SEGUNDA PARTE TOMO 27

Engels an Marx in London
L. M., Heute morgen kommt inliegender Brief von Weerth an, den ich Dir gleich schicke. Die Geschichte zwischen Schr[amm] und Harney ist also jetzt gesettled1. Wenn Du den Bummler dahin kriegen kannst, laß ihn jetzt dem H[arney] eine Kopie der Ubersetzung des Blanqui-Toasts zuschicken, cela fera son effet2. Es wird überhaupt gut sein, wenn er, der ja jetzt mit H[arney] wieder auf dem besten Fuß steht, die Verbindung mit ihm aufrechterhält - Harney hat immer ein Blatt. Eine Kopie des Artikels, der an die „Times" geschickt war, könnte ebenfalls an Blanqui nach Belle-Isle geschickt werden. Schr[amm] sollte in dieser Angelegenheit nicht zu nachlässig sein - er deckt sich dadurch den Rücken nach verschiednen Seiten hin. Morgen Geld. Dein F.E. [Manchester] Montag, 10. März 51
Barthelemy ist schön blamiert - das ist ein Trost. Laß Schr[amm] die ganze Historie dem Harney schriftlich mitteilen. Dann haben wir given notice®, und das ist immer ein Punkt, der später von Gewicht sein kann.
1 beigelegt - 2 das wird seine Wirkung tun - 3 gewarnt
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich habe einen höchst ennuyanten Anfall von Grippe gehabt, der mich zu allem Vernünftigen und Unvernünftigen unfähig machte, daher mein Schweigen. Ich konnte Dir bloß die Post Office Order1 vorige Woche schikken - Du wirst sie erhalten haben. Die 5 Schilling gehören Lenchen2, die grade abwesend war, als ich mein exit aus Deinem Hause machte. Wenn es irgend angeht, schicke ich Dir diese oder spätestens nächste Woche die 2 £ für Hiphiphurra8, Schramm kann sie ihm hinbringen. Da ich bisher auch von Dir - seit ich Dir Weerths Brief schickte - nichts zu sehen bekommen habe, so weiß ich natürlich von nichts weiter und warte auch noch immer auf die edlen Willichschen Briefe. Den „Fr[iend] of the P[eople]" mit Schr[amm]s Erklärung hab' ich nicht gesehn, dies Ding kommt hier sehr unregelmäßig an; laß mir doch von Schr[amm] ein Exemplar sous bände 4 zuschicken, er wird sich gewiß leicht eins verschaffen können, wenn er keins disponibel haben sollte. Daß der Landolphe sich schließlich als reiner Poltron herausgestellt hat, ist sehr angenehm zu erfahren, auf den berühmten Brief von ihm warte ich noch immer. Ich ärgere mich hier scheußlich über die dummen Einrichtungen, die mir ein regelmäßiges und suiviertes Ochsen feist ganz unmöglich machen. An die eine Bibliothek kann ich nicht kommen, die andre, öffentliche, enthält die Sachen, die mich jetzt zunächst interessieren, nur sporadisch, und die Stunden konvenieren mir nicht; so daß mir nichts bleibt als das elende Athenaeum,wo man nie etwas bekommen kann und wo die Bibliothek sich in der scheußlichsten Unordnung befindet. Dem Napier12041 laufe ich z.B. wieder vergeblich nach, und es dauert immer 2-3 Wochen, bis man einen folgenden Band auftreiben kann. Aus Verzweiflung hab* ich mir Ciceros „Briefe" genommen und studiere darin das regne de5 Louis-Philippe und die Korruption des Direktoriums. Eine höchst heitere chronique scanda
1 Postanweisung - 2 Helene Demuth - 3 Hamey - 1 unter Kreuzband - 6 die Regierungszeit des
leuse®. Der Cicero ist wirklich unbezahlbar; Professor Krug und Sebastian Seiler in einer Person. Eine gemeinere Kanaille wie diesen Kerl haben die Reihen der Biedermänner seit Anbeginn der Welt nicht aufzuweisen. Ich werde mir dies anmutige Büchlein gehörig exzerpieren. Ohne Mehreres für heute. Dein F.Engels [Manchester] 17. März 1851
* Klatschgeschichte
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Marx an Engels in Manchester
London, 17. März 1851
Lieber Engels! Ich habe eine Woche nicht geschrieben. Einmal hatte ich selbst die Grippe zur Wahlverwandtschaft. Und dann crible de petites miseres1, die alle in dieser verhängnisvollen Woche zum Ausbruch kommen. Einliegend erhältst Du die heitern Briefe des Ritters von Willich. In dem Heinzenschen Saublatt2 steht eine angebliche Korrespondenz aus Paris, hier in London fabriziert, worin, wie sich von selbst versteht, erstens wir beide angegriffen werden, dann Rudolf Schramm, der Deputierte, „weil er ohne Anstand das Geld seiner Frau verzehrt", dann die „Halbmenschen Tausenau, Julius und Bucher"; schließlich und sehr bitter der große Kinkel. Heinzen verzeiht ihm die Konkurrenz im Bettel nie und nimmermehr. Gelobt wird nur der große Rüge und Struve. Rüge läßt in diesem Brief aus Paris schreiben, daß er von Brighton nach London eine eintägige Ausflucht gemacht hat. Dieser Klatschartikel ist dadurch entstanden, daß Heinzen Klatsch aus einem Privatbrief von Rüge und einem Privatbrief von Bamberger, also ganz entgegenstehende Anschuldigungen, zusammengeworfen und ediert hat. Bei dem großen Bankett, wo Rüge als der „Unendliche Dumme" auftrat - Wolff und Liebknecht waren Ohrenzeugen -, fand sich kein Berliner oder Frankfurter Deputierter[2051 ein. Sie wollen keine Hegemonie RugeStruve. Die Clique R.Schramm, Graf Reichenbach (der Frankfurter, nicht der Bart der Partei, und Oppenheim, Bucher), endlich Julius auf eigne Faust, intrigieren alle wieder gegen die Dummheitsgötter. Natürlich auch aus erhabnen Gründen. Je vous dis, de la merde, la merde tout pure, toute cette canaille-lä.3 Kinkel, der die Infamien gegen uns drucken läßt, sprach in seiner rotsaffianledernen Weise auf dem Bankett ein Wort der wehmütigen Ver
1 stecke ich bis über die Ohren in Alltagssorgen - 2 „Deutsche Schnellpost" -3 Ich sage Dir, Dreck, nichts als Dreck, diese ganze Kanaille da.
söhnung „von dem einfachen Verfassungskämpfer an bis zum roten Republikaner". Alle die Esel, während sie für Republik, und Kinkel sogar gelegentlich für rote Republik, ächzten, krochen der englischen Konstitution servilstens in den Arsch, ein Widerspruch, worauf sie sogar das unschuldige „Moming Chronicle" als Mangel an Logik aufmerksam zu machen geruhte. Von Landolphe nichts weiter. Er trägt das Bewußtsein des enthüllten Grec4 gelassen als „homme d'honneur"5 mit sich herum. Die Blanqui-Komödie war noch nicht beendet. Der ancien capitaine6 Vidil schickte eine Erklärung in die „Patrie", worin er erzählt, sein Ehrgefühl und Wahrheitsinstinkt dringe ihm die Erklärung ab, daß L.Blanc, alle andren und er selbst gelogen habe in der ursprünglichen Erklärung. Das Komitee habe aus 13, nicht aus 6 Personen bestanden. Ihnen allen sei der Toast Blanqui vorgelegt, von ihnen allen sei er diskutiert worden. Er habe sich unter den 6 befunden.12061 Der noble Barthelemy, der diesen Brief nicht gelesen, schickt einige Tage später ebenfalls eine Erklärung an die „Patrie", er habe den Toast erhalten, den andren nicht mitgeteilt, konstituiert sich so als dreifachen Lügner. Die „Patrie", indem sie diesen Brief mitteilt und am Schluß erklärt, sie werde nichts mehr von diesen Eseln nehmen, macht folgende Vorbemerkung: „Nous nous sommes demandes souvent - et la question est difficile a resoudre - qui l'emportait chez les demagogues, de la vantardise ou de la stupidite? Une quatrieme lettre de Londres augmente encore notre perplexite a cet egard. Iis sont la nous ne savons combien de pauvres diables, tourmentes a tel point de la rage d'ecrire et de voir leurs noms cites dans les journaux reactionnaires, qu'ils ne reculent pas meme devant la perspective d'une confusion et d'une depreciation sans borne. Peu leur importe la risee et l'indignatiön publiques: le Journal des Debats', ,1'Assemblee nationale' et la,Patrie', insereront leur prose; pour obtenir ce bonheur, rien ne coüte a la Demoeratie cosmopolite etc. Nous accueillons donc au nom de la commisiration litteraire, la lettre suivante du citoyen Barthelemy ... C'est une nouvelle, et nous l'esperons bien, une derniere preuve ä l'appui du trop celebre toast Blanqui, qu'ils ont tous nie d'abord, et pour l'affirmation duquel ils se prennent maintenant aux cheveux."7
4 Betrügers - 5 „Ehrenmann" - 6 Ex-Hauptmann - 7 „Wir haben uns oft gefragt - und die Frage ist schwer zu beantworten - was bei den Demagogen größer sei, ihre Ruhmredigkeit oder ihre Dummheit? Ein vierter Brief von London vermehrt noch unsre Verlegenheit. Da sind ihrer, wir wissen nicht wie viele arme Teufel, in einem solchen Grade gemartert von der Wut, zu schreiben und ihren Namen in den reaktionären Blättern genannt zu sehen, daß
Ist das nicht superb? Ich habe Deine Post Office Order8 erhalten. Wenn Du solche Zinsen in Deinem commerce zahlst, müssen entweder Deine Profite oder Deine Verluste enorm sein. Vergiß nicht, an Dronke zu schreiben. Galeer ist tot. Also eingelegt an Th. Schuster in Frankfurt. Dein K.Marx
sie selbst vor einer grenzenlosen Beschämung und Selbstherabsetzung nicht zurückschrecken. Was liegt ihnen am Gelächter und der Indignation des Publikums - das Journal des Debats', die .AssembUe nationale', die,Patrie' werden ihre Stilübungen abdrucken; um dies Glück zu erreichen, ist kein Preis der kosmopolitischen Demokratie zu hoch etc. Im Neunen der literarischen Commiseration nehmen wir daher den (olgenden Brief des Bürgers Barthelemy auf... Er ist ein neuer, und wir hoffen der letzte Beweis für die Echtheit des nur zu berühmten Toastes Blanquis, den sie erst Alle geleugnet und für dessen Beteuerung sie sich jetzt untereinander in die Haare geraten." (Nach der Ubersetzung von Marx, vgl. Band 8 unserer Ausgabe, S.303.) - 8 Postanweisung
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Die Geschichte mit dem Toast Blanquit203] entwickelt sich wirklich über die Maßen schön. Die Erklärung Vidil ist gegenüber Louis Blanc unbezahlbar - der Kerl vor Frankreich und England als gemeiner Lügner hingestellt. Der Barthelemy hat sich wunderbar hineingeritten. - Eine Stelle Deines Briefs versteh' ich nicht: Vidil erklärt: „Das Komitee habe aus 13, nicht aus 6 Personen bestanden ... Er habe sich unter den 6 befunden." Wer sind die 6? Die Unterzeichner der ersten Erklärung oder etwa die Fraktion, die für Vorbringung des Toast Blanqui stimmte? Der Klatsch unter den Deutschen ist auch angenehm. Ich sah den Report des Banketts in der „Daily News" - da das Ding respektabel war, so hat sich diesmal ja auch Herr Mazzini nicht geniert hinzugehn. „Der General Haug in the chair1!" Dieser Kerl verspricht, eine Karikatur des General Dubourg von 1830 zu werden. Nach der Annonce in der „Times" zu urteilen, ist Göhringers Golden Star tavern jetzt sehr respectable. Da ich doch den Klatsch all zusammen haben muß, so wär' es nicht übel, einmal eine Patrouille dort rekognoszieren zu lassen - il s'en trouvera bien un qui voudra mettre son nez dans cette merde-lä, meme au risque d'etre mis ä la porte2. Last - but not least3 - haben die Willichiana4 sehr zur Erheiterung meines heutigen Frühstücks beigetragen. Dieser Schafskopf! Wie der den Schr[amm]schen Brief als Antwort auf seinen ersten ansehn konnte, ist mir wirklich kaum begreiflich. Aber die Chance der Militärdiktatur in der Rheinprovinz, ohne Presse, die ihn schikanieren könnte, sapristi5, das mußte diesem vernagelten Rindvieh den Kopf natürlich verdrehen. Reiner capitaine d'armes6 und Feldwebel! Die soziale Revolution vermittelst der Pauperverpflegung der Familien der Landwehr; die Statistik reduziert auf ein Register der „Vorräte, Viehe, Transportmittel und Mannschaften"!
