KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS - BAND 18

KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS WERKE - BAND 18
INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER SED
KARL MARX FRIEDRICH ENGELS
WERKE
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DIETZ VERLAG BERLIN 1976
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BAND 18
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DIETZ VERLAG BERLIN
Die deutsche Ausgabe der Werke von Marx und Lngels fußt auf der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten zweiten russischen Ausgabe.
Die Texte werden nach den Handschriften bzw. nach den zu Lebzeiten von Marx und Engels erfolgten Veröffentlichungen wiedergegeben.
© Dietz Verlag Berlin 1962
Vorwort
Der achtzehnte Band der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels enthält die Arbeiten, die von März 1872 bis Mai 1875 entstanden sind. Die Pariser Kommune war zur Grenzscheide einer neuen Periode der Weltgeschichte geworden. Die weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Veränderungen, hervorgerufen dadurch, daß der „freie" Kapitalismus begonnen hatte, in den Imperialismus hinüberzuwachsen, der sich abzeichnende Verfall der bürgerlichen Demokratie und das Hinüberschwenken zur Reaktion hatten eine neue Lage für die Fortentwicklung der Arbeiterbewegung geschaffen und ihr neue Aufgaben gestellt. Nach der Kommune beginnt in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung eine Periode der Entwicklung des Marxismus in die Breite, eine Periode der Kristallisation und Konzentration der Kräfte des Proletariats, „die Periode der Herausbildung, des Wachstums und des Reifens sozialistischer Massenparteieri mit klassenmäßiger, proletarischer Zusammensetzung" (W.I. Lenin, Werke, Berlin 1965, Band 19, S. 285/286). Zu Beginn der siebziger Jahre traten die bezeichnenden Wesenszüge der neuen Entwicklungsetappe in der internationalen Arbeiterbewegung schon deutlich hervor. Die Propaganda der Theorie des wissenschaftlichen Kommunismus dehnte sich beträchtlich aus. Die Organisationen der Internationalen Arbeiterassoziation (I. Internationale), welche in nahezu allen Ländern Europas, in Nord- und Südamerika, in Australien, Neuseeland und Indien bestanden, förderten das Eindringen der Theorie in breitere Massen des Proletariats; in einer Reihe von Ländern wurden die Fundamente für selbständige proletarische Parteien gelegt. In Deutschland führte diesen Kampf die erste marxistische Partei, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, an deren Spitze Bebel und Liebknecht standen, die Mitkämpfer von Marx und Engels. Ein weiterer Schritt zur Loslösung der Arbeiterklasse von der
kleinbürgerlichen Demokratie wurde getan: Die politische Bühne betrat die junge Arbeiterbewegung Rußlands, Italiens, Spaniens und anderer Länder. Das Wachstum des Klassenbewußtseins des Proletariats fand seine Widerspiegelung in der organisierten Abfuhr, welche die in der Internationale vereinigten fortgeschrittenen Arbeiter dem Wüten der Reaktion erteilten, das der Niederlage der Pariser Kommune gefolgt war. Der geniale Scharfblick der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus zeigte sich darin, daß sie schon zu Beginn dieser jähen geschichtlichen Wende die objektive Situation richtig einzuschätzen wußten und in zähem Kampf gegen verschiedene kleinbürgerliche Tendenzen, in erster Linie gegen den Anarchismus, die Aufgaben und die Taktik der revolutionären Partei des Proletariats unter den konkreten Bedingungen vorzeichneten, die sich zu Beginn der siebziger Jahre herausgebildet hatten. In der Erkenntnis, daß auf der Tagesordnung die Aufgabe einer sorgfältigen ideologisch-politischen und organisatorischen Vorbereitung der Arbeitermassen für die künftigen proletarischen Revolutionen stand, arbeiteten Marx und Engels weiterhin unermüdlich an der Verschmelzung von revolutionärer Theorie und revolutionärer Praxis, lehrten sie die Arbeiter, ihre selbständige, von der Bourgeoisie unabhängige Politik zu verfolgen. Die Durcharbeitung der wichtigsten programmatischen, taktischen und organisatorischen Fragen durch Marx und Engels in diesen Jahren hob die internationale Arbeiterbewegung auf ein neues, höheres Niveau und legte das Fundament für die spätere Bildung sozialistischer proletarischer Massenparteien in den verschiedenen Ländern. Marx setzte in diesen Jahren die Riesenarbeit an der Vollendung des „Kapitals" fort: Er entwickelte seine ökonomische Lehre weiter. Zugleich arbeitet Marx systematisch daran, daß die im „Kapital" dargelegte Lehre möglichst schnell zum Gemeingut der breiten Massen der Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern wird. Ende März 1872 erschien in Petersburg die russische Ausgabe des ersten Bandes des „Kapitals", die erste Übersetzung dieses grundlegenden Werkes des wissenschaftlichen Kommunismus in eine fremde Sprache. Im Sommer 1872 erschien in Hamburg die zweite deutsche Auflage des ersten Bandes des „Kapitals", und von 1872 bis 1875 kam in Einzellieferungen auch die französische Übersetzung heraus. Die deutsche, englische, spanische Arbeiterpresse veröffentlichte in ihren Spalten einzelne Kapitel und Abschnitte der programmatischen Werke des Marxismus: des „Manifests der Kommunistischen Partei" und des ersten Bandes des „Kapitals". Die kolossale Arbeit, die Marx leistete bei der Vorbereitung der Ausgaben des ersten Bandes des „Kapitals" in
einer Reihe europäischer Sprachen, spielte eine große Rolle bei der ideologisch-theoretischen Schulung des revolutionären Proletariats. Engels schafft in diesen Jahren eine Reihe Werke über die wichtigsten Fragen der Theorie des Staats und der Revolution; er beginnt, sich mit philosophischen Problemen der Naturwissenschaft zu beschäftigen, was im weiteren zur Niederschrift seiner hervorragenden Forschungsarbeiten „Dialektik der Natur" und „Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft" führt. Alle diese Jahre hindurch widmen Marx und Engels größte Aufmerksamkeit dem weiteren Studium und der theoretischen Verallgemeinerung der geschichtlichen Erfahrungen der Pariser Kommune, Erfahrungen, die sie ausgiebig propagieren, um sie zum Gemeingut der werktätigen Massen zu machen. Marx und Engels lenken das Augenmerk des Proletariats auf eine der wichtigsten Lehren, die aus der Erfahrung des Heldenkampfs der Pariser Kommunarden zu ziehen ist; auf die Notwendigkeit, den alten Staatsapparat zu zerbrechen und ihn durch einen Staat von neuem Typus, dem Typus der Pariser Kommune, zu ersetzen. Die praktischen Erfahrungen der Kommunarden boten die Möglichkeit, die Schlußfolgerung zu ergänzen, die Marx aus der Revolution von 1848/49 in seiner Arbeit „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" gezogen hatte. Die Kommune war nicht nur der erste Versuch des Proletariats gewesen, den bürgerlichen Staatsapparat zu zerschlagen, sondern sie hatte zugleich gezeigt, wodurch dieser zerschlagene Apparat zu ersetzen sei. Marx und Engels maßen dieser historischen Lehre außerordentliche Bedeutung bei: 1872 erachteten sie es als notwendig, im Zusammenhang hiermit das „Manifest der Kommunistischen Partei" zu ergänzen. Im Vorwort zur deutschen Neuausgabe schrieben sie: „Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß ,die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann'." (Siehe vorl. Band, S. 96.) Die zutiefst wissenschaftliche Einschätzung der weltgeschichtlichen Bedeutung der Pariser Kommune war für Marx und Engels ein Mittel zur revolutionären Erziehung der Arbeiter, ein Mittel, die Idee der Diktatur des Proletariats zu propagieren und dem Bewußtsein der proletarischen Massen einzuprägen. Unermüdlich erläuterten sie der Arbeiterklasse das historische Wesen der Pariser Kommune. Hochinteressant sind in diesem Zusammenhang die kurzen Resolutionen, die Marx für eine Massenkundgebung von Mitgliedern der Internationale und von emigrierten Kommunarden in London verfaßte, die den ersten Jahrestag der Pariser Kommune begingen. Das Proletariat wird die Pariser Kommune, schrieb Marx, „als
Morgenröte der großen sozialen Revolution" ansehen, „die die Menschen für immer vom Klassenregime befreien wird" (siehe vorl. Band, S. 56). Während Marx und Engels von den Erfahrungen der Pariser Kommune ausgehen, wendet sich ihr schöpferisches Denken in diesen Jahren immer wieder der Lehre vom Staat zu, der Durcharbeitung der Frage nach der politischen Herrschaft der Arbeiterklasse, nach den Bedingungen der Machterringung, nach den Funktionen des proletarischen Staats. Unlöslich verbunden sind mit diesen Problemen die Fragen der Politik, Taktik und Organisation der Arbeiterbewegung, die Fragen nach dem Charakter und den Aufgaben der proletarischen Parteien. Die Bewertung der Pariser Kommune wurde zum Prüfstein für die Klassennatur, für den wahren Charakter der einen oder andern sozialistischen Denkrichtung. Gerade in diesen Hauptfragen der revolutionären Theorie und Praxis, welche für das Los des Proletariats und seiner Partei bestimmend waren, wurde der theoretische Sieg des Marxismus in der Arbeiterbewegung über die nichtproletarischen Formen des Sozialismus (den Proudhonismus, das Lassalleanertum, den Bakunismus und dergleichen) errungen. In dem sich in diesen Jahren zuspitzenden Kampf gegen die Reformisten und die anarchistischen Sektierer verfochten und entwickelten Marx und Engels weiterhin die Ideen der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats als des historisch gesetzmäßigen Weges zur Liquidierung der ausbeuterischen kapitalistischen Produktionsweise und zum Aufbau des Sozialismus. Von großer theoretischer Bedeutung ist die im vorliegenden Band veröffentlichte Arbeit „Zur Wohnungsfrage" von Friedrich Engels, eines der grundlegenden Werke des Marxismus. Geschrieben in lebendiger, polemischer Form, richtet sich diese Arbeit gegen die Versuche der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Sozialreformer, die Geschwüre der Bourgeoisgesellschaft irgendwie zu übertünchen und hierbei deren kapitalistische Basis hoch und heilig zu halten. Den utopischen und reaktionären Projekten des Proudhonisten Mülberger und des Bourgeoisphilanthropen Sax stellt Engels das wirklich sozialistische Programm des revolutionären Proletariats entgegen, das sich die radikale Umgestaltung der Gesellschaft nach den Prinzipien des Kollektiveigentums zum Ziel setzt. Die Wohnungsnot, sagt Engels, ist eine gesetzmäßige Folge des ganzen kapitalistischen Systems und wird mit der Entwicklung des Kapitalismus zwangsläufig immer größer, und nur das Proletariat wird nach seinem Sieg, bei der Lösung der Grundprobleme des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft, auch die Wohnungsfrage lösen.
Die Wohnungsnot ist lediglich eine Erscheinungsform der ausbeuterischen Wesensart des Kapitalismus. Aber gerade weil diese Wesensart sich hier in der verschleiertsten Form zeigt, weil unter der Wohnungsnot nicht nur die Arbeiter, sondern auch andere Bevölkerungsschichten leiden, schieben bürgerliche Soziologen die Wohnungsfrage in den Vordergrund, um auf diese Weise das Proletariat vom Klassenkampf gegen die Grundlagen der Bourgeoisgesellschaft abzulenken. Engels enthüllt, daß die Abmachung zwischen Mieter und Hausbesitzer dem Wesen nach ein gewöhnliches Handelsgeschäft ist, und zeigt,daß dieses sich von der Abmachung zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist wesentlich unterscheidet; hierbei legt Engels in einer dem Arbeiterleser faßlichen Form die wichtigsten Leitsätze aus dem ersten Band des „Kapitals" dar und tritt hier wie in einer Reihe anderer Arbeiten als unermüdlicher Propagandist der ökonomischen Lehre von Marx auf. Diese Arbeit, die Engels gegen die Versuche, den kleinbürgerlichen Sozialismus ä la Proudhon in die deutsche Arbeiterbewegung hineinzutragen, verfaßt hatte, war von größter Bedeutung für die ideologische Schulung der deutschen Sozialdemokratie im Geiste des revolutionären Marxismus. Durch seine vernichtende Kritik an den Artikeln Mülbergers vervollständigte Engels die 1847 von Marx in seiner Arbeit „Das Elend der Philosophie" begonnene theoretische Zerschlagung des Proudhonismus. Besonders interessant sind die von Engels in der Schrift „Zur Wohnungsfrage" geäußerten Gedanken über die sozialistische Umgestaltung auf dem Lande. Indem er die These Mülbergers widerlegt, daß der Gegensatz zwischen Stadt und Land etwas „Natürliches" sei und daß das Bestreben, ihn zu tilgen, in das Reich der „Utopie" gehöre, beweist Engels, daß mit der Vernichtung der Ausbeuterklassen dank der sozialistischen Revolution diesem Gegensatz für alle Zeit ein Ende gesetzt ist. In der sozialistischen Gesellschaft reißt die enge innere Verbindung zwischen industrieller und landwirtschaftlicher Produktion die Landbevölkerung aus der Isoliertheit und Abstumpfung heraus, in der sie jahrtausendelang verharrte. Die mit der sozialistischen Umgestaltung auf dem Lande verbundenen Probleme werden ferner von Marx in seiner Arbeit „Über die Nationalisierung des Grund und Bodens" analysiert. Diese Arbeit ist ein wichtiges Dokument des Marxismus zur Agrarfrage. Marx betrachtet die Lösung dieses nach seinen Worten sehr großen Problems in unlöslichem Zusammenhang mit den Aufgaben der proletarischen Revolution und der sozialistischen Umgestaltung der ganzen Gesellschaft. Er zeigt, daß die ökonomische Entwicklung der Gesellschaft, das Wachstum und die Kon
zentration der Bevölkerung naturnotwendig in Zukunft die Anwendung kollektiver, nach sozialistischen Prinzipien organisierter Arbeit in der Landwirtschaft erheischen. Das unentwegte Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion kann nur auf der Grundlage umfassender Nutzung der Errungenschaften moderner Wissenschaft und Technik gewährleistet werden. Aber, betont Marx, „die wissenschaftlichen Kenntnisse, die wir besitzen, und die technischen Mittel der Landbearbeitung, die wir beherrschen, wie Maschinerie etc., können wir nie erfolgreich anwenden, wenn wir nicht einen Teil des Bodens in großem Maßstab bearbeiten" (siehe vorl. Band, S. 60). Indem Marx die historische Bedeutung der Nationalisierung des Grund und Bodens hervorhob, ging er stets von der Analyse der Besonderheiten in der Agrarordnung dieses oder jenes Landes aus. Für England, wo bäuerliches Grundeigentum fehlt und Großgrundbesitz vorherrscht, ist die Nationalisierung des Grund und Bodens nach einem Ausdruck von Marx zu einer „gesellschaftlichen Notwendigkeit" geworden. Zugleich widerlegt Marx die bürgerlich-reformistischen Ideen, man könne die Agrarfrage endgültig lösen durch die Nationalisierung des Bodens im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft. „Die Nationalisierung des Bodens und seine Verpachtung in kleinen Parzellen an Einzelpersonen oder an Arbeitergenossenschaften würde unter einer bürgerlichen Regierung nur eine rücksichtslose Konkurrenz unter ihnen auslösen und eine gewisse Steigerung der .Rente' mit sich bringen und dadurch den Aneignern neue Möglichkeiten bieten, auf Kosten der Produzenten zu leben." (Siehe vorl. Band, S. 61.) Die endgültige Lösung der Agrarfrage ist nur möglich in einem Staat, wo die Arbeiterklasse an der Macht ist. Dann werden „Landwirtschaft, Bergbau, Industrie, mit einem Wort alle Zweige der Produktion... allmählich auf die nutzbringendste Art organisiert werden. Die nationale Zentralisation der Produktionsmittel wird die natürliche Basis einer Gesellschaft werden, die sich aus Assoziationen freier und gleichgestellter, nach einem gemeinsamen und rationellen Plan bewußt tätiger Produzenten zusammensetzt" (siehe vorl. Band, S. 62). Bei der Entwicklung seiner Ideen zur Agrarfrage weist Marx darauf hin, daß die Wege zur Lösung dieses Problems von den konkreten sozialökonomischen Verhältnissen des einen oder andern Staates, den Besonderheiten der Agrarordnung, der Lebenslage der Bauernschaft, den geschichtlichen Überlieferungen usw. abhängen. Für ein Land wie Frankreich mit seiner Bauernparzelle kann der Weg zur sozialistischen Umgestaltung ein anderer sein. In seinen Bemerkungen zu Bakunins Buch „Staatlichkeit und
Anarchie" konstatiert Marx, daß das Proletariat, um sich der Unterstützung der Arbeiterrevolution durch die Massen der werktätigen Bauernschaft zu versichern, „als Regierung Maßregeln ergreifen" muß, „wodurch der Bauer seine Lage unmittelbar verbessert findet, die ihn also für die Revolution gewinnen; Maßregeln, die aber im Keim den Übergang aus dem Privateigentum am Boden in Kollektiveigentum erleichtern..." (siehe vorl. Band, S. 633). Unermüdlich verfocht Marx die Idee der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats; er zeigte, wie man schöpferisch an die Lösung der Frage nach den Formen des Übergangs der verschiedenen Länder vom Kapitalismus zum Sozialismus herangehen muß, indem man die konkreten historischen Bedingungen, die Gruppierung und Wechselbeziehung der Klassenkräfte des jeweiligen Landes untersucht und berücksichtigt. Auf der Grundlage seiner Analyse der sozialökonomischen und politischen Verhältnisse zu Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts lieferte Marx einen wichtigen Beitrag zur Theorie der proletarischen Revolution. In der Rede, die er am 8. September 1872 auf einer Kundgebung der Internationale in Amsterdam hielt (siehe vorl. Band, S. 159-161), entwickelte und begründete er die These, daß neben der revolutionären Gewaltanwendung - dem Mittel, das unter jenen Bedingungen in den weitaus meisten Ländern unvermeidlich ist zur Errichtung und Aufrechterhaltung der Diktatur des Proletariats - das Proletariat in einigen Ländern: in England, den USA, Holland, infolge bestimmter historischer Bedingungen, die sich in ihnen herausgebildet haben (damals das Fehlen eines entwickelten bürokratischen und militaristischen Apparats), seine Herrschaft „auf friedlichem Wege" errichten könne. Dieser Gedanke, den Marx bereits in den fünfziger Jahren im Hinblick auf England äußerte, hat hier seine Fortentwicklung erfahren. Gerichtet war diese These auch gegen die anarchistischen Sektierer, die eine unverzügliche „,Abschaffung des Staats' durch Revolutionäre Sprengung'" predigten, sowie gegen die Reformisten, die behaupteten, der einzige Weg der Arbeiterklasse zur Macht führe nur über den parlamentarischen Kampf. Lenin entlarvte die Versuche der Opportunisten, diese Schlußfolgerung von Marx im Sinne revisionistischen Verzichts auf die Idee der sozialistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats auszulegen. (Siehe W. I. Lenin, Werke, Band 28, Berlin 1959, S. 236.) Marx* Schlußfolgerung, neben den gewaltsamen Wegen zur Erringung der Diktatur des Proletariats seien auch „friedliche Wege" möglich, bezeugte, daß die marxistische Theorie, der jeder Dogmatismus fremd ist, nicht nur die Einsicht in die allgemeinen
Entwicklungsgesetze der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats verlangt, sondern auch die Berücksichtigung des Besonderen, Eigenartigen, das sich aus den konkreten ökonomischen und politischen Verhältnissen des einen oder andern Landes ergibt. Äußerst wichtige Gedanken über den Staat, über die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats, über die Wege zur Verwirklichung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft hat Marx in seinen kritischen Bemerkungen zu Bakunins Buch „Staatlichkeit und Anarchie" formuliert. Als Marx 1874 diese Bakunismus-Bibel eigener Art konspektiert, macht er eine Reihe ausführlicher Bemerkungen, in denen die im Prozeß des Kampfes gegen den Anarchismus erfolgte Weiterentwicklung der fundamentalen Leitsätze des wissenschaftlichen Kommunismus ihre Widerspiegelung gefunden hat. Im Gegensatz zu dem subjektivistischen und voluntaristischen Gerede Bakunins über die Möglichkeit der „sozialen Revolution" zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort, über die Unumgänglichkeit, die Revolution mit der „Abschaffung des Staats" zu beginnen, formuliert Marx präzis den unmittelbaren Zusammenhang der proletarischen Revolution mit bestimmten geschichtlichen Bedingungen der ökonomischen Entwicklung und des Klassenkampfs des Proletariats. Marx begründet die Unausbleiblichkeit und Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats zur Beseitigung oder Umgestaltung der „ökonomischen Bedingungen, worauf der Klassenkampf beruht und die Existenz der Klassen" (siehe vorl. Band, S. 630). Zugleich hebt Marx den provisorischen, vorübergehenden Charakter der revolutionären Gewalt hervor: „Die Klassenherrschaft der Arbeiter über den mit ihnen kämpfenden Schichten der alten Welt" kann „nur so lang bestehn, ... als die ökonomische Grundlage der Klassenexistenz nicht vernichtet ist." (Siehe vorl. Band, S.636.) Marx widerlegt glänzend die anarchistische Kritik an der Diktatur des Proletariats, eine Kritik, die angeblich zum Schutze der „Demokratie" geübt wurde, und er beweist, daß nur die Arbeiterklasse, sobald sie zur Macht gelangt, die echte Demokratie für die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung verwirklicht. Einen beträchtlichen Teil des vorliegenden Bandes bilden die Artikel und die Dokumente, die mit Marx' und Engels' unmittelbarer Tätigkeit in der letzten Periode des Bestehens der Internationalen Arbeiterassoziation zusammenhängen. Diese Dokumente sind ein Spiegelbild dessen, wie Marx und Engels Tag für Tag das ganze mannigfaltige Leben der Internationale lenkten, ein Spiegelbild ihres unversöhnlichen Kampfes gegen die dem wissenschaftlichen Kommunismus feindlichen Strömungen und
Gruppen, in erster Linie gegen die Anarchisten, die die Leitung der internationalen Arbeiterbewegung an sich zu reißen suchten. Die von Marx und Engels verfaßten und in den vorliegenden Band aufgenommenen Dokumente der Internationale zeigen anschaulich, daß der Kampf gegen den Anarchismus an allen Kardinalfragen der Theorie und Praxis des revolutionären Kampfes des Proletariats entbrannt war, die die Pariser Kommune in voller Größe gestellt hatte. Der Kampf verschärfte sich besonders nach der Londoner Konferenz von 1871; diese Konferenz und ihre Beschlüsse über die Notwendigkeit der Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse für den Aufbau der klassenlosen sozialistischen Gesellschaft sowie über die Notwendigkeit, im Zusammenhang hiermit selbständige Arbeiterparteien zu gründen, versetzten den sektiererischen Elementen einen wuchtigen Schlag und zogen zwischen den Zielen und den Aufgaben der Internationale einerseits und den anarchistischen Prinzipien andererseits eine deutliche Grenze. In einem Rundschreiben, das der Anarchistenkongreß in Sonvillier im November 1871 annahm, wurde der Idee der revolutionären Diktatur des Proletariats die Bakuninsche Doktrin der Enthaltung der Arbeiter von politischer Tätigkeit entgegengestellt, und der proletarischen Parteilichkeit setzte man die Verneinung der Disziplin und das Prinzip der „Autonomie" entgegen. Die Verwirklichung dieser Forderungen der Anarchisten hätte den Zerfall und die Desorganisierung der Arbeiterverbände, die Entwaffnung der Arbeiterklasse vor der Bourgeoisie, die Unterwerfung der Arbeiterklasse unter die bürgerliche Politik und Ideologie bedeutet. Die Unvereinbarkeit der Bakuninschen Ideen mit den Zielen der Internationale machte in einer Periode, wo die Sammlung der Kräfte der Arbeiterklasse für künftige proletarische Revolutionen einsetzte, die ideologische und organisatorische Zertrümmerung des Anarchismus in der Arbeiterbewegung zu einer unaufschiebbaren Aufgabe.
Ein vernichtender Schlag für den Bakunismus war das von Marx und Engels verfaßte Rundschreiben des Generalrats „Die angeblichen Spaltungen in der Internationale". Die Bedeutung dieser Arbeit besteht darin, daß Marx und Engels in ihr den Bakunismus als eine Erscheinungsform des der proletarischen Massenbewegung feindlichen Sektierertums entlarvten und die sozialen Wurzeln des Sektierertums bloßlegten, die in der Einwirkung des kleinbürgerlichen Milieus auf die Arbeiterklasse bestehen. Marx und Engels stellen fest, daß in der Periode der Herausbildung und Entstehung der Arbeiterbewegung das Aufkommen von Sekten seine historische Gesetzmäßigkeit hatte; aber je mehr die Arbeiter
bewegung anwächst und das Proletariat als Klasse sich seiner besonderen Lage und seiner besonderen Aufgaben bewußt wird, desto mehr werden die Sekten mit ihren phantastischen Projekten, mit denen sie die sozialen Widersprüche auflösen wollen, zu einem Hemmschuh, der die weitere Entwicklung der proletarischen Massenbewegung behindert. Dieses Sektierertum ist eben „die Kindheit der Proletarier bewegung..., wie die Astrologie und die Alchimie die Kindheit der Wissenschaft" sind. „Damit die Gründung der Internationalen zur Möglichkeit wurde, mußte das Proletariat diese Entwicklungsstufe überschritten haben." (Siehe vorl. Band, S. 34.) Marx und Engels enthüllten die charakteristischen Züge des Bakuninschen Sektierertums: die theoretische Rückständigkeit und die Losgerissenheit von der revolutionären Massenbewegung, den Dogmatismus und das „revolutionäre" Abenteurertum. Als Gegengewicht gegen die Sekten, so betonten Marx und Engels, muß die Arbeiterklasse ihre revolutionäre Massenorganisation besitzen. Eine solche Organisation ist die Internationale, eine echte Kampforganisation der Proletarier aller Länder, „verbunden unter sich in ihrem Kampfe gegen die Kapitalisten, die Grundeigentümer und ihre im Staate organisierte Klassenmacht" (siehe vorl. Band, S. 34). Marx und Engels verfolgten die Geschichte des Kampfes der Internationale gegen die Bakuninsche Organisation - die Allianz der sozialistischen Demokratie - und zeigten, daß das Programm, das die Allianz der Assoziation aufzwingen wollte, „nur eine Anhäufung längst überwundener Ideen... in tönende Phrasen verhüllt" (siehe vorl. Band, S.34) darstellt. Bei der Entlarvung des desorganisierenden Treibens der Allianz innerhalb der Internationale enthüllten Marx und Engels den Sinn der Ausfälle der gegen den Generalrat der Assoziation als Ausfälle gegen die leitende Körperschaft, die berufen war, die Einheit und Gemeinsamkeit der Aktionen zu sichern, die die Organisationen der Internationale in den verschiedenen Ländern durchführten. Die Verwirklichung der Forderung der Bakuninisten, die Funktionen des Generalrats auf die Rolle eines simplen Büros für Korrespondenz und Statistik zu reduzieren, hätte den Verzicht des Proletariats auf die Schaffung seiner eigenen disziplinierten, ideologisch einheitlichen Organisation bedeutet. Marx' und Engels' Kampf um die Klarstellung und Sicherung der Funktionen des Generalrats war im Grunde ein Kampf für die Organisationsprinzipien der proletarischen Partei. In einer Reihe Dokumente, die als Fortsetzung zu „Die angeblichen Spaltungen in der Internationale" zu betrachten sind, spiegelt sich der inten
Bedeutung des heroischen Kampfes der Kommunarden nahebringen und die Erfahrungen dieses Kampfes zum Gemeingut des ganzen Proletariats machen. Der „Bürgerkrieg in Frankreich" ist eine geniale Analyse der historischen Bedingungen, unter denen die Pariser Kommune entstand. In diesem Werk deckt Marx den Charakter und den Inhalt der Tätigkeit der Kommune auf. Schonungslos entlarvt er die der Kommune feindliche Welt des bürgerlichen Frankreichs und zeichnet mit scharfen Zügen das Bild seiner Ideologen und Politiker, die sich durch den nationalen Verrat, den Bund mit dem äußeren Feind und die wilden Orgien der blutigen Abrechnung mit der Arbeiterklasse besudelt haben. Marx erläutert das wahre Wesen des bürgerlichen „Patriotismus" und hebt hervor, daß die chauvinistische Ideologie der konterrevolutionären Bourgeoisie immer ihre Ergänzung findet in der Kriecherei vor dem Eroberer und der Bereitschaft, mit ihm gemeinsame Sache zu machen, um die revolutionäre Bewegung der Werktätigen zu unterdrücken. Glänzend versteht es Marx, eine realistische Schilderung der Thiers, Favre, Picard, Dufaure zu geben, der Häupter der konterrevolutionären Regierung von Versailles, und der anderen Initiatoren der grausamen Repressalien, dieser „Bluthunde der .Ordnung'", die die Blüte des französischen Proletariats vernichtet haben. Der „Bürgerkrieg in Frankreich", dieses. Meisterwerk revolutionärer Publizistik, hat die Henker der Pariser Kommune für alle Zeiten an den Schandpfahl der Geschichte gestellt. Auf beispielhafte Weise hat Marx es hier verstanden, revolutionäres Pathos mit größter Exaktheit und Tiefe der wissenschaftlichen Analyse zu vereinen. Das Studium der Erfahrungen der Pariser Kommune bestätigte die Richtigkeit der Schlußfolgerung, die Marx zum erstenmal in seiner Schrift „Der achtzehnte Brurrtaire des Louis Bonaparte" gezogen hatte, daß das Proletariat die bürgerliche Staatsmaschine zerschlagen muß. „Diese Folgerung ist", wie W.I.Lenin sagte, „das Hauptsächliche, das Grundlegende in der Lehre des Marxismus vom Staat". (W.I.Lenin, Werke, Band 25, Berlin 1960, S.418.) Im „Bürgerkrieg in Frankreich" entwickelt Marx seine These weiter. Er kennzeichnet die Staatsmacht der bürgerlichen Ausbeutergesellschaft als „eine öffentliche Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse" und als „eine Maschine der Klassenherrschaft". Er kommt zu dem Schluß, daß das Pariser Proletariat die Macht nur ergreifen konnte, weil es die Staatsmaschinerie zerschlug, deren „rein unterdrückender Charakter offner und offner" hervorgetreten war, daß „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann" (siehe vorl. Band, S.336).
Die von Marx und Engels vor der Pariser Kommune geschriebenen Arbeiten konnten, da es in der Geschichte bis dahin keine Beispiele für Versuche zur Errichtung eines proletarischen Staates gegeben hatte, noch keine Antwort auf die Frage enthalten, wodurch das Proletariat die von der Revolution zerschlagene Staatsmaschine ersetzen soll. Die Erfahrungen der Pariser Kommune erlaubten es Marx, einen neuen Beitrag zur revolutionären Lehre zu leisten. Er bereicherte sie durch die konkrete Beantwortung der Frage, wie die Staatsform der Diktatur des Proletariats beschaffen sein muß, um entsprechend ihrem Klasseninhalt und ihrer historischen Mission als Instrument beim Aufbau der neuen Gesellschaft zu dienen. „Bei Marx findet man auch nicht die Spur von Utopismus in dem Sinne, daß er sich die ,neue' Gesellschaft erdichtet, zusammenphantasiert", schrieb W, I. Lenin über Marx' Analyse der Erfahrungen der Pariser Kommune. „Nein, er studiert - wie einen naturgeschichtlichen Prozeß - die Geburt der neuen Gesellschaft aus der alten, studiert die Übergangsformen von der alten zur neuen. Er hält sich an die tatsächlichen Erfahrungen der proletarischen Massenbewegung und ist bemüht, aus ihr praktische Lehren zu ziehen." (W. I. Lenin, Werke, Band 25, Berlin 1960, S.438.) In der Pariser Kommune erkennt Marx, trotz der kurzen Zeit ihrer Existenz, die allerersten, eben erst entstehenden, aber schon genügend deutlichen Züge des Staates von historisch neuem Typus, der Diktatur des Proletariats. Marx deckt den Klassencharakter der Kommune und das Wesen ihrer Staatsform auf. Er schreibt: „Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklosse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte." (Siehe vorl. Band, S.342.) Diese Folgerung von Marx über den Staat von neuem Typus - vom Typus der Pariser Kommune - als Staatsform der Diktatur des Proletariats bildet den Hauptinhalt jenes neuen Beitrags zur revolutionären Theorie, den er in seinem Werk „Der Bürgerkrieg in Frankreich" leistete. Besonders eingehend untersucht Marx den Klassencharakter und die Organisationsprinzipien der proletarischen Macht in der Pariser Kommune. Er unterstreicht die wichtige Rolle, die solche Maßnahmen, wie die Beseitigung der Polizei und des alten stehenden Heeres - die Werkzeuge der materiellen Macht des Ausbeuterstaates - und ihre Ersetzung durch das bewaffnete Volk, durch eine hauptsächlich aus Arbeitern bestehende Nationalgarde, beim Aufbau des neuen Staates spielen. Er verweilt bei solchen charakteristischen Zügen der Kommune wie Wählbarkeit, Ver
antwortlichkeit und Absetzbarkeit aller ihrer beamteten Personen und Ersetzung der früheren richterlichen Beamten, die den Interessen der Ausbeuter gedient hatten, durch gewählte Richter, Beamte der Kommune. Marx vermerkt die sozialen Maßnahmen der Kommune, die im Interesse der Arbeiterklasse und der breiten Massen der Werktätigen durchgeführt wurden, ihre ersten Schritte zur Expropriation des großkapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln. Er verweist auf die Maßnahmen, die von der Kommune ergriffen wurden, um das geistige Unterdrückungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu brechen: auf die Trennung der Kirche vom Staat sowie die Beschlagnahme und Expropriation des Vermögens der Kirche, das ebenfalls der Ausbeutung diente. Marx stellt die Pariser Kommune dem Unterdrückerstaat gegenüber und gibt die klassische Charakteristik des bürgerlichen Parlamentarismus. Er unterzieht ihn nicht nur einer vernichtenden Kritik, wie sie schon in früheren Schriften der Begründer des Marxismus enthalten war, sondern zeigt auch, daß die bürgerlich-parlamentarische Republik als Organisationsform für die Staatsmacht des Proletariats unannehmbar ist. Er zeigt die gewaltigen Vorzüge, die ein Staat vom Typus der Kommune gegenüber der parlamentarischen Republik für die Arbeiterklasse hat, und unterstreicht, daß die Kommune „nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein sollte, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit" (siehe vorl. Band, S.339). Er betont, daß nur eine solche Organisation der Staatsmacht die Verwirklichung der revolutionären Aufgaben garantieren kann, die bei der Umgestaltung der Gesellschaft vor der Diktatur des Proletariats stehen. W.I.Lenin maß diesen Schlußfolgerungen von Marx gewaltige Bedeutung bei. Er schrieb: „Den korrupten und verfaulten Parlamentarismus der bürgerlichen Gesellschaft ersetzt die Kommune durch Körperschaften, in denen die Freiheit des Urteils und der Beratung nicht in Betrug ausartet, denn die Parlamentarier müssen selbst arbeiten, selbst ihre Gesetze ausführen, selbst kontrollieren, was bei der Durchführung herauskommt, selbst unmittelbar vor ihren Wählern die Verantwortung tragen." (W. I. Lenin, Werke, Band 25, Berlin 1960, S.437.) Im „Bürgerkrieg in Frankreich" setzt Marx die Untersuchung und Ausarbeitung der Frage nach den Verbündeten des Proletariats in der Revolution fort. Er zeigt am Beispiel der Pariser Kommune, daß die Politik des proletarischen Staates völlig den Interessen der werktätigen Bauernschaft entspricht. Hätte es nicht die von den Versaillern errichtete Barriere zwischen Paris und den Provinzen gegeben, so hätte - davon ist Marx fest
II Marx/Engels, Werke, Bd. 17
überzeugt - die französische Bauernschaft zweifellos auf Seiten der Kommune gestanden, deren Politik den lebendigen Interessen und den dringenden Bedürfnissen der Bauern entsprach. Marx* Arbeit enthält wichtige Leitsätze, die die Frage der staatlichen Zentralisation unter den Bedingungen der proletarischen Ordnung betreffen. Marx, der den Funktionen der Zentralregierung unter der Diktatur des Proletariats außerordentliche Wichtigkeit beimißt, weist entschieden die Versuche zurück, den Kampf der Kommune gegen den Unterdrückerstaat als Dezentralisationsbestrebungen oder separatistische Tendenzen hinzustellen. Er weist nach, daß die Errichtung der kommunalen Ordnung in ganz Frankreich die alte, von der Staatsmaschine der Ausbeuter geschaffene fiktive Einheit des Landes durch die wahre Einheit der Nation ersetzt hätte. (Siehe vorl. Band, S.340.) Von unerschütterlichem Glauben an die revolutionäre Kraft der Volksmassen, von tiefer Begeisterung für den Heroismus der Arbeiterklasse sind die Seiten des „Bürgerkriegs in Frankreich" durchdrungen, die der Tätigkeit der Kommune gewidmet sind. Marx, der der alten Welt in Versailles, „dieser Versammlung der Ghuls aller verstorbnen Regimes", - die neue Welt in Paris, das Paris der Kommune, gegenüberstellt, zeigt die gewaltige umgestaltende Kraft der proletarischen Revolution, die das Antlitz der französischen Hauptstadt verwandelt hat. Der „Bürgerkrieg in Frankreich" klingt wie eine Hymne auf die Arbeiterklasse von Paris, die die ersten Schritte zur Schaffung des proletarischen Staates tat. „Paris, arbeitend» denkend, kämpfend, blutend, über seiner Vorbereitung einer neuen Gesellschaft fast vergessend der Kannibalen vor seinen Toren, strahlend in der Begeisterung seiner geschichtlichen Initiative!" (Siehe vorl. Band, S.349.) Neben der Adresse „Der Bürgerkrieg in Frankreich" werden im vorliegenden Band der Erste und der Zweite Entwurf zum „Bürgerkrieg in Frankreich" veröffentlicht. Diese Entwürfe sind von sehr großem theoretischem Wert: sie enthalten Materialien, die den „Bürgerkrieg in Frankreich" ergänzen und erläutern. Um dem endgültigen Text seines Werkes die Form, einer Adresse geben zu können, kürzte Marx seine Darlegungen und ließ in einigen Fällen Stellen weg, die in den Entwürfen vorhanden sind. Während einzelne Fragmente in den Entwürfen den Charakter von Notizen tragen, hat ein beträchtlicher Teil endgültige literarische Form,, die sich durch die gleiche Ausdruckskraft und Klarheit der Sprache auszeichnet wie der „Bürgerkrieg in Frankreich". Die beiden Entwürfe zum „Bürgerkrieg in Frankreich", in denen Marx ein ungeheures Tatsachenmaterial über das Wirken der Pariser Kommune verarbeitet hat, zeugen,
Internationale nach der Pariser Kommune gewirkt hatte, und die qualitativen Veränderungen, die in der Arbeiterbewegung vor sich gegangen waren. Da Marx und Engels der Erläuterung ihrer Ansichten große Bedeutung beimaßen und den Zusammenschluß der revolutionären proletarischen Kräfte sowie die Isolierung der Anarchisten anstrebten, sprachen sie auf dem Kongreß zu fast allen Fragen, die zur Debatte standen. Die in den Beilagen publizierten Aufzeichnungen einiger Reden von Marx und Engels veranschaulichen ihren beharrlichen Kampf für die Festigung der politischen und organisatorischen Prinzipien der Internationale und für deren Säuberung von kleinbürgerlichen Elementen. Im vorliegenden Band gelangen die Resolutionen des Haager Kongresses zum Abdruck. Sie wurden größtenteils von Marx und Engels verfaßt; die übrigen beruhten auf Anträgen, die Marx und Engels bei der Vorbereitung des Kongresses auf den Sitzungen des Generalrats gestellt hatten. Im Auftrag des Kongresses redigierten Marx und Engels sämtliche Resolutionen und machten sie druckreif. Von großer Bedeutung war es, daß in die Allgemeinen Statuten der Internationale der Hauptinhalt einer Resolution der Londoner Konferenz von 1871 über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse (siehe vorl. Band, S. 149) und in die Verwaltungsverordnungen die Artikel über die Erweiterung der Vollmachten des Generalrats aufgenommen wurden. Das Fazit des Kampfes von Marx und Engels und ihren Anhängern gegen die Anarchisten wurde in der Resolution über den Ausschluß der Bakunistenführer aus der Internationale gezogen. Auf Antrag von Marx und Engels, welche von der realen historischen Lage ausgingen, die sich in Europa zu Beginn der siebziger Jahre herausgebildet hatte, wurde eine Resolution über die Verlegung des Sitzes des Generalrats nach New York angenommen (siehe vorl. Band, S. 157). Die Rede von Engels (siehe vorl. Band, S. 688/689) enthält die Begründung dieses Antrags. In ihrer Gesamtheit waren die Kongreßbeschlüsse richtungweisend für die Aufgaben und Perspektiven der Arbeiterbewegung unter den neuen historischen Bedingungen. Sie legten das Fundament für die baldige Bildung proletarischer Massenparteien im Rahmen der Nationalstaaten. In unmittelbarem Zusammenhang mit den Dokumenten des Haager Kongresses steht eine große Reihe Artikel, die Marx und Engels zur Propagierung seiner wichtigsten Beschlüsse in der Arbeiterbewegung verfaßten. Zu ihnen gehören Marx' Rede über das Fazit des Kongresses auf einer Kundgebung der Internationale in Amsterdam („Rede über den Haager Kongreß"), Engels' Artikel „Der Haager Kongreß (Brief an Bignami)" und „Nochmals über den Haager Kongreß" („Briefe aus London - II"), publi
ziert in der italienischen Zeitung „Plebe". In dem Presseorgan der Neuen Madrider Föderation, der „Emancipacion", erschien der Artikel „Die im~ perativen Mandate auf dem Haager Kongreß", in dem Engels, während er das Treiben der bakunistischen Kongreßdelegierten in Den Haag enthüllte, abermals zeigte, daß die pseudorevolutionären Phrasen von Autonomie, freier Föderation der Gemeinden und dergleichen mehr zwangsläufig den Zerfall der Arbeiterorganisationen herbeiführen. Das Fazit des Kampfs gegen die Bakunisten zogen Marx und Engels in dem Bericht an alle Mitglieder der Internationale, den sie im Auftrag des Kongresses verfaßten und der 1873 unter dem Titel „L'Alliance de la Democratie Socialiste et l'Association Internationale des Travailleurs" (siehe „Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation" im vorl. Band) erschien. Diese Arbeit, die auf einer Menge konkret-historischer Tatsachen beruht, diente der Aufgabe, die Bakunisten in der Internationale endgültig zu schlagen. In der Arbeit wurde an Hand zahlreicher Dokumente, die zum Teil von den Bakunisten selber herrühren, klipp und klar bewiesen, daß innerhalb der Internationale eine Geheimorganisation der Anarchisten, die Allianz der sozialistischen Demokratie, existierte, und es wurde der direkte Gegensatz ihrer organisatorischen und ideologischen Prinzipien zu den Zielen und den Aufgaben der Arbeiterbewegung aufgedeckt. In diesem Werk verfolgten Marx und Engels die Zersetzungstätigkeit der Bakunisten in den europäischen Ländern und enthüllten den unmittelbaren Zusammenhang ihres desorganisierenden Treibens innerhalb der Assoziation mit den Attacken von außen her, von Seiten der Reaktion. Marx und Engels zeigten, welch großen Schaden die anarchistischen Sektierer der Arbeiterbewegung zufügen. In dem Kapitel „Die Allianz in Rußland" brachten Marx und Engels das Treiben der Agenten Bakunins in Rußland ans Tageslicht und unterzogen es einer strengen Beurteilung: Es wurden die Methoden des Betrugs und der Lüge, deren sich Netschajew, ein Vertrauter Bakunins, bediente, bloßgelegt und gezeigt, welchen Schaden Bakunins und Netschajews Abenteurerei der russischen revolutionären Bewegung zugefügt hatte. Nachdem Marx und Engels die Enthüllung des subversiven Treibens der Bakunisten und den Ausschluß ihrer Anführer aus der Internationale durchgesetzt hatten, führten sie weiterhin gegen die Bakunisten den theoretischen Kampf in solchen Grundfragen des Marxismus wie der politischen Machtergreifung durch das Proletariat und der Rolle der Diktatur des Proletariats. In der Arbeit „Der politische Indifferentismus" enthüllte Marx die ganze theoretische Haltlosigkeit und politische Schädlichkeit der von den
Bakunisten gepredigten proudhonistischen Doktrin des Verzichts der Arbeiterklasse auf den politischen Kampf und der anarchistischen Idee einer unverzüglichen „Abschaffung des Staats"; er legte dar, daß diese Ideen in Wirklichkeit die Arbeiter gegenüber der kapitalistischen Gesellschaft entwaffnen und sie zu der Rolle gehorsamer Diener verdammen. Bei der Kritik an diesen anarchistischen Anschauungen begründet Marx die historische Notwendigkeit der revolutionären Diktatur des Proletariats. Als Lenin unmittelbar vor der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution die Frage des Staats, der Revolution und der Diktatur des Proletariats durcharbeitete und die revisionistische Verfälschung der Marxschen Lehre bloßlegte, erschloß er den theoretischen Gehalt und die historische Bedeutung des Auftretens von Marx und Engels gegen die Anarchisten in diesen Fragen. „Marx", schrieb W. I.Lenin, „betont absichtlich - um einer Entstellung des wahren Sinnes seines Kampfes gegen den Anarchismus vorzubeugen - die .revolutionäre und vorübergehende Form' des Staates, den das Proletariat braucht." (W.I.Lenin, Werke, Band 25, Berlin 1960, S.449.) Eine tiefgründige Kritik an den Anschauungen der sogenannten Antiautoritarier und eine Begründung der marxistischen Ansichten über das Verhältnis der proletarischen Revolution zum Staat ist in Engels' Arbeit „Von der Autorität" dargelegt, die Lenin im Kampf gegen den Opportunismus breit auswertete. Engels enthüllte das unwissenschaftliche und revolutionsfeindliche Wesen der anarchistischen Idee einer „Abschaffung des Staats" noch vor dem Zeitpunkt, da die sozialen Verhältnisse abgeschafft sein werden, die ihn hervorgebracht haben. Er kritisierte aufs schärfste die verworrenen und rückständigen Ansichten der Anarchisten, die zur Vernichtung jedweder Autorität aufforderten. „Eine Revolution", schrieb Engels, „ist gewiß das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittelst Gewehren, Bajonetten und Kanonen, also mit denkbar autoritärsten Mitteln aufzwingt; und die siegreiche Partei muß, wenn sie nicht umsonst gekämpft haben will, dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrekken, den ihre Waffen den Reaktionären einflößen... Also von zwei Dingen eins: Entweder wissen die Antiautoritarier nicht, was sie sagen, und in diesem Falle säen sie nur Konfusion; oder sie wissen es, und in diesem Falle üben sie Verrat an der Bewegung des Proletariats. In dem einen wie in dem anderen Falle dienen sie der Reaktion." (Siehe vorl. Band, S.308.) Bei der Analyse dieser Arbeit von Engels hob W.I.Lenin den ganzen prinzipiellen Unterschied zwischen der Kritik am Anarchismus, die Marx
und Engels geübt hatten, und jener Kritik hervor, mit deren Hilfe die Revisionisten aus der II. Internationale ihren Verrat am Marxismus, ihr Bestreben tarnten, das Klassenwesen des Bourgeoisstaats zu vertuschen und dessen Existenz zu verewigen. „Die Sozialdemokraten, die Schüler von Engels sein wollen", schrieb Lenin, „haben sich seit 1873 millionenmal mit den Anarchisten herumgestritten, aber eben nicht so, wie Marxisten streiten können und sollen. Die anarchistische Vorstellung von der Abschaffung des Staates ist konfus und unrevolutionär - so stellte Engels die Frage." (W.I.Lenin, Werke, Band 25, Berlin 1960, S.452.) In seiner bedeutenden Schrift „Die Bakunisten an der Arbeit" ergänzte Engels die kritische Analyse der fehlerhaften theoretischen Doktrinen der Anarchisten durch eine nicht weniger profunde Kritik an ihrer abenteuerlichen Taktik. Er schrieb seinen Artikel anläßlich des völligen Scheiterns der Versuche der Bakunisten, ihre Doktrinen während der spanischen bürgerlich-demokratischen Revolution von 1873 in die Tat umzusetzen. Der Artikel ist ein Muster streng wissenschaftlichen Herangehens an die Bestimmung der Aufgaben für die Arbeiterklasse unter Berücksichtigung der konkret-historischen Besonderheiten der Entwicklung des Landes, der politischen und ökonomischen Verhältnisse, die sich in ihm herausgebildet haben, und des Entwicklungsstandes des Proletariats selbst. Engels' Artikel „Die Bakunisten an der Arbeit" war ein wichtiger Beitrag zur Ausarbeitung der marxistischen Lehre von der Taktik des Proletariats in der bürgerlich-demokratischen Revolution, von dem bewaffneten Aufstand als einer Kunst, von der Ausnutzung der revolutionären Macht durch das Proletariat, von der Ergänzung der revolutionären Aktionen der Massen „von unten" durch die Aktionen der revolutionären Regierung „von oben". Engels weist darauf hin, daß die Taktik des Proletariats in einem sozialökonomisch so rückständigen Land wie Spanien vor allem von der Notwendigkeit bestimmt wird, die bürgerlich-demokratische Revolution zu Ende zu führen. Die Ignorierung der Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution durch die Bakunisten bildet, wie Engels feststellt, eine der fehlerhaftesten Seiten ihrer Taktik. Engels deckt auf, wie die Bakunisten, denen damals ein bedeutender Teil des spanischen Proletariats folgte, sich bemühten, ihre Doktrinen zu verwirklichen, und wie sie in der Praxis unweigerlich, trotz all ihrer „ultrarevolutionären Phrasen", ins Schlepptau der Bourgeoisie geraten mußten. „Die Bakunisten in Spanien", sagt Engels abschließend, „haben uns ein unübertreffliches Muster davon geliefert, wie man eine Revolution nicht machen muß." (Siehe vorl. Band, S. 493.)
Ein Teil der im vorliegenden Band veröffentlichten Dokumente steht in Zusammenhang mit Marx' und Engels' unmittelbarer Teilnahme an der englischen Arbeiterbewegung in diesen Jahren. Die Haltung der Internationale, die sich mit der Pariser Kommune offen solidarisierte, sowie die Entschließungen der Londoner Konferenz von 1871 führten zum endgültigen Bruch des Generalrats der Internationale mit den opportunistischen Führern bedeutender Trade-Unions. Zu einem Stützpunkt im Kampf um die breiten Massen der englischen Arbeiterklasse wurde in den Jahren 1871 bis 1873 für Marx und Engels der Britische Föderalrat, der im Oktober 1871 auf Beschluß der Londoner Konferenz gegründet worden war. Der Kampf gegen die Opportunisten, für den Britischen Föderalrat war ein Teil ihres Kampfs für die Verstärkung der revolutionären Richtung in der englischen Arbeiterbewegung, gegen den liberalen Trade-Unionismus. Marx und Engels halfen dem Britischen Rat, die Verbindungen mit den Arbeitermassen zu festigen, sie propagierten durch seine Mitglieder die Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus, sie leiteten den Kampf gegen die reformistischen Elemente, die in den Rat eingedrungen waren. Auf jede Weise trugen Marx und Engels dazu bei, die junge irische Arbeiterbewegung in die Internationale einzureihen. Sie unterstützten die Idee der Schaffung einer selbständigen irischen Massenorganisation der Internationale, die sie als die Grundlage für die künftige Bildung einer von den bürgerlichen Nationalisten unabhängigen irischen Arbeiterpartei betrachteten. Beharrlich und folgerichtig kämpften Marx und Engels für die Überwindung der von der englischen Bourgeoisie künstlich geschürten Feindschaft zwischen englischen und irischen Arbeitern, und gegen die von den englischen reformistischen Führern gepredigten chauvinistischen Anschauungen. Dieser Kampf von Marx und Engels für die Erziehung der englischen Arbeiter im Geiste des proletarischen Internationalismus spiegelt sich wider in der zum erstenmal veröffentlichten großen Rede von Engels auf der Sitzung des Generalrats der Internationale vom 14. Mai 1872. Engels' Rede während der Diskussion „Über die Beziehungen zwischen den irischen Sektionen und dem Britischen Föderalrat" ist ein glänzendes Beispiel für die Bloßstellung des Großmacht-Chauvinismus und für die Verteidigung der Prinzipien des proletarischen Internationalismus. „Wenn Mitglieder der Internationale, die einer erobernden Nation angehören", so konstatierte Engels, „die Nation, die erobert worden ist und weiterhin unterdrückt wird, aufforderten, ihre spezifische Nationalität und Lage zu vergessen, .nationale Differenzen beizulegen' usf., so wäre das kein Internationalismus, sondern nichts weiter, als ihnen Unterwerfung unter
das Joch zu predigen, und ein Versuch, die Herrschaft des Eroberers unter dem Deckmantel des Internationalismus zu rechtfertigen und zu verewigen.., In einem Falle wie dem der Iren muß wahrer Internationalismus notwendigerweise auf einer selbständigen nationalen Organisation begründet sein." (Siehe vorl. Band, S.80.) Engels stützt sich in seiner Rede auf den wichtigen theoretischen Leitsatz des wissenschaftlichen Kommunismus von der unlöslichen Verbundenheit des Befreiungskampfs der Arbeiterklasse in den „Mutterländern" mit der nationalen Befreiungsbewegung der unterdrückten Völker. Marx' und Engels' unermüdliches Wirken in der Internationale zur Erziehung der englischen und der irischen Arbeiter im Geiste des proletarischen Internationalismus zeitigte seine Früchte. In einem Artikel, der im November 1872 in der italienischen Zeitung „Plebe" erschien und von einer gemeinsamen Kundgebung der irischen und der englischen Mitglieder der Internationale handelte, die die Freilassung der irischen politischen Gefangenen forderten, konnte Engels erklären: „Es ist das erste Mal, daß sich englische und irische Elemente unserer Bevölkerung herzlich zusammenschlössen. Diese zwei Elemente der Arbeiterklasse, deren gegenseitige Feindschaft vorzüglich den Interessen der Regierung und der reichen Klassen diente, reichen sich nun die Hand; diese erfreuliche Tatsache verdanken wir vor allem dem Einfluß des vorigen Generalrats der Internationale, der stets alle seine Anstrengungen darauf gerichtet hatte, das Bündnis zwischen den Arbeitern der beiden Nationen auf der Grundlage einer vollständigen Gleichheit vorzubereiten." (Siehe vorl. Band, S. 189/190.) Die in die Statuten der Internationale aufgenommene Entschließung des Haager Kongresses über die Gründung unabhängiger Arbeiterparteien versetzte den opportunistischen Elementen einen schweren Schlag. Im Zusammenhang hiermit verschärfte sich der Kampf gegen die reformistischen Elemente, die im Dezember 1872 den Britischen Föderalrat spalteten. Eine Reihe Dokumente, verfaßt von Marx und Engels, widerspiegelt ihren Kampf zum Zusammenschluß der revolutionären Kräfte in der Britischen Föderation. Die einschlägigen, von Marx im Namen des Rats verfaßten Schriftstücke „Adresse des Britischen Föderalrats an die Sektionen, Zweige, angeschlossenen Gesellschaften und Mitglieder" und „Antwort auf das neue Zirkular der angeblichen Majorität des Britischen Föderalrats" sowie der von Engels herrührende Appell „Die Manchester Foreign Section an alle Sektionen und Mitglieder der Britischen Föderation" enthüllten die Machenschaften der aus der Internationale verjagten Reformisten. Marx
und Engels förderten die Verankerung des Siegs über die Reformisten auf dem Kongreß der englischen Sektionen, der im Juni 1873 in Manchester stattfand. Mit ihrer Hilfe eroberte die Vorhut des englischen Proletariats die Ausgangsstellungen für den weiteren Kampf zur Verbreitung der Theorie des wissenschaftlichen Kommunismus in der englischen Arbeiterbewegung (siehe vorl. Band S. 472/473). Mit aller gebührenden Anerkennung für die Erfolge der revolutionären Richtung in der englischen Arbeiterbewegung deckten Marx und Engels zugleich die allgemeine Entwicklungstendenz der Bewegung auf, die durch Englands sozialökonomische Lage bedingt war. Eine profunde Analyse der sozialen Quellen des Opportunismus, der sich in der Führung der Arbeiterklasse Englands zeitweilig einnistete, enthält Engels' Artikel „Die englischen Wahlen", den er im Februar 1874 verfaßte. Es gibt, schrieb Engels, „in England keine besondere politische Arbeiterpartei mehr... Es ist dies erklärlich in einem Lande, wo die Arbeiterklasse mehr als anderswo an den Vorteilen der ungeheuren Ausdehnung der großen Industrie teilgenommen hat, wie dies in dem den Weltmarkt beherrschenden England nicht anders sein konnte" (siehe vorl. Band, S. 496). Engels stellte fest, daß in letzter Zeit die englischen Arbeiter in ihrer Masse am politischen Kampf teilnehmen „fast nur als äußerster linker Flügel der .großen liberalen Partei'". Er betonte, daß dem englischen Proletariat die unaufschiebbare Aufgabe gestellt ist, eine starke, selbständige Arbeiterpartei zu organisieren. Der Haager Kongreß war faktisch der letzte Kongreß der Internationale. Die neue Lage und die spezifischen Besonderheiten der Arbeiterbewegung in den verschiedenen Ländern erforderten neue Formen der Organisation der Arbeiterklasse. Die Internationale Arbeiterassoziation als die organisierte Form des Zusammenschlusses der Kampfkräfte des Proletariats hatte aufgehört, der in die Breite wachsenden internationalen Arbeiterbewegung zu entsprechen. Das Leben machte zur wichtigsten Aufgabe in jedem Lande die Bildung und Festigung proletarischer Parteien, für deren Gründung die Internationale Arbeiterassoziation die Voraussetzungen geschaffen hatte. Die fortgesetzte Offensive der Reaktion in den europäischen Ländern, die zeitweilige Unterordnung der englischen Arbeiterbewegung unter die Politik der liberalen Bourgeoisie und die desorganisierenden Machenschaften der Bakunisten, denen es gelungen war, von der Internationalen Arbeiterassoziation einen Teil der Organisation abzuspalten, - all das machte ein aktives Wirken der Internationale in ihrer früheren Form gleichfalls unmöglich.
Eine doktrinäre Behandlung des Problems der Organisationsformen der Bewegung der Arbeiterklasse lag Marx und Engels stets fern. Ihnen war klar geworden, daß die Internationale als Organisationsform sich historisch überlebt und ihre Möglichkeiten erschöpft hatte. Diese tiefreichende und nüchterne Analyse der Verhältnisse, die sich herausgebildet hatten, spiegelt sich in Marx* und Engels' Briefen an ihre Mitkämpfer in den Jahren 1873/1874 wider. Ihre Briefe an Sorge, Bebel, Liebknecht und andere enthalten nicht nur eine Situationsanalyse, sondern weisen auch die Wege zur Schaffung neuer Organisationsformen, die den Aufgaben der Arbeiterbewegung in ihrer neuen Entwicklungsphase entsprechen. Den Gedanken, daß es notwendig sei, sich von den entstandenen Organisationsformen der Internationale loszusagen, äußert Marx in einem Brief an Sorge vom 27.September 1873, in dem er hervorhebt, daß der Verzicht auf eine solche Organisationsform wie die Internationale keinen Abbruch des internationalen proletarischen Zusammenwirkens bedeutet. Engels resümierte die Tätigkeit der Internationalein seinem Brief an Sorge vom 12 .bis 17. September 1874: „... die alte Internationale ist vollständig abgeschlossen und zu Ende... in ihrer alten Form hat sie sieh überlebt"; die künftige Internationale, sagt Engels voraus, wird ein Bündnis der proletarischen Parteien aller Länder sein. Engels spricht die feste Zuversicht aus, daß die Zeit kommen werde, wo eine kommunistische Internationale geschaffen sein wird, die vorbehaltlos auf den Prinzipien des Marxismus gegründet ist. Die Internationale Arbeiterassoziation hatte bei der Entwicklung der internationalen Arbeiterbewegung eine sehr bedeutende historische Rolle gespielt. Zum erstenmal in der Geschichte hatte die Arbeiterklasse die Möglichkeit, die Kraft ihrer organisierten Aktionen im Kampf gegen die Klasse der Kapitalisten zu fühlen. Unter der Führung von Marx und Engels wurde in zähem Kampf allen Formen des vormarxschen, des nichtproletarischen Sozialismus ein vernichtender Schlag versetzt. Die Internationale war eine Schule, in der sich die Vorhut des internationalen Proletariats die Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus zu eigen machte, in der sie proletarischen Internationalismus lernte. In der Internationale erzogen Marx und Engels die proletarischen Kader, die zur künftigen Gründung nationaler Arbeiterparteien notwendig waren. Die I.Internationale legte unter Marx* und Engels' Führung das Fundament des proletarischen internationalen Kampfes für den Sozialismus. W.I.Lenin stellte fest, daß „die Tätigkeit der I. Internationale der Arbeiterbewegung aller Länder große Dienste erwies und bleibende Spuren hinterließ" (W.I.Lenin, „Über Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung", Berlin 1960, S. 163).
In ihrer unermüdlichen Tätigkeit bei der Leitung der internationalen Arbeiterbewegung richteten die Begründer des Marxismus ihr besonderes Augenmerk auf die deutsche Arbeiterklasse, da sie meinten, ihr werde in nächster Zeit die Rolle der Vorhut des Weltproletariats zufallen. Diese Rolle bestimmten sie vor allem danach, daß es in Deutschland die erste marxistische Massenpartei im nationalen Maßstab gab. Marx und Engels standen in dauerndem Kontakt mit den Führern der deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, mit Bebel, Liebknecht und anderen; sie halfen ihnen, die Fehler opportunistischer und versöhnlerischer Art zu überwinden. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei diente ihnen als Rückhalt im Kampfe für den Zusammenschluß der revolutionären Kräfte des internationalen Proletariats. In diesem Band werden zahlreiche Artikel veröffentlicht, die Engels eigens für das Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, den „Volksstaat", verfaßte. Zu dieser Zeit zeichnet sich immer deutlicher jene Arbeitsteilung zwischen Marx und Engels ab, von der Engels selber schrieb: „... es fiel mir zu, unsere Ansichten in der periodischen Presse, also namentlich im Kampf mit gegnerischen Ansichten, zu vertreten, damit Marx für die Ausarbeitung seines großen Hauptwerks Zeit behielt" (siehe vorl. Band, S. 649). Gerade im „Volksstaat" erschienen zum erstenmal die von Engels 1872-1875 verfaßten glänzenden publizistischen Werke („Zur Wohnungsfrage", „Die Bakunisten an der Arbeit", „Flüchtlingsliteratur" und andere). Der Band enthält die 1874 geschriebene Ergänzung des 1870 verfaßten Vorworts zu „Der deutsche Bauernkrieg", die äußerst wichtige Bemerkungen von Engels aufweist über die Bedeutung der Theorie in der sozialistischen Bewegung und in der Arbeiterbewegung allgemein. Diese Bemerkungen charakterisierte W.I.Lenin als „Worte, die er (Engels) der praktisch und politisch erstarkten deutschen Arbeiterbewegung mit auf den Weg gibt..." (W.I.Lenin, Werke, Band 5, Berlin 1955, S.381). Engels formuliert hier den tiefen Gedanken, daß die proletarische Partei ihre historische Aufgabe nur lösen kann, wenn sie mit einer revolutionären Theorie gewappnet ist. Er sieht eine Verpflichtung für die Parteiführer, ständig die Theorie zu studieren, den kleinbürgerlichen Einfluß zu überwinden; „... der Sozialismus ", schrieb Engels, „seitdem er eine Wissenschaft geworden ", will „auch wie eine Wissenschaft betrieben, d.h. studiert werden... Es wird darauf ankommen, die so gewonnene, immer mehr geklärte Einsicht unter den Arbeitermassen mit gesteigertem Eifer zu verbreiten, die Organisation der Partei wie der Gewerksgenossenschaften immer fester zusammenzu
schließen" (siehe vorl. Band, S. 517). Besonders vermerkt Engels die Notwendigkeit, die Massen im Geiste des proletarischen Internationalismus zu erziehen. Die Ergänzung zu jenem Vorwort enthält wichtige theoretische Hinweise auf den Charakter, die Aufgaben und Formen des Kampfes der Arbeiterklasse und ihrer Partei. Engels bestimmt die drei miteinander unlöslich verbundenen Richtungen, in denen der Kampf der Arbeiterklasse geführt werden muß: auf dem theoretischen, dem politischen und dem praktisch-ökonomischen Gebiete (siehe vorl. Band, S. 516/517). Zur erstrangigen Aufgabe der deutschen Arbeiterpartei erklären Marx und Engels die Gewinnung breiter Massen der Werktätigen und im Zusammenhang hiermit die Notwendigkeit, den Einfluß des lassalleanischen Sektierertums vollständig zu überwinden. Während sie für die Überwindung der Spaltung in der deutschen Arbeiterbewegung und für den Zusammenschluß der Sozialisten zu einer einheitlichen Partei eintraten, hoben Marx und Engels zugleich hervor, daß der Zusammenschluß nur auf prinzipieller Grundlage erfolgen dürfe, ohne die geringsten ideologischen Zugeständnisse an das Lassalleanertum, dessen kleinbürgerliches Wesen sie weiterhin enthüllten. Mit der Kritik an der Haltung der Lassalleaner zur Internationale, mit der Bloßstellung ihres verleumderischen Auftretens gegen den Haager Kongreß und gegen die neue Zusammensetzung des Generalrats befassen sich zwei von Engels geschriebene Dokumente: „Zu den Artikeln im .Neuen Social-Demokrat' (Aus einem Brief an A.Hepner)" und „Die Internationale und der .Neue'". „Das Reichs-Militärgesetz", „Offiziöses Kriegsgeheul" und andere Artikel von Engels waren wirkungsvolle Mittel, den deutschen Arbeitern das reaktionäre Wesen des aggressiven, 1871 unter der Hegemonie Preußens gegründeten Deutschen Reichs klarzumachen. Als ein unermüdlicher Kämpfer gegen den Militarismus entlarvt Engels das „deutsche Reich preußischer Nation" als eigentlichen Repräsentanten des Militarismus, enthüllt er das feige, knechtische Benehmen der deutschen Bourgeoisie gegenüber der Regierung Bismarck (siehe den Artikel „Die .Krisis' in Preußen"). Engels erklärt dabei, daß das vorherrschende Prinzip der Bourgeoispolitik die Angst vor dem Proletariat ist. In der Ergänzung des Vorworts von 1870 zu „Der deutsche Bauernkrieg" und in der Arbeit „Zur Wohnungsfrage" analysiert Engels den bonapartistischen Charakter des Deutschen Reichs und bezeichnet es als Aufgabe eigener Art, die Deutschland durch seine historische Entwicklung gestellt ist, „ ... seine bürgerliche Revolution, die es 1808 -1813 begonnen.... Ende
dieses Jahrhunderts in der angenehmen Form des Bonapartismus zu vollenden" (siehe vorl. Band, S.513). Am Beispiel der preußisch-bismarckschen Variante des Bonapartismus deckt Engels eine Reihe Besonderheiten der bonapartistischen Monarchie auf. An diese Arbeiten von Engels schließen sich die „Varia über Deutschland" an, die aus dem handschriftlichen Nachlaß veröffentlicht werden. In ihnen ist in gedrängter Form die marxistische Konzeption der deutschen Geschichte vom Ausgang des Mittelalters bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts dargelegt. Engels deckt die Ursachen der historischen Zerstückelung Deutschlands und seiner politischen und ökonomischen Rückständigkeit auf. Die volksfeindliche Abenteurerpolitik der herrschenden Klassen der deutschen Staaten, insbesondere des junkerlichen Preußens, die Unfähigkeit der deutschen Bourgeoisie, die Fragen des Kampfes gegen den Feudalismus revolutionär zu entscheiden, führten dazu, daß Deutschland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine bürgerlichen Umgestaltungen vollzog. Eine Reihe im vorliegenden Band wiedergegebener Artikel zeugen von der steten und nicht nachlassenden Aufmerksamkeit, mit der sich Marx und Engels zu Rußland und der russischen revolutionären Bewegung verhielten. Die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus beobachteten sorgsam alle Erscheinungsformen der revolutionären Bewegung in Rußland; sie vermerkten jeden ihrer Schritte. Ihr Scharfblick sagte der russischen Revolution eine große Zukunft voraus. Viel Zeit wandten Marx und Engels auf, um die Wirtschaftsstruktur, die Agrarordnung und die gesellschaftlichen Verhältnisse des Rußlands nach der Bauernreform zu erforschen und die Gruppierung der Klassen zu studieren, die sich dort herausbildeten. Sie studieren russische Kultur und die russische Sprache, die nach Engels Worten „sowohl um ihrer selbst willen, als einer der kraftvollsten und reichsten lebenden Sprachen, wie wegen der durch sie aufgeschlossenen Literatur das Studium reichlich lohnt..." (siehe vorl. Band, S.545). In der Artikelserie „Flüchtlingsliteratur", in der die neuen Tendenzen der demokratischen Bewegung und der Arbeiterbewegung charakterisiert werden, kennzeichnet Engels die entscheidenden Faktoren für das Herannahen einer revolutionären Krise in Rußland: das Auftreten der russischen Arbeiterklasse auf der politischen Bühne und das unausbleibliche Anwachsen der bäuerlichen Massenbewegung als Antwort auf die Ausplünderung der Bauernschaft nach der Abschaffung der Leibeigenschaft. Wie Engels hervorhebt, sind für die Tiefe und Stärke der russischen revolutionären Bewegung „zwei sozialistische Lessings" bezeichnend: Tschernyschewskiund Dobro
ljubow, die überragenden Vorkämpfer des revolutionären Rußlands. In diesen Artikeln offenbart sich der Glaube der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus an den unausbleiblichen Sieg der russischen Revolution. In der Arbeit „Flüchtlingsliteratur", Teil III, IV und besonders V („Soziales aus Rußland"), sind die Hauptrichtungen der russischen Volkstümlerbewegung zu Beginn der siebziger Jahre kritisiert und zwar in der Person solcher Volkstümler-Ideologen wie P.Lawrow und P.Tkatschow. Engels weist die den Volkstümlern eigene idealistische, voluntaristische Geschichtsauffassung nach, ihr Unverständnis für die materialistischen Grundlagen der gesellschaftlichen Entwicklung. Die allgemeine Analyse der sozialen Verhältnisse in Rußland nach 1861 führt Engels zu dem Schluß, daß sich der Kapitalismus in diesem Lande immer stärker entwickeln und hieraus die Zersetzung des Gemeindeeigentums auf dem Lande resultieren wird. Scharf kritisiert er die Idealisierung der Bauerngemeinde durch die Volkstümler, er spottet darüber, wie sie den engen Zusammenhang zwischen dem zaristischen Absolutismus und den materiellen Interessen der Gutsherren und der Kapitalisten ignorieren. Diese kritischen Bemerkungen von Engels waren grundlegend für jene in der marxistischen Literatur geübte allseitige Kritik an der russischen Volkstümlerei, die in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts von Lenin vollendet wurde und ihren völligen ideologisch-theoretischen Zusammenbruch herbeiführte. In unmittelbarem Zusammenhang mit den Aufgaben und Perspektiven der russischen Revolution betrachtet Engels auch die Fragen der Zukunft Polens. In der Arbeit „Flüchtlingsliteratur" und in den Reden von Marx und Engels auf einer Kundgebung zum Jahrestag des polnischen Aufstands von 1863 (siehe vorl. Band, S. 572—575) ist die bedeutsame Fragestellung enthalten, wieweit der Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeutergesellschaft mit dem Kampf der unterdrückten Völker für ihre nationale Befreiung verknüpft ist. In der Arbeit „Flüchtlingsliteratur" formuliert Engels abermals den wichtigen Leitsatz des wissenschaftlichen Kommunismus: „Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren." (Siehe vorl. Band, S. 527). Die Befreiung des polnischen Volkes von der sozialen und nationalen Unterdrückung verbanden Marx und Engels mit dem Kampf der russischen Volksmassen gegen die zaristische Selbstherrschaft. Die im achtzehnten Band enthaltenen Dokumente und Materialien charakterisieren die Hauptrichtung der theoretischen und politischen Tätigkeit Marx' und Engels' von Anfang 1872 bis Mai 1875; sie zeigen, wie Marx und Engels die Grundfragen der Theorie und Praxis des revolutionären
Kampfes des Proletariats im Hinblick auf die neuen historischen Bedingungen schöpferisch ausgearbeitet haben. Im Laufe des Kampfes gegen den Opportunismus und das anarchistische Sektierertum lehrten Marx und Engels die proletarische Vorhut, in ihrer Tätigkeit revolutionäre Prinzipientreue mit nüchterner Einschätzung der sich herausbildenden historischen Bedingungen zu verbinden; sie wappneten die rasch anwachsende Arbeiterbewegung mit der Einsicht in ihre revolutionären Aufgaben und Perspektiven ... In den Beilagen zu diesem Band werden Dokumente veröffentlicht, an deren Abfassung oder Redaktion Marx und Engels beteiligt gewesen sind, sowie die protokollarischen Aufzeichnungen ihrer Reden auf den Sitzungen des Generalrats und des Haager Kongresses; ferner Dokumente des Generalrats, die Marx' und Engels' leitende Tätigkeit in der Internationale bezeugen... Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU
Der vorliegende achtzehnte Band enthält gegenüber dem achtzehnten Band der russischen Ausgabe als Beilagen zusätzlich folgende Arbeiten von Friedrich Engels: „Vorwort zur zweiten durchgesehenen Auflage ,Zur Wohnungsfrage'", „Vorbemerkung (1894) zu ,Die Bakunisten an der Arbeit. Denkschrift über den Aufstand in Spanien im Sommer 1873"' und „Nachwort (1894) zu ,Soziales aus Rußland'". Der Text des vorliegenden Bandes wird nach den Originalen gebracht. Bei jeder Arbeit ist die für den Abdruck oder die Ubersetzung herangezogene Quelle vermerkt. Der größte Teil der fremdsprachigen Arbeiten wurde neu übersetzt und wird erstmalig in deutscher Sprache veröffentlicht. Frühere Übersetzungen wurden nochmals sorgfältig mit dem Originaltext verglichen. In den deutschsprachigen Texten sind Rechtschreibung und Zeichensetzung, soweit vertretbar, modernisiert; der Lautstand der Wörter ist nicht verändert worden. Alle in eckigen Klammern stehenden Titel, Wörter und Wortteile stammen von der Redaktion. Offensichtliche Druck- und Schreibfehler in Eigennamen, geographischen Bezeichnungen, Daten usw. sind an Hand von Tatsachen geprüft und korrigiert; in Zweifelsfällen wird in Fußnoten die Schreibweise des Originals angeführt. Die Wiedergabe russischer Personennamen erfolgt nach der Duden-Transkription, während die von
Marx und Engels bei russischen Buch- und Zeitungstiteln angewandte Transliteration beibehalten worden ist. Wo sich ein von diesen Regeln abweichendes Verfahren als zweckmäßig erwies, wird dies in Anmerkungen oder anderen redaktionellen Hinweisen erklärt. Die von Marx und Engels angeführten Zitate wurden ebenfalls überprüft, soweit die Quellen zur Verfügung standen. Längere Zitate werden zur leichteren Ubersicht in kleinerem Druck gebracht. Im Text vorkommende fremdsprachige Zitate und fremdsprachige Wörter sind in Fußnoten übersetzt. Fußnoten von Marx und Engels werden durch Sternchen gekennzeichnet, Fußnoten der Redaktion sind durch eine durchgehende Linie vom Text abgetrennt und durch Ziffern kenntlich gemacht. Zur Erläuterung ist der Band mit Anmerkungen versehen, auf die im Text durch hochgestellte Zahlen in eckigen Klammern hingewiesen wird; außerdem sind ein Literaturverzeichnis, Daten über das Leben und die Tätigkeit von Marx und Engels, ein Personenverzeichnis, ein Verzeichnis der literarischen, biblischen und mythologischen Namen, eine Liste der geographischen Namen, ein Verzeichnis der Gewichte, Maße und Münzen sowie eine Erklärung der Fremdwörter, der fremdsprachigen und seltenen Ausdrücke und der nicht allgemein gebräuchlichen Abkürzungen beigefügt. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED
KARL MARX und FRIEDRICH ENGELS
März 1872-Mai 1875

KARL MARX FRIEDRICHENGELS
Die angeblichen Spaltungen in der Internationale
Vertrauliches Zirkular des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation111
Geschrieben Mitte Januar bis Anfang März 1872. Nach der Broschüre „Les pr£tendues scissions dans l'Internationale", Genf 1872. Aus dem Französischen.
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1872
Titelblatt der französischen Erstausgabe der Schrift „Die angeblichen Spaltungen in der Internationale"

Bis heute hat sich der Generalrat absolute Zurückhaltung gegenüber den inneren Kämpfen der Internationale auferlegt und niemals öffentlich auf die öffentlichen Angriffe geantwortet, die seit mehr als zwei Jahren Mitglieder der Assoziation gegen ihn gerichtet haben. Aber wenn die Beharrlichkeit einiger Intriganten, mit Vorbedacht Verwirrung zu stiften zwischen der Internationale und einer Gesellschaft'21, die seit ihrer Entstehung der Internationale feindlich gegenübersteht, noch erlauben könnte, weiterhin Stillschweigen zu wahren, so ist jedoch der Generalrat verpflichtet, offen die historische Wahrheit aller dieser Intrigen darzulegen angesichts der Unterstützung, die die europäische Reaktion durch die Skandale erfährt, die diese Gesellschaft in einem Augenblick provoziert, wo die Internationale die schwerste Krise seit ihrer Gründung durchmacht.
I
Nach dem Fall der Pariser Kommune war die erste Tat des Generalrats, sein Manifest über den „Bürgerkrieg in Frankreich"1 zu veröffentlichen, in welchem er sich mit allen Handlungen der Kommune solidarisch erklärte, die gerade in diesem Augenblick der Bourgeoisie, der Presse und den Regierungen Europas dazu dienten, die Besiegten von Paris mit niederträchtigsten Verleumdungen zu überschütten. Selbst ein Teil der Arbeiterklasse hatte noch nicht verstanden, daß es ihr Banner war, das soeben unterlag. Der Generalrat erhielt dafür unter anderem eine Bestätigung durch den Rücktritt zweier seiner Mitglieder, der Bürger Odger und Lucraft, die jede Solidarität mit diesem Manifest ablehnten. Man kann sagen, daß von seiner
Veröffentlichung in allen zivilisierten Ländern die einheitliche Auffassung der Arbeiterklasse über die Pariser Ereignisse herrührt. Andererseits fand die Internationale eins der mächtigsten Propagandamittel in der bürgerlichen Presse und besonders in der großen englischen Presse; das Manifest zwang sie, sich in eine Polemik einzulassen, die durch die Erwiderungen des Generalrats in Gang gehalten wurde.131 Die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge der Kommune in London verpflichtete den Generalrat, sich als Hilfskomitee zu konstituieren und mehr als 8 Monate hindurch diese völlig außerhalb seiner regulären Befugnisse liegende Funktion auszuüben.141 Man braucht nicht zu sagen, daß die Besiegten und Verbannten der Kommune nichts von der Bourgeoisie zu erhoffen hatten. Was die Arbeiterklasse anbelangt, so kamen die Bitten um Hilfe in einem schwierigen Augenblick. Die Schweiz und Belgien hatten schon ihr Kontingent an Flüchtlingen erhalten, die sie zu unterstützen oder denen sie die Überfahrt nach London zu ermöglichen hatten. Die in Deutschland, Österreich und Spanien gesammelten Summen wurden in die Schweiz geschickt. In England hatte der große Kampf für den Neunstundentag, dessen entscheidende Schlacht in Newcastle[S1 geliefert wurde, sowohl die persönlichen Beiträge der Arbeiter als auch die von den Trade-Unions organisierten Fonds verschlungen, Fonds, die übrigens nach den Statuten selbst nur für gewerkschaftliche Kämpfe verwandt werden dürfen. Indessen konnte der Generalrat durch unablässige Bemühungen und Korrespondenzen das Geld, das er jede Woche verteilte, in kleinen Beträgen zusammenbringen. Die amerikanischen Arbeiter haben auf seinen Appell großzügiger geantwortet. Wenn doch der Generalrat nur über die Millionen hätte verfügen können, die die erschreckte Einbildungskraft der Bourgeoisie so großmütig im Geldschrank der Internationale deponiert! Nach dem Mai 1871 wurde eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen der Kommune in den Generalrat berufen, um das französische Element zu ersetzen, das infolge des Krieges nicht mehr in ihm vertreten war. Unter den so kooptierten Mitgliedern gab es alte Mitglieder der Internationale und eine Minderheit von Männern, die für ihre revolutionäre Energie bekannt waren und deren Wahl eine Huldigung der Pariser Kommune darstellte. Mitten in diesen Sorgen mußte der Generalrat die Vorbereitungen für die Delegiertenkonferenz treffen, die er gerade einberufen hatte.161 Die Gewaltmaßnahmen, die die bonapartistische Regierung gegen die Internationale ergriffen hatte, hatten die Durchführung des Kongresses in Paris, wie es vom Baseler Kongreß vorgesehen war, verhindert. Der
Generalrat machte von dem in Artikel 4 der Statuten verliehenen Recht Gebrauch und berief in seinem Zirkular vom 12. Juli 1870 den Kongreß nach Mainz ein.171 In den gleichzeitig an die verschiedenen Föderationen gerichteten Briefen schlug er ihnen vor, den Sitz des Generalrats von England in ein anderes Land zu verlegen, und forderte sie auf, die Delegierten mit imperativen Mandaten zu dieser Frage zu versehen. Die Föderationen sprachen sich einmütig für die Beibehaltung des Sitzes in London aus.181 Der wenige Tage darauf ausbrechende Deutsch-Französische Krieg machte jeden Kongreß unmöglich. Erst dann gaben uns die Föderationen, die wir befragt hatten, die Vollmacht, den Termin des nächsten Kongresses den Ereignissen entsprechend festzulegen. Sobald es die politische Situation zu erlauben schien, berief der Generalrat eine interne Konferenz ein, wobei er sich auf die Präzedenzfälle der Konferenz von 1865191 und der internen administrativen Sitzungen jedes Kongresses stützte. Ein öffentlicher Kongreß war unmöglich und hätte die Delegierten des Kontinents nur der Denunziation ausgesetzt in einem Augenblick, da die europäische Reaktion ihre Orgien feierte, da Jules Favre von allen Regierungen, selbst von der Regierung Englands, die Auslieferung der Flüchtlinge als gemeine Verbrecher forderte; da Dufaure der Krautjunker-Versammlung ein Gesetz unterbreitete, das die Internationale außerhalb des Gesetzes stellte1101 und von dem später Malou den Belgiern eine scheinheilige Nachahmung lieferte; da in der Schweiz in Erwartung des Entscheids der Bundesregierung über die Auslieferungsforderung ein Flüchtling der Kommune bereits vorbeugend verhaftet wurde; da die Jagd auf die Mitglieder der Internationale die offensichtliche Grundlage eines Bündnisses zwischen Beust und Bismarck war, dessen gegen die Internationale gerichtete Klausel Viktor Emanuel eifrigst übernommen hat; da die spanische Regierung, die sich ganz den Versailler Henkern zur Verfügung stellte, den Madrider Föderalrat zwang, in Portugal Zuflucht zu suchen1111; in dem Augenblick schließlich, da es die erste Pflicht der Internationale war, sich straffer zu organisieren und den von den Regierungen hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. Alle mit dem Generalrat in regelmäßiger Verbindung stehenden Sektionen wurden in angemessener Zeit zur Konferenz eingeladen, die, obwohl sie kein öffentlicher Kongreß war, auf ernste Schwierigkeiten stieß. Selbstverständlich konnte Frankreich in dem Zustand, in dem es sich befand, keine Delegierten wählen. In Italien war die einzige damals organisierte Sektion die von Neapel - im Augenblick der Ernennung eines Delegierten wurde sie durch die bewaffnete Macht aufgelöst. In Österreich und
Ungarn waren die aktivsten Mitglieder eingekerkert. In Deutschland wurden einige der bekanntesten Mitglieder wegen Hochverrats verfolgt, andere saßen im Gefängnis, und die finanziellen Mittel der Partei waren für die Hilfe, die ihren Familien gewährt werden mußte, aufgebraucht.1121 Die Amerikaner richteten an die Konferenz ein detailliertes Memorandum über die Situation der Internationale in ihrem Lande und verwandten die Delegationskosten zur Unterstützung der Flüchtlinge.1131 Übrigens erkannten alle Föderationen die Notwendigkeit an, eine interne Konferenz statt eines öffentlichen Kongresses abzuhalten. Nachdem die Konferenz vom 17. bis 23. September 1871 in London getagt hatte, war es die Sorge des Generalrats, ihre Resolutionen zu veröffentlichen, die Verwaltungsverordnungen zusammenzufassen und sie mit den revidierten und korrigierten Allgemeinen Statuten in drei Sprachen zu veröffentlichen; den Beschluß über die Einführung von Beitragsmarken an Stelle von Mitgliedskarten durchzuführen; die Internationale in England zu reorganisieren[14] und schließlich die für diese verschiedenen Arbeiten erheischten Ausgaben zu bestreiten. Gleich nach der Veröffentlichung der Materialien der Konferenz verkündete die reaktionäre Press« von Paris bis Moskau, von London bis New York, daß die Resolution über die Politik der Arbeiterklasse1151 so gefährliche Absichten in sich schließe - die „Times"1161 beschuldigte sie „einer kaltblütig berechnenden Verwegenheit" -, daß es dringend notwendig wäre, die Internationale außerhalb des Gesetzes zu stellen. Andererseits diente die Resolution, die mit den eingeschmuggelten sektiererischen Sektionen abrechnete1171, als Vorwand für die auf der Lauer liegende internationale Polizei, sich lautstark für die autonome Freiheit der Arbeiter, ihrer Schützlinge, gegen den entwürdigenden Despotismus des Generalrats und der Konferenz einzusetzen. Die Arbeiterklasse fühlte sich so „schwer unterdrückt", daß der Generalrat aus Europa, Amerika, Australien und selbst aus Ostindien Beitrittserklärungen und Mitteilungen über die Bildung neuer Sektionen erhielt.
