Vertrag ihrer Wiedereinführung
im Wege stünde. Durch diesen Meisterstreich wäre sein eigner Betrieb in Rouen den gefährlichen Wettbewerb der Konkurrenzfabriken in Mülhausen losgeworden. Sein letzter Schritt war, seinem Schwiegersohn, Herrn Roche-Lambert, das Amt eines Generalsteuereinnehmers des Loiret zum Geschenk zu machen, eine der reichen Pfründen, die den regierenden Bourgeois in den Schoß fällt - und derselbe Pouyer-Quertier hatte es seinem bonapartistischen Vorgänger, Herrn Magne, so sehr übelgenommen, daß dieser seinem eigenen Sohn diese fette Pfründe gegeben hatte! Dieser Pouyer-Quertier war also gerade der rechte Mann für die Ausübung des obenerwähnten Geschäfts.
(30. März. „Rappel" 13861. Jules Ferry, Ex-Maire von Paris, hat durch Zirkular vom 28. März den Akzisebeamten verboten, irgendwelche Steuern für die Stadt Paris weiter zu erheben.)
Kleine Staatsschuftereien, - ein kleiner Charakter ... ein angenagtes Gewissen ... ewiger Anstifter von Parlamentsintrigen ... kleinliche Schliche und Kniffe ... Einstudieren seiner Predigten über Liberalismus, über die „libertes necessaires"1... emsig bemüht... starke Gründe abzuwägen gegen möglichen Mißerfolg ... zwingende Beweisgründe, die aufwiegen ... Art Heroismus in übertriebener Gemeinheit ... erfolgreiche Kriegslisten im Parlament ...
(Herr E. Picard ist ein Lump, der während der ganzen Dauer der Belagerung an der Börse die Niederlagen unserer Armeen in baren Profit verwandelt hat.)
(Blutbad, Verrat, Brandstiftung, Meuchelmord, Verleumdung, Lüge.)
In seiner Rede vor der Versammlung der Maires usw. (25. April) sagt Thiers selber, daß „die Mörder von Clement Thomas und Lecomte" eine Handvoll Verbrecher [sind] („und desgleichen jene, die mit Recht als geistige Urheber oder als Helfershelfer dieser Verbrecher angesehn werden können, das heißt eine sehr kleine Zahl von Individuen"). I3871
1 „notwendigen Freiheiten"
Dufaure
Dufaure möchte Paris niederwerfen durch Verfolgungen der Presse in den Provinzen. Ungeheuerlich - Zeitungen vor Gericht zu bringen, weil sie „Versöhnung" predigen. Dufaure spielt in Thiers' Intrige eine wichtige Rolle. Durch sein Gesetz vom 10. März brachte er den ganzen verschuldeten Pariser Handel auf. Durch sein Gesetz über Hausmieten bedrohte er ganz Paris. Beide Gesetze sollten Paris dafür strafen, daß es Frankreichs Ehre gerettet und die Übergabe an Bismarck 6 Monate verzögert hatte. Dufaure ist Orleanist und „Liberaler" im parlamentarischen Sinne des Wortes. Folglich war er immer der Minister der Unterdrückung und des Belagerungszustands. Er übernahm sein erstes Ministeramt am 13. Mai 1839, nach der Niederlage der derniere prise d'armes1 der republikanischen Partei13881 und war daher in der damaligen Juliregierung der Minister erbarmungsloser Unterdrückung. Am 2. Juni 1849 berief Cavaignac, der am 29. Oktober (1848) zur Aufhebung des Belagerungszustands gezwungen war, zwei Minister Louis-Philippes in sein Kabinett (Dufaure für Inneres und F/üien)[389). Er ernannte sie auf Verlangen der rue de Poitiers (Thiers)[3901, welche Garantien forderte. Er hoffte, sich so die Unterstützung der Monarchisten für die bevorstehenden Präsidentenwahlen zu sichern. Dufaure gebrauchte die ungesetzlichsten Mittel, um Cavaignacs Kandidatur sicherzustellen. Einschüchterung und Wählerbestechung wurden niemals in größerem Maßstab praktiziert. Dufaure überschwemmte Frankreich mit Schmähschriften gegen die anderen Kandidaten, besonders gegen Louis Bonaparte, was ihn nicht hinderte, später Minister Louis Bonapartes zu werden. Dufaure wurde wiederum der Minister des Belagerungszustands vom 13. Juni 1849 (anläßlich der Demonstration der Nationalgarde gegen die Beschießung Roms usw. durch die französische Armee)[1391. Jetzt ist er wieder der Minister des Belagerungszustands, der in Versailles (für das Departement Seineet-Oise) verhängt wurde. Thiers erhält Vollmacht, über jedes beliebige Departement den Belagerungszustand zu erklären. Ebenso wie 1839 und 1849 will Dufaure neue Repressionsgesetze, neue Preßgesetze, ein Gesetz zur „Verkürzung der Formalitäten an den Kriegsgerichten"[260]. In einem Zirkular an die procureurs gen6raux bezeichnet er den Ruf nach „Versöhnung" als ein Preßverbrechen, das streng geahndet werden muß. Es ist be
1 letzten bewaffneten Erhebung
zeichnend für das französische Gerichtswesen, daß nur ein einziger procureur general (der von Mayenne1) Dufaure schrieb, er werde zurücktreten...
„ Ich kann einem Ministerium nicht dienen, das mir in einer Zeit des Bürgerkriegs befiehlt, mich in Parteikämpfe zu stürzen und Bürger, die mein Gewissen für unschuldig hält, zu verfolgen, weil sie das Wort Versöhnung ausgesprochen haben." f391l Dufaure gehörte 1847 zur „Union liberale", die gegen Guizot konspirierte, wie er zur „Union liberale" von 1869 gehörte, die sich gegen Louis Bonaparte verschwort392]. In bezug auf das Gesetz vom 10. März und das Hausmietengesetz muß bemerkt werden, daß sowohl Dufaures wie Picards, beide sind Advokaten, beste Klienten sich unter den Hausbesitzern und den Geldsäcken befinden, die durch die Belagerung von Paris nichts verlieren wollen.
Jetzt, wie nach der Februarrevolution 1848, sagen diese Leute zu der Republik, wie der Henker zu Don Carlos sagte: „Je vais t'assassiner, mais c'est pour ton bien". (Ich werde dich morden, aber zu deinem eignen Besten.)
Lecomte und Clement Thomas
Nach Vinoys Versuch, die Buttes2 von Montmartre zu nehmen (am 18. März wurden sie3 um 4 Uhr im Park von Chäteau-Rouge erschossen), wurden General Lecomte und Clement Thomas gefangengenommen und von denselben erregten Soldaten des 81. Linienregiments erschossen. Es war ein kurzer Akt der Lynchjustiz, vollzogen trotz des dringenden Einspruchs einiger Delegierter des Zentralkomitees. Lecomte, ein Halsabschneider mit Schulterstücken, hatte auf der placePigalle seinen Truppen viermal befohlen,auf einen unbewaffneten Haufen von Weibern und Kindern zu feuern. Statt auf das Volk zu schießen, erschossen die Soldaten ihn. Clement Thomas, Ex-Wachtmeister und „General", ohne Umstände von den Herren des „National", dessen gerant er gewesen war, am Vorabend der Junimassaker (1848) ernannt, hatte sein Schwert niemals in das Blut eines anderen Feindes als der Pariser Arbeiterklasse getaucht. Er war einer der finstren Intriganten, die die Juni-Insurrektion bewußt provozierten, und einer ihrer grausamsten Henker. Als am 31. Oktober 1870 die Pariser proletarischen
1 Louis Vacheron - 2 Höhen - 3 Lecomte und Thomas
Nationalgarden die „Verteidigungsregierung" im Stadthause überrumpelten und gefangensetzten, gaben diese selbsternannten Leute, diese gens de paroles1, wie einer von ihnen, Picard, sie neulich nannte, ihr Ehrenwort, daß sie der Kommune Platz machen würden. Nachdem man ihnen so gestattet hatte, ungestraft zu entkommen, warfen sie Trochus Bretonen12281 gegen ihre allzu vertrauensseligen Fänger. Einer von ihnen jedoch, Herr Tamisier, legte sein Amt als Oberkommandant der Nationalgarde nieder. Er lehnte es ab, sein Ehrenwort zu brechen. Da hatte wieder Clement Thomas' Stunde geschlagen. Er wurde an Tamisiers Stelle zum Oberkommandanten der Nationalgarde ernannt. Er war der richtige Mann für Trochus „Plan". Er führte niemals gegen die Preußen Krieg, er führte Krieg gegen die Nationalgarde, die er desorganisierte, spaltete und verleumdete, indem er alle dem „Plan" Trochus feindlichen Offiziere beseitigte, einen Teil der Nationalgarden gegen den andern ausspielte und sie bei „Ausfällen" opferte, die so geplant waren, daß sie sie lächerlich machen mußten. Verfolgt von den Schatten seiner Juniopfer mußte dieser Mann ohne offizielle Befugnis notwendig wieder auf [dem] Kriegsschauplatz des 18. März erscheinen, wo er ein neues Blutbad unter dem Volk von Paris witterte. Er fiel im ersten Augenblick der Volksempörung der Lynchjustiz zum Opfer. Die Leute, die Paris der Gnade des decembriseur Vinoy ausgeliefert hatten, um die Republik zu morden und die im Vertrag Pouyer-Quertiers festgesetzten pots-de-vin2 einzustecken, schrien jetzt: Mörder, Mörder! Ihr Geheul wurde von der europäischen Presse aufgenommen, die so nach dem Blut der „Proletarier" gierte. Eine Posse hysterischer „Empfindsamkeit" wurde in der Krautjunker-Versammlung 12201 inszeniert, und heute wie damals waren die Leichen ihrer Freunde höchst willkommne Waffen gegen ihre Feinde. Paris und das Zentralkomitee wurden für einen Vorfall verantwortlich gemacht, der außerhalb ihrer Kontrolle lag. Es ist bekannt, wie in den Junitagen 1848 die „Ordnungsmänner" Europa mit ihrem Schrei der Entrüstung gegen die Insurgenten wegen der Ermordung des Erzbischofs von Paris3 erschütterten. Sogar schon damals wußten sie durch das Zeugnis des Herrn Jacquemet, des vicaire general4 des Erzbischofs, der diesen zu den Barrikaden begleitet hatte, recht gut, daß der Bischof von den Truppen Cavaignacs erschossen worden war und nicht von den Insurgenten; aber sein Leichnam paßte ihnen in den Kram. Herr Darboy, der gegenwärtige Erzbischof von Paris, einer der Geiseln, die von der Kommune zur Selbstverteidigung gegen die wilden Grausamkeiten der Versailler Regierung festgenommen
1 Männer von Wort - 2 Trinkgelder - 3 Affre - 4 Generalvikars
worden war, scheint jedoch die seltsame Ahnung zu hegen, wie aus seinem Brief an Thiers hervorgeht, - daß Papa Transnonain13931 darauf aus sein könnte, mit seiner Leiche als einem Gegenstand heiliger Entrüstung zu spekulieren. Kaum ein Tag verging, an dem die Versailler Presse nicht seine Hinrichtung anzeigte, zu welcher die fortgesetzten Grausamkeiten und Verletzung des Kriegsrechts seitens der „Ordnungspartei" jede andere Regierung außer der der Kommune getrieben hätten. Die Versailler Regierung hatte kaum einen ersten militärischen Erfolg erzielt, als Hauptmann Desmaret, der an der Spitze seiner Gendarmen den ritterlichen Flourens meuchelmordete, von Thiers ausgezeichnet wurde. Flourens hatte den „Verteidigungsmännern" am 31. Oktober das Leben gerettet. Vinoy, der Feigling (Ausreißer), wurde zum Großkreuz der Ehrenlegion ernannt, weil er unseren tapferen Genossen Duval, als er gefangengenommen wurde, innerhalb der Feldschanzen morden ließ, weil er, als zweite Rate, mehrere Dutzend gefangene Angehörige der Linientruppen, die sich dem Volk von Paris angeschlossen hatten, erschießen ließ und diesen Bürgerkrieg durch die „Dezembermethoden"13941 eröffnete. General Galliffet - „der Gatte jener bezaubernden Marquise, deren Maskenballkostüme eins der Wunder des Kaiserreichs waren", wie ein Londoner Skribent es zartfühlend ausdrückt, „überraschte" bei Rueil einen Hauptmann, einen Leutnant und Gemeine der Nationalgarde, ließ sie sofort erschießen und veröffentlichte unverzüglich eine Proklamation, in der er sich der Tat rühmt. Das sind ein paar von den Mördern, die die Versailler Regierung offiziell bekanntgemacht und geehrt hat. 25 Soldaten des 80. Linienregiments wurden von Soldaten des 75. Regiments als „Rebellen" erschossen.