1 als Vorsitzender - 2 es wird sich schon jemand finden, der Lust hat, seine Nase in diesen Dreck zu stecken, selbst auf die Gefahr hin, an die frische Luft gesetzt zu werden - s Schließlich - aber nicht zum wenigsten - 4 siehe vorl. Band, S. 182/183 - 5 alle Wetter - 6 Waffenmeister
Dieser Revolutionsplan schlägt den früheren, mit 5000 Mann Deutschland zu erobern, gänzlich platt. Wenn der Landwehr das nicht einleuchtet, so •müßte man ja an der Menschheit verzweifeln. „Ich würde einige Männer mitbringen, andre berufen" - weißt Du, was der Kerl vorhatte? „Der Bürger Karl Marx ist berufen, binnen 48 Stunden in Köln sich zu stellen und die Leitung des Finanzwesens und der gesellschafdichen Reformen unter Aufsicht und Kontrolle des Bürgers Gebert zu übernehmen. Ungehorsam gegen diesen Befehl und jede Widersetzlichkeit oder Räsonnieren, sowie unziemliche Witze werden mit dem Tode bestraft. Der Bürger Marx wird zur Bewachung einen Unteroffizier und sechs Mann erhalten." - Und wie spricht der Kerl von Schapper! „Nous ne voulons plus de jouisseurs!"7 Also selbst der spartanische pot half and half8 und das widerstandslose Trückelschen des dicken Schweins gelten dem gratis saufenden und sich selbst genügenden Feldwebel schon für Sybaritismus. Freilich, wer weiß, ob das dicke Schwein bei einer etwaigen Belagerung Kölns nicht gemacht haben würde wie der edle Palafox in Saragossa, der während der ganzen zweiten (der eigentlichen) Belagerung von Zaragoza'2071 nicht zum Vorschein kam, weil er mit 3-4 liederlichen Kerls und einer Masse Huren in einem bombenfesten Klosterkeller unter den Weinfässern herumwirtschaftete und sich erst sehen ließ, als er die Kapitulation abschließen sollte. Aber worauf antwortet Willich in dem dritten, jubelnden, siegesgewissen, nur am Geld hapernden Brief? Hat ihm Schr[amm] einen zweiten geschickt oder hatte Becker9 auf W[illich]s 2ten Brief geantwortet? Explique-moi cela10 und sage, ob Du die Sachen jetzt zurück haben mußt; ich behielte sie gern einstweilen noch hier, um gelegendich die nötigen Notizen zu machen. Die Eisenbahnspekulation wird wieder brillant - seit dem I.Januar die Aktien meist 40% gestiegen und die schlechtesten am meisten. (Ja promet!11
Dein F.Engels
[Manchester] Mittwoch, 19. März 1851
7 „Wir wollen keine Genußmenschen mehr!" - 8 Maßkrug halb und halb - ® Hermann Becker -10 Erkläre mir das -11 Das ist vielversprechend!
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Marx an Engels in Manchester12081
[London, 22. März 1851]
Lieber Engels! Ich habe Dir durch Pieper oben das famose Aktenstück abschreiben lassen. Unter dem Vor wand, die Mazzinische Anleihe garantiert zu haben, verlangt Rüge Geld, um es in „öffentliche Meinung" umzusetzen. Unter den „Preußen" hier, Bucher, Eisner, Zimmermann usw., herrscht große Entrüstung über dies „starke Provisorium". Was die „sechs" angeht, die Dir solchen trouble1 machten, so waren diese 6 Landolphe und Blanc, Willich und Schapper, Barthelemy und Vidil, kurz die 6 Matadore; Ungarn, Polen usw. nicht zugezogner Mob figurierten nicht. In dem 3ten Brief antwortet Willich auf nichts als seinen eignen Gedankensprecher. N'a re?u ni lettre ni rien de la part des Becker et des Schramm.2 Heute wird der Bursche einen angenehmen Tag haben. Vor 2 Wochen zirka traf ihn Wolff um 2 Uhr nachts in einem Hurenkaffeehaus und schrie laut: Ah! der tugendhafte Willich hier! worauf sich der Tugendhafte fortpißte. Der eigentliche contriver3 des deutschen Centraldodge4[2091 ist der unermüdliche, lederartige Hühneraugenoperatewr und Grasfresser Struve. Der Kerl treibt nur sein altes Handwerk, mit Kranioskopie, Moral und dergleichen Allotriis die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Marktschreier, noch dazu mit einer heisern Kehlkopfstimme. Der Esel hat während der letzten 25 Jahre ein „demokratisches Staatslexikon" geschrieben und eine „demokratische Weltgeschichte"12101, beides nichts als das eine der ins Struvesche übersetzte Welcker-Rotteck, das andere der demokratisch paraphrasierte Rotteck12111. Und Rüge ist so tief gesunken, daß er am Druck dieses Blödsinns in Deutschland nur durch eine mitleidige Polizei aufgehalten worden ist.
1 Arger - 3 Hat von den Becker und Schramm weder einen Brief noch sonst was erhalten. 3 Erfinder -1 Zentralschwindels
Der dumme Kinkel hat es los, den Philistern die Illusionen zu vertreiben. Kein beßres Mittel zur Entpuppung dieses Esels, als sein Geraten in die Hände solcher alterfahrnen. Harlekins als Struve und Ruge. Jedenfalls läßt er die Löwenhaut in dieser Kompagnie. Dein K.Marx
Jones war vor ein paar Tagen bei mir und gratuliert sich namentlich nach den neusten Enthüllungen, daß ich ihn vor der Teilnahme an dem Bankett gerettet habe.
15 Marx^Engels, Werke, Bd. 27
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3I.März 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Während Du Kriegsgeschichte treibst, führe ich einen kleinen Krieg, in dem ich by and by1 zu unterliegen drohe und woraus weder Napoleon noch selbst Willich - der kommunistische Cromwell - einen Ausweg gefunden haben würden. Du weißt, daß ich am 23. März 31 £ lOsh. an den alten Bamberger und am 16. 10 £ an den Juden Stiebel zu zahlen hatte, alles auf kursierende Wechsel. Ich hatte erst bei meiner Schwiegermutter2 durch Jenny direkt anfragen lassen. Die Antwort darauf war, daß Herr Edgar3 mit dem Rest von Jennys Geld wieder nach Mexiko expediert worden ist und ich keinen Centime herauspressen konnte. Dann schrieb ich an meine Mutter, drohte ihr, Wechsel auf sie zu ziehn und im Nichtzahlungsfall nach Preußen zu gehn und mich einsperren zu lassen. Letzteres hatte ich wirklich vor für den eventuellen Fall, aber diese Ressource hörte natürlich von dem Augenblick an auf, wo die Esel in den Zeitungen über den Abfall der Arbeiter von mir, den Verfall meiner Popularität und dergleichen zu heulen begannen. Die Sache hätte sonst wie ein politischer Theatercoup ausgesehn, als eine mehr oder minder überlegte Nachahmung von Jesus-Christus-Kinkel. Ich hatte meiner Alten den 20. März als Termin bekanntgemacht. Am 10.März schrieb sie mir, sie wollen den Verwandten schreiben; am 18. März schreibt sie, die Verwandten hätten nicht geschrieben, was heißen sollte: die Sache sei abgemacht. Ich antwortete ihr sofort: es bleibe bei meinem ersten Briefe. Dem Stiebel zahlte ich am 16. März seine 10 £ durch Hülfe von Pieper. Am 23. März, nachdem ich eine Anzahl fruchtloser Schritte getan, mußte natürlich der Wechsel für den alten Bamberger protestiert werden. Ich hatte eine scheußliche Szene mit dem Alten, der außerdem bei dem würdigen Seiler scheußlich über mich geschimpft hat. Der Esel hatte durch seinen banker4 in Trier über mich bei dem Bankier Lautz Auskunft verlangt. 1 allmählich -2 Karoline von Westphalen - 2 Edgar von Westphalen -1 Bankier
Dieser Kerl, der B[ankier] meiner Alten und mein persönlicher Feind, schrieb natürlich die größten Sottisen über mich hierhin und fanatisierte noch dazu meine Alte gegen mich. Dem alten Bamberger gegenüber blieb mir nichts übrig, als ihm 2 Wechsel auszustellen, einen auf ihn für London, 4 Wochen nach dem 24sten März, den andern auf 3 Wochen nach Trier auf meine Alte, um den ersten zu decken. Ich machte der Alten sofort Anzeige. Heute erhalte ich gleichzeitig mit Deinem Brief einen von meiner Alten, worin sie mir höchst impertinent und dabei voller moralischer Entrüstung gegenübertritt und positivement erklärt, daß sie jeden von mir auf sie gezognen Wechsel protestiert. So habe ich also für den 21 .April das Äußerste von dem wütend gewordenen alten Simon Bamberger zu gewärtigen. Gleichzeitig ist meine Frau niedergekommen am 28. März. Die Entbindung war leicht, dagegen liegt sie jetzt sehr krank da, mehr aus bürgerlichen als physischen Gründen. Dabei habe ich verbalement5 keinen farthing6 im Haus, um so mehr Rechnungen dagegen von dem kleinen commerce7, Metzger, Bäcker and so forth8. Aus Schottland das Testament werde ich in 7-8 Tagen in Kopie hierhaben. Wenn irgend etwas damit zu machen ist, wird der kleine Bamberger es tun, im eignen Interesse. Verlassen kann ich mich nicht darauf. Du wirst zugeben, daß diese Gesamtscheiße passablement9 angenehm ist und daß ich bis an die Wirbelspitze meines Schädels im kleinbürgerlichen Dreck stecke. Und dabei hat man noch die Arbeiter exploitiert! und strebt nach der Diktatur! Quelle horreur.10 Mais ce n'est pas tout.11 Der Fabrikant, der mir in Brüssel Geld lieh von Trier aus, tritt "mich und verlangt es zurück, weil seine Eisenhütte schlecht gehe. Tant pis pour Iui.12 Dem kann ich nicht gerecht werden. Aber endlich, um der Sache eine tragikomische Spitze zu geben, kömmt noch ein mystere13 hinzu, das ich Dir jetzt en tres peu de mots14 enthüllen werde. Doch eben werde ich gestört und muß zu meiner Frau zur Krankenleistung. Also das andre, worin Du auch eine Rolle spielst, das nächste Mal. Dein K.M. Apropos. Wie berechnen Kaufleute, fabricants usw. den Teil ihres Einkommens, den sie selbst verzehren? Wird dies Geld auch vom banker geholt oder wie wird es damit gehalten? Darüber erbitte ich Antwort. 5 buchstäblich - 6 Heller - 7 Handel - 8 und so weiter - 9 (hier:) wenig -10 Entsetzlich. 11 Aber das ist nicht alles. - 12 Um so schlimmer für ihn. -13 eine geheimnisvolle Sache 14 in sehr wenigen Worten
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. April1 1851
Lieber Engels! Du erhältst einliegend die Adresse des Briefes, den ich heute von Dir empfangen habe, zurück. Sollte Pitt Ermen Deinen Brief erbrochen haben? Du mußt diese Sache eclaircir2. Dein Postordreoffice3 kam mir sehr gelegen. Und diesmal hat die Geschwindigkeit das Kapital verzehnfacht, wie die Eisenbahnrevenuen du Signore4 Proudhon.12121 Du kannst Dir denken, daß ich nicht müßig bin. Und mit den avances5, die Du machst, hoffe ich, das Fehlende aus verschiednen Weltgegenden zusammenzubringen. Über das mystere6 schreibe ich Dir nicht, da ich, coüte que coüte7, Ende April jedenfalls zu Dir komme. Ich muß auf 8 Tage hier heraus.'2131 Das schlimmste ist, daß ich jetzt plötzlich in meinen Bibliothekstudien gehemmt bin. Ich bin so weit, daß ich in 5 Wochen mit der ganzen ökonomischen Scheiße fertig bin. Et cela fait8, werde ich zu Haus die Ökonomie ausarbeiten und im Museum9 mich auf eine andre Wissenschaft werfen. Ca commence ä m'ennuyer. Au fond10 hat diese Wissenschaft seit A.Smith und D.Ricardo keine Fortschritte mehr gemacht, so viel auch in einzelnen Untersuchungen, oft supradelikaten, geschehn ist. Antworte mir auf die Frage, die ich Dir in meinem letzten Brief gestellt. Da Du jetzt Kriegswissenschaft treibst, könntest Du nicht die ungarischen Feldzüge, mit Hülfe der „Neuen Rheinischen Zeitung", des blue book von Palmerston12141 etc., die Sache von neuem bearbeiten? (Ja serait tr&s utile.11 In kürzerer oder längerer Zeit werde ich 2 Bände zu 60 Bogen herausgeben, und da wäre das famos am Platz. Wenn Du einzelnes wissen
1 Im Original: März - 2 aufklären - s Deine Postanweisung - 4 des Herrn - 5 Vorschüssen -6 die geheimnisvolle Sache - 7 um jeden Preis - 8 Wenn das erledigt ist 9 British Museum - 10 Das fängt an, mich zu langweilen. Im Grunde -11 Das wäre sehr nützlich.