II
Die Verunglimpfungen durch die bürgerliche Presse wie die Klagelieder der internationalen Polizei fanden selbst in unserer Assoziation ein offenes Ohr. Intrigen, die dem Anschein nach gegen den Generalrat, in Wirklichkeit aber gegen die Assoziation gerichtet waren, wurden in ihrem Schöße gesponnen. Hinter diesen Intrigen steht die unvermeidliche Inter
nationale Allianz der sozialistischen Demokratie, die von dem Russen Michail Bakunin gezeugt wurde. Nach seiner Rückkehr aus Sibirien predigte er in Herzens „Kolokol" als Ergebnis seiner langen Erfahrung den Panslawismus und den Rassenkrieg1181. Später, während seines Aufenthalts in der Schweiz, wurde er in das leitende Komitee der Friedens- und Freiheitsliga1191 berufen, die in Opposition zur Internationale gegründet worden war. Da die Sachen dieser bürgerlichen Gesellschaft schlecht standen und immer schlechter wurden, schlug ihr Präsident Herr G. Vogt auf Anraten Bakunins dem in Brüssel im September 1868 tagenden Kongreß der Internationale ein Bündnis vor. Der Kongreß erklärte einstimmig, daß nur eines von zwei Dingen möglich wäre: entweder verfolge die Liga dasselbe Ziel wie die Internationale, und in diesem Falle gäbe es für sie keinerlei Existenzberechtigung, oder ihr Ziel sei ein anderes, und dann wäre ein Bündnis unmöglich. Auf dem einige Tage später in Bern abgehaltenen Kongreß der Liga führte Bakunin seine Kehrtwendung durch. Er schlug dort ein Gelegenheitsprogramm vor, dessen wissenschaftlicher Wert nach dieser einzigen Wendung beurteilt werden kann: ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen.lW] Von einer winzigen Minderheit unterstützt brach er mit der Liga, um in die Internationale einzutreten, entschlossen, sein von der Liga abgelehntes Gelegenheitsprogramm an die Stelle der Allgemeinen Statuten der Internationale und seine persönliche Diktatur an die Stelle des Generalrats zu setzen. Zu diesem Zweck schuf er sich ein spezielles Instrument, die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie, die dazu bestimmt war, eine Internationale in der Internationale zu werden. Die notwendigen Elemente zur Bildung dieser Gesellschaft fand Bakunin durch die Beziehungen, die er während seines Aufenthalts in Italien geknüpft hatte, und in einem Kreis russischer Verbannter, die ihm als Emissäre und Werber unter den Mitgliedern der Internationale in der Schweiz, in Frankreich und in Spanien dienten. Aber erst nach den wiederholten Weigerungen des Belgischen und des Pariser Föderalrats, die „ Allianz" anzuerkennen, entschloß er sich, dem Generalrat die Statuten seiner neuen Gesellschaft zur Billigung vorzulegen, die nur die getreue Wiedergabe des „unverstandenen" Berner Programms waren. Der Generalrat antwortete mit folgendem Zirkular vom 22. Dezember 1868.1211
Der Generalrat an die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie
Vor ungefähr einem Monat haben sich in Genf einige Bürger als Zentrales Initiativkomitee einer neuen internationalen Gesellschaft konstituiert, genannt die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie, die sich als „spezielle Mission das Studium politischer und philosophischer Fragen auf der Grundlage dieses großen Prinzips der Gleichheit etc." gestellt hat. Das von diesem Initiativkomitee gedruckte Programm und Reglement ist dem Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation erst am 15. Dezember 1868 mitgeteilt worden. Nach diesen Dokumenten ist die genannte Allianz „völlig in der Internationale aufgegangen" und zugleich völlig außerhalb dieser Assoziation gegründet. Neben dem von den aufeinanderfolgenden Kongressen zu Genf, Lausanne und Brüssel gewählten Generalrat der Internationale soll nach dem Reglement des Initiativkomitees ein weiterer, ein selbsternannter Generalrat in Genf bestehen. Neben den lokalen Gruppen der Internationale sollen die lokalen Gruppen der Allianz bestehen, die durch ihre nationalen Büros, welche außerhalb der nationalen Büros der Internationale tätig sind, „beim Zentralbüro der Allianz ihre Aufnahme in die Internationale beantragen werden"; das Zentralkomitee der Allianz maßt sich somit das Recht der Aufnahme in die Internationale an. Schließlich soll auch der allgemeine Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation noch sein Doppelstück im allgemeinen Kongreß der Allianz finden, denn das Reglement des Initiativkomitees besagt, daß beim alljährlichen Arbeiterkongreß die Delegation der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation „ihre ö0entlichen Sitzungen an einem getrennten Ort abhalten wird". In Erwägung, daß das Vorhandensein einer zweiten internationalen Organisation, die innerhalb und außerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation tätig ist, das unfehlbarste Mittel wäre, diese zu desorganisieren; daß jede andere Gruppe von Personen an beliebigem Ort das Recht hätte, die Initiativgruppe von Genf nachzuahmen und unter mehr oder weniger plausiblen Vorwänden der Internationalen Arbeiterassoziation andere internationale Assoziationen mit anderen speziellen Missionen aufzupfropfen; daß die Internationale Arbeiterassoziation auf diese Weise bald zum Spielball der Intriganten aller Nationalitäten und Parteien würde;
daß zudem die Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation in ihrem Rahmen nur lokale und nationale Zweiggesellschaften zulassen (siehe Art. I und VI der Statuten); daß es den Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation verboten ist, sich Statuten und VerwaltungsVerordnungen zu geben, die den Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation zuwiderlaufen (siehe Art. XII der Verwaltungsverordnungen); daß die Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation nur von einem allgemeinen Kongreß revidiert werden können, auf dem zwei Drittel der anwesenden Delegierten für eine solche Revision stimmen (siehe Art. XIII der Verwaltungsverordnungen); daß die Frage durch die auf dem allgemeinen Kongreß zu Brüssel einstimmig angenommenen Resolutionen gegen die Friedensliga präjudiziert ist; daß der Kongreß in diesen Resolutionen erklärt, die Friedensliga habe keinerlei Existenzberechtigung, da nach ihren jüngsten Erklärungen ihr Ziel und ihre Prinzipien mit denen der Internationalen Arbeiterassoziation identisch seien; daß mehrere Mitglieder der Initiativgruppe der Allianz in ihrer Eigenschaft als Delegierte des Brüsseler Kongresses für diese Resolutionen gestimmt haben; hat der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation in seiner Sitzung vom 22. Dezember 1868 einstimmig beschlossen: 1. Alle Artikel des Reglements der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie, die ihre Beziehungen zur Internationalen Arbeiterassoziation bestimmen, sind für null und nichtig erklärt; 2. die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie wird nicht als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation zugelassen.
Odger, Vorsitzender der Sitzung R. Shaw, Generalsekretär
London, den 22. Dezember 1868
Einige Monate später wandte sich die Allianz von neuem an den Generalrat und fragte ihn, ob er ihre Prinzipien billige, ja oder nein? Im Falle einer Zustimmung erklärte sich die Allianz bereit, sich in den Sektionen der Internationale aufzulösen. Sie erhielt als Antwort das folgende Zirkular vom 9. März 1869.[2al
Der Generalrat an das Zentralkomitee der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie
Nach Artikel 1 unserer Statuten läßt die Assoziation alle Arbeitergesellschaften zu, die dasselbe Ziel verfolgen, nämlich: den gegenseitigen Beistand, den Fortschritt und die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse. Da die Entwicklungsbedingungen für die Sektionen der Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern verschieden sind, so folgt daraus notwendigerweise, daß ihre theoretischen Ansichten, die die reelle Bewegung widerspiegeln, ebenso verschieden sind. Die Gemeinsamkeit der Aktion, welche durch die Internationale Arbeiterassoziation hergestellt wird, der Ideenaustausch, der erleichtert wird durch die Veröffentlichungen der Organe der verschiedenen nationalen Sektionen, und schließlich die unmittelbare Debatte auf den allgemeinen Kongressen werden indes nicht verfehlen, nach und nach ein gemeinsames theoretisches Programm zu schaffen. Es gehört daher nicht zu den Funktionen des Generalrats, das Programm der Allianz kritisch zu prüfen. Wir haben nicht zu untersuchen, ob es ein adäquater Ausdruck der proletarischen Bewegung ist oder nicht. Für uns ist nur wichtig, zu wissen, ob es nichts enthält, was der allgemeinen Tendenz unserer Assoziation, das heißt, der vollständigen Emanzipation der Arbeiterklasse, zuwiderläuft. Es gibt eine Phrase in eurem Programm, die dieser Forderung nicht genügt. In Artikel 2 liest man:
„Sie" (die Allianz) „will vor allem die politische, ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen."
Die Gleichmachung der Klassen, wörtlich genommen, läuft auf die Harmonie von Kapital und Arbeit hinaus, die die Bourgeoissozialisten so aufdringlich predigen. Nicht die Gleichmachung der Klassen - ein logischer Widersinn, unmöglich zu realisieren -, sondern vielmehr die Abschaffung der Klassen, dieses wahre Geheimnis der proletarischen Bewegung, bildet das große Ziel der Internationalen Arbeiterassoziation. Betrachtet man jedoch den Zusammenhang, worin sich diese Phrase - Gleichmachung der Klassen findet, so erscheint sie wie ein einfacher Schreibfehler, der sich dort eingeschlichen hat. Der Generalrat zweifelt nicht daran, daß ihr gern eine Phrase, die zu so bedauerlichen Mißverständnissen führen kann, aus eurem Programm entfernen werdet. Mit Ausnahme der Fälle, in denen der allgemeinen Tendenz unserer Assoziation widersprochen würde, entspricht
es ihren Prinzipien, jeder Sektion zu überlassen, ihr theoretisches Programm frei zu formulieren. Es steht also nichts der Verwandlung der Sektionen der Allianz in Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation entgegen. Wenn die Auflösung der Allianz und der Eintritt der Sektionen in die Internationale endgültig beschlossen sein sollte, so würde es nach unseren Verwaltungsverordnungen notwendig werden, den Generalrat von dem Ort und der zahlenmäßigen Stärke jeder neuen Sektion zu unterrichten.
Sitzung des Generalrats vom 9. März 1869
Nachdem die Allianz diese Bedingungen akzeptiert hatte, wurde sie vom Generalrat in die Internationale aufgenommen. Durch einige Unterschriften unter dem Programm Bakunins irregeführt, nahm er an, daß die Allianz vom Romanischen Föderalkomitee in Genf anerkannt sei, das sie im Gegenteil nach wie vor von sich fernhielt. Nunmehr hatte die Allianz ihr unmittelbares Ziel erreicht: beim Baseler Kongreß vertreten zu sein. Trotz der unloyalen Mittel, deren sich ihre Parteigänger bedienten, Mittel, die nur bei dieser Gelegenheit und sonst nie auf einem Kongreß der Internationale angewandt worden sind, wurde Bakunin in seiner Erwartung enttäuscht, daß der Kongreß den Sitz des Generalrats nach Genf verlegen und öffentlich die alte Saint-Simonsche Schrulle, nämlich die sofortige Abschaffung des Erbrechts, sanktionieren würde, die Bakunin zum praktischen Ausgangspunkt des Sozialismus gemacht hatte. Das war das Signal zum offenen und unaufhörlichen Kriege, den die Allianz nicht nur gegen den Generalrat, sondern auch gegen alle Sektionen der Internationale führte, die sich weigerten, das Programm dieser sektiererischen Koterie und besonders die Doktrin von der absoluten Abstention auf politischem Gebiete zu übernehmen. Bereits vor dem Baseler Kongreß, als Netschajew in Genf angekommen war, trat Bakunin in Beziehungen zu ihm und gründete in Rußland eine Geheimgesellschaft unter den Studenten. Während er seine eigene Person stets hinter dem Namen verschiedener „revolutionärer Komitees" verbarg, nahm er für sich autokratische Befugnisse in Anspruch, geimpft mit all den Schwindeleien und Mystifikationen der Cagliostro-Zeit. Das große Propagandamittel dieser Gesellschaft bestand darin, unschuldige Personen der russischen Polizei gegenüber zu kompromittieren, indem man ihnen von Genf aus Mitteilungen in gelben Briefumschlägen schickte, die auf der Außenseite in russischer Sprache den Stempel des „geheimen revolutio
nären Komitees" trugen. Die offiziellen Berichte des Netschajew-Prozesses beweisen, daß ein schändlicher Mißbrauch mit dem Namen der Internationale getrieben worden ist.* Die Allianz begann in dieser Zeit eine öffentliche Polemik gegen den Generalrat, zunächst im „Progres"1241 von Locle, dann in der Genfer „Egalite"t25], der offiziellen Zeitung der Romanischen Föderation, wo sich im Gefolge Bakunins einige Mitglieder der Allianz eingeschlichen hatten. Der Generalrat, der die Angriffe des „Progres", des persönlichen Organs von Bakunin, nicht beachtet hatte, konnte die der „Egalit6" nicht ignorieren, weil er annehmen mußte, daß sie durch das Romanische Föderalkomitee gebilligt waren. Er veröffentlichte daher das Zirkular vom I.Januar 1870C2G1, worin gesagt wird: „Wir lesen in der ,Egalite' vom 11. Dezember 1869:
ist sicher, daß der Generalrat äußerst wichtige Dinge vernachlässigt. Wir erinnern ihn an seine Pflichten durch den Artikel I des Reglements: Der Generalrat ist verpflichtet, die Kongreßbeschlüsse auszuführen, etc... Wir hätten genug Fragen an den Generalrat, so daß seine Antworten ein ziemlich langes Dokument ergäben. Sie werden später kommen... In der Erwartung etc...' Der Generalrat kennt weder in den Statuten noch in dem Reglement einen Artikel, der ihn verpflichtete, sich in eine Korrespondenz oder eine Polemik mit der .Egalite' einzulassen oder .Fragen' irgendeiner Zeitung zu .beantworten'. Allein das Föderalkomitee von Genf vertritt die Zweiggesellschaften der romanischen Schweiz vor dem Generalrat. Wenn das Romanische Föderalkomitee Anfragen oder Vorwürfe auf dem einzig legitimen Wege, das heißt durch seinen Sekretär, an uns richtet, wird der Generalrat immer bereit sein, darauf zu antworten. Aber das Romanische Föderalkomitee hat weder das Recht, seine Funktionen an die Redakteure der ,Egalit6' und des .Progres' abzutreten, noch seine Funktionen von diesen Zeitungen usurpieren zu lassen. Allgemein gesprochen: die administrative Korrespondenz des Generalrats mit den nationalen und lokalen Komitees könnte nicht veröffentlicht werden, ohne den allgemeinen Interessen der Assoziation großen Schaden zuzufügen. Wenn also die anderen Organe der Internationale dem .Progres' und der .Egalite' nachahmen würden, sähe sich der Generalrat vor die Alternative gestellt, sich ent
* Ein Auszug aus dem Netschajew-Prozeß1231 wird demnächst veröffentlicht. Der Leser wird darin eine Probe der dummen und gleichzeitig niederträchtigen Maximen finden, wofür Bakunins Freunde die Verantwortung auf die Internationale abgewälzt haben.
weder durch sein Schweigen vor der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder seine Pflichten durch eine öffentliche Antwort zu verletzen. Die .Egalite' hat sich dem .Progres' beigesellt, um den ,Travail'[2?1 (Pariser Zeitung) aufzufordern, seinerseits den Generalrat anzugreifen. Das ist beinahe eine Liga für das öffentliche Wohl1281!" Indessen hatte das Romanische Föderalkomitee, noch ehe es von diesem Zirkular Kenntnis erhielt, die Parteigänger der Allianz aus der Redaktion der „Egalite" entfernt. Das Zirkular vom 1 .Januar 1870 sowie das vom 22. Dezember 1868 und das vom 9. März 1869 wurden von allen Sektionen der Internationalegebilligt. Selbstverständlich ist keine der von der Allianz angenommenen Bedingungen jemals erfüllt worden. Ihre angeblichen Sektionen blieben für den Generalrat ein Mysterium. Bakunin versuchte einige in Spanien und Italien zerstreute Gruppen und die Sektion von Neapel, die er von der Internationale losgerissen hatte, unter seiner persönlichen Leitung zu behalten. In den anderen italienischen Städten korrespondierte er mit kleinen Gruppen, die sich nicht aus Arbeitern zusammensetzten, sondern aus Advokaten, Journalisten und anderen doktrinären Bourgeois. In Barcelona hielten einige Freunde seinen Einfluß aufrecht. In einigen Städten Südfrankreichs bemühte sich die Allianz, separatistische Sektionen unter der Leitung von Albert Richard und Gaspard Blanc aus Lyon zu gründen, auf die wir noch zurückkommen müssen. Mit einem Wort, die internationale Gesellschaft in der Internationale fuhr fort, sich geschäftig zu regen. Der große Schlag der Allianz, der Versuch, sich der Leitung der romanischen Schweiz zu bemächtigen, sollte auf dem am 4. April 1870 eröffneten Kongreß in La Chaux-de-Fonds erfolgen. Der Kampf entbrannte über das Recht der Delegierten der Allianz auf Zulassung, ein Recht, das von den Delegierten der Genfer Föderation und der Sektionen von La Chaux-de-Fonds bestritten wurde. Obwohl die Parteigänger der Allianz nach ihrer eigenen Zählung nur ein Fünftel der Mitglieder der Föderation vertraten, gelang es ihnen dank der Wiederholung der Manöver von Basel, sich eine fiktive Mehrheit von ein oder zwei Stimmen zu verschaffen, eine Mehrheit, die, um ihr eigenes Organ zu zitieren (siehe die „Solidarite"[29) vom 7. Mai 1870), mit fünf zehn Sektionen repräsentierte, während allein Genf derer dreißig hatte! Über diese Abstimmung teilte sich der romanische Kongreß in zwei Teile, die ihre Sitzungen getrennt fortsetzten. Die Parteigänger der Allianz, die sich als die legalen Vertreter der ganzen Föderation betrachteten, verlegten den Sitz des Romanischen Föderalkomitees nach La Chaux-de-Fonds und
2 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
gründeten in Neuchatel ihr offizielles Organ, die von dem Bürger Guillaume redigierte „Solidarite". Dieser junge Schriftsteller hatte die spezielle Mission, „die Arbeiter der Fabrik'301" von Genf, diese scheußlichen „Bourgeois", zu verschreien; die „Egalite", das Blatt der Romanischen Föderation, zu bekämpfen und absolute Abstention auf politischem Gebiete zu predigen. Die bezeichnendsten Artikel über diesen letzten Gegenstand hatten in Marseille Bastelica und in Lyon die beiden Hauptsäulen der Allianz, Albert Richard und Gaspard Blanc, zu Verfassern. Nach ihrer Rückkehr riefen die Genfer Delegierten ihre Sektionen zu einer Generalversammlung zusammen, die ihre Handlungen auf dem Kongreß von La Chaux-de-Fonds billigte, trotz der Opposition von Bakunin und seinen Freunden. Einige Zeit danach wurden Bakunin und seine aktivsten Helfershelfer aus der alten Romanischen Föderation ausgeschlossen. Kaum war der romanische Kongreß geschlossen, als das neue Komitee zu La Chaux-de-Fonds in einem Brief um die Intervention des Generalrats ersuchte. Der Brief war unterzeichnet von F. Robert, Sekretär, und Henri Chevalley, Präsident, der zwei Monate später durch das Organ des Komitees, die „Solidarite" vom 9. Juli, als Dieb angeprangert wurde. Nachdem der Generalrat die Beweisstücke der beiden Parteien geprüft hatte, beschloß er am 28. Juni 1870, das Genfer Föderalkomitee in seinen bisherigen Funktionen zu belassen und das neue Föderalkomitee von La Chaux-de-Fonds aufzufordern, einen lokalen Namen anzunehmen.1311 Angesichts dieser Entscheidung, die seine Wünsche enttäuschte, bezichtigte das Komitee von La Chaux-de-Fonds den Generalrat des Autoritarismus, wobei es vergaß, daß es zuerst selbst seine Intervention verlangt hatte. Die Verwirrung, die in der Schweizer Föderation durch seine hartnäckige Usurpation des Namens Romanisches Föderalkomitee hervorgerufen wurde, nötigte den Generalrat, alle offiziellen Beziehungen zu diesem Komitee abzubrechen. Louis Bonaparte hatte soeben seine Armee in Sedan übergeben. Von allen Seiten erhoben sich die Proteste der Internationalen gegen die Fortsetzung des Krieges. Der Generalrat wies in seinem Manifest vom 9. September, in dem er die Eroberungspläne Preußens entlarvte, auf die Gefahr des preußischen Sieges für die Sache des Proletariats hin und sagte den deutschen Arbeitern voraus, daß sie dessen erste Opfer sein würden.'321 Er veranlaßte in England Meetings, die den preußischen Tendenzen des Hofes entgegenwirkten. In Deutschland veranstalteten die der Internationale angehörenden Arbeiter Demonstrationen, auf denen sie die Anerkennung der Republik und „einen ehrenvollen Frieden für Frankreich..." forderten. Die kriegerische Natur des hitzigen Guillaume (von Neuchatel) flößte
ihm indes die glänzende Idee eines anonymen Manifests ein, das als Beilage und unter dem Deckmantel der offiziellen Zeitung „Solidarite" veröffentlicht wurde und die Formierung schweizerischer Freikorps forderte, um gegen die Preußen zu kämpfen, woran er selber zweifellos immer durch seine abstentionistischen Ansichten gehindert wurde.1331 Der Lyoner Aufstand war ausgebrochen.'311 Bakunin eilte herbei und richtete sich, unterstützt von Albert Richard, Gaspard Blanc und Bastelica, am 28. September im Rathaus ein, dessen Zugänge zu schützen er sich als eines politischen Akts enthielt. Er wurde daraus durch einige Nationalgarden in dem Augenblick jämmerlich vertrieben, als sein Dekret über die Abschaffung des Staates nach einer mühseligen Geburt endlich das Licht der Welt erblickt hatte. Im Oktober 1870 kooptierte der Generalrat in Abwesenheit seiner französischen Mitglieder den Bürger Paul Robin, einen Flüchtling aus Brest. Er war einer der bekanntesten Parteigänger der Allianz und überdies der Verfasser der in die „Egalite" lancierten Angriffe gegen den Generalrat, in dem er von diesem Augenblicke an ununterbrochen als offiziöser Korrespondent des Komitees von La Chaux-de-Fonds fungierte. Am 14. März 1871 schlug er die Einberufung einer internen Konferenz der Internationale zur Erledigung des Schweizer Streites vor. Der Generalrat lehnte kurzweg ab, da er voraussah, daß sich große Ereignisse in Paris vorbereiteten. Robin kam auf die Sache wiederholt zurück und machte sogar den Vorschlag, der Generalrat solle eine endgültige Entscheidung über den Streitfall treffen. Am 25.Juli entschied der Generalrat, daß diese Angelegenheit eine der Fragen sei, die der für September 1871 einzuberufenden Konferenz unterbreitet werden sollten. Die Allianz war nicht sehr begierig darauf, ihre Umtriebe von einer Konferenz untersucht zu sehen, und erklärte am 10.August, daß sie seit dem 6. desselben Monats aufgelöst sei.'351 Aber am 15. September erscheint sie wieder und fordert vom Generalrat ihre Zulassung unter dem Namen „Sektion der sozialistischen Atheisten". Nach dem Verwaltungsbeschluß Nr.V des Baseler Kongresses'361 hätte sie der Rat nicht zulassen können, ohne das Genfer Föderalkomitee, das des zweijährigen Kampfes mit den sektiererischen Sektionen müde geworden war, vorher befragt zu haben. Im übrigen hatte der Generalrat schon den englischen christlichen Arbeitergesellschaften (Young men's Christian Association1) erklärt, daß die Internationale theologische Sektionen nicht anerkenne.
1 Christlicher Verein Junger Männer
Am 6.August, dem Datum der Auflösung der Allianz, erneuert das Föderalkomitee von La Chaux-de-Fonds seinen Antrag um Aufnahme offizieller Beziehungen zum Generalrat und erklärt ihm, daß es den Beschluß vom 28. Juni auch weiterhin ignorieren und gegenüber Genf als Romanisches Föderalkomitee auftreten werde, und „daß es dem allgemeinen Kongreß zukomme, diese Angelegenheit zu entscheiden". Am 4. September schickte dasselbe Komitee einen Protest gegen die Zuständigkeit der Konferenz, deren Einberufung es indessen als erster gefordert hatte. Die Konferenz hätte ihrerseits fragen können, welcher Art denn die Kompetenz des Pariser Föderalrats sei, den dieses Komitee vor der Belagerung1 ersucht hatte, über den Schweizer Streitfall zu entscheiden?[37) Sie begnügte sich, die Entscheidung des Generalrats vom 28, Juni 1870 zu bestätigen. (Siehe die Beweggründe in der Genfer „Egalite" vom 21. Oktober 1871[381.)
III
Die Anwesenheit einiger verbannter Franzosen in der Schweiz, die dort Asyl gefunden hatten, gab der Allianz wieder einen Schimmer von Leben. Die Internationalen von Genf taten für die Verbannten alles, was in ihrer Macht stand. Sie sicherten ihnen vom ersten Augenblicke an Hilfe und hinderten die Schweizer Behörden durch eine mächtige Agitation daran, der von der Versailler Regierung geforderten Auslieferung der Flüchtlinge stattzugeben. Mehrere setzten sich ernsten Gefahren aus, indem sie nach Frankreich gingen, um den Flüchtlingen zu helfen, die Grenze zu erreichen. Wie groß war daher das Erstaunen der Genfer Arbeiter, als sie sahen, daß einige Anführer, wie B. Malon*, sich alsbald mit den Männern
* Wissen die Freunde B.Malons, die ihn in einer stereotypen Reklame seit drei Monaten den Gründer der Internationale nennen, die sein Buch'39' als die einzige unabhängige Arbeit über die Kommune ankündigen, welche Haltung der Amtsgehilfe des Bürgermeisters von Batignolles2 am Vorabend der Februarwahlen eingenommen hat? In dieser Zeit griff B.Malon, der die Kommune noch nicht voraussah und nur den Erfolg seiner Wahl zur Nationalversammlung vor Augen hatte, zu Intrigen, um als Mitglied der Internationale auf die Liste der vier Komitees gesetzt zu werden. Zu diesem Zweck leugnete er frech die Existenz des Pariser Föderalrats und unterbreitete den Komitees die Liste einer von ihm in Batignolles gegründeten Sektion, als rühre sie ganz 1 von Paris - 2 Stadtteil von Paris
der Allianz in Verbindung setzten und mit Hilfe von N. Shukowski, dem Exsekretär der Allianz, versuchten, in Genf außerhalb der Romanischen Föderation die neue Sektion der revolutionären sozialistischen Propaganda und Aktion'101 zu gründen! Im ersten Artikel ihrer Statuten „erklärt" sie, daß sie
„den Allgemeinen Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation beipflichte, wobei sie sich alle Freiheit der Aktion und der Initiative vorbehalte, die ihr als logische Konsequenz des Prinzips der Autonomie und der Föderation zustünde, eines Prinzips, das durch die Statuten und die Kongresse der Assoziation anerkannt sei". Mit anderen Worten behielt sie sich jede Freiheit vor, das Werk der Allianz fortzusetzen. In einem Briefe Malons vom 20. Oktober 1871 richtete diese neue Sektion zum dritten Male an den Generalrat die Bitte um Zulassung zur Internationale. Gemäß der Resolution V des Baseler Kongresses befragte der Generalrat das Genfer Föderalkomitee, das heftig gegen die Anerkennung dieses neuen „Herdes von Intrigen und Zwistigkeiten" durch den Generalrat protestierte. Der Generalrat war in der Tat „autoritär" genug, um nicht einer ganzen Föderation den Willen B. Malons und N. Shukowskis, des Exsekretärs der Allianz, aufzuzwingen. Nachdem die „Solidarite" aufgehört hatte zu existieren, gründeten die neuen Anhänger der Allianz die „Revolution Sociale"1411 unter der obersten Leitung von Madame Andre Leo, die dem Friedenskongreß in Lausanne soeben erklärt hatte, daß „Raoul Rigault und Ferre die beiden unheilvollen Gestalten der Kommune wären, die bis dahin" (bis zur Hinrichtung der Geiseln) „nie aufgehört hatten, immer vergeblich, blutige Maßnahmen zu fordern" I4al. Von ihrer ersten Nummer an beeilte sich diese Zeitung, sich auf das Niveau des „Figaro", des „Gaulois", des „Paris-Journal"1131 und anderer Schmutzblätter zu stellen, deren dreckige Ausfälle gegen den Generalrat sie neu auflegte. Der Augenblick schien ihr günstig, innerhalb der Internationale selbst die Flamme des Nationalhasses zu entzünden. Ihr zufolge
und gar von der Assoziation her. - Später, am 19. März, beschimpfte er in einem öffentlichen Dokument die Führer der am Vorabend vollbrachten großen Revolution. Heute druckt dieser mit allen Wassern gewaschene Anarchist, oder er läßt drucken, was er schon vor einem Jahre den vier Komitees gesagt hat: Die Internationale bin ich! B. Malon hat das Mittel gefunden, zugleich Ludwig XIV. und den Schokoladenfabrikanten Perron zu parodieren. Sagte dieser nicht, daß seine Schokolade die einzige... eßbare sei!
war der Generalrat ein deutsches Komitee, geleitet von einem bismarckschen Gehirn.* Nachdem die „Revolution Sociale" sehr wohl festgestellt hatte, daß gewisse Mitglieder des Generalrats nicht damit groß tun konnten, „Gallier über alles" zu sein, wußte sie nichts Besseres, als die zweite Parole, die die europäische Polizei in Umlauf brachte, aufzugreifen und den Rat des „ Autoritarismus" zu verdächtigen. Was waren es nun für Tatsachen, auf die sich dieses kindische Geschrei stützte? Der Generalrat hatte die Allianz eines natürlichen Todes sterben lassen und in Übereinstimmung mit dem Genfer Föderalkomitee ihre Auferstehung verhindert. Außerdem hatte er das Komitee von La Chaux-deFonds aufgefordert, einen Namen anzunehmen, der ihm erlauben würde, mit der großen Mehrheit der romanischen Internationalen in Frieden zu leben. Welchen Gebrauch hatte nun der Generalrat, von diesen „autoritären" Handlungen abgesehen, seit Oktober 1869 bis Oktober 1871 von den ziemlich weitreichenden Vollmachten gemacht, die ihm der Baseler Kongreß übertragen hatte? 1. Am 8. Februar 1870 bat die Gesellschaft der positivistischen Proletarier in Paris den Generalrat um ihre Zulassung. Der Rat antwortete, daß die in den besonderen Statuten der Gesellschaft dargelegten positivistischen Prinzipien in bezug auf das Kapital in flagrantem Widerspruch zu den Erwägungen der Allgemeinen Statuten stünden; daß man diese Prinzipien daher streichen und in die Internationale nicht als „Positivist", sondern als „Proletarier" eintreten müsse, wobei es ihnen freistünde, ihre theoretischen Ansichten mit den allgemeinen Prinzipien der Assoziation in Einklang zu bringen. Die Sektion erkannte die Richtigkeit dieser Entscheidung an und trat in die Internationale ein. 2. In Lyon hafte es einen Zwiespalt zwischen der Sektion von 1865 und einer jüngst gebildeten Sektion gegeben, in der inmitten ehrlicher Arbeiter die Allianz durch Albert Richard und Gaspard Blanc vertreten war. Das Urteil eines in der Schweiz gebildeten Schiedsgerichts, wie es in solchen Fällen üblich ist, wurde nicht anerkannt. Am 15. Februar 1870 verlangte die jüngst gebildete Sektion vom Generalrat nicht nur, über diesen Streitfall kraft der Resolution VII des Baseler Kongresses zu entscheiden, sondern sie schickte ihm ein bereits fertiges Urteil, das die Mitglieder der
* Hier ist die Zusammensetzung dieses Rats nach Nationalitäten: 20 Engländer, 15 Franzosen, 7 Deutsche (von denen fünf Gründer der Internationale sind), zwei Schweizer, zwei Ungarn, ein Pole, ein Belgier, ein Ire, ein Däne und ein Italiener.
Sektion von 1865 ausschloß und der Niederträchtigkeit bezichtigte, ein Urteil, das er unterzeichnen und postwendend zurückschicken sollte. Der Generalrat verurteilte dieses unerhörte Vorgehen und forderte die Beweisstücke an. Auf die gleiche Forderung antwortete die Sektion von 1865, daß die Belastungsstücke gegen Albert Richard dem Schiedsgericht unterbreitet worden wären, daß sich Bakunin ihrer bemächtigt hätte, der sich weigere,sie herauszugeben, und daß die Sektion infolgedessen den Wünschen des Generalrats nicht voll und ganz entsprechen könne. Die Entscheidung des Generalrats vom 8. März in dieser Sache rief keine Einwände hervor, weder von der einen noch von der anderen Seite. 3. Die französische Sektion in London hatte Elemente von mehr als zweifelhaftem Charakter zugelassen und sich nach und nach in eine Kommanditgesellschaft des Herrn Felix Pyat verwandelt. Sie diente ihm dazu, kompromittierende Demonstrationen für die Ermordung L. Bonapartes etc. zu organisieren und in Frankreich unter dem Deckmantel der Internationale seine lächerlichen Manifeste zu propagieren. Der Generalrat beschränkte sich darauf, in den Organen der Assoziation zu erklären, daß Herr Pyat nicht Mitglied der Internationale sei und daß sie daher für sein Tun und Treiben keine Verantwortung tragen könne.'441 Die französische Sektion erklärte daraufhin, daß sie weder den Generalrat noch die Kongresse anerkenne; sie ließ an den Mauern von London Plakate anbringen, daß die Internationale, die Sektion ausgenommen, eine antirevolutionäre Gesellschaft sei. Die Verhaftung der französischen Internationalen am Vorabend des Plebiszits unter dem Vorwand einer Verschwörung, die in Wirklichkeit von der Polizei angezettelt worden war und der die Manifeste der Pyatisten einen Schimmer der Wahrscheinlichkeit gaben, zwang den Generalrat, in der „Marseillaise" und im „R6veil" seine Resolution vom 10. Mai 1870 zu veröffentlichen, worin erklärt wird, daß die sogenannte französische Sektion seit mehr als zwei Jahren nicht mehr der Internationale angehöre und daß ihre Aktionen das Werk von Polizeiagenten seien'451. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ist durch die Erklärung des Pariser Föderalkomitees in denselben Zeitungen und durch die Erklärung der Pariser Internationalen während ihres Prozesses bewiesen worden, wobei beide Erklärungen sich auf die Resolution des Generalrats stützten. Die französische Sektion verschwand bei Anfang des Krieges, aber sie sollte, wie die Allianz in der Schweiz, mit neuen Verbündeten und unter anderen Namen in London wieder auftauchen. In den letzten Tagen der Konferenz bildete sich in London unter den Verbannten der Kommune eine Section franfaise de 1871, die etwa 35 Mit
glieder zählte. Der erste „autoritäre" Akt des Generalrats war, den Sekretär dieser Sektion, Gustave Durand, öffentlich als Spitzel der französischen Polizei zu entlarven.1465 Die Dokumente, die wir besitzen, beweisen die Absicht der Polizei, Durand zunächst an der Konferenz teilnehmen zu lassen und ihn später in den Generalrat selbst hineinzubringen. Da die Statuten der neuen Sektion ihren Mitgliedern ausdrücklich befahlen, „keine andere Delegierung in den Generalrat anzunehmen, als die ihrer Sektion", zogen sich die Bürger Theisz und Bastelica vom Generalrat zurück. Am 17. Oktober delegierte die Sektion zwei ihrer Mitglieder, die mit imperativen Mandaten versehen waren, zum Generalrat, von denen der eine kein anderer war als Herr Chautard, Exmitglied des Artilleriekomitees. Der Generalrat lehnte es ab, ihn zuzulassen, ehe er nicht die Statuten der Section de 1871 geprüft hatte.* Es wird genügen, hier an die Hauptpunkte der Debatte zu erinnern, zu der diese Statuten Anlaß gegeben haben. Artikel 2 der Statuten lautet:
„Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man den Nachweis über seine Existenzmittel führen, Garantien der Moralität vorlegen etc." In seiner Resolution vom 17. Oktober 1871i47! schlug der Generalrat vor, die Worte „den Nachweis über seine Existenzmittel führen" zu streichen. „In Zweifelsfällen", sagte der Generalrat, „kann eine Sektion wohl Informationen einholen über die Existenzmittel als Garantie der Moralität, während in anderen Fällen, wie zum Beispiel bei Flüchtlingen, bei streikenden Arbeitern etc., der Mangel an Existenzmitteln gerade eine Garantie der Moralität sein kann. Es wäre jedoch eine bürgerliche Neuerung, die dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten widerspräche, von den Kandidaten einen Nachweis über ihre Existenzmittel als allgemeine Bedingung für die Aufnahme in die Internationale zu verlangen." Die Sektion antwortete,
„daß die Allgemeinen Statuten die Sektionen für die Moral ihrer Mitglieder verantwortlich machen und ihnen demzufolge das Recht gewähren, ihre Bürgschaften zu verlangen, wie sie es für nötig halten". Darauf erwiderte der Generalrat am 7. November148„Wollte man die Dinge so sehen, dann könnte eine von den teetotalers (einem Mäßigkeitsverein) gegründete internationale Sektion in ihre besonderen Statuten
* Wenige Zeit später wurde dieser Chautard, den man dem Generalrat hatte aufdrängen wollen, von seiner Sektion als Polizeiagent Thiers' ausgestoßen. Er wurde von denselben Leuten angeklagt, die ihn von allen für den würdigsten gehalten hatten, um sie im Generalrat zu vertreten.
folgenden Punkt einfügen: ,Um als Mitglied in die Sektion aufgenommen zu werden, muß man schwören, sich jedes alkoholischen Getränkes zu enthalten.' Mit einem Wort, durch die besonderen Statuten der Sektionen könnten die absurdesten und unzusammenhängendsten Aufnahmebedingungen in die Internationale gestellt werden, immer unter dem Vorwand, daß sie es für nötig halten, auf diese Weise sich der Moral ihrer Mitglieder zu vergewissern... ,Die Existenzmittel der Streikenden', fügt die Section fran^aise de 1871 hinzu, ,sind die Streikkassen'. Man kann auf diese Phrase vorerst erwidern, daß diese Kasse oft fiktiv ist... Übrigens haben die offiziellen englischen Untersuchungen erwiesen, daß die Mehrheit der englischen Arbeiter... gezwungen ist - sei es durch Streiks oder Arbeitslosigkeit, sei es durch ungenügende Löhne oder infolge von Zahlungsterminen oder aus anderen Ursachen -, unaufhörlich zur Pfandleihe und zu Schulden Zuflucht zu nehmen, Existenzmittel, deren Nachweis man nicht fordern könnte, ohne sich in unzulässiger Weise in das Privatleben der Bürger einzumischen. Also eins von beiden: Entweder sucht die Sektion in den Existenzmitteln bloß Garantien der Moralität, und dann erfüllt der... Vorschlag des Generalrats diesen Zweck... oder die Sektion hat in Artikel 2 ihrer Statuten absichtlich außer den Garantien der Moralität... von dem Nachweis der Existenzmittel als Aufnahmebedingung gesprochen; und in diesem Fall bekräftigt der Generalrat, daß dies eine bürgerliche Neuerung ist, die dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten widerspricht." In Artikel 11 ihrer Statuten heißt es:
„Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt."
Der Generalrat verlangte, daß dieser Artikel gestrichen werde, „weil die Allgemeinen Statuten der Internationale den Sektionen keinerlei Recht zugestehen, Delegierte in den Generalrat zu entsenden". „Die Allgemeinen Statuten", fügte er hinzu, „erkennen nur zwei Arten der Wahl für die Mitglieder des Generalrats an: entweder ihre Wahl durch den Kongreß oder ihre Beifügung durch den Generalrat... Es stimmt, daß die verschiedenen in London existierenden Sektionen aufgefordert worden waren, Delegierte in den Generalrat zu entsenden, der, um die Allgemeinen Statuten nicht zu verletzen, stets auf folgende Weise vorgegangen ist: Er hat zunächst die Zahl der von jeder Sektion zu entsendenden Delegierten festgelegt und sich dabei das Recht vorbehalten, sie zu akzeptieren oder abzulehnen, je nachdem, ob er sie für die allgemeinen Funktionen, die sie ausüben müssen, für geeignet hielt. Diese Delegierten wurden Mitglieder des General
rats nicht kraft der Delegierung durch ihre Sektionen, sondern durch das Recht, das die Allgemeinen Statuten dem Generalrat geben, sich neue Mitglieder beizufügen. Da der Londoner Rat bis zu der von der letzten Konferenz getroffenen Entscheidung sowohl als Generalrat der Internationalen Assoziation als auch als Zentralrat für England funktioniert hatte, hielt er es für angebracht, außer den Mitgliedern, die er sich direkt beigefügt hatte, Mitglieder zuzulassen, die in erster Linie von ihren respektiven Sektionen delegiert worden waren. Man würde sich gewaltig irren, wenn man den Wahlmodus des Generalrats dem des Pariser Föderalrats angleichen wollte, der nicht einmal ein von einem nationalen Kongreß ernannter nationaler Rat war, wie zum Beispiel der Föderalrat von Brüssel oder der von Madrid. Der Pariser Föderalrat war nur eine Delegation der Pariser Sektionen... Der Wahlmodus des Generalrats wird von den Allgemeinen Statuten bestimmt, und seine Mitglieder könnten kein anderes imperatives Mandat annehmen als das der Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen... Wenn man den Paragraphen betrachtet, der ihm vorangeht, so hat Artikel 11 keinen anderen Sinn als den, die Zusammensetzung des Generalrats völlig zu verändern und ihn entgegen Artikel 3 der Allgemeinen Statuten[49) zu einer Delegation der Londoner Sektionen zu machen, worin der Einfluß der lokalen Gruppen den Einfluß der ganzen Internationalen Arbeiterassoziation verdrängen würde." Schließlich sagt der Generalrat, dessen erste Pflicht in der Ausführung der Kongreßbeschlüsse besteht (siehe Artikel 1 der Verwaltungsverordnungen des Genfer Kongresses), daß „nach seiner Ansicht die von derSection frangaise de 1871 geäußerten Ideen über eine radikale Veränderung, die in den Artikeln der Allgemeinen Statuten bezüglich seiner Zusammensetzung vorzunehmen wäre, überhaupt nichts mit der Frage zu tun haben..." Im übrigen erklärte der Generalrat, daß er zwei Delegierte der Sektion unter den gleichen Bedingungen zulassen würde, wie sie für die anderen Londoner Sektionen gelten. Die Section de 1871, weit davon entfernt, durch diese Antwort zufriedengestellt zu sein, veröffentlichte am 14. Dezember eine „Deklaration" [B01, die von allen ihren Mitgliedern unterzeichnet wurde, deren neuer Sekretär kurz danach als unwürdig aus der Gesellschaft der Flüchtlinge ausgestoßen wurde. Laut dieser Erklärung machte sich der Generalrat, weil er es ablehnte, sich legislative Befugnisse anzumaßen, „einer ganz naturalistischen Abkehr von der sozialen Idee" schuldig. Hier nun einige Proben der Gewissenhaftigkeit, die bei der Ausarbeitung dieses Dokuments geherrscht hat.
Die Londoner Konferenz hatte das Verhalten der deutschen Arbeiter während des Krieges gebilligt.1511 Es war offensichtlich, daß diese von einem Schweizer Delegierten1 vorgeschlagene, von einem belgischen Delegierten unterstützte und einstimmig angenommene Resolution nur die deutschen Internationalen betraf, die ihre antichauvinistische Haltung während des Krieges im Gefängnis gebüßt haben und noch büßen. Überdies hatte der Sekretär des Generalrats für Frankreich2, um jeder böswilligen Auslegung vorzubeugen, in einem durch den „Qui Vivel", die „Constitution", den „Radical", die „Emancipacion", die „Europe" etc. veröffentlichten Brief1521 den wahren Sinn der Resolution gerade zuvor erklärt. Nichtsdestoweniger brachten acht Tage später, am 20. November 1871, fünfzehn Mitglieder der Section fran^aise de 1871 in „Qui Vivel" eine „Protesterklärung", die voller Beleidigungen gegen die deutschen Arbeiter war, und bezeichneten die Resolution der Konferenz als den unwiderlegbaren Beweis der „pangermanischen Idee", die den Generalrat beherrsche. Die ganze feudale, liberale und Polizeipresse Deutschlands bemächtigte sich ihrerseits gierig dieses Vorfalls, um den deutschen Arbeitern die Nichtigkeit ihrer internationalen Träume klarzumachen. Nach alledem wurde die Protesterklärung vom 20. November durch die ganze Section de 1871 in ihrer Deklaration vom 14. Dezember gebilligt. Um „die schiefe Ebene des Autoritarismus, auf die der Generalrat abgleitet", zu beweisen, zitiert sie „eine durch diesen selben Generalrat veröffentlichte offizielle Ausgabe der von ihm selbst revidierten Allgemeinen Statuten". Man braucht nur einen Blick auf die neue Ausgabe der Statuten zu werfen, um festzustellen, daß sich im Anhang zu jedem Absatz der Nachweis seiner authentischen Quellen findet!1531 Was die Worte „offizielle Ausgabe" anlangt, so hatte der erste Kongreß der Internationale beschlossen, daß „der offizielle und verbindliche Text der Allgemeinen Statuten und Satzungen vom Generalrat veröffentlicht würde" (siehe „Congres ouvrier de 1'Association Internationale des Travailleurs, tenu ä Geneve du 3 au 8 septembre 1866", S.27, Anmerkung). Selbstverständlich stand die Section de 1871 in fortgesetzten Beziehungen zu den Abtrünnigen von Genf und Neuchatel. Eines ihrer Mitglieder, das mehr Energie zum Angriff auf den Generalrat entfaltet hatte als jemals zur Verteidigung der Kommune, Chalain, sah sich plötzlich von B. Malon rehabilitiert, der noch unlängst gegen ihn in einem Brief an ein Mitglied des Rats sehr schwerwiegende Anklagen vorgebracht hatte. Übrigens hatte die
1 Nikolai Utin - 2 Auguste Serraillier
Section fran?aise de 1871 ihre Deklaration kaum vom Stapel gelassen, als der Bürgerkrieg in ihren Reihen ausbrach. Zunächst zogen sich Theisz, Avrial und Camelinat zurück. Seitdem zerfiel sie in mehrere kleine Gruppen, von denen eine von Herrn Pierre Vesinier geleitet wird, der wegen seiner Verleumdungen gegen Varlin und andere aus dem Generalrat ausgeschlossen und dann von der belgischen Kommission, die der Brüsseler Kongreß 1868 ernannt hatte, aus der Internationale gejagt wurde. Eine andere dieser Gruppen ist durch B. Landeck gegründet, den die unvorhergesehene Flucht des Polizeipräfekten Pi6tri am 4. September von seiner „peinlich eingehaltenen" Verpflichtung befreit hat,
„sich weder mit politischen Dingen noch mit Dingen der Internationale In Frankreich zu befassen!" (Siehe „Troisieme proces de 1'Association Internationale des Traüailleürs d Paris", 1870, S.4.) Andererseits hat die Masse der französischen Flüchtlinge in London eine Sektion gebildet, die in völliger Harmonie mit dem Generalrat lebt.
IV
Die Männer der Allianz, die sich hinter dem Föderalkomitee von Neuchatel verbargen und einen neuen Versuch auf einem größeren Feld machen wollten, um die Internationale zu desorganisieren, beriefen für den 12. November 1871 einen Kongreß ihrer Sektionen nach Sonvillier ein. Schon im Juli drohte Meister Guillaume in zwei Briefen an seinen Freund Robin dem Generalrat mit einer solchen Kampagne, falls er nicht einwilligen werde, ihnen „gegen die Räuber von Genf" recht zu geben. Der Kongreß von Sonvillier setzte sich aus sechzehn Delegierten zusammen, die im ganzen neun Sektionen zu vertreten vorgaben, darunter die neue Sektion der revolutionären sozialistischen Propaganda und Aktion in Genf. Die Sechzehn begannen ihren ersten Auftritt mit dem anarchistischen Dekret, in dem die Romanische Föderation für aufgelöst erklärt wurde, die sich ihrerseits beeilte, den Angehörigen der Allianz ihre „Autonomie" zurückzugeben, indem sie sie aus allen Sektionen hinausjagte. Übrigens muß der Generalrat anerkennen, daß ein Blitz gesunden Menschenverstandes sie den Namen Jurassische Föderation annehmen ließ, den ihnen die Londoner Konferenz gegeben hatte.1641 Alsdann schritt der Kongreß der Sechzehn zur „Reorganisation der Internationale", indem er gegen die Konferenz und den Generalrat ein
„Zirkular an alle Föderationen der Internationalen Arbeiterassoziation" vom Stapel ließ.1551 Die Verfasser des Zirkulars beschuldigen den Generalrat zunächst, daß er 1871 eine Konferenz einberufen habe statt eines Kongresses. Aus den vorher gegebenen Erläuterungen ergibt sich, daß diese Angriffe direkt gegen die ganze Internationale gerichtet sind, die in ihrer Gesamtheit die Einberufung einer Konferenz akzeptiert hatte, bei der übrigens die Allianz durch die Bürger Robin und Bastelica angemessen vertreten war. Bei jedem Kongreß hat der Generalrat seine Delegierten gehabt; beim Baseler Kongreß zum Beispiel waren ihrer sechs. Die Sechzehn behaupten, daß
„die Mehrheit der Konferenz von vornherein durch die Zulassung von sechs Delegierten des Generalrats mit beschließender Stimme gefälscht worden sei".
In Wirklichkeit waren unter den Delegierten des Generalrats auf der Konferenz die französischen Verbannten keine anderen als die Vertreter der Pariser Kommune, während seine englischen und Schweizer Mitglieder nur ausnahmsweise an den Sitzungen teilnehmen konnten, wie es die Protokolle beweisen, die dem nächsten Kongreß vorgelegt werden. Ein Delegierter des Rats hatte ein Mandat von einer nationalen Föderation. Laut eines an die Konferenz gerichteten Briefes wurde das Mandat eines anderen zurückbehalten, weil die Zeitungen seinen Tod angezeigt hatten1. Bleibt ein Delegierter übrig, so daß im Verhältnis zum Rat die Belgier allein wie 6: 1 vertreten wären. Die internationale Polizei, die in der Person Gustave Durands ferngehalten wurde, hatte sich bitter über die Verletzung der Allgemeinen Statuten durch die Einberufung einer „geheimen" Konferenz beklagt. Sie war über unsere Verwaltungsverordnungen noch nicht genügend auf dem laufenden, um zu wissen, daß die administrativen Sitzungen der Kongresse obligatorisch intern sind. Nichtsdestoweniger fanden ihre Klagen ein mitfühlendes Echo bei den Sechzehn von Sonvillier, die sofort schrien:
„Und um das Ganze zu krönen, besagt eine Entscheidung dieser Konferenz, daß der Generalrat selber den Termin und den Ort des nächsten Kongresses oder der Konferenz, die ihn ersetzen wird, bestimmen wird; auf diese Weise sind wir von der Unterdrückung der allgemeinen Kongresse bedroht, dieser großen öffentlichen Zusammenkünfte der Internationale."
1 Gemeint ist Karl Marx
Die Sechzehn wollten nicht sehen, daß diese Entscheidung nichts weiter besagt, als daß die Internationale gegenüber den Regierungen ihre unerschütterliche Entschlossenheit bekräftigt, allen Repressalien zum Trotz ihre allgemeinen Versammlungen auf die eine oder andere Weise abzuhalten. In der Generalversammlung der Genfer Sektionen vom 2. Dezember 1871, die den Bürgern Malon und Lefran^ais einen schlechten Empfang bereitete, brachten letztere einen Vorschlag ein, der darauf abzielte, die von den Sechzehn von Sonvillier erlassenen Dekrete zu bestätigen, dem Generalrat eine Rüge zu erteilen und die Konferenz nicht anzuerkennen.'561 Die Konferenz hatte beschlossen, daß „die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Beschlüsse der Konferenz... den Föderalräten der verschiedenen Länder durch die korrespondierenden Sekretäre des Generalrats mitgeteilt werden".1 Dieser den Allgemeinen Statuten und den VerwaltungsVerordnungen völlig entsprechende Beschluß wurde durch B.Malon und seine Freunde auf folgende Weise verfälscht:
„Ein Teil der Beschlüsse der Konferenz wird nur den Föderalräten und den korrespondierenden Sekretären mitgeteilt werden." Sie beschuldigen außerdem den Generalrat, daß er „es an dem Prinzip der Aufrichtigkeit habe fehlen lassen", indem er sich weigerte, der Polizei durch „die Öffentlichkeit" Beschlüsse auszuliefern, die als ausschließlichen Zweck die Reorganisation der Internationale in den Ländern haben, wo sie verfolgt wird. Die Bürger Malon und Lefran?ais beklagen sich ferner, daß „die Konferenz sich an der Freiheit des Gedankens und seiner Äußerung vergriffen habe..., da sie dem Generalrat das Recht gab, jedes öffentliche Organ der Sektionen und Föderationen anzuklagen und zu verleugnen, das entweder die Prinzipien, auf denen die Assoziation beruht, oder die jeweiligen Interessen der Sektionen und Föderationen, oder schließlich die allgemeinen Interessen der gesamten Assoziation erörtert (siehe die .Egalite vom 21.Oktober)". Und was steht in der „Egalite" vom 21. Oktober? Ein Beschluß der Konferenz, worin sie ankündigt, „daß von nun an der Generalrat gehalten sein wird, öffentlich anzuklagen und zu verleugnen alle angeblichen Organe der Internationalen, welche, nach dem Vorgang des „Progres" und der „Solidarite", in ihren Spalten vor dem Bourgeoispublikum Fragen besprechen sollten, die nur zur Debatte in den lokalen und föderalen Komitees, im Generalrat oder in den geschlossenen Verwaltungssitzungen der föderalen oder allgemeinen Kongresse geeignet sind" ,3
Um das sauersüße Wehklagen B. Malons richtig einzuschätzen, muß man in Betracht ziehen, daß dieser Beschluß ein für allemal den Versuchen einiger Journalisten ein Ende macht, die sich an die Stelle der verantwortlichen Komitees der Internationale zu setzen und in ihrer Mitte dieselbe Rolle zu spielen trachten wie die Journalisten-Boheme in der bürgerlichen Welt. Als Folge eines solchen Versuchs hatte das Genfer Föderalkomitee erlebt, daß Mitglieder der Allianz das offizielle Organ der Romanischen Föderation, die „Egalite", in einem ihr gegenüber völlig feindlichen Sinne redigierten. Übrigens bedurfte der Generalrat nicht der Londoner Konferenz, um den Mißbrauch des Journalismus „öffentlich anzuklagen und zu verleugnen", denn der Baseler Kongreß hat (Beschluß II) entschieden, daß „alle Zeitungen, die Angriffe gegen die Assoziation enthalten, dem Generalrat sofort durch die Sektion zugeschickt werden müssen"1361.
„Es ist offensichtlich", sagt das Romanische Föderalkomitee in seiner Erklärung vom 20.Dezember 1871 („Egalite" vom 24.Dezember), „daß dieser Artikel nicht in der Absicht angenommen worden ist, damit der Generalrat in seinen Archiven die Zeitungen, die die Assoziation angreifen, aufbewahrt, sondern um zu antworten und nötigenfalls die verderbliche Wirkung von Verleumdungen und böswilligen Anschwärzungen zu beseitigen. Es ist auch offensichtlich, daß sich dieser Artikel im allgemeinen auf alle Zeitungen bezieht, und wenn wir nicht ohne weiteres die Angriffe der bürgerlichen Zeitungen dulden wollen, so müssen wir mit um so größerem Recht durch unsere zentrale Vertretung, durch den Generalrat, jene Zeitungen desavouieren, deren Angriffe gegen uns mit dem Namen unserer Assoziation gedeckt werden." Nebenbei sei bemerkt, daß die „Times", dieser Leviathan der kapitalistischen Presse, der „Progres" (von Lyon), die Zeitung der liberalen Bourgeoisie, und das „Journal de Geneve"[5?1, eine ultrareaktionäre Zeitung, die Konferenz mit denselben Vorwürfen überhäuften und sich fast derselben Ausdrücke bedienten wie die Bürger Malon und Lefran^ais. Nachdem das Zirkular der Sechzehn gegen die Einberufung der Konferenz, dann gegen ihre Zusammensetzung und ihren sogenannten geheimen Charakter Stellung genommen hatte, greift es die Beschlüsse selbst an. Indem es zunächst feststellt, daß der Baseler Kongreß auf seine Befugnisse verzichtet hätte, „da er dem Generalrat das Recht gibt, Sektionen der Internationale abzulehnen, zuzulassen oder zu suspendieren", legt es weiter der Konferenz folgende Sünde zur Last: „Diese Konferenz hat... Beschlüsse gefaßt..., die danach streben, aus der Internationalen, der freien Föderation autonomer Sektionen, eine hierarchische und
autoritäre Organisation disziplinierter Sektionen zu machen, vollständig in der Hand des Generalrats, der ganz nach Belieben ihre Zulassung verweigern oder ihre Tätigkeit suspendieren könne!!" Später kommt das Zirkular auf den Baseler Kongreß zurück, der „die Befugnisse des Generalrats entstellt" hätte. Alle diese Widersprüche des Zirkulars der Sechzehn laufen auf folgendes hinaus: Die Konferenz von 1871 ist für die Beschlüsse des Baseler Kongresses von 1869 verantwortlich, und der Generalrat ist schuldig, die Statuten eingehalten zu haben, die ihm die Durchführung der Kongreßbeschlüsse auferlegen. In Wirklichkeit ist der wahre Beweggrund aller dieser Angriffe gegen die Konferenz intimerer Natur. Mit ihren Resolutionen hatte sie zunächst die praktischen Intrigen der Allianzleute in der Schweiz durchkreuzt. Überdies hatten die Anführer der Allianz in Italien, in Spanien, in einem Teil der Schweiz und Belgiens mit einer bewundernswerten Hartnäckigkeit eine vorsätzliche Verwirrung zwischen dem Gelegenheitsprogramm Bakunins und dem Programm der Internationalen Arbeiterassoziation geschaffen und aufrechterhalten. Die Konferenz hat mit ihren beiden Resolutionen über die proletarische Politik und über die sektiererischen Sektionen dieses vorsätzliche Mißverständnis klar umrissen. Die erste Resolution, die mit der in Bakunins Programm gepredigten politischen Abstention abrechnet, ist durch ihre auf die Allgemeinen Statuten, auf den Beschluß des Lausanner Kongresses und andere Präzedenzfälle gestützten Erwägungen vollauf gerechtfertigt.* Gehen wir jetzt zu den sektiererischen Sektionen über: Die erste Phase in dem Kampfe des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist durch die Sektenbewegung bezeichnet. Diese ist berechtigt zu einer Zeit,
* Hier folgt die Resolution der Konferenz über die „Politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse" t15l: „ In Erwägung, daß es im Eingang der Statuten heißt: ,Die ökonomischeEmanzipation der Arbeiterklasse ist der große Endzweck, dem jede politische Bewegung unterzuordnen ist als Mittel'; daß die Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation (1864) besagt: ,Die Herren des Grund und Bodens und die Herren des Kapitals werden ihre politischen Vorrechte stets ausbeuten zur Verteidigung und Verewigung ihrer ökonomischen Monopole. So weit davon entfernt, die politische Emanzipation der Arbeiter zu fördern, werden sie fortfahren, ihr jedes mögliche Hindernis in den Weg zu legen... Die Eroberung der politischen Macht ist daher zur großen Pflicht der Arbeiterklasse geworden';
in der das Proletariat sich noch nicht hinreichend entwickelt hat, um als Klasse zu handeln. Vereinzelte Denker unterwerfen die sozialen Gegensätze einer Kritik und geben zugleich eine phantastische Lösung derselben, welche die Masse der Arbeiter nur anzunehmen, zu verbreiten und praktisch ins Werk zu setzen braucht. Es liegt schon in der Natur dieser durch die Initiative einzelner gebildeten Sekten, daß sie sich jeder wirklichen Tätigkeit, der Politik, den Streiks, Gewerksgenossenschaften, mit einem Worte jeder Gesamtbewegung gegenüber fremd und abgeschlossen verhalten. Die Masse des Proletariats bleibt stets ihrer Propaganda gegenüber gleichgültig, ja selbst feindlich. Die Arbeiter von Paris und Lyon wollten ebensowenig von den Saint-Simonisten, Fourieristen, Ikariern wissen, wie die englischen Chartisten und Trade-Unionis ten von den Owenisten .DieSekten, im Anfange
daß der Kongreß von Lausanne (1867) erklärt hat: ,Die soziale Emanzipation der Arbeiter ist untrennbar von ihrer politischen Emanzipation'; daß die Erklärung des Generalrats über das angebliche Komplott der französischen Internationalen am Vorabend des Plebiszits (1870) folgende Stelle enthält: ,Nach dem Wortlaut unsrer Statuten haben alle unsre Zweige in England, auf dem Kontinent und in Amerika unzweifelhaft die ausdrückliche Aufgabe, nicht nur Mittelpunkte für die streitbare Organisation der Arbeiterklasse zu bilden, sondern in ihren bezüglichen Ländern ebenfalls jede politische Bewegung zu unterstützen, die zur Erreichung unsers Endziels dient, - der ökonomischen Emanzipation der Arbeiterklasse'; daß falsche Ubersetzungen der Originalstatuten Mißdeutungen veranlaßt haben, die der Entwicklung und der Wirksamkeit der Internationalen Arbeiterassoziation schädlich waren; in Anbetracht ferner, daß die Internationale einer zügellosen Reaktion gegenübersteht, welche jedes Emanzipationsstreben der Arbeiter schamlos niederdrückt und durch rohe Gewalt den Klassenunterschied und die darauf gegründete politische Herrschaft der besitzenden Klassen zu verewigen sucht; daß die Arbeiterklasse gegen diese Gesamtgewalt der besitzenden Klassen nur als Klasse handeln kann, indem sie sich selbst als besondere politische Partei konstituiert, im Gegensatz zu allen alten Parteibildungen der besitzenden Klassen; daß diese Konstituierung der Arbeiterklasse als politische Partei unerläßlich ist für den Triumph der sozialen Revolution und ihres Endziels - Abschaffung der Klassen; daß die Vereinigung der Einzelkräfte, welche die Arbeiterklasse bis zu einem gewissen Punkt bereits durch ihre ökonomischen Kämpfe hergestellt hat, auch als Hebel für ihren Kampf gegen die politische Gewalt ihrer Ausbeuter zu dienen hat, aus diesen Gründen erinnert die Konferenz alle Mitglieder der Internationalen: daß in dem streitenden Stand der Arbeiterklasse ihre ökonomische Bewegung und ihre politische Betätigung untrennbar verbunden sind."
3 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Hebel der Bewegung, werden ein Hindernis, sowie diese sie überholt; sie werden dann reaktionär; Beweis dafür sind die Sekten in Frankreich und England und letzthin die Lassalleaner in Deutschland, welche, nachdem sie jahrelang die Organisation des Proletariats gehemmt, schließlich einfache Polizeiwerkzeuge geworden sind. Kurz, sie stellen die Kindheit der Proletarierbewegung dar, wie die Astrologie und Alchimie die Kindheit der Wissenschaft. Damit die Gründung der Internationalen zur Möglichkeit wurde, mußte das Proletariat diese Entwicklungsstufe überschritten haben. Gegenüber den phantastischen und antagonistischen Sektenorganisationen ist die Internationale die wirkliche und streitende Organisation der Proletarierklasse in allen Ländern, verbunden unter sich in ihrem Kampfe gegen die Kapitalisten, die Grundeigentümer und ihre im Staate organisierte Klassenmacht. Daher kennen die Statuten der Internationale nur einfache „Arbeiter"-Gesellschaften, die sämtlich den gleichen Zweck verfolgen und dasselbe Programm annehmen, das sich darauf beschränkt, nur die großen Hauptzüge des Ganges der Arbeiterbewegung zu zeichnen, und ihre theoretische Ausarbeitung dem durch die Bedürfnisse des praktischen Kampfes gegebenen Anstoß und dem Gedankenaustausch innerhalb der Sektionen überläßt, wie denn die Internationale ohne Unterschied jede sozialistische Überzeugung in ihren Organen und auf ihren Kongressen zuläßt. Wie in jeder neuen historischen Phase die alten Irrtümer für einen Augenblick von neuem auftauchen, um bald danach wieder zu verschwinden, so hat auch die Internationale in ihrem Schöße sektiererische Sektionen entstehen sehen, wenn auch in einer kaum ausgeprägten Form. Die Allianz, die die Auferstehung der Sekten durchweg als einen ungeheuren Fortschritt ansieht, ist ein schlagender Beweis dafür, daß deren Zeit vorüber ist. Denn, während sie in ihren Ursprüngen Elemente des Fortschritts darstellten, stellt das Programm der am Gängelband eines „Mohammeds ohne Koran"1 trippelnden Allianz nur eine Anhäufung längst überwundener Ideen dar, die, in tönende Phrasen verhüllt, nur bürgerliche Idioten erschrecken oder den bonapartistischen oder anderen Staatsanwälten als Beweisstücke gegen die Internationalen dienen können.*
* Die Arbeiten der Polizei, die in der letzten Zeit über die Internationale veröffentlicht worden sind, das Rundschreiben von Jules Favre an die auswärtigen Mächte und der Bericht des Krautjunkers Sacaze über das Projekt von Dufaure nicht ausgenommen,
Die Konferenz, auf der Sozialisten aller Schattierungen vertreten waren, begrüßte einstimmig den Beschluß gegen die sektiererischen Sektionen in der Überzeugung, daß dieser Beschluß die Internationale auf den ihr gebührenden Platz zurückführt und eine neue Phase auf ihrem Wege bedeuten wird. Die Parteigänger der Allianz, die sich durch diese Resolution zu Tode getroffen fühlten, sahen darin nur einen Sieg des Generalrats über die Internationale, durch den, wie es ihr Zirkular sagt, das „spezielle Programm" einiger seiner Mitglieder zur „Herrschaft" gebracht wurde, „ihre persönliche Doktrin", „die orthodoxe Doktrin", „die offizielle Theorie, die in der Assoziation allein Bürgerrecht hat". Übrigens war das nicht Schuld dieser wenigen Mitglieder, sondern die notwendige Folge, „die verderbliche Wirkung" der Tatsache, daß sie Teil des Generalrats waren, denn
„es ist absolut unmöglich, daß ein Mensch, der über seinesgleichen Macht (!) hat, ein moralischer Mensch bleibt. Der Generalrat wird zu einem Herd von Intrigen."
Nach Meinung der Sechzehn konnte man den Allgemeinen Statuten schon dafür einen ernsten Vorwurf machen, daß sie dem Generalrat das Recht gegeben haben, sich durch neue Mitglieder zu ergänzen. Mit dieser Macht versehen, sagen sie,
„könnte der Generalrat sich nachträglich durch einen ganzen Personenkreis ergänzen, der seine Majorität und seine Zielrichtung vollständig verändert hätte".
Es scheint, daß für sie die bloße Tatsache der Zugehörigkeit eines Menschen zum Generalrat genügt, um nicht nur seine Moral zu zersetzen, sondern auch seinen gesunden Menschenverstand zu zerstören. Wie sollte man sonst annehmen, daß sich eine Mehrheit von selber durch freiwillige Kooptierungen in eine Minderheit verwandelt? Übrigens scheinen die Sechzehn selbst nicht recht davon überzeugt zu sein, denn etwas weiter beklagen sie sich, daß der Generalrat
„sich fünf Jahre hintereinander aus denselben, stets wiedergewählten Leuten zusammengesetzt"
habe, und unmittelbar darauf wiederholen sie:
„Die Mehrzahl unter ihnen sind nicht unsere ordentlichen Bevollmächtigten, da sie nicht von einem Kongreß gewählt worden sind."
wimmeln von Zitaten, die den pompösen Manifesten der Allianz entnommen sind.f68! Die Phraseologie dieser Sektierer, deren ganzer Radikalismus in den Worten liegt, dient aufs beste den Wünschen der Reaktion.
Tatsache ist, daß die Zusammensetzung des Generalrats ständig gewechselt hat, obgleich einige seiner Gründer darmgeblieben sind, wie in den Belgischen, Romanischen u.a. Föderalräten. Der Generalrat ist bei der Ausübung seines Auftrags drei wesentlichen Bedingungen unterworfen. Erstens braucht er einen ziemlich großen Personenkreis, um seine Arbeit in all ihrer Mannigfaltigkeit durchführen zu können; dann muß er sich „aus Arbeitern der verschiedenen, in der Internationalen Assoziation vertretenen Länder" zusammensetzen, und schließlich muß das proletarische Element überwiegen. Wie könnte denn der Generalrat, wo die für den Proletarier existierenden Erfordernisse der Arbeit eine ständige Ursache von Veränderungen in der personellen Zusammensetzung des Generalrats sind, diese unentbehrlichen Bedingungen erfüllen, ohne das Kooptionsrecht zu besitzen? Nichtsdestoweniger scheint dem Generalrat eine genauere Definition dieses Rechts notwendig, wie er ja auch den Wunsch danach auf der letzten Konferenz geäußert hat. Die Wiederwahl des Generalrats in seiner bisherigen Zusammensetzung durch die aufeinanderfolgenden Kongresse, auf denen England kaum vertreten war, dürfte beweisen, daß er seine Pflicht in den Grenzen seiner Möglichkeiten getan hat. Die Sechzehn hingegen sehen darin nur den Beweis des „blinden Vertrauens der Kongresse", eines Vertrauens, daß sich in Basel
„bis zu einer Art freiwilliger Abdankung zugunsten des Generalrats" gesteigert hätte. Nach ihnen soll „die normale Rolle" des Generalrats „die eines einfachen Büros für Korrespondenz und Statistik" sein. Sie belegen diese Definition mit mehreren aus einer falschen Übersetzung der Statuten entnommenen Artikel. I m Gegensatz zu den Statuten aller bürgerlichen Gesellschaften berühren die Allgemeinen Statuten der Internationale kaum ihre administrative Organisation. Deren Entwicklung überlassen sie der Praxis und ihre Regelung den künftigen Kongressen. Nichtsdestoweniger befassen sich die Statuten mehr mit dem Generalrat als mit anderen Teilen der Organisation, da nur die Einheit und die Gemeinsamkeit der Aktion den Sektionen in den verschiedenen Ländern einen klaren Charakter der Internationalität verleihen können. Der Artikel 5 der ursprünglichen Statuten1591 lautet: „Der Generalrat wird als internationaler Vermittler zwischen den verschiedenen nationalen und lokalen Gruppen fungieren"
und gibt dann einige Beispiele, in welcher Weise er vorgehen soll. Unter diesen Beispielen findet sich die Instruktion für den Rat, derart vorzugehen, „daß alle Gruppen der Assoziation, falls unmittelbares Handeln erforderlich wird, wie im Falle internationaler Konflikte, gleichzeitig und einheitlich handeln können". Der Artikel fährt fort: „Je nachdem er es für angebracht hält, wird der Generalrat die Initiative ergreifen und allen lokalen und nationalen Gesellschaften Vorschläge unterbreiten." Außerdem bestimmen die Statuten die Rolle des Rats bei der Einberufung und Vorbereitung der Kongresse und beauftragen ihn mit gewissen Arbeiten, die er diesen vorlegen muß. Die ursprünglichen Statuten stellen die spontane Aktion der Gruppen so wenig der Einheit der Aktion der Assoziation entgegen, daß Artikel 6 sagt: „Da die Arbeiterbewegung in jedem Lande nur durch die Kraft gesichert werden kann, die aus der Einigung und Verbindung erwächst; da andrerseits die Tätigkeit des Generalrats wirksamer sein wird..., müssen die Mitglieder der Internationale alles in ihren Kräften stehende tun, um die in ihren jeweiligen Ländern noch isolierten Arbeitergesellschaften in nationalen Assoziationen zu vereinigen, die durch Zentralorgane vertreten werden." Der erste Verwaltungsbeschluß des Genfer Kongresses (Art. 1)1601 lautet:
„Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen." Dieser Beschluß legalisierte die vom Generalrat von seinem Bestehen an eingenommene Position: die eines exekutiven Organs der Assoziation. Es dürfte schwierig sein, Aufträge ohne moralische „Autorität" auszuführen, wenn jede andere „freiwillig zuerkannte Autorität" fehlt. Der Genfer Kongreß beauftragte den Generalrat gleichzeitig, „den offiziellen und verbindlichen Text der Statuten" zu veröffentlichen. Derselbe Kongreß beschloß (Genfer Verwaltungsbeschluß, Art, 14):
„Jede Sektion hat das Recht, sich ihr Reglement und ihre besonderen Statuten je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen zu geben. Dieselben dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten und dem Allgemeinen Reglement Widersprechendes enthalten." Stellen wir zunächst fest, daß es hier weder die geringste Anspielung auf besondere Prinzipiendeklarationen gibt noch auf spezielle Missionen, die diese oder jene Sektion außerhalb des von allen Gruppen der Internationale verfolgten gemeinsamen Ziels auf sich nehmen könnte. Es handelt sich ganz
einfach um das Recht der Sektionen, die Allgemeinen Statuten und das Allgemeine Reglement „den Lokalumständen und Landesgesetzen" anzupassen. Zweitens, durch wen müßte die Übereinstimmung der besonderen Statuten mit den Allgemeinen Statuten festgestellt werden? Offensichtlich wäre der Beschluß, wenn es keine mit diesen Funktionen beauftragte „Autorität" gäbe, null und nichtig. Nicht genug damit, daß sich feindliche und Polizeisektionen bilden könnten, könnte auch das Eindringen deklassierter Sektierer und bürgerlicher Philanthropen in die Assoziation deren Charakter entstellen, auf den Kongressen durch ihre Anzahl die Arbeiter erdrücken. Von Anfang an nahmen sich die nationalen und lokalen Föderationen das Recht, in ihren jeweiligen Ländern neue Sektionen zuzulassen oder abzulehnen, je nachdem, ob deren Statuten mit den Allgemeinen Statuten übereinstimmten oder nicht. Die Ausübung der gleichen Funktion durch den Generalrat ist durch Artikel 6 der Allgemeinen Statuten vorgesehen, der den lokalen unabhängigen Gesellschaften, das heißt den Gesellschaften, die sich außerhalb der föderalen Verbindungen ihrer Länder konstituieren, das Recht läßt, sich mit ihm in direkte Verbindung zu setzen. Die Allianz verschmähte es nicht, von diesem Recht Gebrauch zu machen, um nach den bestehenden Bedingungen Vertreter zum Baseler Kongreß entsenden zu können. Artikel 6 der Statuten berücksichtigt auch die gesetzlichen Hindernisse, die sich der Bildung nationaler Föderationen in gewissen Ländern entgegenstellen, wo infolgedessen der Generalrat berufen ist, als Föderalrat zu fungieren. (Siehe „Proces-Verhaux du Congrks, etc., deLausanne, 1867", p. 13.t61!) Seit dem Fall der Kommune sind diese gesetzlichen Hindernisse in verschiedenen Ländern nur noch gewachsen und machen die Tätigkeit des Generalrats noch unerläßlicher, um verdächtige Elemente aus der Assoziation herauszuhalten. So haben kürzlich Komitees in Frankreich den Generalrat um sein Eingreifen gebeten, um sich der Polizeispitzel zu entledigen, und in einem anderen großen Lande1 haben die Internationalen gefordert, keine Sektion anzuerkennen, die nicht von ihren direkten Bevollmächtigten oder von ihnen selbst gegründet worden ist. Sie begründeten ihre Bitte mit der Notwendigkeit, auf diese Weise Agents provocateurs zu entfernen, deren glühender Eifer sich in der raschen Bildung von Sektionen kundtat, deren Radikalismus ohnegleichen war. Andererseits zögern sogenannte antiautoritäre Sektionen nicht, an den Generalrat zu appellieren,
sobald ein Streitfall in ihren Reihen auftaucht, um von ihm sogar noch zu fordern, daß er aus Leibeskräften auf ihre Gegner dreinschlage, wie das bei dem Lyoner Streitfall geschah. Erst vor kurzem, nach der Konferenz, entschloß sich die Arbeiterföderation von Turin, sich zur Sektion der Internationale zu erklären. Infolge einer Spaltung gründete die Minderheit die Gesellschaft Befreiung des Proletariers.1621 Sie schloß sich der Internationale an und begann mit einer Resolution zugunsten der Jurassier. Ihre Zeitung „II Proletario"1631 wimmelt von zornschnaubenden Phrasen gegen jeden Autoritarismus. Bei der Übersendung der Beiträge der Gesellschaft warnt ihr Sekretär1 den Generalrat, daß die alte Föderation wahrscheinlich auch ihre Beiträge schicken werde. Und er fährt dann fort:
„Wie Sie wahrscheinlich im .Proletario* gelesen haben, hat die Gesellschaft Befreiung des Proletariers... erklärt, ... jede Solidarität mit der Bourgeoisie abzulehnen, die unter der Maske von Arbeitern die Arbeiterföderation bildet",
und sie bittet den Generalrat,
„diesen Beschluß allen Sektionen mitzuteilen und die 10-Centimes-Beiträge zurückzuweisen, falls sie ihm geschickt würden" .*
Ebenso wie alle Gruppen der Internationale hat der Generalrat die Pflicht, Propaganda zu treiben. Er hat sie durch seine Manifeste und durch seine Bevollmächtigten erfüllt, die die ersten Bausteine der Internationale in Nordamerika, in Deutschland und in vielen Städten Frankreichs gesetzt haben. Eine andere Funktion des Generalrats besteht darin, die Streiks zu unterstützen, indem er ihnen die Hilfe der ganzen Internationale sichert (siehe die Berichte des Generalrats an die verschiedenen Kongresse). Unter anderem beweist die folgende Tatsache, von welchem Gewicht sein Eingreifen in den Streiks gewesen ist. Die Widerstandsgesellschaft der englischen Eisengießer ist an und für sich eine internationale Trade-Union, die in
* Solcherart waren zu dieser Zeit die scheinbaren Meinungen der Gesellschaft Befreiung des Proletariers, die von ihrem korrespondierenden Sekretär, einem Freund Bakunins, vertreten wurde. In Wirklichkeit waren die Tendenzen dieser Sektion ganz andere. Nachdem sie diesen zweifach ungetreuen Vertreter wegen Unterschlagung von Geldmitteln und wegen seiner freundschaftlichen Beziehungen zum Polizeichef von Turin ausgeschlossen hatte, gab diese Gesellschaft Aufklärungen, die jedes Mißverständnis zwischen ihr und dem Generalrat verschwinden ließen.
anderen Ländern Zweigorganisationen besitzt, namentlich auch in den Vereinigten Staaten. Nichtsdestoweniger hielten die amerikanischen Gießer bei einem Streik es für notwendig, die Fürsprache des Generalrats anzurufen, um zu verhindern, daß englische Gießer in ihr Land geholt wurden. Die Entwicklung der Internationale hat dem Generalrat wie auch den Föderalräten die Funktion eines Schiedsrichters auferlegt. Der Brüsseler Kongreß beschloß:
„Die Föderalräte sind verpflichtet, dem Generalrat alle drei Monate einen Bericht über die Verwaltung und den finanziellen Stand ihres Gebiets zu schicken" (Verwaltungsbeschluß Nr.3I64]). Schließlich tat der Baseler Kongreß, der die gallige Wut der Sechzehn erregt, nichts anderes, als die administrativen Verbindungen, die sich aus der Entwicklung der Assoziation ergaben, in Regeln zusammenzufassen. Wenn er die Grenzen der Befugnisse des Generalrats übermäßig ausdehnte, wer hat daran schuld, wenn nicht Bakunin, Schwitzguebel, F.Robert, Guillaume und andere Delegierte der Allianz, die es mit großem Geschrei gefordert haben? Sollten sie sich vielleicht wegen „blinden Vertrauens" in dem Londoner Generalrat anklagen? Hier sind zwei der Resolutionen des Baseler Kongresses:
„IV. Jede neue Sektion oder Gesellschaft, die sich bildet und der Internationale beitreten will, muß sofort ihren Beitritt dem Generalrat anzeigen" und „V. Der Generalrat hat das Recht, jede neue Gesellschaft oder Gruppe aufzunehmen oder abzulehnen, vorbehaltlich der Berufung beim nächsten Kongreß."'361
Was unabhängige lokale Gesellschaften angeht, die sich außerhalb der föderalen Verbindungen bilden, so bestätigen diese Artikel nur die von Anfang an von der Internationale geübte Praxis, deren Beibehaltung für die Assoziation eine Frage von Leben oder Tod ist. Aber man ginge zu weit, wenn man die Praxis verallgemeinerte und unterschiedslos auf jede in Bildung begriffene Sektion oder Gesellschaft anwendete. Diese Artikel geben dem Generalrat tatsächlich das Recht, sich in das innere Leben der Föderationen einzumischen; aber in diesem Sinne sind sie vom Generalrat noch niemals angewandt worden. Er fordert die Sechzehn heraus, ihm einen einzigen Fall zu nennen, in dem er sich in die Angelegenheiten neuer Sektionen, die sich bestehenden Gruppen oder Föderationen anschließen wollten, eingemischt hätte. Die soeben von uns angeführten Resolutionen betreffen Sektionen, die sich gerade bilden; die folgenden Resolutionen betreffen schon anerkannte Sektionen:
„VI. Def Generalrat hat ebenfalls das Recht, eine Sektion der Internationale bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren." „VII. Wenn zwischen Gesellschaften oder Zweiggesellschaften einer nationalen Gruppe oder zwischen Gruppen verschiedener Nationalitäten Zwistigkeiten entstehen sollten, wird der Generalrat das Recht haben, über den Streitfall zu entscheiden, vorbehaltlich der Berufung beim nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet."
Diese beiden Artikel sind für extreme Fälle notwendig, wenn auch der Generalrat bisher niemals auf sie zurückgegriffen hat. Der weiter oben angeführte geschichtliche Abriß beweist, daß der Generalrat keine Sektion suspendiert und in Streitfällen nur als ein von beiden Parteien herbeigerufener Schiedsrichter fungiert hat. Wir kommen schließlich zu einer Funktion, die dem Generalrat die Erfordernisse des Kampfes auferlegt haben. Wie schmerzlich es auch für die Parteigänger der Allianz sein mag, so sieht sich der Generalrat schon allein durch die Hartnäckigkeit der Angriffe, denen er seitens aller Feinde der proletarischen Bewegung ausgesetzt ist, an die Spitze der Verteidiger der Internationalen Arbeiterassoziation gestellt.
V
Nachdem sie über die Internationale, so wie sie ist, ein Strafgericht gehalten haben, sagen uns die Sechzehn jetzt, wie sie sein müßte. Zunächst müßte der Generalrat nominell ein einfaches Büro für Korrespondenz und Statistik werden. Indem seine administrativen Funktionen aufhören, würde sich seine Korrespondenz notwendigerweise auf die Wiedergabe der in den Zeitungen der Assoziation bereits veröffentlichten Informationen beschränken. Das Korrespondenzbüro wäre damit überflüssig. Was die Statistik angeht, so ist das eine undurchführbare Arbeit, falls eine mächtige Organisation und besonders, wie es die ursprünglichen Statuten ausdrücklich sagen, eine gemeinsame Leitung fehlt. Oder, da dies alles stark nach „Autoritarismus" riecht, es würde vielleicht ein Büro geben, aber gewiß keine Statistik. Mit einem Wort, der Generalrat verschwindet. Dieselbe Logik erschlägt die Föderalräte, die lokalen Komitees und andere „autoritäre" Zentren. Bleiben allein die autonomen Sektionen. Welche Mission werden dann diese „autonomen Sektionen" haben, frei föderiert und glücklicherweise von jeder höherstehenden Macht befreit, „auch wenn diese höherstehende Macht von Arbeitern gewählt und konstituiert worden ist"?
Hier wird es notwendig, das Zirkular durch den Bericht des Jurassischen Föderalkomitees zu ergänzen, der dem Kongreß der Sechzehn vorgelegt worden ist.
„Um aus der Arbeiterklasse die wahre Vertreterin der neuen Interessen der Menschheit zu machen", muß ihre Organisation „von der Idee geleitet werden, die triumphieren soll. Diese Idee aus den Bedürfnissen unserer Epoche, den innersten Bestrebungen der Menschheit durch ein fortgesetztes Studium der Erscheinungen des sozialen Lebens herausläsen, diese Idee alsdann in das Innere unserer Arbeiterorganisationen eindringen lassen, das muß das Ziel sein", etc. Endlich muß man „inmitten unserer Arbeiterbevölkerung eine wahre sozialistische revolutionäre Schule gründen". So verwandeln sich die autonomen Arbeitersektionen mit einem Male in Schulen, deren Lehrer die Herren der Allianz sein werden. Sie lösen die Idee heraus durch „fortgesetzte Studien", die nicht die geringste Spur hinterlassen. Sie „lassen sie dann in das Innere unserer Arbeiterorganisationen eindringen". Für sie ist die Arbeiterklasse eine rohe Materie, ein Chaos, das, um Gestalt anzunehmen, die Eingebung ihres Heiligen Geistes nötig hat. All das ist nur eine Umschreibung des alten Programms der Allianz1651, das mit den Worten begann:
„Nachdem sich die sozialistische Minderheit der Friedens- und Freiheitsliga von dieser Liga getrennt hat", beabsichtigt sie, „eine neue Allianz der sozialistischen Demokratie..." zu gründen, „die sich als spezielle Mission das Studium der politischen und philosophischen Fragen... gestellt hat." Da haben wir die Idee, die sich daraus „herauslöst"I
„Ein solches Unternehmen... wird den aufrichtigen sozialistischen Demokraten Europas und Amerikas das Mittel geben, sich zu verständigen und ihre Ideen zu bekräftigen." *
* Die Männer der Allianz, die nicht davon ablassen, dem Generalrat die Einberufung einer internen Konferenz in einem Augenblick vorzuwerfen, in dem die Veranstaltung eines öffentlichen Kongresses der Gipfel des Verrats oder der Dummheit gewesen wäre; diese bedingungslosen Parteigänger des Skandals und der Öffentlichkeit um jeden Preis haben unter Mißachtung unserer Statuten im Schöße der Internationale eine richtiggehende Geheimgesellschaft organisiert, die gegen die Internationale selbst gerichtet ist mit dem Ziele, ihre Sektionen ohne deren Vorwissen unter die Hohepriesterschaft Bakunins zu stellen. Der Generalrat beabsichtigt, vom nächsten Kongreß eine Untersuchung über diese Geheimorganisation und ihre Anstifter in gewissen Ländern, zum Beispiel in Spanien, zu fordern.