„Jeder, der in der Uniform der regulären Armee in den Reihen der Kommunisten ergriffen wurde, wurde ohne jedes Erbarmen auf der Stelle erschossen. Die Regierungstruppen waren beispiellos grausam."[395J „Herr Thiers teilte die ermunternden Einzelheiten von Flourens' Tod der NationalVersammlung mit." Versailles, 4.April. Thiers, dieser mißgebildete Zwerg, berichtet über seine nach Versailles gebrachten Gefangnen (in seiner Proklamation): „Niemals war der betrübte Blick ehrlicher Leute" (der Männer Pietris!) „auf so entwürdigte Gesichter einer entwürdigten Demokratie gefallen." „Vinoy erhebt Einspruch gegen irgendwelche Gnade für aufständische Offiziere oder Liniensoldaten." Am 6. April Dekret der Kommune über Vergeltungsmaßregeln (und Geiseln):
„In Erwägung, daß die Versailler Regierung die Gesetze der Menschlichkeit und die des Krieges offen mit Füßen tritt und daß sie sich solcher Greuel schuldig gemacht hat, durch die nicht einmal die Invasoren Frankreichs sich entehrt haben ... wird dekretiert usw." [306J (Folgen die Artikel.1) 5.April. Proklamation der Kommune: „Täglich erschlagen oder erschießen die Banditen von Versailles unsere Gefangenen, und stündlich erfahren wir, daß ein neuer Mord begangen worden ist ... Das Volk verabscheut Blutvergießen selbst im Zorn, so wie es den Bürgerkrieg verabscheut, aber es ist seine Pflicht, sich gegen die wilden Anschläge seiner Feinde zu schützen, und was es auch kosten möge, es soll Aug' um Auge, Zahn um Zahn sein." 13961 („Die Polizeisergeanten, die gegen Paris kämpfen, bekommen lOfrs. pro Tag."^ Versailles. 11. April. Scheußlichste Einzelheiten über die kaltblütige Erschießung von Gefangenen, nicht von Deserteuren, werden von Stabsoffizieren und anderen Augenzeugen mit offensichtlichem Genuß wiedergegeben. In seinem Brief an Thiers protestiert Darboy „gegen die gräßlichen Exzesse, die das Grauen unseres brudermörderischen Kriegs vermehren". In der gleichen Art schreibt Deguerry (eure de la Madeleine3): „Diese Exekutionen rufen (in Paris großen Zorn hervor und können zu schrecklichen Repressalien führen." „So ist man entschlossen, für jede neue Exekution zwei der zahlreichen Geiseln hinrichten zu lassen, die man in der Hand hat. Urteilen Sie selbst, in welchem Maße das, worum (ich) Sie als Priester bitte, dringend und absolut notwendig ist)."!397! Inmitten dieser Greuel schreibt Thiers an diePräfekten: „L'Assemblde siege paisiblement." (Elle aussi a le coeur leger.)3 Thiers und la commission des quinze[398] seiner Krautjunker besaßen die kaltschnäuzige Unverschämtheit, die „angeblichen Massenexekutionen und Repressalien, die den Versailler Truppen zugeschrieben werden", „offiziell abzustreiten". Aber Papa Transnonain [sagt] in seinem Zirkular vom 16. April über die Beschießung von Paris:
1 Folgen die Artikel: in der Handschrift deutsch - 2 Pfarrer der Madeleine-Kirche 3 „Die Versammlung tagt in Frieden weiter." (Auch sie ist leichten Herzens.) - Anspielung auf die Äußerung des Ministerpräsidenten Ollivier am Vorabend des Deutsch-Französischen Krieges, daß er „leichten Herzens" die Verantwortung für die Kriegserklärung an Preußen auf sich nehme.
„Wenn einige Kanonenschüsse gefallen sind, so geschah das nicht durch die Versailler Armee, sondern durch einige Insurgenten, die glauben machen wollen, sie schlügen sich, wo sie sich doch nirgends zu zeigen wagen.' '[251] Thiers hat unter Beweis gestellt, daß er seinen Helden, Napoleon I., wenigstens in einem übertrifft: in verlogenen Berichten. (Paris beschießt sich natürlich selber, damit es Herrn Thiers verleumden kann!) Diesen widerlichen Provokationen der bonapartistischen Gauner gegenüber hat sich die Kommune damit begnügt, Geiseln zu nehmen und Vergeltungsmaßregeln anzudrohen, aber ihre Drohungen sind auf dem Papier geblieben! Nicht einmal die als Offiziere verkleideten Gendarmen, nicht einmal die gefangengenommenen Gendarmen, bei denen man Sprengbomben gefunden hatte, wurden vor ein Kriegsgericht gestellt! Die Kommune hat es abgelehnt, ihre Hände mit dem Blut dieser Bluthunde zu besudeln! Einige Tage vor dem 18. März legte Clement Thomas dem Kriegsminister Le Flo einen Plan vor zur Entwaffnung von Dreiviertel der Nationalgarde. <„Die Blüte der Kanaille", sagte er, „hat sich rund um Montmartre konzentriert und ist mit Belleville im Einverständnis.")
Die Nationalversammlung
(Die am 8. Februar unter dem Druck des Feindes gewählte Versammlung, dem die in Versailles regierenden Männer alle Forts übergeben und Paris schutzlos ausgeliefert hatten, diese Versailler Versammlung hatte einen einzigen durch die am 28. Januar in Versailles unterzeichnete Konvention1131J klar bestimmten Zweck: zu entscheiden, ob der Krieg fortgesetzt werden könne oder ob Frieden zu schließen sei; und, im letzteren Fall, die Friedensbedingungen festzulegen und die schnellstmögliche Räumung des französischen Territoriums zu sichern.)
Chanzy, Erzbischof von Paris usw.
Die Freilassung Chanzys fand fast zur gleichen Zeit wie die Flucht Saissets statt. Die royalistischen Journalisten sagten einstimmig den Tod des Generals voraus, Sie wollten diese liebenswerte Tat den Roten anhängen.
Dreimal sei seine Hinrichtung angeordnet worden, und nun würde er wirklich erschossen werden. Nach der Vendome-A0äre: In Versailles herrschte Bestürzung. Ein Angriff auf Versailles wurde für den 23. März erwartet, denn die Führer der kommunalen Bewegung hatten angekündigt, daß sie gegen Versailles marschieren würden,falls die Nationalversammlungirgendeine feindselige Handlung unternähme. Die Versammlung unternahm nichts. Im Gegenteil: Sie stimmte einem dringlichen Vorschlag zu, Kommunalwahlen in Paris abzuhalten usw. Mit diesen Zugeständnissen gab die Versammlung ihre Machtlosigkeit zu. Gleichzeitig - royalistische Intrigen in Versailles. Bonapartistische Generale und der Herzog d'Aumale'3"1. Favre bekannte offen, er habe einen Brief von Bismarck erhalten, der besagt, Paris werde von deutschen Truppen besetzt werden, wenn bis zum 26. März die Ordnung nicht wiederhergestellt sei. Die Roten durchschauten klar diesen kleinen Kunstgriff. Die {Vendome-Affäre wurde provoziert) von (dem Fälscher J.Favre, diesem infamen Jesuiten, der am) (21. März?) (die Tribüne der Versailler Versammlung bestieg, um das Volk, das ihn aus dem Nichts geholt hatte, zu beleidigen und Paris gegen die Departements aufzuwiegeln). 30. März. Proklamation der Kommune: („Heute mißbrauchen die Verbrecher, die ihr nicht einmal verfolgen wolltet, eure Großmut, um direkt vor den Toren der Stadt einen Herd monarchistischer Verschwörung zu organisieren. Sie beschwören den Bürgerkrieg herauf, sie setzen alle Arten der Bestechung ins Werk, sie nehmen jeden Helfershelfer an, sie haben sogar gewagt, beim Ausländer um Hilfe zu betteln.") I400!
Thiers
Am 25.April sagte Thiers auf seinem Empfang für die Maires, Adjunkten und Gemeinderäte des Seine-Departements: („Die Republik existiert. Das Haupt der Exekutivgewalt ist nur ein einfacher Bürger ")ll01l Der Fortschritt Frankreichs von 1830 bis 1871 besteht nach Herrn Thiers darin: 1830 war Louis-Philippe „die beste der Republiken"; 1871 ist das ministerielle Fossil der Herrschaft Louis-Philippes, der kleine Thiers selbst, die beste der Republiken. Herr Thiers begann sein Regime mit einer Usurpation. Von der Nationalversammlung wurde er zum Chef des Ministeriums der Versammlung ernannt; zum Chef der Exekutive von Frankreich ernannte er sich selbst.
Die Nationalversammlung und die Revolution von Paris
Die Versammlung, einberufen auf Diktat des fremden Eindringlings, war, wie in der Versailler Konvention vom 28. Januar klar niedergelegt wurde, nur für den einzigen Zweck gewählt: über die Fortsetzung des Krieges zu entscheiden oder die Friedensbedingungen festzulegen. Dadurch, daß sie das französische Volk an die Wahlurnen riefen, definierten die Pariser capitulards selbst klar diesen besonderen Auftrag der Versammlung, und das erklärt weitgehend ihre Zusammensetzung überhaupt. Da die Fortsetzung des Krieges schon durch die Waffenstillstandsbedingungen, die die capitulards demütig angenommen haben, unmöglich gemacht worden war, hatte die Versammlung faktisch nur den schmachvollen Frieden zur Kenntnis zu nehmen, und für diese besondre Tat waren die schlechtesten Leute Frankreichs gerade die besten. Die Republik wurde am 4. September proklamiert, nicht von den Winkeladvokaten, die sich im Stadthaus als Verteidigungsregierung etabliert hatten, sondern durch das Volk von Paris. Ihr jubelte ganz Frankreich ohne eine einzige Stimme des Widerspruchs zu. Sie eroberte sich ihre Daseinsberechtigung durch einen fünfmonatigen Krieg, dessen Eckstein der lange Widerstand von Paris war. Ohne diesen Krieg, der von der Republik und im Namen der Republik geführt wurde, hätte Bismarck nach der Kapitulation von Sedan das Kaiserreich restauriert; die Winkeladvokaten mit Herrn Thiers an der Spitze hätten nicht um Paris willen verhandeln müssen, sondern wegen persönlicher Garantien gegen eine Reise nach Cayennel225J, und von der Krautjunker-Versammlung hätte man nie etwas gehört. Sie kam nur zusammen dank der republikanischen Revolution, die von Paris ihren Ausgang nahm. Da sie keine verfassungsgebende Versammlung war, wie Herr Thiers selbst bis zum.Überdruß wiederholt hat, hätte sie nicht einmal, außer als bloßer Chronist der vergangenen Ereignisse der republikanischen Revolution, das Recht gehabt, die Absetzung der Dynastie der Bonaparte zu verkünden. Darum ist die einzige rechtmäßige Macht in Frankreich die Revolution selbst, deren Zentrum Paris ist. Diese Revolution wurde nicht gegen Napoleon den Kleinen1190', sondern gegen die sozialen und politischen Zustände gemacht, die das Zweite Kaiserreich hervorbrachten, die ihre letzte Vollendung unter seiner Herrschaft erhielten und die - wie der Krieg mit Preußen glänzend offenbarte - Frankreich in einen Leichnam verwandeln würden, wenn sie nicht durch die erneuernden Kräfte der französischen Arbeiterklasse verdrängt worden wären. Die Krautjunker-Versammlung, von der Revolution nur
mit der Vollmacht betraut, die unheilvollen Bedingungen zu unterzeichnen, die ihre gegenwärtige „Exekutive" dem fremden Eroberer in die Hand gegeben hatte, beging mit ihren Versuchen, die Revolution als einen ebensolchen capitulard zu behandeln, wie sie selbst einer war, eine ungeheuerliche Usurpation. Ihr Krieg gegen Paris ist nichts anderes als feige chouannerie [4021unter demSchutz preußischer Bajonette. Er ist eine gemeine Verschwörung zur Erdrosselung Frankreichs, um die Vorrechte, die Monopole und den Luxus der degenerierten, kraftlosen und verfaulenden Klassen zu retten, die es an den Abgrund gezerrt haben, vor dem es nur durch die Herkuleshand einer echten sozialen Revolution gerettet werden kann.