willst über Intrigen, Schlachten, Persönlichkeit, so brauchst Du mir bloß die Briefe zu schicken - offen - mit der Adresse: An Frau Baronin von Beck. Ich habe mit ihr angebunden. Sie war Kossuths Spionin. Und ist eine wahre Chronik für den ungarischen Dreck. II faut l'exploiter.12 Sie ist zu dumm, um die Wahrheit verbergen zu können. Ich habe Experimente in dieser Beziehung gemacht. Meine Frau ist leider von einem Mädchen13 und nicht von einem gar^on14 entbunden. Was noch schlimmer ist, sie ist sehr angegriffen. Einliegend ein Brief von Daniels, dem ich ausführlich über seine „Physiologie" 12151 geschrieben. Was halbvernünftig in seinem Brief, ist das Echo des meinigen. Jedenfalls schick mir den Wisch zurück und schreib mir, was Du davon meinst. Dein K.M.
Du verpflichtest mich übrigens, wenn Du dans les circonstances actuelles15 so oft wie möglich schreibst. Du weißt, daß mein Umgang hier plus ou moins16 auf dumme Jungen beschränkt ist.
12 Man muß sie ausnutzen. -13 Franziska -14 Jungen -16 unter den gegenwärtigen Umständen -16 mehr oder weniger
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, , Die Geschichte mit meinem geöffneten Brief ist sehr sonderbar. Auf dem Comptoir kam er nur von unserm Kommis geöffnet worden sein, und dem trau* ich die Courage dazu nicht zu; außerdem könnte er es nur während der Abwesenheit des alten Hill getan haben, und ich glaube nicht, daß der einen Moment das Comptoir verließ. Von den Ermens war keiner in der Stadt. Die Sache ist natürlich nicht zu ergründen, da eine bedeutende Chance Vorhemden ist - vu1 die Interpellationen im Parlament wegen der Flüchtlinge -, daß es auf der Post selbst geschehn. Daß ich dem Kommis, der mehr in Ermen Brothers* als in E[rmen] and E[ngels'] Diensten steht, in der letzten Zeit etwas verdächtig geworden bin, fiel mir schon früher auf; aber von da bis zum Brieferbrechen il y a loin encore3. Jedenfalls werd' ich dem Ding in Zukunft vorzubeugen wissen. Wenn der Narr den Brief auch gelesen hätte, so läge daran nicht einmal viel; denn wollte der Kerl jemals, z.B. wenn mein Alter herkäme, von der information Gebrauch machen, so wäre er so kompromittiert, daß er sofort geschaßt würde. Indes, wie gesagt, ich trau' ihm die Courage nicht zu. Was die Frage angeht, die Du in Deinem vorletzten Brief stellst, so ist sie nicht ganz klar. Indes wird, denk* ich, folgendes genügen. Der Kaufmann als Firma, als Profitmacher, und derselbe Kaufmeinn als Konsument sind im Commerce zwei geinz verschiedne Personen, die sich feindlich gegenüberstehn. Der Kaufmeinn als Firma heißt Kapitalkonto, resp. Gewinn- und Verlustkonto. Der Kaufmeinn als Fresser, Säufer, Wohner und Kindermacher heißt Haushaltungsunkostenkonto. Kapitalkonto debitiert also dem Haushaltungsunkostenkonto jeden Centime, der aus der kommerziellen in die Privattasche wandert, und da Haushaltungsunkostenkonto nur ein Debet, aber kein Kredit hat, also einer der schlechtesten Schuldner der Firma ist, so ist am Ende des Jahrs die ganze Debetsumme von Haushaltungsunkostenkonto purer Verlust und wird vom Profit ab
1 siehe - 2 ist es noch weit
geschrieben. Bei der Bilanz und der Berechnung des Profitsprozent wird indes gewöhnlich die Summe, die für die Haushaltung verbraucht wird., als noch vorhanden, als Teil des Profits angesehn; z.B. bei 100 000 Taler Kapital sind 10 000 Taler verdient, aber 5000 verjubelt worden, so rechnet mein, 10% Profit gemacht zu haben, und nachdem alles richtig gebucht worden, figuriert Kapitalkonto im nächsten Jahr mit einem Debet von 105 000 Taler. Die Prozedur selbst ist etwas verwickelter, als ich sie hier darstelle, indem Kapitalkonto und Haushaltungsunkostenkonto selten oder nur beim Jahresabschluß in Berührung kommen, und Haushaltungsunkostenkonto gewöhnlich als Debitor von Kassakonto figuriert, das den Makler macht; aber es kommt schließlich auf dies hinaus. Bei mehreren Associes ist die Sache sehr einfach. Z.B. A hat 50 000 Taler im Geschäft und B ebenfalls 50 000; sie machen 10 000 Taler Profit und verbrauchen jeder 2500 Taler. Die Kontos stellen sich also am Ende des Jahrs - bei einfacher Buchhaltung, ohne die imaginären Kontos:
A Kredit bei A & B — Kapitaleinschuß 50 000 Taler A „ „ „ „ „ — Profitanteil 5 000 „ 55 000 Taler Debet bei A & B — für Bar 2500 . • A Kredit fürs nächste Jahr 52 500 Taler
Ebenso B. Dabei rechnet das Geschäft aber immer, 10% Profit gemacht zu haben. In einem Wort: die Kaufleute, bei der Berechnung der Profitprozente, ignorieren die Existenzkosten der Associes, dagegen bei Berechnung der Kapitalvermehrung durch den Profit bringen sie sie in Anschlag. Über die ungarische Kampagne - oder noch besser, wenn's ginge, über sämtliche Kampagnen von 1848/50 zu schreiben, wär' mir schon recht, wenn nur die Quellen alle beizuschaffen wären. Die „Neue Rheinische Zeitung" könnte mir zu nichts dienen als zur Vergleichung der östreichischen Bulletins, und wie lückenhaft die sind, weißt Du. Ich müßte wenigstens 10-12 Werke über diese Kampagne allein haben, und selbst dann fehlte mir noch die Hauptsache: der Kossuthsche „Közlöny" („Moniteur"). Bei nichts blamiert man sich so leicht wie bei der Kriegsgeschichte, wenn man räsonieren will, ohne die sämtlichen Data über Stärke, Verproviantierung und Munitionierung pp. zu haben. Alles das geht für eine Zeitung, wo alle Blätter gleich schlecht unterrichtet sind und wo es darauf ankommt, aus den paar Daten, die man hat, die richtigen Schlüsse zu ziehn. Aber um post festum sagen zu können in allen entscheidenden Fällen: hier hätte so
und so gehandelt werden müssen, und hier wurde richtig gehandelt, obwohl der Erfolg dagegen zu sprechen scheint, dazu sind, glaub' ich, die Materialien für den ungarischen Krieg noch nicht genug vor dem Publikum. Z.B. wer schafft mir die Etats der östreichischen und ungarischen Armeen und der verschiedenen Korps am Vorabend jeder Schlacht und jeder wichtigen Bewegung? Kossuths und Görgeys Memoiren müßten erst heraus sein, und die von Dembinski vorgelegten Schlacht- und Kampagnepläne in authentischer Gestalt vorliegen. Indes selbst mit dem existierenden Material ließe sich schon manches aufklären und vielleicht ein ganz interessanter Artikel machen. Soviel ist jetzt schon klar: die ungarische Insurrektion, wie die polnische von 1830, wie das russische Reich 1812, ist Anfang 1849 nur gerettet worden durch den Winter. Ungarn, Polen und Rußland sind die einzigen Länder Europas, wo eine Invasion im Winter unmöglich ist. Es ist aber schon immer fatal, wenn eine Insurrektion nur durch den Dreck gerettet wird, der sie in unergründlicher Tiefe umgibt. Wäre die Geschichte zwischen Ostreich und Ungarn im Mai statt im Dezember zum Eklat gekommen, so wäre nie eine ungarische Armee organisiert worden und der ganze Quark endigte wie Baden, ni plus ni moins3. Je mehr ich Krieg ochse, desto stärker wird meine Verachtung gegen den Heldenmut - eine abgeschmackte Phrase dieser Heldenmut, die ein ordentlicher Soldat nie in den Mund nimmt. Napoleon, wo er keine Proklamationen und Tiraden macht, sondern coolly4 spricht, spricht nie von glorieux courage indomptable5 pp., sondern sagt höchstens: il s'est bien battu6. Wenn übrigens im nächsten Jahr eine Revolution in Frankreich ausbricht, so ist gar kein Zweifel, daß die Heilige Allianz[191' wenigstens bis vor Paris kommt. Und bei den merkwürdigen Kenntnissen und der raren Energie unsrer französischen Revolutionäre ist noch sehr die Frage, ob die Forts und die Enceinte von Paris auch nur bewaffnet und approviantiert sind. Sind aber 2 Forts genommen, z.B. St. Denis und das nächste nach Osten zu, so ist Paris und die Revolution jusqu'ä nouvel ordre7 im Arsch. Ich werde Dir das nächstens einmal genau militärisch auseinandersetzen und zugleich die einzige Maßregel, die dagegen getroffen werden kann, um wenigstens die Invasion zu schwächen: die Okkupation der belgischen Festungen durch die Franzosen und der rheinischen durch einen sehr zweifelhaften insurrektioneilen coup de main8.