Nach ihrem eigenen Eingeständnis hat sich also die Minderheit einer bürgerlichen Gesellschaft einige Zeit vor dem Baseler Kongreß nur deshalb in die Internationale eingeschlichen, um sich ihrer als Mittel zu bedienen, den Arbeitermassen gegenüber als Priester einer Geheimwissenschaft, einer Vier-Phrasen-Wissenschaft, aufzutreten, deren Gipfelpunkt „die ökonomische und soziale Gleichheit der Klassen" ist. Außer dieser „theoretischen Mission" hat die neue der Internationale vorgeschlagene Organisation auch ihre praktische Seite.
„Die künftige Gesellschaft", sagt das Zirkular der Sechzehn, „soll nichts anderes sein als die Verallgemeinerung der Organisation, die sich die Internationale wird geben sollen. Wir müssen daher dafür Sorge tragen, diese Organisation soweit wie möglich unserem Ideal anzunähern." „Wie will man es erreichen, daß eine gleiche und freie Gesellschaft aus einer autoritären Organisation hervorgeht? Das ist unmöglich. Die Internationale, Keim der künftigen menschlichen Gesellschaft, muß von jetzt an das getreue Ebenbild unserer Prinzipien von Freiheit und Föderation werden."'65' Mit anderen Worten, wie die Klöster des Mittelalters das Ebenbild des himmlischen Lebens repräsentierten, soll die Internationale das Ebenbild des neuen Jerusalems werden, dessen „Keim" die Allianz in ihrem Schöße trägt. Die Pariser Föderierten hätten keine Niederlage erlitten, wenn sie begriffen hätten, daß die Kommune „der Keim der künftigen menschlichen Gesellschaft" war, und sich jeder Disziplin und aller Waffen entledigt hätten, Dinge, die verschwinden müssen, sobald es keine Kriege mehr gibt. Aber um es ganz klarzumachen, daß nicht die Sechzehn trotz ihrer „fortgesetzten Studien" dieses hübsche Projekt der Desorganisation und Entwaffnung der Internationale in einem Augenblick ausgeheckt haben, wo sie um ihre Existenz kämpft, hat Bakunin soeben den Originaltext in seiner Denkschrift über die Organisation der Internationale veröffentlicht (siehe „Almanach du Peuple pour 1872", Geneve)'661.
VI
Lesen Sie jetzt den vom Jurassischen Komitee dem Kongreß der Sechzehn vorgelegten Bericht. „Diese Lektüre", sagt ihre offizielle Zeitung, die „Revolution Sociale" (16. November), „wird den genauen Maßstab dessen geben, was man an Ergebenheit und praktischem Intellekt von den Anhängern der Jurassischen Föderation erwarten kann."
Der Vortrag beginnt damit, daß er „diesen schrecklichen Ereignissen" dem Deutsch-Französischen Krieg und dem Bürgerkrieg in Frankreich einen „teilweise demoralisierenden Einfluß... auf die Lage der Sektionen der Internationale" zuschreibt. Wenn der Deutsch-Französische Krieg tatsächlich zur Desorganisation der Sektionen führen mußte, da durch ihn eine große Anzahl von Arbeitern in die beiden Armeen gepreßt wurde, so ist es nicht weniger wahr, daß der Sturz des Kaiserreichs und die offene Verkündung des Eroberungskrieges durch Bismarck einen leidenschaftlichen Kampf in Deutschland und England hervorriefen zwischen der Bourgeoisie, die für die Preußen Partei ergriff, und dem Proletariat, das mehr denn je seine internationalen Gefühle bekräftigte. Schon allein dadurch mußte die Internationale in diesen beiden Ländern an Boden gewinnen. In Amerika erzeugte dieselbe Tatsache eine Spaltung in der ungeheuer großen deutschen proletarischen Emigration, der internationalistische Teil trennte sich entschieden von dem chauvinistischen Teil. Andererseits hat die Errichtung der Pariser Kommune der äußeren Entwicklung der Internationale und der mutigen Verteidigung ihrer Prinzipien durch die Sektionen aller Nationalitäten einen bisher noch nie dagewesenen Aufschwung gegeben - ausgenommen indessen die Jurassier, deren Bericht wie folgt fortfährt: seit „dem Beginn des gigantischen Kampfes... drängt sich die Überlegung auf... die einen machen sich davon, um ihre Schwäche zu verbergen... Für viele ist diese Situation" (in ihren Reihen) „ein Zeichen des Verfalls", aber „es ist im Gegenteil... eine Situation, die geeignet ist, die Internationale Vollständig umzuwandeln1, nach ihrem Ebenbild. Man wird nach einer gründlicheren Prüfung einer so günstigen Situation diesen frommen Wunsch verstehen. Wenn wir die aufgelöste und seitdem durch die Sektion Malon ersetzte Allianz beiseite lassen, hatte das Komitee die Lage von zwanzig Sektionen zu beurteilen. Sieben von ihnen haben ihr ganz offen den Rücken zugewandt; hierüber sagt der Bericht folgendes:
„Die Sektion der Uhrgehäusemacher und diejenige der Graveure und Guillocheure von Biel haben niemals auf irgendeine der Mitteilungen, die wir an sie gerichtet hatten, geantwortet."
„Die Gewerksektionen von Neuchatel, ob es sich um Tischler, Uhrgehäusemacher oder Graveure und Guillocheure handelt, haben auf die Mitteilungen des Föderalkomitees keine Antwort gegeben."
„Wir konnten ferne Nachricht von der Sektion von Val de Ruz erhalten."
„Die Sektion der Graveure und Guillocheure von Locle hat auf die Mitteilungen des Föderalkomitees keine Antwort gegeben."
Das nennt sich freier Verkehr autonomer Sektionen mit ihrem Föderalkomitee. Eine andere Sektion, die
„der Graveure und Guillocheure des Distrikts von Courtelary ... konstituiert sich ... nach drei Jahren beharrlicher Ausdauer ... in diesem Augenblick ... als Widerstandsgesellschaft"
außerhalb der Internationale, was sie keineswegs daran hindert, sich durch zwei Delegierte auf dem Kongreß der Sechzehn vertreten zu lassen. Es kommen jetzt vier tote Sektionen:
„Die Zentralsektion von Biel ist augenblicklich zerfallen; eines ihrer ergebenen Mitglieder schrieb uns indessen kürzlich, daß nicht alle Hoffnung verloren wäre, die Internationale in Biel wiederauferstehen zu sehen." „Die Sektion von Saint-Blaise ist zerfallen." „Die Sektion von Catebat mußte nach einer glänzenden Existenz den Intrigen weichen, die von den Herren (!) dieser Ortschaft zwecks Auflösung dieser tapferen (!) Sektion angezettelt wurden." „Schließlich wurde auch die Sektion von Corgemont das Opfer herrschaftlicher Intrigen."
Es folgt dann die Zentralsektion des Distrikts Courtelary, die
„eine weise Maßnahme ergriff: sie suspendierte ihre Tätigkeit",
was sie nicht daran hinderte, zwei Delegierte zum Kongreß der Sechzehn zu entsenden. Jetzt folgen vier Sektionen von mehr als problematischer Existenz.
„Die Sektion von Grange ist auf einen kleinen Kern sozialistischer Arbeiter reduziert... Ihre lokale Tätigkeit ist durch ihre beschränkte Mitgliederzahl gelähmt."
„Die Zentralsektion von Neuchatel hatte beträchtlich unter den Ereignissen zu leiden, und wäre nicht die Ergebenheit und die Aktivität einiger ihrer Mitglieder, so wäre ihr Zusammenbruch gewiß gewesen."
„Die Zentralsektion von Locle, seit einigen Monaten zwischen Leben und Tod schwebend, hat sich schließlich aufgelöst. Vor kurzem hat sie sich neu konstituiert",
augenscheinlich zu dem einzigen Zweck, zwei Delegierte zu dem Kongreß der Sechzehn zu entsenden.
„Die Sektion sozialistischer Propaganda von La Chaux-de-Fonds befindet sich in einer kritischen Situation ... Ihre Lage, weit davon entfernt, sich zu verbessern, neigt eher dazu, sich zu verschlechtern." Es folgen zwei Sektionen, die Studienzirkel von Saint-Imier und von Sonvillier, die nur nebenbei erwähnt sind und über deren Zustand kein einziges Wort gesagt wird. Es bleibt die Mustersektion, die, ihrem Namen ZenfraZsektion nach zu urteilen, selbst nur der Überrest anderer, verschwundener Sektionen ist. „Die Zentralsektion von Moutier ist sicherlich diejenige, die am wenigsten gelitten hat... Ihr Komitee hat in dauernder Verbindung mit dem Föderalkomitee gestanden... Sektionen sind noch nicht gegründet worden..." Das wird so erklärt: „Die Tätigkeit der Sektion von Moutier ist ganz besonders begünstigt durch die ausgezeichnete Neigung der Arbeiterbevölkerung ... zu den Volkssitten; wir würden es gern sehen, wenn sich die Arbeiterklasse dieser Gegend noch unabhängiger von politischen Elementen machte." Tatsächlich, man sieht, daß dieser Bericht „den genauen Maßstab dessen gibt, was man an Ergebenheit und praktischem Intellekt von den Anhängern der Jurassischen Föderation erwarten kann". Sie hätten der Vollständigkeit halber hinzufügen können, daß die Arbeiter von La Chaux-de-Fonds, dem ursprünglichen Sitz ihres Komitees, stets jede Beziehung zu ihnen verschmäht haben. Erst kürzlich, in der Generalversammlung vom 18. Januar 1872, haben sie auf das Zirkular der Sechzehn durch einmütige Abstimmung geantwortet, indem sie die Beschlüsse der Londoner Konferenz und den Beschluß des romanischen Kongresses vom Mai 1871 bestätigten:
„die Bakunin, Guillaume und ihre Adepten für immer aus der Internationale auszuschließen". Muß man auch nur ein einziges Wort über den Wert dieses angeblichen Kongresses von Sonvillier hinzufügen, der es nach seinen eigenen Worten „zum Ausbruch des Krieges, des offenen Krieges im Schöße der Internationale" gebracht hat? Gewiß haben diese Leute, die um so mehr Lärm machen, je nichtiger sie sind, einen unbestreitbaren Erfolg gehabt. Die ganze liberale und Polizeipresse hat offen ihre Partei ergriffen; sie sind in ihren persönlichen Schmähungen gegen den Generalrat und in ihren kraftlosen Angriffen gegen die Internationale von den angeblichen Weltverbesserern aller Länder unterstützt worden - in England von den Bourgeois-Republikanern, deren
Intrigen der Generalrat vereitelte, in Italien von den dogmatischen Freidenkern , die unter der Fahne Stefanonis soeben eine Allgemeine Gesellschaft der Rationalisten mit ihrem obligatorischen Sitz in Rom gegründet haben, eine „autoritäre" und „hierarchische" Organisation mit atheistischen Mönchs-und Nonnenklöstern,in deren Statuten jedem bürgerlichen Stifter von zehntausend Franken eine im Kongreßsaal aufzustellende Marmorbüste zugesichert wird1671; endlich in Deutschland von den bismarckschen Sozialisten, welche außerhalb ihres Polizeiblatts, des „Neuen Social-Demokraten" [68!, die weißen Blusent69) des preußisch-deutschen Kaiserreichs darstellen. Das Konklave von Sonvillier fordert in einem pathetischen Appell von allen Sektionen der Internationale, auf der Dringlichkeit eines sofortigen Kongresses zu bestehen, „um", wie die Bürger Malon und Lefranfais sagen, „den fortgesetzten Amtsüberschreitungen des Londoner Rats ein Ende zu bereiten" - in Wirklichkeit, um die Allianz an die Stelle der Internationale zu setzen. Dieser Appell hat ein so ermutigendes Echo gefunden, daß sie sofort daran gehen mußten, eine Abstimmung des letzten belgischen Kongresses zu fälschen. Sie sagen in ihrem offiziellen Organ („Revolution Sociale" vom 4. Januar 1872):
„Schließlich, was noch wichtiger ist, haben sich die belgischen Sektionen auf dem Brüsseler Kongreß am 24. und 25. Dezember versammelt und einmütig einer Resolution zugestimmt, die mit jener des Kongresses von Sonvillier identisch ist, nämlich der über die Dringlichkeit der Einberufung eines allgemeinen Kongresses." Es ist wichtig festzustellen, daß der belgische Kongreß genau für das Gegenteil gestimmt hat. Er hat den nächsten belgischen Kongreß, der erst im Juni stattfinden wird, beauftragt, einen Entwurf der neuen Allgemeinen Statuten auszuarbeiten, um ihn dem nächsten Kongreß der Internationale vorzulegen.1701 In Übereinstimmung mit der ungeheuren Mehrheit der Internationale wird der Generalrat den Jahreskongreß erst für September 1872 einberufen.
VII
Einige Wochen nach der Konferenz kamen die Herren Albert Richard und Gaspard Blanc, die einflußreichsten und glühendsten Mitglieder der Allianz nach London mit dem Auftrag, unter den französischen Flüchtlingen Bundesgenossen zu werben, die bereit wären, für die Restauration des Kaiserreichs zu wirken, dem nach ihrer Ansicht einzigen Mittel, sich Thiers'
zu entledigen und nicht mit leerem Beutel dazustehen. Der Generalrat unterrichtete die daran Interessierten, darunter auch den Brüsseler Föderalrat, von ihren bonapartistischen Umtrieben. Im Januar 1872 warfen sie die Maske ab und veröffentlichten die Broschüre: „L'Empire et la France nouvelle. Appel du peuple et de la jeunesse ä la conscience fran^aise"1, von Albert Richard und Gaspard Blaxic, Brüssel 1872. Mit der gewöhnlichen Bescheidenheit der Scharlatane der Allianz preisen sie sich folgendermaßen an:
„Wir, die wir die große Armee des französischen Proletariats gebildet hatten, ... wir, die einflußreichsten Führer der Internationalen in Frankreich *,... wir sind glücklicherweise nicht erschossen worden, und wir sind da, um angesichts jener (der ehrgeizigen Parlamentsredner, der Volluianstigen Republikaner, der angeblichen Demokraten jeder Gattung) die Fahne aufzupflanzen, in deren Schatten wir kämpfen, und um dem erstaunten Europa trotz der Verleumdungen, trotz der Drohungen, trotz der Angriffe
* Unter der Überschrift „An den Pranger!" sagt die (Genfer) „Egalite" vom 15. Februar 1872 folgendes: „Der Tag ist noch nicht gekommen, um die Geschichte der Niederlage der Kommune-Bewegung in Südfrankreich zu schreiben; aber schon heute können wir, die wir größtenteils Zeugen der bedauerlichen Niederlage des Aufstands vom 30. April in Lyon waren, erklären, daß dieser Aufstand zu einem Teil infolge der Feigheit, des Verrats und der Diebstähle von G. Blanc scheiterte, der sich überall einschlich und die Befehle des sich im Schatten haltenden A. Richards ausführte. Durch ihre vorsätzlichen Manöver war es diesen Elenden gelungen, mehrere Personen aus der Zahl jener zu kompromittieren, die an den Vorbereitungsarbeiten des Aufstandskomitees teilgenommen hatten. Überdies war es den Verrätern geglückt, die Internationale in Lyon in solchem Maße zu diskreditieren, daß im Augenblick der Pariser Revolution die Internationale den Lyoner Arbeitern das größte Mißtrauen einflößte. Daher jegliches Fehlen einer Organisation; daher die Niederlage des Aufstands, eine Niederlage, die notwendigerweise den Fall der Kommune, die in ihrer Isolierung den eigenen Kräften überlassen blieb, nach sich ziehen mußte! Erst nach dieser blutigen Lektion vermochte es unsere Propaganda, die Arbeiter Lyons wieder um die Fahne der Internationale zu scharen. Albert Richard ist das Lieblingskind des Propheten Bakunin und Konsorten gewesen."
1 „Das Kaiserreich und das neue Frankreich. Appell des Volkes und der Jugend an das französische Gewissen"
jeder Art, die uns erwarten, jenen Ruf entgegenzuschleudern, der aus der Tiefe unseres Gewissens kommt und bald in den Herzen aller Franzosen widerhallen wird: ,VIVE L'EMPEREUR!'1 Napoleon III., verhöhnt und angespien, muß glänzend rehabilitiert werden", und die Herren Albert Richard und Gaspard Blanc, die aus den Geheimfonds der III. Invasion bezahlt werden, sind besonders mit dieser Rehabilitierung beauftragt. Übrigens gestehen sie: „Es ist die logische Weiterentwicklung unserer Ideen, die uns zu Anhängern des Kaiserreichs gemacht hat." Das ist ein Geständnis, das ihre Glaubensgenossen von der Allianz angenehm berühren muß. Wie in den schönen Tagen der „Solidarite" leiern A. Richard und G. Blanc ihre alten Phrasen von der „politischen Abstention" her, die nach Angaben ihrer „logischen Weiterentwicklung" nur unter dem absolutesten Despotismus Wirklichkeit werden kann, wenn sich die Arbeiter ebenso jeder Einmischung in die Politik enthalten, wie sich der Gefangene jedes Spaziergangs bei Sonnenschein enthält.
„Die Zeit der Revolutionäre", sagen sie, „ist vorüber ... der Kommunismus ist nach Deutschland und nach England, besonders aber nach Deutschland, verbannt. Dort übrigens ist er schon seit langem ernsthaft ausgearbeitet worden, um sich dann in der ganzen Internationale auszubreiten, und dieses beunruhigende Fortschreiten des deutschen Einflusses in der Assoziation hat nicht wenig dazu beigetragen, deren Entwicklung aufzuhalten, oder vielmehr, ihr einen neuen Kurs in den Sektionen im Zentrum und Süden Frankreichs zu geben, die niemals von irgendeinem Deutschen eine Parole übernommen haben." Glaubt man nicht, den obersten Hierophanten2 selbst zu hören, der von der Gründung der Allianz an in seiner Eigenschaft als Russe sich die spezielle Mission zuschrieb, die lateinischen Rassen zu vertreten; oder gar „die wahren Missionare" der „Revolution Sociale" (2.November 1871), die „den Rückwärtsgang" anprangern, „den die deutschen und bismarckschen Gehirne der Internationale aufzuzwingen sich bemühen"? Aber glücklicherweise ist die wahre Tradition nicht verlorengegangen und die Herren Albert Richard und Gaspard Blanc sind nicht erschossen worden! Auch ihre „Arbeit" besteht nach ihnen darin, daß sie der Internationale im Zentrum und Süden Frankreichs „einen neuen Kurs geben", indem sie versuchen, bonapartis-tische Sektionen zu gründen, die schon allein dadurch dem Wesen nach „autonom" sind.
1 ,Es lebe der Kaiser!' - 2 Michail Bakunin
4 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Was die von der Londoner Konferenz empfohlene Konstituierung des Proletariats als politische Partei anbelangt, „so werden wir" - Richard und Blanc
„nach der Restauration des Kaiserreichs damit rasch fertig, nicht nur mit den sozialistischen Theorien, sondern auch mit dem Beginn der Verwirklichung, die sie durch die revolutionäre Organisation der Massen erfahren". Mit einem Wort, unter Ausnutzung des großen „Prinzips der Autonomie der Sektionen", das „die wahre Macht der Internationale ausmacht... besonders in den Ländern lateinischer Rasse" („Revolution Sociale" vom 4. Januar), spekulieren diese Herren auf die Anarchie in der Internationale. Die Anarchie, das ist das große Paradepferd ihres Meisters Bakunin, der von allen sozialistischen Systemen nur die Aufschriften genommen hat. Alle Sozialisten verstehen unter Anarchie dieses: Ist einmal das Ziel der proletarischen Bewegung, die Abschaffung der Klassen erreicht, so verschwindet die Gewalt des Staates, welche dazu dient, die große produzierende Mehrheit unter dem Joche einer wenig zahlreichen ausbeutenden Minderheit zu halten, und die Regierungsfunktionen verwandeln sich in einfache Verwaltungsfunktionen. Die Allianz greift die Sache am umgekehrten Ende an. Sie proklamiert die Anarchie in den Reihen der Proletarier als das unfehlbarste Mittel, die gewaltigen, in den Händen der Ausbeuter konzentrierten gesellschaftlichen und politischen Machtmittel zu brechen. Unter diesem Vorwande verlangt sie von der Internationalen in demselben Augenblick, wo die alte Welt sie zu vernichten sucht, daß sie ihre Organisation durch die Anarchie ersetze. Die internationale Polizei verlangt auch nichts weiter, um die Republik Thiers' zu verewigen, indem sie sie mit dem Kaisermantel bedeckt.*
* In dem Bericht über das Gesetz von Dufaure rückt der Krautjunker Sacaze vor allem der „Organisation" der Internationale zu Leibe. Diese Organisation ist für ihn das rote Tuch. Nachdem er „die aufsteigende Bewegung dieser furchtbaren Organisation" festgestellt hat, fährt er fort: „Diese Assoziation weist ... die dunklen Praktiken der Sekten, die ihr vorangegangen sind, zurück. Ihre Organisation entstand und veränderte sich am lichten Tage. Dank der Kraft dieser Organisation ... hat sie allmählich ihre Aktions- und Einflußsphäre ausgedehnt. Sie erschließt sich alle Territorien." Dann beschreibt er „die Organisation insgesamt" und schließt: „Derart ist, in ihrer weisen Einheitlichkeit ... der Plan dieser umfassenden Organisation. Ihre Kraft liegt in dieser Konzeption selbst. Sie beruht auch auf der Masse ihrer Anhänger, die an eine gleichzeitige Aktion gebunden sind und schließlich in dem unbesiegbaren Trieb, der sie in Bewegung setzen kann." [71J
Der Generalrat: R.Applegarth, Antoine Arnaud, M.J.Boon, F.Bradnick, G.H.Buttery, F. Cournet, Delahaye, Eugene Dupont, W.Haies, Hurliman, Jules Johannard, Harrtet Law, F.Leßner, Lochner, Marguerite, Constant Martin, Z. Maurice, Henry Mayo, George Milner, Charles Murray, Pfänder, Vitale Regis, J.Rozwadowshi, John Roach, Rühl, G.Ranvier, Sadler, Cowell Stepney, Alf.Taylor, W.Townshend, Ed.Vaillant, John Weston,F.J. Yarrow
Korrespondierende Sekretäre: Karl Marx, Deutschland und Rußland; Leo Frankel, Österreich und Ungarn; A. Herman, Belgien; Th. Mottershead, Dänemark; J.G. Eccarius, Vereinigte Staaten; Le Moussu, französische Sektionen der Vereinigten Staaten; Aug.Serraillier, Frankreich; Charles Rochat, Holland; J.P.Mac Donnel, Irland; Fried. Engels, Italien und Spanien; Walery Wröhlewski, Polen; H.Jung, Schweiz
Charles Longuet, Präsident der Sitzung Hermann Jung, Schatzmeister John Haies, Generalsekretär
33, Rathbone Place, W. London, den 5.März 1872
Karl Marx
Beschlüsse des Generalrats über die Spaltung in der Föderation der Vereinigten Staaten, angenommen in seinen Sitzungen vom 5. und 12. März 1872[72]
[„Der Volksstaat" Nr. 37 vom 8. Mai 1872]
I Die zwei Föderalräte Artikel I. In Erwägung, daß Zentralräte nur zu dem Zwecke eingesetzt werden, um in jedem Lande der Arbeiterbewegung die Macht der Einheit und Verbindung zu sichern (siehe Art.7 der Generalstatuten1531); daß daher das Bestehen von zwei nebenbuhlerischen Zentralräten für dieselbe Föderation eine offene Verletzung der Generalstatuten ist; fordert der Generalrat beide Föderalräte auf, sich wieder zu Vereinigen1 und als ein und derselbe provisorische Föderalrat zu handeln bis zum Zusammentritt eines amerikanischen allgemeinen Kongresses. Artikel II. In Erwägung, daß die Wirksamkeit des provisorischen Föderalrats wesentlich beeinträchtigt würde, wenn er zu viel Mitglieder enthielte, welche erst ganz kürzlich der Internationalen Arbeiterassoziation beigetreten sind; empfiehlt der Generalrat, daß solche neugebildete, an Zahl schwache Sektionen sich untereinander verbinden zur Ernennung einiger wenigen, gemeinsamen Delegaten.
II Allgemeiner Kongreß der Vereinigten-Staaten-Föderation
Artikel I. Der Generalrat empfiehlt die Einberufung eines allgemeinen Kongresses von Abgeordneten der Sektionen und verbündeten Vereine der Vereinigten Staaten zum I.Juli 1872.
1 In „Woodhull & Claflin's Weekly": fordert der Generalrat beide Föderairäte in New York auf, sich zu vereinigen
Artikel II. Diesem Kongreß gebührt die Ernennung des Föderalrats für die Vereinigten Staaten. Er mag, wenn angemessen, den so ernannten Föderalrat ermächtigen, sich durch eine gewisse beschränkte Zahl von Mitgliedern zu ergänzen. Artikel III. Derselbe Kongreß hat die alleinige Befugnis, die Nebengesetze und Regeln für die Organisation der Internationalen Arbeiterassoziation in den Vereinigten Staaten festzulegen, aber solche Nebengesetze und Regeln dürfen nichts enthalten im Widerspruch mit den Generalstatuten und Regeln der Assoziation (Verwalt.-Regeln V, 1).
III Sektionen1
Artikel I. In Erwägung, daß Sektion Nr. 12 zu New York nicht nur einen förmlichen Beschluß gefaßt hat, laut welchem „jede Sektion das unabhängige Vorrecht" besitzt, nach ihrem Belieben „die Verhandlungen der verschiedenen Kongresse und die Generalstatuten und Regeln" zu deuten, sondern auch überdies vollständig im Einklang mit diesem Grundsatz gehandelt hat, welcher, wenn allgemein beobachtet, von der Internationalen Arbeiterassoziation nichts als den Namen übrig lassen würde; daß dieselbe Sektion nicht aufgehört hat, die Internationale Arbeiterassoziation zum Werkzeug und Träger von Zwecken zu machen, die den Zielen und der Aufgabe der Internationalen Arbeiterassoziation teils fremd, teils entgegengesetzt sind; aus diesen Gründen betrachtet es der Generalrat als seine Pflicht, den Verwaltungsbeschluß VI des Basler Kongresses1361 in Kraft zu setzen und Sektion Nr. 12 zu suspendieren bis zum Zusammentritt des nächsten allgemeinen Kongresses der Internationalen Arbeiterassoziation, welcher im September 1872 stattfinden wird. Artikel II. In Erwägung, daß die Internationale Arbeiterassoziation laut Generalstatuten ausschließlich aus „Arbeitergesellschaften" bestehen soll (siehe Artikel 1, 7 und 11 der Generalstatuten); daß demgemäß Artikel 9 der Generalstatuten, lautend: „Jedermann, der die Grundsätze der Internationalen Arbeiterassoziation anerkennt und ver
1 In „Woodhull & Claflin's Weekly": XII. Sektion
teidigt, kann Mitglied werden", obgleich er den tätigen Anhängern der Internationalen, welche nicht Arbeiter sind1, das Recht entweder persönlicher Mitgliedschaft oder der Zulassung zu Arbeitersektionen erteilt, doch keineswegs zur Bildung von Sektionen berechtigt, welche ausschließlich oder vorzugsweise aus nicht der Arbeiterklasse angehörigen Mitgliedern bestehen; daß dieser selben Ursache wegen der Generalrat vor einigen Monaten verhindert war, eine aus Studenten bestehende slawische Sektion anzuerkennen[73J; daß laut Generalstatuten V, 1 die Generalstatuten und Regeln „den örtlichen Verhältnissen" jedes Landes anzupassen sind; daß die gesellschaftlichen Zustände der Vereinigten Staaten, obgleich in vielen andern Punkten dem Erfolg der Arbeiterbewegung äußerst günstig, ganz besonders das Eindrängen von Scheinreformern, bürgerlichen Quacksalbern und politischen Schacherern in die Internationale Arbeiterassoziation erleichtern; aus diesen Gründen empfiehlt der Generalrat, daß in Zukunft keine neuen2 amerikanischen Sektionen aufgenommen Werden, welche nicht Wenigstens zu zwei Dritteln aus Lohnarbeitern bestehen. Artikel III. Der Generalrat lenkt die Aufmerksamkeit der amerikanischen Föderation auf Beschluß II, 3 der Londoner Konferenz, mit Bezug auf „sektiererische Sektionen"3 oder „gesonderte Körper", welche vorgeben, „eigne besondere Sendungen und Aufgaben zu erfüllen", unterschieden und getrennt von dem gemeinsamen Ziele der Assoziation, nämlich: „den Mann der Arbeit von der wirtschaftlichen Unterwerfung unter den Monopolisten (Aneigner) der Arbeitsmittel zu befreien", welche (Unterwerfung) „der Knechtschaft in jeder Form, allem gesellschaftlichen Elend, der geistigen Erniedrigung und der politischen Abhängigkeit zugrunde liegt". (Siehe Einleitung der Generalstatuten.)
Geschrieben um den 5. März 1872.
1 In „Woodhull& Claflin's Weekly" fehlt: welche nicht Arbeiter sind — 2 in „Woodhull & Claflin's Weekly" fehlt: neuen - 3 in „Woodhull & Claflin's Weekly": eine Sektion oder Sektionen (statt: „sektiererische Sektionen")
Karl Marx [An den Redakteur der „Liberte"1741 ]
[„La Liberte" Nr. 11 vom 17. März 1872]
London, 12. März 1872
Herr Redakteur, In dem Buch des Bürgers G. Lefran$ais „Über die kommunalistische Bewegung"[751, in das ich erst vor einigen Tagen Einsicht genommen habe, fand ich auf Seite 92 folgenden Absatz:
„Der später an den Bürger Serraillier geschriebene Brief von Karl Marx, dem Hauptinspirator der deutschen Sektion der Internationale, über die Wahlen vom 8. Februar, in dem er mit einer gewissen Bitterkeit die Teilnahme der französischen Sektion an diesen Wahlen kritisiert, bezeugt zur Genüge - ob zu Unrecht oder zu Recht daß die Internationale damals wenig geneigt war, sich aktiv in die Politik einzumischen." Unmittelbar nach der Veröffentlichung meines sogenannten Briefes an Serraillier habe ich in der „Times", im „Courrier de l'Europe", in der Berliner „Zukunft" etc. erklärt, daß dieser Brief ein Erzeugnis des „ParisJournal" ist. Serraillier entlarvte seinerseits öffentlich einen Polizei-Journalisten als wahren Verfasser dieses Briefes. Da fast alle Organe der Internationale und sogar einige Pariser Zeitungen unsere Erklärungen veröffentlicht haben1761, bin ich wahrlich erstaunt zu sehen, daß der Bürger Lefranfais die von Henri de Pene fabrizierte Zeitungslüge übernimmt.
Ich verbleibe, mein Herr, Ihr sehr ergebener Karl Marx
Aus dem Französischen.
Karl Marx
Resolutionen der Feier zu Ehren des Jahrestags der Pariser Kommune1771
Die Versammlung zu Ehren des Jahrestags des 18. März 1871 hat folgende Resolutionen angenommen:
I
Sie betrachtet die ruhmreiche Bewegung des 18.März als Morgenröte der großen sozialen Revolution, die die Menschen für immer vom Klassenregime befreien wird.
II
Sie erklärt, daß die Torheiten und die Verbrechen der bürgerlichen Klassen, die sich in ganz Europa in ihrem Haß gegen die Arbeiter verbündet haben, die alte Gesellschaft, welches auch immer ihre Regierungsformen sein mögen, ob monarchische oder republikanische, zum Tode verurteilt haben.
III
Sie verkündet, daß der Kreuzzug aller Regierungen gegen die Internationale und die Terrormaßnahmen der Mörder von Versailles wie auch ihrer preußischen Sieger die Nichtigkeit ihrer Erfolge bezeugen und bestätigen, daß die drohende Armee des Weltproletariats hinter seiner durch die vereinten Kräfte Thiers' und Wilhelms zerschlagenen heroischen Avantgarde steht.
Geschrieben zwischen dem 13. und 18. März 1872. Nach der Handschrift von Marx' Tochter Jenny. Aus dem Französischen.
Friedrich Engels
An den Spanischen Föderalrat
Wir haben Euer Schreiben vom 15.März erhalten und danken für den detaillierten Bericht über den gegenwärtigen Zustand unserer Assoziation in Spanien, der unter den Verhältnissen, in denen wir leben, sehr befriedigend ist. Wir werden das Wichtigste aus dem Inhalt dieses Berichts veröffentlichen und ein Schreiben an den Kongreß in Saragossa richten sowie später ein Telegramm1. Das Telegramm wird im Namen des Generalrats und des Englischen Föderalrats abgehen. Was Frankreich anbelangt, so besteht auf Grund des Gesetzes von Dufaure gegen die Internationale keinerlei Möglichkeit, einen Föderalrat aufrechtzuerhalten; wir werden aber nach Paris schreiben, damit Euch die Section Ferre[7SI ein Schreiben für den Kongreß schickt; es wird keine Namensunterschriften tragen, aber wenn Ihr es Section Ferre gezeichnet erhaltet, so ist es in Ordnung. In Deutschland haben die letzten Prozesse die Assoziation vorübergehend desorganisiert, und wie Ihr wißt, sind Liebknecht und Bebel zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden in der Hauptsache wegen der Angelegenheiten der Internationale ; ein Telegramm von dort würde daher im Augenblick unangebracht sein; dennoch haben wir Euer Schreiben nach Deutschland gesandt. In bezug auf die Beitragsmarken gibt es keinerlei Schwierigkeiten. Fordert soviel Marken an, wie Ihr zu benötigen glaubt und überweist uns die Beiträge oder den Teil der Beiträge, den Ihr vor dem 1. Juli erhalten habt, dann könnt Ihr uns zwei oder drei Wochen vor dem allgemeinen Kongreß den Rest zukommen lassen mit den Marken, die Ihr nicht benötigt habt. Wir haben eine große Menge vorrätig, und es hätte nichts zu bedeuten, wenn Eure Delegierte beim Kongreß uns einige Tausend zurückgäben. Gestern abend war Jung, der Schatzmeister, nicht zum Generalrat erschienen; ich habe ihm die Quittung geschickt, damit er sie unterschreibt;
sobald ich sie zurückerhalte, werde ich sie Euch zuschicken, desgleichen den Brief an den Kongreß in Saragossa. Wir hoffen, daß Ihr dem Regionalkongreß die Resolutionen der Londoner Konferenz zur Bestätigung vorlegen werdet; diese Resolutionen sind bis jetzt durch die Deutsche, Romanische, Deutsch-Schweizerische (Zürich), Englische, Holländische und Amerikanische Föderation sowie die französische und irische Sektion anerkannt worden.
Geschrieben am 27. März 1872Nach der Handschrift. Aus dem Spanischen,
Karl Marx Uber die Nationalisierung des Grund und Bodens1791
Das Eigentum an Grund und Boden...1, diese ursprüngliche Quelle allen Reichtums, ist das große Problem geworden, von dessen Lösung die Zukunft der Arbeiterklasse abhängt. Ohne hier alle Argumente diskutieren zu wollen, die von den Verteidigern des Privateigentums an Grund und Boden - Juristen, Philosophen und politischen Ökonomen - vorgebracht werden, werden wir zunächst nur feststellen, daß sie das ursprüngliche Faktum der Eroberung unter dem Mantel des „Naturrechts" verbergen. Wenn die Eroberung ein Naturrecht der wenigen schuf, dann brauchen die vielen nur genügend Kraft zu sammeln, um das Naturrecht auf Rückeroberung dessen zu erlangen, was ihnen genommen worden ist. Im Verlauf der Geschichte versuchen die Eroberer vermittels der von ihnen selbst erlassenen Gesetze, ihrem ursprünglich der Gewalt entstammenden Besitzrecht eine gewisse gesellschaftliche Bestätigung2 zu geben. Zum Schluß kommt der Philosoph und erklärt, diese Gesetze besäßen die allgemeine Zustimmung der Gesellschaft®. Gründete sich das Privateigentum an Grund und Boden tatsächlich auf solch eine allgemeine Zustimmung, so wäre es offensichtlich in dem Augenblick aufgehoben, wo es von der Mehrheit einer Gesellschaft nicht mehr anerkannt wird. Lassen wir indessen die sogenannten „Rechte" des Eigentums beiseite, so stellen wir fest, daß die ökonomische Entwicklung der Gesellschaft, das Wachstum und die Konzentration der Bevölkerung, die4 Notwendigkeit der
1 Im „International Herald" ohne Auslassungspunkte - 2 im „International Herald": Beständigkeit - 3 im „International Herald": Menschheit — 4 im „International Herald" lautet der folgende Teil des Satzes: Umstände, die den kapitalistischen Farmer dazu zwingen, zur kollektiven und organisierten Arbeit überzugehen und zur Maschinerie und anderen Erfindungen Zuflucht zu nehmen, die Nationalisierung des Grund und Bodens immer mehr zu einer „gesellschaftlichen Notwendigkeit" machen werden, wogegen kein Gerede über Eigentumsrechte aufkommen kann
kollektiven und organisierten Arbeit sowie die Maschinerie und andere Erfindungen für die Landwirtschaft, die Nationalisierung des Grund und Bodens zu einer „gesellschaftlichen Notwendigkeit" machen, wogegen kein Gerede über Eigentumsrechte aufkommen kann. Änderungen, die von einer gesellschaftlichen Notwendigkeit diktiert werden, bahnen sich früher oder später ihren Weg; wenn sie zu einem dringenden Bedürfnis der Gesellschaft geworden sind, müssen sie befriedigt werden, und die Gesetzgebung wird immer gezwungen sein, sich ihnen anzupassen. Was wir brauchen, ist eine tägliche Steigerung der Produktion, deren Erfordernisse nicht befriedigt werden können, wenn es einigen wenigen Individuen erlaubt ist, sie nach ihren Launen und privaten Interessen zu regeln oder aus Unwissenheit die Kräfte des Bodens zu erschöpfen. Sämtliche modernen Methoden wie Bewässerung, Entwässerung, Anwendung des Dampfpflugs, chemische Bearbeitung etc. müßten endlich1 in der Landwirtschaft Eingang finden. Aber die wissenschaftlichen Kenntnisse, die wir besitzen, und die technischen Mittel der Landbearbeitung, die wir beherrschen, wie Maschinerie etc., können wir nie erfolgreich anwenden, wenn wir nicht einen Teil des Bodens in großem Maßstab bearbeiten. Wenn die Bearbeitung des Bodens in großem Maßstab - sogar in seiner jetzigen kapitalistischen Form, die den Produzenten zum bloßen Arbeitstier herabwürdigt - zu Ergebnissen führt, die2 denen der Bearbeitung kleiner und zersplitterter Flächen weit überlegen sind, würde sie dann nicht, in nationalem Maßstab angewendet, der Produktion zweifellos einen ungeheuren Impuls geben? Die ständig wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung einerseits, das dauernde Steigen der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse andererseits liefern den unbestreitbaren Beweis, daß die Nationalisierung des Grund und Bodens zu einer „gesellschaftlichen Notwendigkeit" geworden ist. Der Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion, der seine Ursache im individuellen Mißbrauch hat, wird unmöglich, sobald die Bodenbearbeitung unter der Kontrolle, auf Kosten3 und zum Nutzen der Nation durchgeführt wird.4
1 Im „International Herald": im großen - 2 im „International Herald" eingefügt: vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen - 3 im „International Herald" fehlt: auf Kosten 4 im „International Herald" hinzugefügt: „Alle Bürger, die ich hier im Verlaufe der Debatte über diese Frage hörte, verteidigten die Nationalisierung des Grund und Bodens, aber sie äußerten sehr verschiedene Ansichten darüber." (Dieser Satz stammt anscheinend von Dupont.)
Es ist oft auf Frankreich hingewiesen worden, aber mit seinen bäuerlichen Eigentumsverhältnissen ist es weiter von der Nationalisierung des Grund und Bodens entfernt als England mit seiner Großgrundbesitzerwirtschaft. In Frankreich ist zwar der Grund und Boden allen zugänglich, die ihn kaufen können, aber gerade diese Möglichkeit führte zur Aufteilung des Grund und Bodens in kleine Parzellen, die von Menschen bearbeitet werden, welche nur über spärliche Mittel verfügen und vornehmlich auf ihre eigene körperliche Arbeit und die ihrer Familien angewiesen sind. Diese Form des Grundeigentums mit seiner Bearbeitung zersplitterter Flächen schließt nicht nur jede Anwendung moderner landwirtschaftlicher Verbesserungen aus, sondern macht zugleich den Landmann selbst zum entschiedensten Feind jeden gesellschaftlichen Fortschritts und vor allem der Nationalisierung des Grund und Bodens. Gefesselt an den Boden, an den er alle seine Lebenskraft wenden muß, um einen verhältnismäßig kleinen Ertrag zu erzielen; gezwungen, den größeren Teil seiner Erzeugnisse in Form von Steuern dem Staat, in Form von Gerichtskosten dem Juristenklüngel und in Form von Zinsen dem Wucherer abzutreten; in völliger Unkenntnis der gesellschaftlichen Bewegung außerhalb seines engen Tätigkeitsfeldes - hängt er trotzdem mit blinder Liebe an seinem Stückchen Erde und seinem bloß nominellen Besitzrecht. Dadurch ist der französische Bauer in einen höchst verhängnisvollen Gegensatz zur Industriearbeiterklasse gedrängt worden. Eben weil die bäuerlichen Eigentumsverhältnisse das größte Hindernis für die „Nationalisierung des Grund und Bodens" sind, ist Frankreich in seinem jetzigen Zustand gewiß nicht der Ort, wo wir eine Lösung dieses großen Problems suchen müssen. Die Nationalisierung des Bodens und seine Verpachtung in kleinen Parzellen an Einzelpersonen oder an Arbeitergenossenschaften würde unter einer bürgerlichen Regierung nur eine rücksichtslose Konkurrenz unter ihnen auslösen und eine gewisse Steigerung der „Rente" mit sich bringen und dadurch den Aneignern neue Möglichkeiten bieten, auf Kosten der Produzenten zu leben. Auf dem Internationalen Kongreß in Brüssel 1868 sagte einer meiner Freunde:
„Das kleine Privateigentum hat der Urteilsspruch der Wissenschaft zum Untergang verdammt, das große die Gerechtigkeit. Es bleibt also nur eine Alternative. Der Boden muß entweder das Eigentum von landwirtschaftlichen Assoziationen werden oder das Eigentum der gesamten Nation. Die Zukunft wird diese Frage entscheiden." M
Ich hingegen sage: Die Zukunft1 wird entscheiden, daß der Boden nur nationales Eigentum sein kann. Das Land an assoziierte Landarbeiter zu übergeben, würde heißen, die ganze Gesellschaft einer besonderen Klasse von Produzenten auszuliefern. Die Nationalisierung des Grund und Bodens wird eine vollkommene Änderung in den Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital mit sich bringen und schließlich die gesamte kapitalistische Produktion beseitigen, sowohl in der Industrie wie in der Landwirtschaft. Nur dann werden die Klassenunterschiede und Privilegien verschwinden, zusammen mit der ökonomischen Basis, der sie entspringen, und die Gesellschaft wird in eine Assoziation freier „Produzenten" verwandelt werden. Von anderer Leute Arbeit zu leben wird eine Angelegenheit der Vergangenheit sein! Dann wird es weder eine Regierung noch einen Staat geben, die im Gegensatz zur Gesellschaft selbst stehen! Landwirtschaft, Bergbau, Industrie, mit einem Wort alle Zweige der Produktion werden allmählich auf die nutzbringendste Art organisiert werden. Die nationale Zentralisation der Produktionsmittel wird die natürliche2 Basis einer Gesellschaft werden, die sich aus Assoziationen freier und gleichgestellter, nach einem gemeinsamen und rationellen Plan bewußt tätiger Produzenten zusammensetzt. Das ist das3 Ziel, welchem die große ökonomische Bewegung des 19. Jahrhunderts zustrebt.
Geschrieben März bis April 1868. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Im „International Herald": Die soziale Bewegung - 2 im „International Herald": nationale -3 im „International Herald" eingefügt: die Interessen der Menschheit umfassende
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Friedrich Engels
An die Bürger Delegierten des spanischen Landeskongresses in Saragossa1811
[„La Emancipacion" Nr. 44 vom 13. April 1872]
London, 3. April 1872
Bürger! Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation hat mich beauftragt, Euch meine Glückwünsche für die Abhaltung des zweiten spanischen Landeskongresses darzubringen. In der Tat: Ihr könnt Euch zu den Resultaten, die Ihr in so kurzer Zeit erreicht habt, beglückwünschen. Die Internationale, seit kaum 3 Jahren in Spanien heimisch geworden, bedeckt in diesem Augenblick das ganze Land mit ihren Sektionen und Föderationen, hat sich in allen Städten eingerichtet, und dringt augenblicklich in die ländlichen Ortschaften ein. Dank Eurer Tätigkeit und dank den unsinnigen, stupiden Verfolgungen seitens der in Eurem Lande aufeinanderfolgenden Regierungen konntet Ihr diese großen Resultate erreichen und es dahin bringen, daß sich die Internationale in eine Macht verwandelt hat. Vergessen wir aber auch nicht, daß diese Resultate nur durch die besondere Verfassung unserer Assoziation möglich sind, - eine Verfassung, welche jeder Landes- oder Lokalföderation ihre vollständige Aktionsfreiheit läßt und auf die Zentralorgane nur den Grad von Macht überträgt, welcher unbedingt nötig ist, um sie in die Lage zu versetzen, sowohl über die Einheitlichkeit des Programms zu wachen als auch die Gemeininteressen zu
wahren und zu verhindern, daß die Internationale Arbeiterassoziation sich zu einem Spielball der Bourgeois- und Polizei-Intrigen verwandle.1 Es ist wahrscheinlich, daß das Maß der Verfolgungen, welche Ihr zu erdulden habt, noch nicht voll ist. Erinnert Euch, wenn dieser Fall eintrifft, daß es andere Länder gibt, wie Frankreich, Deutschland, Osterreich, Ungarn, wo die Internationalen ärgere Verfolgungen erleiden und wo sie gleichwohl nicht die Stirn beugen, da sie gleich Euch wissen, daß die Verfolgungen die besten Mittel zur Propaganda für unsere Assoziation sind und daß es auf der Erde keine Gewalt gibt, die mächtig genug wäre, die revolutionäre Bewegung, die aus dem modernen Proletariat immer neu entsteht, zu unterdrücken. Um die Internationale zu zerstören, müßte man den Boden, der sie freiwillig erzeugt hat, d.h. die moderne Gesellschaft zerstören. Brüderlichen Gruß Im Auftrag des Generalrats Der Sekretär für Spanien: Friedrich Engels
Aus dem Spanischen.
1 In dem Entwurf des Briefes folgt weiter: „Nie könnte eine bürgerliche Assoziation unter solchen Bedingungen bestehen; es war das größte Verdienst des modernen Proletariats, für den gemeinsamen Kampf die Assoziation zu schaffen, die alle zivilisierten Länder umfaßt und dennoch keinesfalls die Autonomie jeder einzelnen Föderation verletzt.'
Friedrich Engels
[An den Kongreß von Saragossa]
[„La Emancipacion" Nr. 44 vom 13. April 1872]
Telegramm
London, 6. April [1872] Der Generalrat und der Englische Föderalrat grüßen den Kongreß von Saragossa.
Es lebe die Befreiung des Proletariats!
Engels
Aus dem Spanischen.
5 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Karl Marx
[Erklärung des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation zum Auftreten Cochranes im Unterhaus1821]
Die Heldentaten der Versailler Krautjunker-Versammlung und der Spanischen Cortes, die darauf abzielten, die Internationale zu vernichten, weckten so recht in den Herzen der Vertreter der oberen Zehntausend im britischen Unterhaus den edlen Geist des Nacheiferns. So lenkte am 12. April 1872 Herr B. Cochrane, einer der repräsentativsten Männer, soweit es den Intellekt der oberen Klassen betrifft, die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Worte und Taten dieser schrecklichen Gesellschaft. Da er ein Mensch ist, der vom Lesen nicht viel hält, bereitete er sich auf seine Aufgabe durch eine Inspektionsreise vor, die er im vergangenen Herbst zu einigen der kontinentalen Hauptquartiere der Internationale unternahm, und nach seiner Rückkehr verschaffte er sich eiligst durch einen Brief an die „Times" so was wie einen einstweiligen Schutz seiner Priorität auf dies Thema. Seine Rede im Parlament verrät, was bei jedem anderen Menschen als bewußte und vorbedachte Ignoranz des Gegenstandes, über den er spricht, betrachtet würde. Bis auf eine Ausnahme sind ihm die vielen offiziellen Veröffentlichungen der Internationale unbekannt; an ihrer Stelle zitiert er einen Mischmasch von Auszügen aus unbedeutenden Veröffentlichungen privater Individuen in der Schweiz, für die die Internationale als Körperschaft ebensowenig verantwortlich ist, wie das britische Kabinett für die Rede des Herrn Cochrane. Dieser Rede zufolge
„befand sich die große Mehrheit derjenigen, die der Gesellschaft in England beitraten - ihre Zahl betrug 180 000 in völliger Unkenntnis der Prinzipien, die man zu verwirklichen trachtete und die man vor ihnen sorgfältig verborgen hielt, als sie ihren Beitritt erklärten" E83l. Nun sind die Prinzipien, die die Internationale verwirklichen will, in der Präambel zu den Allgemeinen Statuten niedergelegt, und Herr Cochrane schwebt in glücklicher Unkenntnis der Tatsache, daß niemand der
Assoziation beitreten kann, ohne diese Prinzipien ausdrücklich anzuerkennen. Und dann heißt es,
„die Assoziation wurde ursprünglich auf den Prinzipien der Trade-Unions gegründet und erhielt damals keinen politischen Charakter". Nun trägt nicht nur die Präambel zu den ursprünglichen Allgemeinen Statuten einen betont politischen Charakter, sondern die politischen Tendenzen der Assoziation sind ausführlich in der Inauguraladresse dargelegt, die 1864 gleichzeitig mit diesen Statuten veröffentlicht worden ist.1841 Eine andere erstaunliche Entdeckung ist die, daß Bakunin „beauftragt" worden sei, im Namen der Internationale auf die Angriffe Mazzinis zu antworten, was einfach eine Unwahrheit ist. Nach einem Zitat aus der Broschüre Bakunins1851 fährt Herr Cochrane fort:
„Wir mögen über solch bombastischen Unsinn lächeln, doch als diese Schriftstücke von London ausgingen" (von wo sie nicht ausgingen), „war es da verwunderlich, daß ausländische Regierungen in Unruhe gerieten?" Und ist es da verwunderlich, daß Herr Cochrane zu ihrem Wortführer in England wird? Eine weitere Anschuldigung besteht darin, daß die Internationale gerade mit der Herausgabe einer „Zeitung" in London begonnen habe, was ebenfalls eine Unwahrheit ist. Möge sich jedoch Herr Cochrane damit trösten, daß die Internationale eine große Anzahl eigener Organe in Europa und Amerika und in den Sprachen fast aller zivilisierter Länder besitzt. Doch der Kern der ganzen Rede ist in folgendem enthalten:
„Er sollte in der Lage sein zu zeigen, daß die Kommune und die Internationale Assoziation in Wirklichkeit eins sind und daß die sich in London befindliche" (?) „Internationale Gesellschaft der Kommune den Befehl gegeben habe, Paris niederzubrennen und den Erzbischof dieser Stadt zu ermorden."
Und nun die Beweise: Eugene Dupont stellte als Vorsitzender des Brüsseler Kongresses im September 1868 wahrheitsgemäß fest, daß die Internationale nach einer sozialen Revolution strebe. Und welches ist das geheime Kettenglied zwischen dieser Feststellung Eugene Duponts von 1868 und den Taten der Kommune von 1871? Daß
„Eugene Dupont erst vergangene Woche in Paris verhaftet wurde, wohin er sich von hier auf geheimem Wege begeben hatte. Nun, dieser Herr Eugene Dupont war Mitglied der Kommune und ebenso Mitglied der Internationalen Gesellschaft." Zum Unglück für diese äußerst zwingende Art der Beweisführung war A[nthime] Dupont, das Mitglied der Kommune, das in Paris verhaftet
worden war, nicht Mitglied der Internationale und E[ugene] Dupont, das Mitglied der Internationale, war nicht Mitglied der Kommune. Der zweite Beweis ist, daß Bakunin sagte,
„als der Kongreß zu Genf im Juli 1869 unter seinem Vorsitz zusammentrat: ,Die Internationale erklärt sich als atheistisch.'" Nun fand aber in Genf im Juli 1869 niemals ein internationaler Kongreß statt; Bakunin hatte nie den Vorsitz auf irgendeinem internationalen Kongreß und war nie beauftragt worden, im Namen desselben Erklärungen abzugeben. Dritter Beweis: Die „Volksstimme"[86J, das Organ der Internationale in Wien, schrieb:
„Obwohl die rote Fahne das Symbol weltweiter Liebe ist, mögen sich unsere Feinde davor hüten, daß sie sie nicht in ein Symbol weltweiten Terrors verwandeln." Mehr als das, die gleiche Zeitung stellte wiederholt in ihren Worten fest, daß der Londoner Generalrat tatsächlich der Generalrat der Internationale, das heißt, ihr delegiertes zentrales Verwaltungsorgan sei. Vierter Beweis: Auf einer der französischen Gerichtsverhandlungen gegen die Internationale machte sich Tolain über die Behauptung des Staatsanwalts lustig, daß
„es für den Präsidenten der Internationale" (den es nicht gibt) „genügte, seinen Finger zu erheben, um sich die ganze Welt Untertan zu machen". Das verworrene Gehirn des Herrn Cochrane macht aus Tolains Verneinung eine Bestätigung. Fünfter Beweis: Die Adresse des Generalrats über den Bürgerkrieg in Frankreich, aus der Herr Cochrane die Stelle zitiert, die die Repressalien gegen die Geiseln und die Anwendung von Feuer als unter diesen Umständen notwendige Kriegsmaßnahmen rechtfertigt. Da Herr Cochrane die durch die Versailler begangenen Massaker gutheißt, sollten wir nun daraus schließen, daß er sie befohlen hatte, obgleich er sicherlich keiner Mordtat an irgend etwas schuldig ist, es sei denn an Wild? Sechster Beweis:
„Vor dem Brand von Paris fand eine Zusammenkunft zwischen den Führern der Internationale und der Kommune statt." Dies ist genauso wahr, wie der Bericht, der kürzlich in der italienischen Presse zirkulierte und der besagte, daß der Generalrat der Internationale seinen so aufrichtig und innig geliebten Alexander Baillie Cochrane auf eine Inspektionsreise nach dem Kontinent entsandt hätte, der über das Gedeihen der Organisation äußerst zufriedenstellende Berichte gäbe und feststellte, daß sie 17 Millionen Mitglieder zähle. Abschließender Beweis:
„ In dem Dekret der Kommune, das die Zerstörung der Säule auf der Place Vendome anordnete, ist die Zustimmung der Internationale kundgetan." Nichts dergleichen wird in dem Dekret gesagt, obwohl die Kommune zweifellos wußte, daß die ganze Internationale in aller Welt diesem Beschluß ihre Zustimmung geben würde. So sieht also laut „Times" der unwiderlegbare Beweis für die Behauptungen Cochranes aus, daß auf direkte Anweisung des Londoner Generalrats der Internationale der Erzbischof von Paris1 getötet und Paris in Flammen gesetzt wurde. Vergleicht man seinen zusammenhanglosen Wortschwall mit dem Bericht des Herrn Sacaze in Versailles über das Gesetz gegen die Internationale, und man wird den noch immer bestehenden Abstand zwischen einem französischen Krautjunker und einem britischen Dogberry verstehen lernen. Von Herrn Cochranes fidus Achates2, Herrn Eastwick, sollten wir mit Dante sagen: „Sieh ihn an und geh weiter", aber da ist seine unsinnige Behauptung, daß die Internationale verantwortlich sei für „Le Pere Duchene" [871 des Herrn Vermersch, den der gebildete Herr Cochrane Vermuth nennt. Ist es ein reines Vergnügen, einen Gegner wie Herrn Cochrane zu haben, so ist es ein schmerzliches Unglück, sich der Gönnerschaft des Herrn Fawcett, soweit man sie so nennen kann, unterziehen zu müssen. Wenn er auch kühn genug ist, die Internationale gegen Gewaltmaßnahmen zu verteidigen, die die britische Regierung zwar nicht ergreifen wird, weil sie es weder wagt noch daran sehr interessiert ist, so besitzt er gleichzeitig jenes Pflichtgefühl und jenen hohen moralischen Mut, die ihn nötigen, über die Internationale sein höchstes professorales Verdammungsurteil zu fällen. Unglücklicherweise sind die angeblichen Lehren der Internationale, die er angreift, nichts als Erfindungen seines armen Gehirns.
„Der Staat", so sagt er, „sollte dies und das tun und Geld für die Ausführung aller Projekte der Internationale auftreiben. Der erste Punkt des Programms lautete, daß der Staat den ganzen Grund und Boden sowie alle Produktionsinstrumente aufkaufen und an das Volk zu einem gerechten und angemessenen Preis verpachten sollte." Was den Aufkauf des Grund und Bodens durch den Staat unter gewissen Bedingungen und seine Verpachtung an das Volk zu einem gerechten und angemessenen Preis betrifft, so möge sich Herr Fawcett mit seinem theoretischen Lehrer Herrn John Stuart Mill und seinem politischen Chef Herrn John Bright einigen. Der zweite Punkt „schlägt vor, daß der Staat
1 Georges Darboy — 2 treuen Gefährten
die Arbeitszeit regulieren sollte". Das geschichtliche Studium unseres Professors erstrahlt hell, wenn er die Internationale zum Autor der britischen Fabrik- und Werkstättengesetze macht, und seine wirtschaftliche Tüchtigkeit zeigt sich gleich günstig in seiner Wertschätzung dieser Gesetze. Dritter Punkt: „Daß der Staat unentgeltliche Erziehung ermöglichen sollte." Was sind solche allgemein bekannten Tatsachen, wie das Bestehen unentgeltlicher Erziehung in den Vereinigten Staaten und in der Schweiz und ihre wohltätigen Ergebnisse im Vergleich mit den düsteren Prophezeiungen des Professor Fawcett? Vierter Punkt:
„Daß der Staat an Genossenschaften Kapital verleihen sollte." Hier gibt es einen kleinen Irrtum; Herr Fawcett verwechselt die Prinzipien der Internationale mit den Forderungen Lassalles, der vor der Gründung der Internationale starb. Er war es, der den Präzedenzfall der Staatsanleihe beschwor, die sich die britischen Großgrundbesitzer unter dem Vorwand landwirtschaftlicher Verbesserungen und vermittels des Parlaments so großzügig selbst gewährt hatten. Fünfter Punkt:
„Um den Dingen die Krone aufzusetzen, wurde vorgeschlagen, daß die gesamten Einkünfte des Landes durch eine gestaffelte Eigentumssteuer aufgebracht werden sollten." Es ist gar zu arg, die Forderungen des Herrn Robert Gladstone und seiner Liverpooler bürgerlichen Finanzreformatoren zur „Krone" der Internationale zu machen! Dieser große Vertreter der politischen Ökonomie, Herr Fawcett, dessen Anspruch auf wissenschaftlichen Ruhm ausschließlich darauf beruht, daß er Herrn John Stuart Mills Kompendium der politischen Ökonomie für Schulkinder vulgarisierte, gesteht, daß „die vor 25 Jahren mit Zuversicht gemachten Voraussagen" (der Freihändler) „durch Tatsachen widerlegt worden wären". Gleichzeitig glaubt er an seine Fähigkeit, er könne die gigantische proletarische Bewegung unserer Tage beschwichtigen, indem er immer wieder und in einer immer mehr verwässerten Form dieselben abgestandenen Phrasen wiederholt, durch die diese falschen Voraussagen vor 25 Jahren gestützt wurden. Es ist zu hoffen, daß seine geheuchelte Verteidigung der Internationale, die in Wirklichkeit eine demütige Entschuldigung für seine früheren vorgeblichen Sympathien mit den arbeitenden Klassen darstellt, die Augen der englischen Arbeiter öffnen wird, die noch immer von dem
Sentimentalismus beeindruckt sind, unter dem Herr Fawcett bisher seine wissenschaftliche Nichtigkeit zu verbergen suchte. Wenn nun Herr B. Cochrane den politischen Intellekt und Herr Fawcett die ökonomische Wissenschaft des britischen Unterhauses repräsentiert, wie steht dann dieser „angenehmste aller Londoner Klubs" im Vergleich mit dem amerikanischen Repräsentantenhaus da, das am 13. Dezember 1871 ein Gesetz über die Errichtung eines arbeitsstatistischen Büros1881 annahm und erklärte, daß dieses Gesetz auf ausdrücklichen Wunsch der Internationalen Arbeiterassoziation angenommen worden sei, was das Haus als eine der bedeutendsten Tatsachen der Gegenwart ansähe?
Der Generalrat:
R. Applegarth, A. Arnaud, M. Barry, M.J. Boon, F. Bradnick, G.H. Buttery, F. Cournet, P. Delahaye, Eugene Dupont, W.Haies, Hurliman, Jules Johannard, C.Keen, Harriet Lato, F.Leßner, Lochner, C.Longuet, Marguerite, C. Martin, Zevy Maurice, H. Mayo, G. Milner, Ch. Murray, Pfänder, J. Rozwadowski, V. Regis, J. Roach, Riihl, G. Ranvier, Sadler, Couiell Stepney, A.Taylor, W.Totonshend, E.Vaillant, J.Weston, De Wolfers, F.], Yarroto
Korrespondierende Sekretäre:
Leo Frankel, für Osterreich und Ungarn; A. Herman, Belgien; T. Mottershead, Dänemark; A. Serraillier, Frankreich: Karl Marx, Deutschland und Rußland; C.Rochat, Holland; J. P. Mac Donnel, Irland; F.Engels, Italien und Spanien; Walery WrohletDski, PolenHermann Jung, Schweiz; J. G. Eccarius, Vereinigte Staaten; Le Moussu, für die französischen Sektionen in den Vereinigten Staaten J. Haies, Generalsekretär
London, 17. April 1872
Geschrieben zwischen 13. und 16. April 1872. Nach dem Flugblatt. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels An die Arbeitergesellschaft von Ferrara[89]
Bürger! In Erwiderung Eures freundlichen Schreibens vom 3. März danke ich Euch im Namen des Generalrats für Euren Beitritt zur Internationalen Arbeiterassoziation; zu gleicher Zeit muß ich Euch mitteilen, daß der Rat, bevor er diesen akzeptiert, einer Erklärung über den Sinn des Vorbehaltes bezüglich Eurer „Autonomie" bedarf. Wenn sich eine Vereinigung bildet, ist es vor allem notwendig, Statuten und Verwaltungsverordnungen festzulegen, so wie Ihr selber welche habt und wie sie auch die Internationale besitzt. Vielleicht kennt Ihr letztere nicht und deshalb lege ich Euch hier ein Exemplar in Französisch bei. Habt die Freundlichkeit, sie Eurer Gesellschaft vorzulegen und falls Ihr ihnen zustimmt, es mir mitzuteilen. Diese Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen sind die einzigen Gesetze, die unsere Assoziation besitzt und die Eure Autonomie beschränken könnten. Ihr werdet jedoch von selbst verstehen, daß es in der Internationale nicht zweierlei Sorten von Sektionen geben kann: die eine, die die gemeinsamen Gesetze anerkennt und die andere, die sie ablehnt1. Ich hoffe indes, daß es für Euch keine Schwierigkeit geben wird, diesen Gesetzen beizupflichten, die das Werk der Arbeiter ganz Europas sind, ein Werk, das auf ihren jährlichen Kongressen im Laufe von sieben Jahren geschaffen worden ist und von allen anerkannt wird. Die Verwaltungsverordnungen, Abschnitt V, Art. 1 besagen: „Jede Sektion hat das Recht, sich Sonderstatuten für ihre lokale Verwaltung, je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen zu geben." Diese Statuten und Verwaltungsverordnungen dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten
1 Im Briefentwurf folgt durchgestrichen: und ihre Autonomie bewahrt
und Verwaltungsverordnungen Widersprechendes enthalten.1 Die Verwaltungsverordnungen, Abschnitt II, Art. 5 übertragen dem Generalrat die Verantwortung für die Zulassung oder Ablehnung jeder neuen Sektion, erteilen ihm die Aufgabe, festzustellen, ob die Statuten und Verwaltungsverordnungen dieser neuen Sektionen mit diesem Artikel übereinstimmen; ich bitte Euch daher, dem Rat ein Exemplar Eurer Statuten zu übersenden, damit er diese Formalität erledigen kann.
Geschrieben am 16. April 1872. Nach dem Briefentwurf. Aus dem Italienischen,
1 Im Briefentwurf folgt durchgestrichen: Da Italien bis jetzt noch keinen regulären Föderalrat besitzt, bleibt dem Generalrat die Verpflichtung, die Statuten und Verwaltungsverordnungen der italienischen Sektionen zu überprüfen.
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Friedrich Engels
Briefe aus London1901
I [Der Streik der englischen Landarbeiter]
[„La Plebe" Nr. 48 vom 24. April 1872]
London, 20. April [1872] Die Arbeiterbewegung in England hat in diesen letzten Tagen einen gewaltigen Fortschritt gemacht: sie hat unter den Landarbeitern Fuß gefaßt und zwar gründlich. Es ist bekannt, daß in Großbritannien der ganze Boden einer sehr beschränkten Zahl von Großgrundbesitzern gehört, von denen die ärmsten an Pacht Jahresrenten von 100 000 Lire und die reichsten von vielen Millionen beziehen. Der Marquis von Westminster erfreut sich einer Jahresrente von mehr als zehn Millionen. Die Ländereien sind in große Stücke aufgeteilt, die von wenigen Landleuten mit Hilfe von Maschinen für Rechnung des Großpächters bearbeitet werden. Es gibt dort keine Kleinbauern; die Zahl der Landarbeiter, die im Verhältnis zur Bodenfläche, die sie bebauen, schon gering ist, vermindert sich infolge der Einführung neuer Maschinen von Jahr zu Jahr; die englischen Landarbeiter, unwissend, Sklaven der Scholle wie noch nie zuvor, aber zugleich Opfer der Konkurrenz, bilden deshalb die am schlechtesten bezahlte Klasse der Bevölkerung. Mehrere Male haben sie sich gegen ihr hartes Los erhoben; 1831 brannten sie in Südengland die Heu- und Getreideschober der Pächter nieder[91]; vor einigen Jahren geschah dasselbe in der Grafschaft York; von Zeit zu Zeit wurden Versuche unter
nommen, unter ihnen Widerstands verbände zu gründen, doch ohne ernsthaftes Ergebnis. Die gegenwärtige Bewegung aber hat in wenigen Wochen einen Umfang angenommen, der ihr einen unermeßlichen Erfolg sichert. Diese Bewegung begann unter den Landarbeitern der Grafschaft Warwick, die eine Lohnerhöhung von 11 oder 12 Shilling (13 oder 14 Francs) die Woche auf 16 Shilling (19 Francs) verlangten und, um sich durchzusetzen, einen Widerstandsverband bildeten und kürzlich in den Streik traten.11921 Allgemeines Entsetzen unter den Grundbesitzern, den Pächtern und den Konservativen der Grafschaft; die Landarbeiter, körperlich und geistig Sklaven, wagten es, nach mehr als tausend Jahren gegen die Macht ihrer Herren zu rebellieren! Und sie rebellierten tatsächlich, sie streikten, und zwar so wirkungsvoll, daß sich in zwei oder drei Wochen nicht nur die Landarbeiter von Warwickshire, sondern alle Landarbeiter der acht angrenzenden Grafschaften der Rebellion anschlössen. Was für die reaktionären Regierungen Europas die Internationale ist, nämlich das Schreckgespenst, bei dessen Namen allein sie das Entsetzen packt, war für die erschrockenen Grundherren und Pächter die Union der Landarbeiter. Sie leisteten ihr Widerstand; doch vergebens; die Union, unterstützt durch die Ratschläge und die Erfahrung der Widerstandsverbände der Industriearbeiter, festigte sich und breitete sich jeden Tag mehr aus, wobei sie außerdem von der öffentlichen Meinung selbst der Bourgeoisie unterstützt wurde. Trotz ihres politischen Bündnispaktes mit der Aristokratie führt die Bourgeoisie gegen diese immer eine Art wirtschaftlichen Kleinkrieg; und da sie gegenwärtig in einer Zeit industrieller Prosperität lebt, in der man viele Arbeiter braucht, wurden fast alle streikenden Landleute in die Städte gebracht, wo sie viel besser beschäftigt und bezahlt wurden, als dies in der Landwirtschaft hätte sein können. In dieser Weise hat der Streik zu einem vollen Erfolg geführt, so daß die Grundherren und Pächter in ganz England von sich aus die Löhne der Landarbeiter um 25 bis 30 Prozent erhöhen. Von diesem ersten großen Sieg hebt eine neue Epoche im geistigen und sozialen Leben des Landproletariats an, das in Massen in die Bewegung der städtischen Proletarier gegen die Tyrannei des Kapitals eingetreten ist.
In der vergangenen Woche hat sich das englische Parlament mit der Internationale beschäftigt. Herr Cochrane, ein eingefleischter Reaktionär, beschuldigte diese schreckliche Arbeitergesellschaft, der Pariser Kommune den Befehl gegeben zu haben, den Erzbischof1 zu ermorden und die Stadt
in Brand zu stecken! Dann verlangte er Unterdrückungsmaßnahmen gegen den Generalrat, der sich gegenwärtig in London befindet. Natürlich antwortete ihm die Regierung, daß die Internationalen, ebenso wie alle Einwohner Englands allein vor dem Gesetz verantwortlich sind, und da sie dieses bisher nicht übertreten haben, keinerlei Grund zu Repressalien gegen sie bestehe.193' Man darf annehmen, daß der Generalrat der Assoziation auf die Fälschungen des Herrn Cochrane antworten wird.1
F.E.
Aus dem Italienischen,
Friedrich Engels
[Uber die Verfolgungen des Mitglieds der Internationale Theodor Cuno1941]
[„The Eastern Post" Nr. 187 vom 27. April 1872] Schon seit einiger Zeit ist bekannt, daß die Regierungen Deutschlands, Österreichs und Italiens ein Komplott geschmiedet haben, um auf die Mitglieder der Internationale Jagd zu machen.1111 Wie dieses Komplott arbeitet, zeigen folgende Tatsachen: Ein prominentes Mitglied der Internationale in Mailand, der Bürger Theodor Cuno, gebürtiger Preuße, ein Ingenieur, den man um seine Stellung in einem großen Maschinenbaubetrieb gebracht hatte, wurde am 25. Februar verhaftet, und alle seine Papiere und in seinem Besitz befindlichen Photographien (einschließlich der seines Vaters etc.) wurden beschlagnahmt. In Ketten wurde er nach Verona transportiert, wo man ihn nahezu einen Monat lang unter Dieben und Mördern im Gefängnis hielt und ihn genau wie diese behandelte, während seine Papiere zur Überprüfung nach Rom gesandt wurden. Am 29. März wurde er, an einen gewöhnlichen Verbrecher gekettet, an die Grenze gebracht und den österreichischen Behörden ausgeliefert. Hier durfte er zum ersten Male den Grund erfahren, der all das verursacht hatte. Wie groß war sein Erstaunen, als er las, daß er verhaftet worden war, weil
„er in Mailand müßig gewesen sei, als Vagabund und ohne Existenzmittel gelebt habe, überdies ein gefährlicher Agent der internationalen sozialistischen Partei sei und aus allen diesen Gründen aus dem Königreich Italien ausgewiesen würde" 1
Nun, weit davon entfernt, müßig zu sein, hatte er am 1 .März eine sehr einträgliche Stellung in Como als Direktor einer Fabrik antreten sollen, und weit davon entfernt, mittellos zu sein, mußten ihm die italienischen Behörden, als sie sich von ihm trennten, 111 Francs seines eigenen Geldes aushändigen! Die Österreicher konnten sich diesen Widerspruch nicht erklären, aber anstatt ihn freizulassen, übergaben sie ihn der Aufsicht eines
Polizisten, der ihn auf Cunos Kosten an die bayrische Grenze bringen mußte, und auf diese Weise hatte Cuno nicht nur weitere sieben Nächte im Gefängnis zuzubringen, sondern auch noch den größeren Teil seines Geldes auszugeben. An der bayrischen Grenze erhielt er, zweifellos dank dem Fehlen geeigneter Instruktionen wie auch dank der angeborenen Dummheit der bayrischen Polizei, davon Kenntnis, daß ein Telegramm an seine Verwandten abgegangen war, und nach Erhalt einer zufriedenstellenden Antwort wurde er endlich in Freiheit gesetzt. Es scheint also, daß das europäische Polizeibündnis gegen die Internationale eine Realität ist. Cuno hätte man an die Schweizer Grenze schicken und dort in Freiheit setzen können, aber statt dessen mußte er den Österreichern und durch sie den Bayern ausgeliefert werden, um wie ein gewöhnlicher Verbrecher von Gefängnis zu Gefängnis geschickt zu werden. Das ist der Liberalismus „freier" konstitutioneller Monarchien.
Geschrieben 22-/23. April 1872. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
[Über die Beziehungen zwischen den irischen Sektionen und dem Britischen Föderalrat[951]
[Eigene Aufzeichnung der Rede auf der Sitzung des Generalrats am 14. Mai 1872]
Bürger Engels sagte, der wahre Sinn des vorliegenden Antrages wäre, die irischen Sektionen der Jurisdiktion des Britischen Föderalrats zu unterstellen, eine Sache, in die die irischen Sektionen niemals einwilligen würden; und der Generalrat habe weder das Recht noch die Macht, sie ihnen aufzuzwingen. Gemäß Statut und Geschäftsordnung habe dieser Rat auch nicht die Macht, irgendeine Sektion oder Zweigstelle zu zwingen, das Supremat irgendeines Föderalrats anzuerkennen. Er sei allerdings verpflichtet, vor Zulassung oder Abweisung irgendeines neuen Zweigs, der sich innerhalb der Jurisdiktion irgendeines Föderalrats befinde, diesen Rat zu konsultieren. Bürger Engels stellte mit Nachdruck fest, daß die irischen Sektionen in England der Jurisdiktion des Britischen Föderalrats so wenig unterständen wie die französischen, deutschen oder italienischen1 Sektionen in diesem Lande. Die Iren bildeten in jeder Hinsicht eine klar erkennbare eigene Nationalität, und die Tatsache, daß sie sich der englischen Sprache bedienten, könnte sie nicht des für alle geltenden Rechts berauben, eine unabhängige nationale Organisation innerhalb der Internationale zu haben. Bürger Haies habe von den Beziehungen zwischen England und Irland gesprochen, als ob sie höchst idyllischer Natur seien, etwa wie die zwischen England und Frankreich zur Zeit des Krimkrieges, als die herrschenden Klassen der beiden Länder niemals müde wurden, einander Lob zu spenden, und alles die vollkommenste Harmonie atmete. Aber der Fall liege ganz anders. Da sei die Tatsache einer sieben Jahrhunderte langen englischen Eroberung und Unterdrückung Irlands, und so lange diese Unterdrückung existiere, sei es eine Verhöhnung der irischen Arbeiter, von ihnen
1 Im Protokollbuch des Generalrats folgt: oder polnischen
zu fordern, sich einem Britischen Föderalrat zu unterwerfen. Die Stellung Irlands zu England sei nicht die eines Gleichberechtigten, es wäre die Polens zu Rußland. Was würde man dazu sagen, wenn der Generalrat polnische Sektionen aufforderte, das Supremat eines Russischen Föderalrats in Petersburg anzuerkennen, oder Sektionen im preußischen Polen, in Nordschleswig und im Elsaß aufriefe, sich einem Föderalrat in Berlin zu unterwerfen? Doch was von den irischen Sektionen gefordert würde, sei dem Wesen nach dasselbe. Wenn Mitglieder der Internationale, die einer erobernden Nation angehören, die Nation, die erobert worden ist und weiterhin unterdrückt wird, aufforderten, ihre spezifische Nationalität und Lage zu vergessen, „nationale Differenzen beizulegen" usf., so wäre das kein Internationalismus, sondern nichts weiter, als ihnen Unterwerfung unter das Joch zu predigen, und ein Versuch, die Herrschaft des Eroberers unter dem Deckmantel des Internationalismus zu rechtfertigen und zu verewigen. Das würde die unter den englischen Arbeitern nur zu sehr verbreitete Meinung sanktionieren, daß sie, verglichen mit den Iren, überlegene Wesen wären und ebensolche Aristokraten wie jene, für die sich die niederträchtigen Weißen in den Sklavenhalterstaaten den Negern gegenüber hielten. In einem Falle wie dem der Iren muß wahrer Internationalismus notwendigerweise auf einer selbständigen nationalen Organisation begründet sein; die Iren sowohl als andere unterdrückte Nationalitäten können nur als gleichberechtigt mit den Vertretern der erobernden Nation und unter Protest gegen die Eroberung in die Assoziation eintreten. Die irischen Sektionen seien daher nicht nur berechtigt, sondern geradezu genötigt, in der Präambel zu ihrem Statut zu erklären, daß es ihre erste und dringendste Pflicht als Iren ist, ihre eigene nationale Unabhängigkeit zu erlangen. Der Antagonismus zwischen den irischen und englischen Arbeitern in England war immer eines der mächtigsten Mittel gewesen, die Klassenherrschaft in England aufrechtzuerhalten. Er erinnere sich der Zeit, als er miterlebte, wie Feargus O'Connor und die englischen Chartisten von den Iren aus dem Hall of Science in Manchester hinausgeworfen wurden.'961 Nun gäbe es zum erstenmal eine günstige Gelegenheit, englische und irische Arbeiter gemeinschaftlich für ihre gemeinsame Emanzipation handeln zu lassen, ein Resultat, das durch keine bisherige Bewegung in ihrem Lande erreicht worden war. Und noch ehe man dies zuwege gebracht habe, da werde man aufgefordert, den Iren zu diktieren und ihnen zu sagen, sie sollten die Bewegung nicht auf ihre eigene Weise führen, sondern sich der Führung eines englischen Rats fügen! Nun, das hieße, die Unterjochung der Iren durch
die Engländer in die Internationale einführen. Wenn die Initiatoren dieses Antrages so bis zum Rande vom wahren internationalen Geist erfüllt sind, so mögen sie das dadurch beweisen, daß sie den Sitz des Britischen Föderalrats nach Dublin verlegen und einem Rat von Iren unterstellen. Was die angeblichen Zusammenstöße zwischen irischen und englischen Zweigen betrifft, so seien sie dadurch provoziert worden, daß Mitglieder des Britischen Föderalrats versucht hätten, sich in die Angelegenheiten der irischen Sektionen einzumischen, um sie dahin zu bringen, daß sie ihren spezifisch nationalen Charakter aufgeben und sich unter die Führung des Britischen Rats begeben. Dann könnten die irischen Sektionen in England nicht von den irischen Sektionen in Irland getrennt werden; es ginge nicht an, daß einige Iren von einem Londoner und andere von einem Dubliner Föderalrat abhängig wären. Die irischen Sektionen in England seien unsere Operationsbasis in bezug auf die irischen Arbeiter in Irland; sie seien fortgeschrittener, da sie in günstigeren Verhältnissen leben und die Bewegung in Irland könne nur durch ihre Vermittlung propagiert und organisiert werden. Und soll man bereitwillig die eigene Operationsbasis zerstören und auf die einzigen Mittel verzichten, durch die Irland wirksam für die Internationale gewonnen werden könne? Denn es dürfe nicht vergessen werden, daß die irischen Sektionen, und das mit Recht, niemals einwilligen würden, ihre selbständige nationale Organisation aufzugeben und dem Britischen Rat zu unterstellen. Die Frage läuft also darauf hinaus: soll man die Iren unter sich lassen, oder soll man sie aus der Assoziation ausstoßen? Würde der Antrag vom Rat angenommen, so möge der Rat den irischen Arbeitern erklären, etwa in folgenden Worten, daß sie nach der Herrschaft der englischen Aristokratie über Irland, nach der Herrschaft der englischen Bourgeoisie über Irland nun der Herrschaft der englischen Arbeiterklasse über Irland entgegensehen müßten.
Geschrieben um den 14. Mai 1872. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
6 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Karl Marx
Erklärung des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation1971
[„Der Volksstaat" Nr. 44 vom I.Juni 1872] Vor einigen Wochen erschien ein Pamphlet unter dem Titel: „Föderalistischer Unioersalrat der Internationalen Arbeiterassoziation und verbündeter sozial-republikanischer Gesellschaften". Dieses Pamphlet bezweckt nichts Geringeres als einen coup d'etat innerhalb der Internationalen. Es kündet die Bildung eines zweiten Generalrats an und denunziert gleichzeitig sowohl die Organisation der Internationalen als die Administration ihres Generalrats. Wer sind nun die Mitglieder dieses1 selbsternannten Universalrats und die Urheber jenes Pamphlets? Unter den Unterzeichnern des Dokuments befindet sich erstens John Weston, Mitglied des Generalrats und ehemaliger Kassierer desselben. In einem Schreiben an den Generalrat erklärt Herr Weston, daß man sich seines Namens ohne seine Erlaubnis bedient hat. Kommen dann sechs Delegierte des sogenannten Universellen republikanischen Bundes[981, einer Gesellschaft außer allem Zusammenhang mit der Internationalen. Ferner: Zwei Delegierte einer föderalistisch-republikanischinternationalen Sektion, von deren Existenz der Generalrat nie gehört hat. Dann zwei Delegierte des Bundes der Arbeit und der Erde[90!, einer Gesellschaft, die nie zur Internationale gehörte2. Weiter: zwei sogenannte3 Delegierte des Londoner4 deutschen Arbeiterbildungsvereins, in der Tat Delegierte einiger Deutschen, die wegen erklärter Feindschaft gegen die Internationale aus jenem Verein ausgestoßen wurden.111001 Endlich vier Delegierte von zwei französischen Gesellschaften, die zusammen keine zwanzig
1 In der „Eastern Post" eingefügt: neuen - 2 in der „Eastern Post": die nicht zur Iniernationale gehört - 3 in der „Eastern Post": selbsternannte — 4 in der „Eastern Post" fehlt: Londoner
Mann zählen und die beide vergeblich ihre Zulassung zur Internationalen vom Generalrat verlangt hatten. Unter den Delegierten dieser zwei Gesellschaften figuriert ein gewisser Vesinier, den eine vom Brüsseler Kongreß niedergesetzte Kommission 1868 aus der Internationale aussf/eß[1011undein Herr Landeck, den die Flucht des Polizeipräfekten Pietri1 am 4. September (1870) von dem freiwilligen und „gewissenhaft gehaltenen" Gelöbnis entband, „aller Teilnahme an der Internationalen und der Politik In Frankreich sich zu enthalten"2, und der zudem neulich von der Gesellschaft der flüchtigen Kommunards zu London ausgestoßen worden ist. Die Unterzeichner jenes Dokuments, lauter Leute außer aller Verbindung mit der Internationalen, wissen natürlich sehr wohl, daß sie dasselbe Recht haben, sich zum Universalrat der Internationalen aufzuwerfen oder sich in deren Organisation einzumischen, als der Generalrat der Internationalen haben würde, sich3 zum Direktorium der britischen Nordbahn aufzuwerfen oder deren Verwaltung zu reformieren. Die völlige Unbekanntschaft dieser Leute mit der Geschichte und der Organisation der Internationalen ist daher nicht verwunderlich. Woher sollten sie wissen, daß4 der Generalrat seine Rechnungen den Kongressen ablegt und nicht ihnen? Daß, als der Ausbruch des Kriegs den Kongreß von 1870 unmöglich machte, ein einstimmiger Beschluß der Sektionen die Vollmacht des Generalrats verlängerte bis zum Augenblick, wo5 er die politische Konjunktur für Zusammenberufung eines öffentlichen Kongresses geeignet halte? Was die Beiträge zu dem vom Generalrat verwalteten Flüchtlingsfonds betrifft, so ist die Gesamtsumme in den veröffentlichten Berichten über die Sitzungen des Generalrats angezeigt worden, kein Pfennig ist ohne Quittung verausgabt worden. Diese Quittungen, wie die Geschäftsbücher des Generalrats, können zu jeder Zeit von jedem Kontribuenten bei unserem Kassierer, Bürger Jung, 4, Charles Street, Northampton Square, Clerkenwell, eingesehen werden. Eine solche Besichtigung wird beweisen, daß der Generalrat nicht nur viel Zeit und Mühe dieser ihm fremden Funktion gewidmet, sondern zugleich, sowohl als Gesamtkörper, wie durch seine indi
1 In der „Eastern Post": den die hastige Flucht des Polizeipräfekten Louis Bonapartes 2 in der „Eastern Post" eingefügt: (beachten Sie den veröffentlichten Bericht über den dritten Prozeß gegen die Internationale zu Paris) - 3 in der „Eastern Post" lautet der folgende Teil des Satzes: in die Organisation der Großen Nordbahn einzumischen oder sich zum Direktorium derselben zu erklären - 4 in der „Eastern Post" eingefügt: laut unseren Statuten - 5 in der „Eastern Post" lautet der folgende Teil des Satzes: die politischen Verhältnisse die Einberufung eines öffentlichen Kongresses erlauben
viduellen Mitglieder, innerhalb seiner Hülfsquellen zu diesem Unterstützungsfonds beigetragen hat. Der Umfang und der Einfluß, welchen die Internationale bereits erobert hat, lassen den ihr feindlichen und mit ihr rivalisierenden Gesellschaften nur eine Chance des Erfolgs: Sie müssen ihren Namen usurpieren, um sie1 unterwühlen zu können. Dies wird so gut begriffen von der Regierungs- und Bourgeoispresse aller Schattierungen, von der polizistischen bis zu der sog. demokratischen und republikanischen, daß dieselben Journale, die jede offizielle Veröffentlichung des Generalrats systematisch ausschließen, mit schadenfroher Hast solche unbedeutende und lächerliche Kundgebungen, wie die des „föderalistischen Universalrats" durch ganz Europa auszuposaunen.