Thiers9 schönste Armee
Noch ehe er „Staatsmann" wurde, hatte Thiers schon seine Stärke im Lügen als Geschichtsschreiber bewiesen. Aber die Eitelkeit, die für zwerghafte Leute so bezeichnend ist, hat ihn diesmal zum Gipfel des Lächerlichen verleitet. Seine Ordnungsarmee, der Abschaum der bonapartistischen Soldateska, von Bismarcks Gnaden aus preußischen Gefängnissen frisch rückimportiert, die päpstlichen Zuaven11171, die Chouanst2fiB) Charettes, die Vendeer Cathelineaus, die „Municipals"[4031 Valentins, die ExPolizeisergeanten Pietris und die korsischen Gendarmen Valentins, die unter Louis Bonaparte nur die Spione in der Armee, unter Herrn Thiers aber die kriegerische Blüte seiner Armee bilden, das Ganze unter der Aufsicht Epauletten tragender mouchards und unter dem Befehl der ausgerissenen Dezembermarschälle, die keine Ehre zu verlieren hatten - diesen buntscheckigen, häßlichen Haufen von Galgenvögeln nennt Herr Thiers „die schönste Armee, die Frankreich je gehabt"/ Wenn er den Preußen immer noch gestattet, in St.Denis zu sitzen, so nur deshalb, um sie durch den Anblick der „schönsten Armee" von Versailles zu schrecken.
Thiers
Kleine Staatsschuftereien. Ewiger Einbläser von Parlamentsintrigen, war Herr Thiers nie mehr als ein „fähiger" Journalist und gerissener „Wortfechter", ein Meister parlamentarischer Schufterei, ein Virtuose des Meineids, ausgelernt in all den kleinen Kriegslisten, gemeinen Treulosigkeiten und schlauen Kniffen des parlamentarischen Parteikampfs. Dieser boshafte
Zwerg bezauberte die französische Bourgeoisie ein halbes Jahrhundert lang, weil er der getreuste geistige Ausdruck ihrer eigenen Klassenverderbtheit ist. Als er in den Reihen der Opposition saß, wiederholte er wieder und wieder seine schale Predigt von den „libertes necessaires"1, um sie niederzustampfen, als er an die Macht kam. Wenn er nicht im Amt war, pflegte -er Europa mit Frankreichs Schwert zu drohen. Um welcher Art waren seine diplomatischen Leistungen in Wirklichkeit? 1841 die Erniedrigung durch die Londoner Konvention12151 einzustecken, den Krieg mit Preußen durch seine Deklamationen gegen die deutsche Einheit zu beschleunigen, Frankreich 1870 durch seine Bettelreise an alle europäische Höfe zu kompromittieren, 1871 die Pariser Kapitulation zu unterzeichnen, einen „Frieden um jeden Preis" anzunehmen und von Preußen Erlaubnis und Mittel zu erflehen, um einen Bürgerkrieg in seinem eigenen niedergetretenen Vaterland zu entfachen. Einem Menschen seines Schlages blieben die verborgenen Kräfte der modernen Gesellschaft selbstverständlich immer unbekannt; aber er war sogar unfähig, die handgreiflichsten Veränderungen auf ihrer gesellschaftlichen Oberfläche zu verstehen. Zum Beispiel klagte er jede Abweichung von dem veralteten französischen Schutzzollsystem als eine Heiligtumsschändung an und verstieg sich als Minister Louis-Philippes dazu, den Bau von Eisenbahnen als törichtes Blendwerk verächtlich abzutun; sogar unter Louis Bonaparte widersetzte er sich eifrig jeder Reform der verfaulten französischen Heeresorganisation. Ein Mensch ohne Ideen, ohne Überzeugung und ohne Mut. Ein professioneller „Revolutionist" in dem Sinne, daß er in seiner Gier nach Pose, nach Macht und Bereicherung auf Kosten der Staatskasse, niemals Bedenken trug, wenn er in die Reihen der Opposition verbannt war, die Leidenschaften des Volkes zu erregen und eine Katastrophe zu provozieren, um einen Rivalen zu stürzen; gleichzeitig ist er ein äußerst flacher Routinier usw. Die Arbeiterklasse verleumdet er als die „vile multitude"2. Einer seiner früheren Kollegen in den gesetzgebenden Versammlungen, sein Zeitgenosse, ein Kapitalist und dennoch Mitglied der Pariser Kommune, Herr Beslay, wendet sich in einer öffentlichen Ansprache an ihn wie folgt: „Die Unterwerfung (asservissement) der Arbeit unter das Kapital, das ist der (,Kern') Ihrer Politik, und seit dem Tag, da Sie die Republik der Arbeit im Stadthaus eingesetzt sehn, haben Sie ohne Aufhören Frankreich zugerufen: ,Das sind Verbrecher!'"
1 „notwendigen Freiheiten" — 2 „schofle Menge"
Kein Wunder, daß Herr Thiers durch seinen Minister des Innern Ernest Picard angeordnet hat, „die Internationale Assoziation" an der Verbindung mit Paris zu hindern (Sitzung der Versammlung. 28. März). (Zirku~ lar von Thiers an die Präfekten und Unterpräfekten:) „Die guten Arbeiter, die im Vergleich zu den schlechten so zahlreich sind, sollten wissen, daß, wenn das Brot wieder ihre Münder flieht, sie es den Adepten der Internationale verdanken, welche die Tyrannen der Arbeit sind, als deren Befreier sie sich ausgeben." Ohne die Internationale.. .-1 (Jetzt die Geldgeschichte.) (Er und Favre haben ihr Geld nach London übersiedelt.)2 Es gibt ein Sprichwort, daß, wenn Schurken sich streiten, die Wahrheit herauskommt. Wir können deshalb das Bild von Thiers nicht besser vollenden als mit den Worten des Londoner Moniteur, der dem Herrn seiner Versailler Generale gehört. Die „Situation"14041 sagt in ihrer Nummer vom 28. März: „Herr Thiers ist niemals Minister gewesen, ohne dieSoIdaten zurNiedermetzelung des Volkes zu treiben, er, der Vaterlandsverräter, der Blutschänder, der Kassendieb, der Plagiator, der Verräter, der Ehrgeizling, der (Impotente)." Gewiegt in heimtückischen Kniffen und geriebenen Winkelzügen.
Vor der Julirevolution mit den Republikanern verbunden, erhaschte er sein erstes Ministeramt unter Louis-Philippe, indem er seinen alten Protektor Laffitte beseiteschob. Seine erste Tat war, seinen alten Mitarbeiter Armand Carrel ins Gefängnis zu werfen. Er schmeichelte sich als Spion bei Louis-Philippe ein, und als Gefängnisgeburtshelfer spionierte er bei der Herzogin von Berry12051, aber im Mittelpunkt seiner Tätigkeit standen die Niedermetzelung der aufständischen Pariser Republikaner in der rue Transnonain und die Septembergesetze12061 gegen die Presse, um dann als stumpfgewordenes Werkzeug beiseitegeworfen zu werden. Nachdem er sich 1840 wieder an die Macht intrigiert hatte, entwarf er die Befestigungen von Paris12071, denen sich die gesamte demokratische Partei, ausgenommen die Bourgeoisrepublikaner vom „National", als einem Anschlag auf die Freiheit von Paris widersetzte. Herr Thiers erwiderte auf ihren Protestruf von der Tribüne der Deputiertenkammer herab:
1 Dieser Satz ist in der Handschrift nicht zu Ende geführt - 2 (Jetzt die Geldgeschichte) (Er und Favre haben ihr Geld nach London übersiedelt.): in der Handschrift deutsch
(„Was? Sich einbilden, daß irgendwelche Festungswerke die Freiheit gefährden könnten ... Das heißt, sich völlig außerhalb aller Realitäten stellen. Und vor allem ist das eine Verleumdung ganz gleich welcher Regierung, wenn man voraussetzt, daß sie eines Tages versuchen könnte, sich durch ein Bombardement der Hauptstadt zu behaupten. Was? Nachdem sie mit ihren Bomben die Kuppel des Invalidendoms oder des Pantheons durchbohrt, nachdem sie das Heim eurer Familien dem Feuer preisgegeben, würde sie vor euch hintreten, um euch um die Bestätigung ihres Daseins zu bitten! Aber eine solche Regierung wäre nach dem Siege hundertmal unmöglicher als vorher."M208l
In der Tat, weder die Regierung des Louis-Philippe noch die der bonapartistischen Regentschaft wagte es, sich aus Paris zurückzuziehen und es zu bombardieren. Eine solche Benutzung der Befestigungen war Herrn Thiers vorbehalten, der sie ursprünglich entworfen hatte. Als König Bomba1 von Neapel im Januar 1848 Palermo bombardierte1209 erklärte Herr Thiers wiederum in der Deputiertenkammer:
(„Sie wissen, meine Herren, was in Palermo vorgeht: Sie alle erbeben vor Schauder, wenn Sie hören, daß 48 Stunden lang eine große Stadt bombardiert worden ist. Von wem? Von einem auswärtigen Feind, in Anwendung des Kriegsrechts? Nein, meine Herren, von ihrer eignen Regierung. Und weswegen? Weil diese unglückliche Stadt ihre Rechte forderte. Wohlan, und für die Forderung ihrer Rechte erhielt sie 48 Stunden Bombardement. Erlauben Sie mir, an die Meinung von Europa zu appellieren. Es heißt der Menschlichkeit einen Dienst erweisen, wenn man sich erhebt und von der vielleicht größten Tribüne Europas einige Worte der Entrüstung gegen solche Taten widerhallen läßt. Meine Herren, als die Österreicher vor 50 Jahren in Anwendung des Kriegsrechts Lille bombardieren wollten, um sich eine lange Belagerung zu ersparen, als später die Engländer, die ebenfalls das Kriegsrecht anwandten, Kopenhagen bombardierten, und erst kürzlich, als der Regent Espartero, der seinem Lande Dienste geleistet hatte, Barcelona bombardieren wollte, um einen Aufstand zu unterdrücken, da gab es in allen Teilen der Welt eine allgemeine Entrüstung.") I210!