3 nicht mehr und nicht weniger - 4 nüchtern - 5 ruhmreichem, unbezähmbarem Mut - 6 er hat sich gut geschlagen - 7 bis auf neue Order - 8 Handstreich
Folgender Spaß zur Charakteristik des preußischen Kamaschenrittertums und zur Erklärung der späteren Niederlage bei Jena pp. wird Dich erfreuen: die scheinbar kühnen, au fond9 aber überaus sichern Coups Napol^pns in der Kampagne von Marengo brachten den preußischen General Bülow, aus der Schule des alten Fritz, Vater oder Onkel des späteren Bülow von 1813, zu folgender Einsicht: 1. ein Kriegssystem, basiert auf das Absurde, aufzustellen, damit mein den Gegner stets durch neue Verrücktheiten „in Verlegenheit setze", und 2. anstatt des Bajonetts der Infanterie Lanzen zu geben wie im 30jährigen Krieg! Um Napoleon zu schlagen, das Pulver abzuschaffen, qu'en dis-tu10? Daß Du trotz alledem Ende des Monats herkommst, freut mich sehr. Du mußt mir aber bei der Gelegenheit das vollständige Exemplar der „Neuen Rheinischen Zeitung" mitbringen - ich werde daraus über sämtliche deutschen demokratischen Esel und desgl. über französische Dossiers einlegen - eine Arbeit, die jedenfalls geschehen muß, ehe wir wieder in irgendeinen Dreck hineingeschleudert werden. Es wäre gut, wenn zu diesem Zweck der würdige Liebknecht, qui est assez bon pour cela11, aufs Museum ginge und dort die Abstimmungen der Berliner, Frankfurter und Wiener Versammlungen, die gewiß dort sind (in den stenographischen Berichten), nachläse und für die gesamten Linken exzerpierte. Du weißt, ich habe den Schluß von Daniels nicht gelesen.'2151 Daß sich der Kerl auf die „Begriffe" als das Vermittelnde zwischen den Menschen etc. steift, ist erklärlich; Du wirst das einem über Physiologie Schreibenden nicht ausreden. Er rettet sich immer schließlich mit dem Argument, daß jede faktische Tatsache, die auf die Menschen einwirkt, Begriffe in ihnen provoziert, und daß die Reaktion gegen diese Tatsache also zwar in zweiter Instanz eine Folge der Tatsache, in erster aber eine Folge der Begriffe ist. Gegen diese formelle Logik ist freilich nichts zu sagen, und es kommt dabei ganz auf die Art seiner Darstellung im Manuskript an, die ich nicht kenne. Ich meine, es wäre am besten, ihm zu schreiben, er wisse jetzt, welchen Mißdeutungen diese und jene Partien ausgesetzt seien, und solle sie also so ändern, daß die „wahre" Ansicht deutlich hervortrete. Das ist alles, was Du tun kannst, oder Du müßtest das Manuskript selbst umschreiben an den fraglichen Stellen, was doch auch nicht geht. Laß mich wissen, wie's Deiner Frau geht, und grüß sie herzlich von mir. Ich bin froh, daß Du mit der Ökonomie endlich fertig bist. Das Ding zog sich wirklich zu sehr in die Länge, und solange Du noch ein für wichtig
9 im Grunde —10 was sagst Du dazu -11 der dafür gut genug ist
gehaltnes Buch ungelesen vor Dir hast, solange kommst Du doch nicht zum Schreiben. Wie sieht's mit einem Verleger für Deine beabsichtigten 2 Bände in -60 Bogen aus? Wenn das all right wäre, so könnte man den Kerl schon dazu kriegen, daß er die nötigen Sachen für den ungarischen Artikel - ich würde sie schon angeben - beischaffte - au besoin12 gegen spätere Verrechnung beim Honorar. Notwendig wäre dann noch eine sehr gute Spezialkarte von Ungarn und Siebenbürgen, womöglich Schlachtpläne, die, soviel ich weiß, in den bisherigen Werken nicht enthalten sind - und die Karte allein könnte auf ca. 15-20 Taler zu stehn kommen. Ich würde diese durch Weydemeyer aussuchen lassen. Apropos, hast Du seine Adresse? Ich möchte ihn wegen der militärischen Abc-Bücher über Organisation und Taktik befragen, grade diesen Dreck kann ich hier nicht bekommen. Sieh auch, was allenfalls von der Beck für Bücher über Ungarn aufzutreiben wären oder durch sie. Den Decker, der noch bei Dir ist, muß ich auch haben.t216]
Dein F.E.
IManchester] 3. April [1851]
12 wenn nötig
80
Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich dachte, ich war' heut endlich mit meiner großartigen strategischen Abhandlung1 fertig geworden. Teils abgehalten, teils zum Nachschlagen über Details genötigt, teils weil das Ding länger wird als ich dachte, werd' ich's schwerlich heut abend spät fertig bekommen. Es ist übrigens total unfit2 zum Druck, nur für private information und eine Art Übung für mich. Über den Wellington fang' ich allmählich auch an klarzuwerden. Eigensinniger, zäher, obstinater Engländer, mit dem vollen bon sens3 und dem vollen Talent der Ressourcenbenutzung seiner Nation; langsam in seinen Überlegungen, vorsichtig, trotz des kolossalsten Glücks nie auf einen glücklichen Zufall rechnend; er würde ein genie sein, wenn nicht der common sense incapabel4 wäre, sichbis zum Genie emporzugipfein. Alle seine Sachen sind musterhaft, keine einzige meisterhaft. Ein General wie er ist für die englische Armee, in der jeder Soldat, jeder Unterleutnant ein kleiner Wellington in seiner Sphäre ist, wie geschaffen. Und er kennt seine Armee, ihre eigensinnige defensive doggedness5, die jeder Engländer vom Boxring mitbringt, und die sie in den Stand setzt, nach achtstündiger angestrengter Defensive, die jede andre Armee zusammenbrechen [lassen] würde, noch eine imposante Attacke zu machen, in der die ermangelnde Lebhaftigkeit durch die Gleichförmigkeit und Stetigkeit aufgewogen wird. Die Defensive von Waterloo12171, bis die Preußen kamen, hätte keine Armee ohne einen Kern von 35 000 Engländern ausgehalten. Übrigens hatte Wellington im spanischen Kriege mehr Einsicht in die napoleonische Kriegskunst als die Nationen, denen Napoleon die Überlegenheit dieser Kriegskunst auf den Rücken schrieb. Während die Östreicher rein konfus wurden, und die Preußen, weil ihr Verstand n'y voyait que du feu6, den Blödsinn und die Genialität für identisch erklärten, wußte
1 „Bedingungen und Aussichten eines Krieges der Heiligen Allianz gegen ein revolutionäres Frankreich im Jahre 1852" -2 ungeeignet -3 gesunden Menschenverstand -1 gesunde Menschenverstand unfähig - 5 Zähigkeit - 6 dort nichts als Feuer sah
Wellington sich ganz geschickt zu benehmen und sich vor den Schnitzern zu hüten, die die Östreicher undPreußen machten. Er machte keine napoleonischen Manöver nach, aber er machte es den Franzosen unendlich schwer, ihre Manöver bei ihm zu applizieren. Er machte keinen einzigen Fehler, wenn er nicht aus politischen Rücksichten mußte; dafür aber hab* ich auch noch nicht das geringste entdeckt, wo er nur einen Funken von Genie bewies. Napier selbst weist ihm Gelegenheiten nach, wo er geniale Coups von entscheidender Wirkung tun konnte und nicht daran dachte.'2041 Er hat - soweit meine Erfahrung geht - nie eine solche Gelegenheit zu benutzen verstanden. Er ist groß in seiner Art, nämlich so groß, wie man es sein kann, ohne aufzuhören, mittelmäßig zu sein. Er hat alle Eigenschaften des Soldaten, sie sind alle gleichmäßig und merkwürdig harmonisch ausgebildet; aber eben diese Harmonie verhindert jede einzelne dieser Eigenschaften an wirklich genialer Entfaltung. Tel soldat, tel politique.7 Sein politischer Busenfreund Peel ist gewissermaßen sein Abklatsch. Beide repräsentieren den Toryism, der bon sens genug hat, mit Anstand eine Position nach der andern aufzugeben und sich in die Bourgeoisie aufzulösen. Es ist der Rückzug nach Torres Vedras.'2181 Voila Wellington.8
Dein F.E.
[Manchester] 11 .April 51
7 Wie der Soldat, so die Politik. - 8 Da hast Du den Wellington.
81
Marx an Engels in Manchester
[London] 15. April 1851
Lieber Engels! Du hast keinen Brief erhalten und erhältst auch jetzt nur diese Zeilen, weil ich from day to day1 Deinen Brief - den angekündigten - abwarte. Einliegend ein Brief von lupus. Ich habe ihm schon geschrieben vor 4 Tagen, aber nicht geantwortet auf die an Dich gestellten Fragen. Ein Brief von einem mir unbekannten Fischer aus Amerika. Ich habe einstweilen den Liebknecht an ihn schreiben lassen. Einen Brief von Rothacker schick' ich Dir das nächste Mal. Auch der Esel ist Redakteur in Amerika. Aus seinem Briefe geht soviel hervor, daß vom äußersten far west2 bis zum Osten überall gegen uns geheult, geschimpft und geschrieben wird. Weitling brachte in seinem Blättchen3 einen Artikel aus Paris (angeblich, in Wahrheit von Willich) gegen mich und Dich.[2191 Andrerseits hat Schnauffer den großen Willich angegriffen. Struve ließ sofort, nachdem er sich für die 10 Millionen verbürgt, einen Zettel in der City zirkulieren, um Geld zur Auswandrung nach Amerika, mit Amalia4, zu betteln. Ist ihm gelungen. Vorigen Freitag ist er abgekratzt, immer mit Amalien. Willich soll sich arg dem tricker5 ergeben, unter Anleitung Göhringers. Er hatte übrigens 14 Tage das Gallenfieber, nach Erhalten der letzten Antwort von dem Pseudobecker und des inliegenden Toastes. Verließ 14 Tage die Kapelle, i.e. die Kaserne nicht. Und bei seiner Rückkehr in die Windmill 11571 brachte er den Toast und die Vorbemerkung zur Diskussion6, wahrscheinlich um sich ein testimonium paupertatis7 ausstellen zu lassen. Schapper hat eine Konstitution für England ausgearbeitet, da sie in derselben Windmill, nach reiflicher Überlegung und weitläufiger Diskussion, beschlossen haben, England habe keine geschriebne Konstitution und müsse
1 Tag für Tag - 2 Fernen Westen - 3 „Die Republik der Arbeiter" - 4 Amalie Struve 5 (nicht eindeutig entziffert) Spiel - 6 „Vorbemerkung zur deutschen Übersetzung des Toastes von L.-A. Blanqui" - 7 Armutszeugnis
daher eine erhalten. Und Schapper-Gebert werden ihm diese Konstitution geben. Geschrieben ist sie schon. Der Schimmelpfennig ist in Deutschland herumgereist und hat da überall sehr gegen uns intrigiert, im gemeinsamen Interesse von Willich-Schapper, Ruge-Kinkel, Becker 8-Sigel. Besonders an den Sitzen der Kinkelbegeistrung und ganz speziell in Westfalen, Osnabrück, Bielefeld usw., wo die Kerls uns nie grün waren, ist der Klatsch unendlich. Dein K.M.