Der Generalrat:
R. Applegarth, Ant.Arnaud, M.J.Boon, F.Bradnick, G.H. Buttery, Delahaye, Eugene Dupont, W.Haies, Hurliman, J.G. Eccarius, Jules Johannard, Harriet Law, F. Leßner, Lochner, Charles Longuet, Constant Martin, Henry Mayo, George Milner, Charles Murray, Th. Mottershead, Pfänder, John Roach, Rozwadowski, Rühl, G. Ranvier, Sadler, CoWell Stepney, A. Taylor, Sexton, W.Townshend, Ed. Vaillant, John Weston
Korrespondierende Sekretäre:
Karl Marx für Deutschland und Rußland, Leo Frankel für Österreich und Ungarn, A. Herman für Belgien, F. Cournet für Dänemark, Le Moussu für die Vereinigten Staaten, Aug. Serraillier für Frankreich, Charles Rochat für Holland, J. P. Mac Donnel für Irland, F. Engels für Italien und Spanien, Walery Wrohlewski für Polen, Hermann Jung für die Schweiz Hermann Jung, Präsident der Sitzung John Haies, Generalsekretär
London, 20. Mai 1872 33, Rathbone Place, W. C.
Karl Marx Noch einmal Stefanoni und die Internationale"021
[Brief an die Redaktion des „Gazzettino Rosa"]
[„Gazzettino Rosa" Nr. 148 vom 28. Mai 1872
London, 23. Mai 1872
Herr Redakteur, Im „Libero Pensiero" vom 28. März hat Herr Stefanoni mit Recht vorausgesehen, daß ich, trotz seines Mißgeschicks mit Liebknecht1103', seine ständigen Verleumdungen weiterhin mit Schweigen beantworten würde. Wenn ich heute dieses Schweigen breche, so deshalb, weil Herr Karl Vogt, ein Mann, den ich in Deutschland mit meinem Buch „Herr Vogt"1 politisch und moralisch erledigt habe, sich nunmehr als Inspirator der Behauptungen seines Gesinnungsgenossen Stefanoni erweist. Herr Stefanoni zitiert aus dem Buche Vogts, das gegen mich und allgemein gegen die deutsche kommunistische Partei geschrieben wurde, das Märchen über meine Beziehungen zu dem Spitzel Cherval; doch unterdrückt er geflissentlich den Brief von J.Ph. Becker aus Genf, der in humorvollster Weise die plumpen Erfindungen Vogts entlarvt (siehe „Herr Vogt", Seite 21 2). Diese Verleumdung und andere ähnlicher Art, mit denen Vogt sein schmutziges Buch füllt, wurden wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung von der Berliner „National-Zeitung" 11041 abgedruckt. Ich erhob von London aus sofort eine Klage wegen Diffamierung. Entsprechend der preußischen Rechtsordnung mußte ich zuerst über ein Präliminarverfahren gehen, d.h. von den Gerichten die Erlaubnis erhalten, den Redakteur der „National-Zeitung" zu verfolgen. Ich war also gezwungen, die ganze Stufenleiter der Gerichte zu durchlaufen, vom Untersuchungsrichter bis zum Obersten
Gericht, um schließlich überhaupt nichts zu erreichen. Mit einem Wort, man verbat mir, einen für Herrn Vogt (der damals gerade in seinen „Politischen Studien"11051 Preußen aufgefordert hatte, sich mit Waffengewalt des übrigen Deutschlands zu bemächtigen) so kompromittierenden Prozeß einzuleiten - aber ebenso kompromittierend für eine Zeitung, die unter der Maske einer angeblichen Opposition die Geschäfte der Regierung besorgte und sich später als das servilste Werkzeug Bismarcks entpuppte -, einen Prozeß schließlich, der vollständige Genugtuung einem Manne geben sollte, der damals auf Befehl von oben von der ganzen käuflichen Presse Deutschlands verleumdet wurde. Alle Episoden meines Kampfes mit den preußischen Gerichten, zusammen mit den entlastenden Dokumenten, die ich ihnen unterbreitet hatte, liegen in meinem Buch „Herr Vogt" gedruckt vor und müssen daher dem tugendhaften Herrn Stefanoni bekannt sein. Herr Stefanoni führt auch meine „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln "1 (1853) an; um was zu beweisen ? Daß ich Beziehungen mit den deutschen Kommunisten hatte. Darauf bin ich stolz. Übrigens war der wahre Grund dieser Veröffentlichung der, zu zeigen, daß der Bund der Kommunisten keine Geheimgesellschaft im Sinne des Strafgesetzbuches war und daß gerade deshalb die preußische Regierung gezwungen war, von dem niederträchtigen Stieber und seinen Helfershelfern eine Reihe von falschen Dokumenten fabrizieren zu lassen, die mir und den Angeklagten zugeschrieben wurden. Heute gibt es niemand in Deutschland, selbst unter den Bismarckianern nicht, der wagen würde, diese Tatsache zu leugnen. Daß der Herr Stefanoni nicht nur mit Vogt, sondern sogar mit Stieber gemeinsame Sache macht, ist zu forte2, selbst für einen esprit fort3 vom Schlage Stefanonis. In seinem Blatt vom 18. April geht Herr Stefanoni erneut zum Angriff über. In meinem Buch hatte ich zur Genüge bewiesen, daß sich Herr Vogt 1859 an Bonaparte verkauft hatte, indem er sich verpflichtete, sein Hauptagent in Deutschland und in der Schweiz zu sein. Zehn Jahre später hat die Indiskretion seiner Freunde Jules Favre und Co. diese Tatsache nur bestätigt.11061 Es ist absolut falsch, daß ich wegen eines angeblichen deutschen Interesses Österreich gegen Herrn Vogt, diesen mutigen Vorkämpfer Italiens, in Schutz genommen hätte. 1848/49 verfocht ich in der „Neuen Rheinischen Zeitung"11071 die Sache Italiens gegen die Mehrheit des Parlaments
1 Siehe Band 8 unserer Ausgabe - 2 stark - 3 Freigeist
und der deutschen Presse. Später, 1853, und zu anderen Zeiten übernahm ich in der „New-York Daily Tribüne"11081 die Verteidigung eines Mannes, mit dem ich mich in bezug auf die prinzipiellen Fragen in einem ständigen Gegensatz befunden hatte - Mazzini1. Mit einem Wort, ich stand immer auf der Seite des revolutionären Italiens gegen Österreich. Aber der Krieg von 1859 war eine ganz andere Sache. Ich prangerte ihn an, weil er die Existenz des bonapartistischen Kaiserreichs für ein weiteres Jahrzehnt verlängern, Deutschland dem Regime des preußischen Klüngels unterwerfen und aus Italien das machen sollte, was es heute ist.2 Ausnahmsweise war Mazzini meiner Ansicht. (Siehe „Pensiero ed Azione" vom 2. bis 15. Mai 1859.)11091 Zu jener Zeit wurde er ebenso wie ich von dem unvermeidlichen Herrn Vogt angegriffen. Obwohl ich bereit war, Herrn Vogt als bonapartistischen Agenten anzuprangern, mußte ich dennoch die Vaterschaft eines anonymen Zirkulars ablehnen, das Herr Karl Blind gegen ihn herausgebracht hatte. Herr Stefanoni zitiert nach Vogt die Erklärungen, die sich dieser vom Druckereibesitzer und den Druckern verschafft hatte, um zu beweisen, daß nicht Blind der Verfasser des Zirkulars war und daß es nicht bei diesem Drukkereibesitzer gedruckt worden war. Nun, wenn Herr Stefanoni, wie er es behauptet, mein Buch gelesen hätte, so würde er auf den Seiten 186/1873 die vor einem englischen Gericht unter Eid gemachten Erklärungen des angeführten Druckers und eines seiner Kollegen gelesen haben, in denen festgestellt wird, daß gerade Karl Blind der Verfasser des anonymen Zirkulars ist. Von Vogt geht Herr Stefanoni zu Herzen über. Als erstes läßt er Herzen der Versammlung beiwohnen, in der die Internationale gegründet wurde und setzt die Bildung der Assoziation für 1867 fest. Jedermann weiß, daß die Internationale im September 1864 in einer Versammlung in Long Acre4 gegründet wurde, wo Herzen nicht zugegen war. Der Evangelist des Rationalismus, Herr Stefanoni, behandelt die Chronologie und die Topographie genau so wie es vor achtzehn Jahrhunderten seine Vorgänger beim Neuen Testament getan hatten. Ungefähr zehn Jahre vor der Gründung der Internationale hatte ich mich geweigert, als Redner neben Herrn Herzen, dem russischen Panslawisten, anläßlich einer öffentlichen Kundgebung aufzutreten. Selbst Herzen wagt nicht, in einem nach seinem Tode erschienenen, von seinem Sohne herausgegebenen Buch[1101, das voller Lügen über mich
1 Siehe Band 9 unserer Ausgabe, S. 521/522; Band 12, S. 420 - 424 u.a. - 2 siehe Band 13 unserer Ausgabe - 3 siehe Band 14 unserer Ausgabe, S. 674/675 - 4 Straße in London
ist, zu sagen, daß ich ihn als einen russischen Spitzel bezeichnet hätte, wie dies der wahrheitsliebende Herr Stefanoni behauptet. Übrigens brauchen diejenigen, die sich gerne über den Wert, den man dem dilettantischen Sozialisten Herzen beimessen soll, aufklären möchten, nur das Büchlein „Unsere häuslichen Angelegenheiten" von Serno-Solowjewitsch[1111 zu lesen.
Ich habe die Ehre zu sein, Herr Redakteur, Ihr ergebenster Karl Marx
Aus dem Italienischen.
Karl Marx [Antwort auf den ersten Artikel Brentanos11121]
[„Der Volksstaat" Nr. 44 vom I.Juni 1872] An die Redaktion des „Volksstaat"
Ein Freund sendet mir aus Deutschland Nr. 10 der „Concordia. Zeitschrift für die Arbeiterfrage"11131 vom 7. März, worin dies „Organ des deutschen Fabrikantenbundes" einen Leitartikel bringt unter dem Titel: „ Wie Karl Marx zitiert". In der Inauguraladresse1 der Internationalen Arbeiterassoziation zitiere ich u.a. eine Stelle aus Gladstones Budgetrede vom 16. April 1863, die sich nicht in Hansards halboffizieller Ausgabe der Parlamentsdebatten befindet [1141. Daraus schließt ohne weiteres die gemütliche Fabrikantenlogik der „Concordia": „Dieser Satz befindet sich nirgends in der Gladstoneschen Rede", und sie jubelt ihre schöne Seele aus in dem mit schadenfroher Fettschrift gedruckten Fabrikantendeutsch: „Marx hat den Satz formell und materiell hinzugelogen I" Es wäre in der Tat äußerst befremdend, wenn die ursprünglich in englischer Sprache zu London unter Gladstones Augen gedruckte Inauguraladresse in seinen Mund einen von mir interpolierten Satz legte, der unangefochten während siebenundeinhalb Jahren die Runde der Londoner Presse macht, um endlich, endlich von den „Gelehrten" des deutschen Fabrikantenbundes in Berlin ertappt zu werden. Der fragliche Satz der Inauguraladresse lautet wie folgt: „This intoxicating augmentation of wealth and power is entirely confined to classes of property" (p. 6, Inaugural Address etc.). (Zu deutsch wörtlich: „Diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht ist ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen.")
In einem Artikel der „Fortnightly Review" (November 1870), der großes Aufseilen machte und von der ganzen Londoner Presse besprochen wurde, zitiert Herr Beesly, Professor der Geschichte an der hiesigen Universität, p.518:
„An intoxicating augmmtation of wealth and power, as Mr. Gladstone observed, entirely confined to classes ofproperty." (Zu deutsch: „Eine berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht, wie Herr Gladstone bemerkte, ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen,")I116J Aber Professor Beeslys Artikel erschien sechs Jahre später als die Inauguraladresse! Gut! Greifen wir zu einer ausschließlich für die City von London bestimmten Fachschrift, die nicht nur vor der Inauguraladresse erschien, sondern bereits vor der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation. Sie heißt: „The Theory of Exchanges. The Bank Charter Act of 1844", London 1864, verlegt von T. Cautley Newby, 30, Welbeck Street[116]. Gladstones Budgetrede wird hier ausführlich kritisiert und p. 134 wird daraus angeführt:
„This intoxicating augmentation of wealth and power is entirely confined to classes of property." (Zu deutsch: „Diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht ist ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen"), also wörtlich wie ich zitiere. Hiermit ist bereits unwiderlegbar bewiesen, daß der deutsche Fabrikantenbund „formell und materiell gelogen hat", als er diesen „Satz" für „mein" Fabrikat verschrie! Nebenbei bemerkt: Die biedere „Concordia" druckt in Fettschrift eine andere Stelle ab, worin Gladstone faselt von „der außerordentlichen und in allen Ländern und zu allen Zeiten beispiellosen" Hebung der englischen Arbeiterklasse während der letzten 20 Jahre. Die Fettschrift soll andeuten, daß ich diese Stelle unterdrückt habe. Umgekehrt! In der Inauguraladresse lege ich gerade den größten Nachdruck auf den schreienden Kontrast dieser schamlosen Phrase mit der, wie Professor Beesly sie richtig kennzeichnet, „schauderhaften Statistik" („appalling statistics") der englischen amtlichen Berichte über dieselbe Epoche.* Der Verfasser der „Theory of Exchanges" hat, wie ich, nicht aus Hansard zitiert, sondern aus einer Londoner Zeitung, welche die Budget
* Andere apologetische Flausen aus derselben Rede sind abgefertigt in meiner Schrift: „Das Kapital" (p.638, 639)1.
rede vom 16.April am 17.April veröffentlichte. In meinen Kollektaneen von 1863 habe ich jedoch vergebens gesucht nach dem betreffenden Auszug, also auch nach dem Namen des Blattes, dem er entnommen war. Tut jedoch nichts zur Sache. Obgleich die parlamentarischen Berichte der Londoner Zeitungen stets voneinander abweichen, war ich jedoch sicher, daß keine derselben Gladstones so frappante Äußerung ganz unterdrücken konnte. Ich schlage also die „Times" vom 17. April 1863 nach - sie war damals wie jetzt Gladstonesches Organ -, und ich finde daselbst p. 7, Spalte 5, im Bericht der Budgetrede:
„That is the State of the case as regards the wealth of this cotmtry. I must say for one, I should look almost with apprehension and with pain upon this intoxicating augmentation of vjealth and power, if it were my belief that it was confined to classes who are in easy circumstances. This takes no cognizance at all of the condition of the labouring population. The augmentation I have described, and which is founded, I think, upon accurate returns, is an augmentation entirely confined to classes of property." Zu deutsch: „So steht's mit dem Reichtum dieses Landes. Ich für meinen Teil würde beinahe mit Besorgnis und mit Pein auf diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht blicken, wenn ich sie auf die wohlhabenden Klassen beschränkt glaubte.* Es ist hier gar keine Notiz genommen von der arbeitenden Bevölkerung. Die Vermehrung, die ich beschrieben habe" (die er nämlich soeben kennzeichnete als „diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht"), „ist ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen."
„Formell und materiell" erklärte also Herr Gladstone am 16. April 1863 im Unterhause, nach dem Berichte seines eigenen Organs, der „Times" vom 17. April 1863, daß „diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht ganz und gar beschränkt ist auf Eigentumsklassen", und schauert's ihm gewissermaßen nur bei dem Bedenken, daß sie bloß einem Teile dieser Klasse, ihrem wirklich wohlhabenden Teil, zugut gekommen sei. Italiam, Italiam! Endlich sind wir bei Hansard angelangt. In seiner hier nachträglich zurechtgestümperten Ausgabe war Herr Gladstone so gescheit, die im Munde eines englischen Schatzkanzlers allerdings kompromittierliche Stelle wegzupfuschen. Es ist dies übrigens herkömmlicher englischer Parlamentsbrauch und keineswegs eine Erfindung des Laskerchen contra Bebel[118J. Ein genauer Vergleich zwischen Gladstones wirklich gehaltener Rede selbst, wie sie in der „Times" figuriert, und ihrer nachträglich von demselben Gladstone verballhornten Form, würde einen munteren Beitrag liefern zur Charakteristik dieses salbungsvollen, phrasentriefenden,
* Die Worte: „easy classes", „classes in easy circumstances" sind wohl zuerst von Wakefield für den eigentlich reichen Teil der besitzenden Klasse eingeführt worden fU7J.
wortklaubenden, streng kirchlichen, seine Frömmigkeit und seine liberalen „attitudes of mind"1 ängstlich zur Schau tragenden Bourgeoishelden. Eins der ärgerlichsten Dinge in meinem Werke „Das Kapital" sind die massenhaften amtlichen Belege zur Schilderung der Fabrikantenwirtschaft, an denen kein Gelehrter bisher Fehl zu finden wußte. Das war selbst den Herren vom deutschen Fabrikantenbunde gerüchtweise zu Ohren gekommen. Aber, dachten sie:
Was kein Verstand der Verständigen sieht, Das übet in Einfalt ein kindlich' Gemüt.1110' Gesagt, getan. Sie wenden sich um Auskunft über das ihnen verdächtige Zitat der Inauguraladresse an einen Geschäftsfreund in London, an den ersten besten Mundella, der, selbst Fabrikant, sich sputet, schwarz auf weiß den Auszug aus Hansards Parlamentsdebatten über's Meer zu spedieren. Nun hatten sie mein Fabrikgeheimnis. Ich fabriziere nicht nur den Text, sondern obendrein - auch die Zitate dazu. Und sie schrieen siegtrunken in alle Welt hinaus: „ Wie Karl Marx zitiert/" So war meine War' ein für allemal um den Kredit gebracht, und zwar, wie es Fabrikanten ziemt, auf gemeinem Geschäftsweg, ohne alle Gelehrsamkeitsunkosten. Das verdrießliche Nachspiel klärt vielleicht die Fabrikantenbündler darüber auf, daß, wie trefflich sie sich auch sonst auf Warenfälschung verstehen, sie zur Prüfung literarischer Ware taugen wie der Esel zum Lautenschlagen. Karl Marx London, 23. Mai 1872
S 3E8, A. 3L| SD. ©ffinal ©rgan üt % irilisj Sttlion of lie JilfWBaiiODSl «Käorhing lOra'8 3»s«ri«lion.
SATURDAY, .TUNE 29, 1872. One PENS*.
Friedrich Engels
Beschlüsse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation vom 18. Juni 1872[,20]
[„The International Herald" Nr. 13 vom 29. Juni 1872]
I
In Erwägung, daß der Baseler Kongreß zum Sitz des nächsten Kongresses Paris bestimmt hatte; daß der Generalrat gemäß Art. 4 der Allgemeinen Statuten, angesichts der Unmöglichkeit, den Kongreß in Paris abzuhalten, denselben durch Beschluß vom 12. Juli 1870 nach Mainz einberief, wo seine Zusammenkunft jedoch durch den Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs verhindert wurde; daß die heutigen Regierungsverfolgungen gegen die Internationale sowohl in Frankreich als in Deutschland die Einberufung des Kongresses weder nach Paris noch nach Mainz gestatten; daß Artikel 4 der Statuten den Generalrat ermächtigt, im Notfall den Versammlungsort des Kongresses zu verlegen; beruft der Generalrat den nächsten Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation für Montag, den 2. September 1872, nach Den Haag (Holland) ein.
II
In Erwägung, daß die für den Mainzer Kongreß, der am 5. September 1870 eröffnet werden sollte, auf die Tagesordnung gesetzten Fragen keineswegs den gegenwärtigen Bedürfnissen der Internationale entsprechen, Bedürfnissen, die von den seither eingetretenen großen geschichtlichen Ereignissen tief beeinflußt sind; daß zahlreiche Sektionen und Föderationen verschiedener Länder beantragt haben, daß sich der nächste Kongreß mit der Revision der Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen beschäftigen solle; daß die jetzt in fast allen Ländern Europas gegen die Internationale gerichteten Verfolgungen ihr die Pflicht auferlegen, ihre Organisation zu stärken; setzt der Generalrat unter Vorbehalt seines Rechts, später ein durch die Vorschläge der Sektionen und Föderationen vervollständigtes Programm auszuarbeiten, auf die Tagesordnung des Haager Kongresses als wichtigste Frage: die Revision der Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen.
Aus dem Englischen,
Karl Marx/Friedrich Engels
Vorwort [zum „Manifest der Kommunistischen Partei" (deutsche Ausgabe 1872)]1,211
Der Bund der Kommunisten, eine internationale Arbeiterverbindung, die unter den damaligen Verhältnissen selbstredend nur eine geheime sein konnte, beauftragte auf dem in London im November 1847 abgehaltenen Kongresse die Unterzeichneten mit der Abfassung eines für die Öffentlichkeit bestimmten, ausführlichen theoretischen und praktischen Parteiprogramms. So entstand das nachfolgende „Manifest", dessen Manuskript wenige Wochen vor der Februarrevolution1 nach London zum Druck wanderte. Zuerst deutsch veröffentlicht, ist es in dieser Sprache in Deutschland, England und Amerika in mindestens zwölf verschiedenen Ausgaben abgedruckt worden. Englisch erschien es zuerst 1850 in London im „Red Republican"t1221, übersetzt von Miß Helen Macfarlane, und 1871 in wenigstens drei verschiedenen Übersetzungen in Amerika. Französisch zuerst in Paris kurz vor der Juni-Insurrektion 184811231, neuerdings in „Le Socialiste" 11241 von New York. Eine neue Übersetzung wird vorbereitet. Polnisch in London kurz nach seiner ersten deutschen Herausgabe. Russisch in Genf in den sechziger Jahren.'11251 Ins Dänische wurde es ebenfalls bald nach seinem Erscheinen übersetzt. Wie sehr sich auch die Verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig Jahren geändert haben, die in diesem „Manifest" entwickelten allgemeinen Grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch ihre volle Richtigkeit. Einzelnes wäre hier und da zu bessern. Die praktische Anwendung dieser Grundsätze, erklärt das „Manifest" selbst, wird überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegenden Umständen abhängen, und wird deshalb durchaus kein besonderes Gewicht auf die am Ende von Abschnitt II vorgeschlagenen revolutionären Maßregeln gelegt. Dieser Passus würde heute in vieler Beziehung anders lauten. Gegenüber der immensen
Fortentwicklung der großen Industrie in den letzten fünfundzwanzig Jahren und der mit ihr fortschreitenden Parteiorganisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann". (Siehe „Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalraths der Internationalen Arbeiter-Association", deutsche Ausgabe, S. 19, wo dies weiter entwickelt ist.1) Ferner ist selbstredend, daß die Kritik der sozialistischen Literatur für heute lückenhaft ist, weil sie nur bis 1847 reicht; ebenso daß die Bemerkungen über die Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen Oppositionsparteien (Abschnitt IV), wenn in den Grundzügen auch heute noch richtig, doch in ihrer Ausführung heute schon deswegen veraltet sind, weil die politische Lage sich total umgestaltet und die geschichtliche Entwicklung die meisten der dort aufgezählten Parteien aus der Welt geschafft hat. Indes, das „Manifest" ist ein geschichtliches Dokument, an dem zu ändern wir uns nicht mehr das Recht zuschreiben. Eine spätere Ausgabe erscheint vielleicht begleitet von einer den Abstand von 1847 bis jetzt überbrückenden Einleitung; der vorliegende Abdruck kam uns zu unerwartet, um uns Zeit dafür zu lassen.
London, 24. Juni 1872 Karl Marx Friedrich Engels
Nach: „Das kommunistische Manifest", neue Ausgabe mit einem Vorwort der Verfasser, Leipzig 1872.
Friedrich Engels Die Internationale in Amerika0261
[„Der Volksstaat" Nr. 57 vom 17. Juli 1872] Unsere Leser werden aus unsern amerikanischen Korrespondenzen bereits ersehen haben, daß in den Vereinigten Staaten unter den Mitgliedern der Internationale eine Spaltung eingetreten ist. Was sich in New York in den letzten Monaten ereignet hat, ist in der Tat so neu in der Geschichte der Internationalen, daß es im Zusammenhang dargestellt zu werden verdient. Wir legen dabei einen Artikel der „Emancipacion" von Madrid (22. Juni) zugrunde und ergänzen ihn aus den uns vorliegenden Originaldokumenten. Bekanntlich haben in Europa die Bourgeoisie und die Regierungen aus der Internationale einen erschrecklichen Popanz gemacht, der auch seinen Zweck erfüllte und alle guten Bürger so entsetzt hat, daß niemand zu befürchten braucht, die Internationale werde je durch einen Massenzutritt bürgerlicher Elemente ihren ursprünglichen Zwecken entfremdet werden. In Amerika geht das ganz anders. Dinge, worüber europäische Bourgeois und Regierungen in Krämpfe geraten, erscheinen dort im Gegenteil interessant. Eine Gesellschaft, die ohne grundbesitzenden Adel und ohne Monarchie auf rein bürgerlicher Grundlage großgewachsen ist, lacht über die kindischen Todesängste der europäischen Bourgeoisie, die noch immer nicht auch in Frankreich wenigstens geistig nicht - der Zuchtrute der Monarchie und des Adels entwachsen ist. Je fürchterlicher also die Internationale in Europa erschien, je ungeheuerlicher die Korrespondenten der amerikanischen Presse sie darstellten - und niemand versteht greller zu malen als diese Herren —, desto mehr fand man in Amerika, daß die Internationale sich jetzt dazu eigne, Kapital aus ihr herauszuschlagen, Geldkapital und politisches Kapital. Wieweit die amerikanische Gesellschaft der europäischen voraus ist, zeigt sich schlagend an der Tatsache, daß es zwei amerikanische Damen
7 Marx/Engels, Werlte, Bd. 18
waren, die dies zuerst entdeckten und darauf ein Geschäft zu begründen versuchten. Während die Männer der europäischen Bourgeoisie vor der Internationalen zitterten, faßten zwei amerikanische Bourgeoisweiber, Frau Victoria Woodhull und ihre Schwester Fräulein Tenni Claflin (Herausgeber von „Woodhull & Claflin's Weekly"[1271) den Plan, diese Schaudergesellschaft zu exploitieren. Und beinahe wäre es ihnen gelungen. Diese beiden Schwestern, Millionärinnen, Predigerinnen der Frauenemanzipation und besonders der „freien Liebe", traten resolut in die Internationale ein. Sektion Nr. 9 bildete sich unter Leitung von Fräulein Claflin, Sektion Nr. 12 unter der von Frau Woodhull; bald darauf folgten neue Sektionen in den verschiedensten Teilen von Amerika, alle gebildet von den Anhängern des Schwesterpaars. Nach der bestehenden Einrichtung hatte jede Sektion das Recht, einen Delegierten in das in New York tagende Zentralkomitee zu senden. Die Folge war, daß sehr bald dieser ursprünglich aus deutschen, irischen und französischen Arbeitern zusammengesetzte Föderalrat von einer Menge amerikanischer bürgerlicher Abenteurer aller Art und beiderlei Geschlechts überflutet wurde. Die Arbeiter wurden in den Hintergrund gedrängt, der Sieg der beiden spekulierenden Schwestern erschien gewiß. Jetzt trat Sektion Nr. 12 in den Vordergrund und erklärte den Stiftern der amerikanischen Internationalen, worum es sich eigentlich handle. Am 30.August 1871 erließ Sektion 12 ihr Manifest[128), gezeichnet W.West, Sekretär. Darin heißt es:
„Das Endziel der Internationale ist einfach, den männlichen und weiblichen Arbeiter durch Eroberung der politischen Macht zu emanzipieren. Es schließt ein: zuerst die politische Gleichheit und soziale Freiheit beider Geschlechter. Politische Gleichheit bedeutet die persönliche Teilnahme eines jeden an der Vorbereitung, Verwaltung und Ausführung der Gesetze, nach denen alle regiert werden. Soziale Freiheit bedeutet vollständige Sicherstellung vor aller und jeder ungehörigen Einmischung in alle Angelegenheiten rein persönlicher Natur, als z.B. religiöse Überzeugung, das Geschlechtsverhältnis, Kleidertracht usw. Ferner ist darin einbegriffen die Errichtung einer UniVersalregierung für die ganze Welt. Selbstredend ist auch die Abschaffung aller Sprachverschiedenheit in diesem Programm einbegriffen."
Damit kein Mißverständnis möglich sei über den Zweck, um den es sich handelte, wird eine Organisation verlangt, wonach
„womöglich in jedem Urwahlbezirk eine Sektion bestehen soll für die Erleichterung der politischen Aktion ... in jeder Stadt muß ein städtisches Komitee, dem bestehenden Stadtrat entsprechend, existieren, in jedem Staat ein Staatskomitee, entsprechend den gesetzgebenden Räten des Staates, und für die ganze Nation ein Nationalkomitee, entsprechend dem Kongreß der Vereinigten Staaten ... Die Arbeit der Internationale
schließt nichts Geringeres ein, als die Bildung, innerhalb der bestehenden Formen, einer neuen Regierungsform, die die alten zu ersetzen bestimmt ist."
Also nicht die Grundlagen des bestehenden Staates umzuwälzen, sondern ihn auszubeuten war hiernach der Beruf der Internationalen. Herr West hatte in der Tat recht, als er („Woodhull & Cl.Weekly", 2. März 1872) ausrief:
„Die Erlassung des Manifests von Sektion 12 war der Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der Internationalen!"
Um diese „neue Ära" durchzuführen, war es vor allem nötig, die Fesseln der bisher unbestritten zu Recht bestehenden Generalstatuten und Kongreßbeschlüsse abzuschütteln. Demgemäß proklamierte Sektion Nr. 12 („W. &C. Weekly", 21. Oktober 1871)
„das unabhängige Recht jeder Sektion, die Kongreßbeschlüsse, die Statuten und Verordnungen des Generalrats" (soll heißen die Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Assoziation1) „frei auszulegen, indem jede Sektion für ihr eigenes Auftreten verantwortlich ist". Der Unfug wurde jetzt zu arg. Statt Arbeitersektionen bildeten sich Sektionen aller möglichen bürgerlichen Schwindler, freier Liebenden, Geisterklopfer, geisterklopfender Shakerst1291 usw., und so erließ Sektion Nr. 1, die erste in Amerika gebildete Sektion der Internationalen (Deutsche), endlich einen Aufruf, worin der wesentlich proletarische Charakter der Assoziation, gegenüber diesem Schwindel, hervorgehoben wurde. Die amerikanische Muttersektion Nr. 12 antwortete sofort. In „W. &C.W." vom 18.November 1871 erklärt sie durch ihren Sekretär West:
„Die Ausdehnung des gleichen Bürgerrechts auf die Frauen muß in der ganzen Welt vorhergehen jeder allgemeinen Veränderung im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit... Die Sektion Nr. 12 muß ebenfalls sich erheben gegen die falsche Annahme, die den ganzen Protest" (der Sektion 1) „durchdringt, als sei die Internationale ArbeiterAssoziation eine Organisation der Arbeiterklasse." Am 25. November folgt ein neuer Protest der Sektion 12, worin es heißt:
„Die Behauptung" (der Generalstatuten), „daß die Arbeiterklasse nur durch sie selbst emanzipiert werden kann, ist nicht zu leugnen, aber sie ist wahr bloß in dem Sinn, daß die Arbeiterklasse nicht gegen ihren eigenenWillen emanzipiertwerden kann."t1301 Der Krieg kam endlich zum Ausbruch zwischen den Staatsausbeutern, Stellenjägern, Freiliebenden, Geisterklopfern und anderen bürgerlichen
Schwindlern auf der einen Seite, und auf der andern den Arbeitern, die in ihrer Einfalt sich in der Tat eingebildet hatten, die Internationale ArbeiterAssoziation sei, auch in Amerika, eine Organisation nicht der Bourgeois, sondern der Arbeiterklasse. Die deutsche Sektion Nr. 1 verlangte vom Zentralkomitee die Entfernung der Sektion 12 und die Ausschließung der Delegierten aller Sektionen, die nicht aus mindestens zwei Dritteln von Lohnarbeitern beständen. Auf diese Forderung hin spaltete sich das Zentralkomitee; ein Teil der Deutschen und die Irländer nebst einigen Franzosen unterstützten die Sektion 1, während die Amerikaner nebst der Mehrzahl der französischen und zwei deutschen (Schweitzerschen) Sektionen ein neues Zentralkomitee bildeten. Das alte Komitee (das wir Nr.I nennen) erließ am 4. Dezember ein Zirkular[131], worin es die Sachlage folgendermaßen schildert: „In dem Zentralkomitee, welches eine Abwehr gegen alle Reformschwindeleien sein sollte, bestand schließlich die Majorität aus schon beinahe in Vergessenheit geratenen Reformatoren und Volksbeglückern, und so kam es, daß die Leute, die das Evangelium der freien Liebe predigten, brüderlichst neben denen saßen, welche die ganze Welt mit einer gemeinsamen Sprache beglücken wollen; Landkooperativgesellschafter, Geisterklopfer, Atheisten und Deisten, jeder suchte sein Steckenpferd zu reiten. Namentlich Sektion 12 (Woodhull) ... Der erste Schritt, welcher hier getan werden muß, um die Bewegung zu fördern, ist: zu organisieren und gleichzeitig das revolutionäre Element anzuregen, welches in dem Gegensatz der Interessen des Arbeiters und des Kapitalisten liegt... Die Delegierten der Sektionen 1, 4, 5, 7, 8, 11, 16, 21, 23, 24, 25 und andere Sektionen, nachdem sie gesehen, daß alles Bemühen, diesem Unfug zu steuern, vergeblich war, beschlossen deshalb nach unbestimmter Vertagung des alten Zentralkomitees (3. Dezember 1871) ein neues zu gründen, Welches aus wirklichen Arbeitern besteht." Inzwischen tagte das Zentralkomitee Nr.II (Woodhull) ebenfalls fort und füllte sich mit einer Menge Delegierten von angeblichen neuen Sektionen, gestiftet hauptsächlich durch Sektion 9 und 12, aber meist so schwach, daß sie kaum hinreichend Mitglieder hatten, um nur die notdürftigsten Beamtenstellen (Sekretär, Kassierer etc.) zu besetzen. Beide Komitees appellierten an den Londoner Generalrat. Inzwischen zogen verschiedene Sektionen (z.B. die französische Nr. 10 und sämtliche irische Sektionen) sich bis zur Entscheidung des Generalrats von beiden Komitees zurück. Am 5. und 12. März faßte der Generalrat seine bereits im „Volksstaat" (Nr.37) veröffentlichten Beschlüsse.1 Sie suspendierten Sektion 12, rieten
zur Vereinigung beider Komitees bis zu einem amerikanischen Kongreß, der in der Sache entscheiden werde, und empfahlen für die Zukunft die Abweisung aller Sektionen, die nicht mindestens zwei Drittel Lohnarbeiter zählten. Diese Beschlüsse, trotz ihrer aus guten Gründen fast ausschließlich empfehlenden Form, entschieden das Schicksal der Internationalen in Amerika. Indem sie der Sache nach dem Komitee Nr. I recht gaben, machten sie es den Bourgeois des Komitees Nr.II unmöglich, fernerhin den Namen der Internationalen für ihre besondern Zwecke auszubeuten. Seit dem Eintritt der Spaltung hatte das Komitee Nr. II in direkter Verletzung des Londoner Konferenzbeschlusses Nr. I7[1321, welcher gebot, alle inneren Angelegenheiten der Assoziation nur innerhalb der Sektionen und Föderationen und nicht vor dem großen Publikum zu behandeln, die Berichterstatter der New-Yorker Presse zu allen seinen Verhandlungen zugezogen und dafür gesorgt, daß die ganze Angelegenheit in den verrufensten Bourgeoisblättern besprochen wurde. Dasselbe geschah jetzt, als dies Komitee gegen den Generalrat losfuhr, den berückt zu haben es sich eingebildet hatte. Die gemeinsten Blätter von New York, wie der „Herald"ll33] usw., wurden durch Komitee Nr. II in den Stand gesetzt, zu erklären, die ganze Sache sei ein Streit zwischen Deutschen und Franzosen, Kommunismus und Sozialismus usw., und die Gegner der Arbeiter in New York jubelten über die angebliche Vernichtung der Internationalen in Amerika. Dabei blieb aber das Komitee Nr. II stets besorgt, der Welt mitzuteilen, daß die Internationalen keine Arbeiter-, sondern eine Bourgeoisgesellschaft sei. Schon am 16. Dez. 1871 hatte ihr Organ, „Woodhull & Claflin's Weekly", erklärt:
„Bei unserm Komitee braucht nicht nachgewiesen zu werden, daß zwei Drittel oder irgendwelcher Bruchteil einer Sektion Lohnsklaven sind, als ob es ein Verbrechen Wäre, frei zu sein"; und am 4. Mai 1872 erklärt es wieder:
„ In dem Dekret des Generalrats entblödet man sich nicht zu empfehlen, daß in Zukunft keine amerikanische Sektion zugelassen werden soll, die nicht mindestens aus zwei Drittel Lohnsklaven besteht. Müssen sie auch politische Sklaven sein? Das eine ist so gut wie das andere. Die Eindrängung von .Schwindelreformatoren, Volksbeglückern, Bourgeoisquacksalbern und politischen Schacherern' ist gerade am meisten zu befürchten von derjenigen Klasse von Bürgern, die von nichts anderem zu leben haben, als vom Ertrag der Lohnsklaverei."
Das Komitee Nr. II hatte hiermit, nach einer Seite hin, sein letztes Wort gesprochen. Nicht nur war es eine Albernheit zu glauben, die Internationale
Arbeiter-Assoziation sei eine Vereinigung von Arbeitern - noch mehr, sie kann erst ihren Zweck recht erfüllen, wenn sie alle Arbeiter, alle Lohnsklaven ausschließt oder wenigstens für verdächtig erklärt. Und welches ist denn der Zweck der Internationalen Arbeiter-Assoziation (ohne Arbeiter) in Amerika? Auch dies wird uns jetzt klargemacht. Die Wahlen für einen neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten rückten heran. Das unvermeidliche Damenblatt „W. & C.W." vom 2.März 1872 enthält einen Artikel, betitelt: „Die bevorstehende vereinigte Konvention", worin es heißt:
„Es wird jetzt ein Vorschlag beraten von den Vertretern der verschiedenen reformatorischen Elemente des Landes, eine große Gesamtversammlung im Mai hier abzuhalten ... In der Tat, wenn diese Versammlung klug handelt, wer weiß, ob nicht die Reste der verstorbenen demokratischen" (d.h. sklavereifreundlichen) „Partei ans Tageslicht kommen und daran teilnehmen ... Alle Radikalen sollten dort vertreten sein" usw.
Dasselbe Blatt enthält nun Woche auf Woche Aufrufe an alle Weltverbesserer,
„Arbeits-, Grundbesitz-, Friedens- und Mäßigkeitsreformer, Internationale, Frauenstimmrechtsdoktoren und alle, die da glauben, daß die Zeit gekommen ist, die Prinzipien wahrer Moralität und Religion (!) auszuführen",
unterzeichnet zuerst von Victoria Woodhull, dann von Th. H. Banks, R.W.Hume, G.R. Allen, W.West, G.W.Maddox.T.Millot, kurz von den Hauptleuten des Komitees Nr. II. In allen diesen Aufrufen wird ausdrücklich gesagt, daß die Delegiertenversammlung Kandidaten für die Präsidentenschaft und Vizepräsidentenschaft der Vereinigten Staaten aufstellen wird. Endlich am 9., 10. und 11 .Mai findet in der Apollo-Halle in New York diese ungeheuerliche Delegiertenversammlung statt. Alle männlichen und weiblichen Querköpfe Amerikas waren dort vereinigt. Das Komitee Nr. II war in Masse gegenwärtig. Man beschloß als Kandidatin für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten Frau Victoria Woodhull aufzustellen, und zwar im Namen der Internationalen! Das schallende Gelächter von ganz Amerika antwortete hierauf. Die bei der Sache interessierten spekulierenden Amerikaner ließen sich dadurch natürlich nicht irremachen. Anders mit den Deutschen und Franzosen, die sich hatten hineinreiten lassen. Sektion 2 (französisch) setzte ihren Delegierten zum Komitee Nr. II ab und unterwarf sich den Beschlüssen des
Generalrats. Sektion 6 (deutsch) setzte ebenfalls ihren Delegierten vom selben Komitee Nr. II, Dr. Große, Exprivatsekretär des Berliner Schweitzer, ab und zog sich vom Komitee Nr.II zurück, bis es sich den Generalratsbeschlüssen unterwerfe. Am 20.Mai zogen sich weitere acht Sektionen Franzosen und Deutsche - vom Komitee Nr.II zurück, das jetzt nur noch die bekannten zweideutigen amerikanischen Elemente vertritt, die in der Tat schon vor ihrem Eintritt in die Internationale zusammengehört hatten Madame Victoria Woodhull nebst Zubehör. Diese erklären jetzt, daß sie eine aparte, ausschließlich amerikanische Internationale stiften wollen, was ihnen natürlich freisteht. Inzwischen hat der Generalrat auf die Anfrage der deutschen Sektion von Saint Louis und der französischen von Neu-Orleans erklärt, daß er nur das Komitee Nr. I (jetzt provisorischer Föderalrat der Vereinigten Staaten) anerkennt11341. Und damit hat der Feldzug der Madame Victoria Woodhull zur Eroberung der Internationalen sein letztes Absehen erreicht. Die „Emancipacion" fügt hinzu:
„Alle Unparteiischen müssen sich nach diesen Tatsachen fragen: wann und wie hätte dieser Skandal ein Ende genommen, wenn kein Generalrat existierte mit der Vollmacht, die Grundprinzipien der Internationalen aufrechtzuerhalten und Sektionen und Föderationen zu suspendieren, die die Assoziation in das Werkzeug ihrer politischen oder persönlichen Zwecke zu verwandeln versuchten."
Geschrieben um den 9. Juli 1872.
Friedrich Engels
An das Komitee für die Befreiung der arbeitenden Klassen in Parma11351
Aus Eurem Briefe vom 7. Juni, Poststempel vom 9. Juli, der hier am 13. Juli ankam, muß ich schließen, daß Eure Gesellschaft sich der großen Internationalen Arbeiterassoziation anzuschließen wünscht. Da Eure Statuten nichts enthalten, was den Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Assoziation widerspräche, liegt kein Hindernis für Eure Aufnahme vor. Es wird nur notwendig sein, daß Ihr die Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Assoziation anerkennt, wovon ich Euch beiliegend ein Exemplar in Französisch zusende (da es keine vollständige und authentische Ausgabe in Italienisch gibt). Habt die Freundlichkeit, darüber zu beschließen und im bejahenden Falle mir das Ergebnis mitzuteilen, damit ich das Nötige für Eure Aufnahme veranlassen kann.
Geschrieben am 18. Juli 1872. Nach der Handschrift. Aus dem Italienischen.
Karl Marx An die streikenden Bergarbeiter im Ruhrtal11361
[„Der Volksstaat" Nr. 60 vom 27. Juli 1872] Die deutsche Kapitalistenpresse verlangt von euch, ihr sollt eure Forderungen achtstündiger Schicht und 25 Prozent Lohnerhöhung fallenlassen und die Arbeit wiederaufnehmen, damit nicht die deutsche Industrie gezwungen werde, ihre Kohlen aus England kommen zu lassen, und so das deutsche Geld ins Ausland gehe, statt deutsche Arbeit zu bezahlen. Es ist dies das ewige Jammergeschrei der Bourgeois, sobald die Arbeiter sich auf ihre eigenen Füße stellen und irgendwelche Forderung zu ertrotzen versuchen. In England, wo diese alte Leier nun schon an die vierzig Jahre gespielt worden ist, achtet kein Mensch mehr darauf. In dem vorliegenden Falle aber ist es der Mühe wert nachzuweisen,daß die Kapitalistenpresse euch absichtlich täuschen will, wenn sie euch erzählt, die Hüttenbesitzer und Fabrikanten brauchten bloß nach England zu schreiben, um soviel Kohlen zu bekommen, wie sie nur wollen. In England hat der Kohlenverbrauch seit 1869 in bisher unerhörter Weise zugenommen, durch den allgemeinen Aufschwung der englischen Industrie, der seitdem eingetreten, die Zunahme der Fabriken, den vermehrten Konsum der Eisenbahnen, die reißende Vermehrung der SeeDampfschiffahrt - hauptsächlich jedoch durch die kolossale Ausdehnung der Eisenindustrie, die in den letzten drei Jahren alle früheren Perioden der Prosperität weit übertroffen hat. Die „Daily News" [1371, ein liberales Kapitalistenblatt (Nummer vom 15.1 Juli d.J.), sagt hierüber:
„Eine der Hauptursachen der gegenwärtigen Kohlenteuerung ist ohne Zweifel der plötzliche und beispiellose Aufschwung der Eisenindustrie. Der Norden von England liefert ungefähr den vierten Teil aller im Lande gewonnenen Kohlen. Ein großer Teil
derselben geht nach London und dem Süden und Osten von England; sehr viel wird auch für Dampfschiffe gebraucht; aber neuerdings hat die Entwicklung der Eisenhütten in Cleveland" (ganz in der Nähe der Zechen) „eine plötzliche Lokalnachfrage nach Kohlen geschaffen. Dies Wachstum eines Geschäftszweigs, der jetzt wohl nicht unter fünf bis sechs Millionen Tons* jährlich verbraucht, gab der Kohlengewinnung selbstredend eine gewaltige Hebung. Dazu kam der rasche Aufschwung im Hämatiteisenerz-Bezirk an der Westküste. Die Hochöfen von Cumberland und Lancashire beziehen ihren Brennstoff fast ausschließlich aus dem Kohlenbecken von Durham und brauchen, nach mäßiger Schätzung, anderthalb Millionen Tons im Jahr. Die im Bau begriffenen neuen Hochöfen, in Nordengland allein, werden jährlich drei Viertel Million Tons nötig haben. Dazu kommen neue Walzwerke und neue Hochöfen an der Westküste. Es ist daher nicht befremdlich, daß die Brennstoffrage im ganzen Norden von England bald eine Lebensfrage wurde, und es verstand sich, daß die Kohlenpreise rasch stiegen. In Süd-Staffordshire, Schottland, Süd-Wales, Derbyshire, West-Yorkshire und anderen Gegenden brachten dieselben Ursachen steigende Kohlenpreise zuwege." Unter diesen Umständen machten es die englischen Bergarbeiter wie ihr: Sie verlangten höheren Lohn und kürzere Arbeitszeit. Die englischen Bergwerksbesitzer, wie immer ihren deutschen Konkurrenten an Einsicht und Welterfahrung weit überlegen, widersetzten sich nicht ernstlich, sondern bewilligten alle Forderungen. Hört, was die „Daily News" weiter erzählt:
„Von Zeit zu Zeit wurde der Lohn erhöht ... Die Bergarbeiter verlangten ferner eine systematische Verkürzung der Arbeitszeit. Es wird nun von Fachleuten behauptet, daß ein Arbeiter jetzt nur 3/s von dem Kohlenquantum gewinnt, das er früher bei flauem Geschäft und niedrigerem Lohn gewann. Dafür könnte man mehr Arbeiter anstellen; aber diese sind eben nicht im Augenblick zu haben. Allerdings hat man manche aus den Ackerbaubezirken kommen lassen; aber Häuer haben eine lange Lehrzeit nötig, und die Abhülfe kann hier also nur iangsam und allmählich eintreten. Augenblicklich haben die Arbeiter in einigen Gegenden die Beschränkung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich durchgesetzt, während überall Lohnerhöhungen so rasch aufeinanderfolgen, daß kein Ausweg übrig scheint als höhere Kohlenpreise."
Dazu kommt noch ein anderer Umstand. Die obersten Kohlenflöze sind in fast ganz England erschöpft, und es muß immer- tiefer gebaut werden. Hört wieder den Artikel der „Daily News":
„Die besten Lagen dieser wertvollen Kohlenflöze in Süd-Staffordshire sind ihres Inhalts beraubt. In vielen Gegenden dieses einst kohlenreichen Strichs sind die Zechen erschöpft, und die Halden werden immer mehr wieder in Acker- und Weideland verwandelt, obwohl noch Tausende von Morgen" (Halden) „öde liegen. Indes sind die
Hülfsquellen des Bezirks noch nicht erschöpft. Tiefere Schächte rings um das alte Kohlengebiet werden angelegt ... Aber wie die Dinge liegen, wird es, selbst mit den neuesten Hülfsmitteln, immer kostspieliger, die Kohlen zu heben, wozu noch kommt, daß die Zechen weiter von den Hüttenwerken abliegen ... Was wir von Süd-Staffordshire gesagt haben, gilt von vielen anderen Gegenden. Die Kohlen müssen aus größerer Tiefe geholt und auf weiten Entfernungen bis zu ihrem Bestimmungsort transportiert werden."
Die Folge davon ist, daß die Kohlenpreise sich, für Abnahme an der Zeche, wie „Daily News" sagt, „verdoppelt haben", und daß eine wahre Kohlennot eingetreten ist, die die Aufmerksamkeit des ganzen Landes in Anspruch nimmt. Ein anderes Blatt, das ökonomische Hauptblatt der englischen Kapitalisten, der „Economist"11381 vom 13.1 Juli, sagt:
„Seit Anfang dieses Jahres sind die Kohlen unaufhörlich im Preis gestiegen, bis sie jetzt zwischen 60 und 100 Prozent teurer sind als vor einem Jahr ... Ehe noch ein oder zwei Wochen vergehen, kann der Aufschlag weit mehr als 100 Prozent betragen, ohne daß irgendein ernstliches Zeichen da wäre, daß er nicht noch weitergehen werde. Die Kohlenausfuhr im Juni d.J. war 1 108000 Tons oder 4 Prozent mehr als im Juni v.J., aber ihr Wert war 758 000 Pfd. Sterling oder 53 Prozent mehr. Dies Jahr war der Wert der im Juni ausgeführten Kohlen durchschnittlich 13 Schilling 9 Pence" (oder 4 Taler 177a Gr.) „pro Ton; voriges Jahr 9 Schilling 4 Pence" (oder 3 Tlr. 31/2 Gr.). Der „Spectator"1139ein drittes Kapitalistenblatt (20. Juli), führt ebenfalls an, daß in London gute Hauskohlen von 23 Schilling oder 7 Tlr. 20 Gr. auf 35 Schilling oder 11 Tlr. 20 Gr. gestiegen sind. Aus diesen Tatsachen könnt ihr ersehen, was es auf sich hat mit den Drohungen der Hüttenbesitzer und Fabrikanten, ihre Kohlen aus England zu beziehen. Herr Alfred Krupp mag soviel Ukase erlassen, wie er will, die englischen Kohlen wird er teurer bezahlen müssen als Ruhrkohlen, und es ist sehr die Frage, ob er sie überhaupt bekommt. In meiner Stellung als Sekretär des Generalrats der Internationalen Arbeiter-Assoziation für Deutschland habe ich es für meine Schuldigkeit gehalten, diese Tatsachen zu eurer Kenntnis zu bringen. Karl Marx London, 2I.Juli 18722
1 Im „Volksstaat" irrtümlich: 20. -2 im „Volksstaat" irrtümlich: 1871
Karl Marx [Antwort auf den zweiten Artikel Brentanos11401]
[„Der Volksstaat" Nr. 63 vom 7. August 1872] An die Redaktion des „Volksstaat"
In der „Concordia" vom 4. Juli sucht mir der deutsche Fabrikantenbund zu beweisen, daß seine „Gelehrten" sich nicht minder trefflich auf Prüfung literarischer Ware verstehen, als er selbst auf Warenfälschung. Mit Bezug auf die in der Inauguraladresse der Internationalen angeführte Stelle aus Gladstones Budgetrede vom 16. April 1863 hatte das Fabrikantenorgan (Nr. 10) gesagt: „Marx hat den Satz formell und materiell hinzugelogen." Es erklärte also den Satz nach Form und Inhalt, mit Haut und Haar, für mein Fabrikat. Noch mehr. Es wußte ganz genau, wie ich ihn fabriziert hatte. „Die Tatsache, daß Gladstone", erörterte es, „dies etc. anführt, benutzt Marx, um Gladstone sagen zu lassen etc." Durch Zitat desselben Satzes aus einer Vor der Inauguraladresse veröffentlichten Schrift, der „Theory of Exchanges"[116), legte ich die grobe Lüge des Fabrikantenorgans bloß.1 Es verschrieb darauf, wie es selbst erzählt, die ihm unbekannte Schrift aus London und überzeugte sich von dem Tatbestand. Wie nun sich herauslügen? Man höre:
„Indem wir sagten, Marx habe den fraglichen Satz zur Gladstoneschen Rede hinzugelogen, haben wir weder formell noch materiell behauptet, daß er ihn auch selbst fabriziert habe." Hier findet offenbar eine dem Fabrikantenverstand eigentümliche Begriffsverwechselung statt. Wenn der betrügerische Fabrikant z.B., im Einverständnis mit Geschäftsfreunden, Röllchen Band in die Welt schickt, die
angeblich drei Dutzend, wirklich aber nur zwei Dutzend Ellen enthalten, so hat er in der Tat ein Dutzend Ellen hinzugelogen, grade weil er sie „nicht selbst fabriziert hat". Und warum sollte es sich mit hinzugelogenen Sätzen nicht verhalten wie mit hinzugelogenen Ellen? „Der Geist der großen Mehrzahl der Menschen", sagt Adam Smith, „entwickelt sich notwendig aus und an ihren Alltags Verrichtungen" [141], also auch der Fabrikantengeist, Vermittelst des „Volksstaat" hatte ich das Gelehrsamkeitsmaterial des Fabrikantenorgans ausgeweitet, nicht nur durch das Zitat der „Theory of Exchanges", sondern auch der Seiten meiner Schrift „Das Kapital", die Gladstones Budgetreden betreffen. Es sucht nun aus dem ihm von mir gelieferten Material zu beweisen, daß ich die streitige Stelle nicht aus einer „Londoner Zeitung" zitiert habe, sondern aus der „Theory of Exchanges". Die Beweisführung ist ein anderes Muster von Fabrikantenlogik. Ich erzählte dem Fabrikantenblatt, daß die „Theory of Exchanges" auf Seite 134 ganz so zitiert, wie ich zitiere, und es entdeckt - daß ich ganz so zitiere, wie die „Theory of Exchanges'auf Seite 134 zitiert. Weiter!
„Auch die Glossen, welche Marx über den in dieser Lesart enthaltenen Widerspruch an ihre Wiedergabe knüpft, sind bereits in jenem Buch enthalten." Dieses ist einfach gelogen. Ich knüpfe pag. 639 des „Kapital" meine Glossen an die Worte der Gladstoneschen Rede: „Während die Reichen reicher, sind die Armen jedenfalls weniger arm geworden. Daß die Extreme der Armut sich vermindert haben, wage ich nicht zu sagen." Was ich hierzu bemerke, ist: „Welche lahme Antiklimax! Wenn die Arbeiterklasse ,arm* geblieben, nur .weniger arm' im Verhältnis, worin sie ,eine berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht' für die Klasse des Eigentums produzierte, so ist sie relativ gleich arm geblieben. Wenn die Extreme der Armut sich nicht vermindert haben, haben sie sich vermehrt, weil die Extreme des Reichtums." 11421 Und diese „Glossen" stehen nirgendwo in der „Theory of Exchanges".
„Auch die Glossen ... sind bereits in jenem Buch enthalten, namentlich auch das in Note 105 auf S. 640 des .Kapital' gegebene Zitat aus Moliere." I143l Also „namentlich auch" zitiere ich Moliere und überlasse den „Gelehrten" der „Concordia" auszuspüren und dem Publikum zu verraten, daß dies Zitat aus der „Theory of Exchanges" herrührt! In der Tat aber sage ich Note 105 S.640 des „Kapital" ausdrücklich, daß der Verfasser der „Theory of Exchanges" „die fortlaufenden schreienden Widersprüche in Gladstones Budgetreden" durch „folgendes Zitat aus Moliere charakterisiert".
Endlich: „... ebenso stehen die von Marx zitierten Angaben des London Orphan Asylum1 über die Verteuerung der Lebensmittel auf S. 135 jenes Buches, für deren Richtigkeit Marx sich jedoch nicht auf dieses, sondern auf dessen Quellen beruft (siehe ,Das Kapital', S. 640, Note 104)." Die „Concordia" vergißt wohlweislich, ihren Lesern zu sagen, daß „jenes Buch" keine Quellen angibt. Was wollte sie beweisen? Daß ich dem „Buch" eine Stelle aus Gladstones Rede ohne Kenntnis seiner Quelle entnehme. Und wie beweist sie es? Dadurch, daß ich eine wirkliche Anführung aus jenem Buch unabhängig von ihm durch die Originalquellen kontrolliere! Über mein Zitat aus Prof. Beeslys Artikel in der „Fortnightly Review" (Novemberheft 1870) bemerkt die „Concordia":
„Jener Artikel des Prof. Beesly handelt nämlich von der Geschichte der Internationale und ist, wie der Verfasser jedem Fragenden selbst sagt, auf Grundlage von Material geschrieben, daß Marx ihm selbst geliefert hat." Prof. Beesly sagt:
„Niemandem ist der Erfolg der Assoziation so sehr geschuldet, als dem Dr. Karl Marx, der in seiner Kenntnis der Geschichte und der Statistik der industriellen Bewegung in allen Teilen Europas, nach meinem Dafürhalten, keinen Rivalen hat. Ich bin ihm in großem Umfang (largely) für die in diesem Artikel enthaltene Information verpflichtet." Alles Material, das ich dem Prof. Beesly geliefert, bezog sich ausschließlich auf die Geschichte der Internationalen und mit keinem Wort auf den Inhalt der ihm seit ihrer Herausgabe bekannten Inauguraladresse. Der Zusammenhang, worin seine obige Bemerkung steht, ließ hierüber so wenig den geringsten Zweifel zu, daß die „Saturday Review", in einer Kritik seines Artikels11441, mehr als andeutet, er selbst sei der Verfasser der Inauguraladresse.* Die „Concordia" behauptet, nicht Prof. Beesly zitiere die fragliche Stelle aus Gladstones Rede, sondern führe nur an, „daß die Inauguraladresse jenes Zitat enthalte". Sehen wir zu. Prof. Beesly sagt:
„Die Adresse ist wahrscheinlich die schlagendste und gewaltigste Darlegung der Sache des Arbeiters gegen die Mittelklasse, die jemals in ein Dutzend kleiner Seiten
* Professor Beesly machte mich schriftlich auf dies quid pro quo aufmerksam.
zusammengepreßt worden ist. Ich wünsche, ich hätte Platz für reichliche Auszüge daraus." Nachdem er der „fürchterlichen Statistik der Blaubücher" erwähnt, worauf sich die Adresse beruft, fährt er fort: „Von dieser schauderhaften Statistik geht die Adresse über zu den offiziellen Angaben über die Einkommensteuer, woraus erhellte, daß das besteuerbare Einkommen des Landes in acht Jahren um 20 p.c. zunahm, ,eine berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht', wie Herr Gladstone bemerkte, .ganz und gar beschränkt auf die besitzenden Klassen'." Prof. Beesly setzt die Worte: - wie Herr Gladstone bemerkte außer Anführungszeichen, sagt sie im eignen Namen und beweist eben dadurch der „Concordia" haarscharf, daß er Gladstones Budgetrede - nur aus dem Zitat der Inauguraladresse kennt! Des deutschen Fabrikantenbundes Londoner Geschäftsfreund, er allein kennt Gladstones Budgetreden, wie auch er ganz allein weiß: „Leute mit einem Einkommen unter 150 Pfd.St. zahlen nämlich in England keine Einkommensteuer." (Siehe Nr. 10 und 27 der „Concordia".) Dagegen leiden englische Steuereinnehmer an der fixen Idee, daß selbige Steuer erst bei Einkommen unter 100 Pfd.St. aufhört. Über die streitige Stelle der Inauguraladresse hatte das Fabrikantenblatt gesagt: „Dieser Satz befindet sich aber nirgends in der Gladstoneschen Rede." Ich bewies das Gegenteil durch Zitat aus dem „Times "-Bericht vom 17. April 1863. Ich gab das Zitat im „Volksstaat" englisch und deutsch, weil Gladstones Beteuerung, er „würde beinahe mit Besorgnis und Pein auf diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht blicken, wenn er sie beschränkt glaubte auf classes who are in easy circumstances", des Kommentars bedurften. Mit Berufung auf Wakefield erklärte ich, daß die „classes who are in easy circumstances" - ein Ausdruck, dem kein deutsches Wort genau entspricht - den „eigentlich reichen", den „wirklich wohlhabenden Teil" der besitzenden Klassen bedeuten. Wakefield nennt sogar direkt die eigentliche Mittelklasse „the uneasy class", annähernd zu deutsch: „die ungemächliche Klasse".* Das biderbe Fabrikantenorgan unterschlägt nicht nur meine Auseinandersetzung. Indem es die von mir zitierte Stelle mit den Worten anführt: „So weit zitiert Marx die .Times'", gibt es seinen Lesern zu verstehen, daß es nach meiner Übersetzung zitiert, während es in der Tat „classes who are
*„The middle or uneasy class" („England and America", London 1833, v. I, p.185).[ml
in easy circumstances", von mir abweichend, nicht mit „wohlhabenden Klassen" übersetzt, sondern mit „Klassen, die sich in angenehmen Verhältnissen befinden" .Ks traut seinen Lesern noch Verstand genug zu, einzusehen, daß nicht alle Bestandteile der besitzenden Klasse „wohlhabend" sind, während es ihnen doch stets als ein „angenehmes Verhältnis" gilt, Eigentum zu besitzen. Aber auch in der Übersetzung meines Zitats, wie die „Concordia" sie gibt, bezeichnet Gladstone den von ihm beschriebenen Fortschritt des kapitalistischen Reichtums als „diese berauschende Vermehrung Von Reichtum und Macht", bemerkt, daß er dabei „gar keine Notiz von der Lage der Arbeiterbevölkerung genommen", und schließt damit, daß diese „Vermehrung lediglich auf die Klassen beschränkt ist, die Eigentum besitzen". Nachdem der „Gelehrte" des deutschen Fabrikantenbundes so den Gladstone im Bericht der „Times" vom 17. April 1863 „formell und materiell" dasselbe hat sagen lassen, was ich ihn in der Inauguraladresse sagen ließ, schlägt er sich auf die gesinnungsstrotzende Hochbrust und poltert:
„Aber trotzdem... hat Marx die Stirne, im ,Volksstaat' vom l.Juni zu schreiben: ,Formell und materiell erklärte also Herr Gladstone am 16. April 1863 im Unterhause, nach dem Bericht seines eigenen Organs, der .Times' vom 17.April 1863, daß: diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht ganz und gar beschränkt ist auf Eigentumsklassen.'"
Der „Gelehrte" des deutschen Fabrikantenbundes weiß offenbar ganz genau, was er seinem Lesepublikum bieten darf 1 Ich bemerkte im „Volksstaat" vom I.Juni, daß die „Concordia" ihren Lesern weiszumachen sucht, ich unterschlüge in der Inauguraladresse Gladstones Phrasen über die Hebung der britischen Arbeiterklasse, während ich dort gerade umgekehrt den größten Nachdruck auf den schreienden Widerspruch dieser Deklamation mit den amtlich festgesetzten Tatsachen legte. In seiner Antwort vom 4. Juli wiederholt das Fabrikantenblatt dasselbe Manöver. „So weit", sagt es, „zitiert Marx die .Times'; wir zitieren sie weiter." Ich hatte ihm gegenüber in der Tat nur die streitige Stelle zu zitieren. Doch sehn wir uns einen Augenblick „das Weitere" an. Nachdem Gladstone seinen Hymnus auf die Vermehrung des kapitalistischen Reichtums ausgesungen, wendet er sich zur Arbeiterklasse. Er sagt beileibe nicht, sie habe an der „berauschenden Vermehrung von Reichtum und Macht" teilgenommen. Er fährt, nach dem „Times"-Bericht, vielmehr unmittelbar fort mit den Worten: „Die Vermehrung des Kapitals ist aber von indirektem Vorteil für den Arbeiter etc." Er tröstet sich ferner damit, „daß, während die Reichen reicher, die Armen weniger arm geworden sind". Er
beteuert endlich, er und seine bereicherten Parlamentsfreunde „seien so glücklich, zu wissen", wovon die parlamentarischen Untersuchungen und statistischen Nachweise das Gegenteil wissen, nämlich „daß die Durchschnittslage des britischen Arbeiters sich während der letzten 20 Jahre in einem Grad verbessert hat, von dem wir wissen, daß er außerordentlich ist - und den wir beinahe für beispiellos in der Geschichte aller Länder und Zeiten erklären können". Vor Herrn Gladstone waren alle seine Vorgänger im Amt „so glücklich", in ihren Budgetreden die Schilderung der Zunahme des kapitalistischen Reichtums durch selbstzufriedene Redensarten über die Verbesserung in der Lage der Arbeiterklasse zu ergänzen. Trotzdem straft er sie allzusamt der Lüge, da das Tausendjährige Reich erst seit der Einführung der Freihandelsgesetzgebung angebrochen. Doch handelt es sich hier nicht um die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gladstoneschen Trost- und Kongratulationsgründe. Es handelt sich einfach darum, daß von seinem Standpunkt die angebliche „außerordentliche" Verbesserung in der Lage der Arbeiterklasse durchaus nicht im Widerspruch steht mit der „berauschenden Vermehrung von Reichtum und Macht, die ganz und gar auf die besitzenden Klassen beschränkt ist". Umgekehrt. Es ist die orthodoxe Lehre der Wortführer des Kapitals - und einer seiner bestbezahlten Wortführer ist Herr Gladstone -, daß das probateste Mittel für die Arbeiter, sich selbst wohlzutun, darin besteht, ihre Exploiteurs zu - bereichern. Die schamlose Albernheit oder alberne Schamlosigkeit des Fabrikantenorgans gipfelt in der Versicherung: „Der Bericht der .Times' gibt nur formell mehr zusammengezogen, was der stenographische Bericht bei Hansard dem Wortlaut nach gibt."* Man sehe sich nun dieses Bild an und jenes:
I Aus Gladstones Rede Vom 16. April 1863, gedruckt in der „Times" vom 17. April 1863.
„So steht's mit dem Reichtum dieses Landes. Ich für meinen Teil muß sagen, ich würde beinahe mit Besorgnis und mit Pein auf diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht blicken, wenn
II Aus Gladstones Rede vom 16. April 1863, gedruckt im Hansard, Band 170, Parlamentsverhandlungen vom 27. März bis 28. Mai 1863. „So steht's mit dem allgemeinen Fortschritt der Akkumulation; aber ich für meinen Teil muß sagen, ich würde mit einem gewissen Grad von Pein und mit viel Besorgnis auf dies außerordentliche und
* Das Fabrikantenblatt scheint in der Tat zu glauben, daß die großen Londoner Blätter keine Stenographen für ihre Parlamentsberichte anwenden.
8 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
ich sie auf die wirklich wohlhabenden Klassen (classes who are in easy circumstances) beschränkt glaubte. Es ist hier gar keine Notiz genommen von der Lage der arbeitenden Bevölkerung. Die Vermehrung, die ich beschrieben habe... ist eine Vermehrung, ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen. Aber die Vermehrung des Kapitals ist ein indirekter Vorteil für den Arbeiter etc."
beinahe berauschende Wachstum blicken, wenn ich es beschränkt glaubte auf die Kategorie von Personen, die als in gemächlichen Verhältnissen beschrieben werden können (the class of persons who maybe described as in easy circumstances). Die Zahlen, welche ich angeführt habe, nehmen wenig oder gar keine Notiz von der Lage derer, die keine Einkommensteuer zahlen, oder in andren Worten, hinreichend genau für die Wahrheit im allgemeinen (1), nehmen sie keine Notiz von dem Eigentum (!) der Arbeiterbevölkerung oder (!) von der Zunahme ihres Einkommens. Indirekt, in der Tat, ist die bloße Vermehrung des Kapitals von dem äußersten Vorteil für die Arbeiterklasse etc."
Ich überlasse dem Leser selbst, den geschraubten, verklausulierten, verzwickten Circumlocution-Office- (Um-die-Sache-herumschreibungsbüro-) Stil der Ausgabe im Hansard mit dem „Times"-Bericht zu vergleichen. Hier genügt die Festsetzung der Tatsache, daß die Worte des „Times"Berichts „Diese berauschende Vermehrung Von Reichtum und Macht..., die Vermehrung, die ich beschrieben habe,... ist eine Vermehrung, ganz und gar beschränkt auf Eigentumsklassen" im Hansard teils verstümmelt, teils ganz unterdrückt sind. Ihr emphatischer „ Wortlaut" entschlüpfte keinem Ohrenzeugen. Zum Beispiel: „MorningStar" [145i,/7. Aprill863. (GladstonesBudgetrede vom 16. April 1863.)
„ Ich für meinen Teil muß sagen, ich würde mit Besorgnis und mit Pein auf diese berauschende Vermehrung Von Reichtum und Macht blicken, wenn ich sie auf die wirklich wohlhabenden Klassen (classes who are in easy circumstances) beschränkt glaubte. Dieser große Zuwachs von Reichtum (this great increase of wealth) nimmt gar keine Notiz von der Lage der Arbeiterbevölkerung. Die Vermehrung ist eine Vermehrung (the augmentation is an augmentation), ganz und gar beschränkt auf die Klassen, die Eigentum besitzen (entirely confined to the classes possessed of property). Aber diese Vermehrung (But that augmentation) muß von indirektem Vorteil für die Arbeiterbevölkerung sein etc." „Morning Advertiser"llm, 17. April 1863. (Gladstones Budgetrede Vom 16. April 1863). „ Ich für meinen Teil muß sagen, ich würde beinahe mit Besorgnis und mit Schrekken (alarm) auf diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht blicken, wenn
ich sie auf die wirklich wohlhabenden Klassen (classes who are in easy circumstances) beschränkt glaubte. Dieser große Zuwachs von Reichtum nimmt gar keine Notiz von der Lage der Arbeiterbevölkerung. Die erwähnte Vermehrung (The augmentation stated) ist eine Vermehrung, ganz und gar beschränkt auf Klassen, die Eigentum besitzen (classes possessed of property). Diese Vermehrung (This augmentation) muß von indirektem Vorteil für die Arbeiterklasse sein etc."
Gladstone hat also die von ihm im Unterhause am 16. April 1863 gesagten Worte: „Diese berauschende Vermehrung Von Reichtum und Macht... ist eine Vermehrung ganz und gar beschränkt auf die besitzenden Klassen" nachträglich wegstibitzt in der halbamtlichen Hansardschen Ausgabe seiner Rede. Die „Concordia" fand sie daher nicht in dem vom Londoner Geschäftsfreund übermachten Auszug und stieß ins Horn:
„Dieser Satz befindet sich aber nirgends in der Gladstoneschen Rede. Marx hat den Satz formell und materiell hinzugelogen." Kein Wunder, daß sie mir jetzt vorheult, es sei kritische „Sitte", die Parlamentsreden zu zitieren, wie sie amtlich gefälscht und nicht wie sie wirklich gehalten werden. Solche „Sitte" entspricht in der Tat der „allgemeinen" Berliner „Bildung" und dem beschränkten preußischen Untertanenverstand des deutschen Fabrikantenbundes. Zeitmangel zwingt mich, meinen angenehmen Umgang mit ihm ein für allemal abzubrechen, doch zum Abschied noch eine Nuß zu knacken für seine „Gelehrten". In welchem Artikel machte der Mann und wie hieß der Mann, der einem der „Concordia" allermindest ebenbürtigen Gegner die inhaltsschweren Worte zurief: „Asinus manebis in secula seculorum" *? Karl Marx London, 28. Juli 1872
* „Du wirst ein Esel bleiben von Ewigkeit zu Ewigkeit"1
Friedrich Engels
Der Generalrat an alle Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation047
Bürger! Der Generalrat sieht sich genötigt, Euch öffentlich das Bestehen von Intrigen innerhalb der Internationale anzuzeigen, die, obwohl sie seit mehreren Jahren gesponnen werden, von der Mehrzahl von Euch niemals auch nur vermutet worden sind. In unserem vertraulichen Zirkular vom 5.März 1872 über „Die angeblichen Spaltungen in der Internationale"1 waren wir gezwungen, Eure Aufmerksamkeit auf die Umtriebe der Sektierer aus der sogenannten Allianz der sozialistischen Demokratie[al zu lenken, Umtriebe, die mit dem Ziele unternommen werden, Zwist in unseren Reihen zu säen und insgeheim die oberste Leitung unserer Assoziation einer kleinen, von Michail Bakunin geführten Clique in die Hände zu spielen. Ihr werdet Euch erinnern, daß die Allianz der sozialistischen Demokratie gleich bei ihrer Gründung Statuten veröffentlicht hatte, die, wenn wir SIC gCUllllglj Uli ClUC L/ÜppClCA10LCU& VC13\.lia»L lidLLCli, LUglClV.ll lUUCrilCUU und außerhalb der Internationale. Sie würde ihre eigenen Sektionen, Föderationen und Kongresse neben den Sektionen, Föderationen und Kongressen der Internationale gehabt haben, und dabei begehrte sie, an der letzteren teilzunehmen. Ihr Ziel war, unsere Allgemeinen Statuten durch das spezielle Programm M.Bakunins zu ersetzen und unserer Assoziation seine persönliche Diktatur aufzuzwingen. Der Generalrat hat durch sein Zirkular vom 22. Dezember 1868a diese Anmaßungen zurückgewiesen. Er ließ die Allianz der sozialistischen Demokratie nur unter der ausdrücklichen Bedingung zur Internationale zu3, daß sie aufhören sollte, eine internationale Körperschaft zu sein, daß sie ihre
1 Siehe vorl. Band, S.3-51 - 2 siehe vorl. Band, S. 12/13, und Band 16 unserer Ausgabe, S.339-341 - 3 siehe vorl. Band. S. 14/15. und Band 16 unserer Ausgabe, S.348/349
Organisation auflösen sollte, daß ihre Sektionen einfach als lokale Sektionen eintreten sollten. Diese Bedingungen wurden von der Allianz formal angenommen. Aber von allen ihren angeblichen Sektionen trat nur die zentrale Sektion von Genf in unsere Assoziation ein. Die anderen blieben für den Generalrat ein Mysterium, so daß dieser den Eindruck bekommen mußte, daß sie nicht existierten. Und jetzt, drei Jahre später, sind wir in den Besitz von Dokumenten gelangt, die unwiderleglich beweisen, daß diese gleiche Allianz der sozialistischen Demokratie trotz ihres formalen Versprechens als eine internationale Körperschaft innerhalb der Internationale weiterbestanden hat und weiterbesteht, und dies in Gestalt einer Geheimgesellschaft; daß sie noch immer von M.Bakunin geleitet wird; daß sie immer noch die gleichen Zwecke verfolgt und daß alle Angriffe, die seit einem Jahr scheinbar gegen die Londoner Konferenz und den Generalrat, aber in Wirklichkeit gegen unsere ganze Organisation gerichtet worden sind, ihre Quelle in dieser Allianz gehabt haben. Dieselben Männer, die den Generalrat des Autoritarismus beschuldigen, ohne jemals imstande gewesen zu sein, auch nur eine einzige autoritäre Handlung von seiner Seite aufzuzeigen, die bei jeder Gelegenheit von der Autonomie der Sektionen, von der freien Föderation der Gruppen reden, die den Generalrat der Absicht bezichtigen, der Internationale seine offizielle und orthodoxe Doktrin aufzuzwingen und unsere Assoziation in eine hierarchisch konstituierte Organisation zu verwandeln - dieselben Männer konstituieren sich in der Praxis als eine Geheimgesellschaft mit einer hierarchischen Organisation und unter einem nicht nur autoritären, sondern absolut diktatorischen Regime1; sie treten jede Spur von Autonomie der Sektionen und Föderationen mit Füßen; sie streben danach, der Internationale vermittels dieser geheimen Organisation die persönlichen und orthodoxen Doktrinen M.Bakunins aufzuzwingen. Während sie verlangen, daß die Internationale von unten nach oben organisiert werden solle, unterwerfen sie sich selber als Mitglieder der Allianz unterwürfig dem Befehl, der ihnen von oben nach unten erteilt wird. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, daß die bloße Existenz einer solchen Geheimgesellschaft innerhalb der Internationale ein flagranter Bruch unserer Allgemeinen Statuten ist. Unsere Statuten kennen nur eine Art von Mitgliedern der Internationale, mit gleichen Rechten und Pflichten für alle; die Allianz trennt sie in zwei Klassen, die Eingeweihten und die Laien,
1 Im englischen Text: unter einer nicht nur autoritären, sondern absolut diktatorischen Führerschaft
wobei die letzteren dafür bestimmt sind, von den ersteren geführt zu werden vermittels einer Organisation, deren Existenz ihnen nicht einmal bekannt ist. Die Internationale fordert von ihren Anhängern, daß sie Wahrheit, Gerechtigkeit und Moral als die Grundlage ihres Verhaltens anerkennen; die Allianz auferlegt ihren Adepten als ihre erste Pflicht Verlogenheit, Heuchelei und Betrug, indem sie ihnen befiehlt, die Laien unter den Internationalen über die Existenz der geheimen Organisation und über die Beweggründe und den Zweck ihrer eigenen Worte und Handlungen zu täuschen. Das Programm der Internationale ist in unseren Statuten niedergelegt und allen bekannt; jenes der Allianz ist niemals zugegeben worden und bis auf den heutigen Tag unbekannt. Der Kern der Allianz ist die Jurassische Föderation; von ihr stammen die Losungen, die von den anderen Sektionen und den Zeitungen im Dienste der geheimen Organisation sofort aufgenommen und wiederholt werden. In Italien wird eine gewisse Anzahl von Gesellschaften von ihr geleitet. Diese Gesellschaften bezeichnen sich als internationale Sektionen, haben jedoch niemals weder ihre Zulassung beantragt, noch irgendwelche Beiträge gezahlt, noch irgendeine der anderen Bedingungen erfüllt, die von unseren Verwaltungsverordnungen vorgeschrieben werden. In Belgien hat die Allianz einige ziemlich einflußreiche Agenten. In Südfrankreich besitzt sie Korrespondenten, unter ihnen einige, die ihre Funktionen als Korrespondenten der Allianz mit dem Amt eines Sekretärs des Polizeikommissariats verbinden. Aber das Land, in dem die Allianz am stärksten organisiert ist und die ausgedehntesten Verzweigungen hat, ist Spanien. Da sie dort unbemerkt und gleich zu Beginn in die Reihen der Internationale geschlichen war, hat sie es fast immer verstanden, die aufeinanderfolgenden Föderalräte und Kongresse zu lenken. Die ergebensten Anhänger der Internationale in Spanien wurden zu dem Glauben verleitet, daß diese geheime Organisation überall innerhalb unserer Assoziation existiere und daß es beinahe eine Pflicht wäre, ihr anzugehören. Diese Täuschung wurde sowohl durch die Londoner Konferenz zerstört, wo der spanische Delegierte1, selber ein Mitglied der Allianz, sich vom Gegenteil überzeugen konnte, als auch durch die Lügen und die heftigen Angriffe, die Bakunin unmittelbar danach seinen Getreuen2 gegen die Konferenz und den Generalrat zu richten befahl. Nach einem längeren Kampf innerhalb der Allianz zogen sich diejenigen ihrer spanischen Mitglieder, denen die Internationale mehr am Herzen lag als die Allianz, von letzterer zurück. Sofort wurden sie mit den wildesten Beschimp
fungen und Verleumdungen von denen angegriffen, die der geheimen Gesellschaft ergeben blieben. Zweimal wurden sie von der lokalen Föderation von Madrid ausgestoßen, was eine flagrante Verletzung der gültigen Verwaltungsverordnungen war. Als sie sich zu der Neuen Madrider Föderation 1148] konstituieren wollten, verweigerte ihnen der Spanische Föderalrat die Genehmigung dazu und sandte die Beiträge zurück, die sie ihm zugeschickt hatten. Hier muß gesagt werden, daß von den acht Mitgliedern dieses Föderalrats fünf (VincenteRosseil,PeregrinMontoro,SeverinoAlbarracin, Francisco Tomas und Franco Martinez), wie wir wissen, Mitglieder der Allianz sind; es ist sogar wahrscheinlich, daß es außer ihnen noch andere gibt. Auf diese Weise, und ohne es zu ahnen, werden die Sektionen und lokalen Föderationen Spaniens, die auf ihre Autonomie so stolz sind, wie eine Schafherde durch geheime, aus der Schweiz übersandte Befehle geführt, die der Föderalrat blind auszuführen hat, bei Strafe, von der Allianz geächtet zu werden. Um die Wahl von Mitgliedern der Allianz als Delegierte zum Haager Kongreß zu sichern, hat der Spanische Föderalrat den lokalen Sektionen und Föderationen ein mit dem 7. Juli datiertes, vertrauliches Zirkular gesandt, in dem er diese auffordert, einen zusätzlichen Beitrag zu leisten, um die Auslagen für die Delegierten zu bestreiten, und ihnen auf autoritäre Weise den Befehl gibt, diese Delegierten nach einer gesamtspanischen Liste zu wählen, wobei er, der Föderalrat, mit der Auszählung der Stimmen beauftragt ist. Diese Art der Wahl sollte den Erfolg der Kandidaten der Allianz sicherstellen. Darüber hinaus kündigte der Föderalrat an, daß er ein imperatives Kollektivmandat ausstellen werde, dem sich diese Delegierten fügen müßten. Sofort nachdem wir diesen Plan, die Delegierten der Allianz mit dem Gelde der Internationalen zum Kongreß zu entsenden, erfahren und außerdem die Beweise für die Mitwirkung des Spanischen Föderalrats bei den Umtrieben der Geheimgesellschaft erhalten hatten, forderten wir ihn am 24.Juli auf, 1. uns eine Liste aller Mitglieder der Allianz in Spanien zu übersenden mit der Bezeichnung der Amter, die sie in der Internationale bekleiden; 2. eine Untersuchung sowohl über den Charakter und die Tätigkeit der Allianz in Spanien als auch über ihre Organisation und ihre Verzweigungen außerhalb dieses Landes einzuleiten; 3. uns ein Exemplar des vertraulichen Zirkulars vom 7. Juli zuzusenden; 4. uns zu erklären, wie er seine Pflichten gegenüber der Internationale damit vereinbare, daß ihm mindestens drei notorische Mitglieder der Allianz angehören;
5. uns postwendend eine kategorische Antwort zukommen zu lassen.1 Diese Antwort hätte spätestens am I.August in unseren Händen sein müssen. Aber erst am 5.August erhielten wir einen aus Valencia, 1 .August (Poststempel unleserlich) datierten Brief, durch den eine Antwort unter dem Vorwand hinausgeschoben wurde, daß die Mitglieder des Rats unseren französisch geschriebenen Brief nicht verstünden und daß es einiger Zeit bedürfe, ihn zu übersetzen. Der gleiche Rat hatte uns in seinem Briefe vom 15. Juni gebeten, ihm unsere Publikationen etc. so viel wie möglich in französischer Sprache zu schicken, da sie (die Mitglieder des Rats) mit dieser Sprache etwas vertraut wären! Der Vorwand ist also falsch; man wünscht nur, daß wir kostbare Zeit verlieren. Wir sehen uns daher genötigt, vor allen Mitgliedern der Assoziation und insbesondere vor den spanischen Internationalen den Spanischen Föderalrat als Verräter an der Internationalen Arbeiterassoziation anzuklagen. Statt treu das ihm von den spanischen Internationalen anvertraute Mandat zu erfüllen, hat er sich zum Organ einer nicht nur fremden, sondern der Internationale feindlichen Gesellschaft gemacht. Anstatt den Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen sowie den Resolutionen der allgemeinen und der spanischen Kongresse zu gehorchen, gehorcht er geheimen Befehlen, die von M.Bakunin ausgehen. Die bloße Existenz eines Föderalrats, der in seiner Majorität aus Mitgliedern einer der Internationale fremden Geheimgesellschaft besteht, ist eine flagrante Verletzung unserer Allgemeinen Statuten. Dies, Bürger, sind die Tatsachen, die wir Euch unterbreiten müssen, ehe die Wahlen zum Kongreß stattfinden. Zum erstenmal in der Geschichte der Kämpfe der Arbeiterklasse stoßen wir auf eine geheime Verschwörung, die angezettelt worden ist inmitten dieser Klasse selbst und dazu bestimmt ist, nicht das bestehende Ausbeuterregime2 zu unterminieren, sondern gerade die Assoziation, die es aufs energischste bekämpft. Es ist eine Verschwörung, die gegen die proletarische Bewegung selbst gerichtet ist. Daher sehen wir, wo auch immer wir ihr begegnen, daß sie die zermürbende Doktrin der absoluten Abstention in Sachen der Politik predigt; und während die Laien unter den einfachen Internationalen in fast ganz Europa verfolgt und ins Gefängnis geworfen werden, genießen die mutigen Mitglieder der Allianz eine ganz außergewöhnliche Immunität. Bürger, Ihr habt zu wählen. Was gegenwärtig auf dem Spiele steht, ist weder die Autonomie der Sektionen noch die freie Föderation der Gruppen,
noch die Organisation von unten nach oben, noch irgendein anderes anspruchsvolles und wohlklingendes Schlagwort dieser Art; die Frage lautet heute: Wünscht Ihr, daß Eure Zentralorgane aus Männern bestehen, die kein anderes Mandat als das von Euch anerkennen, oder wünscht Ihr, daß sie aus Männern bestehen, die durch List gewählt werden, Männern, die Euer Mandat nur mit der festen Absicht entgegennehmen, Euch wie eine Herde Schafe zu führen, gemäß den geheimen Anweisungen, die von einer mysteriösen Person in der Schweiz herrühren? Die Existenz dieser geheimen Gesellschaft von Betrügern aufzudecken, heißt, ihre Macht brechen. Die Männer der Allianz selbst sind nicht so töricht, anzunehmen, daß die große Masse der Internationalen sich wissentlich einer Organisation wie der ihrigen unterwerfen wird, sobald sie von deren Existenz Kenntnis erhalten hat. Es gibt nun mal keine Gemeinsamkeit zwischen den Betrügern und denen, die sie betrügen wollen, zwischen der Allianz und der Internationale. Es ist außerdem an der Zeit, ein für allemal den inneren Kämpfen ein Ende zu bereiten, die durch das Vorhandensein dieser parasitären Körperschaft täglich von neuem in unserer Assoziation provoziert werden. Diese Streitigkeiten dienen nur dazu, Kräfte zu vergeuden, die dazu benutzt werden sollten, das jetzige bourgeoise Regime zu bekämpfen. Indem die Allianz die Tätigkeit der Internationale gegen die Feinde der Arbeiterklasse lähmt, dient sie ausgezeichnet der Bourgeoisie und den Regierungen. Daher wird der Generalrat auf dem Haager Kongreß fordern, daß alle Mitglieder der Allianz aus der Internationale ausgeschlossen und dem Rat die notwendigen Vollmachten erteilt werden, um das Wiederaufkommen ähnlicher Verschwörungen zu unterbinden.