Über ein Jahr später spielte Thiers den wütendsten Verteidiger des Bombardements von Rom durch die Truppen der Französischen Republik und feierte seinen Freund, den General Changarnier, für die Niedersäbelung der Pariser Nationalgarden, die gegen diesen Bruch der französischen Verfassung protestierten. Wenige Tage vor der Februarrevolution von 1848, unwirsch ob der langen Verbannung vom Amt, wozu Guizot ihn verurteilt hatte, und die wachsende Bewegung der Massen witternd, die ihn, wie er hoffte, in die Lage
1 Ferdinand II.
versetzen würde, seinen Rivalen zu vertreiben und sich Louis-Philippe aufzuzwingen, rief Thiers in der Deputiertenkammer aus:
(„Ich gehöre zur Partei der Revolution, nicht allein in Frankreich, sondern in Europa. Ich wünsche, daß die Regierung der Revolution in den Händen gemäßigter Männer bleiben möge;... aber sollte diese Regierung in die Hände heftiger Leute fallen, selbst in die von Radikalen, so werde ich darum doch meine Sache nicht im Stich lassen. Ich werde immer zur Partei der Revolution gehören,")[212J Die Februarrevolution niederzuschlagen, das war seine ausschließliche Beschäftigung von dem Tag an, da die Republik ausgerufen wurde, bis zum coup d'etat. Die ersten Tage nach der Februarexplosion versteckte er sich ängstlich, aber die Pariser Arbeiter verachteten ihn zu sehr, um ihn zu hassen. Doch bei seiner notorischen Feigheit - die Armand Carrel auf seine Prahlerei, „er werde eines Tages an [den] Ufern des Rheins sterben", antworten ließ: „In der Gosse wirst du sterben" - wagte er nicht, auf der öffentlichen Bühne eine Rolle zu spielen, ehe die Volkskräfte durch die Niedermetzelung der Juni-Insurgenten zusammengebrochen waren. Anfangs, als die Bühne noch nicht sicher genug war, um wieder öffentlich auf ihr zu erscheinen, beschränkte er sich darauf, die Verschwörung der Gesellschaft in der rue de Poitiers13901 im geheimen zu lenken, deren Ergebnis die Restauration des Kaiserreichs war.
Während der Belagerung von Paris antwortete Jules Favre auf die Frage, ob Paris im Begriff sei, zu kapitulieren: Die Bombardierung von Paris wäre nötig, damit das Wort Kapitulation ausgesprochen werden könnte! Das erklärt seine melodramatischen Proteste gegen die Bombardierung durch die Preußen und warum die letztere eine Schein-Bombardierung war, während die Beschießung durch Thiers harte Wirklichkeit ist. Parlamentarischer Pickelhäring12501. Seit 40 Jahren steht Thiers auf der Bühne. Nie hat er auch nur eine einzige nützliche Maßnahme auf irgendeinem staatlichen Gebiet oder im praktischen Leben eingeleitet. Eitel, skeptisch, ein Epikureer: Er hat niemals um der Sache willen geschrieben oder gesprochen. In seinen Augen ist die Sache selbst bloßer Vorwand für die Schaustellung seiner Feder oder seiner Zunge. Außer seiner Gier nach Amt und Unterschleif und Geltung gibt es nichts Wirkliches an ihm, nicht einmal seinen Chauvinismus.
Im echten Stil vulgärer professioneller Zeitungsschreiber macht er sich heute in seinen Berichten über das schlechte Aussehen seiner Versailler Gefangenen lustig, dann wieder gibt er bekannt, daß die Krautjunker („sich wohl befinden"), dann macht er sich lächerlich durch seine Berichte über die Einnahme von „Moulin-Saquet" (am 4.Mai), wo 300 Gefangene gemacht wurden. („Der Rest der Insurgenten ist gelaufen, was er laufen konnte, 150 Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld zurücklassend"), und schnippisch setzt er hinzu: („Das ist der Sieg, den die Kommune morgen in ihren Berichten feiern kann." „Paris wird in kurzem befreit sein von den schrecklichen Tyrannen, die es bedrücken.") P52l Paris - das Paris der Masse des Pariser Volks, das gegen ihn kämpft, ist für ihn nicht „Paris". „Paris - das ist das reiche, das kapitalistische, das faulenzende" Paris (warum nicht das kosmopolitische Bordell?). Das ist das Paris des Herrn Thiers. Das wirkliche Paris, das arbeitende, denkende, kämpfende Paris, das Paris des Volkes, das Paris der Kommune ist eine „vile multitude". Das ist die ganze Haltung des Herrn Thiers, nicht nur gegenüber Paris, sondern gegenüber Frankreich. Das Paris, das seinen Mut bei der „friedlichen Kundgebung" und bei Saissets „Eskapade" zeigte, das sich jetzt in Versailles, in Rueil, in Saint-Denis und Saint-Germain-enLaye drängt, gefolgt von den Kokotten, die an den „Männern der Religion, der Familie, der Ordnung und des Eigentums" hängen (das Paris der wirklich „gefährlichen", der ausbeutenden und müßigen Klassen) (der „francsfileurs"[2531), die sich damit belustigen, den Kampf durchs Fernglas zu betrachten, für die „der Bürgerkrieg nur ein angenehmes Zwischenspiel ist"— das ist das Paris des Herrn Thiers (ganz wie die Emigration von Koblenz das Frankreich des Herrn de Calonne war'2641). In seinem vulgären Zeitungsschreiberstil weiß er nicht einmal eine Scheinwürde zu wahren, aber um von der Etikette der „Legitimität" nicht abzuweichen, mordet er die Frauen, Mädchen und Kinder, die unter den Trümmern von Neuilly gefunden wurden. Er konnte es nicht unterlassen, die Gemeindewahlen, die er in Frankreich angeordnet hat, durch die Feuersbrunst von Clamart zu illuminieren, das mit Petroleumgranaten niedergebrannt wurde. Die römischen Geschichtsschreiber vollenden Neros Charakterbild, indem sie uns sagen, daß das Ungeheuer sich rühmte, ein Verseschmied und Komödiant zu sein. Aber bringt einen bloßen professionellen Zeitungsschmierer und parlamentarischen Pickelhäring wie Thiers an die Macht, und er wird neronischer als Nero sein. Wenn er den bonapartistischen „Generalen" gestattet, sich an Paris zu rächen, spielt er seine Rolle nur als blindes Werkzeug von Klasserfinteres
seil; aber seine eigene Rolle spielt er in der kleinen Nebenkomödie der Berichte, Reden, Aufrufe, in denen die Eitelkeit, die Niedertracht und der schlechteste Geschmack des Zeitungsschmierers zum Vorschein kommen.
Er vergleicht sich mit Lincoln und die Pariser mit den rebellischen Sklavenhaltern des Südens. Die Leute aus den Südstaaten kämpften für die Versklavung der Arbeit und die territoriale Trennung von den Vereinigten Staaten. Paris kämpft für die Befreiung der Arbeit und die Trennung der Staatsschmarotzer Thiers', der Möchtegern-Sklavenhalter Frankreichs, von der Macht!
In seiner Rede vor den Maires: („Sie können sich auf mein Wort verlassen, das ich nie gebrochen habe!" „Die Versammlung ist die liberalste Versammlung, die es in Frankreich je gegeben hat.") Er wird die Republik retten1, („vorausgesetzt, daß Ordnung und Arbeit nicht andauernd von denjenigen bedroht werden, die sich als spezielle Wächter des Wohls der Republik ausgeben".) t405!
In der Sitzung der Assemblee vom 27. April sagt er2: („Die Versammlung ist liberaler als er selbst!")
Thiers, dessen rhetorischer Trumpf immer die Schmähung der Wiener Verträge war, unterschreibt den Pariser Vertrag14061, nicht nur die Losreißung eines Teils von Frankreich, nicht nur die Besetzung von fast seiner Hälfte, sondern die Milliarden der Kriegsentschädigung, ohne von Bismarck auch nur Aufstellung und Nachweis seiner Kriegskosten zu verlangen! Er gestattet der Versammlung in Bordeaux nicht einmal, die Artikel seiner Kapitulation zu diskutieren! Er, der sein Leben lang den Bourbonen vorhielt, daß sie im Rücken ausländischer Armeen zurückkehrten und daß sie sich gegenüber den Verbündeten, die Frankreich nach dem Friedensschluß besetzt hielten11031, unwürdig benahmen, verlangt in dem Vertrag von Bismarck nichts als ein
1 Er wird die Republik retten: in der Handschrift deutsch -2 In der Sitzung der Assemblee vom 27.April sagt er: in der Handschrift deutsch
Zugeständnis: 40 000 Mann zur Niederwerfung von Paris (wie Bismarck im Reichstag feststellte). Paris war für alle Erfordernisse der inneren Verteidigung und gegen fremden Angriff vollständig durch seine bewaffnete Nationalgarde gesichert, aber Thiers fügte sofort zu der Kapitulation von Paris vor dem Ausländer die Kapitulation von Paris vor ihm selbst und Co. hinzu. Diese Abmachung war eine Abmachung zum Bürgerkrieg. Und diesen Bürgerkrieg selbst eröffnet er nicht nur mit passiver Duldung Preußens, sondern mit den Gefälligkeiten, die es ihm erweist, mit den gefangenen französischen Truppen, die es ihm großmütig aus den deutschen Kerkern schickt! In seinen Berichten, in seinen und Favres Reden in der Versammlung kriecht er vor Preußen im Staub und droht Paris alle acht Tage mit preußischer Intervention, nachdem es ihm nicht gelungen war, sie zu erwirken, wie von Bismarck selbst festgestellt worden ist. Die Bourbonen waren die Würde selbst im Vergleich zu diesem Pickelhäring, diesem großen Apostel des Chauvinismus!
Nach dem Zusammenbruch Preußens (Tilsiter Friede 1807(l431) spürte seine Regierung, daß sie sich und das Land nur durch eine große soziale Erneuerung (Veränderung) retten konnte. Sie bürgerte in Preußen in kleinem Maßstab, innerhalb der Schranken einer Feudalmonarchie, die Ergebnisse der Französischen Revolution ein. Sie befreite die Bauern usw.14071 Nach der Niederlage Rußlands im Krimkrieg, die - mochte es auch durch die Verteidigung Sewastopols seine Ehre gerettet und den Ausländer durch seine diplomatischen Triumphe in Paris geblendet haben - doch im Lande selbst die Fäulnis seines sozialen und politischen Systems zutage gebracht hatte, befreite seine Regierung den Leibeigenen und veränderte das ganze Verwaltungs- und Gerichtssystem14081. In beiden Ländern war die kühne soziale Reform eingeengt und in ihrem Wesen beschränkt, da sie vom Thron aufgezwungen und nicht (anstatt zu sein) vom Volk erobert worden war. Trotzdem kam es zu großen sozialen Veränderungen, die die schlimmsten Vorrechte der herrschenden Klassen beseitigten und die ökonomische Basis der alten Gesellschaft veränderten. Sie spürten, daß die schwere Krankheit nur mit heroischen Mitteln geheilt werden konnte. Sie spürten, daß sie den Siegern nur mit sozialen Reformen antworten konnten, dadurch, daß sie Elemente der Erneuerung aus dem Volk ins Leben riefen. Die französische Katastrophe von 1870 ist ohne Beispiel in der Geschichte der Neuzeit! Sie zeigte, daß das offizielle Frankreich, das Frankreich des Louis Bonaparte, das Frankreich der herrschenden Klassen und
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ihrer Staatsparasiten - ein verwesender Leichnam ist. Und was ist der erste Versuch der schändlichen Leute, die durch Überrumpelung des Volkes an die Regierung gekommen waren und die sie dank einer Verschwörung mit dem fremden Eindringling weiter innehaben, was ist [ihr] erster Versuch? Unter preußischem Schutz durch Louis Bonapartes Soldateska und Pietris Polizei das in Paris begonnene ruhmvolle Werk der Erneuerung aus dem Volk zu erdrosseln, alle die alten legitimistischen Gespenster, die die Julirevolution schlug, die fossilen Schwindler des Louis-Philippe, die von der Februarrevolution geschlagen wurden, heraufzubeschwören und eine Orgie der Konterrevolution zu feiern! Solchen Heroismus übertriebener Selbsterniedrigung hat es in den Annalen der Geschichte noch nicht gegeben! Aber, und das ist in höchstem Grade charakteristisch, statt einen allgemeinen Entrüstungsschrei seitens des offiziellen Europas und Amerikas hervorzurufen, ruft er eine Welle der Sympathie und einen Strom wilder Anklagen gegen Paris hervor! Das beweist, daß Paris, seiner historischen Vergangenheit getreu, die Erneuerung des französischen Volkes darin sucht, das Volk zum Vorkämpfer der Erneuerung der alten Gesellschaft zu machen, daß es die soziale Erneuerung der Menschheit zur nationalen Aufgabe Frankreichs macht! Es ist die Emanzipation der produzierenden Klasse von den ausbeutenden Klassen, von ihren Gefolgsleuten und ihren Staatsparasiten, die die Wahrheit des französischen Sprichworts erhärten: „Les valets du diable sont pire que le diable."1 Paris hat die Fahne der Menschheit gehißt! 18.März: Die Regierung belegte
„jedes Exemplar einer jeden Zeitschrift, wie immer ihr Charakter, mit einer Stempelgebühr von 2 Centimes". „Verboten, neue Zeitschriften zu gründen bis zur Aufhebung des Belagerungszustands." Die verschiedenen Fraktionen der französischen Bourgeoisie waren nacheinander an der Macht: die großen Grundbesitzer unter der Restauration (den alten Bourbonen), die Kapitalisten unter der parlamentarischen Julimonarchie (Louis-Philippe), während ihre bonapartistischen und republikanischen Elemente im Hintergrund wühlten. Ihre Parteifehden und -intrigen wurden selbstverständlich unter dem Vorwand der öffentlichen Wohlfahrt ausgetragen, und wenn eine Volksrevolution diese Monarchien beseitigt hatte, entstand eine andere. Das alles änderte sich mit der Republik (vom Februar). Alle Fraktionen der Bourgeoisie verbanden sich in der
1 „Die Lakaien des Teufels sind schlimmer als der Teufel selber."