8 Johann Philipp Becker
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Inliegend Post Office Order1 £ 5. Wenn der Gesundheitszustand Deiner Frau und Deine sonstigen Verhältnisse es erlauben, so komm übermorgen, Donnerstag, her.'2131 Du hast 3 Züge, zwischen denen Du wählen kannst: 1. um halb sieben morgens, kommt hier an um 2 Uhr (hat 2te Klasse); 2. der Parliamentary Traint220f um sieben Uhr morgens (2. und 3. Klasse), kommt an um halb sieben abends; 3. um 12 Uhr mittags, kommt an um 9 abends (2.'Klasse). Wir können dann von Freitag bis Montag etwas in der Umgegend herumfahren. Jedenfalls schreib mir umgehend, ob und mit welchem Zug Du kommst; ich werde dann an der Station sein. Kannst Du nicht am Donnersteig kommen, obwohl das sous beaucoup de rapports2 vorzuziehen wäre, so komm am Freitag. Jedenfalls laß mich gleich wissen wo und wie. Ich lasse alles übrige für mündliche Abmachung und geh* lieber gleich die Post Office Order holen. Grüß Deine Frau und Kinder.
Dein F.E.
Manchester], 15. April [1851], Dienstag
Das Büro war wieder zu voll - inliegend 1/2 Fünfpfundnote - die andre Hälfte mit der nächsten Post.
1 Postanweisung - 2 in vielfacher Hinsicht
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, In ein paar Tagen, längstens 8, erhältst Du weitere £ 5. ich würde sie Dir schon heute schicken, hätte ich nicht soeben £ 10.- auf einem Brett auszahlen müssen. Ich habe seit ein paar Tagen den Brief von Lupus und den von Dronke vergeblich gesucht. Du mußt sie beide mitgenommen haben. Wenn Du sie findest, schick sie mir umgehend, ich schreibe dann gleich. Auch den Brief von Fischer aus New Orleans finde ich nicht. Ne nous plaignons pas trop de la mauvaise queue.1 Ich hab grade Savarys Memoiren12211 zu Haus. Napoleon hatte die seinige - und welche! Dieser Savary ist ein famoses Exemplar davon. Etwas Mittelmäßigeres als dieser Kerl gibt es nicht. Wenn gewisse Leute glauben up to the mark2 zu sein und nicht einmal das „Kommunistische Manifest" verstehn, so bildet sich dieser Savary ein, Napoleon in der Tasche zu haben, einer der wenigen Auserwählten zu sein, die die ganze Größe des Kerls begreifen, und dabei hat er nicht einen einzigen Feldzugs- oder Schlachtplan begriffen. Als er diese Memoiren schrieb, war kaum eine einzige ordentliche Darstellung dieser Kampagnen geschrieben, er hätte also, da das Ding apologetisch sowohl für Napoleon wie für ihn selbst ist, gewiß nicht unterlassen, sein Bestes in dieser Beziehung zu tun; statt dessen überall nur ein paar allgemeine Phrasen und unzusammenhängende verworrene Details eines untergeordneten Augenzeugen. Von Austerlitz[2221 weiß der Kerl z.B. nur, daß der Feind in einem Flankenmarsch überrascht und in so viel Stücke zersplittert wurde, wie französische Kolonnen anrückten - wörtliche Kopie aus Napoleons Bulletin. Wie das aber geschah, davon weiß er nichts. Im übrigen enorm viel Klatsch aus der Kaiserzeit und dem Konsulat; ein wahrer Mustercrapaud3, renommierend, verlogen, servil und sich mit wahrer
1 Beklagen wir uns nicht zu sehr über das schlechte Gefolge. - 2 auf der Höhe - 3 Musterphilister
Wollust in der edlen Tätigkeit des Polizisten ergehend, sowohl was den Genuß der Autorität bei Verhaftungen als was die Freude am Mouchardieren angeht; dabei brauchbar zu allerhand Allotriis und Intrigen, aber doch überall so mittelmäßig, diensteifrig und beschränkten Horizonts, daß er überall kurzgehalten und mit positiven Ordres versehen werden mußte. Enfin 4, durchaus kein präsentables Subjekt, au fond5 nicht besser und nicht schlechter, nicht brauchbarer und nicht kompromittierlicher als gewisse amici6, und doch machte Napoleon mit der Zeit eine passable Maschine, einen Herzog von Rovigo und einen Hofmann aus ihm, der ihn beim Kaiser von Rußland7 nicht blamierte. Aber freilich, solche Kerls muß man sich kaufen können, und dazu gehört vor allem Geld und Macht. Übrigens hat der edle Thiers den Savary, dessen Memoiren doch in Frankreich bekannt genug waren, mit einer Unverschämtheit abgeschrieben [1961, die der der englischen Ökonomen im Plagiieren nichts nachgibt, und das nicht bloß im Klatsch. Auch in Sachen über Verwaltung pp. ist hier und da Herr Savary Hauptquelle. Nach der „Times" zu urteilen, muß es jetzt in London fürchterlich aussehn, da die Tataren, Franzosen, Russen und sonstige Barbaren ganz Besitz davon genommen haben sollen. Dazu die Aussicht, Mouchardsbrigaden von allen Weltteilen und sogar preußische Gensd'armen hinzubekommen, ungerechnet die deutschen demokratischen Freunde a la Otterberg, die im Juni kommen werden, um die große Exhibition11841 und die großen Männer zu sehn, das wird schön werden. Gib acht, man wird Dir Leute mit Empfehlungsbriefen, oder auch ohne dergleichen, auf den Hals schicken, die von Dir verlangen, daß Du ihnen Ledru, Mazzini, L.Blanc und Caussidiere zeigen sollst, und die in Deutschland furchtbar nachher räsonieren werden, weil Du ihnen nicht eine Einladung zum Mittagessen von Feargus O'Connor verschafft hast. Es werden Leute kommen, die sagen: Herr Marx? - freut mich sehr - Sie werden mich kennen, ich bin Neuhaus, der Chef der thüringischen Bewegung! Den Krawall unter dem Stadtrat in Köln wegen der Rede des Beigeordneten Schenk an den Prinz von Preußen8 wirst Du gelesen haben, sowie die unverschämte Rede dieses letzteren. „Die Presse ist schlecht, die Kölnische Presse muß sich bessern!"'2231 Ce pauvre9 Brüggemann - er benutzt natürlich die Gelegenheit zu einer Seichbeutelei, wie man sie unter der Zensur zu schreiben bescheidenst und wohlmeinendst sich die große Freiheit nahm. Dafür ist aber jetzt auch „unser Stupp" Bürgermeister und
4 Kurz-5 im Grunde - 6 Freunde - 7 Alexander I.-8 Wilhelm I.-9 Dieser arme
16 Marx/Engels, Werke, Bd. 27
der größte Mann in Köln, und Dein Schwager10 konfisziert Bücher mit lobenswertem Eifer. Ich fürchte nur, er wird nächstens en Brutus prussobureaucrate11 sich auch an Deinen Sachen vergreifen, und das wird die Honorarzahlungen unangenehm stoppen können. Der andre Schwager dieses Edlen, der pp. Florencourt, ist ja, wie deutsche Blätter melden, tambour battant et meche allumee12 in den Schoß der katholischen Kirche übergegangen. Deine Familie ist doch wenigstens interessant, in der meinigen muß ich allein die affenteuerlichen Geschichten machen. Apropos! Du würdest mir einen sehr großen Gefallen tun, wenn Du mir von Daniels oder von wem Du sonst in Köln dafür passend hältst, möglichst bald einen Brief (direkt hieher, also mit Kölner Poststempel) verschaffen wolltest, worin er mir den Empfang von zwei Fünfpfundnoten sowie von einer früher gesandten, also zusammen £ 15.-, anzeigt und beifügt, daß er dies Geld nach meiner Instruktion an die einzelnen Leute ausgezahlt habe und meine Rechnung mit den verschiednen Leuten in Köln hierdurch vollständig erledigt sei. Er kann noch ein paar gleichgültige Dinge, Grüße pp. hinzufügen, damit der Brief nicht gemacht aussieht. Ich muß nämlich, da ich eine Unterhaltung über die erhobenen Gelder voraussehe, irgendein Papier haben, womit ich im Notfall beweisen kann, daß ich Schulden in Köln bezahlt habe. Je eher ich den Brief habe, desto besser. Wie Du die Sache einleiten willst, überlaß ich Dir gänzlich, und es ist mir lieber, daß Du mir das Dokument verschaffst, da es niemand etwas angeht, was wir zwei für Geschäfte machen. Du kannst meinetwegen schreiben, ich hätte mich durch Frauenzimmer in Schulden geritten oder hätte mich früher für Bundeszwecke für die Summe verbürgt und müßte sie jetzt zahlen oder was Du sonst willst - n'importe13. Der Brief soll übrigens im Monat Juni sofort an den Schreiber zurückgestellt werden. Der Poststempel von Köln mit dem Datum aus der ersten Hälfte des Mai ist die Hauptsache. Wie geht's in Deinem Hause? Grüß Deine Frau und Kinder und schreib bald" Dein [Manchester] 1. Mai 1851 F'E'
Soeben find' ich die Briefe von Lupus und Fischer - den von Dronke kann ich aber nicht finden. An Lupus schreib' ich noch heute.14 Wenn Du nach Köln schreibst, wär' es gut, wenn Du sie wegen des Reisegelds für Lupus trätst - Du kennst ja die Kölner.12241
10 Ferdinand von Westphalen - 11 als preußisch-bürokratischer Brutus - 12 mit fliegenden. Fahnen - 13 das ist egal -14 siehe vorl. Band, S. 549-551
84
Marx an Engels in Manchester
[London] 3. Mai 1851
Lieber Engels! Lupus hat von Köln, wie er mir selbst schreibt, einen englischen Paß und Reisegeld für sich und Dronke erhalten. Dronke hat den Kölnern*2241 auch einen Aufsatz über die italienische Revolution zugeschickt. Mais ce qu'il y a de drole1, Dronkes Unterschrift steht positiv - abgedruckt in Louis Blanc - unter der Adresse an das damalige Komitee zur Feier der Februarrevolution. Nous lui demanderons des eclaircissements sur ce fait etrange. Dans le meilleur cas, ce n'est pas un trait d'esprit de la part de ce gnome.2 Becker hat seine Setzerei und Druckerei nach Verviers verlegt, und es scheint nicht, daß die Regierungsverfolgungen ihm Schaden tun. Ein Heft12251 von meinem Dreck ist hierher gelangt, aber nur ein Exemplar. Das hiesige zentraldemokratische deutsche Komitee'2261 hat sich hier aufgelöst zur selben Zeit, wo der große Karl Heinzen ihm „militärischen Gehorsam" ankündigt. Der süße Kinkel, wegen seiner dramatischen Vorlesungen für respektable Cityleute - 12 Vorlesungen für 1 Guinea: der Süße schickt diese Billetts durch ein Komitee (worin Oppenheim von Berlin) an Gott und die Welt, hat ungefähr 300 Zuhörer -, darf sich natürlich nicht kompromittieren und hat sich zurückgezogen. Ebenso Haug sich überworfen. Rüge, dessen Finanzen sehr zerrüttet scheinen, hatte vor, sich eine Daguerreotypanstalt zu kaufen und als Daguerreotypist das Land zu durchziehn. Weerth schreibt mir heute im höchsten Maße malkontent: die langen Nasen und das Rauchfleisch ennuyieren ihn. Außerdem, sagt er, drohe ihm „eine glänzende Lage" - Heirat? Aber er sei zu alt, um Philister zu werden. Du kennst unsren Freund Weerth. Er ennuyiert sich rasch und am schnellsten, wenn er sich bürgerlich behaglich findet. Sein Freund Campe sagte ihm, verdrießlich auf die Makulatur zeigend: „Alles zieht, aber nichts schlägt durch." Und das sei der allgemeine Zustand in Teutschland.