Geschrieben vom 4. bis 6.August 1872. Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx/Friedrich Engels
An die spanischen Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation11491
[„La Emancipacion" Nr. 62 vom 17. August 1872]
London, 8. August 1872 Angesichts der gegen die Internationale Arbeiterassoziation durch verschiedene Personen der Geheimgesellschaft Allianz gesponnenen Intrigen hat das Exekutivkomitee'1501 des Generalrats in seiner Sitzung von 24. Juli 1872 den Bürger F.Engels, Sekretär für Spanien, beauftragt, an den Spanischen Föderalrat in Valencia folgenden Brief zu richten:
„An den Spanischen Föderalrat
Bürger! In unserem Besitz sind Beweise, daß im Schöße der Internationale und besonders in Spanien eine Geheimgesellschaft existiert, die sich Allianz der sozialistischen Demokratie121 nennt. Diese Gesellschaft, deren Zentrum in der Schweiz ist, stellt sich entsprechend ihrer besonderen Tendenzen die spezielle Mission, unserer großen Assoziation die Richtung zu geben und sie zu Zielen hinzuführen, die der großen Mehrheit der Internationalen unbekannt sind. Wir wissen außerdem durch ,La Razon'11511 in Sevilla, daß mindestens drei Mitglieder Eures Rates der Allianz angehören. Als sich diese Gesellschaft 1868 als öffentliche Gesellschaft gebildet hatte, lehnte es der Generalrat auf Grund ihres Anspruchs, eine zweite internationale Körperschaft zu bilden, die innerhalb und außerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation tätig sein sollte, ab, sie zur Internationale zuzulassen, ehe sie nicht auf ihren internationalen Charakter verzichtet hätte. Wenn sie später in unsere Assoziation eintreten konnte, so geschah es auf
Grund ihres Versprechens, nichts weiter zu sein, als eine einfache lokale Sektion zu Genf. (Siehe das vertrauliche Zirkular des Generalrats über ,Die angeblichen Spaltungen in der Internationale', S. 7ff Wenn die Organisation und der Charakter dieser Gesellschaft dem Buchstaben und Geiste unserer Statuten schon widersprachen, als sie noch öffentlich war, so bedeutet die Tatsache, daß sie trotz des gegebenen Wortes im Schöße der Internationale geheim existiert, einen wirklichen Verrat an unserer Assoziation. Die Internationale kennt nur eine einzige Art von Mitgliedern mit gleichen Rechten und Pflichten für alle; die Allianz teilt sie in zwei Arten: die Eingeweihten und die Laien, wobei diese dazu bestimmt sind, von jenen geführt zu werden vermittels einer Organisation, deren Existenz sie nicht einmal kennen. Die Internationale fordert von ihren Anhängern, daß sie Wahrheit, Gerechtigkeit und Moral als die Grundlage ihres Verhaltens anerkennen; die Allianz gebietet ihren Adepten, daß sie die Laien unter den Internationalen über die Existenz der geheimen Organisation, über die Beweggründe und den Zweck ihrer Worte und Handlungen täuschen. Der Generalrat hat bereits in seinem vertraulichen Zirkular angekündigt, daß er auf dem nächsten Kongreß eine Aufklärung über diese Allianz verlangen wird, die eine wahre Verschwörung gegen die Internationale darstellt. Der Generalrat kennt auch die Maßnahmen, die die Männer der Allianz den Spanischen Föderalrat im Interesse ihrer Gesellschaft annehmen ließen; und er ist entschlossen, diesen geheimen Umtrieben ein Ende zu bereiten. Zu diesem Zwecke fordert er Euch auf, in die Denkschrift, die dem Kongreß in Den Haag über die Allianz vorzulegen ist, folgendes aufzunehmen: 1. Eine Liste aller Mitglieder der Allianz in Spanien unter Angabe der Ämter, die sie in der Internationale bekleiden; 2. eine Information Eurerseits über den Charakter und die Tätigkeit der Allianz sowie über ihre Organisation und Verzweigungen außerhalb Spaniens; 3. ein Exemplar Eures vertraulichen Zirkulars vom 7. Juli; 4. eine Erklärung darüber, wie Ihr Eure Pflichten gegenüber der Internationale mit der Anwesenheit von mindestens drei notorischen Mitgliedern der Allianz in Eurem Rat vereinbaren könnt. Falls der Generalrat nicht postwendend eine kategorische und zufriedenstellende Antwort erhält, wird er sich gezwungen sehen, in Spanien und im Auslande Euch öffentlich der Verletzung des Buchstaben und des Geistes der
Allgemeinen Statuten und des Verrats an der Internationale,begangen im Interesse einer ihr nicht nur fremden, sondern auch feindlich gesinnten Geheimgesellschaft, anzuklagen.
Gruß und Brüderlichkeit! Im Namen des Generalrats Der Sekretär für Spanien: Federico Engels
33, Rathbone Place, W. London, 24.Juli 1872."
Die Antwort des Spanischen Föderalrats, datiert Valencia, I.August, in London eingegangen am 5. August, sagt in bezug auf die Anfragen des Generalrats:
„Genossen! Wir haben Euren letzten Brief erhalten, da er jedoch in Französisch abgefaßt ist, konnten wir uns mit seinem Inhalt nicht vertraut machen, da unser üblicher Ubersetzer nicht in Valencia ist. Wir haben uns an einen anderen Genossen gewandt mit der Bitte, den Brief so schnell wie möglich zu übersetzen, damit wir Euch darauf antworten können." Das Exekutivkomitee des Generalrats hat in seiner Sitzung vom 8. August 1872 beschlossen, ohne die erbetenen Auskünfte vom Spanischen Föderalrat abzuwarten, den vorhergehenden Brief zu veröffentlichen, um alle spanischen Föderationen und Sektionen zu veranlassen, eine allgemeine Untersuchung über die Existenz, die Tätigkeit und das Ziel der sich Allianz nennenden Geheimgesellschaft anzustellen.
Das Exekutivkomitee des Generalrais:
Leo Frankel, korrespondierender Sekretär für Österreich und Ungarn; J.P.Mac Donnel, für Irland; F.Engels, für Spanien und Italien; A. Serraillier, für Frankreich; Le Moussu, für Amerika; Hermann Jung, für die Schweiz; Karl Marx, für Deutschland und Rußland
Der Präsident der Sitzung, Walery Wrobletüski, Sekretär für Polen Der Sekretär der Sitzung, F. Cournet, Sekretär für Holland
Friedrich Engels
Der Generalrat an die Neue Madrider Föderation
[„La Emancipacion" Nr. 63 vom 24. August 1872] Das Exekutivkomitee, das vom Generalrat beauftragt worden ist, zeitweilig alle Verwaltungsangelegenheiten der Assoziation wahrzunehmen, hat in Anbetracht des Schreibens der Neuen Madrider Föderation vom 5. August, in dem der Generalrat gebeten wird, sie anzuerkennen; in Anbetracht des Beschlusses des regionalen Föderalrats von Spanien vom 16. Juli, der es abgelehnt hat, die genannte Föderation zuzulassen; in Erwägung, daß es, was die Form angeht, absurd wäre, in dieser Sache einem regionalen Föderalrat zuzustimmen, der sich in seiner Mehrheit aus Mitgliedern einer der Internationale feindlichen Geheimgesellschaft zusammensetzt, und den der Generalrat vor dem Kongreß anzuklagen beabsichtigt; in Erwägung, daß, was den Kern der Sache angeht, die Gründer der Neuen Madrider Föderation dieselben Männer sind, die als erste in Spanien den Mut haben, sich von dieser Geheimgesellschaft, genannt Allianz der sozialistischen Demokratiel2\zu trennen und ihre Umtriebe aufzudecken und zu durchkreuzen; aus diesen Gründen hat das Exekutivkomitee im Namen des Generalrats beschlossen, die Neue Madrider Föderation anzuerkennen und mit ihr in reguläre und direkte Verbindung zu treten.
London, 15.August 1872 Für das Exekutivkomitee Der Sekretär für Spanien: Federico Engels
Friedrich Engels [Adresse des Generalrats an die italienischen Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation zur Konferenz in Rimini11521]
[„II Popolino" Nr.20 vom 29. September 1872]
33, Rathbone Place London, 23. August 1872 Wir haben eine Resolution, datiert Rimini den 6. August, von der Konferenz einer angeblichen italienischen Föderation der Internationalen Arbeiterassoziation'1531 erhalten, die jede Solidarität mit dem Londoner Generalrat bricht und aus eigener Machtbefugnis einen1 antiautoritären Kongreß nach Neuchatel in der Schweiz einberuft, zu dem alle Sektionen, die desselben Geistes sind, eingeladen werden, ihre Delegierten zu entsenden, anstatt nach Den Haag, den Ort des regulären Kongresses der Internationale. Es ist notwendig festzustellen, daß von den 21 Sektionen, deren Delegierte diese Resolution unterschrieben haben, nur eine (Neapel) der Internationale angehört. Keine von den anderen 20 Sektionen hat jemals irgendeine der Bedingungen erfüllt, die unsere Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen für die Aufnahme neuer Sektionen vorschreiben. Es besteht also keine italienische Föderation der2 Arbeiterassoziation. Jene, die behaupten, sie zu bilden, bilden eine Internationale für sich, außerhalb der Großen Arbeiterassoziation. Es wird Sache des Haager Kongresses sein, über solche Usurpationen zu beschließen. Im Namen und Auftrag des Generalrats Der Sekretär für Italien: Federico Engels Aus dem Italienischen.
1 In der Handschrift folgt hier: sogenannten - 2 in der Handschrift folgt hier: Internationalen
Haager Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation 2.-7. September 1872r,54J

Karl Marx
Offizieller Bericht des Londoner Generalrats, verlesen in öffentlicher Sitzung des Internationalen Kongresses zu Haag11551
[„Der Volksstaat" Nr. 75 vom 18. September 1872]
Arbeiter!1 Seit unserm letzten Kongreß in Basel haben zwei große Kriege das Aussehen Europas verändert - der Deutsch-Französische Krieg und der Bürgerkrieg in Frankreich; ein dritter Krieg ging diesen beiden voraus, begleitete sie und wurde noch nach ihnen fortgesetzt - der Krieg gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation. Die Pariser Mitglieder2 der Internationale hatten dem französischen Volke öffentlich und ausdrücklich gesagt: für das Plebiszit stimmen bedeutet nichts anderes, als für den Despotismus im Innern Frankreichs und für den Krieg nach außen stimmen.11561 Man verhaftete sie am Vorabend des Plebiszits11571, am 29. April 1870, unter dem Vorwand der Teilnahme an einer Verschwörung, die angeblich behufs der Ermordung Louis-Napoleons angestiftet sein sollte. Gleichzeitige Verhaftungen von Mitgliedern der Internationale fanden statt in Lyon, Rouen, Marseille, Brest und anderen Städten. In seiner Erklärung vom 3.Mai 1870 sagte der Generalrat: „Diese letzte Verschwörung steht ihren beiden Vorgängern grotesken Andenkens würdig zur Seite; die lärmenden Gewaltmaßregeln der französischen Regierung können keinen anderen Zweck haben, als die Zurechtlegung des Plebiszits."3 Wir hatten recht gehabt. Wir ersehen jetzt aus den Schriftstücken, die nach dem Sturz der Dezemberregierung von den Nachfolgern derselben
1 In „La Liberte" und „The International Herald": Bürger! - 2 in „La Liberte" und einigen anderen Zeitungen beginnt dieser Satz mit den Worten: Zu einem Zeitpunkt, als das Kaiserreich von Frankreich verlangte, seine Existenz durch ein neues Plebiszit zu segnen, hatten die Pariser Mitglieder - 3 vgl. Band 16 unserer Ausgabe, S. 422
9 Marz/Engels, Werke, Bd. 18
veröffentlicht wurden, daß dieses letzte Komplott von der bonapartistischen Polizei selber gewebt worden war.'1581 In einem vertraulichen Rundschreiben, welches Ollivier einige Tage vor dem Plebiszit an seine Agenten schickte, schrieb derselbe geradezu vor:
„Man muß die Leiter der Internationalen verhaften; sonst könnte das Plebiszit nicht gut ablaufen." Nach Schluß der Plebiszit-Komödie wurden die Mitglieder des Pariser Föderalrats allerdings von Louis Bonapartes Richtern verurteilt, aber bloß wegen ihrer Beteiligung an der Internationale und nicht wegen irgendeiner Verwickelung in die Scheinverschwörung.'1591 Die bonapartistische Regierung fand es also nötig, den verderblichsten Krieg, der je über Frankreich gekommen ist, einzuleiten durch einen Vorfeldzug gegen die französischen Sektionen der Internationalen Arbeiter-Assoziation. Vergessen wir nicht, daß die Arbeiterklasse Frankreichs sich wie ein Mann erhob, um das Plebiszit zu verwerfen. Vergessen wir ebensowenig, daß die Börsen, die Kabinette, die herrschenden Klassen und die Presse von ganz Europa das Plebiszit feierten als einen glänzenden Sieg des französischen Kaiserreichs über die französische Arbeiterklasse (Adresse des Generalrats über den Krieg, datiert vom 23. Juli 18701). Wenige Wochen nach dem Plebiszit, als die bonapartistische Presse die Kriegslust im französischen Volke anzufachen begann, erließen die Pariser Internationalen, unbeirrt durch die Regierungsverfolgung, ihren Aufruf vom 12. Juli „An die Arbeiter aller Nationen", worin sie den beabsichtigten Krieg als einen verbrecherischen Unsinn denunzierten, ihren Brüdern in Deutschland sagten,
„ihre Spaltung würde nur den vollständigen Triumph des Despotismus auf beiden Seiten des Rheins zur Folge haben", und erklärten: „Wir, die Mitglieder der Internationale, kennen keine Landesgrenzen."11601
Ihr Aufruf fand ein begeistertes Echo in Deutschland, so daß der Generalrat in seinem Manifest vom 23.Juli 1870 mit Recht sagen konnte: „Die Tatsache selbst, daß im nämlichen Augenblicke, wo das offizielle Frankreich und das offizielle Deutschland sich in einen brudermörderischen Krieg stürzen, die Arbeiter Frankreichs und Deutschlands einander Friedensbotschaften zusenden, diese große Tatsache, beispiellos in der Geschichte der Vergangenheit, beweist, daß im Gegensatz zur alten Welt mit ihrem sozialen Elend und ihrem politischen Wahnsinn eine neue Gesell
schaft heraufwächst, welche nach außen keine andere Politik haben wird, als den Frieden, weil sie keine andere Politik nach innen kennt, als die Arbeit. Die Bahnbrecher für diese neue Gesellschaft sind die Mitglieder der Internationale."1 Bis zur Proklamation der Republik blieben die Mitglieder des Föderalrats unter Schloß und Riegel. Unterdessen wurden täglich die übrigen Mitglieder der Assoziation dem Pöbel als preußische Spione bezeichnet. Als mit der Kapitulation von Sedan das Zweite Kaiserreich endigte, wie es begonnen hatte, mit einer Parodie, da trat der Deutsch-Französische Krieg in sein zweites Stadium. Er wurde ein Krieg gegen das französische Volk. Nach all den feierlichen Erklärungen, daß es einzig zur Abwehr fremden Angriffs die Waffen ergreife, ließ Preußen jetzt die Maske fallen und proklamierte einen Eroberungskrieg. Von nun an sah es sich genötigt, nicht nur die Republik in Frankreich zu bekämpfen, sondern gleichzeitig die Internationale in Deutschland. Wir können den Verlauf dieses Kampfes hier nur andeuten. Gleich nach der Kriegserklärung wurde der größte Teil des norddeutschen Bundesgebiets: Hannover, Oldenburg, Bremen, Hamburg, Braunschweig, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und die Provinz Preußen, in Belagerungszustand versetzt und der milden Herrschaft des Generals Vogel von Falckenstein überliefert. Dieser Belagerungszustand, als Schutz gegen von außen drohende Invasion angekündigt, verwandelte sich sofort in einen Kriegszustand gegen die deutschen Internationalen. Am Tage nach der Proklamation der Republik in Paris erließ das Braunschweiger Zentralkomitee der deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die eine Abteilung der Internationalen innerhalb der durch die Landesgesetze auferlegten Schranken bildet, ihr Manifest vom 5. September. Es forderte die Arbeiter auf, mit aller Macht der Zerstückelung Frankreichs entgegenzutreten, einen für Frankreich ehrenvollen Frieden und die Anerkennung der französischen Republik zu verlangen.11611 Das Manifest erklärte die beabsichtigte Annexion von Elsaß-Lothringen für ein Verbrechen, dessen Folge die Verwandlung von ganz Deutschland in eine preußische Kaserne sein werde und die Erhebung des Krieges zu einer europäischen Institution. Am 9. September ließ Vogel von Falckenstein die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses verhaften und sie in Ketten 130 deutsche Meilen weit nach Lotzen abführen, einer preußischen Festung
an der russischen Grenze, wo ihre schmähliche Behandlung als würdiges Gegenstück diente zur prunkhaften Bewirtung des kaiserlichen Gastes auf Wilhelmshöhe[1621. Da Einkerkerung, Ausweisung von Arbeitern aus dem einen deutschen Staate in den andern, Unterdrückung der Arbeiterblätter, militärische Brutalitäten und Polizeischikanen jeder Art die internationale Avantgarde der deutschen Arbeiterklasse nicht davon abhielten, im Sinne des Braunschweiger Manifestes zu handeln, verbot Vogel von Falckenstein durch einen Ukas vom 21. September alle Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei. Dies Verbot ward am 5. Oktober durch einen zweiten Ukas aufgehoben, worin er seinen Polizeispionen schlauköpfig befiehlt, ihm persönlich alle Individuen zu melden, die etwa durch öffentliche Demonstrationen Frankreich in seinem Widerstande gegen die von Deutschland auferlegten Friedensbedingungen ermutigten, damit er solche Leute während der Dauer des Krieges unschädlich mache. Die Sorgen des Krieges nach außen seinem Moltke überlassend, gab der König vonPreußen dem Krieg im Innern eine neue Wendung. Er schleuderte am 17. Oktober von Versailles nach Hannover die Kabinettsordre, daß Vogel von Falckenstein seine Lötzener Gefangenen dem Braunschweiger Bezirksgericht leihweise übermachen solle, welches Gericht seinerseits entweder Rechtsgründe für ihre Haft finden oder aber sie in den sicheren Gewahrsam des Schreckengenerals zurückliefern müsse. Vogel von Falckensteins Maßregelungen wurden natürlich in ganz Deutschland nachgeahmt, während Bismarck in einem diplomatischen Zirkular Europa neckte durch sein Auftreten als entrüsteter Vorkämpfer des Rechts der freien Meinungsäußerung und des freien Versammlungsrechts für — die Fnedenspartei in Frankreich. Zur nämlichen Zeit, als er eine frei gewählte Nationalversammlung für Frankreich verlangte, ließ er in Deutschland Bebel und Liebknecht verhaften zur Strafe dafür, daß sie ihm gegenüber die Internationale auf dem norddeutschen Reichstage vertreten hatten, und mit dem Zweck, bei den bevorstehenden Neuwahlen ihre Wiederwahl zu verhindern[163). Sein Herr und Meister, Wilhelm der Eroberer, unterstützte ihn durch eine neue Kabinettsordre aus Versailles, die den Belagerungszustand, das heißt die Aufhebung alles bürgerlichen Rechts, für die ganze Wahlperiode verlängerte. In der Tat hielt er den Belagerungszustand in Deutschland noch 2 Monate nach dem Friedensschluß mit Frankreich aufrecht. Die Hartnäckigkeit, womit er auf dem Belagerungszustand im Innern beharrte, und seine wiederholte persönliche Einmischung gegenüber seinen eigenen deutschen Gefangenen bewiesen mitten unter dem Geräusch siegreicher Waffen
und unter dem fanatischen Beifallsjubel der gesamten deutschen Bourgeoisie seine Scheu vor der emporwachsenden Partei des Proletariats. Es war dies eine unfreiwillige Huldigung materieller Gewalt vor moralischer Macht. War der Krieg gegen die Internationale bisher lokalisiert gewesen, zuerst in Frankreich von den Tagen des Plebiszits bis zum Fall des Kaisertums, nachher in Deutschland während der ganzen Zeit des Widerstands der Republik gegen Preußen: so wurde er nach der Erhebung und nach dem Falle der Pariser Kommune allgemein. Am 6. Juni 1871 erließ Jules Favre sein Zirkular an die auswärtigen Mächte, welches die Auslieferung der Kommunemitglieder1 als gemeiner Verbrecher verlangte und aufrief zu einem Kreuzzug gegen die Internationale als Feindin der Familie, der Religion, der Ordnung und des Eigentums - so angemessen vertreten in seiner eignen Person.[164) Österreich und Ungarn nahmen das Stichwort sogleich auf. Am 13. Juni wurde eine Razzia angestellt gegen die angeblichen Führer des Pester Arbeitervereins[165]: ihre Papiere wurden mit Beschlag belegt, sie selbst verhaftet und wegen Hochverrats verfolgt. Verschiedene Delegierte der Wiener Internationale, gerade auf Besuch in Pest, wurden nach Wien zu weiterer Maßregelung abgeführt. Beust verlangte und erhielt von seinem Reichsrat noch nachträglich 3000000 Gulden
„zu Ausgaben für politische Informationen, die", wie er klagte, „mehr als je unentbehrlich geworden infolge der gefährlichen Ausbreitung der Internationale über ganz Europa". Von da an verfiel die Arbeiterklasse in Österreich-Ungarn einer wahren Schreckensherrschaft. Selbst in den letzten Todeskrämpfen klammert die österreichische Regierung sich noch ängstlich fest an ihr altes Vorrecht, den Don Quixote der europäischen Reaktion zu spielen. Wenige Wochen nach Jules Favres Zirkular schlug Dufaure seiner Junkerkammer ein jetzt zu Recht bestehendes Gesetz2 vor, wonach es ein Verbrechen ist, der Internationalen Arbeiter-Assoziation anzugehören oder auch nur ihre Prinzipien zu teilen. Als Zeuge vor der Junkerkommission über Dufaures Gesetzvorschlag prahlte Thiers, daß das Gesetz seinem eignen gescheiten Hirn entsprungen sei. Er zuerst habe die unfehlbare Panazee entdeckt, daß man die Internationale behandeln müsse, wie die spanische Inquisition die Ketzer behandelt hat. Aber sogar in diesem Punkt steht's schlecht mit seinem Anspruch
1 In „La Liberte" und „The International Herald": Kommuneflüchtlinge — 2 in „La Liberte" und „The International Herald": ein Gesetz, das jetzt in Kraft ist
auf Originalität. Lange bevor er zum Gesellschaftsretter ernannt worden war, war die wahre Jurisprudenz, die den Internationalen von der herrschenden Klasse gebührt, von den Wiener Gerichtshöfen festgestellt. Am 26. Juli 1870 wurden die hervorragendsten Männer der österreichischen Arbeiterpartei wegen Hochverrats zu mehreren Jahren schweren Kerkers mit einem Fasttag in jedem Monat verurteilt. Folgendes waren die Urteilsgründe:
„Die Gefangenen geben selbst zu, das Programm des deutschen Arbeiterkongresses zu Eisenach (1869) angenommen und darnach gehandelt zu haben. Dies Programm schließt das Programm der Internationale ein. Die Internationale bezweckt die Emanzipation der Arbeiterklasse von der Herrschaft der besitzenden Klasse und von politischer Abhängigkeit. Diese Emanzipation ist unverträglich mit den bestehenden Einrichtungen des österreichischen Staats. Also, wer die Grundsätze des internationalen Programms annimmt und verbreitet, begeht eine vorbereitende Handlung zum Umsturz der österreichischen Regierung und ist demnach des Hochverrats schuldig." Am 27. November1 wurde das Urteil über die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses gefällt. Es wurden ihnen Gefängnisstrafen von verschiedener Dauer auferlegt. In den Motiven bezog sich der Gerichtshof ausdrücklich auf die Begründung des Wiener Urteils als auf einen Präzedenzfall. In Pest wurden die Angeklagten des Arbeitervereins, nachdem sie beinahe ein Jahr lang ähnliche schmachvolle Behandlung erduldet, wie die britische Regierung sie den Feniern11661 angetan hatte, am 22. April 1872 vor Gericht gestellt. Hier verlangte der Staatsanwalt die Anwendung der in Wien festgestellten Jurisprudenz. Der Gerichtshof sprach jedoch frei. In Leipzig wurden den 27. Mai 1872 Bebel und Liebknecht zu 2 Jahren Festungshaft verurteilt wegen vorbereitender Handlungen zum Hochverrat. Die Begründung war dieselbe wie die des Wiener Urteils. Nur wurde in diesem Falle die Jurisprudenz der Wiener Richter bestätigt durch den Wahrspruch sächsischer Geschworenen. In Kopenhagen verhaftete man am 8. Mai dieses Jahres die drei Mitglieder des Zentralkomitees Brix, Pio und Geleff, und zwar weil sie ihren festen Entschluß bekundet hatten, trotz eines Polizeiverbotes eine Versammlung unter freiem Himmel abzuhalten. Nach der Verhaftung wurde ihnen mitgeteilt, daß die sozialistischen Ideen an sich schon mit dem Bestehen des dänischen Staates unvereinbar seien und daß deshalb die bloße
11871
Verbreitung derselben ein Verbrechen gegen die dänische Verfassung ausmache. Immer wieder die Jurisprudenz des Wiener Gerichtshofes. Die Angeklagten sind jetzt noch in Untersuchungshaft. Die belgische Regierung, vorteilhaft bekannt durch ihre sympathische Antwort auf Jules Favres Auslieferungsverlangen, beeilte sich, ihrer Deputiertenkammer durch Malou eine heuchlerische Nachdrucksausgabe des Dufaureschen Gesetzes vorzulegen. Seine Heiligkeit Papst Pius IX. sagte in einer Anrede an eine aus Schweizer Katholiken bestehende Deputation: „Eure Regierung, welche republikanisch ist, hält sich für verpflichtet, ein schweres Opfer für das, was man Freiheit nennt, zu bringen. Sie gewährt einer Anzahl von Leuten der schlimmsten Sorte das Asylrecht, sie duldet jene Sekte der Internationalen, welche ganz Europa behandeln möchte, wie sie Paris behandelt hat. Diese Herren von der Internationale, die gar keine Herren sind, sind zu fürchten, weil sie für die Rechnung des ewigen Feindes Gottes und der Menschen arbeiten. Was hat man davon, wenn man sie beschützt! Man muß für sie beten." Erst hängt sie, dann betet für sie! Unterstützt von Bismarck, Beust und Stieber, kamen die Kaiser von Österreich und Deutschland Anfang September 1871 in Salzburg zusammen, um eine heilige Allianz - so hieß es - gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation zu stiften: „Solch' eine europäische Allianz", erklärte Bismarcks Privatmoniteur, die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" t167l, „ist die einzig mögliche Rettung des Staats, der Kirche, der Gesittung, mit einem Wort alles dessen, was die europäischen Staaten konstituiert." Bismarcks wirklicher Zweck war natürlich, sich Allianzen für einen bevorstehenden Krieg mit Rußland zu sichern, und die Internationale wurde Österreich nur vorgehalten, wie man einem Stier ein Stück rotes Zeug vorhält. Lanza unterdrückte die Internationale in Italien durch ein einfaches Dekret. Sagasta erklärte sie in Spanien für außerhalb des Gesetzes11681; vielleicht hoffte er sich so mit dem englischen Geldmarkte auf einen bessern Fuß zu stellen. Die russische Regierung, seit der Emanzipation der Leibeigenen auf das gefährliche Auskunftsmittel angewiesen, heute dem populären Andrängen1 furchtsame Konzessionen zu machen, um sie morgen wieder zurückzunehmen, fand in dem allgemeinen Hetzruf gegen die Internationale einen
Vorwand zur Verschärfung der Reaktion im Innern. Im Auslande hoffte sie hinter die Geheimnisse der Assoziation zu kommen. Es gelang ihr in der Tat, einen Schweizer Richter zu finden, der in Gegenwart eines russischen Spions eine Haussuchung vornahm in der Wohnung Utins11691, eines russischen Internationalen und früheren Redakteurs der Genfer „Egalite", des Organs unserer Schweizer Romanischen Föderation. Die republikanische Regierung der Schweiz selbst wurde nur durch die Agitation der Schweizer Internationalen daran verhindert, Flüchtlinge der Kommune an Thiers auszuliefern. Schließlich bewies die Regierung des Herrn Gladstone, außerstande in Großbritannien einzuschreiten, wenigstens ihren guten Willen durch den Polizeiterrorismus, den sie in Irland gegen unsere in der Bildung begriffene Sektionen ausübte, und durch den Befehl an ihre auswärtigen Vertreter, Informationen über die Internationale einzuziehen. Aber alle Unterdrückungsmaßregeln, die der vereinigte Regierungsverstand von Europa auszuklügeln imstande war, verschwinden vor dem Verleumdungskrieg, den die Lügenkraft der zivilisierten Welt unternahm. Apokryphe Geschichten und Geheimnisse der Internationale, schamlose Fälschung von öffentlichen Dokumenten und Privatbriefen, Lärmtelegramme usw. folgten rasch aufeinander; alle Schleusen der Verleumdung, die der käuflichen Bourgeoispresse zur Verfügung standen, wurden auf einmal geöffnet und ließen eine Sündflut von Niedertracht los, die den verhaßten Feind ersäufen sollte. Dieser Verleumdungskrieg findet nicht seinesgleichen in der Geschichte, so wahrhaft international ist der Schauplatz, auf dem er spielt, und so vollständig ist das Einverständnis, womit die verschiedensten Parteiorgane der herrschenden Klassen ihn führen. Nach dem großen Brande von Chicago kündigte denselben der Telegraph an, rund um die Erde, als die höllische Tat der Internationale, und es ist in der Tat wunderbar, daß man den Orkan, der Westindien verwüstete, nicht ihrem dämonischen Einwirken zuschrieb. In früheren öffentlichen Jahresberichten hat der Generalrat gewöhnlich eine Übersicht über den Fortschritt der Assoziation seit dem vorhergehenden Kongreß gegeben. Ihr, Arbeiter1, werdet die Gründe würdigen, welche uns veranlassen, dieses Mal abweichend zu verfahren. Zudem werden vielleicht die Berichte der Delegierten von verschiedenen Ländern - und sie wissen am besten, wie weit sie gehen können - diesen Mangel ergänzen. Wir beschränken uns auf die Angabe, daß seit dem Baseler Kongreß und
1 In „La Liberte" und „The International Herald"; Bürger
namentlich seit der Konferenz in London im September 1871 die Internationale Boden gefaßt hat unter den Irländern in England und in Irland selbst, in Holland, Dänemark und Portugal, daß sie sich in den Vereinigten Staaten fest organisiert hat und daß Verzweigungen bestehen in Buenos Aires, Australien und Neuseeland. Der Unterschied zwischen einer Arbeiterklasse ohne Internationale und einer Arbeiterklasse mit einer Internationalen Assoziation zeigt sich am schlagendsten, wenn wir auf 1848 zurückblicken. Langer Jahre bedurfte es, bis die Arbeiter selbst das Werk ihrer eigenen Vorkämpfer in der JuniInsurrektion von 184811231 erkannt. Die Pariser Kommune wurde sofort begrüßt durch den Jubelruf des Proletariats aller Länder. Ihr, die Abgeordneten der Arbeiterklasse, versammelt euch, um die streitbare Organisation eines Bundes zu befestigen, dessen Zweck die Emanzipation der Arbeit ist und die Ausrottung der Nationalkämpfe. Fast in demselben Augenblick versammeln sich in Berlin die gekrönten Würdenträger der alten Welt, um neue Ketten zu schmieden und neue Kriege auszuhecken/170'
Es lebe die Internationale Arbeiter-Assoziation!
Geschrieben Ende August 1872.
Friedrich Engels Bericht über die Allianz der sozialistischen Demokratie, vorgelegt dem Haager Kongreß im Namen des Generalrats[17l]
Die Allianz der sozialistischen Demokratie wurde gegen Ende des Jahres 1868 von M. Bakunin gegründet.121 Das war eine internationale Gesellschaft, die den Anspruch erhob, zu gleicher Zeit außerhalb und innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation zu fungieren. Während sie sich aus Mitgliedern der letzteren zusammensetzte, die das Recht forderten, an allen Zusammenkünften der Internationale teilzunehmen, wollte sie sich jedoch das Recht vorbehalten, ihre lokalen Gruppen, ihre nationalen Föderationen, ihre besonderen Kongresse neben denen der Internationale zu haben. Die Allianz beanspruchte also gleich von ihrem Beginn an, eine Art Aristokratie inmitten unserer Assoziation zu bilden, einen Elitekörper mit einem Programm für sich und mit besonderen Privilegien. Die Korrespondenz, die damals zwischen dem Zentralkomitee der Allianz und unserem Generalrat geführt wurde, ist in dem Zirkular „Die angeblichen Spaltungen in der Internationale", Seite 7 bis 91, abgedruckt (Belegstück Nr. 1). Der Generalrat lehnte es ab, die Allianz zuzulassen, solange sie ihren abgesonderten internationalen Charakter beibehielte; er versprach nur, sie unter der Bedingung zuzulassen, daß sie ihre spezielle internationale Organisation auflöst, daß sich ihre Sektionen in einfache Sektionen unserer Assoziation verwandeln und daß der Rat vom Ort und von der zahlenmäßigen Stärke jeder neuen Sektion unterrichtet wird. Hier folgt, was am 22. Juni 1869 das Zentralkomitee der Allianz, die2 in ihren Beziehungen zum Generalrat fortan den Namen „Sektion der Allianz der sozialistischen Demokratie in Genf" führte, auf diese Forderungen antwortete: „Entsprechend den Vereinbarungen zwischen Ihrem Rat und dem Zentralkomitee der Allianz der sozialistischen Demokratie haben wir den verschiedenen Gruppen der
1 Siehe vorl. Band, S. 12-15 - 2 in der Handschrift folgt durchgestrichen: aus diesem Anlaß ihren Namen änderte
Allianz die Frage ihrer Auflösung als eine von der Internationalen Arbeiterassoziation gesonderte Organisation unterbreitet... Wir haben das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß die große Mehrheit der Gruppen die Ansicht des Zentralkomitees geteilt hat, die darauf hinausläuft, die Auflösung der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie zu beschließen. Heute ist diese Auflösung beschlossen worden. Wir haben diesen Beschluß den verschiedenen Gruppen der Allianz mitgeteilt und sie eingeladen, sich nach unserem Beispiel als Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation zu konstituieren und sich als solche von Ihnen oder vom Föderalrat dieser Assoziation in ihren bezüglichen Ländern anerkennen zu lassen. Als Bestätigung des Briefes, den Sie an das ehemalige Zentralkomitee der Allianz gerichtet haben, bitten wir Sie heute, indem wir Ihnen die Statuten unserer Sektion unterbreiten, uns offiziell als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation anzuerkennen..." (gez.) Der provisorische Sekretär Ch. Perron (Belegstück Nr. 2). Dieses Exemplar der Statuten der Allianz befindet sich unter den Belegstücken als Nr. 3. Die Genfer Sektion blieb die einzige, die um ihre Aufnahme nachgesucht hat. Von den anderen angeblichen Sektionen der Allianz hörte man nichts mehr. Indessen mußte man glauben, trotz der fortwährenden Intrigen der Allianzisten, die bestrebt waren, ihr spezielles Programm der ganzen Internationale aufzuzwingen und sich der Leitung unserer Assoziation zu bemächtigen, daß die Allianz ihr Wort gehalten und sich aufgelöst hätte. Aber1 dann erhielt der Generalrat ziemlich präzise Hinweise, aus denen er schließen mußte, daß die Allianz sich niemals aufgelöst hatte, daß sie trotz ihres feierlich gegebenen Wortes immer in Form einer Geheimgesellschaft existiert hatte und existierte und daß sie diese verborgene Organisation benutzte, um ihr ursprüngliches Herrschaftsziel weiterzuverfolgen. Besonders in Spanien wurde ihr Vorhandensein immer offensichtlicher infolge von Spaltungen im Schöße der Allianz selbst, deren Geschichte wir weiter unten bringen werden. Hier genügt es zu sagen, daß erst ein Zirkular der Mitglieder des alten Föderalrats dieses Landes, die gleichzeitig Mitglieder des Zentralkomitees der Allianz in Spanien sind (siehe „Emancipacion" Nr. 61, Seite 3, 2. Spalte, Belegstück Nr.4)[17al deren Existenz enthüllte.2 Dieses Zirkular3 ist mit dem 2.Juni 1872 datiert.11731 Es kündigt allen Sektionen der Allianz in Spanien an, daß die Unterzeichner sich als Sektion der Allianz soeben aufgelöst hätten und die
1 In der Handschrift folgt durchgestrichen: im Mai dieses Jahres - 2 in der Handschrift folgt durchgestrichen: Da es ihnen jedoch nicht möglich war, ihre Pflichten gegenüber der Internationale mit ihrer Stellung als Mitglieder einer in deren Innern bestehenden Geheimgesellschaft zu vereinbaren, wandten sie sich am 2. Juni - 3 bezieht sich auf den durchgestrichenen Satz
anderen auffordern, ihrem Beispiel zu folgen. Es wurde in der „Emancipacion" veröffentlicht (Nr. 59, Belegstück Nr. 5). Diese Veröffentlichung zwang die Zeitung der Allianz, die „Federacion"tl7i] von Barcelona (Nr. 155 vom 4. August 1872), ihrerseits die Statuten der Allianz zu veröffentlichen (Belegstück Nr. 6). Die Existenz dieser Gesellschaft ist also völlig erwiesen. Wenn man diese Statuten der geheimen Gesellschaft mit den Statuten vergleicht, die die Genfer Allianz dem Generalrat unterbreitet hat, finden wir zunächst, daß die programmatische Einleitung der ersteren identisch ist mit der der anderen. Es sind nur einige redaktionelle Veränderungen erfolgt, und zwar derart, daß in den Geheimstatuten das spezielle Programm Bakunins deutlicher zum Ausdruck kommt. Hier die genaue Übersicht: Der Genfer Art. 1 stimmt wörtlich mit dem Geheimartikel 5 überein. „ „ 2 „ im allge- „ „ „ 1 „ meinen „ „ 3 wörtlich „ „ „ 2 „ „ 4 & 5 stimmen im allge- „ „ „ 3 „ meinen » » 6 stimmt im allge- „ » » ' „ meinen Die Geheimstatuten selbst basieren auf denen von Genf. So entspricht der Geheimartikel 4 wörtlich dem Artikel 3 von Genf; die Genfer Artikel 8 und 9 finden sich gekürzt im Geheimartikel 10 wie die Genfer Artikel 15 bis 20 im Geheimartikel 3. Der Genfer Artikel 7 predigt im Gegensatz zu der jetzigen Praxis der Allianzisten „die starke Organisation" der Internationale und verpflichtet alle Mitglieder der Allianz, „die Resolutionen der Kongresse und die Macht des Generalrats aufrechtzuerhalten". Dieser Artikel findet sich in den Geheimstatuten nicht, aber daß er anfangs vorhanden war, wird dadurch bewiesen, daß er im Reglement der Madrider seccion de oficios varios1, Artikel 15, fast wörtlich wiederkehrt (Belegstück Nr. 7), wo sich auch das Programm der Allianz findet. Es ist also offensichtlich, daß wir es nicht mit zwei verschiedenen Gesellschaften, sondern mit ein und derselben Gesellschaft zu tun haben. Während das Genfer Zentralkomitee dem Generalrat die Auflösung der Allianz zusicherte und, im Glauben an diese Erklärung, als Sektion der internationale aufgenommen wurde, verstärkten die Anführer dieses Zentralkomitees, mit M. Bakunin an ihrer Spitze, die Organisation dieser selben
Allianz, indem sie sie in eine Geheimgesellschaft umwandelten und ihr den internationalen Charakter wahrten, den man versprochen hatte aufzugeben. Das Vertrauen des Generalrats und der ganzen Internationale, der die Korrespondenz vorgelegt worden war, wurde schändlich mißbraucht. Nachdem sie mit einer solchen Lüge begonnen hatten, hatten diese Männer keine Veranlassung mehr, sich in ihren Machenschaften zu genieren, um die Internationale entweder zu unterwerfen oder, wenn das nicht glücken sollte, sie zu desorganisieren. Es folgen jetzt die hauptsächlichen Artikel der Geheimstatuten:
„ 1. Die Allianz der sozialistischen Demokratie setzt sich aus Mitgliedern der internationalen Arbeiterassoziation zusammen und hat die Propaganda und Entfaltung der Prinzipien des Programms der Internationale zum Ziele sowie das Studium aller Mittel, die geeignet sind, die direkte und sofortige Befreiung der Arbeiterklasse voranzutreiben. 2. Um die bestmöglichen Resultate zu erlangen und den Gang der sozialen Organisation nicht bloßzustellen, hat die Allianz höchst geheim zu sein. 4. Niemand kann als Mitglied aufgenommen werden, ohne daß er vorher vollständig und aufrichtig die Prinzipien des Programms akzeptiert hätte etc. 5. Die Allianz übt, soweit sie das kann, im Schöße der loyalen Arbeiterföderation ihren Einfluß aus, damit diese nicht eine reaktionäre oder antirevolutionäre Entwicklung nimmt. 9. Die Majorität der Assoziierten kann jedes ihrer Mitglieder ohne Angabe des Grundes aus der Allianz ausschließen."
Die Allianz ist also eine Geheimgesellschaft, die direkt im Schöße der Internationale gebildet wurde, mit einem speziellen Programm, das keineswegs das der Internationale ist, und die die Propaganda dieses Programms zum Ziele hat, das sie als das einzig revolutionäre betrachtet. Sie erlegt ihren Mitgliedern die Pflicht auf, im Schöße ihrer lokalen Föderation der Internationale dahin zu wirken, daß diese nicht eine reaktionäre oder antirevolutionäre Entwicklung nimmt, d.h. daß sie sich in keiner Weise vom Programm der Allianz entfernt. Das heißt, daß die Allianz bezweckt, vermittels ihrer geheimen Organisation ihr sektiererisches Programm der ganzen Internationale aufzuzwingen. Das wirksamste Mittel, dahin zu gelangen, ist, sich der lokalen und föderalen Räte und des Generalrats zu bemächtigen, indem man unter Ausnutzung der durch die geheime Organisation gegebenen Macht Mitglieder der Allianz in sie hineinwählen läßt. Das ist genau das, was die Allianz dort gemacht hat, wo sie glaubte, Erfolgsaussichten zu haben; wir werden das später sehen. Es ist klar, daß niemand den Allianzisten zürnen würde, wenn sie Propaganda für ihr Programm betrieben hätten. Die Internationale setzt sich
aus Sozialisten verschiedenster Schattierungen zusammen. Ihr Programm ist ziemlich breit, um sie alle zu umfassen; die bakunistische Sekte ist unter denselben Bedingungen wie alle anderen in sie aufgenommen worden. Was man ihr vorwirft, ist gerade, daß sie diese Bedingungen verletzt hat. Was den geheimen Charakter der Allianz angeht, so ist das schon etwas ganz anderes. Die Internationale weiß sehr wohl, daß in sehr vielen Ländern geheime Gesellschaften bestehen, in Polen, in Frankreich, in Irland -, ein legitimes Verteidigungsmittel gegen den Terrorismus der Regierungen. Aber sie hat auf der Londoner Konferenz erklärt, daß sie sich von diesen Gesellschaften völlig fernhalten will und sie folglich nicht als Sektionen anerkennen wird. Doch was die Hauptsache ist, hier sehen wir uns einer Geheimgesellschaft gegenüber, die geschaffen worden ist, nicht um die Regierungen zu bekämpfen, sondern die Internationale selber. Die Organisation einer solchen Geheimgesellschaft ist eine flagrante Verletzung nicht nur der Verpflichtung, die gegenüber der Internationale übernommen worden ist, sondern auch des Buchstaben und des Geistes unserer Allgemeinen Statuten. Unsere Statuten kennen nur eine Art von Mitgliedern der Internationale mit gleichen Rechten und Pflichten; die Allianz teilt sie in zwei Kasten, in Eingeweihte und Laien, Aristokraten und Plebejer, wobei die letzteren bestimmt sind, von den ersteren mittels einer Organisation geführt zu werden, von deren Existenz sie nicht einmal etwas wissen. Die Internationale fordert von ihren Anhängern, als Grundlage ihres Verhaltens die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Moral anzuerkennen; die Allianz erlegt ihren Adepten als erste Pflicht die Lüge auf, die Verstellung und den Betrug, indem sie ihnen vorschreibt, die Laien unter den Internationalen über die Existenz der verborgenen Organisation, über die Beweggründe und selbst über den Zweck ihrer Worte und ihrer Handlungen zu täuschen. Die Gründer der Allianz wußten ganz genau, daß die große Masse der Laien unter den Internationalen sich niemals wissentlich einer Organisation wie der ihrigen unterwerfen würde, sobald sie von deren Existenz Kenntnis erhalten hätte. Deshalb machten sie sie „höchst geheim". Denn man muß wohl beachten, daß der geheime Charakter dieser Allianz nicht zum Ziele hat, die Wachsamkeit der Regierungen zu täuschen, andernfalls hätte man sich gar nicht erst als öffentliche Gesellschaft konstituiert; dieser geheime Charakter1 war einzig und allein dazu bestimmt, die profane Internationale zu täuschen, wie dies der unwürdige Betrug beweist, den die Allianz gegenüber dem Generalrat angewandt hat. Es handelt sich
um eine richtige Verschwörung gegen die Internationale. Zum erstenmal in der Geschichte der Kämpfe der Arbeiterklasse stoßen wir auf eine geheime Verschwörung, die angezettelt worden ist inmitten dieser Klasse selbst und dazu bestimmt ist, nicht das bestehende Ausbeuterregime zu unterminieren, sondern gerade die Assoziation, die es aufs energischste bekämpft. Übrigens wäre es lächerlich zu behaupten, daß sich eine Gesellschaft zu einer geheimen gemacht habe, um sich gegen die Verfolgungen der jetzigen Regierungen zu schützen, wenn diese Gesellschaft überall die zermürbende Doktrin von der absoluten Abstention in Sachen der Politik predigt und wenn sie in ihrem Programm (Art. 3, Einführung der Geheimstatuten) erklärt, daß sie
„jede revolutionäre Aktion ablehnt, die nicht zum sofortigen und direkten Ziel den Triumph der Sache der Arbeiter gegen das Kapital habe". Wie sah nun die Tätigkeit dieser geheimen Gesellschaft in der Internationale aus ? Die Antwort auf diese Frage findet sich teilweise schon im vertraulichen Zirkular des Generalrats über „Die angeblichen Spaltungen" etc. Aber da der Generalrat damals noch nicht die Ausdehnung der geheimen Organisation kannte und da seither manch wichtiges Ereignis eingetreten ist, konnte diese Antwort nur sehr unvollständig sein. Stellen wir zunächst fest, daß es in der Tätigkeit der Allianz zwei deutlich unterscheidbare Phasen gibt. In der ersten glaubte sie, sich des Generalrats bemächtigen zu können und dadurch der obersten Leitung unserer Assoziation. Gerade damals forderte sie von ihren Anhängern, die „starke Organisation" der Internationale und „in erster Linie die Macht des Generalrats ebenso wie die des Föderalrats und des Zentralkomitees" zu unterstützen; gerade damals haben die Männer der Allianz auf dem Baseler Kongreß alle diese ausgedehnten Vollmachten für den Generalrat verlangt, die sie später mit soviel Abscheu als autoritär abgelehnt haben. Der Baseler Kongreß machte zumindest für einige Zeit die Hoffnungen der Allianz zunichte1. Danach zettelte sie die Anschläge an, von denen in den „Spaltungen" die Rede ist; im Jura, in Italien und in Spanien hörte sie nicht auf, ihr spezielles Programm an die Stelle des Programms der Inter
1 In der Handschrift folgt durchgestrichen: indem er sie den lokalen Intrigen überließ. Sie hielt sich ziemlich ruhig, bis die Londoner Konferenz durch ihre Resolutionen über die Politik der Arbeiterklasse und über die sektiererischen Sektionen das ursprüngliche Programm der Internationale gegenüber dem Programm der Allianz wiederherstellte.
nationale zu setzen. Die Londoner Konferenz mit ihren Resolutionen über die Politik der Arbeiterklasse und über die sektiererischen Sektionen machte diesem qui pro quo in der Internationale ein Ende. Sofort regte sich die Allianz von neuem. Die Jurassische Föderation, die die Macht der Allianz in der Schweiz begründete, erließ ihr Zirkular von Sonvillier gegen den Generalrat, worin die starke Organisation, die Macht des Generalrats, die Baseler Resolutionen, die von den Unterzeichnern dieses selben Zirkulars vorgeschlagen worden waren und für die sie gestimmt hatten, als autoritär verurteilt wurden, eine Bezeichnung, die anscheinend hinreicht, um sie summarisch zu verdammen; worin man von „dem Krieg, dem offen ausgebrochenen Krieg in unseren Reihen" sprach; worin man für die Internationale eine Organisation forderte, die nicht den Bedürfnissen des gegenwärtigen Kampfes angepaßt wäre, sondern einem, wir wissen nicht welchem, Ideal der künftigen Gesellschaft etc. Von diesem Augenblick an wechselte man die Taktik. Die Losung war gegeben. Überall, wo die Allianz ihre Verzweigungen hatte, in Italien und besonders in Spanien, wurden die autoritären Resolutionen von Basel und der Londoner Konferenz sowie der Autoritarismus des Generalrats heftig angegriffen. Man sprach nur noch von der Autonomie der Sektionen, von frei föderierten Gruppen, von Anarchie etc. Das alles ist leicht zu verstehen. Die Macht der Geheimgesellschaft im Schöße der Internationale mußte natürlich im gleichen Maße wachsen, wie sich die öffentliche Organisation der Internationale lokkerte und schwächte. Das große Hindernis, auf das man stieß, war der Generalrat, und ihn griff man in erster Linie an; aber wir werden sogleich sehen, daß man die Föderalräte dort, wo man die Gelegenheit dazu für geeignet hielt, in gleicher Weise behandelte. Das Jura-Zirkular hatte keinerlei Wirkung außer in den Ländern, wo die Internationale mehr oder weniger unter dem Einfluß der Allianz stand, in Italien und in Spanien. Im letzteren Land waren die Allianz und die Internationale zu gleicher Zeit gegründet worden, unmittelbar nach dem Baseler Kongreß. Die ergebensten Internationalen Spaniens ließ man glauben, daß das Programm der Allianz mit dem der Internationale identisch sei, daß die geheime Organisation überall existiere und daß es beinahe eine Pflicht sei, in sie einzutreten. Diese Illusion wurde zerstört durch die Londoner Konferenz, wo sich der spanische Delegierte1, selber Mitglied des Zentralkomitees der Allianz seines Landes, vom Gegenteil überzeugen konnte, und durch dasselbe Jura-Zirkular, dessen wütende Angriffe und
Verleumdungen gegen diese Konferenz und gegen den Generalrat sofort von allen Organen der Allianz übernommen worden waren. Die erste Folge des Jura-Zirkulars in Spanien war, daß im Schöße der spanischen Allianz selbst eine Spaltung geschaffen wurde zwischen denjenigen, die vor allem Internationale waren, und denjenigen, die nur insofern die Internationale wünschten, als sie von der Allianz beherrscht würde. Der anfangs nur schwelende Kampf brach bald in den Versammlungen der Internationale aus. Da der von der Konferenz von Valencia11751 (September 1871) gewählte Föderalrat durch seine Handlungen bewiesen hatte, daß er die Internationale der Allianz vorzog, wurde die Mehrheit seiner Mitglieder aus der lokalen Föderation von Madrid, die von der Allianz beherrscht wurde, ausgestoßentl76]. Sie wurden durch den Kongreß von Saragossa1811 rehabilitiert, und zwei1 von ihnen, Mora und Lorenzo, wurden in den neuen Föderalrat wiedergewählt, obwohl alle Mitglieder des alten Rats vorher erklärt hatten, sie nicht akzeptieren zu wollen.2 Der Kongreß von Saragossa ließ die Anführer der Allianz befürchten, daß Spanien ihren Händen zu entgleiten beginne. Sofort richtete sie daher gegen die Vollmachten des Spanischen Föderalrats dieselben Angriffe wie sie das Jura-Zirkular gegen die sogenannten autoritären Befugnisse des Generalrats gerichtet hatte. In Spanien wurde von dem Kongreß von Barcelona11771 und der Konferenz von Valencia eine völlig demokratische und gleichzeitig äußerst vollständige Organisation geschaffen. Sie zeitigte auch dank der Tätigkeit des in Valencia gewählten Föderalrats (eine Tätigkeit, die durch eine besondere Abstimmung des Kongresses anerkannt wurde) die glänzenden Resultate, von denen im allgemeinen Bericht die Rede gewesen ist3. In Saragossa erklärte Morago, die Seele der Allianz in Spanien, daß die in dieser Organisation dem Föderalrat gewährten Befugnisse autoritär wären, man müsse sie einschränken und ihm das Recht nehmen, neue Sektionen zuzulassen oder abzulehnen, das Recht, festzustellen, ob ihre Statuten mit denen der Föderation übereinstimmen, man müsse ihn schließlich auf die Rolle eines einfachen Büros für Korrespondenz und Statistik beschränken. Der Kongreß, der die Vorschläge Moragos zurückwies, beschloß, die bestehende autoritäre Organisation beizubehalten. (Siehe
1 In der Handschrift folgt durchgestrichen: seiner aktivsten Mitglieder - 2 in der Handschrift folgt durchgestrichen: Der Kongreß wählte den Sitz des Föderalrats in Valencia in der Hoffnung, daß dies neutraler Boden sein würde und daß sich diese Zwistigkeiten nicht mehr wiederholen würden. Doch waren von den fünf Mitgliedern des neuen Rats drei Anhänger der Allianz, deren Zahl später durch Kooption auf mindestens fünf anwuchs. — 3 siehe vorl. Band, S. 129-139
10 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
„Estracto de las actas del segundo congreso obrero" etc., S. 109 und 110. Belegstück Nr. 8[178]. - Zu diesem Punkt wird das Zeugnis des Bürgers Lafargue, eines Delegierten zum Kongreß von Saragossa, wichtig sein.) Um den neuen Föderalrat von den in Madrid entstandenen Zwistigkeiten fernzuhalten, verlegte ihn der Kongreß nach Valencia. Aber die Ursache dieser Zwistigkeiten, der Antagonismus, der sich zwischen der Allianz und der Internationale zu entwickeln begann, war nicht von lokalem Charakter. Der Kongreß, der nicht einmal von der Existenz der Allianz wußte, hatte den neuen Rat ausschließlich aus Mitgliedern dieser Gesellschaft gewählt; zwei unter ihnen, Mora und Lorenzo, waren deren Widersacher geworden, und Mora nahm die Wahl nicht an. Das Zirkular des Generalrats über „Die angeblichen Spaltungen", als Antwort auf das Jura-Zirkular, nötigte alle Internationalen, sich entweder für die Internationale oder für die Allianz zu erklären. Die Polemik zwischen der „Emancipacion" einerseits und der „Federacion" von Barcelona und der „Razon" von Sevilla, allianzistischen Zeitungen, andererseits verschärfte sich immer mehr. Endlich, am 2.Juni, beschlossen die Mitglieder des alten Föderalrats, Redakteure der „Emancipacion" und Mitglieder des spanischen Zentralkomitees der Allianz, an alle spanischen Sektionen der Allianz ein Zirkular zu richten, worin sie ihre Auflösung als Sektion der geheimen Gesellschaft erklärten und die anderen Sektionen einluden, ihrem Beispiel zu folgen. Die Rache ließ nicht auf sich warten. Sie wurden sofort und unter flagranter Verletzung der geltenden Verwaltungsverordnungen von neuem aus der lokalen Föderation von Madrid ausgestoßen. Sie konstituierten sich dann als Neue Madrider Föderation und baten den Föderalrat um ihre Anerkennung. Aber unterdessen gelang es dem allianzistischen Element im Rat, das sich durch Kooptionen verstärkt hatte, diesen vollständig unter seine Herrschaft zu bringen, so daß Lorenzo sich aus ihm zurückzog. Die Bitte der Neuen Madrider Föderation wurde vom Föderalrat, der sich damals schon damit beschäftigte, die Wahl von Kandidaten der Allianz als Delegierte zum Haager Kongreß zu sichern, rundweg abgelehnt. Zu diesem Zweck richtete er an die lokalen Föderationen ein vertrauliches Zirkular, datiert vom 7. Juli, worin er, nachdem er die Verleumdungen der „Federacion" gegen den Generalrat wiederholt hat, den Föderationen vorschlägt, eine für ganz Spanien gemeinsame Delegation zum Kongreß zu schicken, gewählt mit der Mehrheit aller Stimmen, deren Auszählung vom Rat selbst vorgenommen werden sollte. (Belegstück Nr. 9.) Für alle diejenigen, die die Geheimorganisation im Schöße der spanischen Internationale kennen, ist es klar, daß dies hieße, die Herren der Allianz zu wählen, um sie mit dem Geld der Inter
nationalen zum Kongreß zu schicken. Sowie der Generalrat, dem dieses Zirkular nicht übersandt worden war, von diesen Tatsachen Kenntnis erhielt1, richtete er am 24. Juli an den Spanischen Föderalrat das den Belegstücken (Nr. 10) beigefügte Schreiben3. Der Föderalrat3 antwortete am 1 .August, daß er Zeit brauche, um unseren französisch geschriebenen Brief zu übersetzen, und am 3. August schrieb er an den Generalrat die in der „Federacion" (Belegstück Nr. 11) veröffentlichte ausweichende Antwort. In dieser Antwort ergriff er für die Allianz Partei. Der Generalrat hatte gleich nach Empfang des Briefes vom I.August diese Korrespondenz in der „Emancipacion" veröffentlichen lassen. Fügen wir hinzu, daß man, gleich nachdem die geheime Organisation aufgedeckt worden war, behauptete, die Allianz wäre bereits auf dem Kongreß von Saragossa aufgelöst worden. Das Zentralkomitee wurde indessen nicht davon benachrichtigt (Belegstück Nr. 4)4. Die Neue Madrider Föderation bestreitet diese Sache, und sie müßte es doch wissen. Übrigens ist es lächerlich zu behaupten, daß der spanische Zweig solch einer internationalen Gesellschaft wie die Allianz sich auflösen könnte, ohne die anderen nationalen Zweige zu konsultieren. Unmittelbar danach versuchte die Allianz ihren coup d'etat. Als sie merkte, daß es ihr nicht möglich sein wird, sich auf dem Haager Kongreß durch Wiederholung der Manöver von Basel und von La Chaux-de-Fonds eine künstliche Mehrheit zu sichern[179!, benutzte sie die in Rimini durch die sogenannte italienische Föderation abgehaltene Konferenz, um eine offene Spaltung durchzuführen. Die dort versammelten Delegierten stimmten dem einmütig zu (siehe Belegstück Nr. 12). Da haben wir also den Kongreß der Allianz gegen den der Internationale. Indessen wurde man bald gewahr, daß dieser Plan keinen Erfolg versprach. Man beschloß daher, nach Den Haag zu gehen, und so sehen wir, daß die gleichen italienischen Sektionen, von deren einundzwanzig eine einzige unserer Assoziation angehört, nachdem sie den Haager Kongreß verschmäht haben, nun die Stirn haben, ihre Delegierten nach Den Haag zu schicken!5
1 In der Handschrift folgt durchgestrichen: was gerade zu jener Zeit geschah, als er die ersten unwiderlegbaren Beweise für die Existenz der Geheimorganisation erlangte - 2 siehe vorl. Band, S. 122-124 - 3 in der Handschrift folgt durchgestrichen: versuchte zunächst Zeit zu gewinnen, indem er vorgab — 4 in der Handschrift folgt durchgestrichen: und welchen Glauben kann man einer solchen Versicherung schenken, nachdem man die Erfahrung von 1869 gemacht hat? Sie wird von keinerlei Beweisen bekräftigt. Im Gegenteil, die Tatsachen zeigen eher, daß die geheime Organisation immer noch besteht - 5 in der Handschrift fügt Engels hiernach folgenden deutschsprachigen Vermerk ein: Dann d[er] B[rie]f v[on] Bak[unin] und die Statuten wenn nötig.
In Erwägung: 1. daß die Allianz, von M. Bakunin gegründet und geleitet, eine der Internationale feindliche Gesellschaft ist, weil sie es versucht, entweder die Internationale zu beherrschen oder sie zu desorganisieren; 2. daß infolgedessen die Internationale und die Allianz unvereinbar sind, beschließt der Kongreß: 1. M, Bakunin und alle gegenwärtigen Mitglieder der Allianz der sozialistischen Demokratie sind aus der Internationalen Arbeiterassoziation ausgeschlossen. Sie können in sie erst wieder eintreten, nachdem sie von jeder Gemeinschaft mit dieser Geheimgesellschaft öffentlich abgerückt sind. 2. Die Jurassische Föderation als solche ist aus der Internationale ausgeschlossen.
Geschrieben Ende August 1872. Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx/Friedrich Engels
Resolutionen des allgemeinen Kongresses zu Haag vom 2. bis 7. September 1872[,80]
I
Resolution über die Statuten
Der folgende Artikel, der den Inhalt der Resolution IX der Londoner Konferenz1 (September 1871) zusammenfaßt, wird in die Statuten nach Artikel 7 eingefügt: Art. 7a - In seinem Kampf gegen die kollektive Macht der besitzenden Klassen kann das Proletariat nur dann als Klasse handeln, wenn es sich selbst als besondere politische Partei im Gegensatz zu allen alten, von den besitzenden Klassen gebildeten Parteien konstituiert. Diese Konstituierung des Proletariats als politische Partei ist unerläßlich, um den Triumph der sozialen Revolution und ihres höchsten Zieles, der Aufhebung der Klassen, zu sichern. Die durch den ökonomischen Kampf bereits erreichte Vereinigung der Kräfte der Arbeiterklasse muß in den Händen dieser Klasse auch als Hebel in ihrem Kampf gegen die politische Macht ihrer Ausbeuter dienen. Da die Herren des Bodens und des Kapitals sich ihrer politischen Privilegien stets bedienen, um ihre ökonomischen Monopole zu verteidigen und zu verewigen und die Arbeit zu unterjochen, wird die Eroberung der politischen Macht zur großen Pflicht des Proletariats. Angenommen mit 29 Stimmen gegen 5; Stimmenthaltungen: 8. Dafür gestimmt haben: Arnaud, J.Ph. Becker, B.Becker, Cournet, Dereure, Dumont, Dupont, Duval, Eccarius, Engels, Farkas, Friedländer, Frankel, Hepner, Heim, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Longuet, Le Moussu, Mottershead, Pihl, Ranvier, Serraillier, Sorge, Swarm, Vaillant, Wilmot, Mac Donnel.
Dagegen gestimmt haben: Brismee, Coenen, Gerhardt, Schwitzguebel, van der Hout. Es enthielten sich der Stimme: van den Abeele, Dave, Eberhardt, Fluse, Guillaume, Herman, Sauva, Marselau. Der Kongreß faßte den formellen Beschluß, die Stimmen der Delegierten gelten zu lassen, die durch die Arbeiten der Kommissionen verhindert waren, an der Sitzung teilzunehmen. Folgende Delegierte haben dafür gestimmt: Cuno, Lucain, Marx, Vichard, Walter, Wroblewski; insgesamt 6. Es ist keine Gegenstimme hinterlegt worden.
II
Resolutionen über die Verwaltungsverordnungen
1. Vollmachten des Generalrats
Die Artikel 2 und 6 des Kapitels II sind durch folgende Artikel ersetzt worden: Art. 2 - Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen und darauf zu achten, daß die Grundsätze, Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationale in jedem Lande strikt eingehalten werden. Art. 6 - Der Generalrat hat ebenfalls das Recht, Zweiggesellschaften, Sektionen, Föderalräte oder Föderalkomitees und Föderationen der Internationale bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren. Gegenüber Sektionen, welche einer Föderation angehören, soll er dieses Recht indessen nur ausüben, nachdem er den betreffenden Föderalrat konsultiert hat. Im Falle der Auflösung eines Föderalrats soll der Generalrat von den Sektionen der Föderation gleichzeitig fordern, binnen höchstens dreißig Tagen einen neuen Föderalrat zu wählen. Im Falle der Suspendierung einer ganzen Föderation soll der Generalrat alle Föderationen unverzüglich davon benachrichtigen. Wenn die Mehrheit der Föderationen es verlangt, soll der Generalrat eine außerordentliche Konferenz einberufen, welche aus einem Delegierten jeder Nationalität bestehen, einen Monat nachher zusammentreten und den Streitfall endgültig entscheiden wird. Nichtsdestoweniger versteht es sich von selbst, daß die Länder, wo die Internationale verboten ist, dieselben Rechte ausüben werden wie die regulären Föderationen.
Der Artikel 2 ist mit 40 gegen 4 Stimmen angenommen worden; Stimmenthaltungen: 11. Dafür gestimmt haben: Arnaud, Barry, J. Ph. Becker, B. Becker, Cournet, Cuno, Dereure, Dumont, Dupont, Duval, Engels, Farkas, Frankel, Friedländer, Hepner, Heim, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Leßner, Le Moussu, Longuet, Lucain, Mac Donnel, Marx, Milke, Pihl, Ranvier, Roach, Sauva, Scheu, Serraillier, Sexton, Sorge, Swarm, Schumacher, Vaillant, Vichard, Walter, Wroblewski. Dagegen gestimmt haben: Fluse, Gerhardt, Splingard, van der Hout. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Coenen, Dave, Eberhardt, Guillaume, Herman, Morago, Marselau, Farga Pellicer, Schwitzguebel, van den Abeele. Der Artikel 6 ist mit 36 gegen 6 Stimmen angenommen worden; Stimmenthaltungen: 16. Dafür gestimmt haben: Arnaud, Barry, J. Ph. Becker, B. Becker, Cournet, Cuno, Dereure, Dupont, Duval, Engels, Farkas, Frankel, Friedländer, Hepner, Heim, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Leßner, Le Moussu, Longuet, Ludwig, Mac Donnel, Marx, Milke, Pihl, Ranvier, Serraillier, Schumacher, Sexton, Sorge, Swarm, Vaillant, Vichard, Walter, Wroblewski. Dagegen gestimmt haben: Brismee, Coenen, Fluse, Herman, Sauva, Splingard. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Cyrille, Dave, Dumont, Eberhardt, Guillaume, Lucain, Marselau, Morago, Mottershead, Farga Pellicer, Roach, Schwitzguebel, van den Abeele, van der Hout, Wilmot.
2. An den Generalrat zu zahlende Beiträge
Im Zusammenhang mit den Forderungen: einerseits, den Beitragssatz zu erhöhen, andererseits, ihn zu ermäßigen, ist der Kongreß aufgefordert worden zu entscheiden, ob der gegenwärtige Betrag von 10 c. jährlich geändert werden solle oder nicht. Der Kongreß hat die 10 Centimes mit 17 gegen 12 Stimmen beibehalten; Stimmenthaltungen: 8. Gegen eine Änderung haben gestimmt: J. Ph. Becker, Brism6e, Coenen, Cyrille, Dupont, Duval, Eberhardt, Eccarius, Farkas, Fluse, Gerhardt, Herman, Hepner, Serraillier, Sorge, Swarm, Wilmot. Für eine Änderung haben gestimmt: Dumont, Engels, Frankel, Heim, Johannard, Lafargue, Le Moussu, Longuet, Lucain, Mac Donnel, Pihl, Sauva.
Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Dave, Dereure, Guillaume, iMarselau, Morago, Farga Pellicer, Schwitzguebel. Die folgenden Delegierten, die gezwungen waren, Haag vor der Diskussion zu verlassen, haben ihre Stimme schriftlich für eine Beitragserhöhung hinterlegt: Arnaud, Cournet, Ranvier, Vaillant.
III Resolutionen über die internationalen Beziehungen der Widerstandsverbände
Der neue Generalrat wird mit der besonderen Aufgabe betraut, internationale Gewerksgenossenschaften zu bilden. Zu diesem Zweck soll er innerhalb eines Monats nach diesem Kongreß ein Zirkular ausarbeiten, das er in alle Sprachen übersetzen und drucken lassen und an alle Arbeitergesellschaften, deren Adressener hat, senden wird, ob sie der Internationale angeschlossen sind oder nicht. In diesem Zirkular wird er jede Arbeitergesellschaft aufrufen, eine internationale Genossenschaft ihres jeweiligen Gewerks zu bilden. Jede Arbeitergesellschaft wird aufgerufen, ihre Bedingungen für die Teilnahme an der internationalen Genossenschaft ihres Gewerks selbst festzulegen. Der Generalrat ist beauftragt, die von den Gesellschaften, die der Idee einer internationalen Gewerksgenossenschaft zustimmen, festgelegten Bedingungen zusammenzustellen und einen allgemeinen Plan auszuarbeiten, der allen Gesellschaften, die sich an internationalen Gewerksgenossenschaften beteiligen wollen, zur provisorischen Annahme vorgelegt wird. Der nächste Kongreß wird den endgültigen Vertrag der internationalen Gewerksgenossenschaften bestätigen. Einstimmig angenommen außer einigen Stimmenthaltungen, deren Zahl im Protokoll nicht festgehalten worden ist.
IV Resolutionen über die Zulassung von Sektionen
Die Mandatsprüfungskommission setzte sich wie folgt zusammen: Gerhardt (50 Stimmen), Ranvier (44), Roach (41), Marx (41), Mac Donnel (39), Dereure (36), Frankel (22). 1. Sektion 2 (New York, französisch) der Föderation von Nordamerika. Diese Sektion war vom Amerikanischen Föderalrat ausgeschlossen worden.
Sie war auch vom Generalrat nicht als unabhängige Sektion anerkannt worden. Sie wurde vom Kongreß nicht zugelassen. Gegen die Zulassung haben gestimmt 38, dafür 9; Stimmenthaltungen: 11. 2. Sektion 12 (New York, amerikanisch) der Föderation von Nordamerika, vom Generalrat suspendiert1. Im Verlauf der Debatte über das Mandat der Sektion 12 wurde mit 47 Stimmen dafür, 0 Stimmen dagegen und bei 9 Stimmenthaltungen folgender Vorschlag angenommen: „Die Internationale Arbeiterassoziation, die auf dem Prinzip der Abschaffung der Klassen beruht, kann keinerlei bürgerliche Sektionen zulassen." Dafür gestimmt haben: Arnaud, J.Ph.Becker, Barry, Brismee, Cournet, Cuno, Coenen, Dave, Dereure, Dietzgen, Dupont, Duval, Eberhardt, Fluse, Farkas, Frankel, Friedländer, Guillaume, Gerhardt, Heim, Hepner, Herman, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Le Moussu, Leßner, Lucain, Marx, Milke, Mottershead, Pihl, Ranvier, Sauva, Scheu, Schumacher, Serraillier, Sexton, Sorge, Splingard, Swarm, Vaillant, Vichard, Wilmot, Wröblewski, Walter, van den Abeele. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Eccarius, Harcourt, Marselau, Morago, Farga Pellicer, Roach, Schwitzguebel, van der Hout. Die Sektion 12 ist mit 49 Stimmen gegen 0, bei 9 Stimmenthaltungen ausgeschlossen worden: Für den Ausschluß haben gestimmt: Arnaud, Barry, J.Ph.Becker, Brismee, Cournet, Coenen, Cuno, Dave, Dereure, Dietzgen, Dumont, Dupont, Duval, Eberhardt, Fluse, Farkas, Frankel, Friedländer, Gerhardt, Heim, Hepner, Herman, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Le Moussu, Leßner, Lucain, Mac Donnel, Marx, Milke, Pihl, Ranvier, Roach, Sauva, Scheu, Schumacher, Serraillier, Sexton, Sorge, Splingard, Swarm, Vaillant, van den Abeele, van der Hout, Vichard, Wilmot, Wröblewski, Walter. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Eccarius, Guillaume, Harcourt, Marselau, Morago, Farga Pellicer, Mottershead, Schwitzguebel. 3. Marseiller Sektion. - Diese Sektion, die dem Generalrat und den mit ihm in Verbindung stehenden französischen Sektionen völlig unbekannt ist, wird nicht zugelassen. Gegen die Zulassung: 38 Stimmen; dafür: 0; Stimmenthaltungen: 14. 4. Sektion der revolutionären sozialistischen Propaganda und Aktion in Genf. - Da diese Sektion nur eine Auferstehung der (offenen) Allianz der
sozialistischen Demokratie in Genf ist, die im August 1871 aufgelöst wurde, ist sie weder von dem Romanischen Föderalrat noch vom Generalrat anerkannt worden, der ihre durch das Jurassische Föderalkomitee überwiesenen Beiträge zurückgehen ließ. Der Kongreß beschloß, sie bis zum Ende der Debatten über die geheime Allianz zu suspendieren. Die Suspendierung ist einstimmig angenommen worden, abgesehen von einigen Stimmenthaltungen, die nicht konstatiert wurden. 5. Neue Madrider Föderation. - Die Neue Madrider Föderation, gebildet von den Mitgliedern des früheren Spanischen Föderalrats, die von der alten Madrider Föderation unter flagranter Verletzung der bestehenden Verwaltungsverordnungen ausgestoßen worden waren, weil sie die Verschwörung der geheimen Allianz gegen die Internationale Arbeiterassoziation aufgedeckt hatten, hatte sich zunächst an den Spanischen Föderalrat gewandt, der ihre Aufnahme ablehnte. Danach wandte sie sich an den Generalrat. Der Generalrat übernahm die Verantwortung, sie anzuerkennen1, ohne den Spanischen Föderalrat konsultiert zu haben, der unter den 8 Mitgliedern, aus denen er sich zusammensetzte, nicht weniger als 5 Mitglieder zählte, die zur geheimen Allianz gehörten. Der Kongreß ließ diese Föderation mit 40 gegen 0 Stimmen zu; die wenigen Stimmenthaltungen wurden nicht konstatiert.
V
Überprüfung des Kassenberichts des Generalrats
Die vom Kongreß zur Uberprüfung des Kassenberichtes des Generalrats (für das Jahr 1871/1872) ernannte Kommission setzte sich zusammen aus den Bürgern: Dumont, für Frankreich; Alerini, für Spanien; Farkas, für Österreich und Ungarn; Brismee, für Belgien; Lafargue, für die Neue Madrider Föderation und für Portugal; Pihl, für Dänemark; J.Ph.Becker, für die deutsche Schweiz; Duval, für die Romanische Föderation (Schweiz); Schwitzguebel, für die Jurassische Föderation (Schweiz); Dave, für Holland; Dereure, für Amerika; Cuno, für Deutschland. Der dieser Kommission vorgelegte Kassenbericht ist von allen Mitgliedern, mit Ausnahme des abwesenden Dave, gebilligt und durch Unterschrift bestätigt worden. Nachdem der Kassenbericht verlesen worden war, wurde er vom Kongreß einstimmig gebilligt.
VI
Vom Generalrat und den Föderalräten erteilte Vollmachten
Der Kongreß hat beschlossen, „alle sowohl vom Generalrat als auch von den Föderalräten erteilten Vollmachten an Mitglieder der Internationale in den Ländern, wo die Internationale verboten ist, zu annullieren und dem neuen Generalrat das ausschließliche Recht vorzubehalten, die Bevollmächtigten der Internationalen Arbeiterassoziation in diesen Ländern zu ernennen". Einstimmig angenommen, abgesehen von einigen Stimmenthaltungen, deren Zahl nicht konstatiert worden ist.
VII
Resolutionen über die Allianz
Die mit der Untersuchung über die (geheime) Allianz der sozialistischen Demokratie beauftragte Kommission setzte sich zusammen aus den Bürgern: Cuno (33 Stimmen), Lucain (24), Splingard (31), Vichard (30), Walter (29). In ihrem Bericht an den Kongreß erklärte die Mehrheit dieser Kommission, daß „die geheime Allianz mit Statuten gegründet worden ist, die denen der Internationale völlig entgegengesetzt sind". Sie schlug vor: Michail Bakunin als Gründer der Allianz und wegen eines persönlichen Delikts1181' aus der Internationale auszuschließen; Guillaume und Schwitzguebel als Mitglieder der Allianz auszuschließen; B.Malon, Bousquet* (Sekretär des Polizeikommissariats in Beziers, Frankreich) und Louis Marchand, der Umtriebe überführt, die die Desorganisation der Internationalen Arbeiterassoziation zum Ziele haben, auszuschließen; Alerini, Marselau, Morago, Farga Pellicer und Shukowski außer Anklage zu stellen wegen ihrer in aller Form abgegebenen Erklärungen, nicht mehr der Allianz anzugehören; die Kommission zu ermächtigen, die Dokumente, auf die sich ihre Anträge stützen, zu veröffentlichen.
* Die Kommission wußte nicht, daß der Herr Bousquet auf die Forderung seiner Sektion hin bereits durch eine Abstimmung des Generalrats in aller Form ausgeschlossen worden war.
Der Kongreß beschloß: 1. Michail Bakunin auszuschließen. Dafür gestimmt haben: 27; dagegen: 6; Stimmenthaltungen: 7. Dafür gestimmt haben: J.Ph.Becker, Cuno, Dereure, Dumont, Dupont, Duval, Engels, Farkas, Frankel, Heim, Hepner, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Le Moussu, Longuet, Lucain, MacDonnel, Marx, Pihl, Serraillier, Sorge, Swarm, Vichard, Wilmot, Walter, Wroblewski. Dagegen gestimmt haben: Brismee, Dave, Fluse, Herman, Coenen, van den Abeele. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Guillaume, Marselau, Morago, Sauva, Splingard, Schwitzguebel. 2. Guillaume auszuschließen. - 25 dafür, 9 dagegen, 8 Stimmenthaltungen. Dafür gestimmt haben: J.Ph.Becker, Cuno, Dumont, Dupont, Duval, Engels, Farkas, Frankel, Heim, Hepner, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Le Moussu, Longuet, Lucain, Marx, Pihl, Serraillier, Sorge, Swarm, Vichard, Walter, Wilmot, Wroblewski. Dagegen gestimmt haben: Brismee, Cyrille, Dave, Fluse, Herman, Coenen, Sauva, Splingard, van den Abeele. Es enthielten sich der Stimme: Alerini, Dereure, Friedländer, MacDonnel, Marselau, Morago, Farga Pellicer, Schwitzguebel. 3. Schwitzguebel nicht auszuschließen. - Für den Ausschluß: 15; dagegen: 16; Stimmenthaltungen: 7. Für den Ausschluß haben gestimmt: J.Ph.Becker, Cuno, Dumont, Engels, Farkas, Heim, Hepner, Kugelmann, Le Moussu, Marx,Pihl, Splingard, Walter, Vichard, Wroblewski, Dagegen gestimmt haben: Brismee, Coenen, Cyrille, Dave, Dereure, Dupont, Fluse, Frankel, Herman, Johannard, Longuet, Sauva, Serraillier, Swarm, Wilmot, van den Abeele. Es enthielten sich der Stimme: Duval, Lafargue, Lucain, MacDonnel, Marselau, Morago, Farga Pellicer. 4. Über die anderen von der Kommission vorgeschlagenen Ausschlüsse nicht mehr abstimmen zu lassen. Einstimmig angenommen, abgesehen von einigen Stimmenthaltungen. 5. Die Dokumente über die Allianz zu veröffentlichen. Einstimmig angenommen, abgesehen von einigen Stimmenthaltungen. Es bleibt festzustellen, daß diese Abstimmungen über die Allianz nach der notwendig gewordenen Abreise einer großen Zahl französischer und deutscher Delegierter stattgefunden haben.
VIII
Sitz und Zusammensetzung des künftigen Generalrats
1. Abstimmung über die Verlegung des Sitzes des Generalrats. Für die Verlegung: 26; dagegen: 23; Stimmenthaltungen: 9. Dafür gestimmt haben: Barry, J.Ph.Becker, Brismee, Cuno, Dave, Dumont, Dupont, Engels, Harcourt, Johannard, Kugelmann, Lafargue, Leßner, Le Moussu, Longuet, MacDonnel, Marx, Roach, Sauva, Serraillier, Sexton, Sorge, Swarm, Vichard, van den Abeele, Wroblewski. Dagegen gestimmt haben: Arnaud, B.Becker, Cournet, Dereure, Duval, Farkas, Frankel, Friedländer, Gerhardt, Heim, Hepner, Herman, Lucain, Ludwig, Milke, Pihl, Ranvier, Schumacher, Splingard, Vaillant, Wilmot, Walter, van der Hout. Es enthielten sich der Stimme: Cyrille, Eberhardt, Fluse, Guillaume, Marselau, Morago, Farga Pellicer, Schwitzguebel, Alerini. 2. Der Sitz des Generalrats wurde nach New York verlegt; 30 stimmten dafür, 14 stimmten für London und 12 enthielten sich der Stimme. Für New York haben gestimmt: J.Ph.Becker, B.Becker, Brismee, Cuno, Coenen, Dave, Dumont, Dupont, Engels, Farkas, Fluse, Friedländer, Herman, Kugelmann, Lafargue, Leßner, Le Moussu, Longuet, Lucain, Mac Donnel, Marx,Pihl, Roach, Serraillier, Sexton, Splingard, Swarm, Vichard, van den Abeele, Wroblewski. Für London haben gestimmt: Arnaud, Cournet, Dereure, Duval, Frankel, Heim, Hepner, Ludwig, Milke, Ranvier, Schumacher, Vaillant, Wilmot, Walter. Es enthielten sich der Stimme: Cyrille, Eberhardt, Gerhardt, Guillaume, Johannard, Alerini, Marselau, Morago, Farga Pellicer, Sorge, Schwitzguebel, van der Hout. 3. Der Kongreß hat beschlossen, zwölf Mitglieder des Generalrats mit dem Sitz in New York zu wählen, mit der Ermächtigung, sich durch drei andere Mitglieder zu ergänzen. Es wurden gewählt:
Bertrand, Deutscher 29 Stimmen Carl, Deutscher 28 Stimmen Bolte, „ 29 „ David, Franzose 26 „ Laurel, Schwede 29 ,, Dereure, „ 26 „ Kavanagh, Ire 29 „ Fornaccieri, Italiener 25 „ Saint-Clair, „ 29 „ Speyer, Deutscher 23 „ Leviele, Franzose 28 „ Ward, Amerikaner 22 9,
IX
Ort des nächsten Kongresses
Über den Vorschlag, daß der nächste Kongreß in der Schweiz stattfinden und daß der neue Generalrat den Ort festsetzen solle, ist wie folgt abgestimmt worden: für die Schweiz 15, für London 5, für Chicago 1 und für Spanien 1 Stimme. X
Redaktionskommission für die Protokolle
Es wurden ohne Widerspruch gewählt: Dupont, Engels, Frankel, Le Moussu, Marx, Serraillier.
London, den 21 .Oktober 1872
Die Kommission:
E.Dupont, F.Engels, Leo Frankel, Le Moussu, Karl Marx, Auguste Serraillier
Nach der Broschüre: „RSsolutions du congres glneral tenu a la Haye du 2 au 7 septembre 1872", Londres 1872. Aus dem Französischen.