Ordnungspartei, das heißt der Partei der Grundeigentümer und Kapitalisten, sie schlössen sich zusammen,um die ökonomische Unterjochung der Arbeit und die sie stützende Unterdrückungsmaschine des Staates zu behaupten. Im Unterschied zur Monarchie, deren Name schon das Übergewicht der einen Bourgeoisfraktion über die andere, den Sieg der einen Seite und die Niederlage der anderen (den Triumph der einen und die Demütigung der anderen Seite) bezeichnete, war die Republik die anonyme Aktienkompanie der vereinigten Bourgeoisfraktionen, aller Ausbeuter des Volkes zusammengenommen ; und in der Tat umarmten einander Legitimisten, Bonapartisten, Orleanisten, Bourgeoisrepublikaner, Jesuiten und Voltairianer — nicht mehr verborgen unter dem Schirm der Krone, nicht mehr in der Lage, das Volk für ihre Parteifehden zu interessieren, indem sie diese als Kämpfe für das Volkswohl maskierten, nicht mehr einander untergeordnet. Direkter und offener Antagonismus ihrer Klassenherrschaft gegenüber der Emanzipation der produzierenden Massen; Ordnung- das ist der Name für die ökonomischen und politischen Bedingungen ihrer Klassenherrschaft und der Knechtung der Arbeit; diese anonyme oder republikanische Form des Bourgeoisregimes diese Bourgeoisrepublik, diese Republik der Ordnungspartei ist das abscheulichste aller politischen Regimes. Ihr direktes Geschäft, ihr einziger raison d'etre1 ist, das Volk zu unterdrücken. Sie ist der Terrorismus der Klassenherrschaft. Das wird auf folgende Weise erreicht: Das Volk kämpft und macht die Revolution, proklamiert die Republik und schafft Platz für eine Nationalversammlung; dann werden die Bourgeois, deren bekannte republikanische Deklarationen eine Garantie für ihre „Republik" darstellen, von der Mehrheit der Versammlung, die sich aus den besiegten und offenen Feinden der Republik zusammensetzt, in den Vordergrund der Bühne geschoben. Die Republikaner werden mit der Aufgabe betraut, das Volk in die Falle eines Aufstandes zu treiben, um es dann mit Feuer und Schwert niederzuschlagen. Diese Rolle wurde nach der Februarrevolution (bei der Juni-Insurrektion) von der Partei des „National" mit Cavaignac an der Spitze gespielt. Durch ihr Verbrechen gegen die Massen verlieren diese Republikaner dann ihren Einfluß. Sie haben ihre Arbeit getan, und wenn ihnen auch gestattet wird, die Ordnungspartei in ihrem allgemeinen Kampf gegen das Proletariat zu unterstützen, so werden sie doch gleichzeitig von der Regierung entfernt, in die letzten Reihen gedrängt und nur „geduldet". Die vereinigte royalistische Bourgeoisie wird dann zur Stütze der Republik, die wahre Herrschaft der „Ordnungspartei" setzt ein. Da die materielle
1 Daseinsgrund
Kraft des Volkes zeitweilig gebrochen ist, beginnt das Werk der Reaktion die Liquidierung aller in vier Revolutionen erkämpften Zugeständnisse Schritt für Schritt. Das Volk wird bis zum Wahnsinn gepeinigt, nicht nur durch die Taten der Ordnungspartei, sondern auch durch die zynische Unverschämtheit, mit der es als besiegt behandelt wird und mit der in seinem eigenen Namen, im Namen der Republik, diese niedrige Bande es unumschränkt regiert. Selbstverständlich kann diese krampfhafte Form des anonymen Klassendespotismus nicht lange währen, kann nur eine Durchgangsphase sein. Die Bande weiß, daß sie auf einem revolutionären Vulkan sitzt. Andererseits setzt, wenn die Partei der Ordnung in ihrem Krieg gegen die Arbeiterklasse vereint ist - in ihrer Eigenschaft als Ordnungspartei -, das Intrigenspiel ihrer verschiedenen Fraktionen gegeneinander, jede für die Vorherrschaft ihres Sonderinteresses in der alten Ordnung der Gesellschaft, jede für die Restauration ihres eignenPrätendenten und persönlicher Ambitionen, mit voller Kraft ein, sobald die Herrschaft dieser Partei durch die Zerstörung der materiellen revolutionären Kräfte gesichert (garantiert) scheint. Diese Verbindung des allgemeinen Kriegs gegen das Volk mit der allgemeinen Verschwörung gegen die Republik, verbunden mit den inneren Fehden ihrer Herrscher und ihrem Intrigenspiel, lähmt die Gesellschaft, erregt ihren Widerwillen und verwirrt die Masse der Bourgeoisie, „stört" das Geschäft, hält diese Klasse in einem Zustand chronischer Unruhe. Alle Bedingungen des Despotismus werden unter diesem Regime geschaffen (werden erzeugt), - aber ein Despotismus ohne Ruhe, ein Despotismus mit parlamentarischer Anarchie an der Spitze. Dann hat die Stunde für den coup d'etat geschlagen, und die unfähige Bande muß irgendeinem glückbegünstigten Prätendenten Platz machen, der der anonymen Form der Klassenherrschaft [ein] Ende macht. Auf diese Weise machte Louis Bonaparte der Bourgeoisrepublik nach ihrem vierjährigen Bestehen ein Ende. Während dieser ganzen Zeit war Thiers „äme damnee" der Ordnungspartei1, die im Namen der Republik die Republik bekriegte, einen Klassenkrieg gegen das Volk führte und in Wirklichkeit das Kaiserreich schuf. Er spielte damals genau die gleiche Rolle wie jetzt, allein damals nur als parlamentarischer Intrigant, jetzt als Haupt der Exekutive. Sollte er von der Revolution nicht überwunden werden, wird er jetzt wie damals ein getäuschtes Werkzeug sein. Welche der rivalisierenden Gruppen auch an die Macht kommen wird, ihr erster Akt wird sein, den Mann beiseitezuwerfen, der Frankreich an Preußen auslieferte und Paris bombardierte.
1 hatte sich Thiers der Ordnungspartei „mit Leib und Seele verkauft"
Thiers hatte Louis Bonaparte vieles übelgenommen. Letzter hatte ihn als Werkzeug und als Gimpel benutzt. Er hatte ihn erschreckt (seine Nerven erschüttert), als er ihn nach dem coup d'etat verhaften ließ. Er hatte ihn vernichtet, indem er das parlamentarische Regime beseitigte, das einzige, unter dem ein bloßer Staatsparasit wie Thiers, ein bloßer Schwätzer, eine politische Rolle spielen kann. Und nicht zuletzt hatte Thiers als historischer Schuhputzer Napoleons so lange dessen Taten beschrieben, daß er sich einbildete, er habe sie selbst vollbracht. Die legitime Karikatur Napoleons I. war in seinen Augen nicht Napoleon der Kleine, sondern der kleine Thiers. Bei alledem gab es keine von Louis Bonaparte begangene Schändlichkeit, die nicht von Thiers unterstützt worden wäre, von der Besetzung Roms durch französische Truppen bis zu dem Krieg mit Preußen. Nur ein Mann seiner Seichtigkeit kann sich einen Augenblick lang einbilden, daß eine Republik mit seinem Kopf auf ihren Schultern, mit einer halb legitimistischen, halb orleanistischen Nationalversammlung, mit einer Armee unter bonapartistischen Führern, ihn, wenn sie siegt, nicht beiseiteschieben wird. Es gibt nichts Grotesk-Abscheulicheres als einen Däumling, der gern den Timur Tamerlan spielen will (die Rolle spielt). Bei ihm sind die Akte der Grausamkeit nicht nur eine Sache des Geschäfts, sondern Gegenstand theatralischer Schaustellung (Bühneneffekt) von phantastischer Eitelkeit. „Seine" Bulletins zu schreiben, „seine" Strenge zu zeigen, „seine" Truppen, „seine" Strategie, „seine" Beschießungen, „seine" Petroleumgranaten zu haben, „seine" Feigheit unter der Kaltblütigkeit zu verstecken, mit der er den Dezembergaunern gestattet, sich an Paris zu rächen! Das ist eine Art Heroismus übertriebener Gemeinheit! Er ergötzt sich an der wichtigen Rolle, die er spielt, und dem Lärm, den er in der Welt macht! Er bildet sich durchaus ein, ein großer Mann zu sein! Und wie gigantisch (titanisch) muß er, der Zwerg, der parlamentarische Geiferer, in den Augen der Welt aussehen! Inmitten der schrecklichen Szenen dieses Krieges kann man nicht umhin, über die lächerlichen Kapriolen zu lächeln, die Thiers' Eitelkeit vollführt! Herr Thiers ist ein Mensch mit lebhafter Phantasie, er hat eine künstlerische Ader und die Eitelkeit eines Künstlers, die in der Lage ist, ihn zum Glauben an seine eignen Lügen und zum Glauben an seine eigne Größe zu verleiten.
Durch alle Reden, Bulletins usw. von Thiers zieht sich ein Hang zu aufgeblasener Eitelkeit.
Dieser affreux1 Triboulet: Glänzende Beschießung (mit Petroleumgranaten) vom Mon-t-> Valerien aus, sie zerstört2 einen Teil der Häuser in LesTernes innerhalb des Walls(?), von einer grandiosen Feuersbrunst und einem fürchterlichen Kanonendonner begleitet, der ganz Paris erschüttert. Granaten absichtlich in die Viertel von Les Ternes und der Champs Elysees geschleudert. Sprenggranaten, Pet roleumgranaten.
Die Kommune
Der glorreiche britische Zeilenschinder hat die glänzende Entdeckung gemacht, daß dies nicht das ist, was wir unter Selbstverwaltung zu verstehen pflegen. Selbstverständlich, das ist es nicht. Es ist nicht die Selbstverwaltung von Städten durch Schildkrötensuppe schlürfende Aldermen3, geschäftemachende Kirchenbehörden und wilde Arbeitshausaufseher. Es ist nicht die Selbstverwaltung von Grafschaften durch die Besitzer großer Ländereien, dicker Geldsäcke und hohler Köpfe. Es sind nicht die gerichtlichen Schandtaten der „Großen Unbezahlten"[409]. Es ist nicht die politische Selbstregierung des Landes durch einen oligarchischen Klub und das Lesen der Zeitung „Times". Es ist das Volk, das selbst und für sich selbst handelt.