1 Aber was komisch ist - 2 Wir werden von ihm Aufklärung über diesen seltsamen Umstand verlangen. Im besten Fall ist es kein geistreicher Einfall von Seiten dieses Knirpses.
Hier wimmele's von people3 aller Art. Ich glaube nicht, daß es mich belästigen wird in any way4. Denn was von den Industriellen liberal, radikal oder auch nur neugierig ist, das wird [mit großer Aufmerksamkeit5 eingefangen bei Göhringer oder von der Kinkel-Clique und dann gleich mit Skandal über uns beide gefüttert. Tant mieux pour nous!6 Diese ganze Woche ist die Bibliothek geschlossen gewesen. Von dem roten Narren7 erfährt man nichts mehr. Daniels schreibt mir, daß sie nirgends besser repräsentiert sind als in Berlin und dort zwei „Talente" und „Gentlemen" zur Disposition haben, die sehr tätig seien. Tupman8 leidet an sehr starkem Tripper. Nach einer heftigen Szene mit Madame la baronesse9 ist die Sache wieder halb beigelegt, aber seine Stellung ist subalterner durch seinen Leichtsinn geworden. Das Foucaultsche Experiment mit dem Pendel wird hier im polytechnischen Institut gezeigt. Den gesagten Brief an Daniels werde ich morgen besorgen. Schramm hat es mirabile dictu10 zu einem season ticket11 gebracht. Heinzen hat in seinem Saublatt12 mich wieder mit seinem „native"13 Dreck geworfen, der malheureux14. Der Kerl ist so dumm, daß Schramm für bares Geld unter dem Namen „Müller" bei ihm korrespondiert und lauter unpassende Allotria, wie den Blanqui-Toast[2031 etc., in seinen Zeitungskram einschmuggelt. Willich begegnete vor einigen Tagen dem Bamberger, den er früher einmal gesehn hatte. Kam auf ihn zu. Drückte ihm die Hand: „Ich war 3 Wochen sehr krank. Konnte das Haus nicht verlassen. Die Revolution marschiert famos. Namentlich hier in London sind wir sehr tätig. Zwei neue Filialvereine gestiftet. Schapper wirkt ungeheuer." Ein andermal mehr. Nächste Woche werde ich mich auf der Bibliothek ernsthaft für Deine Quellen zu L.Blanc umsehn. Dein K.M.
Meine Fr[au lä]ßt5 grüßen. Sie war wütend, daß der Pi[eper uns so zudrin]glich5 gleich auf den Hals kam. Übrigens schenkst Du der Post immer einen stamp. One will do.15
3 Volk - 4 in irgendeiner Weise - 5 Papier beschädigt - 6 Um so besser für uns! - ' Hermann Becker - 8 Wilhelm Pieper -9 Baronesse Rothschild -10 wunderbarerweise -11 Saisonbilleti 12 „Deutsche Schnellpost" - 13 „angestammten" - 14 Unglückselige - 15 eine Briefmarke. Eine genügt.
85 Marx an Engels in Manchester
[London] 5. Mai [1851]
Lieber Engels! Ich schicke Dir, hier nachfolgend, eine Kopie des Artikels über die Anwendung der Elektrizität auf die Agrikultur[2271, wörtlich englisch. Du bist so gut und schreibst mir umgehend, 1. was Du von der Sache hältst. 2. Erkläre mir die Geschichte, da ich nicht ganz klug draus werde, in piain German1.
A G D
North E
Yards
Seventy six
Forty
-< ES fr
F South
B H A field is divided into oblong squares, 76 yards long and 40 yards wide, and containing therefore, just one acre each. Das Obenstehende ist der Plan eines solchen Square. An jedem der Punkte A,B,C und D pegs are driven into the ground; the external lines represent strong iron wires, extending from and fastened to each of the 4 pegs, and communicating with each other, so as to form a square of wire, sunk 3 inches below the surface; at the Points E and F Poles are fixed in the ground 15 feet high; a wire is connected with the cross wire beneath the surface at the Point E, - carried up the pole and along the centre of the Square to the top of the pole at F, down which it is conducted and fixed to the cross wire beneath the surface at that point. We must here remark that the Square must be so formed, to run from North
1 auf gut deutsch
to South, so that the wire passing from E to F shall be at right angles with the Equator. It is well known that a considerable body of electricity is generated in the atmosphere, and constantly travelling from east to west with the motion of the earth. This electricity is attracted by the wire suspended from E to F, and communicated to the wires forming the Square under the surface of the ground, from the points A, B, C and D.... any quantity of electricity could be generated, that might be required, by placing under the ground at the point G, a bag of charcoal, and plates of Zink at the Point H, et to connect the two by a wire passing over two poles similar to those at E and F and crossing the longitudinal wire passing from those points. The cost at which this application can be made is computed at one pound per acre, and it is reckoned to last 10-15 years, the wires being carefully taken up and replaced each year. Die poles werden aus dry wood gemacht. As the area increases the cost diminishes The mode in which the plot is laid out is as follows. With a mariners* compass and measured lengths of common string, lay out the places for the wooden pins, to which the buried wire is attached (by passing through a small staple). Care must be taken to lay the length of the buried wire due north and south by compass, and the breadth due east and west. This wire must be place d from two to three inches degrees in the soil. The lines of the buried wire are then completed. The suspended wire must be attached and in contact with the buried wires at both of its ends. A wooden pin with a staple must therefore be driven in, and the two poles (one 14 feet and the other 15 feet) being placed by the compass due north and south, the wire is placed over them, and fastened to the wooden stake, but touching likewise at this point the buried wire. The suspended wire must [not] be drawn too tight, otherwise the wind will break it. Voilä l'affaire.2
s Ein Feld ist in längliche Vierecke geteilt, 76 Yard lang und 40 Yard breit, so daß also jedes Viereck gerade ein Acre groß ist. Das Obenstehende ist der Plan eines solchen Vierecks. An jedem der Punkte A, B, C und D sind Pflöcke in die Erde getrieben; die äußeren Linien stellen starke Eisendrähte dar, die von einem der 4 Pflöcke zum andern gehend und an ihnen befestigt, so miteinander verbunden sind, daß sie ein drei Zoll tief in die Erde eingesenktes Drahtviereck bilden. Bei den Punkten E und F sind 15 Fuß hohe Pfähle in den Boden eingelassen; bei Punkt E ist ein Draht mit dem unterirdischen Querdraht verbunden - den Pfahl hinauf durch die Mitte des Vierecks zur Spitze des Pfahles bei F gezogen, dann den Pfahl hinunter geführt und hier wieder an dem unterirdischen Querdraht befestigt. Hierbei ist zu beachten, daß das Viereck so gerichtet sein muß, daß es von Nord nach Süd liegt, so daß der von E nach F gezogene Draht einen rechten Winkel mit dem Äquator bildet. Es ist bekannt, daß in der Atmosphäre eine beträchtliche Menge Elektrizität erzeugt wird und mit
Die deutschen Zentralmänner haben sich zum xtenmal wieder vereint, und so erscheint eine Annonce von General Haug, die für den 10. Mai die Erscheinung seines „Kosmos" ankündigt, unter Mitarbeit der Herrn Rüge, Kinkel, Ronge etc. Das wird schön werden. Eben bringt Tupman3 einen Brief von Miquel, woraus hervorgeht, daß die deutschen Demokraten - auch einige Kommunisten - an der Spitze das Bremer Scheißblatt4 von Rüge, unermüdlich in ihren Verleumdungen gegen mich sind, und derartiges frißt natürlich bei dem deutschen Philister und Straubinger1471 reißend um sich. Die Kerls müssen doch eine Heidenangst vor mir haben, daß sie jetzt schon alle Mittel aufbieten, um mir den Aufenthalt in Deutschland unmöglich zu machen. Dein K.M.
Jones hielt gestern eine wirklich famose Vorlesung gegen das cooperative movement5, worin er de front6 sein eignes Publikum attackierte. Er sagte mir, daß aus dem Blatt mit Harney wohl nichts werden wird, da mit dessen Frau kein Geschäft abzuschließen ist. Er wird einstweilen auf seine Faust ein Magazin[328) herausgeben.