Karl Marx [Rede über den Haager Kongreß"821]
[„La Liberte" Nr.37 vom 15. September 1872] Im achtzehnten Jahrhundert hatten die Könige und die Potentaten die Gewohnheit, in Den Haag zusammenzukommen, um über die Interessen ihrer Dynastien zu verhandeln. Gerade an diesem Ort haben wir unseren Arbeitertag abhalten wollen, trotz der Besorgnisse, die man in uns wachzurufen suchte. Inmitten der reaktionärsten Bevölkerung haben wir erscheinen wollen, um die Existenz, die Ausbreitung und die Hoffnung auf die Zukunft unserer großen Assoziation zu bekräftigen. Als man unseren Entschluß erfuhr, hat man von unseren Emissären gesprochen, die wir ausgeschickt, um den Boden vorzubereiten. Ja, wir leugnen es nicht, daß wir überall solche Emissäre haben; aber sie sind uns meistenteils unbekannt. Unsere Emissäre in Den Haag sind jene Arbeiter gewesen, deren Arbeit so mühselig ist, wie die unserer Emissäre in Amsterdam; die ebenso Arbeiter sind, Arbeiter, die sechzehn Stunden täglich arbeiten. Das sind unsere Emissäre, wir haben keine anderen; und in allen Ländern, wo wir uns einstellen, finden wir sie bereit, uns mit vollem Herzen zu empfangen, denn sie begreifen gar bald, daß wir die Verbesserung ihres Schicksals erstreben. Der Kongreß in Den Haag hat drei wichtige Ergebnisse gezeitigt: Er hat die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse proklamiert, die alte, zusammenbrechende Gesellschaft auf dem politischen wie auf dem sozialen Boden zu bekämpfen; und wir beglückwünschen uns dazu, von nun an in unsere Statuten diesen Beschluß der Londoner Konferenz aufgenommen zu sehen.1
In unserer Mitte hatte sich eine Gruppe gebildet, welche die Enthaltung der Arbeiter von der politischen Betätigung anpries. Wir haben es für unsere Pflicht gehalten, zu erklären, wie gefährlich und verhängnisvoll für unsere Sache uns solche Grundsätze erscheinen. Der Arbeiter muß eines Tages die politische Gewalt ergreifen, um die neue Organisation der Arbeit aufzubauen; er muß die alte Politik, die die alten Institutionen aufrechterhält, umstürzen, wenn er nicht, wie die alten Christen, die das vernachlässigt und verachtet haben, des Himmelreichs auf Erden verlustig gehen will. Aber wir haben nicht behauptet, daß die Wege, um zu diesem Ziel zu gelangen, überall dieselben seien. Wir wissen, daß man die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muß, und wir leugnen nicht, daß es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Wege zu ihrem Ziel gelangen können. Wenn das wahr ist, müssen wir auch anerkennen, daß in den meisten Ländern des Kontinents der Hebel unserer Revolutionen die Gewalt sein muß; die Gewalt ist es, an die man eines Tages appellieren muß, um die Herrschaft der Arbeit zu errichten.1 Der Haager Kongreß hat dem Generalrat neue und noch ausgedehntere Befugnisse zugestanden. In der Tat, in einem Augenblick, wo sich die Könige in Berlin versammeln, wo von dieser Zusammenkunft der mächtigen Vertreter des Feudalismus und der Vergangenheit neue und entschiedenere Unterdrückungsmaßregeln gegen uns ausgehen sollen, gerade in dem Augenblick, wo die Verfolgung organisiert wird, hat der Haager Kongreß es für angemessen und für notwendig gehalten, die Befugnisse des Generalrats zu erweitern und für den jetzt einsetzenden Kampf alle Aktionen zu zentralisieren, die in der Isolierung ohnmächtig wären. Und bei wem anders könnten übrigens die Machtbefugnisse des Generalrats Unruhe erregen, wenn nicht bei unseren Feinden? Hat er denn eine Bürokratie, eine bewaffnete Polizei, um sich Gehorsam zu erzwingen? Ist nicht seine Autorität lediglich eine moralische, und unterwirft er nicht seine Beschlüsse dem Urteil der Föderationen, die mit der Ausführung derselben betraut sind? Unter solchen Bedingungen, ohne Heer, ohne Polizei, ohne Gerichte, würden die Könige an dem Tage, wo sie gezwungen sein würden, ihre Macht nur mit moralischem Einfluß und moralischer Autorität aufrechtzuerhalten,
1 Im „Volksstaat" steht statt des letzten Satzes: Doch nicht in allen Ländern ist dies der Fall.
nur schwache Hindernisse für das Vorwärtsschreiten der Revolution sein. Schließlich hat der Haager Kongreß den Sitz des Generalrats nach New York verlegt. Viele, selbst unter unseren Freunden, scheinen sich über solch einen Beschluß gewundert zu haben. Vergessen sie denn, daß Amerika zum Arbeiter-Erdteil par excellence wird, daß alljährlich eine halbe Million Menschen, Arbeiter, nach diesem anderen Kontinent auswandern und daß die Internationale kräftige Wurzeln auf diesem Boden, wo der Arbeiter dominiert, schlagen muß? Übrigens gibt ja auch der Kongreßbeschluß dem Generalrat das Recht, sich jene Mitglieder beizufügen, deren Mitwirkung er für das Wohl der gemeinsamen Sache für notwendig und für nützlich hält. Verlassen wir uns auf seine Besonnenheit und erwarten wir, daß es ihm gelingen wird, Leute auszuwählen, die ihrer Aufgabe gewachsen sind und es verstehen werden, das Banner unserer Assoziation in Europa mit fester Hand aufrechtzuerhalten. Bürger, denken wir an jenes Grundprinzip der Internationale: die Solidarität. Nur wenn wir dieses lebenspendende Prinzip unter sämtlichen Arbeitern aller Länder auf sichere Grundlagen stellen, werden wir das große Endziel erreichen, das wir uns gesteckt haben. Die Umwälzung muß solidarisch sein, das lehrt uns das große Beispiel der Pariser Kommune, die1 deswegen gefallen ist, weil es in allen Zentren, in Berlin, in Madrid etc. zu keinerlei großen revolutionären Bewegungen gekommen war, die dieser machtvollsten Erhebung des Pariser Proletariats ebenbürtig wären. Was mich angeht, so werde ich mein Werk fortsetzen und beständig daran arbeiten, unter allen Arbeitern diese für die Zukunft so fruchtbringende Solidarität zu begründen. Nein, ich ziehe mich von der Internationale nicht zurück, und der ganze Rest meines Lebens wird, wie alle meine Bemühungen der Vergangenheit, dem Triumph der sozialen Ideen geweiht sein, die einst - seid davon überzeugt! - die Weltherrschaft des Proletariats herbeiführen werden.
Aus dem Französischen.
1 Im „Volksstaat" lautet der folgende Teil des Satzes: nur deswegen gefallen ist, weil es eben an dieser Solidarität bei den Arbeitern der übrigen Länder gefehlt hat
11 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Karl Marx Ali den Herrn Redakteur des „Corsaire"11831
[„Le Corsaire" vom 15. September 1872]
Monsieur, Im „Figaro" vom 11. September findet sich die Wiedergabe einer Unterhaltung, die ich mit dem Korrespondenten des „Soir" 11841 gehabt haben soll. Die „Figaro"-Presse kann sich alle Verleumdungen erlauben, ohne daß man sich die Mühe nimmt, sie gebührend anzuprangern; aber wenn die käufliche Einbildungskraft eines Korrespondenten so weit geht, mir ernste Beschuldigungen gegen meine Freunde vom ehemaligen Generalrat in den Mund zu legen, so kann ich nicht umhin zu erklären, daß er selbst Anstandsregeln gegenüber der Wahrheit mißachtet hat, wenn er zu behaupten wagt, daß er mit mir auch nur ein einziges Wort gewechselt habe. Ich benutze die Gelegenheit, um unsere Freunde und Feinde wissen zu lassen, daß ich niemals daran gedacht habe, aus der Internationale auszuscheiden, und daß die Verlegung des Generalrats nach New York von mir und mehreren anderen Mitgliedern des alten Generalrats vorgeschlagen worden ist. Die Mitteilung, Bakunin und sein Helfershelfer Guillaume seien als Führer einer sogenannten föderalistischen Partei ausgeschlossen worden, ist eine Lüge. Der Ausschluß Bakunins und Guillaumes ist mit der Schaffung einer Geheimgesellschaft, der Allianz der sozialistischen Demokratie12*, innerhalb unserer Assoziation begründet worden, einer Geheimgesellschaft, die den Anspruch erhob, die Internationale Zielen zuzuführen, die ihren Prinzipien völlig entgegengesetzt sind. Die Resolution der Londoner Konferenz über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse ist von der großen Mehrheit des Kongresses gebilligt und ihre Aufnahme in die Allgemeinen Statuten beschlossen worden.
Die Arbeiteröffentlichkeit von Den Haag und von Amsterdam war dem Kongreß höchst wohlwollend gesonnen. Soviel sind also die Berichte der reaktionären Presse wert.
Ich habe die Ehre, Sie zu grüßen. Karl Marx
Den Haag, 12. September 1872
Aus dem Französischen.
Karl Marx
An den Redakteur der „Daily News"
[„The Daily News" vom 18. September 1872]
Sir, Bei meiner Rückkehr aus Den Haag erfahre ich, daß Ihre Zeitung mir die Absicht unterstellt, nach New York zu übersiedeln, unmittelbar dem Generalrat der IAA hinterher. Erlauben Sie mir in Erwiderung darauf zu erklären, daß ich die Absicht habe und immer die Absicht hatte, in London zu bleiben. Vor Monaten teilte ich meinen Freunden hier in London und meinen Korrespondenten auf dem Kontinent mit, daß ich fest entschlossen sei, nicht Mitglied des Generalrats oder gar irgendeines Verwaltungsorgans zu bleiben, da mir meine wissenschaftlichen Arbeiten dies nicht weiter erlauben. Was die entstellenden Berichte der Presse über die Vorgänge auf dem Kongreß in Den Haag angeht, so wird die bevorstehende Veröffentlichung der amtlichen Kongreßprotokolle sie zur Ruhe bringen.'1861
Ich verbleibe, Sir, Ihr gehorsamer Diener Karl Marx Modena Villas, Maitland Park N.W. 17. September
Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
Der Haager Kongreß [Brief an Bignami]
[„LaPlebe" Nr. 106 vom S.Oktober 1872]
London, I.Oktober 1872
Mein lieber Bignami! Vom 2. bis 7. September hielten in Den Haag die 64 Delegierten der Internationalen Arbeiterassoziation ihre Tagung ab. Von diesen Delegierten vertraten 16 Frankreich, 10 Deutschland, 7 Belgien, 5 England, 5 Amerika, 4 Holland, 4 Spanien, 3 die Romanische Föderation (Schweiz), 2 die JuraFöderation (ebenfalls Schweiz), 1 Irland, 1 Österreich, 1 Ungarn, 1 Polen, 1 Portugal, 1 Australien und 2 Dänemark. - Ihrer Nationalität nach waren es 20 Franzosen, 16 Deutsche, 8 Belgier, 6 Engländer, 1 Pole, 1 Ire, 1 Korse, 1 Däne.'186' Die Mandatsprüfung nahm mehr als zwei Tage in Anspruch. Unter dieser Form wurden alle internen Fragen behandelt, mit denen sich die Internationale seit ihrem letzten Kongreß beschäftigt hatte; und fast immer handelte es sich um die Tätigkeit des Generalrats. Von den drei Mandaten des Bürgers Lafargue, des Vertreters von Portugal und zweier lokaler spanischer Föderationen, wurde jenes der Neuen Madrider Föderation von den anderen spanischen Delegierten angefochten. Die Neue Madrider Föderation, die von Mitgliedern der Internationale gebildet worden ist, welche von der alten Föderation eigenmächtig und in Verletzung der Statuten ausgeschlossen worden waren, war von dem Spanischen Föderalrat nicht anerkannt worden; sie hatte sich an den Londoner Generalrat gewandt, der sie anerkannte.1 Der Kongreß bestätigte einstimmig diesen Beschluß.
Die sechs Delegierten, die der Generalrat, sich nach dem Vorgang der früheren Kongresse richtend, entsandt hatte - die übrigens, bis auf eine Ausnahme, auch mit anderen Mandaten versehen waren -, wurden zugelassen. Dem Delegierten der Sektion der revolutionären Propaganda und Aktion in Genf, eine Sektion, die vom Generalrat nicht anerkannt worden war, wurde das Mandat für die ganze Dauer des Kongresses suspendiert und die Sektion nicht anerkannt.1 Die vier Delegierten der Spanischen Föderation wurden erst zugelassen, nachdem sie die dem Generalrat geschuldeten Mitgliedsbeiträge für das Jahr 1871 /1872 bezahlt hatten. Schließlich wurde der Delegierte der 12. Sektion von New York, die vom Generalrat suspendiert worden war, trotz einer Rede, die mehr als eine Stunde dauerte, nicht zum Kongreß zugelassen. Alle diese Beschlüsse, die mit einer Dreiviertelmehrheit gefaßt wurden, waren ebensoviele Zeugnisse des Vertrauens für den Generalrat, dessen „autoritäre" Aktion (wie sie mancher zu nennen pflegte) von der überwiegenden Mehrheit des Kongresses vollauf bestätigt wurde. Nach diesen Diskussionen, die viele Meinungsverschiedenheiten beseitigten, die im Schöße der Internationale entstanden waren, und die deshalb durchaus nicht unnütz waren, ging man unmittelbar zur Frage des Generalrats selbst über. Sollte man ihn abschaffen? Und im Falle, daß man ihn beibehielte, wäre es notwendig, auch dessen Autorität zu bewahren,oder sollte man ihn zu einem einfachen Büro für Korrespondenz und Statistik machen, das heißt zu einer boite aux lettres2. Die Antwort des Kongresses ließ keinen Zweifel darüber bestehen. Der Artikel 2 des Kapitels II der Verwaltungsverordnungen war so formuliert: „Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen."3 Der Haager Kongreß fügte dem hinzu: „und darauf zu achten, daß die Grundsätze, Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationale in jedem Lande strikt eingehalten werden"4 (40 Stimmen für diesen Zusatz, 5 gegen, 11 Stimmenthaltungen). Der Artikel 6 desselben Kapitels, der dem Generalrat das Recht verlieh, eine Sektion zu suspendieren, wurde wie folgt formuliert: „Art.6 - Der Generalrat hat ebenfalls das Recht, Zweiggesellschaften, Sektionen, Föderalräte oder Föderalkomitees und Föderationen der Internationale bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren.
1 Siehe vorl. Band, S. 153/154 - 2 einem Briefkasten -3 siehe Band 17 unserer Ausgabe, S. 445- 4 siehe vorl. Band, S. 150
Gegenüber Sektionen, welche einer Föderation angehören, soll er dieses Recht indessen nur ausüben, nachdem er den betreffenden Föderalrat konsultiert hat... Im Falle der Suspendierung einer ganzen Föderation soll der Generalrat alle Föderationen unverzüglich davon benachrichtigen. Wenn die Mehrheit der Föderationen es verlangt, soll der Generalrat eine außerordentliche Konferenz einberufen, welche aus einem Delegierten jeder Nationalität bestehen, einen Monat nachher zusammentreten und den Streitfall endgültig entscheiden wird. Nichtsdestoweniger versteht es sich von selbst, daß die Länder, wo die Internationale verboten ist, dieselben Rechte ausüben werden wie die regulären Föderationen."1 Es ist klar, daß dieser neue Artikel der Verordnungen, der mit größerer Klarheit die Befugnisse des Generalrats umreißt, diese auch mit den nötigen Garantien umgibt, um ihren Mißbrauch zu verhindern. Der Kongreß hat erklärt, er wolle, daß der Generalrat eine Autorität besitze, aber eine verantwortungsvolle Autorität. Dieser Artikel wurde mit einer Mehrheit von 36 Stimmen gegen 11 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen angenommen. Es folgte die Frage des neuen Generalrats. Wenn der Generalrat, dessen Mandat ablief, sich vollständig oder zum Teil hätte wiederwählen lassen wollen, wäre er fast der Einstimmigkeit sicher gewesen, da sich in dieser Frage die Belgier und Holländer von der Minderheit trennten und für London stimmten. Aber um zu beweisen, daß sie nicht für sich persönlich ausgedehntere und besser definierte Befugnisse für den Generalrat verlangt hatten, schlugen Marx, Engels, Serraillier, Wroblewski, Dupont und andere Mitglieder des scheidenden Rats vor, den Generalrat nach New York zu verlegen, dem einzigen Orte außer London, an dem die zwei Hauptbedingungen gesichert wären: die Sicherheit der Archive und der internationale Charakter der Zusammensetzung des Rats. Von allen Vorschlägen, die vom alten Rate gemacht worden waren, war dies der einzige, der auf einige Schwierigkeiten stieß, da alle, mit Ausnahme der Jurassier und der Spanier, sich einig waren, die Leitung der Internationale in denselben Händen zu belassen, in denen sie sich bisher befand. Erst nach der förmlichen Erklärung der aktivsten und bekanntesten Mitglieder des alten Rats, kein neues Mandat mehr annehmen zu wollen, wurde die Verlegung nach New York mit absoluter Mehrheit angenommen. Man ging zur Wahl des neuen Rats über,
der sich aus 2 Iren, 1 Schweden, 1 Italiener, 3 Franzosen, I Amerikaner und 4 Deutschen zusammengesetzt ergab, mit dem Recht, sich noch andere drei Mitglieder beizufügen. Es ist bekannt, daß die Resolution IX der Londoner Konferenz (September 1871) über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse von den Jurassiern, einigen Spaniern und der Mehrheit der Italiener als angeblich im Widerspruch zu den Grundsätzen der Internationale stehend scharf bekämpft wurde. Nun gut, diese Resolution bildet heute den Artikel 7a1 der Allgemeinen Statuten der Internationale, der folgendermaßen abgefaßt ist: „Art. 7a1-Inseinem Kampf gegen die kollektive Macht der besitzenden Klassen kann das Proletariat nur dann als Klasse handeln, wenn es sich selbst als besondere politische Partei im Gegensatz zu allen alten, von den besitzenden Klassen gebildeten Parteien konstituiert. Diese Konstituierung des Proletariats als politische Partei ist unerläßlich , um den Triumph der sozialen Revolution und ihres höchsten Zieles, der Aufhebung der Klassen, zu sichern. Die durch den ökonomischen Kampf bereits erreichte Vereinigung der Kräfte der Arbeiterklasse muß in den Händen dieser Klasse auch als Hebel in ihrem Kampf gegen die politische Macht ihrer Ausbeuter dienen. Da die Herren des Bodens und des Kapitals sich ihrer politischen Privilegien stets bedienen, um ihre ökonomischen Monopole zu verteidigen und zu verewigen und die Arbeit zu unterjochen, wird die Eroberung der politischen Macht zur großen Pflicht des Proletariats."2 Diese Resolution wurde mit 28 gegen 13 Stimmen (Stimmenthaltungen einbegriffen) angenommen; und da die Mehrheit die zwei Drittel übersteigt, bildet diese Resolution auch einen Bestandteil der Allgemeinen Statuten. Zu der Mehrheit sind noch die Stimmen von 6 deutschen und 4 französischen Delegierten hinzuzurechnen, die gezwungen waren, Den Haag zu verlassen, und ihre Ja-Stimme schriftlich zurückgelassen hatten, so daß die Politik der Abstention durch eine Dreiviertelmehrheit verurteilt wurde. Es blieb nur noch eine wichtige Frage. Der Generalrat hatte dem Kongreß das Bestehen einer Geheimgesellschaft im Schöße der Internationale angezeigt, die entstanden war, nicht um gegen die bestehenden Regierungen, sondern gegen unsere Assoziation selbst zu kämpfen, die sich in drei verschiedene Einweihungsgrade teilt und von ihrem Gründer Michail Bakunin geleitet wird. Diese Gesellschaft hatte zum Ziel, sich der zentralen Leitung der Internationale zu bemächtigen und, wenn dies sich nicht als möglich
1 In „La Plebe" steht hier: Artikel 8 - 2 siehe vorl. Band, S. 149
erweisen sollte, sie zu desorganisieren, um sie besser beeinflussen zu können. Zu diesem Zweck wurden die Losungen von der Autonomie der Sektionen, von dem Widerstand gegen die autoritären Tendenzen des Generalrats verbreitet. Der Kongreß ernannte eine Kommission zur Untersuchung dieser Gesellschaft, deren Bericht in der letzten Sitzung verlesen wurde. Dieser Bericht erklärte, daß die Existenz und der feindliche Charakter dieser Gesellschaft erwiesen sind und schloß mit der Forderung nach Ausschluß von Bakunin, Guillaume, Schwitzguebel, Malon und zwei anderen aus der Internationale. Die Schlußfolgerungen des Berichtes in bezug auf die Allianz wurden vom Kongreß akzeptiert; was die Personen betrifft, so wurden Bakunin und Guillaume ausgeschlossen, Schwitzguebel durch ein kleines Stimmenübergewicht gerettet und die anderen amnestiert. Dies sind die wichtigsten Beschlüsse des Haager Kongresses; diese Beschlüsse sind von recht entscheidender Bedeutung und zu gleicher Zeit von außerordentlicher Mäßigung. Der Generalrat hat sich, gestützt auf eine Dreiviertelmehrheit, bemüht, dem neuen Rat eine klare und genau definierte Stellung zu sichern, das politische Programm der Internationale, das von einer sektiererischen Minderheit in Zweifel gezogen worden war, klar zu formulieren und eine Geheimgesellschaft zu zerschlagen, die statt gegen die bestehenden Regierungen zu konspirieren, gegen die Internationale selbst konspiriert. Darauf lehnte er es ab, sich wiederwählen zu lassen und hatte größte Mühe, den eigenen Rücktritt annehmen zu lassen. Die Mehrheit des Kongresses setzte sich hauptsächlich aus französischen, deutschen, ungarischen, dänischen, polnischen, portugiesischen, irischen, australischen, amerikanischen Delegierten und den Delegierten der romanischen Schweiz zusammen; die Minderheit - aus Belgiern, Holländern, Spaniern, Jurassiern sowie einem Amerikaner. Die Engländer waren unter sich geteilt und stimmten unterschiedlich ab. Die Minderheit (einbegriffen die Stimmenthaltungen) überstieg niemals die Zahl von 20 Stimmen bei 64 Delegierten. Im allgemeinen waren es 12 bis 16. Es war ein italienischer Delegierter1 anwesend, der Vorsitzende der Föderation von Rimini, doch legte er nicht sein Mandat vor; sicher hätte der Kongreß es nicht anerkannt. Er wohnte den Sitzungen als Zuschauer bei. Nach meiner Rückkehr von Den Haag fand ich in der „Favilla"11871 von Mantua einen mit Atheist2 gezeichneten Artikel, in dem die Richtigkeit der
Feststellung bestritten wird, daß unter den 21 Sektionen, deren Delegierte die Resolution von Rimini unterzeichnet haben, sich nur eine (Neapel) befinde, die der Internationale angehört.
„Wenn der große Rat behauptet, daß nur die Sektion von Neapel eine reguläre sei, dann lügt er. Der Arbeiterzirkel von Mailand, die Gesellschaft von Girgenti, jene von Ravenna, von Rom, die Sektion von Turin, die die Initiatorin war, haben schon seit langem die von den Allgemeinen Statuten vorgeschriebenen 10 Centesimi entrichtet." Um zu sehen, ob der Generalrat lügt oder der Herr Atheist, genügt es festzustellen, daß weder die Sektion von Mailand, noch die von Girgenti, noch jene von Turin sich unter den Unterzeichnern der Resolution von Rimini befinden, und daß die Sektion von Rom sich erst nach jener Konferenz an den Generalrat gewandt hat (und ich glaube, daß es nicht die gleiche Sektion ist, die in Rimini vertreten war). Die italienischen Internationalen mögen indessen zur Überzeugung gelangen, daß solange es eine Internationale, einen Kongreß, einen Generalrat, Allgemeine Statuten und Verwaltungsverordnungen gibt, keine Sektion anerkannt werden wird, weder vom Kongreß, noch vom Rat, solange sie sich weigert, die in den Allgemeinen Statuten und den Verwaltungsverordnungen festgelegten Bedingungen anzunehmen, die für alle gleich sind.
Friedrich Engels
Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels Die imperativen Mandate auf dem Haager Kongreß n88]
[„La Emancipacion" Nr. 69 vom 13. Oktober 1872] Der Verrat, den viele Parlamentsabgeordnete kürzlich gegenüber ihren Wählern begangen haben, hat erneut die alten imperativen Mandate des Mittelalters, die durch die Revolution von 1789 abgeschafft worden waren, in Mode gebracht. Wir werden uns hier in keine Prinzipiendiskussionen über diese Mandate einlassen. Wir werden einzig und allein darauf aufmerksam machen, daß, wenn alle Wahlkörperschaften ihren Delegierten zu allen auf die Tagesordnung gesetzten Punkten imperative Mandate gäben, die Versammlung der Delegierten und ihre Debatten überflüssig wären. Es würde genügen, die Mandate an irgendein zentrales Büro zu schicken, das den Wahlgang vornehmen und das Ergebnis der Abstimmung proklamieren würde. Das würde viel billiger sein. Was uns wichtig erscheint, ist die Darlegung der außergewöhnlichen Rolle, die die imperativen Mandate auf dem Haager Kongreß ihren Trägern auferlegt haben, eine Rolle, die den absoluten Bewunderern dieser Mandate sehr gut als Lehre dienen könnte. Die Delegierten der Spanischen Föderation, die, wir wissen alle wie, dank des Einflusses des Föderalrats ernannt worden waren1, brachten ein imperatives Mandat mit, das ihnen befahl, zu verlangen,
„daß die Auszählung der Stimmen nach der Anzahl jener Mitglieder erfolgen soll, die von Delegierten mit einem imperativen Mandat vertreten werden; die Stimmen jener Mitglieder aber, die von Delegierten ohne imperatives Mandat vertreten werden, nicht gerechnet werden sollen, bis die Sektionen oder Föderationen, die sie vertreten, die auf dem Kongreß debattierten Fragen beraten und darüber abgestimmt haben... Gesetzt den Fall, daß der Kongreß auf dem traditionellen Abstimmungssystem
bestehen sollte, werden sich unsere Delegierten an den Diskussionen beteiligen, aber sich der Stimme enthalten." *
Dieses Mandat fordert also, daß der Kongreß, bevor er sich mit irgendeiner anderen Sache beschäftigt, folgende drei Beschlüsse faßt: 1. Die Artikel der Verwaltungsverordnungen zu ändern, die den Wahlmodus betreffen. 2. Zu beschließen, daß die Delegierten ohne imperatives Mandat kein Stimmrecht haben. 3. Zu erklären, daß diese Abänderungen sofort auf den gegenwärtigen Kongreß anzuwenden seien. Die Delegierten der Spanischen Föderation wurden sodann darauf hingewiesen, daß selbst wenn der Kongreß ihre Forderungen Nr. 1 und 2 annähme, die Forderung Nr. 3 unannehmbar sein würde. Der Haager Kongreß war auf der Grundlage bestimmter Organisationsgesetze der Assoziation einberufen worden. Er hatte sicher das Recht, sie zu ändern; aber wenn er sie änderte, würde er gleichzeitig die Grundlage seiner eigenen Existenz zerstören und sich der absoluten Notwendigkeit gegenübersehen, sich sofort nach der Einberufung eines neuen Kongresses, dessen Delegierte auf der Grundlage der neuen Organisationsgesetze gewählt sein würden, aufzulösen. Diese neuen Gesetze auf den bestehenden Kongreß anzuwenden, hieße diesen Gesetzen eine rückwirkende Kraft zu verleihen und jegliches Gerechtigkeitsprinzip zu verletzen. So konnte also der Kongreß, würde er die Vorschläge Nr. 1 und 2 angenommen haben oder nicht, niemals den Vorschlag Nr.3 annehmen; und wenn die spanischen Delegierten ein Mandat erhalten und angenommen hatten, das in flagrantem Widerspruch mit sich selbst stand, ein Mandat, aas es ihnen unmöglich machte, während aller Sitzungen des Kongresses zu wählen, wessen Schuld ist das? Der Fall war so klar, daß weder die Minderheit, noch die Delegierten unseres Landes auch nur ein einziges Wort einer Erwiderung fanden. Folglich blieben sie auf dem Kongreß, ohne zu wählen, was schließlich die Holländer derart aufbrachte, daß einer von ihnen sie fragte:
* Das „Bulletin" [189J des Jura, bekanntlich das Organ der Führer der Allianz 12J, veröffentlicht in seiner letzten Nummer einen kurzen Bericht über die Sitzungen des Haager Kongresses, dessen Wahrhaftigkeit man an Hand folgender Worte, die wir wörtlich übersetzen, beurteilen kann: „Die Spanier, unterstützt von den Belgiern und den Jurassiern, verlangten, daß die Abstimmungen nicht individuell, sondern nach Föderation erfolgen sollen." War es das, was in dem Mandat der Spanischen Föderation verlangt wurde?
„Warum seid ihr nicht zu Hause geblieben, wenn ihr ein Mandat habt, das euch verbietet zu wählen und das die Minderheit bei jeder Abstimmung um vier Stimmen bringt?" Aber nichts gleicht einem v/ahrhaften Allianzmandat und der allianzistischen Art, sich seiner zu bedienen, mehr, als das Mandat der Jurassischen Föderation. Hier das Mandat ihrer Delegierten:
„Die Delegierten der Jura-Föderation erhalten das Imperative Mandat, dem Haager Kongreß als Grundlage für die Organisation der Internationale folgende Prinzipien vorzulegen: Vollberechtigte Sektion der Internationale ist jede Gruppe von Arbeitern, die das Programm der Internationale anerkennt, so wie es in der Präambel der auf dem Genfer Kongreß angenommenen Allgemeinen Statuten bestimmt worden ist, und die sich verpflichtet, gegenüber allen Arbeitern und Arbeitergruppen im Kampf gegen das monopolisierte Kapital ökonomische Solidarität zu üben." t190! Hier sind die Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen bereits abgeschafft. Wenn man die Erwägungsgründe bestehen läßt, so deshalb, weil sie keinen Sinn haben, wenn sie auf nichts hinauslaufen.
„Da das föderative Prinzip", heißt es weiter, „die Grundlage für die Organisation der Internationale ist, föderieren sich die Sektionen frei unter sich und auch die Föderationen föderieren sich im Vollbesitz ihrer Autonomie frei unter sich und gründen gemäß ihren Bedürfnissen alle Korrespondenzorgane, statistischen Büros etc., die sie für angebracht erachten. Ausgehend von den oben angeführten Prinzipien stimmt die Jura-Föderation für die Beseitigung des Generalrats und für die Beseitigung jeglicher Autorität in der Internationale." Der Generalrat, die Föderalräte, die lokalen Räte und jede Art von Statuten und Reglements, die „Autorität" haben, werden also abgeschafft. Jeder wird so wirken, wie es ihm „im Vollbesitz seiner Autonomie" am besten gefällt. „Die Delegierten des Jura müssen mit den spanischen, italienischen, französischen Delegierten und mit all denen, die freimütig gegen das autoritäre Prinzip protestieren, in voller Solidarität zusammenwirken. Infolgedessen wird die Weigerung, einen Delegierten dieser Föderationen zuzulassen, den sofortigen Rückzug der Delegierten des Jura hervorrufen müssen. Gleicherweise müssen sich die Delegierten gemeinsam mit den Delegierten der antiautoritären Föderationen zurückziehen, wenn der Kongreß die oben dargelegten Grundlagen für die Organisation der Internationale nicht annimmt." Man sieht jetzt, was die Delegierten des Jura aus diesem imperativen Mandat machten. Zunächst gab es auf dem Kongreß keine antiautoritären
französischen Delegierten außer einem einzigen, einem Verrückten, der sich gewiß viele Male mit Lärm „zurückzog", immer wieder zurückkam, ohne bei seinem Rückzug auch nur einen einzigen anderen antiautoritären Delegierten mitzureißen. Das Mandat von Sauva von der (antiautoritären) Sektion Nr. 2 von New York1 wurde annulliert[1S1J und die Jur assier blieben auf dem Kongreß. Das der Sektion der revolutionären sozialistischen Propaganda und Aktion in Genf, einer Sektion, die unmittelbar der Jura-Föderation angehört, blieb bis zum Abschluß des Kongresses suspendiert2, und die Jurassier blieben, als wäre nichts geschehen. Das Mandat der Sektion Nr. 12 von New York, einer Sektion, die sie selbst in ihrem Widerstande gegen den Generalrat ermutigten, wurde annulliert3, und die Jurassier blieben seelenruhig. Was das Mandat des anwesenden italienischen Delegierten4 anbetrifft, erkühnten sie sich nicht einmal, es vorzulegen. Und die Organisationsgrundlagen, oder besser gesagt die Desorganisationsgrundlagen, die von den Jurassiern vorgeschlagen wurden, nahm sie der Kongreß an? In keiner Weise; eher im Gegenteil, der Kongreß beschloß, die Organisation zu verstärken, das heißt, ihrer Meinung nach, die Autorität. Zogen sie sich daraufhin zurück? Nichts dergleichen, sie erklärten einzig und allein, daß sie sich von nun an der Stimme enthalten würden. Das ist also die wirkliche Art, ein imperatives Mandat zu handhaben. Der Delegierte gehorcht, wenn es ihm paßt, und wenn nicht, führt er unvorhergesehene Umstände an und tut am Ende das, wozu er die Lust verspürt. Ist es auch schließlich für die Antiautoritarier nicht eine Pflicht, sich über die Autorität der imperativen Mandate wie über jede andere Autorität lustig zu machen? Der durch und durch allianzistische Geist, der sich so gut in dem imperativen Mandat der Jurassier entfaltet, wurde durch die wahrhaft anarchische Art, wie ihre Delegierten jenes Mandat mit Füßen traten, ergänzt. Werden wir hieraus schließen müssen, daß diese Delegierten in der Allianz einen höheren Grad der Einweihung hatten als ihre spanischen Kollegen? Das Mandat der Jurassier gibt auch noch zu noch anderen Überlegungen Anlaß. Dieses Mandat deckt die Gesamtheit der Lage auf, die in der Allianz herrscht, wo es allen Phrasen über die Anarchie, die Autonomie, die freie Föderation etc. zum Trotz in Wirklichkeit nur zweierlei gibt: die Autorität und den Gehorsam. Einige Wochen vor dem Zeitpunkt, an dem Schwitzguebel und Guillaume sich ihr eigenes Mandat verfaßten, das die Allgemeinen
Statuten mit Ausnahme der Erwägungsgründe abschaffte, verfaßten ihre Freunde, die nicht-internationalen Delegierten der Konferenz von Rimini die Statuten der sogenannten italienischen Föderation, deren Statuten sich aus den Erwägungsgründen der Allgemeinen Statuten und einem Föderalreglement zusammensetzen. Die Allgemeinen Statuten wurden also in der auf der Konferenz von Rimini beschlossenen Organisation abgeschafft. Wie man sieht, wirken die Männer der Allianz immer, indem sie geheimen und gleichlautenden Befehlen gehorchen. Diesen gleichen geheimen Befehlen gehorchte zweifelsohne „La Federacion" von Barcelona, als sie plötzlich die Desorganisation der Internationale predigte, denn die starke Organisation unserer Assoziation in Spanien begann für die geheimen Führer der Allianz zu einer Gefahr zu werden. Diese Organisation gibt der Arbeiterklasse zu viel Kraft und schafft deswegen der geheimen Regierung der Herren Allianzisten, die sehr genau wissen, daß in einem trüben Flusse gut zu fischen ist, Schwierigkeiten. Zerstört die Organisation und ihr habt den Fluß so getrübt, wie ihr es wünscht. Zerstört vor allem die Gewerksgenossenschaften, erklärt den Streiks den Krieg, reduziert die Arbeitersolidarität auf eine leere Phrase und ihr werdet freies Feld für eure pompösen, hohlen und doktrinären Phrasen haben. Das heißt, wenn die Arbeiter unseres Landes es euch erlauben werden, das Werk zu zerstören, das sie vier Jahre Mühe gekostet hat, die Organisation, die ohne Zweifel die beste der ganzen Internationale ist. Kommen wir auf die imperativen Mandate zurück, so bleibt uns noch eine Frage zu lösen: Warum bestehen die Allianzisten, diese eingefleischten Feinde jeden Autoritätsprinzips, mit solcher Hartnäckigkeit auf der Autorität der imperativen Mandate? Weil es für eine Geheimgesellschaft wie die ihrige, die im Schöße einer öffentlichen Gesellschaft wie der Internationale besteht, nichts Bequemeres gibt wie das imperative Mandat. Die Mandate der Verbündeten werden alle identisch sein; die der Sektionen, die dem Einfluß der Allianz nicht unterworfen sind oder gegen sie rebellieren, werden einander widersprechen, so daß der Geheimgesellschaft oftmals die absolute Mehrheit und stets die relative Mehrheit gehören wird; währenddessen auf einem Kongreß ohne imperative Mandate der gesunde Verstand der unabhängigen Delegierten diese bald zu einer gemeinsamen Partei gegen die Partei der Geheimgesellschaft vereinen wird. Das imperative Mandat ist ein äußerst wirksames Mittel der Beherrschung, und eben aus diesem Grunde unterstützt die Allianz ungeachtet ihres ganzen Anarchismus dessen Autorität.
Bevor wir zum Abschluß kommen, wollen wir darauf aufmerksam machen, daß die vom Spanischen Föderalrat, der sich aus Allianzisten zusammensetzt, ausgeklügelte Art, ein kollektives imperatives Mandat auszustellen, zwangsläufig nur zu einem Ergebnis führen mußte: zu einem imperativen Mandat des Föderalrats, oder, was dasselbe ist, zu einem Allianzmandat. Alle Föderationen unseres Landes, die den vorschriftswidrigen Vorschlag des Rats angenommen hatten, schickten nach Valencia die Sonderbeiträge zur Finanzierung der Reise der Delegierten und mit den Beiträgen das Ergebnis der Abstimmung in der lokalen Föderation; und mit dem Ergebnis der Abstimmung das imperative Mandat der gleichen lokalen Föderation, um „sie alle zu vereinen und ein kollektives imperatives Mandat zu schaffen ". Wir geben gern zu, daß der Regionalrat1 mit Treu und gutem Glauben die Auszählung der Stimmen aller lokalen Föderationen vorgenommen haben könnte; aber um die verschiedenen Meinungen aller Föderationen zu einer einzigen zu vereinen, mußte der Regionalrat entweder eine unglaubliche Intelligenz oder einen ausgezeichneten Schmelztiegel besitzen, in den er wahrscheinlich die verschiedenen imperativen Mandate hineingeworfen hatte. Und was kam aus diesem neuartigen Tiegel heraus? Nur was herauskommen mußte - die Meinung des Regionalrats. Wir fordern alle Allianzisten heraus, mögen sie uns ein chemisches Wahlrezept nennen, das zu einem anderen Ergebnis führen kann. Der Spanische Föderalrat, so antiautoritär, so anarchisch etc., hat also in seinen Händen die Beiträge zentralisiert, um die Delegierten nach Den Haag zu schicken; er selbst hat die Wahlen dieser Delegierten so geschickt gedrechselt, daß nur Allianzisten nominiert wurden; und er hat schließlich das kol-ektive imperative Mandat verfaßt, das seiner Meinung nach den Willen der spanischen Internationalen zum Ausdruck brachte. Besser kann man die Autonomie nicht respektieren.
Geschrieben Anfang Oktober 1872. Aus dem Spanischen.
Friedrich Engels
Briefe aus London,
II [Nochmals über den Haager Kongreß]
[„LaPlebe" Nr. 107 vom 8. Oktober 1872]
London, den 5.Oktober 1872 Ich hoffe, daß der Ausgang des Haager Kongresses unsere „autonomen" Freunde in Italien zum Nachdenken bringen wird. Sie sollten wissen, daß dort, wo es eine Organisation gibt, ein Teil der Autonomie zugunsten der Einheit der Aktion aufgeopfert wird. Wenn sie nicht sehen, daß die Internationale eine Gesellschaft ist, die für den Kampf und nicht für schöne Theorien organisiert ist, dann tut es mir leid, doch eines ist sicher: die große Internationale wird Italien für sich handeln lassen, bis es einverstanden sein wird, die für alle gemeinsamen Bedingungen anzunehmen. In der geheimen Allianz der sozialistischen Demokratie121 gibt es drei Grade: internationale Brüder (eine kleine Zahl), nationale Brüder und einfache Allianzmitglieder. C.1 ist internationaler Bruder ebenso wie Guillaume (Bakunins Generalstabschef) und ein oder zwei Spanier. Von den französischen Delegierten kamen fünf unter falschen Namen aus Frankreich; die anderen waren Emigranten der Kommune. Ich lege Ihnen die Liste11921 bei, auf der die Namen und die Örtlichkeiten der französischen Sektionen nicht eingetragen sind, um sie nicht der Polizei zu verraten. Wir haben uns jedoch in mehr als dreißig Departements Frankreichs reorganisiert, und die Internationale ist dort stärker und aktiver als sie es jemals war. Es war ermutigend zu sehen, wie die Franzosen und die Deutschen in Den Haag immer gemeinsam stimmten; man sah wohl, daß für die Internationale alle Kriege, Eroberungen und nationaler Haß nicht existierten. Und
1 Carlo Cafiero
12 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
dieses Bündnis der Franzosenund Deutschen bewirkte, daß alle Resolutionen ohne Ausnahme angenommen wurden. Die Ursache der Verlegung des Generalrats nach New York war: 1. Der feste Entschluß von Marx, Serraillier, Dupont und Engels, ein neues Mandat nicht anzunehmen. Marx und Engels haben wissenschaftliche Arbeiten auszuführen, wofür ihnen seit zwei Jahren die Zeit fehlte; 2. die Gewißheit, daß im Falle ihrer Demission ein Generalrat in London sich, was die Franzosen anbetrifft, aus Blanquisten zusammensetzen würde, die durch ihre Verschwörungsmanie die Mehrheit der Unsrigen in Frankreich ins Gefängnis bringen würden, falls sie überhaupt von den letzteren akzeptiert worden wären; und was die Engländer anbelangt, aus korrupten Männern, die gewohnt sind, sich der liberalen Bourgeoisie und den radikalen Agenten des Herrn Gladstone zu verkaufen; und was die anderen Nationalitäten anbetrifft, so wären sie überhaupt nicht vertreten gewesen, weil Wroblewski, Mac Donnel, Frankel ohne Marx und die anderen nicht bleiben wollten. Was die bürgerliche Presse auch sagen mag, wir sind von den Haager Arbeitern gut empfangen worden. Einmal hat uns die Reaktion eine Handvoll betrunkener Individuen geschickt, damit sie nach Schluß der Sitzung die königlich holländische Nationalhymne singen. Wir haben sie singen lassen und antworteten, als wir mittendurch vorbeizogen, mit der Marseillaise. Die Minderheit des Kongresses hätte ausgereicht, um sie mit Gewalt zu zerstreuen. In der letzten Sitzung, am Sonnabend, hat das zahlreiche Publikum den Rednern starken Beifall gezollt.
Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels
An den Britischen Föderalrat der Internationalen Arbeiterassoziation Weg[en] portugiesischer] Strikes
122 Regent's Park Road. N.W. London, 16. Oktober 1872
Bürger! Ich hatte die Ehre, Ihnen auf Ihrem Meeting am 26. September durch den Bürger Dupont eine vom Lissaboner Föderalrat an mich gerichtete Mitteilung zu unterbreiten, die einige trade matters1 der dortigen Sektionen der Internationale betraf und hier eine sofortige Aktion erforderte .11931 Ich habe gesehen, daß diese Mitteilung im „International Herald" veröffentlicht worden ist, jedoch keinen Hinweis erhalten, ob der Föderalrat irgendwelche weiteren Schritte in der Angelegenheit unternommen hat. Da ich verpflichtet bin, meinen Lissaboner Korrespondenten Nachricht darüber zu geben, was ich zugunsten der interessierten Seiten getan habe, hoffe ich, daß der Föderalrat die Güte haben wird, mich wissen zu lassen, ob etwas in der fraglichen Angelegenheit vom Rat getan worden ist, und wenn ja, was.
Ich verbleibe, Bürger, mit brüderlichen Grüßen
Ihr F.E,
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx
An die Redaktion des „Volksstaat"
[„Der Volksstaat" Nr. 86 vom 26. Oktober 1872] Der Leitartikel in Nr.84 des „Volksstaat" - „Vom Haager Kongreß. III." - enthält einen auf mich bezüglichen tatsächlichen Irrtum, dessen Berichtigung ich nötig glaube, und zwar, wohlgemerkt, nur weil er im „Volksstaat" unterläuft. Wenn ich es der Mühe wert hielte, die Lügen, Verleumdungen, Infamien, und nun gar die unfreiwilligen „Irrtümer" der mir feindlichen Presse zu berichtigen, wann würde mir ein Augenblick für wirkliche Arbeit bleiben! In dem zitierten Artikel heißt es:
„Lafargue war so wenig Marx' .Adjutant', daß er, als es sich um die Ausstoßung Schwitzguebels, des Genossen von Guillaume, handelte, sich der Abstimmung enthielt, obschon der Antrag auf Exklusion t194J durch Marx gestellt war." Jenen Antrag stellte das vom Kongreß ernannte Untersuchungskomitee, nicht ich. Was ich im Kongreß beantragt hatte, war der Ausschluß der Allianz121 und die Ernennung eines Untersuchungskomitees zu diesem Behuf. Vor diesem Komitee figurierte ich gleich andren als Belastungszeuge. Erst gegen Schluß der Untersuchung, im letzten Augenblick, und zwar während einer Kongreßsitzung, wurde ich vorzitiert. Vorher hatte ein Mitglied des Komitees, zum Aufschluß über rein tatsächliche Fragen, eine Privatzusammenkunft mit mir gewünscht. Ich schlug sie ab, um selbst den Schein einer persönlichen Beeinflussung des Komitees zu vermeiden. In meinem Verhör vor dem Komitee erwähnte ich mit keinem Wort weder den Schwitzguebel noch seinen Leithammel Guillaume. Ich erwähnte nur einen1 der zum Kongreß gehörigen Allianzisten, um meine Überzeugung auszusprechen, daß er nicht Mitglied der „geheimen" Allianz oder jedenfalls längst aus ihr entfernt sei.
Ich stimmte in der letzten Kongreßsitzung für die Ausstoßung Schwitzguebels, weil die Beweise seiner Mitgliedschaft an der „geheimen" Allianz genau dieselben sind wie bei Guillaume. Unter diesen Umständen konnte mich Schwitzguebels gerührte Armsünderrede nicht umstimmen. Nebenbei bemerkt lügt Herr Guillaume - wozu übrigens jedes Mitglied einer „geheimen" Gesellschaft verpflichtet ist - absichtlich im „Bulletin Jurassien", wenn er versichert, Schwitzguebel habe sich mit ihm solidarisch erkärt. Umgekehrt. Guillaume erklärte mit großer Emphase, der Schwitzguebel stehe und falle mit ihm, aber der Schwitzguebel blieb taub gegen diesen Schrei in extremis1! Seine Armsünderrede erwähnt des Guillaume mit keinem Wort, und es war diese Armsünderrede, welche die Majorität bestach. Als Mitglied der Kommission für die Veröffentlichung der Kongreßverhandlungen hatte ich natürlich das offizielle Kongreßprotokoll genau einzusehen. Mit Bezug auf Lafargue ist zu bemerken, daß der Biedermann „Biedermann" lügt, wenn er ihn als Delegierten für Barcelona bezeichnet. Lafargue war Delegierter für den Portugiesischen Föderalrat, für die Neue Madrider Föderation'1481 und eine andre spanische Sektion.
London, 20.Oktober 1872' Karl Marx
Friedrich Engels
Bericht an den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation über die Lage der Assoziation in Spanien, Portugal und Italien11951
1. Spanien
In Spanien war die Internationale ursprünglich als ein bloßes Anhängsel an Bakunins geheime Gesellschaft, die Allianzta], gegründet worden, der sie als eine Art Rekrutierungsfeld und zugleich als Hebel zur Beherrschung der ganzen proletarischen Bewegung dienen sollte. Sie werden später sehen, daß diese Allianz gerade jetzt offen darauf ausgeht, die spanische Internationale wieder in die gleiche untergeordnete Stellung zu versetzen. Infolge dieser Abhängigkeit wurden die besonderen Lehren der Allianz sofortige Abschaffung des Staates, Anarchie, Antiautoritarismus, Enthaltung von jeder politischen Tätigkeit etc. - in Spanien als die Lehren der Internationale verkündet. Gleichzeitig wurde jedes prominente Mitglied der Internationale] sofort in die geheime Gesellschaft aufgenommen und ihm eingeredet, daß dieses System der Kontrolle der öffentlichen Assoziation durch die geheime Gesellschaft überall existiere und ganz natürlich sei. Dies geschah 1869, und der erste, der die Internationale zugleich mit der Allianz in Spanien einführte, war der Italiener Fanelli, der jetzt trotz seiner politischen Enthaltungsgrundsätze Mitglied des italienischen Parlaments ist. Im Juni 1870 wurde der erste Kongreß der spanischen Internationalen in Barcelona abgehalten und der Organisationsplan angenommen, der danach auf der Konferenz zu Valencia (September 1871) völlig ausgearbeitet wurde, jetzt in Kraft ist und die ausgezeichnetsten Resultate gebracht hat. Wie überall, hat der Anteil unserer Assoziation (und auch der ihr zugeschriebene) an der Revolution der Pariser Kommune die Internationale auch in Spanien in den Vordergrund gestellt. Dadurch und durch die ersten Verfolgungsmaßnahmen der Regierung unmittelbar nachher wurden unsere Reihen sehr gefüllt. Indessen bestanden zur Zeit der Konferenz in Valencia
nur dreizehn lokale Föderationen in Spanien außer einigen isolierten Sektionen in verschiedenen Orten. Die Konferenz von Valencia hatte den Föderalrat in Madrid belassen, wohin sein Sitz durch den Barcelonaer Kongreß gelegt worden war, und seine Zusammensetzung im ganzen nicht verändert; eine gewichtige Person jedoch, Tomas Gonzales Morago (Delegierter in Den Haag), war nicht wiedergewählt worden. Als der Föderalrat während der ersten Verfolgungen durch die Regierung im Juni 1871 eine Zeitlang Zuflucht in Lissabon suchen mußte, hatte Morago seinen Posten im Augenblick der Gefahr verlassen, und das war die Ursache seines Ausschlusses aus dem neuen Föderalrat. Von diesem Augenblick an begann der geheime Krieg, der mit offener Spaltung endete. Unmittelbar nach der Konferenz in Valencia wurde die Konferenz in London abgehalten (Sept. 1871). Die Spanier sandten einen Delegierten, Anselmo Lorenzo, der nach Rückkehr zum erstenmal die Nachricht nach Spanien brachte, daß die geheime Allianz kein selbstverständliches Ding in unserer Assoziation sei, und daß im Gegenteil der Generalrat und die Majorität der Föderationen direkte Gegner der Allianz seien, soweit ihre Existenz damals bekannt war. Kurz nachher begann Sagasla seine Verfolgungen der Internationale], die er für außerhalb des Gesetzes stehend erklärte. Morago, damals noch Mitglied des Madrider Lokalrats, desertierte wieder von seinem Posten und dankte ab. Indessen folgten den Drohungen der Regierung keine ernsthaften Handlungen; öffentliche Versammlungen abzuhalten war der Internationale allerdings nicht gestattet, aber die Sektionen und Räte führten ihre Sitzungen ungestört weiter. Die einzige Folge dieser Einmischung der Regierung war eine große Zunahme der Zahl der Anhänger der Internationale. Auf dem Kongreß zu Saragossa, im April 1872, zählte die Assoziation 70 regulär organisierte lokale Föderationen, während in 100 anderen Orten Organisation und Propaganda lebhaft betrieben wurde. Außerdem gab es 8 Berufszweige, die im ganzen Lande in Berufsverbänden organisiert waren und unter der Kontrolle der Internationale standen; und der große Verband der Fabrikarbeiter in Spanien (Mechaniker, Spinner und Weber) stand im Begriff sich zu bilden. In der Zwischenzeit war der geheime Krieg innerhalb der Internationalen fortgesetzt worden und begann nunmehr eine andere und wichtigere Wendung zu nehmen. Der persönliche Groll Moragos (der in Madrid, trotz seiner wiederholten Desertionen, großen lokalen Einfluß ausübte) gegen die in Valencia ernannten Mitglieder des neuen Föderalrats war nicht mehr
die einzige bewegende Kraft dieses Krieges. Die Beschlüsse der Londoner Konferenz über den öffentlichen Zweigbetrieb der Allianz und über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse hatten die Wut der Führer der geheimen Allianz erregt und besonders der in die höheren Grade Eingeweihten, die ihre Anweisungen direkt von Bakunin erhielten und zu denen auch Morago gehörte. Diese Wut drückte sich aus in dem Sonvillier-Zirkular der Jura-Föderation, das die sofortige Einberufung eines außerordentlichen Kongresses verlangte. Der Spanische Föderalrat zögerte, in Übereinstimmung mit vielen Sektionen, in dieser Frage Stellung gegen den Generalrat und die Londoner Konferenz zu nehmen, und das machte ein neues Verbrechen aus. Überdies kam im Januar 1872 Paul Lafargue nach Madrid, und nachdem er in freundschaftliche Beziehungen zu den Mitgliedern des Föderalrats getreten war, überzeugte er sie bald durch zahlreiche Tatsachen davon, daß die ganze jurassische Affäre eine auf Verleumdung beruhende Intrige zur Desorganisation der Intern[ationale] sei. Von diesem Augenblick an war das Schicksal der Mitglieder des Föderalrats besiegelt. Da sie gleichzeitig auch Redakteure der „Emancipacion" waren, fing der Lokalrat mit dem Blatt einen Streit an und ließ sie aus der Madrider lokalen Föderation ausschließen. Dieser Ausschluß wurde von dem Saragossaer Kongreß annulliert, aber der unmittelbare Zweck war erreicht: das Verbleiben des Föderalrats in Madrid war durch persönliche Reibereien unmöglich gemacht. Der Föderalrat wurde tatsächlich nach Valencia verlegt und seine Zusammensetzung vollständig verändert. Von zwei wiedergewählten Mitgliedern des früheren Rats lehnte Mora die Wahl sofort ab und Lorenzo resignierte sehr bald wegen der Streitigkeiten, die folgten. Die übrigen waren meist Mitglieder der geheimen Allianz.1 Nach dem Kongreß von Saragossa wurde die Spaltung zwischen den Leuten der Allianz und denen, die die Internationale der Allianz vorzogen, immer offenkundiger. Endlich, am 2. Juni 1872, gaben die Mitglieder des früheren Föderalrats (Mesa, Mora, Pauly, Pages und andere), die zu gleicher Zeit die Mehrheit der Madrider Sektion der Allianz bildeten, ein Zirkular an alle anderen Sektionen derselben geheimen Gesellschaft heraus, worin sie ihre Auflösung als Sektion der geheimen Gesellschaft anzeigten und die anderen aufforderten, ihrem Beispiel zu folgen.'1731 Am nächsten Tage wurden sie unter einem verlogenen Vorwand und in offener Verletzung der
1 In der Handschrift folgt durchgestrichen: In dem Maße, wie der internationale Kongreß vom September 1872 herannahte, wurden die Manöver der Allianz zur Sicherung ihrer Majorität auf diesem Kongreß augenfälliger.
Statuten aus der lokalen Föderation der Madrider Internationale ausgestoßen. Von 130 Mitgliedern waren nur 15 bei dieser Abstimmung zugegen. Die Ausgeschlossenen bildeten nun eine neue Föderation, aber der Föderalrat weigerte sich, sie anzuerkennen; sie wandten sich an den Generalrat, der sie anerkannte, ohne den Spanischen Föderalrat zu konsultieren, und diese Handlung wurde von dem Haager Kongreß gebilligt. Der Grund, weshalb der alte Generalrat den Spanischen Föderalrat in dieser Sache nicht konsultierte, war folgender: Nachdem endlich hinreichend Beweise von der Existenz und Tätigkeit der Allianz in Spanien und von der Tatsache, daß die Majorität der Mitglieder des Spanischen Rats, wenn nicht alle, dazu gehörten, eingegangen waren, hatte der Gfeneral-] R[at] diesem Rat geschrieben und Erklärungen und Auskünfte über die geheime Gesellschaft verlangt.1 In seiner Antwort vom 3. August 1872 nahm der Spanische Föderalrat offen die Partei der Allianz, wobei er überdies erklärte, daß die Allianz aufgelöst sei. Sich an einen Rat zu wenden, der sich in einem Zusammenstoß zwischen der Internationale und der geheimen Gesellschaft innerhalb ihrer Reihen bereits auf die Seite der geheimen Gesellschaft gestellt hatte, wäre offenbar mehr als überflüssig gewesen, und der Haager Kongreß hat die Handlung des G. R. völlig gebilligt. Um die Wahl von Mitgliedern der Allianz als Delegierte nach Den Haag zu sichern, griff der Föderalrat mit Hilfe eines geheimen Zirkulars, das er dem G. R. niemals zur Kenntnis gab, zu Manövern, die auf dem Kongreß aufgedeckt wurden und genügt hätten, die Mandate der vier Delegierten der Spanischen Föderation zu annullieren, wenn die Mehrheit in Den Haag nicht so ungewöhnlich milde gesinnt gewesen wäre. Der Stand der Dinge in Spanien ist also wie folgt: Es existieren in Spanien nur zwei lokale Föderationen, die offen und vollständig die Beschlüsse des Haager Kongresses und den neuen Gen. Rat anerkennen - die Neue Madrider Föderation11481 und die Föderation von Alcala de Henares. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Masse der spanischen Internationalen auf ihre Seite zu ziehen, werden sie den Kern einer neuen Spanischen Föderation bilden. Die große Masse der spanischen Internationalen steht noch immer unter der Führung der Allianz, die im F[öderal-] R[at] sowohl wie in den bedeutendsten Lokalräten vorherrscht. Es sind aber viele Anzeichen vorhanden, die zeigen, daß die Kongreßbeschlüsse nicht ohne große Wirkung auf die Massen in Spanien geblieben sind. Der Name der Internationale
hat dort großes Gewicht, und ihr offizieller Ausdruck, der Kongreß, großen moralischen Einfluß. Daher haben die Leute der Allianz einen schweren Kampf, die Massen davon zu überzeugen, daß sie im Recht seien. Die Opposition beginnt ernst zu werden. Die Fabrikarbeiter von Katalonien mit einem Berufsverband von 40 000 Mitgliedern übernehmen darin die Führung und fordern die Einberufung eines außerordentlichen spanischen Kongresses, um die Berichte der Delegierten nach Den Haag zu hören und das Verhalten des F. R. zu prüfen. Das Organ der Neuen Madrider Föderation, „La Emancipacion", vielleicht das beste Blatt, das die Internationale überhaupt besitzt, stellt die Allianz jede Woche bloß, und aus den Nummern, die ich dem Bürger Sorge übersandt habe, kann der G. R. sich selbst überzeugen, mit welcher Energie, mit welchem gesunden Verstand und welcher theoretischen Einsicht in die Prinzipien unserer Assoziation sie den Kampf führt. Sein jetziger Redakteur, Jose Mesa, ist zweifellos der bedeutendste Mann, den wir in Spanien haben, sowohl was den Charakter als auch das Talent betrifft, und er ist in der Tat einer der Besten, den wir überhaupt haben. Ich habe mir gestattet, unseren spanischen Freunden zu raten, sich nicht so sehr zu übereilen mit der Forderung eines außerordentlichen Kongresses, sich aber nach Kräften darauf vorzubereiten. Mittlerweile habe ich der „Emancipacion" die Kongreßberichte und andere Artikel zugesandt1 und werde fortfahren so zu tun, da Mesa, der einzige, der zur Zeit in Madrid die Feder wirkungsvoll führen kann, nicht alles tun kann, trotz der wunderbaren Energie, die er entfaltet. Und ich hege keinen Zweifel: wenn unsere Freunde in Spanien durch die Aktion des G. R. gut unterstützt werden, werden wir dort jedes Hindernis überwinden und eine der tüchtigsten Organisationen innerhalb der Internationale von dem Allianzschwindel befreien.
London, 31. Oktober 1872 Fred. Engels Exsekretär für Spanien
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
An die Gesellschaft der Arbeiter und Ackerbauern der Unteren Lombardei (Sektion der Internationale) in Lodi1,961
[„LaPlebe" Nr. 117 vorn 17. November 1872]
London, 13. November 1872
Bürger! Mit viel Freude habe ich die Nachricht von Eurer Konstituierung als Sektion der Internationale erhalten und sie sofort dem neuen Generalrat in New York mitgeteilt. Am Ende dieses Schreibens gebe ich Euch die Adresse für die direkte Korrespondenz mit dem Generalrat, stehe jedoch gleichzeitig immer zu Eurer Verfügung für jegliche Informationen, Erklärungen oder Dienste, die Ihr wünschen könntet.
Gruß und Brüderlichkeit Federico Engels
Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels
Briefe aus London
III [Das Meeting im Hyde Park]
[„LaPlebe" Nr. 117 vom 17. November 1872]
London, 14. November [1872] Die liberale englische Regierung hält gegenwärtig in ihren Gefängnissen nicht weniger als 42 irische politische Gefangene, die sie nicht nur wie Diebe und Mörder, sondern weit schlechter, mit einer ganz außergewöhnlichen Grausamkeit behandelt. In den schönen Zeiten von König Bomba1 unternahm Herr Gladstone, Haupt des gegenwärtigen liberalen Ministeriums, eine Rundreise durch Italien und besuchte in Neapel die politischen Gefangenen; nach England zurückgekehrt, veröffentlichte er eine Broschüre, in der er die neapolitanische Regierung vor Europa wegen der unwürdigen Behandlung der politischen Gefangenen anprangerte. Das hindert den gleichen Herrn Gladstone nicht, in der gleichen Weise die irischen politischen Verurteilten zu behandeln, die er noch hinter Schloß und Riegel hält. - Die irischen Internationalen von London beschlossen, im Hyde Park (dem ausgedehntesten öffentlichen Park Londons, wo in bewegten Zeiten alle großen öffentlichen Versammlungen abgehalten werden) eine Monsferkundgebung für eine allgemeine Amnestie zu organisieren. Sie traten in Verbindung mit allen demokratischen Gesellschaften Londons und bildeten ein Komitee, dem unter anderen Mac Donnel (Ire), Murray (Engländer) und Leßner (Deutscher), allesamt Mitglieder des vorigen Generalrats der Internationale, angehörten. Es trat eine Schwierigkeit auf. In der letzten Sitzung des Parlaments hatte die Regierung ein Gesetz annehmen lassen, das ihr das Recht verlieh, durch Verordnungen die öffentlichen Versammlungen in den Londoner
Parks zu reglementieren. Sie machte sich dies zunutze und ließ eine Verordnung anschlagen, die denjenigen, welche die Absicht hatten, eine solche öffentliche Versammlung abzuhalten, vorschrieb, der Polizei zwei Tage im voraus schriftliche Mitteilung davon zu machen und dabei die Namen der Redner anzugeben.11971 Diese vor der LondonerPresse sorgsam verborgen gehaltene Verordnung hob mit einem Federstrich eines der dem Londoner Arbeitervolk teuersten Rechte auf, nämlich das Recht, öffentliche Versammlungen in den Parks abzuhalten, wann immer und wie es ihm gefiel. Sich dieser Verordnung unterwerfen, hätte bedeutet, das Recht des Volkes preiszugeben. Die Iren, die das revolutionärste Element der Bevölkerung bilden, gehörten nicht zu den Männern, die eine solche Schwäche gezeigt hätten. Das Komitee beschloß einstimmig, so zu tun, als ob es das Bestehen der Verordnung nicht kenne, und seine Versammlung der Regierung zum Trotz abzuhalten. Am vergangenen Sonntag, gegen drei Uhr, zogen zwei unendlich lange Züge mit Musikkapellen und Fahnen zum Hyde Park. Die Musikkapellen spielten irische Nationallieder und die Marseillaise; fast alle Fahnen waren irische (grün mit einer goldenen Harfe in der Mitte) und rote. Es befanden sich am Eingang des Parks nur wenige Polizisten, so daß die Züge einziehen konnten, ohne auf irgendeinen Widerstand zu stoßen, sie versammelten sich am festgelegten Platz, und die Reden begannen. Es waren dort wenigstens dreißigtausend Zuschauer zugegen, von denen gering gerechnet die Hälfte ein grünes Band oder ein grünes Blatt im Knopfloch des Rockes trugen, um ihre irische Nationalität zu bekunden; die übrigen waren Engländer, Deutsche, Franzosen. Die Menge war zu zahlreich, als daß sie die Reden hätte hören können, und daher organisierte man neben dem ersten ein zweites Meeting, in dem andere Redner zur selben Sache sprachen. Es wurden energische Entschließungen angenommen, die eine allgemeine Amnestie forderten sowie die Abschaffung der Ausnahmegesetze, die Irland einen ständigen Belagerungszustand auferlegten. Gegen fünf Uhr formierten sich erneut die Züge, und die Menge verließ den Park, nachdem sie die Verordnung des Ministeriums Gladstone mit Füßen getreten hatte. Es ist das erste Mal, daß eine irische Kundgebung im Hyde Park stattfand; sie hatte großen Erfolg: Selbst die bürgerliche LondonerPresse konnte es nicht leugnen. Es ist das erste Mal, daß sich englische und irische Elemente unserer Bevölkerung herzlich zusammenschlössen. Diese zwei Elemente der Arbeiterklasse, deren gegenseitige Feindschaft vorzüglich den
Interessen der Regierung und der reichen Klassen diente, reichen sich nun die Hand; diese erfreuliche Tatsache verdanken wir vor allem dem Einfluß des vorigen Generalrats der Internationale, der stets alle seine Anstrengungen darauf gerichtet hatte, das Bündnis zwischen den Arbeitern der beiden Nationen auf der Grundlage einer vollständigen Gleichheit vorzubereiten. Die Versammlung vom 3. November wird eine neue Ära in der Londoner Arbeiterbewegung einleiten. Aber, werdet ihr sagen, was macht die Regierung? Wird sie sich etwa leicht damit abfinden, in dieser Weise behandelt zu werden? Wird sie ihre Verordnung straflos mit Füßen treten lassen? Nun, was sie getan hat, ist das: Neben der Tribüne im Hyde Park hatte sie zwei Polizeikommissare mit zwei Beamten postiert, die die Namen der Redner aufgeschrieben haben. Am Tage darauf haben diese beiden Kommissare vor dem Friedensrichter Anzeige gegen die Redner erstattet. Der Richter hat sie vorgeladen und sie werden am kommenden Sonnabend vor ihm erscheinen müssen. Diese Art des Verfahrens beweist zur Genüge, daß man ihnen keinen großen Prozeß machen will. Es scheint, daß die Regierung die Niederlage, die ihr die Iren, oder wie man hier sagt, die Fenier zugefügt haben, einstecken und sich mit einer kleinen Geldstrafe begnügen wird. Jedenfalls wird die Verhandlung interessant sein, und ich werde euch in einem meiner nächsten Briefe darüber berichten1. Völlig sicher ist aber bereits jetzt, daß die Iren dank ihrer Energie das Recht des Londoner Volkes gerettet haben, sich in den Parks zu versammeln, wann und wie es ihm gefällt. F. Engels
Aus dem Italienischen.
Friedrich Engels
Briefe aus London
IV [Das Meeting im Hyde Park - Die Lage in Spanien]
[„LaPlebe" Nr. 122 vom 14. Dezember 1872]
London, 11. Dezember 1872 Der Prozeß, den die englische Regierung den Rednern des irischen Meetings im Hyde Park1 gemacht, hat auf ihr Haupt ein schweres Gewitter heraufbeschworen. Zwar hat der Friedensrichter den Angeklagten eine Geldstrafe von fünf Pfund Sterling auferlegt, aber die Verhandlung hat in verschiedener Hinsicht die völlige Ungesetzlichkeit der neuen Verordnung über die öffentlichen Parkanlagen bewiesen, so daß das Appellationsgericht, in dessen Händen sich nun der Prozeß befindet, die Angeklagten wird freisprechen müssen. Und das ist noch nicht alles: Nach diesem ersten Meeting vergeht kein Sonntag ohne öffentliche Versammlungen im Hyde Park; und die Regierung wagt es nicht, auch nur einen der Redner zu stören. Einmal fand dort eine Versammlung zugunsten der Polizeibeamten statt, die in Streik getreten waren; ein anderes Mal hielt man das Meeting einfach ab, um das Versammlungsrecht in den Parkanlagen zu bekräftigen. Ein Streik der Polizeibeamten? - werdet ihr fragen. Jawohl, meine Herrn, England ist ein verteufeltes Land, wo der Streik überall eindringt. Ich erinnere mich, daß vor fünfzehn Jahren die Policemen von Manchester für eine Lohnerhöhung einen Streik durchführten, der schon nach zwei Tagen zu einem vollkommenen Erfolg führte. Vor einigen Wochen drohten die Polizeibeamten der hiesigen Hauptstadt mit dem Streik, weil man ihnen eine Lohnerhöhung von ungefähr 20 % verweigert hatte. Im letzten Augenblick hielt die Regierung es für ratsam, alle ihre Forderungen zu bewilligen,
doch als Repressalie bestrafte sie den Sekretär der Widerstandsvereinigung, die von diesen Beamten gebildet worden war; und da er sich der auferlegten Strafe nicht unterwerfen wollte, wurde er abgesetzt. Da setzt eine Protestbewegung in den Reihen der Polizei ein, und die Versammlung im Hyde Park wird angekündigt; die Regierung gibt wieder nach, amnestiert die Rebellen, noch bevor die Versammlung stattfindet, allerdings mit Ausnahme des erwähnten Sekretärs. Das ist ein Beweis dafür, wie in England — unter einem durchaus aristokratischen Schein - der bürgerliche Geist überall eingedrungen ist. In der Tat, welche andere Nation ist so bürgerlich, daß sie sich Widerstandsüereinigungen und Streiks der Polizeibeamten erlauben kann? Die Nachrichten, die über die Haltung der verschiedenen Föderationen der Internationale gegenüber den Beschlüssen des Haager Kongresses zu uns gelangen, sind sehr zufriedenstellend. In Holland (wo die Delegierten dieses Landes mit der Minderheit gestimmt hatten) sind in einem Regionalkongreß Beschlüsse gefaßt worden, die dem wahren Geist der großen Assoziation entsprechen.'1981 Man hat dort beschlossen, im Einklang mit den Statuten und Verwaltungsverordnungen des New-Yorker Generalrats vorzugehen, wobei man sich übrigens vorbehielt, die Einwände, die man für nötig halten wird, dem allgemeinen Kongreß, der im September 1873 abgehalten werden soll, zu unterbreiten und keinem anderen Kongreß das Recht zuzuerkennen, über die allgemeinen Interessen der Assoziation zu beschließen. Auch in Spanien, wo die Führer der Haager Minderheit absolut Herren der Lage zu sein glaubten, bricht sich der gesunde Sinn der Arbeiter Bahn. Die Anhänger der Allianz121, die sich an der Spitze des Föderalrats befinden, haben einen Regionalkongreß für den 25. Dezember nach Cordoba einberufen.11991 Entsprechend der auf dem vorangegangenen Kongreß von Saragossa angenommenen Tagesordnung müßte sich dieser Kongreß damit beschäftigen, die spanische föderale Organisation mit den Beschlüssen, die der allgemeine Kongreß der Internationale annehmen wird, in Einklang zu bringen. Der Föderalrat hat aber im Gegenteil die Wahl zwischen den Beschlüssen des Haager Kongresses der Internationale und des Kongresses der Anti-Internationale von Saint-Imier12001 auf die Tagesordnung gesetzt. Das bedeutet eine flagrante Verletzung der Allgemeinen Statuten. Und die Neue Madrider Föderation11481 hat daher einen Appell an alle wahrhaft internationalen Föderationen (die die Allgemeinen Statuten und die Kongreßbeschlüsse anerkennen) gerichtet, um einen provisorischen neuen Föderalrat zu wählen.12011 Dieser Aufforderung haben sich bereits bedeutende
Föderationen und Sektionen angeschlossen, wie die von Lerida, Badalona, Denia, Pont de Vilumara; außerdem haben sich die Föderationen von Gracia, Toledo, Alcalä und eine große Anzahl der von Cadiz und Valencia gegen den gegenwärtigen Föderalrat erklärt. In Gracia, einem Industrievorort von Barcelona, nahm die dortige 500 Mann starke Föderation nach einer drei Nächte langen Diskussion mit den Allianzanhängern von Barcelona alle Haager Beschlüsse einstimmig an und beschloß, den spanischen Delegierten wegen ihrer Haltung auf dem letzten allgemeinen Kongreß einen Tadel auszusprechen. In Valencia sah sich der gleiche Föderalrat in Gefahr, in der Vollversammlung geschlagen zu werden, so daß er eine Abstimmung verhinderte, die für ihn ungünstig verlaufen konnte; diese Angelegenheit hatte eine Spaltung zur Folge.12021 Auf diesem Wege befinden wir uns in Spanien erst am Anfang; in einigen Wochen wird diese Bewegung stark genug sein, um zu beweisen, daß die spanischen Arbeiter nicht zulassen wollen, daß die Internationale desorganisiert wird zugunsten der Häupter einiger Geheimgesellschaften. Auf dem Haager Kongreß war von einem gewissen Bousquet1, Sekretär des Polizeikommissariats in Beziers, die Rede, der sich in die Reihen der Internationale eingeschlichen hatte, übrigens aber auf Antrag seiner Sektion aus ihr bereits durch den vorigen Generalrat ausgeschlossen worden war. Dieser brave Mann, der dann von Herrn Thiers zum Polizeiwachtmeister in seiner Stadt befördert worden war, hat einen Verteidiger in der Nr. 21 des „Bulletin Jurassien"12031 gefunden. Man braucht sich darüber nicht sehr zu wundern, nachdem aus den Reihen der Jurassischen Föderation die braven Albert Richard und Gaspard Blanc, gegenwärtig Helfershelfer des Herrn Louis-Napoleon, hervorgegangen sind. F. Engels
Aus dem Italienischen.
1 Siehe vorl. Band, S.155
13 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Karl Marx/Friedrich Engels [An den Redakteur des „International Herald" 12041]
[„The International Herald" Nr. 38 vom 21. Dezember 1872]
Lieber Bürgerl Wir haben es bisher als überflüssig erachtet, auf die Verleumdungen und Lügen zu antworten, welche der „autonome" Herr John Haies unermüdlich über uns verbreitet. Doch wenn derartige Verleumdungen im Zusammenhang mit dem Namen des Britischen Föderalrats und seiner vorgeblichen Autorität verbreitet werden, geschieht das mit der Absicht, der Internationale allgemein Schaden zuzufügen, und wir sind gezwungen, unser Stillschweigen zu brechen. Dieser Herr Haies, welcher plötzlich als Verfechter der „Autonomie" von Sektionen und Föderationen auftritt, interpretiert praktisch diese Autonomie als seine eigene persönliche Autokratie. Er hat sich erstens zum Sekretär des Protokolls, zweitens zum korrespondierenden Sekretär (im In- und Ausland), drittens zum Kassierer des Britischen Föderalrats ernennen lassen; da er aber all diese Pflichten nicht auf einmal erfüllen kann, ernennt er, viertens, andere Mitglieder dieses Rats, die als seine Bediensteten dies tun. Und fünftens schreibt er ohne Wissen oder Zustimmung des Britischen Föderalrats Briefe in dessen Namen nach allen Teilen der Welt. Daher finden wir in Nr. 23 der „Bulletin jurassienne" einen offiziellen an den Britischen Föderalrat adressierten Brief des sezessionistischen jurassischen Komitees, als Antwort auf einen ebenfalls veröffentlichten Brief des Herrn John Haies. Die Existenz dieses Briefes, dessen sind wir gewiß, war dem Britischen Föderalrat völlig unbekannt. In diesem Brief versichert Haies: „Dieser Kongreß (in Den Haag)... hat die Heuchelei der Männer des alten Generalrats entlarvt, die eine ausgedehnte Geheimgesellschaft innerhalb unserer Assoziation zu organisieren versuchten, und dies unter dem Vorwand, einer anderen Geheim
gesellschaft, deren Existenz sie für ihre eigenen Zwecke erfunden hatten, das Handwerk zu legen." Herr Haies ist ein bewunderungswürdiger Logiker. Der durch den Kongreß erfolgte Ausschluß der Allianz121 aus der Internationale beweist ihm die Heuchelei des alten Generalrats, der diese Körperschaft nicht anerkannte. Was die vom Generalrat erfundene Allianz und die von ihm organisierte geheime Verschwörung betrifft, so ist Bürger Jung, zur Zeit Mitglied des Föderalrats, am besten geeignet, darüber alle notwendigen Auskünfte zu geben. Als ehemaliger Sekretär für die Schweiz kennt er das Treiben der „Allianz", und als Mitglied des Exekutivkomitees des alten Generalrats weiß er alles über die von Haies erfundene „Verschwörung". Die Heldentaten der allgemein bekannten „Allianz" sind bereits in dem Zirkular des alten Generalrats „Die angeblichen Spaltungen etc."1 öffentlich angeprangert worden. Die geheime Tätigkeit dieser Gesellschaft wird ans Tageslicht gebracht werden durch die kurz vor der Veröffentlichung stehenden Dokumente, die sich in den Händen der vom Haager Kongreß ernannten Untersuchungskommission befinden .2 Herr Haies beklagt sich: „Während ich Generalsekretär des Rats war, kannte ich niemals die Adressen der Föderationen auf dem Kontinent und konnte sie mir auch niemals beschaffen." Als Sekretär des Generalrats und dessen einziger bezahlter Beamter hatte Herr Haies keine anderen Pflichten, als die Protokolle vorzubereiten, Auszüge daraus an die Presse zu schicken und mit den englischen Sektionen und Trade-Unions zu korrespondieren. Die Korrespondenz mit anderen Föderationen, kontinentalen oder anderen, war unbezahlten Sekretären anvertraut, in deren Angelegenheit sich einzumischen er kein Recht hatte. Wie er seine Pflicht - Führung der Korrespondenz seines eigenen Ressorts - erfüllte, zeigt eine besondere Resolution des Generalrats, in welcher diese Pflicht dem Bürger Milner übertragen wird.1205' Herr Haies stellt weiterhin fest:
„Eines Tages erhielt der Britische Föderalrat einen sehr wichtigen Brief vom Spanischen Föderalrat, doch der Schreiber, Bürger Anselmo Lorenzo, hatte vergessen, seine Adresse anzugeben; der Britische Föderalrat bat darauf den Bürger Engels, damals korrespondierender Sekretär für Spanien, ihm die Adresse von Lorenzo zu geben; Bürger Engels lehnte dies förmlich ab. Vor kurzem gab er die gleiche abschlägige Antwort hinsichtlich des Lissaboner Föderalrats."
Alles, was Bürger Engels über diese Angelegenheit weiß, ist, daß der in Frage kommende spanische Brief ihm von Bürger Jung mit dem einfachen Ersuchen übersandt worden war, ihn zu übersetzen, was er auch tat. Uber ein Ersuchen des Britischen Föderalrats um die Adresse Lorenzos ist ihm nichts bekannt und er würde für einen Auszug aus dem diesbezüglichen Protokoll dankbar sein. Was die Lissaboner Angelegenheit betrifft, so wandte sich der Portugiesische Rat mit der Bitte an Engels, ihn in einem Streik zu unterstützen, und das allererste, was Engels tat, war, daß er den Britischen Föderalrat um Mitwirkung ersuchte, während er gleichzeitig auch andere Maßnahmen ergriff, die in seiner Macht standen. Nach mehrmaligen mündlichen Ansuchen, überbracht durch Mitglieder des Föderalrats, und nach einem schriftlichen Ansuchen1 erhielt Engels ungefähr zwei Monate später einen Brief von Herrn Haies, der ihm mitteilte, daß der Rat in der Angelegenheit etwas unternommen habe, und wobei er Engels um die Lissaboner Adresse bat. Auf diesen Brief sandte Engels keine Antwort, da er sich damals völlig bewußt war, daß Haies solche Adressen nur zum Zwecke seiner eigenen persönlichen Intrigen brauchte. Niemals dachte man an eine solche Zurückhaltung gegenüber anderen Mitgliedern des Britischen Föderalrats. Als Jung im Namen des Föderalrats die Adressen in Berlin, Leipzig und Wien verlangte, sind sie ihm sofort übermittelt worden. Die Veröffentlichung von Auszügen aus den Protokollen des alten Generalrats, die zum größten Teil von Herrn Haies selbst geschrieben wurden, werden die Motive seines Grolls gegen diese Körperschaft bloßlegen. Um die Worte seines eigenen Briefes an das jurassische Komitee zu gebrauchen, wird es sich dann herausstellen, daß
„ein jeder, der mit dem abgesetzten Generalrat nicht nahe bekannt war, sich keine Meinung über die Art und Weise bilden kann, in welcher Tatsachen entstellt werden" - nämlich durch Herrn John Haies. Mit brüderlichen Grüßen!
F. Engels Karl Marx
Geschrieben am 20. Dezember 1872. Aus dem Englischen.