In diesem Krieg von Kannibalen das Ekelhafteste - das „literarische" Geschrei des gräßlichen Zwergs, der an der Spitze der Regierung steht! Die grausame Behandlung der Versailler Gefangnen wurde keinen Augenblick unterbrochen, und ihre kaltblütige Ermordung wurde wieder aufgenommen, sobald sich Versailles überzeugt hatte, daß die Kommune zu human war, ihr Dekret über Repressalien durchzuführen! Das „Paris-Journal" (in Versailles) meldet, daß 13 Liniensoldaten, die auf der Bahnstation Clamart gefangengenommen wurden, auf der Stelle erschossen wordensind, und daß alle in Versailles eintreffenden Gefangnen in Linienuniform sofort, nachdem ihre Identität geklärt ist, hingerichtet werden! Herr Alexander Dumas, der Sohn, berichtet, daß ein junger Mann, der die Funktion eines Generals ausgeübt, wenn er auch den Generalsrang nicht hatte, erschossen wurde, nachdem er (unter Bewachung) einige hundert Yards zurückgelegt hatte.
1 scheußliche - 2 zerstört: in der Handschrift deutsch — 3 Ratsherren
5. Mai. „Mot d'Ordre"iao]: (Nach der „Liberi", die in Versailles erscheint, „sind alle Soldaten der regulären Armee, die in Clamart unter den Insurgenten ergriffen wurden, auf der Stelle erschossen worden") (von dem Lincoln-Thiers!) (Lincoln anerkannte auch für den Gegner das Kriegsrecht). „Das sind die Leute, die an den Mauern aller französischen Gemeinden die Pariser als Mörder beschimpfen!" Die Banditen! Desmaret. (Abordnung der Kommune in Bicetre (am 27. April), um eine Untersuchung über die 4 Nationalgardisten des 185. Marschbataillons der Nationalgarde anzustellen, wo sie den überlebenden (schwer verwundeten) Scheffer besucht haben. „Der Kranke hat erklärt, daß er am 25. April bei Belle-Epine, in der Nähe von Villejuif, mit drei seiner Kameraden von berittenen Jägern überrascht wurde, die sie aufforderten, sich zu ergeben. Da es sinnlos war, den sie umzingelnden Kräften Widerstand zu leisten, warfen sie ihre Waffen zu Boden und ergaben sich. Die Soldaten umringten sie, nahmen sie gefangen, ohne irgendwelche Gewalt oder Drohung gegen sie anzuwenden. Sie waren bereits einige Minuten Gefangene, als ein Rittmeister der Jäger eintraf und sich mit dem Revolver in der Faust auf sie stürzte. Ohne ein Wort zu sagen, feuerte er auf einen von ihnen und schoß ihn nieder; dann schoß er ebenso auf den Gardisten Scheffer, der eine Kugel direkt in die Brust erhielt und neben seinen Kameraden hinfiel. Die beiden anderen Gardisten wichen - von diesem schändlichen Uberfall erschreckt - zurück, aber der rasende Rittmeister stürzte sich auf die beiden Gefangnen und tötete sie mit zwei weiteren Revolverschüssen. Nach dieser grausamen, barbarischen und feigen Tat zogen sich die Jäger mir ihrem Anführer zurück und ließen ihre Opfer auf dem Boden liegen.") t411!
Die „New- York Tribüne"1412] übertrifft die Londoner Blätter. Herrn Thiers' „liberalste und freiestgewählte Nationalversammlung, die es in Frankreich je gegeben hat" verträgt sich bestens mit seiner „schönsten Armee, die Frankreich je gehabt". Diese vergreiste, unter falschem Vorwand gewählte Charnbre introuvableizL9] besteht fast ausschließlich aus Legitimisten'217' und Orleanisten. Die Gemeinderatswahlen, die unter Thiers persönlich am 30. April durchgeführt wurden, zeigen ihr Verhältnis zum französischen Volk! Von (rund) 700 000 Gemeinderäten, die von den im verstümmelten Frankreich noch gebliebenen 35 000 Gemeinden gewählt wurden, sind 200 Legitimisten, 600 Orleanisten, 7000 geschworene Bonapartisten und der ganze Rest Republikaner oder Kommunisten. (Versailler Korrespondent der „Daily News" vom 5.Mai.) Bedarf es noch eines weiteren Beweises, daß diese Versammlung mit der orleanistischen Mumie Thiers an der Spitze nur eine Minderheit von Usurpatoren vertritt?
Paris
Herr Thiers stellte die Kommune immer wieder als Werkzeug einer Handvoll von „Sträflingen" und „ticket-of-leave-men", des Abschaums von Paris hin. Und diese „Handvoll" Desperados hält seit mehr als 6 Wochen die vom unbesiegbaren Mac-Mahon geführte und von Thiers' eignem Genius beflügelte „schönste Armee, die Frankreich je gehabt", in Schach! Nicht nur die Taten der Pariser haben ihn widerlegt. Alle Schichten von Paris haben gesprochen.
<„Man darf die Pariser Bewegung keineswegs mit der Überrumplung von Montmartre verwechseln, die nur Anlaß und Ausgangspunkt gewesen ist; diese Bewegung ist allgemein und wurzelt tief im Bewußtsein von Paris; sogar der größte Teil derer, die sich aus dem einen oder andern Grund von ihr ferngehalten haben, verneinen durchaus nicht deren soziale Rechtmäßigkeit.") f413l
Wer sagt das? Die Delegierten der Syndikatskammern, Leute, die im Namen von 7000-8000 Kaufleuten und Industriellen sprechen. Sie sind nach Versailles gegangen und haben es dort gesagt... Die Ligue de la reunion republicaine... die Manifestation der Freimaureriai] usw.
Die Provinz
Les provinciaux espiegles.1 Wenn sich Thiers einen Augenblick lang einbildete, daß die Provinzen tatsächlich gegen die Pariser Bewegung wären, würde er alles in seiner Macht Stehende tun, um den Provinzen die günstigsten Möglichkeiten zu geben, jene Bewegung und alle „ihre Schrecken" kennenzulernen. Er würde sie dazu anhalten, die Bewegung in ihrer nackten Realität anzusehen, sich mit ihren eigenen Augen und Ohren davon zu überzeugen, was sie ist. Das tut er nicht! Er und seine „Verteidigungsmänner" versuchen, die Provinzen niederzuhalten, ihre allgemeine Erhebung für Paris durch eine Mauer von Lügen zu verhindern, so wie sie während der preußischen Belagerung die Nachrichten aus den Provinzen nach Paris nicht durchließen. Den Provinzen wird nur gestattet, Paris durch die Versailler camera obscura (Zerrspiegel) zu betrachten. {(Nur die Lügen und Verleumdungen der Versailler Journale gelangen in die Departements und gelten dort etwas.)) Plünderungen und Morde von 20 000 ticket-of-leave-men entehren die Hauptstadt.
1 Die Provinzschelme.
{„Die Liga hält es für ihre erste Pflicht, Klarheit zu schaffen und die normalen Beziehungen zwischen der Provinz und Paris wiederherzustellen.") t416l So wie sie waren, als sie in Paris belagert wurden, so sind sie Heute, da sie es belagern. („Wie in der Vergangenheit ist die Lüge ihre Lieblingswaffe. Sie unterdrücken und beschlagnahmen die Zeitungen der Hauptstadt, unterbrechen die Verbindungen), durchschnüffeln die Briefe, (so daß die Provinz auf die Nachrichten angewiesen ist, die die Jules Favre, Picard und Konsorten ihr zu geben belieben, ohne daß es ihr möglich ist, die Richtigkeit nachzuprüfen.") f410l Thiers' Berichte, Picards Rundschreiben, Dufaures... Die Plakate in den Gemeinden. Die Versailler Gaunerpresse und die Deutschen. Der petit „Moniteur"t4171. Die Wiedereinführung von Reisepässen, um sich von einem Ort zum andern zu begeben. Eine Armee von mouchards nach allen Richtungen ausgeschickt. Verhaftungen (in Rouen etc. unter preußischer Amtsgewalt) etc. (Die Tausende von Polizeikommissaren, die in der Umgegend von Paris verteilt sind, haben vom Polizeipräfekten Valentin Befehl erhalten, alle Zeitungen, ganz gleich welcher Richtung, die in der aufständischen Stadt gedruckt werden, zu beschlagnahmen und sie öffentlich zu verbrennen - wie in den besten Zeiten der Heiligen Inquisition.) Die Regierung Thiers forderte zuerst die Provinzen auf1, Bataillone der Nationalgarden zu bilden und nach Versailles zum Kampf gegen Paris zu schicken.
„Die Provinz", so schreibt eine Zeitung aus Limoges 14181, „zeigte ihre Unzufriedenheit, indem sie die Freiwilligenbataillone verweigerte, die Thiers und seine Krautjunker von ihr forderten." Die paar Idioten aus der Bretagne, die unter der weißen Fahne fochten jeder mit dem Herzen Jesu in weißem Linnen auf der Brust, und deren Schlachtruf war: „Vive le roi!"2, sind die einzige „Provinz"-Armee, die sich um Thiers geschart hat. Die Wahlen. „ Vengeur" vom 6. Mai.114191 Herrn Dufaures Preßgesetz (8. April).'2591 Offen gegen die „Exzesse" der Provinzpresse gerichtet. Dann die zahlreichen Verhaftungen in der Provinz. Sie fallen unter die Gesetze über die Verdächtigen11201.
1 In der Handschrift steht über den Worten „forderte zuerst die Provinzen auf": „wandte sich mit einem besorgten Aufruf an die Provinzen, bevor sie von Bismarck eine Armee Gefangener erhalten hatte" - 2 „Es lebe der König!"
(Geistige und polizeiliche Blockade der Provinz.) 23. April. Havre: Der Gemeinderat hat drei seiner Mitglieder nach Paris und Versailles gesandt mit dem Auftrag, seine Vermittlung anzubieten, um den Bürgerkrieg auf der Basis der Erhaltung der Republik und der Gewährung von munizipalen Freiheiten für ganz Frankreich zu beenden... Am 23. April Delegierte aus Lyon von Picard und Thiers empfangen: („Krieg um jeden Preis") - deren Antwort1. (Die Adresse der Delegierten von Lyon am 24. April von Greppo der Versammlung vorgelegt.)14211 Die Gemeinden der Provinzstädte besaßen die große Unverschämtheit, ihre Abordnungen nach Versailles zu senden, um die Versailler aufzurufen, das von Paris Geforderte zu gewähren; nicht eine Gemeinde Frankreichs hat eine Adresse gesandt, die die Taten Thiers' und der Krautjunker gutheißt; die Provinzblätter, ebenso wie diese Gemeinderäte - so beklagt sich Dufaure in seinem gegen die Versöhnung gerichteten Zirkular an die procureurs generaux („stellen die aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Versammlung in eine Reihe mit der selbsternannten Kommune von Paris und tadeln die erstere, weil sie Paris seine munizipalen Rechte nicht gewährt habe usw.") und was schlimmer ist, diese Gemeinderäte, zum Beispiel der von Auch, („fordern einstimmig von ihr, unverzüglich einen Waffenstillstand mit Paris vorzuschlagen) und daß die am 8. Februar gewählte Versammlung sich selbst auflöst, weil ihr Mandat abgelaufen ist".((Dufaure, Versailler Versammlung, 26.April.)) Man sollte festhalten, daß dies die alten Gemeinderäte waren'4221, nicht die am 30.April gewählten. Ihre Abordnungen so zahlreich, daß Thiers beschloß, sie nicht mehr persönlich zu empfangen, sondern sie an einen untergeordneten Ministerialbeamten zu verweisen. Schließlich die Wahlen vom 30. April - das endgültige Urteil über die Versammlung und die Wahlüberrumpelung, aus der sie hervorgegangen war. Wenn daher die Provinzen bisher nur passiven Widerstand gegen Versailles geleistet haben, ohne sich für Paris zu erheben, so ist das aus den festen Positionen zu erklären, die die alten Behörden dort noch innehaben, und aus dem Trancezustand, in den das Kaiserreich die Provinz versetzte und den der Krieg aufrechterhielt. Es ist offensichtlich, daß es nur die Armee, Regierung und die chinesische Lügenmauer der Versailler sind, die zwischen Paris und den Provinzen stehen. Wenn jene Mauer fällt, werden sich die Provinzen mit Paris vereinigen.