der Bewegung der Erde ständig von Ost nach West wandert. Diese Elektrizität wird durch den von E nach F gespannten Draht angezogen und dem unterirdischen Drahtviereck ABCD mitgeteilt... jede Menge Elektrizität, die benötigt wird, könnte erzeugt werden, indem man bei Punkt C unter der Erdoberfläche einen Sack Holzkohle und bei Punkt H Zinkplatten plaziert und beide durch einen über zwei Pfähle, ähnlich denen bei E und F, gezogenen Draht verbindet, der den zwischen diesen Punkten gezogenen Längsdraht kreuzt. Die Kosten für diese Vorrichtung sind auf ein Pfund pro Acre zu berechnen, sie kann 10-15 Jahre halten, wenn die Drähte sorgfältig aufgehoben und jedes Jahr an ihren Platz gesetzt werden. Die Pfähle werden aus trockenem Holz gemacht. Je größer die Bodenfläche, um so geringer die Kosten.... Der Platz wird wie folgt angelegt. Mit einem Seemannskompaß und abgemessenen Längen Bindfaden werden die Punkte für die Holzpflöcke bestimmt, an denen der unterirdische Draht (durch schmale Schließhaken laufend) befestigt werden soll. Dabei ist zu beachten, daß die Längsseite des unterirdischen Drahtvierecks genau in der Nord-SüdRichtung desKompasses verläuft,und dieQuerseite genau inOst-West-Richtung.DieserDraht wird dann zwei bis drei Inch tief in die Erde versenkt. Damit sind die Linien für den unterirdischen Draht fertig. Der über die Pfähle gezogene Draht muß an seinen beiden Enden mit dem unterirdischen Draht verbunden sein. Zu diesem Zweck wird ein Holzpflock mit einem Schließhaken eingetrieben und die beiden Pfähle (der eine 14, der andere 15 Fuß hoch) genau nach dem Kompaß in der Nord-Süd-Richtung plaziert, über sie der Draht gezogen und an dem Holzpflock befestigt, wobei er jedoch gleichzeitig an diesem Punkt den unterirdischen Draht berühren muß. Der oben gespannte Draht ist [nicht] zu fest anzuziehen, damit ihn der Wind nicht zerreißt. Das ist die Geschichte. - 3 Wilhelm Pieper - 4 „Bremer Tages-Chronik" - 6 die Genossenschaftsbewegung - 6 ins Gesicht
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Engels an Marx in London
[Manchester, 6. oder 7. Mai 1851]
Lieber Marx, Morgen oder übermorgen erhältst Du die Post Office Order1. Unser Buchhalter hat heute wieder keine cash2. Seit wann gebrauchst Du zu Deinen Briefen das inliegende schöne Siegel - oder ist was damit passiert? II parait donc3, daß die ganze „Neue Rheinische Zeitung" diesen Sommer in London zusammensitzen wird, minus vielleicht Freiligrath und den honorarius4 Bürgers. Daß Lupus definitiv kommt, freut mich sehr, ich weiß übrigens jetzt positiv, daß die Geschichte mit den Alien-offices5 an der Grenze hier jetzt noch weit weniger streng ist als früher, und daß daher der ganze Skandal wegen des Verbots, Flüchtlinge hierherzuschicken, der purste Humbug ist. Die Unterschrift des Alrauns6 zu der Genfer Adresse ist höchst sonderbar7 - une bevue inconcevable8 neuer Beweis, daß man a sharp look-out after these young men9 haben muß und daß sie kurzgehalten werden müssen. Es kann nur eine bevue10 sein, die Briefe des Kerlchens waren übereifrig, und vielleicht hat er geglaubt, einen famosen Geniestreich zu machen. Man muß ihn scharf inquirieren, rüffeln und ihm empfehlen: surtout pas de zele11! Nächstens werde ich Dir eine ökonomische Abhandlung von Wellington aus dem Jahre 1811 mitteilen, über free-trade12 und Monopol im Kolonialhandel. Das Ding ist kurios, und da es die spanischen Kolonien betrifft und nicht die englischen, so kann er den free-trader13 spielen, obwohl er gleich im Anfang mit einem aristokratisch-militärischen Fanatismus über die Kaufleute schimpft. Er dachte nicht, daß er diese Prinzipien nachher auf die englischen Kolonien anwenden helfen müßte. Aber das ist der
1 Postanweisung - 2 kein Bargeld - 3 Es scheint also - 4 ehrenwerten - 5 Fremdenämtern - 6 Ernst Dronke - 7 siehe vorl. Band, S. 243 - 8 ein unbegreiflicher Schnitzer - 9 ein scharfes Auge auf diese jungen Leute -10 ein Schnitzer -11 vor allem keinen Übereifer 12 Freihandel - 13 Freihändler
Witz. Dafür, daß der alte Irländer unverdienterweise Napoleon besiegte, hat er später vor Cobden erliegen müssen und en economie politique14 durch das Kaudimsche Joch desfree-trade passieren12291. Die Weltgeschichte gibt doch zu sehr vielen angenehmen Betrachtungen Anlaß! Die Auflösung der Londoner demokratischen provisorischen Regierung für Deutschland hat mich mit Kummer erfüllt. So eine schöne Gelegenheit für die Esel, sich vor dem öffentlichen Gelächter zu erhalten, findet sich sobald nicht wieder. Dafür eröffnet der große Franz Raveaux in der „Kölnischen Zeitung" wieder seine Klüngelpolemik mit Herrn Paul Franck und andern Eseln. Er ist wieder reif, in irgendein Nationalnarrenhaus gewählt zu werden und zu sagen: „Meine Herren, hück hat die Stadt Köllen ener jroßer Dag erlebt!" Das Vieh sitzt in Brüssel. Unser Freund, der Kommandant Engels, ist General und Ister Kommandant geworden, und die Philister haben ihm ein Essen gegeben, worauf „unser Stupp" seine Gesundheit ausgebracht hat. Du siehst, daß man noch zu etwas kommen kann, auch wenn man Engels heißt. Und das alte dicke Schwein, früher Leutnant unter Napoleon, freut sich in seiner Danksagung über den spezifisch preußischen Geist des Festes und der Stadt Köln. Ich bin übrigens moralisch überzeugt, daß der Willich und Co. über einem großartigen Plan zur Revolutionierung Englands während der Exhibition[184) brüten, obwohl es ebenso sicher ist, daß sie keinen Finger rühren werden. Wird nichts Vereinzeltes bleiben! Der 2. stamp15 auf meinen Briefen ist für spätere Aufgabe. Ich kann für diesen stamp IV2 Stunden nach Schluß der gewöhnlichen Post den Brief noch mit demselben Zuge fortbekommen. Übrigens zahlt das die Firma. Dein F.E.
14 in der politischen Ökonomie -16 Die 2. Briefmarke
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Mit der heutigen ersten Post habe ich Dir eine Post Office Order1 für £ 5 geschickt, die Du hoffentlich erhalten hast. Mit der englischen Post ist decidement2 etwas los. Erst der Brief, der Dir offen zukam. Dann vorgestern Dein Brief an mich mit ausgewischtem Siegel, das ich Dir zurückschickte. Jetzt kommt mir heute, Donnerstag, den 8., abends 7 Uhr, Dein Brief vom 5., also Montag, der mit der Elektrizitätsgeschichte, zu. Der Brief hat drei Londoner Poststempel vom 6. (Dienstag), von denen zwei beweisen, daß er am Dienstag morgen vor 10 Uhr schon aufgegeben war. Dann einen Manchester Stempel vom 7. (gestern), und endlich zwei desgl. von heute. Dazu ein verwischtes, schlechtgeflicktes, mir fremdes Siegel, das Du inliegend zur Prüfung zurückerhältst. Ich schicke noch heute die Envelope an den hiesigen Postmeister und verlange Erklärung, weshalb der Brief statt gestern morgen, erst heute abend abgegeben. Schreib mir umgehend genau, wann er aufgegeben und ob das Siegel in Ordnung ist. Wir wollen diesen Hunden einen Skandal machen, daß sie daran denken sollen. Daß die Kerls Gemeinheiten machen, geht aus der heutigen „Daily News" hervor, die direkt erklärt, Palmerston habe in Wien und Berlin Spione zur Bewachung der Flüchtlinge verlangt, und die Herren Stieber und Goldheim von Berlin dem englischen Publikum gehörig beschreibt. Es wäre famos, wenn wir den Grey ebenso nageln könnten, wie früher Mazzini den Graham angenagelt hat[2301. Daß mit dem Brief etwas Apartes vorgefallen, beweist auch ein Zeichen, das sie darauf gemacht haben. Das Wort Manchester auf der Adresse ist vorn und hinten bekreuzt, so: X Manchester X noch stärker, als ich es nachmache. Hebe die Siegel, die ich Dir zurückschicke, auf; wir werden sie vielleicht brauchen können.
1 Postanweisung - 2 sicherlich
Ich schreibe Dir morgen über die andern angeregten Punkte; ich gehe jetzt gleich diesen und den Brief an den Postmeister aufgeben. Grüß Deine Frau bestens. Dein F.E. [Manchester] Donnerstag, 8.Mai3 [1851], 10 Uhr abends
Der Brief ist so ungeschickt aufgemacht, daß man noch den Rand des ursprünglichen, größeren Siegels deutlich sieht. Alles Siegellack hilft nichts, solange keine Oblate drunter ist, die alle 4 Seiten der Envelope faßt. Ich habe grade keines hier, und da ich wünsche, daß dieser Brief Dir uneröffnet zukommt, so kann ich nichts andres tun, als ihn an Schr[amm] schicken, der Dir näher wohnt als Pieper, und durch den Du wenigstens Chance hast, ihn rasch zu bekommen. Le tout considere4 ist es doch besser, ihn per Pieper zu schicken, was ich tue.