Friedrich Engels
Die Manchester Foreign Section an alle Sektionen und Mitglieder der Britischen Föderation12063
Arbeiter! Wir sehen uns gezwungen, uns an Euch zu wenden in Erwiderung auf ein Zirkular, das von denen in Umlauf gesetzt worden ist, die sich als die Majorität des Britischen Föderalrats bezeichnen, und in dem Ihr aufgefordert werdet, Euch ihrem offenen Aufruhr gegen die Grundgesetze unserer Assoziation anzuschließen.[2071 In diesem Zirkular behauptet die Majorität des Föderalrats, daß die Minorität alle Arbeit unmöglich gemacht und die Geschäfte zum Stillstand gebracht habe, indem die letzte Sitzung durch den Vorsitzenden1 mitten im Verlauf aufgelöst worden sei, um eine Diskussion zu verhindern. Auf den ersten Blick erscheint es seltsam, daß eine Majorität durch eine Minorität mundtot gemacht worden sei, da eine einfache Abstimmung genügt hätte, diese Minorität zum Schweigen zu bringen. Bisher haben Minoritäten oft genug sezediert. Dies ist das erste Beispiel einer Sezession der Majorität; und diese Tatsache allein genügt, um das ganze Verfahren mehr als zu verdächtigen. Was die als Vorwand benutzte Handlung des Vorsitzenden auf einer einzelnen Sitzung angeht, so sind wir glaubwürdig davon unterrichtet, daß bei diesem Vorfall der Vorsitzende die Sitzung eine halbe Stunde nach der festgesetzten Zeit, um halb zwölf, auflöste, weil Mitglieder der Majorität darauf bestanden, die Tagesordnung zu unterbrechen.[208J Laut Zirkular hat sich der Föderalrat bei der Frage gespalten, ob die Resolutionen des allgemeinen Kongresses unserer Assoziation, der im letzten September in Den Haag abgehalten wurde, als gültig angesehen werden sollen oder nicht. Nun, für Mitglieder der Internationale ist das gar keine Frage. Gemäß Artikel 3 der Allgemeinen Statuten ist es die Pflicht des allgemeinen Kongresses, „die für das erfolgreiche Wirken der Internationalen
Assoziation notwendigen Maßregeln"1 zu ergreifen. Der Kongreß ist ihr gesetzgebendes Organ. Seine Resolutionen sind bindend für alle. Wem die Resolutionen nicht gefallen, der mag entweder die Assoziation verlassen oder versuchen, sie auf dem nächsten Kongreß umzustoßen. Aber kein einzelnes Mitglied, keine Sektion, kein Föderalrat, kein lokaler oder nationaler Kongreß hat das Recht, sie für null und nichtig zu erklären und dabei zu beanspruchen, in der Internationale zu bleiben. Die Unterzeichner des Zirkulars geben vor, daß der Haager Kongreß nicht ordentlich konstituiert worden sei und keineswegs die Majorität der Mitglieder der Assoziation vertreten habe. Dieser Kongreß wurde nach Artikel 4 der Allgemeinen Statuten ordnungsgemäß durch den Generalrat einberufen. Er wurde von 64 Delegierten besucht, die 15 verschiedene Nationalitäten vertraten und persönlich 12 verschiedenen Nationalitäten angehörten. Kein früherer Kongreß konnte sich einer so wahrhaft internationalen Zusammensetzung rühmen. Daß die gefaßten Resolutionen von dem echten Geist des Internationalismus durchdrungen waren, beweist die Tatsache, daß sie fast alle mit einer Majorität von drei zu eins angenommen worden sind und daß die Delegierten der beiden erst kürzlich in einem Bruderkrieg verwickelten Nationen - die Franzosen und die Deutschen fast immer wie ein Mann für sie gestimmt haben. Wenn England durch eigene Schuld nicht sehr zahlreich vertreten war, ist das ein Grund, den Kongreß anzufechten? Das Zirkular beklagt sich über die Resolution des Kongresses bezüglich der politischen Aktion der Arbeiterklasse. Es sagt, der Beschluß sei gefaßt worden, nachdem die Majorität der Delegierten abgereist war. Der offizielle Bericht, der in Nr. 37 des „International Herald" (vom 14. Dezember) veröffentlicht worden ist, zeigt, daß von 64 Delegierten 48 über die Frage abgestimmt haben, von denen 35 für die Resolution stimmten. Unter diesen 35 finden wir den Namen von Herrn Mottershead, der jetzt ein Zirkular unterzeichnet, das diese Resolution verwirft. Was für eine Resolution ist das nun? Sie ist dem Wesen und zum größten Teil auch den Worten nach dieselbe, die von der im September 1871 in London abgehaltenen allgemeinen Konferenz angenommen und samt den übrigen Resolutionen offiziell vom Generalrat am 17. Oktober desselben Jahres veröffentlicht worden ist und unter anderen die Unterschriften von John Haies, Th. Mottershead, H. Jung, F. Bradnick, H. Mayo und John Roach trägt!2 Da der Generalrat verpflichtet war, die Resolutionen der
Konferenz in Kraft zu setzen, wie kommt es dann, daß keiner dieser Bürger es damals für passend hielt, auf seinen Sitz im Generalrat zu verzichten und gegen diese Resolution zu protestieren, die jetzt auf einmal für so gefährlich gehalten wird? Das Zirkular verfälscht vollständig den Sinn dieser Resolution, was leicht erkennbar ist, wenn man ihren in Nr. 37 des „International Herald" veröffentlichten Wortlaut heranzieht.1 Die Resolution macht nicht, wie behauptet wird, die politische Wirksamkeit für die Trade-Unions und andere politisch neutrale Körperschaften obligatorisch. Sie verlangt nur, daß in jedem Lande eine Partei der Arbeiterklasse gebildet wird, die deutlich allen bürgerlichen Parteien gegenübersteht. Das bedeutet, sie ruft die Arbeiterklasse hier in England auf, abzulehnen, der „großen liberalen Partei" weiterhin als Anhängsel zu dienen und eine eigne, unabhängige Partei zu bilden, wie in den ruhmreichen Zeiten der großen Chartistenbewegung. So erweist sich der angebliche Vertrauensbruch gegenüber den TradeUnions als eine reine Erfindung. Es möge uns jedoch gestattet sein zu fragen, wo die Trade-Unions jetzt stehen, die sich einst selbst der Internationale angeschlossen hatten? Die Kassenausweise vom vergangenen Jahr zeigen, daß sie fast sämtlich unter dem Sekretariat des Bürgers Haies verschwunden sind. Die nächste Beschwerde ist, daß der Generalrat nach New York verlegt worden ist und weder Engländer noch Amerikaner in ihm sitzen. Der neue Generalrat ist aus Männern von fünf verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt, und wenn sich die Engländer in New York von der Internationale fernhalten, so trifft sie selbst die Schuld, wenn sie im Rat nicht vertreten sind. Als dieser Rat in London seinen Sitz hatte, waren die Engländer darin stets weitaus stärker vertreten als jede andere Nation und bildeten sehr oft die absolute Mehrheit, während die Franzosen z.B. zu einer gewissen Zeit überhaupt nicht vertreten waren. Aber die Engländer können das nicht als ein verbrieftes Recht ansehen. Als der Haager Kongreß kraft der ihm durch Art. 3 der Allgemeinen Statuten auferlegten Pflichten und Rechte den neuen Generalrat wählte, erkor er den seiner Meinung nach besten Ort und in diesem Ort die besten Leute. Die Unterzeichner des Zirkulars mögen anderer Meinung sein, aber das berührt nicht das Recht des Kongresses. Das Zirkular gibt vor, daß durch diese Handlung die Sektionen und Föderationen ihres früheren Rechts beraubt seien, über die in ihren jewei
ligen Ländern zu verfolgende Politik zu bestimmen. Das ist wiederum unwahr. Ob der Generalrat seinen Sitz in London, in New York oder sonstwo hat, die Rechte der Sektionen und Föderationen bleiben dieselben. Aber, sagt das Zirkular, um Ungehorsam in diesem Punkte zu verhindern,
„rüstete der Kongreß diesen Generalrat mit der Vollmacht aus, jede Sektion, jede Föderation oder jeden Föderalrat nach Belieben, ohne Angabe von Gründen, zu suspendieren". Wiederum unwahr. Das Recht, eine Sektion zu suspendieren, war dem Generalrat schon durch den Baseler Kongreß (1869) verliehen worden. Der offizielle Wortlaut der Resolutionen des Haager Kongresses - Resolution 11, Artikel 11 („International Herald" Nr. 37) - zeigt, daß, wenn die Vollmachten des Generalrats erweitert oder vielmehr besser präzisiert worden sind, sie auch von Sicherungen umgeben worden sind, die vorher nicht existierten. So muß der Generalrat, wenn er einen Föderalrat auflöst, innerhalb von 30 Tagen für die Wahl eines neuen sorgen; und so bleibt die Föderation am Ende selbst der oberste Richter. Wenn der Generalrat eine ganze Föderation suspendiert, muß er, wenn die übrigen Föderationen es verlangen, seine Entscheidung innerhalb eines Monats dem endgültigen Urteil einer Delegiertenkonferenz aller Föderationen unterbreiten. Und das nennt das Zirkular: Vollmacht zur Suspension ohne Angabe von Gründen! Arbeiter! Ob Ihr persönlich die in Den Haag gefaßten Resolutionen billigt oder mißbilligt, sie sind augenblicklich das Gesetz der Internationale. Wenn es solche unter Euch gibt, die sie mißbilligen, so haben sie ihr Rechtsmittel auf dem nächsten Kongreß. Aber weder eine Sektion noch der Britische Föderalrat, noch ein durch ihn einberufener nationaler Kongreß hat das Recht, Resolutionen eines rechtmäßig einberufenen allgemeinen Kongresses zu verwerfen. Wer immer das versucht, stellt sich tatsächlich selbst außerhalb der Reihen der Internationale, und das haben die Unterzeichner des Zirkulars tatsächlich getan. Zuzulassen, daß solche Tätigkeit die Internationale beherrscht, würde ihrer Auflösung gleichkommen. Sogar in den Ländern, deren Delegierte in Den Haag die Minorität bildeten, hat eine starke Reaktion gegen die von jenen Delegierten genährten sezessionistischen Gelüste eingesetzt. Während in Amerika, Frankreich, Deutschland, Polen, Osterreich, Ungarn, Portugal und in der ganzen Schweiz, ausgenommen eine kleine Gruppe von kaum 200 Mann, die Haager Resolutionen freudig akzeptiert werden, haben die holländischen Internationalen auf einem Kongreß beschlossen, zum New-Yorker Generalrat zu
halten[1981 und alle etwaigen Beschwerden, die sie haben mögen, dem nächsten rechtmäßigen allgemeinen Kongreß im September 1873 vorzulegen und niemandem sonst. In Spanien, wo der Föderalrat eine sezessionistische Bewegung versuchte, die der in dem fraglichen Zirkular eingeleiteten ähnlich ist, wird der Widerstand dagegen täglich stärker, und eine Sektion nach der anderen bekennt sich zu den Haager Resolutionen. Arbeiter! Aus all diesen Gründen protestieren wir gegen die Einberufung irgendeines britischen Kongresses, der zu Gericht sitzen soll über das Gesetz der Assoziation, wie es von den Delegierten aller in ihr vertretenen Nationen festgelegt worden ist. Wir protestieren gegen jeden so kurzfristig einberufenen Kongreß wie den für den 5. Januar anberaumten. Wir ersuchen alle Sektionen dringend, das Vorhergesagte der Erwägung ihrer Mitglieder zu unterbreiten und zu bedenken, daß die Zukunft unserer Assoziation in England von ihrer Haltung in der augenblicklichen Krisis abhängt. Es ist notwendig, daß wir als rechtmäßige Delegierte des Föderalrats nur diejenigen anerkennen, die die Autorität des Haager Kongresses verteidigen und bestrebt sind, die dort gefaßten Resolutionen durchzuführen. Angenommen auf der Generalversammlung der Manchester Foreign Section am Sonnabend, dem 21. Dezember 1872.
Brüderliche Grüße allen Mitgliedern unserer Assoziation.
P. Zürcher, Vorsitzender der Versammlung F. Kupper, Generalsekretär und deutscher Sekretär 0. Wyss, französischer Sekretär
Nach dem Flugblatt. Aus dem Englischen.
Karl Marx
Adresse des Britischen Föderalrats an die Sektionen, Zweige, angeschlossenen Gesellschaften und Mitglieder [der Britischen Föderation der Internationale] 12091
Bürger! Auf unserer Sitzung vom 19. Dezember 1872 wurde unsere Aufmerksamkeit auf ein von den Vertretern der Sezessionisten in England herausgegebenes Manifest gelenkt. Wir beschlossen sofort, jeder Sektion eine Notiz zu senden, die sie aufruft, mit ihrem Urteil darüber zurückzuhalten, bis sie unsere Antwort vorliegen hätte, die wir sofort herauszubringen versprachen. Und auf einer besonderen Sitzung des Britischen Föderalrats, die am Montag abend, am 23. Dezember, stattfand, wurde einstimmig beschlossen, folgendes auf die im obengenannten Manifest gemachten Behauptungen zu erwidern: 1. Die festgefahrene Lage ist dadurch entstanden, daß ständig Haies' persönliche Angelegenheiten vorgebracht wurden; beide, er und Mottershead, legten es schon im Generalrat darauf an, durch gegenseitige Korruptionsbeschuldigungen eine ähnliche festgefahrene Lage herbeizuführen. Die festgefahrene Lage auf der Sitzung, auf die angespielt wird, hatte Mottershead verursacht, der betrunken war und die Sitzung um halb zwölf dadurch auffliegen ließ, daß er ununterbrochen den Vorsitzenden1 in der heftigsten Weise persönlich angriff, wobei kein anderer als Haies die Auflösung der Sitzung gefordert hat. Die Mitglieder werden vor längerer Zeit im „International Herald" gelesen haben, daß die Süd-Lambeth Sektion ihren Delegierten zurückgezogen hat, weil die Majorität jeder wirklichen Tätigkeit entgegenarbeitete. 2. Die wirkliche Ursache dieses Zirkulars besteht darin, daß es innerhalb der sezessionistischen Minorität des Haager Kongresses eine Verstän
digung darüber gibt, alle möglichen Kongresse in allen Ländern um Weihnachten herum einzuberufen, die ihre sezessionistische Tätigkeit bestätigen sollen. So sind ähnliche Kongresse in Belgien und in Spanien für den 25. Dezember einberufen worden (gegen den in Spanien besteht eine starke Opposition, die von Tag zu Tag anwächst). Nun sollen die englischen Sektionen durch Schwindelei dazu gebracht werden, das Komplott zu unterstützen, ohne daß sie wissen, was vorgeht. 3. Das jetzt vor uns liegende Zirkular ist dem Föderalrat nicht vorgelegt worden. Nichts zeigt besser, wie seine Verfasser die Diskussion fürchteten, als die Tatsache, daß sie es hinter dem Rücken des Rats in einer heimlichen Zusammenkunft ausgeheckt haben. Hat man jemals früher erlebt, daß eine Majorität von der Minorität sezedierte, statt sie zu überstimmen? Weshalb wünscht die Majorität einen besonderen Kongreß, wenn eine einfache Abstimmung im Rat, den sie zu beherrschen vorgeben, die Frage zu ihren Gunsten entscheiden würde? 4. Die Unterzeichner dieses Zirkulars wagen noch nicht so weit zu gehen wie die Sezessionisten des Kontinents, die offen erklären, daß sie die Autorität eines jeden Kongresses verwerfen mit Ausnahme des ersten in Genf abgehaltenen. Inzwischen fangen sie damit an, die Rechtsgültigkeit des Haager Kongresses anzufechten, des Kongresses, der am meisten international und in der Tat der erste wirklich internationale Kongreß der Assoziation war, weil er der erste war, wo die Mehrheit keine nationale oder gar nur lokale war. Wenn dieser Kongreß nicht ordentlich konstituiert war, warum unterzeichnete dann Bürger Roach, der ein Mitglied der Mandatsprüfungskommission war, den Bericht dieser Kommission? Doch jetzt unterzeichnet er das Zirkular, das gegen den Kongreß protestiert. 5. Sie sagen, sie werden zu den Allgemeinen Statuten stehen, wie sie vor dem Haager Kongreß existierten. Diese Statuten besagen in Artikel 3: „Der Kongreß... ergreift die für das erfolgreiche Wirken der Internationalen Assoziation notwendigen Maßregeln und ernennt den Generalrat der Gesellschaft." In Art. 12: „Die gegenwärtigen Statuten können durch jeden Kongreß abgeändert werden, sobald zwei Drittel der anwesenden Delegierten sich dafür erklären."1 Die Allgemeinen Statuten geben irgendeinem lokalen oder föderalen Kongreß keinerlei Recht, die Resolutionen irgendeines allgemeinen Kongresses zu revidieren. Daher erklären sich die Unterzeichner dieses Zirkulars in offener Revolte nicht nur gegen die Verfassung der Internationale, wie sie von dem Haager Kongreß festgelegt worden ist,
sondern auch gegen jene Allgemeinen Statuten, von denen sie erklären, daß sie zu ihnen ständen. Welches sind nun die Resolutionen des Haager Kongresses, die den Unterzeichnern des Zirkulars so widerwärtig sind? Die erste ist die Resolution über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse, die, wie sie behaupten, beschlossen worden sei, nachdem die Majorität der Delegierten abgereist war. Das ist fern aller Wahrheit, da von den 64 Delegierten, die an dem Kongreß teilnahmen, sich 48 an der Abstimmung über diese Resolution beteiligten, und davon stimmten 35 oder mehr als zwei Drittel dafür, unter ihnen Bürger Mottershead, der nichtsdestoweniger das fragliche Zirkular unterzeichnet hat. Überdies hatten die meisten der abgereisten Delegierten bei dem Vorsitzenden eine schriftliche Erklärung hinterlassen, daß sie für die Resolution wären. Die Resolution selbst ist nichts als ein Extrakt aus der Resolution Nr. IX der Londoner Konferenz vom September 1871, die samt den anderen Resolutionen vom Generalrat am 17. Oktober 1871 veröffentlicht wurde und unter der die Namen der Bürger Bradnick, Mayo, Mottershead, Jung, Roach und Haies stehen, letzterer als Generalsekretär. Diese Resolution der Konferenz führt die Allgemeinen Statuten, die Inauguraladresse und eine Resolution des Lausanner Kongresses an sowie die gesamte Tätigkeit des Generalrats seit Beginn, um zu beweisen, daß das, was sie aussagt, nur eine Erläuterung dessen ist, was im selben Sinne immer die offiziell befolgte Politik der Assoziation gewesen ist. Vor dem Haager Kongreß beschloß der Generalrat einmütig, diesem Kongreß vorzuschlagen, eben diese Resolution in die Allgemeinen Statuten einzufügen12101; Bürger Jung hatte an diesem Abend das Amt des Sekretärs, da Haies suspendiert worden war. Und sogar der Kongreß zu Nottingham, auf dessen Resolutionen sich das Zirkular als Präzedens bezieht, nahm eine dem Wesen nach gleiche Resolution an.12111 Was die angebliche Verstoßung der Trade-Unions durch diese Resolution betrifft, so ist ganz im Gegenteil der Kongreß zugunsten der Trao'eUnions weiter gegangen als die Allgemeinen Statuten oder irgendein früherer Kongreß. Er beauftragte den neuen Generalrat, einen internationalen Bund zwischen den Trade-Unions zu schaffen, in ihn sogar Trade-Uniors aufzunehmen, die nicht zur Internationale gehören, jede Trade-Union aufzufordern, selbst die Bedingungen zu nennen, unter denen sie einem solchen Bund beitreten würde, und einen allgemeinen Plan auszuarbeiten, der allen zugehörigen Trade-Unions zur vorläufigen Annahme unterbreitet werden sollte vor seiner endgültigen Bestätigung durch den nächsten Kongreß.
Die nächste Beschwerde betrifft die Verlegung des Generalrats nach New York. Das läuft einfach auf die Behauptung hinaus, daß kein Generalrat, in dem nicht die Herren Haies, Mottershead, Jung, Bradnick, Mayo und Roach ihren Sitz haben, beanspruchen könnte, die Internationale zu vertreten. Eine andere Beschwerde ist die, daß die Vollmachten dieses Generalrats erweitert worden sind. Nun, die erste in dieser Hinsicht in Den Haag gefaßte Resolution war folgende: „Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen und darauf zu achten, daß die Grundsätze, Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationale in jedem Lande strikt eingehalten werden."1 Diese Resolution wurde dem Kongreß auf Grund einer einmütigen Abstimmung des alten Generalrats vorgeschlagen.112121 Wie könnte sie in die Tat umgesetzt werden, wenn der Generalrat nicht die Vollmacht hätte, Körperschaften zu suspendieren, die innerhalb der Internationale gegen die Internationale wirken? Außerdem haben die Haager Resolutionen, die sich auf das Recht der Suspension von Sektionen, Föderalräten und Föderationen beziehen, in Wirklichkeit die dem Generalrat vom Baseler Kongreß verliehene Vollmacht (siehe Verwaltungsverordnungen II, Artikel 6 und 7) eingeschränkt und in jedem Falle die Handlung des Generalrats einer Gegenkontrolle unterworfen.'2131 Uberall auf dem Kontinent unterstützen die Regierungen und die bürgerliche Presse die Versuche der Leute, die danach trachten, eine Sezession in den Reihen der Assoziation zu provozieren, während diejenigen, die der Internationale anhängen, überall verhaftet und ihre Zeitungen von der Polizei verfolgt werden. Während sich die Sezessionisten in der Behauptung sonnen, daß die Internationale dank ihrer Anstrengungen überall in Auflösung begriffen sei, und gegen die Haager Resolutionen rebellieren, ist die Assoziation in Wirklichkeit stärker denn je, und die Haager Resolutionen sind in Frankreich, Deutschland, Osterreich, Ungarn, Portugal, Amerika, Dänemark, Polen und der Schweiz vollauf bestätigt, einige 150 Sezessionisten in der Schweiz ausgenommen. In Holland wurde, obwohl die Delegierten dieses Landes in Den Haag mit der Minorität gestimmt hatten, ein Kongreß abgehalten, der beschloß, dem Generalrat treu zu bleiben und keinen anderen allgemeinen Kongreß anzuerkennen als den für September 1873 angesetzten ordentlichen Kongreß, der in der Schweiz abgehalten werden soll. In Spanien, wo die Sezessionisten hofften, alles durchsetzen zu können, weil sie den Föderalrat auf ihrer Seite hatten, nimmt die
Opposition gegen sie täglich an Stärke zu. Selbst in Italien senden Sektionen dem neuen Generalrat fortgesetzt ihre Zustimmung, und dieser Kniff mit dem neuen englischen Kongreß ist das letzte Zufluchtsmittel, zu dem sich die Sezessionisten getrieben sehen. In Erwiderung auf die Vorschläge des Zirkulars müssen wir folgendes unterbreiten: 1. Wir erklären jeden in England abgehaltenen Kongreß, der den Zweck hat, die vom Haager Kongreß angenommenen Resolutionen zu revidieren, für illegal, weil jede Föderation das Recht hat, auf dem nächsten allgemeinen Kongreß Einspruch zu erheben. Ferner ist der einzige legale Kongreß der Britischen Föderation der, welcher - gemäß der auf dem Kongreß zu Nottingham vom Juli 1872 angenommenen Resolution - in Manchester zu Pfingsten abgehalten werden soll. 2. Wir fordern die Sektionen auf, die den Unterzeichnern des Zirkulars gegebenen Vollmachten zurückzunehmen und neue Delegierte zu entsenden, die sie beim Föderalrat vertreten. 3. Wir fordern die Sektionen auf, ein Komitee zu ernennen, dem die Protokolle des Föderalrats unterbreitet werden sollen und das seine eigenen Schlüsse hinsichtlich der Frage ziehen wird, wer die Arbeit der Assoziation gehemmt und wer sie gefördert hat und wer im Interesse der Feinde der arbeitenden Klassen tätig war. 4. Wir fordern die Sektionen auf, eine Kommission zu ernennen, die die Organisation, die Mitgliederzahl und das Gründungsdatum der Sektionen prüft und insbesondere die Zahl der Delegierten, die sie in den Föderalrat zu entsenden pflegten. Da die Sektionen jetzt im Besitz beider Manifeste sind, überlassen wir die Angelegenheit ihnen und bitten nur, uns ihre Entscheidung sofort mitzuteilen. Wir bekräftigen jedoch ohne Zaudern, daß wir in Übereinstimmung mit den Statuten und der Verfassung der Assoziation und im wahren Interesse der arbeitenden Klassen handeln.
Es lebe die Internationale Arbeiterassoziation!
F. Hurry, Süd-Lambeth-Sektion, Vorsitzender E. Hills, Westend-Sektion F. Leßner, Nottingham-Kongreß, ehemaliges Mitglied des Generalrats, Mitbegründer der IAA W. H. Riley, Nottingham-Kongreß
Ch. Murray, Normanby-Sektion, ehemaliges Mitglied des Generalrats G. Milner, Nationale Reform-Liga, ehemaliges Mitglied des Generalrat. J. Mitchell, Hinkley-Sektion, Leicestershire G. A. Weiler, Londoner deutsche Sektion S. Vic^ery, Birkenhead-Sektion Eugene Dupont, Manchester-Sektion, ehemaliges Mitglied des Generalrats, Mitbegründer der IAA
Alle Mitteilungen sind an Bürger Riley, Redakteur des „International Herald", 7, Red Lion Court, Fleet Street, London, zu richten.
London, 23. Dezember 1872
Nach dem Flugblatt. Aus dem Englischen.

FRIEDRICH ENGELS
Zur Wohnungsfrage12141
Geschrieben Mai 1872 bis Januar 1873.
Erstmalig veröffentlicht als Artikelserie im „Volksstaat".
Die Artikel erschienen in folgenden Nummern: Nr. 51 vom 26. Juni 1872 Nr. 52 vom 29. Juni 1872 Nr. 53 vom 3. Juli 1872 Nr. 2 vom 4. Januar 1873 Nr. 3 vom 8. Januar 1873 Nr. 12 vom 8. Februar 1873 Nr. 103 vom 25. Dezember 1872 Nr. 13 vom 12. Februar 1873 Nr. 104 vom 28. Dezember 1872 Nr. 15 vom 19. Februar 1873 Nr. 16 vom 22. Februar 1873
Die gesamte aus drei Abschnitten bestehende Arbeit erschien 1872 (erster und zweiter Abschnitt) und 1873 (dritter Abschnitt) als Separatabdruck aus dem „Volksstaat". Die zweite von Engels durchgesehene Auflage erschien 1887 Hottingen-Zürich. Der vorliegende Text fußt auf dieser Ausgabe. Auf wesentliche Abweichungen von der Erstveröffentlichung wird in Fußnoten bzw. Anmerkungen verwiesen.
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Titelblatt der Schrift „Zur Wohnungsfrage" (Heft 1) mit einer Widmung des Autors an Laura Lafargue

Erster Abschnitt
Wie Proudhon die Wohnungsfrage löst
In Nr. 10 und folgenden des „Volksstaat" findet sich eine Reihe von sechs Artikeln über die Wohnungsfrage, die aus dem einen Grunde Beachtung verdienen, weil sie - abgesehn von einigen längst verschollenen Belletristereien der vierziger Jahre - der erste Versuch sind, die Schule Proudhons nach Deutschland zu verpflanzen. Es liegt hierin ein so ungeheurer Rückschritt gegen den ganzen Entwicklungsgang des deutschen Sozialismus, der grade den Proudhonschen Vorstellungen schon vor 25 Jahren den entscheidenden Stoß gab*, daß es der Mühe wert ist, diesem Versuch sofort entgegenzutreten. Die sogenannte Wohnungsnot, die heutzutage in der Presse eine so große Rolle spielt, besteht nicht darin, daß die Arbeiterklasse überhaupt in schlechten, überfüllten, ungesunden Wohnungen lebt. Diese Wohnungsnot ist nicht etwas der Gegenwart Eigentümliches; sie ist nicht einmal eins der Leiden, die dem modernen Proletariat, gegenüber allen frühern unterdrückten Klassen, eigentümlich sind; im Gegenteil, sie hat alle unterdrückten Klassen aller Zeiten ziemlich gleichmäßig betroffen. Um dieser Wohnungsnot ein Ende zu machen, gibt es nur ein Mittel: die Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klasse durch die herrschende Klasse überhaupt zu beseitigen. - Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietspreise, eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern, für einige die Unmöglichkeit, überhaupt ein Unterkommen zu finden. Und
* In Marx, „Misere de la Philosophie etc."1 Bruxelles et Paris, 1847.
diese Wohnungsnot macht nur soviel von sich reden, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat. Die Wohnungsnot der Arbeiter und eines Teils der Kleinbürger unserer modernen großen Städte ist einer der zahllosen kleineren, sekundären Übelstände, die aus der heutigen kapitalistischen Produktionsweise hervorgehen. Sie ist durchaus nicht eine direkte Folge der Ausbeutung des Arbeiters, als Arbeiter, durch den Kapitalisten. Diese Ausbeutung ist das Grundübel, das die soziale Revolution abschaffen will, indem sie die kapitalistische Produktionsweise abschafft. Der Eckstein der kapitalistischen Produktionsweise aber ist die Tatsache: daß unsere jetzige Gesellschaftsordnung den Kapitalisten in den Stand setzt, die Arbeitskraft des Arbeiters zu ihrem Wert zu kaufen, aber weit mehr als ihren Wert aus ihr herauszuschlagen, indem er den Arbeiter länger arbeiten läßt, als zur Wiedererzeugung des für die Arbeitskraft gezahlten Preises nötig ist. Der auf diese Weise erzeugte Mehrwert wird verteilt unter die Gesamtklasse der Kapitalisten und Grundeigentümer, nebst ihren bezahlten Dienern, vom Papst und Kaiser bis zum Nachtwächter und darunter. Wie diese Verteilung sich macht, geht uns hier nichts an; soviel ist sicher, daß alle, die nicht arbeiten, eben nur leben können von Abfällen dieses Mehrwerts, die ihnen auf die eine oder andere Art zufließen. (Vergleiche Marx, „Das Kapital", wo dies zuerst entwickelt.1) Die Verteilung des durch die Arbeiterklasse erzeugten und ihr ohne Bezahlung abgenommenen Mehrwerts unter die nicht arbeitenden Klassen wickelt sich ab unter höchst erbaulichen Zänkereien und gegenseitiger Beschwindelung; soweit diese Verteilung auf dem Wege des Kaufs und Verkaufs vor sich geht, ist einer ihrer Haupthebel die Prellerei des Käufers durch den Verkäufer, und diese ist im Kleinhandel, namentlich in den großen Städten, jetzt eine vollständige Lebensbedingung für den Verkäufer geworden. Wenn aber der Arbeiter von seinem Krämer oder Bäcker am Preis oder an der Qualität der Ware betrogen wird, so geschieht ihm das nicht in seiner spezifischen Eigenschaft als Arbeiter. Im Gegenteil, sowie ein gewisses Durchschnittsmaß von Prellerei die gesellschaftliche Regel an irgendeinem Orte wird, muß sie auf die Dauer ihre Ausgleichung finden in einer entsprechenden Lohnerhöhung. Der Arbeiter tritt dem Krämer gegenüber als Käufer auf, d.h. als Besitzer von Geld oder Kredit, und daher keineswegs in seiner Eigenschaft als Arbeiter, d. h. als Verkäufer von
Arbeitskraft. Die Prellerei mag ihn, wie überhaupt die ärmere Klasse, härter treffen als die reicheren Gesellschaftsklassen, aber sie ist nicht ein Übel, das ihn ausschließlich trifft, das seiner Klasse eigentümlich ist. Geradeso ist es mit der Wohnungsnot. Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhn, drücken ihn vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andre. Dies geschieht vor allem mit zentral gelegenen Arbeiter Wohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung, nie oder doch nur äußerst langsam über ein gewisses Maximum hinausgehn kann. Man reißt sie nieder und baut Läden, Warenlager, öffentliche Gebäude an ihrer Stelle. Der Bonapartismus hat durch seinen Haussmann in Paris1 diese Tendenz aufs kolossalste zu Schwindel und Privatbereicherung ausgebeutet; aber auch durch London, Manchester, Liverpool ist der Geist Haussmanns geschritten, und in Berlin und Wien scheint er sich ebenso heimisch zu fühlen. Das Resultat ist, daß die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, daß Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind; denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen. Diese Mietsnot trifft den Arbeiter also sicher härter als jede wohlhabendere Klasse; aber sie bildet, ebensowenig wie die Prellerei des Krämers, einen ausschließlich auf die Arbeiterklasse drückenden Übelstand, und muß, soweit sie die Arbeiterklasse betrifft, bei gewissem Höhegrad und gewisser Dauer, ebenfalls eine gewisse2 ökonomische Ausgleichung finden. Es sind vorzugsweise diese der Arbeiterklasse mit andern Klassen, namentlich dem Kleinbürgertum, gemeinsamen Leiden, mit denen sich der kleinbürgerliche Sozialismus, zu dem auch Proudhon gehört, mit Vorliebe beschäftigt. Und so ist es durchaus nicht zufällig, daß unser deutscher Proudhonist sich vor allem der Wohnungsfrage, die, wie wir gesehn haben, keineswegs eine ausschließliche Arbeiterfrage ist, bemächtigt und daß er sie, im Gegenteil, für eine wahre, ausschließliche Arbeiterfrage erklärt.
„Was der Lohnarbeiter gegenüber dem Kapitalisten, das ist der Mieter gegenüber dem Hausbesitzer." 1216J Dies ist total falsch.
1 Im „Volksstaat" fehlt: in Paris - 2 im „Volksstaat": ihre (statt: eine gewisse)
Bei der Wohnungsfrage haben wir zwei Parteien einander gegenüber, den Mieter und den Vermieter oder Hauseigentümer. Der erstere will vom letztern den zeitweiligen Gebrauch einer Wohnung kaufen; er hat Geld oder Kredit - wenn er auch diesen Kredit dem Hauseigentümer selbst wieder zu einem Wucherpreise, einem Mietzuschlag, abkaufen muß. Es ist ein einfacher Warenverkauf; es ist nicht ein Geschäft zwischen Proletarier und Bourgeois, zwischen Arbeiter und Kapitalisten; der Mieter - selbst wenn er Arbeiter ist - tritt als vermögender Mann auf, er muß seine ihm eigentümliche Ware, die Arbeitskraft, schon verkauft haben, um mit ihrem Erlös als Käufer des Nießbrauchs einer Wohnung auftreten zu können, oder er muß Garantien für den bevorstehenden Verkauf dieser Arbeitskraft geben können. Die eigentümlichen Resultate, die der Verkauf der Arbeitskraft an den Kapitalisten hat, fehlen hier gänzlich. Der Kapitalist läßt die gekaufte Arbeitskraft erstens ihren Wert wieder erzeugen, zweitens aber einen Mehrwert, der vorläufig und vorbehaltlich seiner Verteilung unter die Kapitalistenklasse, in seinen Händen bleibt. Hier wird also ein überschüssiger Wert erzeugt, die Gesamtsumme des vorhandenen Werts wird vermehrt. Ganz anders beim Mietgeschäft. Um wieviel auch der Vermieter den Mieter übervorteilen mag, es ist immer nur ein Übertragen bereits vorhandenen, vorher erzeugten Werts, und die Gesamtsumme der von Mieter und Vermieter zusammen besessenen Werte bleibt nach wie vor dieselbe. Der Arbeiter, ob seine Arbeit vom Kapitalisten unter, über oder zu ihrem Wert bezahlt wird, wird immer um einen Teil seines Arbeitsprodukts geprellt; der Mieter nur dann, wenn er die Wohnung über ihren Wert bezahlen muß. Es ist also eine totale Verdrehung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter, es mit dem zwischen Arbeiter und Kapitalisten gleichstellen zu wollen. Im Gegenteil, wir haben es mit einem ganz gewöhnlichen Warengeschäft zwischen zwei Bürgern zu tun, und dies Geschäft wickelt sich ab nach den ökonomischen Gesetzen, die den Warenverkauf überhaupt regeln, und speziell den Verkauf der Ware: Grundbesitz. Die Bau- und Unterhaltskosten des Hauses oder des betreffenden Hausteils kommen zuerst in Anrechnung; der durch die mehr oder weniger günstige Lage des Hauses bedingte Bodenwert kommt in zweiter Linie; der augenblickliche Stand des Verhältnisses zwischen Nachfrage und Angebot entscheidet schließlich. Dies einfache ökonomische Verhältnis drückt sich im Kopf unsres Proudhonisten folgendermaßen aus:
„Das einmal gebaute Haus dient als ewiger Rechtstitel auf einen bestimmten Bruchteil der gesellschaftlichen Arbeit, wenn auch der wirkliche Wert des Hauses längst schon mehr als genügend in der Form des Mietzinses an den Besitzer gezahlt wurde.
So kommt es, daß ein Haus, welches z.B. vor 50 Jahren gebaut wurde, während dieser Zeit in dem Ertrag seines Mietzinses zwei-, drei-, fünf-, zehnmal usw. den ursprünglichen Kostenpreis deckte." Hier haben wir gleich den ganzen Proudhon. Erstens wird vergessen, daß die Hausmiete nicht nur die Kosten des Hausbaus zu verzinsen, sondern auch Reparaturen und den durchschnittlichen Betrag schlechter Schulden, unbezahlter Mieten, sowie des gelegentlichen Leerstehens der Wohnung zu decken, und endlich das in einem vergänglichen, mit der Zeit unbewohnbar und wertlos werdenden Hause angelegte Baukapital in jährlichen Raten abzutragen1 hat. Zweitens wird vergessen, daß die Wohnungsmiete ebenfalls den Wertaufschlag des Grundstücks, auf dem das Haus steht, mit zu verzinsen hat, daß also ein Teil davon in Grundrente besteht. Unser Proudhonist erklärt zwar sogleich, daß dieser Wertaufschlag, da er ohne Zutun des Grundeigentümers bewirkt, von Rechts wegen nicht ihm, sondern der Gesellschaft gehört; er übersieht aber, daß er damit in Wirklichkeit die Abschaffung des Grundeigentums verlangt, ein Punkt, auf den näher einzugehn uns hier zu weit führen würde. Endlich übersieht er, daß es sich bei dem ganzen Geschäft gar nicht darum handelt, dem Eigentümer das Haus abzukaufen, sondern nur dessen Nießbrauch für eine bestimmte Zeit. Proudhon, der sich nie um die wirklichen, tatsächlichen Bedingungen kümmerte, unter denen irgendeine ökonomische Erscheinung vor sich geht, kann sich natürlich auch nicht erklären, wie der ursprüngliche Kostpreis eines Hauses unter Umständen in der Gestalt von Miete in fünfzig Jahren zehnmal bezahlt wird. Anstatt diese gar nicht schwere Frage ökonomisch zu untersuchen und festzustellen, ob sie wirklich und wieso mit den ökonomischen Gesetzen in Widerspruch steht, hilft er sich durch einen kühnen Sprung aus der Ökonomie in die Juristerei: „das einmal gebaute Haus dient als ewiger Rechtstitel" auf bestimmte jährliche Zahlung. Wie das zustande kommt, wie das Haus ein Rechtstitel wird, davon schweigt Proudhon. Und doch ist es das gerade, was er hätte aufklären müssen. Hätte er es untersucht, so würde er gefunden haben, daß alle Rechtstitel in der Welt, und wenn sie noch so ewig, einem Hause nicht die Macht verleihen, seinen Kostpreis in fünfzig Jahren zehnmal in Gestalt von Miete bezahlt zu erhalten, sondern daß bloß ökonomische Bedingungen (die in Gestalt von Rechtstiteln gesellschaftlich anerkannt sein mögen) dies zustande bringen können. Und damit war er wieder so weit wie am Anfang.
Die ganze Proudhonsche Lehre beruht auf diesem Rettungssprung aus
der ökonomischen Wirklichkeit in die juristische Phrase. Wo immer dem braven Proudhon der ökonomische Zusammenhang verlorengeht - und das kommt ihm bei jeder ernsthaften Frage vor - flüchtet er sich in das Gebiet des Rechts und appelliert an die ewige Gerechtigkeit. „Proudhon schöpft erst sein Ideal der ewigen Gerechtigkeit aus den der Warenproduktion entsprechenden Rechtsverhältnissen, wodurch, nebenbei bemerkt, auch der für alle Spießbürger so tröstliche Beweis geliefert wird, daß die Form der Warenproduktion ebenso notwendig ist wie die Gerechtigkeit. Dann umgekehrt will er die wirkliche Warenproduktion und das ihr entsprechende wirkliche Recht diesem Ideal gemäß ummodeln. Was würde man von einem Chemiker denken, der, statt die wirklichen Gesetze des Stoffwechsels zu studieren und auf Grundlage derselben bestimmte Aufgaben zu lösen, den Stoffwechsel durch die .ewigen Ideen' der .Natürlichkeit und der Verwandtschaft' ummodeln wollte? Weiß man etwa mehr über den Wucher, wenn man sagt, er widerspreche der ,ewigen Gerechtigkeit' und der .ewigen Billigkeit' und der .ewigen Gegenseitigkeit' und andern .ewigen Wahrheiten', als die Kirchenväter wußten, wenn sie sagten, er widerspräche der .ewigen Gnade', dem .ewigen Glauben' und dem .ewigen Willen Gottes'?" (Marx, „Kapital", p.45.1) Unserm Proudhonisten geht es nicht besser als seinem Herrn und Meister:
„Der Mietsvertrag ist eine der tausend Umsetzungen, welche im Leben der modernen Gesellschaft so notwendig sind wie die Zirkulation des Bluts im Körper der Tiere. Es wäre natürlich im Interesse dieser Gesellschaft, wenn alle diese Umsetzungen von einer Rechtsidee durchdrungen wären, d.h. allenthalben nach den strengen Anforderungen der Gerechtigkeit durchgeführt würden. Mit einem Wort, das ökonomische Leben der Gesellschaft muß sich, wie Proudhon sagt, zur Höhe eines ökonomischen Rechtes emporschwingen. In Wahrheit findet bekanntlich das gerade Gegenteil statt."
Sollte man glauben, daß fünf Jahre, nachdem Marx den Proudhonismus, gerade nach dieser entscheidenden Seite hin, so kurz und schlagend gezeichnet, es möglich wäre, noch dergleichen konfuses Zeug in deutscher Sprache drucken zu lassen? Was heißt denn dieser Galimathias? Nichts, als daß die praktischen Wirkungen der ökonomischen Gesetze, die die heutige Gesellschaft regeln, dem Rechtsgefühl des Verfassers ins Gesicht schlagen,und daß er den frommen Wunsch hegt, die Sache möge sich so einrichten lassen, daß dem abgeholfen werde. - Ja, wenn die Kröten Schwänze hätten, wären sie
eben keine Kröten mehr! Und ist denn die kapitalistische Produktionsweise nicht „von einer Rechtsidee durchdrungen", nämlich von der ihres eigenen Rechts auf Ausbeutung der Arbeiter? Und wenn uns der Verfasser sagt, daß das nicht seine Rechtsidee ist, sind wir einen Schritt weiter? Aber zurück zur Wohnungsfrage. UnserProudhonist l'äßt seiner „Rechtsidee" jetzt freien Lauf und gibt folgende rührende Deklamation zum besten:
„Wir nehmen keinen Anstand, zu behaupten, daß es keinen furchtbareren Hohn auf die ganze Kultur unseres gerühmten Jahrhunderts gibt, als die Tatsache, daß in den großen Städten 90 Prozent der Bevölkerung und darüber keine Stätte haben, die sie ihr eigen nennen können. Der eigentliche Knotenpunkt der sittlichen und Familienexistenz, Haus und Herd, wird vom sozialen Wirbel mit fortgerissen ... Wir stehen in dieser Beziehung weit unter den Wilden. Der Troglodyte hat seine Höhle, der Australier hat seine Lehmhütte, der Indianer seinen eigenen Herd - der moderne Proletarier hängt faktisch in der Luft" usw. In dieser Jeremiade haben wir den Proudhonismus in seiner ganzen reaktionären Gestalt. Um die moderne revolutionäre Klasse des Proletariats zu schaffen, war es absolut notwendig, daß die Nabelschnur durchgeschnitten wurde, die den Arbeiter der Vergangenheit noch an den Grund und Boden knüpfte. Der Handweber, der sein Häuschen, Gärtchen und Feldchen neben seinem Webstuhl hatte, war bei aller Misere und bei allem politischen Druck ein stiller, zufriedener Mann „in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit", zog den Hut vor den Reichen, Pfaffen und Staatsbeamten und war innerlich durch und durch ein Sklave. Gerade die moderne große Industrie, die aus dem an den Boden gefesselten Arbeiter einen vollständig besitzlosen, aller überkommenen Ketten1 los und ledigen vogelfreien Proletarier gemacht, gerade diese ökonomische Revolution ist es, die die Bedingungen geschaffen hat, unter denen allein die Ausbeutung der arbeitenden Klasse in ihrer letzten Form, in der kapitalistischen Produktion, umgestürzt werden kann. Und jetzt kommt dieser tränenreiche Proudhonist und jammert, wie über einen großen Rückschritt, über die Austreibung der Arbeiter von Haus und Herd, die gerade die allererste Bedingung ihrer geistigen Emanzipation war. Vor 27 Jahren habe ich („Lage der arbeitenden Klasse in England"2) grade diesen Prozeß der Vertreibung der Arbeiter von Haus und Herd, wie er sich im 18. Jahrhundert in England vollzog, in seinen Hauptzügen geschildert. Die Infamien, die die Grundbesitzer und Fabrikanten sich dabei zuschulden kommen ließen, die materiell und moralisch nachteiligen Wir
kungen, die diese Vertreibung zunächst auf die betroffenen Arbeiter haben mußte, sind dort ebenfalls nach Würden dargestellt. Aber konnte es mir in den Sinn kommen, in diesem, unter den Umständen durchaus notwendigen geschichtlichen Entwicklungsprozeß einen Rückschritt „hinter die Wilden" zu sehn? Unmöglich. Der englische Proletarier von 1872 steht unendlich höher als der ländliche Weber mit „Haus und Herd" von 1772. Und wird der Troglodyte mit seiner Höhle, der Australier mit seiner Lehmhütte, der Indianer mit seinem eignen Herd jemals einen Juniaufstand11231 und eine Pariser Kommune aufführen? Daß die Lage der Arbeiter seit Durchführung der kapitalistischen Produktion auf großem Maßstab im ganzen materiell schlechter geworden ist, das bezweifelt nur der Bourgeois. Aber sollen wir deshalb sehnsüchtig zurückschauen nach den (auch sehr magern) Fleischtöpfen Ägyptens'2161, nach der ländlichen kleinen Industrie, die nur Knechtsseelen erzog, oder nach den „Wilden"? Im Gegenteil. Erst das durch die moderne große Industrie geschaffene, von allen ererbten Ketten, auch von denen, die es an den Boden fesselten, befreite und in den großen Städten zusammengetriebene Proletariat ist imstande, die große soziale Umgestaltung zu vollziehn, die aller Klassenausbeutung und aller Klassenherrschaft ein Ende machen wird. Die alten ländlichen Handweber mit Haus und Herd wären nie imstande dazu gewesen, sie hätten nie solch einen Gedanken fassen, noch weniger seine Ausführung wollen können. Für Proudhon hingegen ist die ganze industrielle Revolution der letzten hundert Jahre, die Dampfkraft, die große Fabrikation, die die Handarbeit durch Maschinen ersetzt und die Produktionskraft der Arbeit vertausendfacht, ein höchst widerwärtiges Ereignis, etwas, das eigentlich nicht hätte stattfinden sollen. Der Kleinbürger Proudhon verlangt eine Weit, in der jeder ein apartes, selbständiges Produkt verfertigt, das sofort verbrauchbar und auf dem Markt austauschbar ist; wenn dann nur jeder den vollen Wert seiner Arbeit in einem andern Produkt wiedererhält, so ist der „ewigen Gerechtigkeit" Genüge geleistet und die beste Welt hergestellt. Aber diese Proudhonsche beste Welt ist schon in der Knospe zertreten worden durch den Fuß der fortschreitenden industriellen Entwicklung, die die Einzelarbeit in allen großen Industriezweigen längst vernichtet hat und sie in den kleineren und kleinsten Zweigen täglich mehr vernichtet; die an ihre Stelle die gesellschaftliche Arbeit setzt, unterstützt von Maschinen und dienstbar gemachten Naturkräften, deren fertiges, sofort austauschbares oder verbrauchbares Produkt das gemeinsame Werk vieler einzelnen ist, durch deren Hände es hat gehn müssen. Und grade durch diese industrielle Revolution
hat die Produktionskraft der menschlichen Arbeit einen solchen Höhegrad erreicht, daß die Möglichkeit gegeben ist - zum erstenmal, solange Menschen existieren -, bei verständiger Verteilung der Arbeit unter alle, nicht nur genug für die reichliche Konsumtion aller Gesellschaftsglieder und für einen ausgiebigen Reservefonds hervorzubringen, sondern auch jedem einzelnen hinreichend Muße zu lassen, damit dasjenige, was aus der geschichtlich überkommenen Bildung- Wissenschaft, Kunst, Umgangsformen usw. wirklich wert ist, erhalten zu werden, nicht nur erhalten, sondern aus einem Monopol der herrschenden Klasse in ein Gemeingut der ganzen Gesellschaft verwandelt und weiter fortgebildet werde. Und hier liegt der entscheidende Punkt. Sobald die Produktionskraft der menschlichen Arbeit sich bis auf diesen Höhegrad entwickelt hat, verschwindet jeder Vorwand für den Bestand einer herrschenden Klasse. War doch der letzte Grund, womit der Klassenunterschied verteidigt wurde, stets: Es muß eine Klasse geben, die sich nicht mit der Produktion ihres täglichen Lebensunterhalts abzuplacken hat, damit sie Zeit behält, die geistige Arbeit der Gesellschaft zu besorgen. Diesem Gerede, das bisher seine große geschichtliche Berechtigung hatte, ist durch die industrielle Revolution der letzten hundert Jahre ein für allemal die Wurzel abgeschnitten. Das Bestehn einer herrschenden Klasse wird täglich mehr ein Hindernis für die Entwicklung der industriellen Produktivkraft und ebensosehr für die der Wissenschaft, der Kunst und namentlich der gebildeten Umgangsformen. Größere Knoten als unsere modernen Bourgeois hat es nie gegeben. Alles dies geht Freund Proudhon nichts an. Er will die „ewige Gerechtigkeit" und weiter nichts. Jeder soll im Austausch für sein Produkt den vollen Arbeitsertrag, den vollen Wert seiner Arbeit erhalten. Das aber in einem Produkt der modernen Industrie auszurechnen, ist eine verwickelte Sache. Die moderne Industrie verdunkelt eben den besonderen Anteil des einzelnen am Gesamtprodukt, der in der alten Einzel-Handarbeit sich im erzeugten Produkt von selbst darstellte. Die moderne Industrie ferner beseitigt mehr und mehr den Einzelaustausch, auf dem Proudhons ganzes System aufgebaut ist1, den direkten Austausch nämlich zwischen zwei Produzenten, deren jeder das Produkt des andern eintauscht, um es zu konsumieren. Daher geht durch den ganzen Proudhonismus ein reaktionärer Zug, ein Widerwille gegen die industrielle Revolution, und das bald offener, bald versteckter sich aussprechende Gelüst, die ganze moderne Industrie, Dampfmaschinen, Spinnmaschinen und andern Schwindel zum Tempel hinaus
zuwerfen und zurückzukehren zur alten, soliden Handarbeit. Daß wir dann an Produktionskraft neunhundertneunundneunzig Tausendstel verlieren, daß die gesamte Menschheit zur ärgsten Arbeitssklaverei verdammt, daß die Hungerleiderei allgemeine Regel wird - was liegt daran, wenn wir es nur fertigbringen, den Austausch so einzurichten, daß jeder den „vollen Arbeitsertrag" erhält und daß die „ewige Gerechtigkeit" durchgeführt wird? Fiat justitia, pereat mundus! Gerechtigkeit muß bestehn Und sollt' die ganze Welt zugrunde gehn! Und zugrunde gehn würde die Welt bei dieser Proudhonschen Kontrerevolution, wenn sie überhaupt durchführbar wäre. Es versteht sich übrigens von selbst, daß auch bei der, durch die moderne große Industrie bedingten, gesellschaftlichen Produktion, jedem der „volle Ertrag seiner Arbeit", soweit diese Phrase einen Sinn hat, gesichert werden kann. Und einen Sinn hat sie nur, wenn sie dahin erweitert wird, daß nicht jeder einzelne Arbeiter Besitzer dieses „vollen Ertrages seiner Arbeit" wird, wohl aber die ganze, aus lauter Arbeitern bestehende Gesellschaft Besitzerin des gesamten Produkts ihrer Arbeit, das sie teilweise zur Konsumtion unter ihre Mitglieder verteilt, teilweise zum Ersatz und zur Vermehrung ihrer Produktionsmittel verwendet und teilweise als Reservefonds der Produktion und Konsumtion aufspeichert.1
Nach dem Vorhergehenden können wir schon im voraus wissen, wie unser Proudhonist die große Wohnungsfrage lösen wird. Einesteils haben tinv J1/-1 17nv<<-layiin>v J oß Q> rvov-l Q ll^m /Voll Xvon J o W/y-vT-s . Wn uit/ x ui uciuug) uai^ j^uti rti U^nv-i butnC uigunu) 111111 g^iiuicuuu T» uil" nung haben muß, damit wir nicht länger unter den Wilden stehn. Andrerseits haben wir die Versicherung, daß die zwei-, drei-, fünf- oder zehnmalige Bezahlung des ursprünglichen Kostenpreises eines Hauses in der Gestalt von Mietzins, wie sie in der Tat stattfindet, auf einem Rechtstitel beruht und daß dieser Rechtstitel im Widerspruch mit der „ewigen Gerechtigkeit" sich befindet. Die Lösung ist einfach: Wir schaffen den Rechtstitel ab und erklären kraft der ewigen Gerechtigkeit den gezahlten Mietzins für eine Abschlagszahlung auf den Preis der Wohnung selbst. Wenn man sich seine Voraussetzungen so eingerichtet hat, daß sie die Schlußfolgerung bereits in sich enthalten, so gehört natürlich nicht mehr Geschicklichkeit dazu, als jeder Scharlatan besitzt, um das im voraus präparierte Resultat fertig aus
dem Sack zu ziehn und auf die unerschütterliche Logik zu pochen, deren Erzeugnis es ist. Und so geschieht es hier. Die Abschaffung der Mietwohnung wird als Notwendigkeit proklamiert, und zwar in der Gestalt, daß die Verwandlung jedes Mieters in den Eigentümer seiner Wohnung gefordert wird. Wie machen wir das? Ganz einfach:
„Die Mietwohnung wird abgelöst... Dem bisherigen Hausbesitzer wird der Wert seines Hauses bis auf den Heller und Pfennig bezahlt. Statt daß, wie bisher, der bezahlte Mietzins den Tribut darstellt, welchen der Mieter dem ewigen Rechte des Kapitals bezahlt, statt dessen wird von dem Tage an, wo die Ablösung der Mietwohnung proklamiert ist, die vom Mieter bezahlte, genau geregelte Summe die jährliche Abschlagszahlung für die in seinen Besitz übergegangene Wohnung ... Die Gesellschaft... wandelt sich auf diesem Wege in eine Gesamtheit unabhängiger freier Besitzer von Wohnungen um."
Der Proudhonist findet ein Verbrechen gegen die ewige Gerechtigkeit darin, daß der Hauseigentümer ohne Arbeit Grundrente und Zins1 aus seinem im Hause angelegten Kapital herausschlagen kann. Er dekretiert, daß dies aufhören muß; daß das in Häusern angelegte Kapital keinen Zins1, und so weit es gekauften Grundbesitz vertritt, auch keine Grundrente mehr einbringen soll. Nun haben wir gesehen, daß damit die kapitalistische Produktionsweise, die Grundlage der jetzigen Gesellschaft, gar nicht berührt wird. Der Angelpunkt, um den sich die Ausbeutung des Arbeiters dreht, ist der Verkauf der Arbeitskraft an den Kapitalisten und der Gebrauch, den der Kapitalist von diesem Geschäfte macht, indem erden Arbeiter weit mehr zu produzieren nötigt, als der bezahlte Wert der Arbeitskraft beträgt. Dies Geschäft zwischen Kapitalist und Arbeiter ist es, das all den Mehrwert erzeugt, der nachher in Gestalt von Grundrente, Handelsprofit, Kapitalzins2, Steuern usw. auf die verschiedenen Unterarten von Kapitalisten und ihren Dienern sich verteilt. Und jetzt kommt unser Proudhonist und glaubt, wenn man einer einzigen Unterart von Kapitalisten, und zwar von solchen Kapitalisten, die direkt gar keine Arbeitskraft kaufen, also auch keinen Mehrwert produzieren lassen, verböte, Profit resp. Zins3 zu machen, so sei man einen Schritt weiter! Die Masse der der Arbeiterklasse abgenommenen unbezahlten Arbeit bliebe genau dieselbe, auch wenn den Hausbesitzern die Möglichkeit, Grundrente und Zins1 sich zahlen zu lassen, morgen genommen würde, was unsern Proudhonisten nicht verhindert, zu erklären:
1 Im „Volksstaat": Profit - 2 im „Volksstaat" fehlt: Kapitalzins - 3 im „Volksstaat" fehlt: resp. Zins
„Die Abschaffung der Mietwohnung ist somit eine der fruchtbarsten und großartigsten Bestrebungen, welche dem Schöße der revolutionären Idee entstammt und eine Forderung ersten Ranges von Seiten der sozialen Demokratie werden muß." Ganz die Marktschreierei des Meisters Proudhon selbst, bei dem das Gegacker auch stets im umgekehrten Verhältnisse zu der Größe der gelegten Eier steht. Nun denkt euch aber den schönen Zustand, wenn jeder Arbeiter, Kleinbürger und Bourgeois genötigt wird, durch jährliche Abzahlungen erst Teil-, dann ganzer Eigentümer seiner Wohnung zu werden! In den Industriebezirken Englands, wo es große Industrie, aber kleine Arbeiterhäuser gibt und jeder verheiratete Arbeiter ein Häuschen für sich bewohnt, hätte die Sache noch einen möglichen Sinn. Aber die kleine Industrie von Paris sowie der meisten großen Städte des Kontinents wird ergänzt durch große Häuser, in denen zehn, zwanzig, dreißig Familien zusammenwohnen. Am Tage des weltbefreienden Dekrets, das die Ablösung der Mietwohnung proklamiert, arbeitet Peter in einer Maschinenfabrik in Berlin. Nach Ablauf eines Jahres ist er Eigentümer, meinetwegen des fünfzehnten Teiles seiner aus einer Kammer des fünften Stockes irgendwo am Hamburger Tor bestehenden Wohnung. Er verliert seine Arbeit und findet sich bald darauf in einer ähnlichen Wohnung, mit brillanter Aussicht auf den Hof, im dritten Stock am Pothof in Hannover, wo er nach fünfmonatigem Aufenthalte eben 1/36 des Eigentums erworben hat, als ein Strike ihn nach München verschlägt und ihn zwingt, sich durch elfmonatigen Aufenthalt genau 11hso des Eigentumsrechts auf ein ziemlich dunkles Anwesen zu ebner Erde, hinter der OberAngergasse, aufzuladen. Fernere Umzüge, wie sie Arbeitern heute so oft vorkommen, hängen ihm ferner an: 7/360 einer nicht minder empfehlenswerten Wohnung in St. Gallen, 23/180 einer anderen in Leeds und 347/ 56223> genau gerechnet, so daß die „ewige Gerechtigkeit" sich nicht beklagen kann, einer dritten in Seraing. Was hat nun unser Peter von allen diesen Wohnungsanteilen? Wer gibt ihm den richtigen Wert dafür? Wo soll er den oder die Eigentümer der übrigen Anteile an seinen verschiedenen ehemaligen Wohnungen auftreiben? Und wie steht es erst um die Eigentumsverhältnisse eines beliebigen großen Hauses, dessen Stockwerke sage zwanzig Wohnungen enthalten und das, wenn die Ablösungsfrist abgelaufen und die Mietswohnung abgeschafft ist, vielleicht dreihundert Teileigentümern gehört, die in allen Weltgegenden zerstreut sind? Unser Proudhonist wird antworten, daß bis dahin die Proudhonsche Tauschbank12171 bestehen wird, welche jederzeit an jedermann für jedes Arbeitsprodukt den vollen Arbeitsertrag, also auch für einen Wohnungsanteil den vollen Wert auszahlen wird.
Aber die Proudhonsche Tauschbank geht uns hier erstens gar nichts an» da sie selbst in den Artikeln über die Wohnungsfrage nirgends erwähnt wird; sie beruht zweitens auf dem sonderbaren Irrtum, daß, wenn jemand eine Ware verkaufen will, er auch immer notwendig einen Käufer für ihren vollen Wert findet, und sie hat drittens, ehe Proudhon sie erfand, bereits in England unter dem Namen Labour Exchange Bazaar'2181 mehr als einmal falliert. Die ganze Vorstellung, daß der Arbeiter sich seine Wohnung hflujen soll, beruht wieder auf der schon hervorgehobenen Proudhonschen reaktionären Grundanschauung, daß die durch die moderne große Industrie geschaffenen Zustände krankhafte Auswüchse sind und die Gesellschaft gewaltsam - d.h. gegen die Strömung, der sie seit hundert Jahren folgt - einem Zustande entgegengeführt werden muß, in dem die alte stabile Handarbeit des einzelnen die Regel, und der überhaupt nichts anderes ist, als eine idealisierte Wiederherstellung des untergegangenen und noch untergehenden Kleingewerbsbetriebs. Sind die Arbeiter erst wieder in diese stabilen Zustände zurückgeworfen, ist der „soziale Wirbel" erst glücklich beseitigt, so kann der Arbeiter natürlich auch wieder Eigentum an „Haus und Herd" gebrauchen und die obige Ablösungstheorie erscheint weniger abgeschmackt. Nur vergißt Proudhon, daß, um dies fertigzubringen, er erst die Uhr der Weltgeschichte um hundert Jahre zurückstellen muß, und daß er damit die heutigen Arbeiter wieder zu ebensolchen beschränkten, kriechenden, duckmäuserigen Sklavenseelen machen würde, wie ihre Ururgroßväter waren. Soweit aber in dieser Proudhonschen Lösung der Wohnungsfrage ein rationeller, praktisch verwertbarer Inhalt liegt, soweit wird sie heutzutage bereits durchgeführt, und zwar entstammt diese Durchführung nicht dem „Schöße der revolutionären Idee", sondern - den großen Bourgeois selbst. Hören wir hierüber ein vortreffliches spanisches Blatt, „La Emancipacion" von Madrid, vom 16. März 1872: „Es gibt noch ein anderes Mittel, die Wohnungsfrage zu lösen, das von Proudhon vorgeschlagen worden und das beim ersten Anblick blendet, aber bei näherer Prüfung seine totale Ohnmacht enthüllt. Proudhon schlug vor, die Mieter in Käufer auf Abschlagszahlung zu verwandeln, so daß der jährlich bezahlte Mietzins als Ablösungsrate auf den Wert der Wohnung angerechnet und der Mieter nach Ablauf einer gewissen Zeit Eigentümer, dieser Wohnung würde. Dieses Mittel, das Proudhon für sehr revolutionär hielt, wird heutzutage in allen Ländern durch Gesellschaften von Spekulanten ins Werk gesetzt, welche sich so durch Erhöhung des Mietpreises den Wert der Häuser zwei- bis dreimal bezahlen lassen. Herr Dollfus und andere große Fabrikanten des nordöstlichen Frankreichs haben dies System verwirklicht, nicht nur um Geld herauszuschlagen, sondern obendrein mit einem politischen Hintergedanken.
15 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
Die gescheitesten Führer der herrschenden Klassen haben stets ihre Anstrengungen darauf gerichtet, die Zahl der kleinen Eigentümer zu vermehren, um sich eine Armee gegen das Proletariat zu erziehn. Die bürgerlichen Revolutionen des vorigen Jahrhunderts zerteilten den großen Grundbesitz des Adels und der Kirche in kleines Parzelleneigentum, wie heute die spanischen Republikaner es mit dem noch bestehenden großen Grundbesitz machen wollen, und schufen so eine Klasse kleiner Grundeigentümer, die seitdem das allerreaktionärste Element der Gesellschaft und das stetige Hindernis gegenüber der revolutionären Bewegung des städtischen Proletariats geworden ist, Napoleon III. beabsichtigte, durch Verkleinerung der einzelnen Staatsschuldanteile, in den Städten eine ähnliche Klasse zu schaffen, und Herr Dollfus und seine Kollegen, indem sie ihren Arbeitern kleine, durch jährliche Abzahlungen abzutragende Wohnungen verkauften, suchten allen revolutionären Geist in den Arbeitern zu ersticken und gleichzeitig sie durch ihren Grundbesitz an die Fabrik, in der sie einmal arbeiteten, zu fesseln; so daß der Plan Proudhons nicht nur der Arbeiterklasse keine Erleichterung schuf - er kehrte sich sogar direkt gegen sie." *
Wie ist nun die Wohnungsfrage zu lösen? In der heutigen Gesellschaft gerade wie eine jede andere gesellschaftliche Frage gelöst wird: durch die allmähliche ökonomische Ausgleichung von Nachfrage und Angebot, eine Lösung, die die Frage selbst immer wieder von neuem erzeugt, also keine Lösung ist. Wie eine soziale Revolution diese Frage lösen würde, hängt nicht nur von den jedesmaligen Umständen ab, sondern auch zusammen mit viel weitergehenden Fragen, unter denen die Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land eine der wesentlichsten ist. Da wir keine utopistischen Systeme für die Einrichtung der künftigen Gesellschaft zu machen haben, wäre es mehr als müßig, hierauf einzugehn. Soviel aber ist sicher, daß schon jetzt in den großen Städten hinreichend Wohngebäude vorhanden sind, um bei rationeller Benutzung derselben jeder wirklichen „Wohnungsnof" sofort abzuhelfen. Dies kann natürlich nur durch Expropriation der heutigen
* Wie sich diese Lösung der Wohnungsfrage vermittelst der Fesselung der Arbeiter an ein eigenes „Heim" in der Nähe großer oder emporkommender amerikanischer Städte naturwüchsig macht, darüber folgende Stelle aus einem Brief von Eleanor MarxAveling, Indianapolis, 28. November 1886: „In oder vielmehr bei Kansas City sahen wir erbärmliche kleine Holzschuppen, zu etwa drei Zimmern, noch ganz in der Wildnis; der Boden kostete 600 Dollars und war eben groß genug, das kleine Häuschen darauf zu setzen; dieses selbst kostete weitere 600 Dollars, also zusammen 4800 Mark für ein elendes kleines Ding, eine Stunde Wegs von der Stadt, in einer schlammigen Einöde.' Somit haben die Arbeiter schwere Hypothekschulden aufzunehmen, um nur diese Wohnungen zu erhalten und sind nun erst recht die Sklaven ihrer Brotherren; sie sind an ihre Häuser gebunden, sie können nicht weg und müssen alle ihnen gebotenen Arbeitsbedingungen sich gefallen lassen. [Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1887.]
Besitzer, resp. durch Bequartierung ihrer Häuser mit obdachlosen oder in ihren bisherigen Wohnungen übermäßig zusammengedrängten Arbeitern geschehen, und sobald das Proletariat die politische Macht erobert hat, wird eine solche, durch das öffentliche Wohl gebotene Maßregel ebenso leicht ausführbar sein, wie andere Expropriationen und Einquartierungen durch den heutigen Staat.
Unser Proudhonist ist aber mit seinen bisherigen Leistungen in der Wohnungsfrage nicht zufrieden. Er muß sie von der platten Erde in das Gebiet des höheren Sozialismus erheben, damit sie doch auch hier als ein wesentlicher „Bruchteil der sozialen Frage" sich bewähre.
„Wir nehmen nun an, die Produktivität des Kapitals werde wirklich bei den Hörnern gefaßt, wie das früher oder später geschehn muß, z.B. durch ein Ubergangsgesetz, welches den Zins aller Kapitalien auf ein Prozent festsetzt, wohlgemerkt, mit der Tendenz, auch diesen Prozentsatz immer mehr dem Nullpunkt zu nähern, so daß schließlich nichts mehr bezahlt wird, als die zur Umsetzung des Kapitals nötige Arbeit. Wie alle anderen Produkte ist natürlich auch Haus und Wohnung in den Rahmen dieses Gesetzes gefaßt... Der Besitzer selbst wird der erste sein, der seine Hand zum Verkauf bietet, da seinHaus sonst unbenutzt und das in ihm angelegte Kapital einfach nutzlos seinwürde." Dieser Satz enthält einen der Hauptglaubensartikel des Proudhonschen Katechismus und gibt ein schlagendes Exempel von der darin herrschenden Konfusion. Die „Produktivität des Kapitals" ist ein Unding, das Proudhon von den bürgerlichen Ökonomen unbesehn übernimmt. Die bürgerlichen Ökonomen fangen zwar auch mit dem Satz an, daß die Arbeit die Quelle alles Reichtums und das Maß des Wertes aller Waren ist; aber sie müssen auch erklären, wie es kommt, daß der Kapitalist, der Kapital zu einem industriellen oder Handwerksgeschäft vorschießt, nicht nur sein vorgeschossenes Kapital am Ende des Geschäftes zurückerhält, sondern auch noch einen Profit obendrein. Sie müssen sich daher in allerlei Widersprüche verwickeln und auch dem Kapital eine gewisse Produktivität zuschreiben. Nichts beweist besser, wie tief Proudhon noch in der bürgerlichen Denkweise befangen ist, als daß er sich diese Redeweise von der Produktivität des Kapitals angeeignet. Wir haben gleich am Anfang gesehn, daß die sogenannte „Produktivität des Kapitals" nichts andres ist, als die ihm (unter den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen, ohne die es eben kein Kapital wäre) anhaftende Eigenschaft, sich die unbezahlte Arbeit von Lohnarbeitern aneignen zu können. Aber Proudhon unterscheidet sich von den bürgerlichen Ökonomen dadurch, daß er diese „Produktivität des Kapitals" nicht billigt, sondern im
Gegenteil in ihr eine Verletzung der „ewigen Gerechtigkeit" entdeckt. Sie ist es, die es verhindert, daß der Arbeiter den vollen Ertrag seiner Arbeit erhält. Sie muß also abgeschafft werden. Und wie? Indem der Zinsfuß durch Zwangsgesetze herabgesetzt und endlich auf Null reduziert wird. Dann hört nach unserm Proudhonisten das Kapital auf, produktiv zu sein. Der Zins des ausgeliehenen Geükapitals ist nur ein Teil des Profits; der Profit, sei es des industriellen, sei es des Handelskapitals, ist nur ein Teil des, in Gestalt von unbezahlter Arbeit, der Arbeiterklasse durch die Kapifalistenklasse abgenommenen Mehrwerts. Die ökonomischen Gesetze, die den Zinsfuß regeln, sind von denen, die die Rate des Mehrwerts regeln, so unabhängig, wie dies überhaupt zwischen Gesetzen einer und derselben Gesellschaftsform stattfinden kann. Was aber die Verteilung dieses Mehrwerts unter die einzelnen Kapitalisten angeht, so ist klar, daß für Industrielle und Kaufleute, die viel von andren Kapitalisten vorgeschossenes Kapital in ihrem Geschäft haben, die Rate ihres Profits in demselben Maß steigen muß, wie - wenn alle andern Umstände sich gleichbleiben - der Zinsfuß fällt. Die Herabdrückung und schließliche Abschaffung des Zinsfußes würde also keineswegs die sogenannte „Produktivität des Kapitals"' wirklich „bei den Hörnern fassen", sondern nur die Verteilung des der Arbeiterklasse abgenommenen unbezahlten Mehrwerts unter die einzelnen Kapitalisten anders regeln und nicht dem Arbeiter gegenüber dem industriellen Kapitalisten, sondern dem industriellen Kapitalisten gegenüber dem Rentier einen Vorteil sichern. Proudhon, von seinem juristischen Standpunkt aus, erklärt den Zinsfuß, wie alle ökonomischen Tatsachen, nicht durch die Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion, sondern durch die Staatsgesetze, in denen diese Bedingungen einen allgemeinen Ausdruck erhalten. Von diesem Standpunkt aus, dem jede Ahnung des Zusammenhangs der Staatsgesetze mit den Produktionsbedingungen der Gesellschaft abgeht, erscheinen diese Staatsgesetze notwendigerweise als rein willkürliche Befehle, die jeden Augenblick ebensogut durch ihr direktes Gegenteil ersetzt werden können. Es ist also nichts leichter für Proudhon, als ein Dekret zu erlassen - sobald er die Macht dazu hat -, wodurch der Zinsfuß auf ein Prozent herabgesetzt wird. Und wenn alle andren gesellschaftlichen Umstände bleiben, wie sie waren, so wird dies Proudhonsche Dekret eben nur auf dem Papier existieren. Der Zinsfuß wird sich nach wie vor nach den ökonomischen Gesetzen regeln, djaien er heute unterworfen ist, trotz aller Dekrete; kreditfähige Leute werden nach Umständen Geld zu 2, 3, 4 und mehr Prozent aufnehmen, ebensogut wie vorher, und der einzige Unterschied wird der sein, daß die Rentiers
sich genau vorsehn und nur solchen Leuten Geld vorschießen, bei denen kein Prozeß zu erwarten ist. Dabei ist dieser große Plan, dem Kapital seine „Produktivität" zu nehmen, uralt, so alt wie die - Wuchergesetze, die nichts andres bezwecken, als den Zinsfuß zu beschränken, und die jetzt überall abgeschafft sind, weil sie in der Praxis stets gebrochen oder umgangen wurden und der Staat seine Ohnmacht gegenüber den Gesetzen der gesellschaftlichen Produktion bekennen mußte. Und die Wiedereinführung dieser mittelalterlichen, unausführbaren Gesetze soll „die Produktivität des Kapitals bei den Hörnern fassen"? Man sieht, je näher man den Proudhonismus untersucht, desto reaktionärer erscheint er. Und wenn dann der Zinsfuß auf diese Weise auf Null heruntergebracht, der Kapitalzins also abgeschafft ist, dann wird „nichts mehr bezahlt, als die zur Umsetzung des Kapitals nötige Arbeit". Das soll heißen, die Abschaffung des Zinsfußes ist gleich der Abschaffung des Profits und sogar des Mehrwerts. Wäre es aber möglich, den Zins durch Dekret wirklich abzuschaffen, was wäre die Folge? Daß die Klasse der Rentiers keine Veranlassung mehr hätte, ihr Kapital in Gestalt von Vorschüssen auszuleihen, sondern es selbst oder in Aktiengesellschaften für eigene Rechnung industriell anzulegen. Die Masse des der Arbeiterklasse durch die Kapitalistenklasse abgenommenen Mehrwerts bliebe dieselbe, nur ihre Verteilung änderte sich, und auch das nicht bedeutend. In der Tat übersieht unser Proudhonist, daß auch schon jetzt, im Warenkauf der bürgerlichen Gesellschaft, durchschnittlich eben nichts mehr bezahlt wird, als „die zur Umsetzung des Kapitals " (soll heißen, zur Produktion der bestimmten Ware) „nötige Arbeit". Die Arbeit ist der Maßstab des Werts aller Waren, und es ist in der heutigen Gesellschaft - von den Schwankungen des Marktes abgesehen - rein unmöglich, daß im Gesamtdurchschnitt für die Waren mehr bezahlt wird als die zu ihrer Herstellung nötige Arbeit. Nein, nein, lieber Proudhonist, der Haken liegt wo ganz anders: Er liegt darin, daß „die zur Umsetzung des Kapitals" (um Ihre konfuse Ausdrucksweise zu gebrauchen) „nötige Arbeit" eben nicht voll bezahlt wird! Wie das zugeht, können Sie bei Marx („Kapital", S. 128-1601) nachlesen. Damit nicht genug. Wenn der Kapitalzins abgeschafft wird, ist damit auch der Mietzins abgeschafft. Denn „wie alle anderen Produkte ist natürlich auch Haus und Wohnung in den Rahmen dieses Gesetzes gefaßt". Dies ist ganz im Geist des alten Majors, der seinen Einjährigen rufen ließ: „Sagen Sie mal, ich höre, Sie sind Doktor - da kommen Sie doch von Zeit zu Zeit
zu mir; wenn man eine Frau und sieben Kinder hat, da gibt's immer was zu flicken." Einjähriger: „Aber verzeihen Sie, Herr Major, ich bin Doktor der Philosophie." Major: „Das ist mich ganz egal, Pflasterkasten ist Pflasterkasten." So geht es unserm Proudhonisten auch: Mietzins oder Kapitalzins, das ist ihm ganz egal, Zins ist Zins, Pflasterkasten ist Pflasterkasten. - Wir haben oben gesehen, daß der Mietpreis, vulgo Mietzins, sich zusammensetzt: 1. aus einem Anteil Grundrente; 2. aus einem Anteil Zins auf das Baukapital einschließlich des Profits für den Bauunternehmer; 3. aus einem Anteil für Reparatur- und Assekuranzkosten; 4. aus einem Anteil, der das Baukapital inkl. Profit in jährlichen Ratenzahlungen abträgt (amortisiert), im Verhältnis wie das Haus allmählich verschleißt.12191 Und nun muß es auch dem Blindesten klar geworden sein:
„Der Besitzer selbst wird der erste sein, der seine Hand zum Verkaufe bietet, da sein Haus sonst unbenützt und das in ihm angelegte Kapital einfach nutzlos sein würde."
Natürlich. Wenn man den Zins auf Vorschußkapital abschafft, so kann kein Hausbesitzer mehr einen Pfennig Miete für sein Haus erhalten, bloß weil man für Miete auch Mietzins sagen kann1 und weil der Mietzins einen Anteil einschließt, der wirklicher Kapitalzins ist. Pflasterkasten bleibt Pflasterkasten. Wenn die Wuchergesetze in Beziehung auf den gewöhnlichen Kapitalzins doch nur durch Umgehung unwirksam gemacht werden konnten, so haben sie den Satz der Hausmiete nie auch nur im entferntesten berührt. Erst Proudhon blieb es vorbehalten, sich einzubilden, sein neues Wuchergesetz werde ohne weiteres nicht nur den einfachen Kapitalzins, sondern auch den komplizierten Mietzins für Wohnungen regeln und allmählich abschaffen ,2 Warum dann dem Hausbesitzer noch das „einfach nutzlose" Haus für teures Geld abgekauft werden soll, und wieso unter diesen Umständen der Hausbesitzer nicht noch Geld dazu gibt, dies „einfach nutzlose" Haus loszuwerden, damit er keine Reparaturkosten mehr daranzuwenden hat, darüber läßt man uns im dunkeln. Nach dieser triumphierenden Leistung auf dem Gebiet des höheren Sozialismus (Suprasozialismus nannte das der Meister Proudhon) hält sich unser Proudhonist für berechtigt, noch etwas höher zu fliegen.
* Im „Volksstaat" endet hier der Satz - 2 im „Volksstaat" fehlen die zwei letzten Sätze
„Es handelt sich jetzt nur mehr darum, noch einige Folgerungen zu ziehn, um von allen Seiten her volles Licht auf unsern so bedeutenden Gegenstand fallen zu lassen."
Und was sind diese Folgerungen? Dinge, die aus dem Vorhergehenden ebensowenig folgen, wie die Wertlosigkeit der Wohnhäuser aus der Abschaffung des Zinsfußes, und die, der pompösen und weihevollen Redensarten unsres Verfassers entkleidet, weiter nichts bedeuten, als daß zur besseren Abwicklung des Mietwohnungs-Ablösungsgeschäfts wünschenswert ist: 1. eine genaue Statistik über den Gegenstand, 2. eine gute Gesundheitspolizei und 3. Genossenschaften von Bauarbeitern, die den Neubau von Häusern übernehmen können - alles Dinge, die gewiß sehr schön und gut sind, die aber trotz aller marktschreierischen Phrasenumhüllung durchaus kein „volles Licht" in das Dunkel der Proudhonschen Gedanken Verwirrung bringen. Wer so Großes vollbracht, hat nun auch das Recht, an die deutschen Arbeiter eine ernste Mahnung zu richten:
„Solche und ähnliche Fragen, dünkt uns, sind der Aufmerksamkeit der sozialen Demokratie wohl wert... Möge sie sich, wie hier über die Wohnungsfrage, so auch über die andern gleich wichtigen Fragen, wie Kredit, Staatsschulden, Privatschulden, Steuer usw. klarzuwerden suchen" usw.
Hier stellt uns unser Proudhonist also eine ganze Reihe von Artikeln über „ähnliche Fragen" in Aussicht, und wenn er sie alle so ausführlich behandelt wie den gegenwärtigen „so bedeutenden Gegenstand", so hat der „Volksstaat" Manuskripte genug für ein Jahr. Wir können dem indes vorgreifen - es läuft alles auf das schon Gesagte hinaus: Der Kapitalzins wird abgeschafft, damit fällt der für Staatsschulden und Privatschulden zu zahlende Zins fort, der Kredit wird kostenfrei usw. Dasselbe Zauberwort wird auf jeden beliebigen Gegenstand angewandt, und bei jedem einzelnen Fall kommt das erstaunliche Resultat mit unerbittlicher Logik heraus: daß, wenn der Kapitalzins abgeschafft ist, man für aufgenommenes Geld keine Zinsen mehr zu zahlen hat. Übrigens sind es schöne Fragen, mit denen unser Proudhonist uns bedroht: Kreditl Welchen Kredit braucht der Arbeiter, als den von Woche zu Woche oder den Kredit des Pfandhauses? Ob ihm dieser kostenfrei oder für Zinsen, selbst Pfandhauswucherzinsen, geleistet wird, wieviel macht ihm das Unterschied? Und wenn er, allgemein genommen, einen Vorteil davon hätte, also die Produktionskosten der Arbeitskraft wohlfeiler würden, müßte nicht der Preis der Arbeitskraft fallen ? - Aber für den Bourgeois und speziell den Kleinbürger - für die ist der Kredit eine wichtige Frage, und für den
Kleinbürger speziell wäre es eine schöne Sache, den Kredit jederzeit, und noch dazu ohne Zinszahlung, erhalten zu können. - „Staatsschulden"! Die Arbeiterklasse weiß, daß sie sie nicht gemacht hat, und wenn sie zur Macht kommt, wird sie die Abzahlung denen überlassen, die sie aufgenommen haben. - „Privatschulden"! - siehe Kredit. - „Steuern"! Dinge, die die Bourgeoisie sehr, die Arbeiter aber nur sehr wenig interessieren: Was der Arbeiter an Steuern zahlt, geht auf die Dauer in die Produktionskosten der Arbeitskraft mit ein, muß also vom Kapitalisten mitvergütet werden. Alle diese Punkte, die uns hier als hochwichtige Fragen für die Arbeiterklasse vorgehalten werden, haben in Wirklichkeit wesentliches Interesse nur für den Bourgeois und noch mehr für den Kleinbürger, und wir behaupten, trotz Proudhon, daß die Arbeiterklasse keinen Beruf hat, die Interessen dieser Klassen wahrzunehmen. Von der großen, die Arbeiter wirklich angehenden Frage, von dem.Verhältnis zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter, von der Frage: wie es kommt, daß der Kapitalist sich aus der Arbeit seiner Arbeiter bereichern kann, davon sagt unser Proudhonist kein Wort. Sein Herr und Meister hat sich allerdings damit beschäftigt, aber durchaus keine Klarheit hineingebracht und ist auch in seinen letzten Schriften im wesentlichen nicht weiter als in der von Marx schon 1847 so schlagend in ihr ganzes Nichts aufgelösten „Philosophie de la Misere" (Philosophie des Elends)[220]. Es ist schlimm genug, daß die romanisch redenden Arbeiter seit fünfundzwanzig Jahren fast gar keine andre sozialistische Geistesnahrung gehabt haben, als die Schriften dieses „Sozialisten des zweiten Kaisertums"; es wäre ein doppeltes Unglück, wenn die proudhonistische Theorie jetzt auch noch Deutschland überfluten sollte. Dafür ist jedoch gesorgt. Der theoretische Standpunkt der deutschen Arbeiter ist dem proudhonistischen um fünfzig Jahre voraus, und es wird genügen, an dieser einen Wohnungsfrage ein Exempel zu statuieren, um fernerer Mühe in dieser Beziehung überhoben zu sein.
Zweiter Abschnitt
Wie die Bourgeoisie die Wohnungsfrage löst
I
In dem Abschnitt über die proudhonistische Lösung der Wohnungsfrage wurde gezeigt, wie sehr das Kleinbürgertum bei dieser Frage direkt interessiert ist. Aber auch das Großbürgertum hat ein sehr bedeutendes, wenn auch indirektes Interesse daran. Die moderne Naturwisssenschaft hat nachgewiesen, daß die sogenannten „schlechten Viertel", in denen die Arbeiter zusammengedrängt sind, die Brutstätten aller jener Seuchen bilden, die von Zeit zu Zeit unsre Städte heimsuchen. Cholera, Typhus und typhoide Fieber, Blattern und andre verheerende Krankheiten verbreiten in der verpesteten Luft und dem vergifteten Wasser dieser Arbeiterviertel ihre Keime; sie sterben dort fast nie aus, entwickeln sich, sobald die Umstände es gestatten, zu epidemischen Seuchen, und dringen dann auch über ihre Brutstätten hinaus in die luftigeren und gesunderen, von den Herren Kapitalisten bewohnten Stadtteile. Die Kapitalistenherrschaft kann nicht ungestraft sich das Vergnügen erlauben, epidemische Krankheiten unter der Arbeiterklasse zu erzeugen; die Folgen fallen auf sie selbst zurück, und der Würgengel wütet unter den Kapitalisten ebenso rücksichtslos wie unter den Arbeitern. Sobald dies einmal wissenschaftlich festgestellt war, entbrannten die menschenfreundlichen Bourgeois in edlem Wetteifer für die Gesundheit ihrer Arbeiter. Gesellschaften wurden gestiftet, Bücher geschrieben, Vorschläge entworfen, Gesetze debattiert und dekretiert, um die Quellen der immer wiederkehrenden Seuchen zu verstopfen. Die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter wurden untersucht und Versuche gemacht, den schreiendsten Übelständen abzuhelfen. Namentlich in England, wo die meisten großen Städte bestanden und daher das Feuer den Großbürgern am heftigsten auf die Nägel brannte, wurde eine große Tätigkeit entwickelt; Regierungskommissionen wurden ernannt, um die Gesundheitsverhältnisse der arbeitenden
Klasse zu untersuchen; ihre Berichte, durch Genauigkeit, Vollständigkeit und Unparteilichkeit vor allen kontinentalen Quellen sich rühmlich auszeichnend, lieferten die Grundlagen zu neuen, mehr oder weniger scharf eingreifenden Gesetzen. So unvollkommen diese Gesetze auch sind, so übertreffen sie doch unendlich alles, was bisher auf dem Kontinent in dieser Richtung geschehn. Und trotzdem erzeugt die kapitalistische Gesellschaftsordnung die Mißstände, um deren Kur es sich handelt, immer wieder mit solcher Notwendigkeit, daß selbst in England die Kur kaum einen einzigen Schritt vorgerückt ist. Deutschland brauchte, wie gewöhnlich, eine weit längere Zeit, bis die auch hier chronisch bestehenden Seuchenquellen zu derjenigen akuten Höhe sich entwickelten, die notwendig war, um das schläfrige Großbürgertum aufzurütteln. Indes, wer langsam geht, geht sicher, und so entstand auch bei uns schließlich eine bürgerliche Literatur der öffentlichen Gesundheit und der Wohnungsfrage, ein wässeriger Auszug ihrer ausländischen, namentlich englischen, Vorgänger, dem man durch volltönende, weihevolle Phrasen den Schein höherer Auffassung anschwindelt. Zu dieser Literatur gehört: Dr. Emil Sax, „Die Wohnungszustände der arbeitenden Classen und ihre Reform", Wien 1869. Ich greife, um die bürgerliche Behandlung der Wohnungsfrage darzulegen, dies Buch nur deswegen heraus, weil es denVersuch macht, die bürgerliche Literatur über den Gegenstand möglichst zusammenzufassen. Und eine schöne Literatur ist es, die unsrem Verfasser als „Quelle" dient! Von den englischen Parlamentsberichten, den wirklichen Hauptquellen, werden nur drei der allerältesten mit Namen genannt; das ganze Buch beweist, daß der Verfasser nie auch nur einen davon angesehn hat; dagegen wird uns eine ganze Reihe von gemeinplätzlich bürgerlichen, wohlmeinend spießbürgerlichen und heuchlerisch philanthropischen Schriften vorgeführt: Ducpetiaux, Roberts, Hole, Huber, die Verhandlungen der englischen Sozialwissenschafts- (oder vielmehr Kohl-) Kongresse, die Zeitschrift des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen in Preußen, der östreichische amtliche Bericht über die Pariser Weltausstellung, die amtlichen bonapartistischen Berichte über dieselbe, die „Illustrierte Londoner Zeitung", „Über Land und Meer" und endlich „eine anerkannte Autorität", ein Mann von „scharfsinniger, praktischer Auffassung", von „überzeugender Eindringlichkeit der Rede", nämlich - Julius Faucherl Es fehlt in dieser Quellenliste nur noch die „Gartenlaube", der „Kladderadatsch" und der Füsilier Kutschke.12211 Damit über den Standpunkt des Herrn Sax kein Mißverständnis aufkommen könne, erklärt er Seite 22:
„Wir bezeichnen mit Sozialökonomie die Volkswirtschaftslehre in ihrer Anwendung auf die sozialen Fragen, genauer ausgedrückt, den Inbegriff der Mittel und Wege, welche uns diese Wissenschaft bietet, auf Grund ihrer ,ehernen Gesetze innerhalb des Rahmens der gegenwärtig herrschenden Gesellschaftsordnung, die sogenannten (!) besitzlosen Klassen auf das Niveau der Besitzenden emporzuheben." Wir gehen nicht ein auf die konfuse Vorstellung, daß die „Volkswirtschaftslehre" oder politische Ökonomie sich überhaupt mit andern als „sozialen" Fragen beschäftige. Wir gehn gleich auf den Hauptpunkt los. Dr. Sax verlangt, die „ehernen Gesetze" der bürgerlichen Ökonomie, der „Rahmen der gegenwärtig herrschenden Gesellschaftsordnung", mit andern Worten, die kapitalistische Produktionsweise soll unverändert bestehn bleiben, und doch sollen die „sogenannten besitzlosen Klassen auf das Niveau der Besitzenden" emporgehoben werden. Nun ist es aber eine unumgängliche Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise, daß eine nicht sogenannte, sondern wirkliche besitzlose Klasse vorhanden ist, die eben nichts zu verkaufen hat als ihre Arbeitskraft, und die daher auch gezwungen ist, den industriellen Kapitalisten diese Arbeitskraft zu verkaufen. Die Aufgabe der von Herrn Sax erfundenen neuen Wissenschaft der Sozialökonomie besteht also darin: die Mittel und Wege zu finden, wie innerhalb eines Gesellschaftszustands, der begründet ist auf dem Gegensatz von Kapitalisten, Inhabern aller Rohmaterialien, Produktionsinstrumente und Lebensmittel einerseits, und von besitzlosen Lohnarbeitern, die nur ihre Arbeitskraft und weiter nichts ihr eigen nennen, andrerseits, wie innerhalb dieses Gesellschaftszustands alle Lohnarbeiter in Kapitalisten verwandelt werden können, ohne aufzuhören, Lohnarbeiter zu sein. Herr Sax meint diese Frage gelöst zu haben. Vielleicht wird er so gut sein, uns zu zeigen, wie man alle Soldaten der französischen Armee, von denen ja seit dem alten Napoleon jeder seinen Marschallstab im Tornister trägt, in Feldmarschälle verwandeln kann, ohne daß sie aufhören, gemeine Soldaten zu sein. Oder wie man es fertig bringt, alle 40 Millionen Untertanen des Deutschen Reichs zu deutschen Kaisern zu machen.