1 deren Antwort: in der Handschrift deutsch
Es ist äußerst charakteristisch, daß dieselben Leute (Thiers und Co.), die im Mai 1850 durch eine Parlamentsverschwörung (Bonaparte half ihnen, um sie in eine Falle zu locken, um sie in der Hand zu haben und um sich selbst nach dem coup d'etat als Wiederhersteller des allgemeinen Stimmrechts gegen die Ordnungspartei und ihre Versammlung auszugeben) das allgemeine Stimmrecht beseitigten, weil es ihnen unter der Republik noch Streiche spielen konnte, jetzt seine fanatischen Verfechter sind und es zu ihrer „legitimen" Waffe gegenüber Paris machen, nachdem es unter Bonaparte so organisiert worden war, daß es ein bloßes Spielzeug in der Hand der Exekutive, einen bloßen Apparat des Betrugs, der Überrumplung und Fälschung seitens der Exekutive darstellte. ((Kongreß der) Ligue des Villes[4231J („Rappel", 6.Mai!)
Trochu, Jules Favre und Thiers, Provinzler
Man könnte fragen, wie diese überalterten parlamentarischen Pickelhäringe12501 und Intriganten wie Thiers, Favre, Dufaure, Garnier-Pages (nur durch ein paar Schufte vom gleichen Kaliber verstärkt) es fertigbringen, nach jeder Revolution erneut auf der Bildfläche zu erscheinen und die Exekutivgewalt zu usurpieren, diese Leute, die stets die Revolution ausnutzen und verraten, die das Volk niederschießen, das sie verwirklicht, die die wenigen liberalen Zugeständnisse kassieren, welche früheren Regierungen abgerungen wurden? (Zu denen sie selbst in Opposition standen.) Die Sache ist sehr einfach. In erster Linie verschont sie die Großmut des Volkes, auch wenn sie sehr unpopulär sind, wie Thiers nach der Februarrevolution. Nach jeder erfolgreichen Volkserhebung wird von den unversöhnlichen Feinden des Volkes der Ruf nach Versöhnung erhoben und vom Volke in den ersten Augenblicken der Begeisterung über seinen eignen Sieg wiederholt. Nach diesem ersten Augenblick bleiben solche Leute wie Thiers und Dufaure im Hintergrund, solange das Volk die materielle Gewalt besitzt, und arbeiten im Geheimen. Sie erscheinen wieder, sobald es entwaffnet ist, und werden von der Bourgeoisie als ihre chefs de file1 begrüßt. Oder sie waren, wie Favre, Garnier-Pages, Jules Simon etc. (ergänzt durch einige Jüngere von ähnlichem Kaliber) und Thiers selbst nach dem
1 Flügelmänner
4.September, die „honette" republikanische Opposition unter Louis-Philippe; danach die parlamentarische Opposition unter Louis Bonaparte. Die reaktionären Regimes, die sie selbst vorbereiteten, wenn sie durch die Revolution an die Macht kamen, sichern ihnen die Reihen der Opposition, während sie die wirklichen Revolutionäre deportieren, töten und ins Exil treiben. Das Volk vergißt ihre Vergangenheit, die Mittelklasse sieht sie als ihre Leute an, ihre schändliche Vergangenheit ist vergessen, und so erscheinen sie wieder, um ihren Verrat und ihre Schandtaten von neuem zu beginnen.
Nacht vom 1. zum 2.Mai: Das Dorf Clamart war in der Hand des Militärs, die Bahnstation in der Hand der Aufständischen gewesen (diese Station beherrscht das Fort Issy). Durch einen Handstreich drang das 22.Jägerbat[aillon] ein (wobei seine Patrouillen von einem Wachsoldaten hereingelassen wurden, da ihnen die Parole verraten worden war), überrumpelte die Garnison, von der die meisten in ihren Betten schliefen, machte nur 60 Gefangne und metzelte 300 Insurgenten mit dem Bajonett nieder. Dazu1 Liniensoldaten nachher auf der Stelle erschossen. Thiers besitzt die Unverschämtheit, in seinem Zirkular an die Präfekten, Zivil- und Militärbehörden vom 2.Mai zu sagen:
„Sie" (die Kommune) „verhaftet Generale" (Cluseret!), „nur um sie zu erschießen, und bildet einen Wohlfahrtsausschuß, der gänzlich unwürdig ist!"!424! Truppen unter General Lacretelle nahmen durch einen coup de main die Redoute Moulin-Saquet, die zwischen Fort d'Issy und Montrouge liegt. Die Garnison wurde durch Verrat des Kommandanten Gallien überrumpelt, der die Parole den Versailler Truppen verkauft hatte. 150 Föderierte mit Bajonetten niedergemacht und über 300 gefangengenommen. Herr Thiers, schreibt der Korrespondent der „Times", war schwach, als er hätte stark sein müssen (der Feigling ist immer schwach, sobald er für sich Gefahr zu befürchten hat), und fest, als alles durch einige Zugeständnisse zu gewinnen war. (Der Schuft ist immer stark, wenn die Anwendung materieller Gewalt Frankreich ausblutet, und spielt sich auf, nur wenn er persönlich in Sicherheit ist. Das ist seine ganze Schlauheit. Thiers ist, mit den Worten des Antonius zu sprechen, ein „ehrenwerter Mann"t4a5).)
1 Dazu: in der Handschrift deutsch
Thiers' Bulletin über1 Moulin-Saquet (4.Mai): <„Befreiung von Paris von den scheußlichen Tyrannen, die es bedrücken"12621. („Die Versailler waren als Nationalgardisten verkleidet"); („der größte Teil der Föderierten schlief und wurde im Schlaf erschlagen oder gefangengenommen".) Picard: „ UnsreArtillerie bombardiert nicht, sie kanoniert bloß"14261 („Moniteur des communes", Picards Zeitung). „Der sterbend in einer Gefängniszelle begrabene Blanqui, der von den Gendarmen in Stücke gehauene Flourens, der von Vinoy füsilierte Duval, - sie alle haben diese Leute am 31. Oktober in der Hand gehabt und ihnen nichts getan.")
1 über: in der Handschrift deutsch
Die Kommune
I.MASSREGELN FÜR DIE ARBEITERKLASSE
Nachtarbeit von Bäckergesellen untersagt (20. April). Die private Gerichtsbarkeit, die die Fabrikherren etc., (Fabrikanten) (Unternehmer, große und kleine) usurpiert hatten, wobei sie gleichzeitig Richter, Vollstrecker, Gewinner und streitende Partei in einer Person waren, abgeschafft, jenes Recht, ihr eignes Strafgesetzbuch zu haben, das es ihnen gestattete, die Löhne der Arbeiter durch Geldbußen und die als Strafen getarnten Lohnabzüge usw. zu berauben, in öffentlichen und privaten Werkstätten abgeschafft; den Unternehmern Strafen angedroht, wenn sie gegen dies Gesetz verstoßen; Geldbußen und Lohnabzüge, seit dem 18.März eingetrieben, müssen den Arbeitern zurückgezahlt werden (27. April). Verkauf von Pfändern in Leihhäusern ausgesetzt (29.März). Eine große Anzahl Werkstätten und Fabriken in Paris sind geschlossen worden, da ihre Besitzer geflohen sind. Das ist die alte Methode der industriellen Kapitalisten, die sich „durch das spontane Wirken der Gesetze der politischen Ökonomie" berechtigt glauben, nicht nur aus der Arbeit Profit zu ziehen, was für sie die Voraussetzung jeglicher Arbeit ist, sondern sie überhaupt einzustellen und die Arbeiter auf die Straße zu werfen - um eine künstliche Krise zu erzeugen, sobald eine siegreiche Revolution die „Ordnung" ihres „Systems" bedroht. Die Kommune hat, sehr weise, eine kommunale Kommission eingesetzt, welche in Zusammenarbeit mit den von den verschiednen Syndikatskammern vorgeschlagenen Delegierten nach Mitteln und Wegen suchen wird, die verlassnen Werkstätten und Fabriken an Arbeiterkooperativgenossenschaften zu übergeben, mit einiger Entschädigung für die geflüchteten Kapitalisten (16. April); (diese Kommission hat auch Statistiken der verlassenen Werkstätten aufzustellen).
Die Kommune hat an die Mairien die Anordnung gegeben, hinsichtlich der Entschädigung von 75 Centimes keinen Unterschied zu machen zwischen den sogenannten illegitimen Frauen und den Müttern und Witwen von Nationalgardisten. Die Kommune hat die öffentlichen Prostituierten in Paris, die bisher für die „Männer der Ordnung" gehalten wurden, sich aber aus Gründen der „Sicherheit" der letzteren in persönlicher knechtender Abhängigkeit von der Polizeigewalt befanden, von dieser entwürdigenden Sklaverei befreit und sowohl den Boden beseitigt, auf dem die Prostitution blüht als auch die Männer, die sie gedeihen ließen. Die feineren Prostituierten die Kokotten - waren selbstverständlich unter der Herrschaft der Ordnung nicht Sklavinnen, sondern Herrinnen der Polizei und der Regierenden. Natürlich hatte die Kommune noch keine Zeit, den öffentlichen Unterricht (Erziehung) zu reorganisieren; aber durch die Beseitigung des religiösen und klerikalen Elements hat sie es unternommen, das Volk geistig zu emanzipieren. Sie hat (am 28. April) eine Kommission zur Organisierung des (allgemeinen (elementaren) wie des beruflichen) Unterrichts ernannt. Sie hat angeordnet, daß alle Lehrmittel wie Bücher, Landkarten, Papier etc. von den Lehrern kostenlos ausgegeben werden, die sie ihrerseits von den zuständigen Mairien erhalten. Kein Lehrer ist berechtigt, aus welchen Gründen immer, von seinen Schülern Bezahlung für diese Lehrmittel zu verlangen. (28.April.) Pfandhäuser: (Jeder vor dem 25.April 1871 ausgestellte Pfandschein über die Verpfändung von Kleidung, Möbeln, Wäsche, Büchern, Bettzeug und Arbeitswerkzeugen, der nicht über120 frs. beträgt, kann ab kommenden 12.Mai unentgeltlich eingelöst werden.) (7.Mai.)
2.MASSREGELN FÜR DIE ARBEITERKLASSE, • ABER ÜBERWIEGEND FÜR DIE MITTELKLASSEN
Wohnungsmietsbeträge für die letzten drei Quartale bis April gänzlich erlassen: Alle in diesen drei Quartalen bereits gezahlten Summen werden auf die künftigen Zahlungen angerechnet. Das gleiche Gesetz ist für möblierte Räume vorgesehen. Alle von den Hausbesitzern ergangenen Kündigungen sind um 3 Monate hinauszuschieben (29.März).
1 nicht über: in der Handschrift deutsch
34 Marx/Engels, Werke, Bd. 17
Echeances (Bezahlung fälliger Wechsel) (Verfall von Wechseln): Alle Verfahren wegen verfallener Wechsel werden ausgesetzt (12.April). Alle Handelspapiere dieser Art müssen innerhalb von (Abzahlungen verteilt über) zwei Jahren abgezahlt werden, beginnend am kommenden 15.Juli, wobei die Schuld nicht mit Zinsen belastet werden darf. Die Gesamtsumme der fälligen Beträge wird in 8 (gleiche Teile) geteilt, die vierteljährlich zahlbar sind (wobei das erste Vierteljahr vom 15. Juli an datiert). Nur auf diese Teilzahlungen ist, wenn sie verfallen sind, gerichtliche Verfolgung zulässig (16.April). Dufaures Gesetze wegen der Mieten und Wechsel'2221 brachten den Bankrott der Mehrheit der ehrlichen Pariser Ladenbesitzer mit sich. Die Notare, Gerichtsvollzieher, Taxatoren, Büttel und andere Gerichtsbeamte, die bisher aus ihren Ämtern ein Vermögen herausholten, in Angestellte der Kommune verwandelt, die von ihr ein festes Gehalt beziehen wie andre Arbeiter. Da die Professoren der Medizinischen Hochschule geflohen sind, hat die Kommune eine Kommission ernannt zur Gründung freier Universitäten, die keine Staatsparasiten mehr sein werden; sie hat den Studenten, die ihr Examen bestanden haben, die Möglichkeit gegeben, unabhängig vom Doktortitel zu praktizieren (der Titel wird von der Fakultät verliehen werden). Da die Richter vom Zivilgericht des Seine-Departements, die wie die andren Beamten immer bereit sind, unter jeder Klassenregierung zu amtieren, geflohen waren, ernannte die Kommune einen Advokaten für die Erledigung der dringendsten Geschäfte bis zur Reorganisation der Gerichte auf der Basis allgemeiner Wahlen (26. April).
3. ALLGEMEINE MASSREGELN
Zwangsaushebung abgeschafft. Im gegenwärtigen Krieg muß jeder waffenfähige Mann (in der Nationalgarde) dienen. Diese Maßnahme - ausgezeichnetes Mittel, um alle Verräter und Feiglinge, die sich in Paris verborgen halten, loszuwerden (29.März). Glücksspiele untersagt (2.April). Die Kirche vom Staat getrennt; das Kultusbudget abgeschafft; alle Kirchenländereien zum Nationaleigentum erklärt (3.April). Die Kommune hatte auf Grund privater Informationen Untersuchungen angestellt und festgestellt, daß die „Regierung der Ordnung" neben der alten
Guillotine den Bau einer neuen Guillotine angeordnet (einer schneller arbeitenden und transportablen) und sie im voraus bezahlt hatte. Die Kommune ließ sowohl die alte wie die neue Guillotine am 6. April öffentlich verbrennen. Die Versailler Blätter stellten - von der „Ordnungs "-Presse der ganzen Welt unterstützt - die Sache so dar: Das Pariser Volk hätte diese Guillotinen aus Protest gegen den Blutdurst der Kommunarden verbrannt! (6. April.) Alle politischen Gefangnen wurden nach der Revolution vom 18.März sofort freigelassen. Aber die Kommune wußte, daß unter dem Regime des Louis Bonaparte und seiner würdigen Nachfolgerin, der Verteidigungsregierung, viele Menschen ohne irgendwelche Anklage, bloß als politisch Verdächtige eingekerkert worden waren. Daher beauftragte sie [eines] ihrer Mitglieder - Protot - damit, Untersuchungen anzustellen. Er ließ 150 Personen frei, die seit sechs Monaten verhaftet und noch keiner gerichtlichen Untersuchung unterzogen worden waren; viele von ihnen waren noch unter Bonaparte verhaftet worden und hatten ein Jahr lang ohne Anklage oder gerichtliche Untersuchung im Gefängnis gesessen (9.April). Diese Tatsache, die für die Verteidigungsregierung so bezeichnend ist, brachte sie in Wut. Sie behauptete, die Kommune habe alle Sträflinge freigelassen. Aber wer ließ verurteilte Sträflinge frei? Der Fälscher Jules Favre. Kaum zur Herrschaft gekommen, beeilte er sich, Pic und Taillefer in Freiheit zu setzen, die in der Geschichte mit der Zeitung „L'Etendard" wegen Diebstahl und Fälschung verurteilt worden waren. Einer dieser Edlen, Taillefer, der die Frechheit hatte, nach Paris hineinzugehn, wurde wieder in die ihm zukommende Unterkunft gesteckt. Aber das ist nicht alles. Die Versailler Regierung hat verurteilte Diebe aus den maisons centrales1 von ganz Frankreich unter der Bedingung entlassen, daß sie in die Armee des Herrn Thiers' eintreten! Dekret über die Zerstörung der Säule auf der place Vendome12461 als „ein Denkmal der Barbarei, Sinnbild roher Gewalt und falschen Ruhms, Bestätigung des Militarismus, Leugnung des internationalen Rechts"t427l (12. April). Wahl Frankels (deutsches Mitglied der Internationale) in die Kommune für gültig erklärt: „in Erwägung, daß die Fahne der Kommune die Fahne der Weltrepublik ist und daß Ausländer zugelassen werden können"14281 (4. April); Frankel später zum Mitglied der Exekutivkommission der Kommune gewählt (21.April). Das „Journal Officiel" hat mit der Veröffentlichung der Berichte über die Sitzungen der Kommune begonnen (15.April).
1 Gefängnissen
Dekret Paschal Groussets zum Schutz von Ausländern gegen Requisition14291. Noch nie war eine Regierung in Paris so höflich gegenüber Ausländern (27. April). Die Kommune hat politische und Berufs-Eide abgeschafft (4.Mai). Zerstörung des „Chapelle expiatoire de Louis XVI"1 genannten Denkmals in der rue d'Anjou-St. Honore (Werk der Chambre introuvable von 1816'al9J) (7.Mai).
4. MASSREGELN ZUR ÖFFENTLICHEN SICHERHEIT
Entwaffnung der „loyalen" Nationalgarden (30.März). Die Kommune erklärt, daß ein Sitz in ihren Reihen mit einem Sitz in der Versailler Versammlung unvereinbar ist (29.März). Dekret über Repressalien. Niemals durchgeführt. Die Burschen nur verhaftet, Erzbischof von Paris und eure der Madeleine-Kirche2'; der ganze Stab des Jesuitenkollegs; Pfründner aller großen Kirchen; Teil dieser Burschen verhaftet als Geiseln, teils als Verschwörer mit Versailles, teils, weil sie versuchten, Kirchen vermögen dem Zugriff der Kommune zu entziehen (6. April). „Die Monarchisten führen Krieg wie Wilde; sie erschießen die Gefangenen, sie ermorden die Verwundeten, sie feuern auf Ambulanzen, Soldaten heben die Gewehrkolben hoch und feuern dann verräterisch" (Proklamation der Kommune) J4303 Hinsichtlich dieser Dekrete über Repressalien ist zu bemerken: Erstens: Alle Schichten der Pariser Bevölkerung haben sich - nach der Auswanderung der Kapitalisten, der Faulenzer und der Parasiten - an Versailles gewandt wegen Beendigung des Bürgerkriegs - außer der Pariser Geistlichkeit. Der Erzbischof und der eure der Madeleine haben, als sie schon Geiseln waren, nur an Thiers geschrieben, um „das Vergießen ihres eignen Blutes" abzuwenden. Zweitens: Nach der Veröffentlichung des Dekrets der Kommune über Repressalien, über die Ergreifung von Geiseln usw. hörte die brutale Behandlung der von Versailles gemachten Gefangnen durch Pietris Lämmer und Valentins Gendarmen nicht auf, sondern die Ermordung der gefangnen Pariser Soldaten und Nationalgardisten wurde eingestellt, um mit erneuter Raserei wieder einzusetzen, sobald die Versailler Regierung sich überzeugt hatte, daß die Kommune zu human war, ihr Dekret vom 6. April
1 „Sühnekapelle Ludwigs XVI." - 2 Darboy und Deguerry
durchzuführen. Dann begann der Massenmord von neuem. Die Kommune ließ nicht einen Geisel, nicht einen Gefangnen hinrichten; sogar einige Gendarmerieoffiziere, die Paris in Nationalgardistenuniform als Spione betreten hatten, wurden nur verhaftet. Überrumplung der Redoute von Clamart (2.Mai). Bahnstation in der Hand der Pariser, Gemetzel, Bajonettkampf, das 22. Jägerbataillon (Galliffet?) erschießt Liniensoldaten auf der Stelle, ohne jede Formalität (2. Mai). Redoute Moulin-Saquet, zwischen Fort d'Issy und Montrouge gelegen, nachts durch Verrat des Kommandanten Gallien überrumpelt, der die Parole an die Versailler Truppen verkauft hatte. Die Föderierten im Bett überrascht und ein großer Teil von ihnen niedergemacht. (4. Mai?) 25.April. 4 Nationalgardisten (dies festgestellt durch nach Bicetre entsandte Beauftragte, wo der einzige Uberlebende der 4 Mann (von BelleEpine, in der Nähe von Villejuif); sein Name Scheffer). Diese Männer wurden von berittenen Jägern umzingelt und ergaben sich auf deren Aufforderung, da sie keinen Widerstand leisten konnten; sie wurden entwaffnet; die Soldaten taten ihnen nichts. Aber dann trifft der Rittmeister der Jäger ein und schießt sie einen nach dem andern mit dem Revolver nieder. Auf dem Boden liegen gelassen. Scheffer, schrecklich verwundet, überlebte. 13 Liniensoldaten, die auf der Bahnstation Clamart gefangengenommen wurden, sind auf der Stelle erschossen worden, und alle in Versailles eintreffenden Gefangenen in Linienuniform werden sofort, nachdem ihre Identität geklärt ist, hingerichtet. (Versailler „Liberte".) Alexander Dumas, der Sohn, der sich jetzt in Versailles aufhält, berichtet, daß ein junger Mann, der die Funktion eines Generals ausgeübt, wenn er auch den Generalsrang nicht hatte, auf Befehl eines bonapartistischen Generals erschossen wurde, nachdem er unter Bewachung einige hundert Yards zurückgelegt hatte... Pariser Truppen und Nationalgardisten in Häusern werden [von] Gendarmen umzingelt, [die] das Haus mit Petroleum begießen und dann anzünden. Einige (calcines1) Leichen von Nationalgardisten wurden von der Ambulanz der Presse in Les Ternes transportiert („Mot d'Ordre", 20.April). „Sie haben kein Recht auf Ambulanzen." Thiers. Blanqui. Erzbischof. General Chanzy. (Thiers sagte, seine Bonapartisten hätten es vorgezogen, erschossen zu werden.) Haussuchungen etc. Casimir Bouis (ernannt zum Vorsitzenden einer Untersuchungskommission) über das Vorgehen der Diktatoren vom 4. Sep
1 verkohlte
tember (M.April). Haussuchungen in Privathäusern und Papiere beschlagnahmt, aber keine Möbel fortgeschafft und versteigert (Papiere der Burschen vom 4.September, des Thiers' etc. und bonapartistischer Polizeileute1), z.B. im Hause von Lafont, (dem Generalinspektor der Gefängnisse) (11.April). Die Häuser (Eigentum) von Thiers und Co., als die von Verrätern, durchsucht, aber nur Papiere beschlagnahmt. Verhaftungen in ihren eignen Reihen: Das schockiert den Bourgeois maßlos, der politische Idole und „große Männer" braucht. „Es ist jedoch aufreizend" (»Daily News" vom 6. Mai. Pariser Korresp.) „und entmutigend, daß, wie auch immer die Autorität der Kommune sein mag, ihre Zusammensetzung dauernd wechselt und wir heute nicht wissen, bei wem die Macht morgen sein wird ... In all diesem ewigen Wechsel erkennt man mehr denn je das Fehlen eines leitenden Kopfes. Die Kommune ist eine Anhäufung von gleichwertigen Atomen, von denen jedes auf das andre eifersüchtig und keines mit oberster Kontrollgewalt über die andren ausgestattet ist." Unterdrückung von Zeitungen!
5. FINANZMASSREGELN
Siehe „Daily News". 6.Mai. Hauptausgaben für den Krieg! Nur 8928 frs. aus Beschlagnahmen - alles von Geistlichen usw. genommen. „Vengeur" vom 6.Mai.
1 vom 4.September, des Thiers' etc. und bonapartistischer Polizeileute: in der Handschrift deutsch

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