Es ist das Wesen des bürgerlichen Sozialismus, die Grundlage aller Übel der heutigen Gesellschaft aufrechterhalten und gleichzeitig diese Übel abschaffen zu wollen. Die bürgerlichen Sozialisten wollen, wie schon das „Kommunistische Manifest" sagt, „den sozialen Mißständen abhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern", sie wollen „die Bourgeoisie ohne das Proletariat"1. Wir haben gesehn, daß Herr Sax die
Frage genau ebenso stellt. Ihre Lösung findet er in der Lösung der Wohnungsfrage; er ist der Ansicht, daß „durch Verbesserung der Wohnungen der arbeitenden Klassen dem geschilderten leiblichen und geistigen Elend mit Erfolg abzuhelfen und dadurch - durch umfassende Besserung der Wohnungszustände allein - der überwiegende Teil dieser Klassen aus dem Sumpf ihrer oft kaum menschenwürdigen Existenz zu den reinen Höhen materiellen und geistigen Wohlbefindens emporzuheben wäre". (Seite 14.) Nebenbei bemerkt, liegt es im Interesse der Bourgeoisie, die Existenz eines durch die bürgerlichen Produktionsverhältnisse geschaffenenundderen Fortbestand bedingenden Proletariats zu vertuschen. Daher erzählt uns Herr Sax, Seite 21, daß unter arbeitenden Klassen alle „unbemittelten Gesellschaftsklassen", „kleine Leute überhaupt, als Handwerker, Witwen, Pensionisten (!), subalterne Beamte usw." neben den eigentlichen Arbeitern zu verstehn sind. Der Bourgeoissozialismus reicht dem kleinbürgerlichen die Hand. Woher kommt nun die Wohnungsnot? Wie entstand sie? Herr Sax darf als guter Bourgeois nicht wissen, daß sie ein notwendiges Erzeugnis der bürgerlichen Gesellschaftsform ist; daß eine Gesellschaft nicht ohne Wohnungsnot bestehen kann,in der die große arbeitende Masse auf Arbeitslohn, also auf die zu ihrer Existenz und Fortpflanzung notwendige Summe von Lebensmitteln, ausschließlich angewiesen ist; in der fortwährend neue Verbesserungen der Maschinerie usw. Massen von Arbeitern außer Arbeit setzen; in der heftige, regelmäßig wiederkehrende industrielle Schwankungen einerseits das Vorhandensein einer zahlreichen Reservearmee von unbeschäftigten Arbeitern bedingen, andrerseits zeitweilig die große Masse der Arbeiter arbeitslos auf die Straße treiben; in der Arbeiter massenhaft in den großen Städten zusammengedrängt werden, und zwar rascher, als unter den bestehenden Verhältnissen Wohnungen für sie entstehn, in der also für die infamsten Schweineställe sich immer Mieter finden müssen; in der endlich der Hausbesitzer, in seiner Eigenschaft als Kapitalist, nicht nur das Recht, sondern, vermöge der Konkurrenz, auch gewissermaßen die Pflicht hat, aus seinem Hauseigentum rücksichtslos die höchsten Mietpreise herauszuschlagen. In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen auf die Gesundheit usw. nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird. Das aber darf der Bourgeoissozialismus nicht wissen. Er darf sich die Wohnungsnot nicht aus den Verhältnissen erklären. Es bleibt ihm also kein anderes Mittel übrig, als sie mit moralischen Phrasen aus der Schlechtigkeit der Menschen zu erklären, sozusagen aus der Erbsünde.
„Und da ist nicht zu verkennen - und folglich nicht zu leugnen" (kühner Schluß!) „daß die Schuld... einesteils an den Arbeitern selbst liegt, den Wohnungsbegehrenden, andern und zwar weit größeren Teils aber an denjenigen, welche die Befriedigung des Bedürfnisses übernehmen, oder, obwohl sie über die erforderlichen Mittel gebieten, auch nicht übernehmen, an den besitzenden, höheren Gesellschaftsklassen. Die Schuld auf Seiten der letzteren... besteht darin, daß sie es sich nicht angelegen sein lassen, für ausreichendes Angebot guter Wohnungen zu sorgen."
Wie Proudhon uns aus der Ökonomie in die Juristerei, so versetzt uns hier unser Bourgeoissozialist aus der Ökonomie in die Moral. Und nichts ist natürlicher. Wer die kapitalistische Produktionsweise, die „ehernen Gesetze" der heutigen bürgerlichen Gesellschaft, für unantastbar erklärt, und doch ihre mißliebigen, aber notwendigen Folgen abschaffen will, dem bleibt nichts übrig, als den Kapitalisten Moralpredigten zu halten, Moralpredigten, deren Rühreffekt sofort wieder durch das Privatinteresse und nötigenfalls durch die Konkurrenz in Dunst aufgelöst wird. Diese Moralpredigten gleichen genau denen der Henne am Rande des Teichs, auf dem ihre ausgebrüteten Entchen lustig herumschwimmen. Die Entchen gehn aufs Wasser, obwohl es keine Balken, und die Kapitalisten stürzen sich auf den Profit, obwohl er kein Gemüt hat. „In Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf"l222], sagte schon der alte Hansemann, der das besser kannte als Herr Sax.
„Die guten Wohnungen stehn so hoch im Preise, daß es dem größten Teil der Arbeiter ganz und gar unmöglich ist, davon Gebrauch zu machen. Das große Kapital... hält sich von den Wohnungen für die arbeitenden Klassen scheu zurück... So fallen denn diese Klassen mit ihrem Wohnungsbedürfnisse zum größten 1 eil der Spekulation anheim."
Abscheuliche Spekulation - das große Kapital spekuliert natürlich nie! Aber es ist nicht der böse Wille, es ist nur die Unwissenheit, die das große Kapital verhindert, in Arbeiterhäusern zu spekulieren:
„Die Hausbesitzer wissen gar nicht, welch große und wichtige Rolle eine normale Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses... spielt, sie wissen nicht, was sie den Leuten tun, wenn sie ihnen, wie die Regel, sounverantwortlich schlechte, schädliche Wohnungen anbieten, und sie wissen endlich nicht, wie sie sich selbst damit schaden." (Seite 27.)
Die Unwissenheit der Kapitalisten bedarf aber der Unwissenheit der Arbeiter, um mit ihr die Wohnungsnot zu erzeugen. Nachdem Herr Sax zugegeben, daß die „alleruntersten Schichten" der Arbeiter, „um nicht ganz obdachlos zu bleiben, wo und wie immer ein Nachtlager zu suchen bemüßigt (!) und in dieser Beziehung völlig wehr- und hülflos sind", erzählt er uns:
„Denn es ist eine allbekannte Tatsache, wie viele unter ihnen" (den Arbeitern) „aus Leichtsinn, vorwiegend aber aus Unwissenheit, ihrem Körper die Bedingungen naturgemäßer Entwickelung und gesunder Existenz, fast möchte man sagen, mit Virtuosität, entziehn, indem sie von einer rationellen Gesundheitspflege, insbesondere aber davon, welch enorme Bedeutung der Wohnung in dieser zukommt, nicht den mindesten Begriff hahen." (Seite 27.)
Nun aber kommt das bürgerliche Eselsohr heraus. Während bei den Kapitalisten die „Schuld" sich in Unwissenheit verflüchtigte, ist bei den Arbeitern die Unwissenheit nur der Anlaß zur Schuld. Man höre:
„So kommt es" (nämlich durch die Unwissenheit), „daß sie sich, wenn sie nur etwas an der Miete ersparen, in dunkle, feuchte, unzureichende, kurz allen Anforderungen der Hygiene Hohn sprechende Wohnungen ziehn... daß oft mehrere Familien in eine einzige Wohnung, ja, ein einziges Zimmer sich zusammen mieten - alles, um möglichst wenig für die Wohnung auszugeben, während sie daneben auf Trunk und allerlei eitle Vergnügungen ihr Einkommen in wahrhaft sündhafter Weise verschleudern."
Das Geld, das die Arbeiter „auf Branntwein und Tabak verschwenden" (Seite 28), das „Wirtshausleben mit all seinen beklagenswerten Folgen, das wie ein Bleigewicht den Arbeiterstand immer wieder in den Schlamm hinabzieht", liegt Herrn Sax in der Tat wie ein Bleigewicht im Magen. Daß unter den gegebenen Verhältnissen die Trunksucht unter den Arbeitern ein notwendiges Produkt ihrer Lebenslage ist, ebenso notwendig wie Typhus, Verbrechen, Ungeziefer, Gerichtsvollzieher und andere gesellschaftliche Krankheiten, so notwendig, daß man die Durchschnittszahl der der Trunksucht Verfallenden vorher berechnen kann, das darf Herr Sax wieder nicht wissen. Übrigens sagte schon mein alter Elementarlehrer: „Die Gemeinen gehen in das Fuselhaus, und die Vornehmen gehn in den Klub", und da ich in beiden gewesen bin, kann ich die Richtigkeit bezeugen. Das ganze Gerede von der „Unwissenheit" beider Teile läuft hinaus auf die alten Redensarten von der Harmonie der Interessen von Kapital und Arbeit. Wenn die Kapitalisten ihr wahres Interesse kennten, würden sie den Arbeitern gute Wohnungen liefern und sie überhaupt besserstellen; und wenn die Arbeiter ihr wahres Interesse verständen,würdensie nichtstriken, nicht Sozialdemokratie treiben, nicht politisieren, sondern hübsch ihren Vorgesetzten, den Kapitalisten, folgen. Leider finden beide Teile ihre Interessen ganz woanders als in den Predigten des Herrn Sax und seiner zahllosen Vorgänger. Das Evangelium von der Harmonie zwischen Kapital und Arbeit ist nun schon an die fünfzig Jahre gepredigt worden; die bürgerliche Philanthropie hat es sich schweres Geld kosten lassen, diese Harmonie durch
Musteranstalten zu beweisen; und wie wir später sehen werden, sind wir heute grade so weit wie vor fünfzig Jahren. Unser Verfasser geht nun an die praktische Lösung der Frage. Wie wenig revolutionär der Vorschlag Proudhons war, die Arbeiter zu Eigentümern ihrer Wohnungen zu machen, geht schon daraus hervor, daß der bürgerliche Sozialismus diesen Vorschlag schon vor ihm praktisch auszuführen versucht hatte und noch versucht. Auch Herr Sax erklärt, daß die Wohnungsfrage vollständig nur durch Übertragung des Eigentums der Wohnung an die Arbeiter zu lösen sei (S. 58 und 59). Mehr noch, er verfällt in dichterische Verzückung bei diesem Gedanken und bricht in folgenden Begeisterungsschwung aus:
„Es ist etwas Eigentümliches um die im Menschen liegende Sehnsucht nach Grundbesitz, einen Trieb, den selbst das fieberhaft pulsierende Güterleben der Gegenwart nicht abzuschwächen vermochte. Es ist dies das unbewußte Gefühl von der Bedeutung der wirtschaftlichen Errungenschaft, die der Grundbesitz darstellt. Mit ihm bekommt der Mensch einen sicheren Halt, er wurzelt gleichsam fest in dem Boden, und jede Wirtschaft (!) hat in demselben die dauerhafteste Basis. Doch weit über diese materiellen Vorteile reicht die Segenskraft des Grundbesitzes hinaus. Wer so glücklich ist, einen solchen sein zu nennen, hat die denkbar höchste Stufe wirtschaftlicher Unabhängigkeit erreicht; er hat ein Gebiet, worauf er souverän schalten und walten kann, er ist sein eigner Herr, er hat eine gewisse Macht und einen sichern Rückhalt für die Zeit der Not; es wächst sein Selbstbewußtsein und mit diesem seine moralische Kraft. Daher die tiefe Bedeutung des Eigentums in der vorliegenden Frage ... Der Arbeiter, hülflos heute den Wechselfällen der Konjunktur ausgesetzt, in steter Abhängigkeit von dem Arbeitgeber, würde dadurch bis zu einem gewissen Grad dieser prekären Lage entrückt, er würde Kapitalist und gegen die Gefahren der Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit durch den Realkredit, der ihm infolgedessen offenstände, gesichert. Er würde dadurch aus der besitzlosen in die Klasse der Besitzenden emporgehoben." (Seite 63.)
Herr Sax scheint vorauszusetzen, daß der Mensch wesentlich Bauer ist, sonst würde er nicht den Arbeitern unserer großen Städte eine Sehnsucht nach Grundbesitz andichten, die sonst niemand bei ihnen entdeckt hat. Für unsre großstädtischen Arbeiter ist Freiheit der Bewegung erste Lebensbedingung und Grundbesitz kann ihnen nur eine Fessel sein. Verschafft ihnen eigne Häuser, kettet sie wieder an die Scholle, und ihr brecht ihre Widerstandskraft gegen die Lohnherabdrückung der Fabrikanten. Der einzelne Arbeiter mag sein Häuschen gelegentlich verkaufen können, bei einem ernstlichen Strike oder einer allgemeinen Industriekrise1 aber würden sämtliche den betreffenden Arbeitern gehörenden Häuser zum Verkauf auf den
Markt kommen müssen, also gar keine Käufer finden oder weit unter Kostpreis losgeschlagen werden. Und wenn sie alle Käufer fänden, so wäre ja die ganze große Wohnungsreform des Herrn Sax wieder in nichts aufgelöst, und er könnte wieder von vorn anfangen. Indes, Dichter leben in einer Welt der Einbildung, und so auch Herr Sax, der sich einbildet, der Grundbesitzer habe „die höchste Stufe wirtschaftlicher Unabhängigkeit erreicht", er habe „einen sichern Rückhalt", „er würde Kapitalist und gegen die Gefahren der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit durch den Realkredit, der ihm infolgedessen offenstände, gesichert" usw. Herr Sax sehe sich doch die französischen und unsre rheinischen kleinen Bauern an; ihre Häuser und Felder sind mit Hypotheken über und über beschwert, ihre Ernte gehört ihren Gläubigern, ehe sie geschnitten ist, und auf ihrem „Gebiet" schalten und walten nicht sie souverän, sondern der Wucherer, der Advokat und der Gerichtsvollzieher. Das ist allerdings die denkbar höchste Stufe der wirtschaftlichen Unabhängigkeit - für den Wucherer! Und damit die Arbeiter so rasch wie möglich ihr Häuschen unter dieselbe Souveränität des Wucherers bringen, weist sie der wohlwollende Herr Sax vorsorglich auf den ihnen offenstehenden Realkredit hin, den sie in Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit benutzen können, statt der Armenpflege zur Last zu fallen. Jedenfalls hat nun Herr Sax die anfangs gestellte Frage gelöst: der Arbeiter „wird Kapitalist" durch Erwerb eines eignen Häuschens. Kapital ist Kommando über die unbezahlte Arbeit andrer. Das Häuschen des Arbeiters wird also nur Kapital, sobald er es einem Dritten vermietet und in der Gestalt der Miete sich einen Teil des Arbeitsprodukts dieses Dritten aneignet. Dadurch, daß er es selbst bewohnt, wird das Haus gerade daran verhindert, Kapital zu werden, ebenso wie der Rock in demselben Augenblick aufhört, Kapital zu sein, wo ich ihn vom Schneider kaufe und anziehe. Der Arbeiter, der ein Häuschen im Wert von tausend Talern besitzt, ist allerdings kein Proletarier mehr, aber man muß Herr Sax sein, um ihn einen Kapitalisten zu nennen. Das Kapitalistentum unsres Arbeiters hat aber noch ein andre Seite. Nehmen wir an, in einer gegebenen Industriegegend sei es die Regel geworden, daß jeder Arbeiter sein eignes Häuschen besitzt. In diesem Fall wohnt die Arbeiterklasse jener Gegend frei; Unkosten für Wohnung gehn nicht mehr ein in den Wert ihrer Arbeitskraft. Jede Verringerung der Erzeugungskosten der Arbeitskraft, d.h. jede dauernde Preiserniedrigung der Lebensbedürfnisse des Arbeiters kommt aber „auf Grund der ehernen Gesetze der Volkswirtschaftslehre" einer Herabdrückung des Werts der Arbeitskraft gleich und hat daher schließlich einen entsprechenden Fall im
Arbeitslohn zur Folge. Der Arbeitslohn würde also durchschnittlich um den ersparten Durchschnittsmietbetrag fallen, d.h. der Arbeiter würde die Miete für sein eignes Haus zahlen, aber nicht, wie früher, in Geld an den Hausbesitzer, sondern in unbezahlter Arbeit an den Fabrikanten, für den er arbeitet. Auf diese Weise würden die im Häuschen angelegten Ersparnisse des Arbeiters allerdings gewissermaßen zu Kapital, aber Kapital nicht für ihn, sondern für den ihn beschäftigenden Kapitalisten. Herr Sax bringt es also nicht einmal auf demPapier fertig, seinen Arbeiter in einen Kapitalisten zu verwandeln. Beiläufig bemerkt, gilt das oben Gesagte von allen sogenannten sozialen Reformen, die auf Sparen oder auf Verwohlfeilung der Lebensmittel des Arbeiters hinauslaufen. Entweder werden sie allgemein, und dann folgt ihnen eine entsprechende Lohnherabsetzung, oder aber sie bleiben ganz vereinzelte Experimente, und dann beweist ihr bloßes Dasein als einzelne Ausnahme, daß ihre Durchführung im großen mit der bestehnden kapitalistischen Produktionsweise unvereinbar ist. Nehmen wir an, in einer Gegend gelinge es, durch allgemeine Einführung von Konsumvereinen die Lebensmittel der Arbeiter um 20 Prozent wohlfeiler zu machen; so müßte der Arbeitslohn auf die Dauer dort um annähernd 20 Prozent fallen, d.h. in demselben Verhältnis, in dem die betreffenden Lebensmittel in den Lebensunterhalt der Arbeiter eingehn. Verwendet der Arbeiter z.B. durchschnittlich drei Viertel seines Wochenlohns auf diese Lebensmittel, so fällt der Arbeitslohn schließlich um 3/4 X 20 = 15 Prozent. Kurzum: sobald eine derartige Sparreform allgemein geworden, erhält der Arbeiter in demselben Verhältnis weniger Lohn, als ihm seine Ersparnisse erlauben, wohlfeiler zu leben. Gebt jedem Arbeiter ein erspartes, unabhängiges Einkommen von 52 Taler, und sein Wochenlohn muß schließlich um einen Taler sinken. Also: je mehr er spart, desto weniger Lohn erhält er. Er spart also nicht in seinem eignen Interesse, sondern in dem des Kapitalisten. Was bedarf es mehr, in ihm „die erste wirtschaftliche Tugend, den Sparsinn ... auf das mächtigste anzuregen"? (S.64.) Übrigens sagt uns Herr Sax auch gleich darauf, daß die Arbeiter Hausbesitzer werden sollen nicht sowohl in ihrem eignen Interesse, als in dem der Kapitalisten: „Doch nicht der Arbeiterstand, auch die Gesellschaft im ganzen hat das höchste Interesse daran, möglichst viele ihrer Glieder mit dem Boden verknüpft (!) zu sehen" (ich möchte Herrn Sax wohl einmal in dieser Positur sehn) 1 Alle die geheimen
1 Im „Volksstaat" eingefügt: der Grundbesitz ... vermindert die Zahl derjenigen, die gegen die Herrschaft der besitzenden Klasse ankämpfen...
16 Marx/Engels, Werke, Bd. !8
Kräfte, die den Vulkan, die soziale Frage genannt, der unter unsern Füßen glüht, entflammen, die proletarische Verbitterung, der Haß... die gefährlichenBegriffsverwirrungen... sie müssen zerstäuben wie die Nebel vor der Morgensonne, wenn... die Arbeiter selbst auf jenem Wege in die Klasse der Besitzenden übergehen." (S.65.) In andern Worten: Herr Sax hofft, daß die Arbeiter durch eine Verschiebung ihrer proletarischen Stellung, wie sie der Hauserwerb herbeiführen müßte, auch ihren proletarischen Charakter verlieren und wieder gehorsame Duckmäuser werden gleich ihren ebenfalls hausbesitzenden Vorfahren. Die Proudhonisten mögen sich das zu Gemüte führen.
Hiermit glaubt Herr Sax die soziale Frage gelöst zu haben:
„Die gerechtere Verteilung der Güter, das Sphinxrätsel, an dessen Lösung sich schon viele vergeblich versuchten, liegt sie nicht so als greifbares Faktum vor uns, ist sie nicht damit den Regionen der Ideale entrückt und in den Bereich der Wirklichkeit getreten? Und wenn realisiert, ist damit nicht eins der höchsten Ziele erreicht, das selbst die Sozialisten der extremsten Richtung als den Gipfelpunkt ihrer Theorien hinstellen?"(S.66.)
Es ist ein wahres Glück, daß wir uns bis hierher durchgearbeitet haben. Dieser Jubelruf bildet nämlich den „Gipfelpunkt" des Saxschen Buchs, und von jetzt an geht es wieder sachte bergunter, aus „den Regionen der Ideale" auf die platte Wirklichkeit, und wenn wir unten ankommen, werden wir finden, daß sich nichts, aber auch gar nichts in unsrer Abwesenheit geändert hat. Den ersten Schritt bergab läßt uns unser Führer tun, indem er uns belehrt, daß es zwei Systeme von Arbeiterwohnungen gibt: das Cottagesystem, wo jede Arbeiterfamilie ihr eignes Häuschen und womöglich Gärtchen hat, wie in England, und das Kasernensystem der großen, viele Arbeiterwohnungen enthaltenden Gebäude, wie in Paris, Wien usw. Zwischen beiden stehe das in Norddeutschland übliche System. Nun sei zwar das Cottagesystem das einzig richtige, und das einzige, wobei der Arbeiter das Eigentum an seinem Hause erwerben könne; auch habe das Kasernensystem sehr große Nachteile für Gesundheit, Moralität und häuslichen Frieden - aber leider, leider sei das Cottagesystem grade in den Mittelpunkten der Wohnungsnot, in den großen Städten, wegen der Bodenteurung unausführbar, und man könne noch froh sein, wenn man dort, statt großer Kasernen, Häuser zu 4 bis 6 Wohnungen errichte oder den Hauptmängeln des Kasernensystems durch allerhand bauliche Künsteleien abhelfe. (S. 71-92.) Nicht wahr, wir sind schon ein gutes Stück heruntergekommen? Die Verwandlung der Arbeiter in Kapitalisten, die Lösung der sozialen Frage,
das jedem Arbeiter eigentümlich gehörende Haus - das alles ist oben in „den Regionen der Ideale" geblieben; wir haben uns nur noch damit zu beschäftigen, das Cottagesystem auf dem Lande einzuführen und in den Städten die Arbeiterkasernen so erträglich wie möglich einzurichten. Die bürgerliche Lösung der Wohnungsfrage ist also eingestandenermaßen gescheitert - gescheitert an dem Gegensatz Von Stadt und Land. Und hier sind wir an dem Kernpunkt der Frage angelangt. Die Wohnungsfrage ist erst dann zu lösen, wenn die Gesellschaft weit genug umgewälzt ist, um die Aufhebung des von der jetzigen kapitalistischen Gesellschaft auf die Spitze getriebenen Gegensatzes von Stadt und Land in Angriff zu nehmen. Die kapitalistische Gesellschaft, weit entfernt, diesen Gegensatz aufheben zu können, muß ihn im Gegenteil täglich mehr verschärfen. Dagegen haben schon die ersten modernen utopistischen Sozialisten, Owen und Fourier, dies richtig erkannt. In ihren Mustergebäuden existiert der Gegensatz von Stadt und Land nicht mehr. Es findet also das Gegenteil statt von dem, was Herr Sax behauptet: nicht die Lösung der Wohnungsfrage löst zugleich die soziale Frage, sondern erst durch die Lösung der sozialen Frage, d.h. durch die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, wird zugleich die Lösung der Wohnungsfrage möglich gemacht. Die Wohnungsfrage lösen wollen und die modernen großen Städte forterhalten wollen, ist ein Widersinn. Die modernen großen Städte werden aber beseitigt erst durch die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, und wenn diese erst in Gang gebracht, wird es sich um ganz andere Dinge handeln, als jedem Arbeiter ein ihm zu eigen gehörendes Häuschen zu verschaffen. Zunächst wird aber jede soziale Revolution die Dinge nehmen müssen, wie sie sie findet, und den schreiendsten Übeln mit den vorhandenen Mitteln abhelfen müssen. Und da haben wir schon gesehn, daß der Wohnungsnot sofort abgeholfen werden kann durch Expropriation eines Teils der den besitzenden Klassen gehörenden Luxuswohnungen und durch Bequartierung des übrigen Teils. Wenn nun Herr Sax im Verfolg wieder aus den großen Städten herausgeht und ein langes und breites redet über Arbeiterkolonien, die neben den Städten angelegt werden sollen, wenn er alle die Schönheiten solcher Kolonien schildert, mit ihrer gemeinsamen „Wasserleitung, Gasbeleuchtung, Luft- oder Warmwasserheizung, Waschküchen, Trockenstuben, Badekammern u. dgl.", mit „Kleinkinderbewahranstalt, Schule, Betsaal (!), Lesezimmer, Bibliothek... Wein- und Bierstube, Tanz- und Musiksaal in allen Ehren", mit Dampfkraft, die in alle Häuser geleitet werden undso „die Produktion in gewissem Umfang aus den Fabriken in die häusliche Werk
Stätte zurückverlegen" kann - so ändert das an der Sache nichts. Die Kolonie, wie er sie schildert, ist von Herrn Huber den Sozialisten Owen und Fourier direkt abgeborgt und bloß durch Abstreifung alles Sozialistischen total verbürgert. Dadurch aber wird sie erst recht utopistisch. Kein Kapitalist hat ein Interesse daran, solche Kolonien anzulegen, wie denn auch nirgendwo in der Welt eine solche besteht, außer in Guise in Frankreich; und diese ist gebaut von einem Fourieristen, nicht als rentable Spekulation, sondern als sozialistisches Experiment.* Ebensogut hätte Herr Sax die im Anfang der vierziger Jahre von Owen in Hampshire gegründete und längst untergegangene kommunistische Kolonie Harmony Hall12241 zugunsten seiner bürgerlichen Projektenmacherei anführen können. Indes ist all dies Gerede von Kolonisation nur ein lahmer Versuch, wieder in die „Regionen der Ideale" emporzufliegen, der auch sofort wieder fallengelassen wird. Wir gehn nun wieder flott bergab. Die einfachste Lösung ist nun die,
„daß die Arbeitgeber, die Fabrikherren, den Arbeitern zu entsprechenden Wohnungen verhelfen, sei es, daß sie diese selbst herstellen, sei es, daß sie die Arbeiter zu eigner Bautätigkeit aufmuntern und unterstützen, indem sie ihnen Grund und Boden zur Verfügung stellen, das Baukapital vorschießen usw." (S. 106.)
Hiermit sind wir wieder aus den großen Städten heraus, wo von alledem keine Rede sein kann, und aufs Land zurückversetzt. Herr Sax beweist nun, daß es hier im Interesse der Fabrikanten selbst liegt, ihren Arbeitern zu erträglichen Wohnungen zu verhelfen, einerseits als gute Kapitalanlage, andrerseits, weil die daraus unfehlbar
„resultierende Hebung der Arbeiter... eine Steigerung ihrer körperlichen und geistigen Arbeitskraft nach sich ziehen muß, was natürlich... nicht minder... dem Arbeitgeber zugute kommt. Damit ist aber auch der rechte Gesichtspunkt für die Beteiligung der letztern an der Wohnungsfrage gegeben: Sie erscheint als Ausfluß der latenten Assoziation, der meist unter dem Gewände humanitärer Bestrebungen verborgenen Sorge der Arbeitgeber für das leibliche und wirtschaftliche, geistige und sittliche Wohl ihrer Arbeiter, welche sich durch ihre Erfolge, Heranziehung und Sicherung einer tüchtigen, geschickten, willigen, zufriedenen und ergebenen Arbeiterschaft von selbst pekuniär entlohnt." (S.108.) Die Phrase der „latenten Assoziation", womit Huber[2251 dem bürgerlich-philanthropischen Gefasel einen „höheren Sinn" unterzuschieben ver»
* Und auch diese ist schließlich eine bloße Heimat der Arbeiter-Ausbeutung geworden. Siehe den Pariser „Socialiste"!223!, Jahrgang 1886. [Anmerkung von Engels zur Ausgabe Von 1887.]
suchte, ändert an der Sache nichts. Auch ohne diese Phrase haben die großen ländlichen Fabrikanten, namentlich in England, längst eingesehn, daß die Anlage von Arbeiterwohnungen nicht nur eine Notwendigkeit, ein Stück der Fabrikanlage selbst ist, sondern sich auch sehr gut rentiert. In England sind auf diese Weise ganze Dörfer entstanden, von denen manche sich später zu Städten entwickelt haben. Die Arbeiter aber, statt den menschenfreundlichen Kapitalisten dankbar zu sein, haben von jeher sehr bedeutende Einwendungen gegen dies „Cottagesystem" gemacht. Nicht nur, daß sie Monopolpreise für die Häuser zahlen müssen, weil der Fabrikant keine Konkurrenten hat; sie sind bei jedem Strike sofort obdachlos, da der Fabrikant sie ohne weiteres an die Luft setzt und dadurch jeden Widerstand sehr erschwert. Das Nähere kann man in meiner „Lage der arbeitenden Klasse in England" S. 224 und 2281 nachlesen. Aber Herr Sax meint, dergleichen „verdiene doch kaum eine Widerlegung". (S. III.) Und will er nicht dem Arbeiter das Eigentum an seinem Häuschen verschaffen? Allerdings, aber da „die Arbeitgeber in der Lage sein müßten, über die Wohnung stets zu verfügen, um, wenn sie einen Arbeiter entlassen, für den Ersatzmann Raum zu haben", so - nun ja, so müßte „durch Verabredung der Widerruflichkeit des Eigentums für jene Fälle vorgesehen werden"! (S. 113.)* Diesmal sind wir unerwartet rasch heruntergekommen. Erst hieß es: Eigentum des Arbeiters an seinem Häuschen; dann erfahren wir, daß das in den Städten unmöglich und nur auf dem Lande durchführbar; jetzt wird uns erklärt, daß dies Eigentum auch auf dem Lande nur ein „durch Verabredung widerrufliches" sein soll! Mit dieser von Herrn Sax neu entdeckten Sorte von Eigentum für die Arbeiter, mit dieser ihrer Verwandlung in
* Auch hierin haben die englischen Kapitalisten längst alle Herzenswünsche des Herrn Sax nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Montag, den 14-Oktober 1872, hatte in Morpeth der Gerichtshof zur Feststellung der Parlaments-Wählerlisten über den Antrag von 2000 Bergarbeitern auf Eintragung ihrer Namen in die Liste zu entscheiden. Es stellte sich heraus, daß der größte Teil dieser Leute nach dem Reglement der Grube, wo sie arbeiteten, nicht als Mieter der von ihnen bewohnten Häuschen, sondern nur als darin geduldet anzusehn seien und ohne jede Kündigung jederzeit an die Luft gesetzt werden konnten. (Grubenbesitzer und Hauseigentümer waren natürlich eine und dieselbe Person.) Der Richter entschied, daß diese Leute keine Mieter, sondern Knechte seien und als solche zur Eintragung nicht berechtigt. („Daily News", 15.Oktober 1872.)
„durch Verabredung widerrufliche" Kapitalisten, sind wir glücklich wieder auf ebener Erde angekommen und haben hier zu untersuchen, was die Kapitalisten und sonstigenPhilanthropen zur Lösung der Wohnungsfrage wirklich getan haben.
II
Wenn wir unserm Dr. Sax glauben dürfen, so ist von Seiten der Herren Kapitalisten schon jetzt Bedeutendes zur Abhülfe der Wohnungsnot geleistet und der Beweis geliefert worden, daß die Wohnungsfrage auf Grund der kapitalistischen Produktionsweise lösbar ist. Vor allen Dingen führt uns Herr Sax an - das bonapartistische Frankreich! Louis Bonaparte ernannte bekanntlich zur Zeit der Pariser Weltausstellung eine Kommission, scheinbar um über die Lage der arbeitenden Klassen Frankreichs zu berichten, in der Tat, um zum größern Ruhm des Kaiserreichs diese Lage als eine wahrhaft paradiesische zu schildern. Und auf den Bericht dieser aus den korruptesten Werkzeugen des Bonapartismus zusammengesetzten Kommission beruft sich Herr Sax, besonders auch, weil die Resultate ihrer Arbeit „nach dem eigenen Ausspruch des damit betrauten Komitees für Frankreich ziemlich vollständig" sind! Und was sind diese Resultate? Von 89 Großindustriellen resp. Aktiengesellschaften, welche Auskunft erteilten, haben 31 keine Arbeiterwohnungen errichtet; die errichteten Wohnungen beherbergen nach Sax' eigner Schätzung höchstens 50000-60000 Köpfe, und die Wohnungen bestehn fast ausschließlich nur aus zwei Zimmern für jede Familie! Es ist selbstredend, daß jeder Kapitalist, den die Bedingungen seiner Industrie - Wasserkraft, Lage der Kohlengruben, Eisensteinlager und sonstigen Bergwerke usw. - an eine bestimmte ländliche Lokalität fesseln, Wohnungen für seine Arbeiter bauen muß, wenn keine vorhanden sind. Darin einen Beweis der Existenz der „latenten Assoziation", „ein sprechendes Zeugnis für die Zunahme des Verständnisses der Sache und ihrer hohen Tragweite", einen „viel verheißenden Anfang" (S. 115) zu sehn, dazu gehört eine stark entwickelte Gewohnheit, sich selbst etwas aufzubinden. Übrigens unterscheiden sich die Industriellen der verschiedenen Länder auch hierin nach ihrem jedesmaligen Nationalcharakter. Z.B. erzählt uns Herr Sax S. 117:
„ In England macht sich erst in neuester Zeit eine gesteigerte Tätigkeit der Arbeitgeber in dieser Richtung bemerkbar. Namentlich sind es die abgelegenen Weiler auf dem Lande... Der Umstand, daß die Arbeiter sonst häufig von der nächsten Ortschaft
einen weiten Weg zur Fabrik zurückzulegen haben und, schon erschöpft daselbst anlangend, ungenügende Arbeit leisten, ist es vorwiegend, welcher den Arbeitgebern den Beweggrund zum Baue von Wohnungen für ihre Arbeitskräfte abgibt. Indes mehrt sich auch die Zahl derjenigen, welche, in tieferer Auffassung der Verhältnisse, mit der Wo hnungsre/orm auch mehr oder weniger alle sonstigen Elemente der latenten Assoziation in Verbindung bringen, und diesen danken jene blühenden Kolonien ihr Entstehen... Die Namen eines Ashton in Hyde, Ashworth in Turton, Grant in Bury, Greg in Bollington, Marshall in Leeds, Strutt in Belper, Salt in Saltaire, Ackroyd in Copley u.a. sind im Vereinigten Königreiche um dessentwillen wohlbekannt." Heilige Einfalt und noch heiligere Unwissenheit! Erst in der „neuesten Zeit" haben die englischen ländlichen Fabrikanten Arbeiterwohnungen gebaut! Nein, lieber Herr Sax, die englischen Kapitalisten sind wirkliche Großindustrielle, nicht nur dem Beutel, sondern auch dem Kopfe nach. Lange ehe man in Deutschland eine wirklich große Industrie besaß, hatten sie eingesehn, daß bei ländlicher Fabrikation die Auslage für Arbeiterwohnungen ein notwendiger, direkt und indirekt sehr rentabler Teil des Gesamtanlagekapitals ist. Lange ehe der Kampf zwischen Bismarck und den deutschen Bourgeois den deutschen Arbeitern die Koalitionsfreiheit schenkte, hatten die englischen Fabrikanten, Bergwerks- und Hüttenbesitzer praktisch erfahren, welchen Druck sie auf strikende Arbeiter ausüben können, wenn sie gleichzeitig die Mietsherren dieser Arbeiter sind. „Die blühenden Kolonien" eines Greg, eines Ashton, eines Ashworth gehören so sehr der „neuesten Zeit" an, daß sie schon vor 40 Jahren von der Bourgeoisie als Muster ausposaunt wurden, wie ich das selbst schon vor 28 Jahren beschrieben („Lage der arbeitenden Klasse, Seite 228- 230, Anmerkung1). Etwa ebenso alt sind die von Marshall und Akroyd (so schreibt sich der Mann) und noch viel älter, ins vorige Jahrhundert in ihren Anfängen zurückreichend, ist die von Strutt. Und da in England die durchschnittliche Dauer einer Arbeiterwohnung auf 40 Jahre angenommen wird, so kann Herr Sax sich selbst an den Fingern abzählen, in welchem verfallenen Zustand sich diese „blühenden Kolonien" jetzt befinden. Zudem liegt die Mehrzahl dieser Kolonien jetzt nicht mehr auf dem Lande; die kolossale Ausdehnung der Industrie hat die meisten von ihnen derart mit Fabriken und Häusern umgeben, daß sie mitten in schmutzigen und rauchigen Städten von 20000 bis 30 000 und mehr Einwohnern liegen; was die durch Herrn Sax repräsentierte deutsche Bourgeoisiewissenschaft nicht verhindert, die alten englischen Lobgesänge von 1840, die gar nicht mehr anwendbar sind, noch heute getreulichst nachzubeten.
Und nun gar der alte Akroyd!1 Dieser brave Mann war allerdings ein Philanthrop vom reinsten Wasser. Er liebte seine Arbeiter und besonders seine Arbeiterinnen so sehr, daß seine weniger menschenfreundlichen Konkurrenten in Yorkshire von ihm zu sagen pflegten: er treibe seine Fabrik ausschließlich mit seinen eignen Kindern! Allerdings behauptet Herr Sax, daß in diesen blühenden Kolonien „uneheliche Geburten immer seltener werden" (Seite 118). Jawohl, uneheliche Geburten außer der Ehe; die hübschen Mädchen verheiraten sich in den englischen Fabrikdistrikten nämlich sehr jung. In England ist die Anlage von Arbeiterwohnungen dicht neben jeder großen ländlichen Fabrik, und gleichzeitig mit der Fabrik, die Regel gewesen seit 60 Jahren und mehr. Wie schon erwähnt, sind viele solcher Fabrikdörfer der Kern geworden, um den sich später eine ganze Fabrikstadt angesetzt hat, mit allen den Übelständen, die eine Fabrikstadt mit sich bringt. Diese Kolonien haben also die Wohnungsfrage nicht gelöst, sie haben sie in ihrer Lokalität erst geschaffen. Dagegen in den Ländern, die England auf dem Gebiet der großen Industrie nur nachgehinkt sind, und die eigentlich erst seit 1848 kennengelernt haben, was eine große Industrie ist, in Frankreich und besonders2 in Deutschland ist es ganz anders. Hier sind es nur kolossale Hüttenwerke und Fabriken, die sich nach langem Zaudern zum Bau einiger Arbeiterwohnungen entschließen - wie das Schneidersche Werk in Creusot und das Kruppsche in Essen. Die große Mehrzahl der ländlichen Industriellen läßt ihre Arbeiter in Hitze, Schnee und Regen meilenweit morgens zur Fabrik und abends wieder nach Hause traben. Dies ist besonders in gebirgigen Gegenden der Fall - in den französischen und Elsasser Vogesen, wie an der Wupper, Sieg, Agger, Lenne und anderen rheinisch-westfälischen Flüssen. Im Erzgebirge wird's nicht besser sein. Es ist dieselbe kleinliche Knickerei bei Deutschen wie bei Franzosen. Herr Sax weiß sehr gut, daß sowohl der vielversprechende Anfang wie die blühenden Kolonien weniger als nichts bedeuten. Er sucht also jetzt den Kapitalisten zu beweisen, welche prächtige Renten sie aus der Anlage von Arbeiterwohnungen ziehen können. Mit andern Worten, er sucht ihnen einen neuen Weg anzuzeigen, die Arbeiter zu prellen. Zuerst hält er ihnen das Exempel einer Reihe von Londoner Baugesellschaften vor, welche, teils philanthropischer, teils spekulativer Natur, einen
1 Im „Volksstaat": Und nun gar der alte A - ich will den Namen nicht nennen, er ist längst tot und begraben! - 2 im „Volksstaat" fehlt: besonders
Reinertrag von 4 bis 6% und mebr erzielt baben. Daß Kapital, in Arbeiterwohnungen angelegt, sich gut rentiert, braucht uns Herr Sax nicht erst zu beweisen. Der Grund, weshalb nicht mehr darin angelegt wird als geschieht, ist der, daß teurere Wohnungen sich dem Eigentümer noch besser rentieren. Herrn Sax' Mahnung an die Kapitalisten läuft also wieder auf bloße Moralpredigt hinaus. Was nun diese Londoner Baugesellschaften angeht, deren glänzende Erfolge Herr Sax so laut ausposaunt, so haben sie laut seiner eignen Aufzählung - und darin ist jede beliebige Bauspekulation mit aufgeführt - im ganzen Unterkommen für 2132 Familien und für 706 einzelne Männer hergestellt, also für unter 15 000 Personen! Und dergleichen Kindereien wagt man in Deutschland ernsthaft als große Erfolge aufzuführen, während im Ostteil von London allein eine Million Arbeiter in den elendesten Wohnungszuständen leben? Diese sämtlichen philanthropischen Bestrebungen sind in der Tat so erbärmlich nichtig, daß in den englischen Parlamentsberichten, die sich mit der Lage der Arbeiter befassen, ihrer nie auch nur Erwähnung getan wird. Von der lächerlichen Unkenntnis Londons, die sich in diesem ganzen Abschnitt breitmacht, wollen wir hier gar nicht sprechen. Nur eins. Herr Sax meint, das Logierhaus für einzelne Männer in Soho1 sei eingegangen, weil in dieser Gegend „auf zahlreiche Kundschaft nicht zu rechnen" war. Herr Sax stellt sich nämlich das ganze Westend von London als eine einzige Luxusstadt vor und weiß nicht, daß dicht hinter den elegantesten Straßen die schmutzigsten Arbeiterviertel liegen, von denen z.B. Soho eins ist. Das Musterlogierhaus in Soho, von dem er spricht und das ich schon vor 23 Jahren kannte, hatte anfangs Zuspruch die Menge, ging aber ein, weil kein Mensch es darin aushalten konnte. Und dabei war es noch eins der besten. Aber die Arbeiterstadt von Mülhausen im Elsaß, - das ist doch ein Erfolg? Die Arbeiterstadt in Mülhausen ist das große Paradepferd der kontinentalen Bourgeois, grade wie die weiland blühenden Kolonien von Ashton, Ashworth, Greg und Konsorten das der englischen. Leider ist sie kein Produkt der „latenten" Assoziation, sondern der offenen Assoziation zwischen dem zweiten französischen Kaisertum und den Elsasser Kapitalisten. Sie war eins von Louis Bonapartes sozialistischen Experimenten, zu dem der Staat 1js des Kapitals vorschoß. Sie hat in 14 Jahren (bis 1867) 800 kleine
Häuschen nach einem mangelhaften, in England, wo man dies besser versteht, unmöglichen System gebaut, und überläßt diese den Arbeitern gegen monatliche Bezahlung eines erhöhten Mietbetrags nach 13 bis 15 Jahren als Eigentum. Diese Art der Eigentumserwerbung, in den englischen genossenschaftlichen Baugesellschaften, wie wir sehen werden, längst eingeführt, brauchte von den Elsasser Bonapartisten nicht erst erfunden zu werden. Die Mietaufschläge für den Ankauf der Häuser sind im Verhältnis zu den englischen ziemlich stark; der Arbeiter erhält z.B., nachdem er 4500 Franken in fünfzehn Jahren nach und nach eingezahlt hat, ein Haus, das vor 15 Jahren 3300 Franken wert war. Falls der Arbeiter wegziehen will oder auch nur mit einer einzigen Monatszahlung im Rückstand bleibt (in welchem Fall er herausgesetzt werden kann), berechnet man ihm 62/3% des ursprünglichen Hauswerts als jährliche Miete (z.B. 17 Franken monatlich bei 3000 Franken Hauswert), und zahlt ihm den Rest heraus, aber ohne einen Pfennig Zinsen. Daß dabei die Gesellschaft, abgesehen von der „Staatshülfe", fett werden kann, begreift sich; ebensowohl begreift sich, daß die unter diesen Urnständen gelieferten Wohnungen, schon weil vor der Stadt, halb ländlich, angelegt, besser sind als die alten Kasernenwohnungen in der Stadt selbst. Von den paar erbärmlichen Experimenten in Deutschland, deren Jämmerlichkeit selbst Herr Sax, Seite 157, anerkennt, sagen wir kein Wort. Was beweisen nun alle diese Exempel? Einfach, daß die Anlage von Arbeiter Wohnungen, selbst wenn nicht alle Gesetze der Gesundheitspflege mit Füßen getreten worden, sich kapitalistisch rentiert. Das aber ist nie bestritten worden, das wußten wir alle längst. Jede Kapitalanlage, die ein Bedürfnis befriedigt, rentiert sich bei rationellem Betrieb. Die Frage ist grade: warum trotzdem die Wohnungsnot fortbesteht, warum trotzdem die Kapitalisten nicht für hinreichende gesunde Wohnungen für die Arbeiter sorgen? Und da hat Herr Sax eben wieder nur Ermahnungen an das Kapital zu richten und bleibt uns die Antwort schuldig. Die wirkliche Antwort auf diese Frage haben wir oben schon gegeben. Das Kapital, das ist jetzt endgültig festgestellt, will die Wohnungsnot nicht abschaffen, selbst wenn es könnte. Bleiben nur zwei andere Auskunftsmittel: die Selbsthülfe der Arbeiter und die Staatshülfe. Herr Sax, ein begeisterter Verehrer der Selbsthülfe, weiß auch auf dem Gebiet der Wohnungsfrage Wunderdinge von ihr zu berichten. Leider muß er gleich im Anfang zugeben, daß sie nur da etwas leisten kann, wo das Cottagesystem entweder besteht oder doch durchführbar ist, also wiederum
nur auf dem Lande; in den großen Städten, auch in England, nur in sehr beschränktem Maßstab. Dann, seufzt Herr Sax,
„kann sich die Reform durch dieselbe" (die Selbsthülfe) „nur auf einem Umwege, daher stets nur unvollkommen vollziehen, nämlich nur insofern, als eben dem Prinzip des Eigenbesitzes eine auf die Qualität der Wohnung rückwirkende Kraft zukommt".
Auch dies wäre in Zweifel zu ziehn; jedenfalls hat „das Prinzip des Eigenbesitzes" auf die „Qualität" des Stils unsres Verfassers keineswegs reformierend zurückgewirkt. Trotz alledem hat die Selbsthülfe in England solche Wunder getan,
„daß dadurch alles, was dort zur Lösung der Wohnungsfrage nach anderen Richtungen hin geschehen ist, Weii überholt wird. Es sind dies die englischen buildingsocieties1", die Herr Sax auch besonders deswegen weitläufiger behandelt, weil „über ihr Wesen und Wirken im allgemeinen sehr ungenügende oder irrige Vorstellungen verbreitet sind. Die englischen building societies sind keineswegs ... Baugesellschaften oder Baugenossenschaften, sie sind vielmehr... im Deutschen etwa durch: .Hauserwerbvereine' zu bezeichnen; sie sind Vereine mit dem Zwecke, durch periodische Beiträge der Mitglieder einen Fonds anzusammeln, und daraus, eben nach Maßgabe der Mittel, den Mitgliedern zum Ankauf eines Hauses Darlehen zu gewähren... Die building society ist somit für den einen Teil ihrer Mitglieder ein Sparverein, für den andern Teil eine Vorschußkasse. - Die building societies sind also für die Bedürfnisse des Arbeiters berechnete Hypothekarkreditanstalten, welche hauptsächlich... die Ersparnisse der Arbeiter... den Standesgenossen der Einleger zum Ankauf oder Bau eines Hauses zuwenden. Wie vorauszusetzen, werden diese Darlehen gegen Verpfändung der betreffenden Realität und in der Weise konstituiert, daß die Tilgung derselben in kurzen Ratenzahlungen erfolgt, welche Verzinsung und Amortisation in sich vereinen... Die Verzinsung wird den Einlegern nicht ausbezahlt, sondern stets auf Zinseszins gutgeschrieben ... Die Rückforderung der Einlagen samt den angewachsenen Interessen... kann gegen monatliche Kündigung jeden Augenblick erfolgen." (Seite 170-172.) „Es bestehen in England über 2000 solcher Vereine, ... das in ihnen angesammelte Kapital beläuft sich auf etwa 15 000 000 Pfund Sterling, und an 100 000 Arbeiterfamilien sind auf diesem Wege bereits zu dem Besitze eines eignen häuslichen Herdes gelangt; eine soziale Errungenschaft, der sicherlich nicht bald eine andre an die Seite zu stellen." (Seite 174.)
Leider kommt auch hier das „Aber" dicht hinterdrein gehinkt:
„Eine vollendete Lösung der Frage ist indes damit noch keineswegs erreicht. Schon aus dem Grunde nicht, weil der Hauserwerb nur den bessergestellten Arbeitern... offensteht... Namentlich die sanitären Rücksichten sind oft nicht genügend beobachtet." (Seite 176.)
Auf dem Kontinent finden „derartige Vereine... nur ein geringes Terrain zur Entfaltung vor". Sie setzen das Cottagesystem voraus, das hier nur auf dem Lande besteht; auf dem Lande aber sind die Arbeiter zur Selbsthülfe noch nicht entwickelt genug. Andrerseits in den Städten, wo sich eigentliche Baugenossenschaften bilden könnten, stehn ihnen „sehr erhebliche und ernste Schwierigkeiten mannigfacher Art entgegen". (Seite 179.) Sie könnten eben nur Cottages bauen, und das geht in den großen Städten nicht. Kurzum, „dieser Form der genossenschaftlichen Selbsthülfe" kann „nach den heutigen Verhältnissen - und auch kaum in naher Zukunft - die Hauptrolle in der Lösung der vorliegenden Frage wohl nicht zufallen". Diese Baugenossenschaften befinden sich nämlich noch „im Stadium der ersten, unentwickelten Anfänge". „Dies gilt selbst für England." (Seite'l 81.) Also: die Kapitalisten wollen nicht und die Arbeiter können nicht. Und damit könnten wir diesen Abschnitt schließen, wenn es nicht unbedingt nötig wäre, über die englischen building societies, die die Bourgeois von der Couleur Schulze-Delitzsch unsern Arbeitern stets als Muster vorhalten, einige Aufklärung zu geben. Diese building societies sind weder Arbeitergesellschaften, noch ist ihr Hauptzweck, Arbeitern eigne Häuser zu verschaffen. Wir werden im Gegenteil sehn, daß dies nur sehr ausnahmsweise geschieht. Die building societies sind wesentlich spekulierender Natur, die kleinen, welche die ursprünglichen sind, nicht weniger als ihre großen Nachahmer. In einem Wirtshaus tun sich, auf Betrieb gewöhnlich des Wirts, bei dem dann die wöchentlichen Versammlungen stattfinden, eine Anzahl Stammgäste und deren Freunde, Krämer, Kommis, Handlungsreisende, Kleinmeister und andres Kleinbürgertum - hier und da auch ein Maschinenbauer oder sonstiger zur Aristokratie seiner Klasse gehöriger Arbeiter - zu einer Baugenossenschaft zusammen; die nächste Veranlassung ist gewöhnlich, daß der Wirt ein verhältnismäßig wohlfeil zu habendes Grundstück in der Nachbarschaft oder sonstwo aufgespürt hat. Die meisten der Mitglieder sind durch ihre Beschäftigung nicht an eine bestimmte Gegend gebunden; selbst viele der Krämer und Handwerker haben in der Stadt nur ein Geschäftslokal, keine Wohnung; wer irgend kann, wohnt lieber draußen als mitten in der rauchigen Stadt. Die Baustelle wird gekauft, und die mögliche Anzahl von Cottages darauf errichtet. Der Kredit der Wohlhabenderen ermöglicht den Ankauf, die wöchentlichen Beiträge, nebst einigen kleinen Anleihen, decken die wöchentlichen Auslagen für den Bau. Diejenigen Mitglieder, die auf ein eignes Haus spekulieren, erhalten durchs Los die fertig werdenden Cottages zugeteilt, und der entsprechende Mietaufschlag amortisiert den
Kaufpreis. Die übrigbleibenden Cottages werden vermietet oder verkauft. Die Baugesellschaft aber, wenn sie gute Geschäfte macht, sammelt ein kleineres oder größeres Vermögen an, das den Mitgliedern verbleibt, solange sie ihre Beiträge zahlen, und von Zeit zu Zeit oder bei Auflösung der Gesellschaft verteilt wird. Das ist der Lebenslauf von neun englischen Baugesellschaften aus zehn. Die übrigen sind größere, zuweilen unter politischen oder philanthropischen Vorwänden gebildete Gesellschaften, deren Hauptzweck aber schließlich immer der ist, den Ersparnissen des Kleinbürgertums eine höhere hypothekarische Anlage mit guter Verzinsung und Aussicht auf Dividende vermittelst Spekulation in Grundeigentum zu verschaffen. Auf welche Sorte von Kunden diese Gesellschaften spekulieren, beweise der Prospekt einer der größten, wo nicht der größten unter ihnen. Die Birkbeck Building Society, 29 and 30, Southampton Buildings, Chancery Lane, London, deren Einnahmen seit ihrem Bestehn über 10x/a Millionen Pfund Sterling (70 Millionen Taler) betragen, die über 416 000 Pfund in der Bank und in Staatspapieren angelegt hat und gegenwärtig 21 441 Mitglieder und Depositare zählt, kündigt sich dem Publikum folgendermaßen an:
„Die meisten Leute sind vertraut mit den sogenannten Dreijahre-System der Pianofortefabrikanten, nach welchem jeder, der ein Pianoforte auf drei Jahre mietet, nach Verlauf dieser Zeit der Eigentümer desselben wird. Vor der Einführung dieses Systems war es für Leute von beschränktem Einkommen fast ebenso schwer, sich ein gutes Pianoforte, wie ein eignes Haus anzuschaffen; man zahlte jahraus, jahrein für die Miete des Pianofortes und gab zwei- oder dreimal soviel Geld aus, als das Pianoforte wert war. Was aber bei einem Pianoforte tunlich ist, ist es auch bei einem Hause... Da aber ein Haus mehr kostet als ein Pianoforte... ist eine längere Zeit nötig, um den Kaufpreis durch Miete abzutragen. Infolgedessen haben die Direktoren mit Hauseigentümern in verschiedenen Teilen von London und seinen Vorstädten Abmachungen getroffen, wodurch sie imstande sind, den Mitgliedern der Birkbeck Building Society und andern eine große Auswahl von Häusern in den verschiedensten Stadtteilen anzubieten. Das System, wonachdieDirektoren zu verfahrenbeabsichtigen, ist: dieHäuser für I2V2 Jahre zu vermieten, nach Verlauf welcher Zeit, falls die Miete regelmäßig bezahlt wird, das Haus das absolute Eigentum des Mieters wird, ohne fernere Zahlung irgendwelcher Art... Der Mieter kann auch für eine kürzere Anfallzeit bei höherer Miete, oder für eine längere Anfallzeit bei niedrigerer Miete, akkordieren... Leute von beschränktem Einkommen, Handlungs- und Ladengekülfen und andere können sich sofort von jedem Hausvermieter unabhängig machen, indem sie Mitglieder der Birkbeck Building Society werden."
Das spricht klar genug. Von Arbeitern keine Rede, wohl aber von Leuten mit beschränktem Einkommen, Laden- und Handlungsgehülfen etc.; und noch dazu wird vorausgesetzt, daß die Applikanten in der Regel schon
ein Pianoforte besitzen. In der Tat, es handelt sich hier gar nicht um Arbeiter, sondern um Kleinbürger und solche, die es werden wollen und können; Leute, deren Einkommen, wenn auch innerhalb gewisser Grenzen, in der Regel allmählich steigt, wie das der Handlungskommis und ähnlicher Erwerbs zweige, während das des Arbeiters, im Betrage bestenfalls sich gleichbleibend, in Wirklichkeit fällt im Verhältnis der Zunahme seiner Familie und ihrer wachsenden Bedürfnisse. In der Tat, nur wenige Arbeiter können ausnahmsweise an solchen Gesellschaften teilnehmen. Einerseits ist ihr Einkommen zu gering, andrerseits zu unsichrer Natur, als daß sie Verpflichtungen auf 121/2 Jahre hinaus übernehmen könnten. Die wenigen Ausnahmen, für die dies nicht gilt, sind entweder die bestbezahlten Arbeiter oder Fabrikaufseher.* Übrigens sieht jedermann, daß die Bonapartisten der Arbeiterstadt Mülhausen weiter nichts sind als elende Nachäffer dieser kleinbürgerlichen englischen Baugesellschaften. Bloß daß jene, trotz der ihnen gewährten Staatshülfe, ihre Kunden weit mehr beschwindeln als die Baugesellschaften. Ihre Bedingungen sind im ganzen weniger liberal als die durchschnittlich in England gültigen, und während in England von jeder Anzahlung stets Zins und Zinseszins berechnet und nach ei nmonatlicher Kündigung auch
* Hier noch ein kleiner Beitrag zum Geschäftsbetrieb speziell der Londoner Bauvereine. Bekanntlich gehört der Boden von fast ganz London ungefähr einem Dutzend Aristokraten, darunter die Vornehmsten die Herzöge von Westminster, von Bedford, von Portland usw. Diese hatten die einzelnen Baustellen ursprünglich auf 99 Jahre verpachtet und treten bei Ablauf dieser Zeit in den Besitz des Grundstücks mit allem, was darauf steht. Sie vermieten nun die Häuser auf kürzere Termine, 39 Jahre z.B. unter einer sogenannten repairing lease, kraft deren der Mieter das Haus in baulichen Stand setzen und darin erhalten muß. Sobald der Kontrakt soweit abgemacht ist, schickt der Grundherr seinen Architekten und den Baupolizeibeamten (surveyor1) des Distrikts, das Haus zu inspizieren und die nötigen Reparaturen festzustellen. Diese sind oft sehr umfassend, bis zur Erneuerungsfrage der ganzen Frontmauer, des Dachs etc. Der Mieter deponiert nun den Mietsvertrag als Sicherheit bei einem Bauverein und erhält von diesem das nötige Geld - bis zu 1000 Pfd.St. und mehr bei jährlicher Miete von 130—150Pfd. — vorgeschossen für den auf seine Kosten zu vollführenden Bau. Diese Bauvereine sind also ein wichtiges Mittelglied geworden in einem System, das den Zweck hat, die den großen Grundaristokraten gehörigen Londoner Häuser mühelos und auf Kosten des Publikums immer wieder neu zu bauen und bewohnbar zu erhalten. Und das soll eine Lösung der Wohnungsfrage für die Arbeiter sein! [Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1887.]
Zur Wohnungsfrage • Zweiter Abschnitt 255
zurückbezahlt wird, stecken die Mülhauser Fabrikanten den Zins und Zinseszins in die Tasche und zahlen nur den in harten Fünffrankentalern eingezahlten Betrag zurück. Und niemand wird sich über diesen Unterschied mehr wundern als Herr Sax, der das alles in seinem Buche stehen hat, ohne es zu wissen. Mit der Selbsthülfe der Arbeiter ist es also auch nichts. Bleibt die Staatshülfe. Was kann uns Herr Saxin dieser Beziehung bieten? Dreierlei: „Erstens, der Staat hat darauf bedacht zu sein, in seiner Gesetzgebung und Verwaltung alles auszumerzen oder entsprechend zu bessern, was in irgendeiner Weise die Beförderung der Wohnungsnot der arbeitenden Klassen zur Folge hat." (Seite 187.) Also: Revision der Baugesetzgebung und Freigebung der Baugewerbe, damit wohlfeiler gebaut werde. Aber in England ist die Baugesetzgebung auf ein Minimum beschränkt, die Baugewerbe sind frei wie der Vogel in der Luft, und doch existiert die Wohnungsnot. Dabei wird jetzt in England so wohlfeil gebaut, daß die Häuser wackeln, wenn eine Karre vorbeifährt, und daß täglich welche einstürzen. Noch gestern, 25. Oktober 1872, sind in Manchester sechs auf einmal zusammengestürzt und haben sechs Arbeiter schwer verletzt. Hilft also auch nichts.
„Zweitens, die Staatsgewalt hat zu verhindern, daß der einzelne in seinem beschränkten Individualismus das Übel fortpflanze oder neu hervorrufe." Also: Gesundheits- und baupolizeiliche Inspektion der Arbeiterwohnungen, Übertragung der Befugnis an die Behörden, gesundheitsgefährliche und baufällige Wohnungen zu schließen, wie dies in England seit 1857 geschehn ist. Aber wie ist es dort geschehn? Das erste Gesetz von 1855 (Nuisances Removal Act) blieb, wie Herr Sax selbst zugibt, „ein toter Buchstabe", ebenso das zweite von 1858 (Local Government Act) (Seite 197). Dagegen glaubt Herr Sax, daß das dritte, der Artisans' Dwellings Act, der nur für Städte über 10 000 Einwohner gilt, „sicherlich ein günstiges Zeugnis ablegt von der hohen Einsicht des britischen Parlaments in sozialen Dingen" (Seite 199), während diese Behauptung wieder nur „ein günstiges Zeugnis ablegt von" der totalen Unbekanntschaft des Herrn Sax mit englischen „Dingen". Daß England überhaupt „in sozialen Dingen" dem Kontinent weit voraus ist, versteht sich von selbst; es ist das Mutterland der modernen großen Industrie, in ihm hat sich die kapitalistische Produktionsweise am freisten und am weitesten entwickelt, ihre Konsequenzen treten hier am grellsten an den Tag und rufen daher auch zuerst eine Reaktion in der Gesetzgebung hervor. Der beste Beweis dafür die Fabrikgesetzgebung. Wenn aber Herr Sax glaubt, ein Parlamentsakt brauche nur Gesetzeskraft
zu erhalten, um auch sogleich praktisch eingeführt zu werden, so irrt er sich gewaltig. Und dies gilt von keinem Parlamentsakt mehr (den Workshops' Act allenfalls ausgenommen) als grade von dem Local Government Act. Die Ausführung des Gesetzes wurde den städtischen Behörden übertragen, welche fast überall in England anerkannte Mittelpunkte von Korruption aller Art, Familienbegünstigung und Jobbery* sind. Die Agenten dieser städtischen Behörden, ihre Stellen allerlei Familienrücksichten verdankend, sind entweder nicht fähig oder nicht gesinnt, derartige Sozialgesetze auszuführen, während grade in England die mit Vorbereitung und Ausführung der Sozialgesetzgebung beauftragten Staatsbeamten sich meist durch strenge Pflichterfüllung auszeichnen - wenn auch jetzt in geringerm Maß als vor zwanzig, dreißig Jahren. In den Stadträten sind die Eigentümer ungesunder und baufälliger Wohnungen fast überall direkt oder indirekt stark vertreten. Die Wahl der Stadträte nach kleinen Bezirken macht die Gewählten von den kleinlichsten Lokalinteressen und Einflüssen abhängig; kein Stadtrat, der wiedergewählt werden will, darf wagen, für Anwendung dieses Gesetzes auf seinen Wahlbezirk zu stimmen. Man begreift also, mit welchem Widerwillen dies Gesetz fast überall von den Lokalbehörden aufgenommen wurde, und daß es bisher nur auf die allerskandalösesten Fälle - und auch da meist nur infolge einer bereits ausgebrochenen Epidemie, wie voriges Jahr in Manchester und Salford bei der PockenepidemieAnwendung gefunden hat. Der Appell an den Minister des Innern hat bisher nur in derartigen Fällen seine Wirkung gehabt, wie es denn das Prinzip jeder liberalen Regierung in England ist, soziale Reformgesetze nur notgedrungen vorzuschlagen und die schon bestehenden, wenn irgend möglich, gar nicht auszuführen. Das fragliche Gesetz, wie manche andere in England, hat nur die Bedeutung, daß es in den Händen einer von den Arbeitern beherrschten oder gedrängten Regierung, die es endlich wirklich anwendet, eine mächtige Waffe sein wird, in den gegenwärtigen sozialen Zustand Bresche zu legen.
* Jobbery heißt die Benutzung eines öffentlichen Amts zu Privatvorteilen für den Beamten oder seine Familie. Wenn z.B. der Chef der Staatstelegraphie eines Landes stiller Gesellschafter einer Papierfabrik wird, dieser Fabrik Holz aus seinen Forsten liefert, und dann ihr Papierlieferungen für die Telegraphenbüros überträgt, so ist das ein zwar ziemlichkleiner, aber doch insofern ganz hübscher job, als er ein vollkommenes Verständnis der Prinzipien der jobbery bekundet1; wie dies übrigens bei Bismarck selbstverständlich und zu erwarten war.
„Drittens" soll die Staatsgewalt nach Herrn Sax „alle ihr zu Gebote stehenden positiven Maßregeln zur Abhülfe der bestehenden Wohnungsnot in umfassendstem Maße in Anwendung bringen." Das heißt, sie soll Kasernen, „wahrhafte Musterbauten" für ihre „subalternen Beamten und Diener" errichten (aber das sind ja keine Arbeiter!) und „Gemeindevertretungen, Gesellschaften und auch Privaten zum Zweck der Verbesserung der Wohnungen für die arbeitenden Klassen Darlehen... gewähren" (Seite 203), wie dies in England laut dem Public Works Loan Act geschieht, und wie Louis Bonaparte in Paris und Mülhausen getan hat. Aber der Public Works Loan Act besteht eben auch nur auf dem Papier, die Regierung stellt den Kommissären nur höchstens 50 000 Pfund Sterling zur Verfügung, also die Mittel zum Bau von höchstens 400 Cottages, also in 40 Jahren 16 000 Cottages oder Wohnungen für höchstens 80 000 Köpfe ein Tropfen am Eimer! Selbst wenn wir annehmen, daß nach zwanzig Jahren die Mittel der Kommission sich durch Rückzahlung verdoppeln, also in den letzten 20 Jahren Wohnungen für fernere 40 000 Köpfe hergestellt werden, so bleibt es immer nur ein Tropfen am Eimer. Und da die Cottages nur 40 Jahre durchschnittlich dauern, so müssen nach 40 Jahren jedes Jahr die flüssigen 50 000 oder 100 000 Pfund dazu verwandt werden, die verfallenen ältesten Cottages wieder zu ersetzen .Dies nennt Herr Sax, Seite 203: das Prinzip praktisch richtig und „auch in unbeschränktem Maß" durchführen! Und mit diesem Eingeständnis, daß der Staat, selbst in England, „in unbeschränktem Maß", so gut wie gar nichts geleistet hat, schließt Herr Sax sein Buch, nur noch eine erneute Moralpredigt an alle Beteiligten vom Stapel lassend.* Daß der heutige Staat der Wohnungsplage weder abhelfen kann noch will, ist sonnenklar. Der Staat ist nichts als die organisierte Gesamtmacht der besitzenden Klassen, der Grundbesitzer und Kapitalisten gegenüber
* Neuerdings wird in den englischen Parlamentsakten, welche den Londoner Baubehörden das Recht der Expropriation behufs Neuanlage von Straßen erteilen, einigermaßen Rücksicht genommen auf die so an die Luft gesetztenArbeiter. Es wird die Bestimmung eingeschaltet, daß die neu zu errichtenden Gebäude zur Aufnahme der bisher an dieser Stelle wohnenden Bevölkerungsklassen geeignet sein müssen. Man baut also große fünf- bis sechsstöckige Mietskasernen für Arbeiter auf die geringwertigsten Baustellen und genügt so dem Buchstaben des Gesetzes. Wie sich diese, den Arbeitern ganz ungewohnte und inmitten der alten Londoner Verhältnisse durchaus fremdartige Einrichtung bewähren wird, bleibt abzuwarten. Im besten Fall wird aber hier kaum ein Viertel der wirklich durch die Neuanlage vertriebnen Arbeiter untergebracht. [Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1887.]
17 Marx/Engels, Werke, Bd. 18
den ausgebeuteten Klassen, den Bauern und Arbeitern. Was die einzelnen Kapitalisten (und diese kommen hier allein in Frage, da in dieser Sache auch der beteiligte Grundbesitzer zunächst in seiner Eigenschaft als Kapitalist auftritt) nicht wollen, das will auch ihr Staat nicht. Wenn also die einzelnen Kapitalisten die Wohnungsnot zwar beklagen, aber kaum zu bewegen sind, ihre erschreckendsten Konsequenzen oberflächlich zu vertuschen, so wird der Gesamikapitalist, der Staat, auch nicht viel mehr tun. Er wird höchstens dafür sorgen, daß der einmal üblich gewordene Grad oberflächlicher Vertuschung überall gleichmäßig durchgeführt wird. Und wir haben gesehen, daß dies der Fall ist. Aber, kann man einwenden, in Deutschland herrschen die Bourgeois noch nicht, in Deutschland ist der Staat noch eine, in gewissem Grade unabhängig über der Gesellschaft schwebende Macht, die eben deshalb die Gesamtinteressen der Gesellschaft repräsentiert und nicht die einer einzelnen Klasse. Ein solcher Staat kann allerdings manches, was ein Bourgeoisstaat nicht kann; von ihm darf man auch auf sozialem Gebiet ganz andere Dinge erwarten. Das ist die Sprache der Reaktionäre. In Wirklichkeit aber ist auch in Deutschland der Staat, wie er besteht, das notwendige Produkt der gesellschaftlichen Unterlage, aus der er herausgewachsen ist. In Preußen - und Preußen ist jetzt maßgebend - besteht neben einem immer noch starken, großgrundbesitzenden Adel eine verhältnismäßig junge und namentlich sehr feige Bourgeoisie, die sich bisher weder die direkte politische Herrschaft, wie in Frankreich, noch die mehr oder weniger indirekte, wie in England, erkämpft hat. Neben beiden Klassen aber besteht ein sich rasch . - ' I 11 .. 1 . 11 I-. ,, • ,, 14 ,,c  „nJ c ' , — ..„ J vermeinendes, UUCIICMUCII sein CIIIWU-ACILCO uiiu bit~u tagiiLii mein unu mehr organisierendes Proletariat. Wir finden also hier neben der Grundbedingung der alten absoluten Monarchie: dem Gleichgewicht zwischen Grundadel und Bourgeoisie, die Grundbedingung des modernen Bonapartismus: das Gleichgewicht zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Sowohl in der alten absoluten, wie in der modernen bonapartistischen Monarchie aber liegt die wirkliche Regierungsgewalt in den Händen einer besondern Offiziers- und Beamtenkaste, die sich in Preußen teils aus sich selbst, teils aus dem kleinen Majoratsadel, seltener aus dem großen Adel, zum geringsten Teil aus der Bourgeoisie ergänzt. Die Selbständigkeit dieser Kaste, die außerhalb und sozusagen über der Gesellschaft zu stehen scheint, gibt dem Staat den Schein der Selbständigkeit gegenüber der Gesellschaft. Die Staatsform, welche sich in Preußen (und nach seinem Vorgang in der neuen Reichsverfassung Deutschlands) aus diesen widerspruchsvollen
gesellschaftlichen Zuständen mit notwendiger Konsequenz entwickelt hat, ist der Scheinkonstitutionalismus; eine Form, die sowohl die heutige Auflösungsform der alten absoluten Monarchie, wie die Existenzform der bonapartistischen Monarchie ist. In Preußen verdeckte und vermittelte der Scheinkonstitutionalismus von 1848 bis 1866 nur die langsame Verwesung der absoluten Monarchie. Seit 1866 und namentlich seit 1870 aber geht die Umwälzung der gesellschaftlichen Zustände und damit die Auflösung des alten Staats vor aller Augen und auf kolossal wachsender Stufenleiter vor sich. Die rasche Entwicklung der Industrie und namentlich des Börsenschwindels hat alle herrschenden Klassen in den Strudel der Spekulation hineingerissen. Die 1870 aus Frankreich importierte Korruption im großen entwickelt sich mit unerhörter Schnelligkeit. Strousberg und Pereire ziehen den Hut voreinander. Minister, Generale, Fürsten und Grafen machen in Aktien trotz der geriebensten Börsenjuden, und der Staat erkennt ihre Gleichheit an, indem er die Börsenjuden massenweise baronisiert. Der Landadel, seit langem als Rübenzuckerfabrikant und Branntweinbrenner industriell, hat die alten soliden Zeiten längst hinter sich und schwellt mit seinen Namen die Listen der Direktoren aller soliden und unsoliden Aktiengesellschaften. Die Bürokratie verachtet mehr und mehr den Kassendefekt als einziges Mittel der Gehaltsaufbesserung; sie läßt den Staat laufen und macht Jagd auf die weit einträglicheren Posten in der Verwaltung industrieller Unternehmungen; die noch im Amt bleiben, folgen dem Beispiel ihrer Vorgesetzten, spekulieren in Aktien oder lassen sich bei Eisenbahnen usw. „beteiligen". Man ist sogar berechtigt anzunehmen, daß auch die Lieutenants in mancher Spekulation ihr Händchen haben. Kurz, die Zersetzung aller Elemente des alten Staats, der Übergang der absoluten Monarchie in die bonapartistische ist in vollem Gang, und mit der nächsten großen Handels- und Industriekrisis bricht nicht nur der gegenwärtige Schwindel, sondern auch der alte preußische Staat zusammen.*
Und dieser Staat, dessen nichtbürgerliche Elemente sich täglich mehr verbürgern, soll „die soziale Frage" lösen oder auch nur die Wohnungsfrage? Im Gegenteil. In allen ökonomischen Fragen verfällt der preußische Staat mehr und mehr der Bourgeoisie; und wenn die Gesetzgebung seit 1866 auf ökonomischem Gebiet nicht noch mehr den Interessen der Bour
* Was auch heute, 1886, noch den preußischen Staat und seine Grundlage, die in den Schutzzöllen besiegelte Allianz von Großgrundbesitz und industriellem Kapital zusammenhält, ist lediglich die Angst vor dem seit 1872 riesig an Zahl und Klassenbewußtsein gewachsenen Proletariat. [Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1887.]
geoisie angepaßt worden ist, als dies geschehen, an wem liegt die Schuld? Hauptsächlich an der Bourgeoisie selbst, die erstens zu feig ist, um ihre Forderungen energisch zu vertreten, und die zweitens sich gegen jede Konzession sträubt, sobald diese Konzession gleichzeitig dem drohenden Proletariat neue Waffen in die Hand gibt. Und wenn die Staatsgewalt, d.h. Bismarck, sich ein eignes Leibproletariat zu organisieren versucht, um damit die politische Tätigkeit der Bourgeoisie im Zaume zu halten, was ist das anders, als ein notwendiges und wohlbekanntes bonapartistisches Mittelchen, das gegenüber den Arbeitern zu nichts verpflichtet, als zu einigen wohlwollenden Redensarten und höchstens zu einem Minimum von Staatshülfe bei Baugesellschaften a la Louis Bonaparte? Der beste Beweis dafür, was die Arbeiter vom preußischen Staat zu erwarten haben, liegt in der Verwendung der französischen Milliarden12381, die der Selbständigkeit der preußischen Staatsmaschine, gegenüber der Gesellschaft, eine neue, kurze Galgenfrist gegeben. Ist auch nur ein Taler dieser Milliarden verwandt worden, um die auf die Straße geworfenen Berliner Arbeiterfamilien unter Dach zu bringen? Im Gegenteil. Als der Herbst herangekommen, ließ der Staat selbst die paar elenden Baracken einreißen, die ihnen im Sommer als Notdach gedient hatten. Die fünf Milliarden gehn flott genug den Weg alles Fleisches, in Festungen, Kanonen und Soldaten; und trotz Wagner'2271 von Dummerwitz, trotz Stieberkonferenzen mit Ostreich[22sl, wird den deutschen Arbeitern von den Milliarden noch nicht so viel zugewandt werden, als Louis Bonaparte den französischen zuwandte von den Millionen, die er Frankreich gestohlen.
III
In Wirklichkeit hat die Bourgeoisie nur eine Methode, die Wohnungsfrage in ihrer Art zu lösen - das heißt, sie so zu lösen, daß die Lösung die Frage immer wieder von neuem erzeugt. Diese Methode heißt: „Haussmanri". Ich verstehe hier unter „Haussmann" nicht bloß die spezifisch-bonapartistische Manier des Pariser Haussmann, lange, gerade und breite Straßen mitten durch die enggebauten Arbeiterviertel zu brechen und sie mit großen Luxusgebäuden an beiden Seiten einzufassen, wobei neben dem strategischen Zweck der Erschwerung des Barrikadenkampfes noch die Heranbildung eines von der Regierung abhängigen, spezifisch-bonapartistischen Bauproletariats und die Verwandlung der Stadt in eine reine Luxusstadt
beabsichtigt war. Ich verstehe unter „Haussmann" die allgemein gewordene Praxis des Breschelegens in die Arbeiterbezirke, besonders die zentral gelegenen unserer großen Städte, ob diese nun durch Rücksichten der öffentlichen Gesundheit und der Verschönerung oder durch Nachfrage nach großen zentral gelegenen Geschäftslokalen oder durch Verkehrsbedürfnisse, wie Eisenbahnanlagen, Straßen usw., veranlaßt worden. Das Resultat ist überall dasselbe, mag der Anlaß noch so verschieden sein: die skandalösesten Gassen und Gäßchen verschwinden unter großer Selbstverherrlichung der Bourgeoisie von wegen dieses ungeheuren Erfolges, aber - sie erstehn anderswo sofort wieder und oft in der unmittelbaren Nachbarschaft. In der „Lage der arbeitenden Klasse in England" gab ich eine Schilderung von Manchester, wie es 1843 und 1844 aussah.1 Seitdem sind durch Eisenbahnen, die mitten durch die Stadt gehn, durch Anlegung neuer Straßen, durch Errichtung von großen öffentlichen und Privatgebäuden manche der schlimmsten, dort beschriebenen Distrikte durchbrochen, bloßgelegt und verbessert worden, andre ganz beseitigt; obwohl noch viele - abgesehn von der seither schärfer gewordenen gesundheitspolizeilichen Aufsicht in demselben oder gar in schlimmerem baulichen Zustand sich befinden als damals. Dafür aber sind, dank der enormen Ausdehnung der Stadt, deren Bevölkerung seitdem um mehr als die Hälfte gewachsen, Bezirke, die damals noch luftig und reinlich waren, jetzt ebenso verbaut, ebenso schmutzig und überfüllt mit Menschen, wie damals die verrufensten Stadtteile. Hier nur ein Beispiel: In meinem Buch schilderte ich Seite 80 und folgende2 eine in der Talsohle des Flusses Medlock gelegene Häusergruppe, die unter dem Namen Klein-Irland (Little Ireland) schon seit Jahren den Schandfleck von Manchester gebildet hatte. Klein-Irland ist lange verschwunden; an seiner Stelle erhebt sich jetzt, auf hohem Unterbau ein Bahnhof; die Bourgeoisie wies prunkend auf die glückliche, endgültige Beseitigung von Klein-Irland hin, wie auf einen großen Triumph. Nun erfolgt im verflossenen Sommer eine gewaltige Überschwemmung, wie denn überhaupt die eingedämmten Flüsse in unsern großen Städten aus leicht erklärlichen Ursachen von Jahr zu Jahr größere Überschwemmungen veranlassen. Da findet sich denn, daß Klein-Irland keineswegs beseitigt, sondern bloß von der Südseite von Oxford Road nach der Nordseite verlegt ist und noch immer floriert. Hören wir die „Manchester Weekly Times" vom 20. Juli 1872, das Organ der radikalen Bourgeois von Manchester:
„Das Unglück, das die Bewohner der Talniederung des Medlock am vorigen Samstag überfiel, wird hoffentlich eine gute Folge haben: daß die öffentliche Aufmerksamkeit gelenkt wird auf die handgreifliche Verspottung aller Gesetze der Gesundheitspflege, die nun schon so lange vor der Nase der städtischen Beamten und des städtischen Gesundheits-Ausschusses dort geduldet worden. Ein derber Artikel in unserer gestrigen täglichen Ausgabe hat, nur noch zu schwach, den schmählichen Zustand einiger der Kellerwohnungen bei Charles Street und Brook Street enthüllt, die von der Überschwemmung erreicht wurden. Eine genaue Untersuchung eines der in jenem Artikel genannten Höfe befähigt uns, alle dort gemachten Angaben zu bestätigen und zu erklären, daß die Kellerwohnungen in diesem Hof längst hätten geschlossen werden sollen: richtiger, man hätte sie nie als menschliche Wohnungen dulden sollen. Squire's Court wird von sieben oder acht Wohnhäusern an der Ecke von Charles Street und Brook Street gebildet, über die der Wanderer, selbst an der niedrigsten Stelle von Brook Street, unter dem Eisenbahnbogen, Tag für Tag hinweggehen kann, ohne zu ahnen, daß menschliche Wesen in der Tiefe unter ihm in Höhlen wohnen. Der Hof ist dem öffentlichen Blick verborgen, nur zugänglich denen, die das Elend zwingt, in seiner grabähnlichen Abgeschlossenheit ein Unterkommen zu suchen. Selbst wenn die meist stockenden, zwischen Wehren eingedämmten Gewässer des Medlock ihren gewöhnlichen Stand nicht überschreiten, kann der Fußboden dieser Wohnungen nur einige Zoll über ihrem Spiegel sein: jeder tüchtige Regenschauer ist imstande, ekelhaft fauliges Wasser aus den Versenklöchern oder Abzugsröhren in die Höhe zu treiben und die Wohnungen mit den Pestgasen zu vergiften, welche jedes Überschwemmungswasser zum Andenken hinterläßt... Squire's Court liegt noch tiefer als die unbewohnten Keller der an Brook Street stehenden Häuser... zwanzig Fuß niedriger als die Straße, und das verpestete Wasser, das aus den Versenklöchern am Samstag emporgetrieben wurde, reichte bis an die Dächer. Wir wußten dies und erwarteten daher, den Hof unbewohnt oder nur von den Beamten des Gesundheits-Ausschusses besetzt zu finden, um die stinkenden Wände abzuwaschen und zu desinfizieren. Statt dessen sahen wir einen Mann, beschäftigt m der Kellerwohnung eines Barbiers... einen Haufen faulenden Unrats, der in einer Ecke lag, auf eine Schubkarre zu schaufeln. Der Barbier, dessen Keller schon ziemlich ausgefegt war, schickte uns noch tiefer hinab zu einer Reihe von Wohnungen, von denen er sagte: wenn er schreiben könnte, würde er an die Presse schreiben und auf ihrer Schließung bestehn. So kamen wir endlich nach Squire's Court, wo wir eine hübsche, gesund aussehende Irländerin fanden, die alle Hände voll mit der Wäsche zu tun hatte. Sie und ihr Mann, ein Privat-Nachtwächter, hatten seit 6 Jahren in dem Hof gewohnt, sie hatten eine zahlreiche Familie... In dem Hause, das sie eben verlassen hatten, war die Flut bis dicht ans Dach gestiegen, die Fenster waren zerbrochen, die Möbel ein Trümmerhaufen. Der Bewohner, sagte er, habe das Haus nur dadurch in erträglichem Geruchszustand halten können, daß er es alle zwei Monate mit Kalk weißte... Im inneren Hof, wohin unser Berichterstatter jetzt erst vordrang, fand er drei Häuser, mit der Rückmauer an die eben beschriebenen angebaut, wovon zwei bewohnt waren. Der Gestank war dort so abscheulich, daß der gesundeste Mensch nach ein paar Minuten seekrank werden mußte... Dies widerwärtige Loch war
bewohnt von einer Familie von sieben Personen, die am Donnerstagabend (dem Tag der ersten Überschwemmung) alle im Hause geschlafen hatten. Oder vielmehr, wie die Frau sich verbesserte, nicht geschlafen, denn sie und ihr Mann hatten von dem Gestank den größten Teil der Nacht durch sich erbrochen. Am Samstag mußten sie, bis an die Brust durchs Wasser watend, ihre Kinder hinaustragen. Sie war auch der Ansicht, das Loch sei für ein Schwein zu schlecht, aber wegen der wohlfeilen Miete - lx/a Schilling (15 Groschen) die Woche - hätte sie es genommen, da ihr Mann wegen Krankheit die letzte Zeit oft verdienstlos gewesen. Der Eindruck, den dieser Hof und die in ihm wie in ein verfrühtes Grab eingepferchten Bewohner machen, ist der der äußersten Hülf losigkeit. Wir müssen übrigens sagen, daß nach gemachten Beobachtungen Squire's Court nur ein Abbild - vielleicht ein übertriebenes - mancher andrer Lokalitäten jener Gegend ist, deren Existenz unser Gesundheits-Ausschuß nicht verantworten kann. Und wenn man gestattet, daß diese Lokalitäten fernerhin bewohnt werden, so ladet der Ausschuß eine Verantwortlichkeit und die Nachbarschaft eine Gefahr ansteckender Epidemien auf sich, deren Gewicht wir nicht weiter untersuchen wollen."
Dies ist ein schlagendes Exempel, wie die Bourgeoisie die Wohnungsfrage in der Praxis löst. Die Brutstätten der Seuchen, die infamsten Höhlen und Löcher, worin die kapitalistische Produktionsweise unsre Arbeiter Nacht für Nacht einsperrt, sie werden nicht beseitigt, sie werden nur - verlegt! Dieselbe ökonomische Notwendigkeit, die sie am ersten Ort erzeugte, erzeugt sie auch am zweiten. Und solange die kapitalistische Produktionsweise besteht, solange ist es Torheit, die Wohnungsfrage oder irgendeine andre das Geschick der Arbeiter betreffende gesellschaftliche Frage einzeln lösen zu wollen. Die Lösung liegt aber in der Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise,  in der Aneignung aller Lebens- und Arbeitsmittel durch die Arbeiterklasse selbst.

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