8 im Original: Juni - 4 Alles in Erwägung gezogen
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Engels ein Marx in London
[Manchester] Freitag, 9. Mai 51
Lieber Marx, Ich schickte Dir gestern 2 Briefe, den einen ohne andern Inhalt als eine Post Office Order1, den andern durch Tupman2. Du hast beide hoffentlich erhalten. Die elektrische Geschichte ist einfach, was die Konstruktion anbetrifft. An den vier Ecken ABC und D - ich setze voraus, daß Du die Zeichnung dort hast - werden Pflöcke in die Erde geschlagen und ein starker Draht, 3 Zoll unter der Erdoberfläche, von einem dieser Pflöcke zum andern gezogen, so daß er unter der Erde das ganze Feld umspannt. Bei E und F, Norden und Süden, werden zwei Pfähle in die Erde geschlagen, deren Spitzen, 15 Fuß über der Erde, ebenfalls durch einen Draht verbunden werden. Die beiden Enden dieses Drahts laufen den Pfahl hinab und werden unter der Erde mit dem verdeckten Draht A B C D verbunden. Ebenso ein Querdraht von G bis H auf zwei Pfählen, der in der Mitte den Draht E F kreuzt. Was der Sack Holzkohle und die Zinkplatten sollen, ist mir nicht ganz klar, da ich die elektrische Beschaffenheit der Holzkohle vergessen habe - ich vermute, durch diese Holzkohle bei G und den Zink bei H, die beide ebenfalls vergraben und mit dem großen vergrabnen Draht in Verbindung stehn, will der Kerl die Elektrizität polarisieren, einen positiven (Zink) und negativen (Kohle) Pol herstellen. Der Rest bezieht sich auf technische Geschichten, Isolierung der Drähte usw. Da Du mir weiter nichts schreibst, so vermute ich, daß sich die Geschichte auf irgendein Experiment bezieht, ich glaube, Du sprachst mir davon, daß im „Economist" oder so etwas davon gestanden. Mir ist der Erfolg der Sache etwas zweifelhaft, doch mag was damit zu machen sein, wenn man das Ding ausdehnt und verbessert. Es fragt sich nur 1. wieviel Elektrizität sich in der Weise aus der Luft abfassen läßt, und 2. wie diese
1 Postanweisung - 2 Wilhelm Pieper
Elektrizität auf Wachstum und Keimen der Pflanzen wirkt. Laß mich jedenfalls wissen, ob das Experiment schon gemacht ist und mit welchem Erfolg, und wo der Bericht darüber steht. Zwei Haken hat die Sache jedenfalls: 1. Will der Kerl den Draht, der die Elektrizität abfassen soll, genau Nord und Süd gelegt haben, und schreibt doch den farmers vor, ihn nach dem Kompaß zu legen. Von der Deklination des Kompasses, die hier in England ca. 20-23 Grad beträgt, spricht er gar nicht, und er müßte jedenfalls sagen, ob er sie in Anschlag gebracht hat. Die farmers wissen jedenfalls von Deklination nichts und würden den Draht nach der Magnetnadel legen, wo er dann nicht von Nord nach Süd, sondern von Nord-Nord-West nach SüdSüd-Ost zeigen würde. 2. Wenn die Elektrizität eine befördernde Wirkung auf das Keimen und Wachsen der Pflanzen hat, so wird sie im Frühjahr die Pflanzen zu früh keimen machen und sie Nachtfrösten pp. aussetzen. Dies müßte jedenfalls sich zeigen, und dem wäre nur abzuhelfen, indem man während des Winters die Kommunikation der schwebenden und der vergrabnen Drähte unterbräche. Auch davon spricht der Mann nicht. Entweder aber ist die so abgefaßte Elektrizität ohne alle befördernde Wirkung oder sie hat die des Zufrühtreibens. Auch das muß aufgeklärt werden. Die Sache läßt sich übrigens nicht beurteilen, bis sie probiert ist und Resultate da sind, und deswegen sag mir, wo ich das Weitere über diesen Gegenstand finden kann. Ich danke dem Schöpfer in der Höh', daß die Zentralesel12261 sich wiedergefunden haben, und selbst ihren „Kosmos" gönne ich ihnen. Wir werden doch bald wieder ein Organ haben, soweit wir's brauchen, und wo wir edle Angriffe zurückweisen können, ohne daß es scheint, als ginge dies von uns aus. Das ist ein Vorzug der beabsichtigten Kölner Monatsschrift12311 vor unsrer „Revue". Wir schieben das alles dem bonhomme Bürgers in die Schuh', etwas muß er doch für seinen Tiefsinn haben. Daß die Schimpfereien in Deutschland nicht weniger Fortgang finden als in Amerika und London, ist nicht anders zu erwarten. Du hast jetzt die stolze Position, von zwei Welten zugleich attackiert zu werden, was dem Napoleon nie passiert ist. Übrigens sind unsre Freunde in Deutschland Esel. Daß sie von bloßen Schimpfereien keine Notiz nehmen, als alle Vierteljahr zwei Worte über den Stand dieses säubern trade3 zu geben, ist ganz in der Ordnung. Aber wenn es zu Verleumdungen kommt, wenn sich der
3 Handels
demokratische Philister nicht mehr mit der einfachen Überzeugung begnügt, daß man das schwärzeste Ungeheuer ist, sondern wenn er anfängt, mit erlognen und entstellten Tatsachen um sich zu werfen, dann war' es wahrhaftig nicht zu viel, wenn einem die Herren das Dokument einschickten, damit man seine Maßregeln treffen kann. Aber der Deutsche glaubt genug getan zu haben, wenn er dergl. Unsinn simplement4 nicht glaubt. Laß den Tupm[an] deswegen an M[iquel] schreiben, es ist nicht einmal nötig, daß man gleich antwortet, sondern wenn man des Zeugs ein paar Dutzend Stück hat, kann man einmal tüchtig losfahren und die Wanzen d'un seul coup de pied ekrasieren5. Was das angeht, daß sie uns den Aufenthalt in Deutschland unmöglich machen wollen - laissons-leur ce plaisir6! Sie können die „Neue Rheinische Zeitung", das „Manifest" und tutte quante7 nicht aus der Geschichte herausstreichen, und all ihr Heulen hilft ihnen nichts. Die einzigen Leute, die uns in Deutschland gefährlich werden könnten, wären Meuchelmörder, und seit der Gottschalk tot ist, hat keiner in Deutschland die Courage, uns dergl. Leute auf den Hals zu schicken. Et puis8, haben wir uns nicht auch 1848 in Köln unsre Stellung erst erobern müssen, und lieben wird uns der demokratische rote oder selbst kommunistische Mob doch nie. Ich freue mich, daß Du Ruhe hast bis jetzt vor den Ausstellungsleuten. Ich krieg' sie schon auf den Hals. Gestern waren zwei Kaufleute aus Lecco hier, der eine ein alter Bekannter von 1841. Die Östreicher wirtschaften schön in der Lombardei. Nach all den Kontributionen, wiederholten Zwangsanleihen, dreimal im Jahr immer wieder eingeforderten Steuern kommt endlich Regelmäßigkeit hinein. Die mittleren Kaufleute in Lecco müssen 10000-24000 Zwanziger (350-700 £) jährlich zahlen - an direkten regelmäßigen Steuern, alles hard cash9. Da mit dem nächsten Jahr die östreichischen Banknoten dort auch eingeführt werden sollen, will die Regierung vorher alles Metallgeld herausziehen. Dabei wird der hohe Adel — i gran ricchi10 - und die Bauern verhältnismäßig sehr geschont - il medio liberale11, die liberale Mittelklasse der Städte muß alles zahlen. Du siehst die Politik der Kerls. Daß bei diesem Druck - in Lecco haben sie eine Erklärung unterzeichnet und an die Regierung geschickt, daß sie nicht mehr zahlen, daß mein sie meinetwegen pfänden solle, daß sie aber, wenn dies System nicht aufhöre, alle auswandern würden, und mehrere sind bereits gepfändet -, daß dabei die Kerls auf Mazzini warten und erklären, es müsse
4 einfach-5 mit einem einzigen Fußtritt vernichten -6 lassen wir ihnen das Vergnügen -'alles andere - 8 Und dann in klingender Münze -10 die ganz Reichen -11 die liberale Mitte
losgehn, weil sie es nicht länger aushalten könnten, perche rovinati siamo e rovinati saremo in ogni caso12, das begreift sich. Dies erklärt manches in der Wut der Italiener loszuschlagen. Diese Kerls hier sind alle Republikaner, und zwar lauter angesehene Bourgeois - der eine ist der erste Kaufmann in Lecco und zahlt 2000 Zwanziger monatlich Steuern. Er wollte platterdings wissen, wann es losgehe, sie hatten es unter sich in Lecco - dem einzigen Ort, wo ich populär bin - ausgemacht, daß ich das aufs Haar wissen müßte. Morgen den Wellington, an dem mich diese Kerle gehindert haben.
Dein F.E.
Dieser Brief ist mit Siegellack und unserm Firmasiegel E. & E. gesiegelt. Du wirst also sehn, ob er erbrochen.
12 weil wir ruiniert sind und in jedem Fall ruiniert sein werden
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich habe Dir vorige Woche ein ganzes ship-load1 Briefe spediert, worunter 1 mit Geld und 1 durch Pieper. Sodann wieder einen vorigen Dienstag, auf den ich heute jedenfalls Antwort erwartete. Pas une ligne.2 Ich muß vermuten, daß die Briefe alle abhanden gekommen sind, da ich auf den durch Pieper geschickten jedenfalls Antwort erwartete und deren Ausbleiben mich dem hiesigen Postmeister gegenüber in Verlegenheit setzt. Oder aber es ist irgendein Pech passiert, und auch in diesem Falle wären deux mots3 erwünscht, die Geschichte beunruhigt mich considerablement4, und wenn ich morgen oder spätestens übermorgen nichts von Dir erhalte, so weiß ich nicht, was los ist, und wie ich es anfangen soll, Dir Briefe so zuzustellen, daß nichts verloren geht. Der Postmeister hier wünscht, daß Du in Zukunft Deine Briefe nicht so adressieren sollst wie bisher, sondern so: oben den Namen, darunter Nummer und Straße, und ganz unten Manchester. Er schiebt es darauf, daß neulich ein Brief von Dir die Reise von hier nach London zurück und dann wieder hieher gemacht hat. Also auf umgehende Antwort.
Dein F.E.
[Manchester] Donnerstag [15. Mai 1851]
1 eine ganze Schiffsladung - 2 Nicht eine Zeile. - 3 zwei Worte -1 beträchtlich
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Marx an Engels in Manchester
London, 16. Mai 1851
Lieber Engels! Deinen Brief, der vorgestern ankam, erhielt ich zu spät, um ihn noch zu beantworten.1-2321 Ich war nämlich schon auf dem Museum1, eh' der postman erschien, und kehrte erst um 7 Uhr abends nach Hause zurück. Gestern aber konnte ich Dir mit dem besten Willen nicht schreiben, da ich solche Unterleibsschwierigkeiten hatte, daß mir fast der Kopf sprang, wie dem Freiligrathschen Neger die Trommel[233]. Die vorige Konfusion kommt einfach daher, daß ich einem der beiden Bummler (S[chramm]) sofort auf Deinen ersten Brief ein Schreiben an Dich zur Besorgung an Dich auf die Post gab. Er hatte es verbummelt, und die paar Zeilen befanden sich noch gestern in seinem Portefeuille. Was die electricity angeht, so findet sich die Notiz darüber in dem „Economist" von 1845. Er enthält übrigens nichts, als was ich Dir mitgeteilt, mit der Erzählung, daß der Versuch mit dem größten Erfolg in Schottland gemacht. Er nennt sogar den farmer. Freiligrath kommt in diesen Tagen her. Nun zu den Postgeschichten. Ich glaube, die Post ist unschuldig. Wenigstens bin ich allein für die schlechte Form der Siegel verantwortlich. Das einzige, was mir ganz alienum est2, ist das: X Manchester X3. Hast Du gesehn in der „Kölnischen Zeitung", wie der unverschämte Kinkel durch seine Frau jede Teilnahme an dem Manifest des starken „Provisorium"12081 ableugnet? und wie er „eine schwere Krankheit" sich an den Hals lügt, um das Interesse des deutschen Philisters zu steigern? Durch die Intervention meines würdigen Schwager-Ministers4 ist wieder der Druck meiner Sachen, wie der „Revue", ins Stocken geraten.11701 Es scheint, daß Becker5 auf Schwierigkeiten in Verviers gestoßen ist.
1 British Museum — 2 unverständlich ist — 3 siehe vorl. Band, S. 250 - 4 Ferdinand voi? Westphalen - 5 Hermann Becker
17 Marx/Engels, Werke, Bd. 27
In Frankreich scheint Cavaignac reißend umsichzugreifen. Seine Wahl wäre die rationelle Lösung, würde aber die Revolution um Jahre aufschieben. Der Kongreß von Nikolaus, Friedrich Wilhelm und Habsburg[234) hat ungefähr dieselbe Bedeutung wie der von General Haug, Rüge und Ronge. Die Einkommensteuer war übrigens für den Augenblick das Klügste, was die Preußen tun konnten. Nun einen Blick auf die hiesige Emigration. Unter einem Kerl (Deutschen), dessen Namen ich nicht weiß, oder vielmehr mit diesem Kerl, engagierten sich der unsterbliche Faucher, der unvermeidliche E.Meyen.der nun auch hier ist, usw. bei den London (Daily) „Illustrated News" als Redaktion des deutschen Artikels. Da keiner der Kerls englisch weiß, so erbaten sie sich eine Oberredaktion, einen DeutschEngländer. Vorgesetzt wurde ihnen eine alte Frau, die vor 20 Jahren in Deutschland war und gebrochen deutsch spricht. Sie strich wie der alte Dolleschall, namentlich dem E.Meyen seine tiefsinnigen Artikel über „Skulptur". Dieser Idiot reproduzierte nämlich hier in London seine schon vor 10 Jahren in dem Berliner literarischen Klatschblatt6 hingesudelten Kunsteseleien. Auch Faucher wurde unbarmherzig zensiert. Und vor einigen Tagen läßt der Editor diese Bengel, die zwar widerstrebend, aber doch unterwürfig die Herrschaft der alten Frau ertragen, vor sich zitieren, erklärt diesen Herrn, er könne ihre Eigenmachwerke nicht brauchen, sie sollten sich auf Übersetzung englischer Artikel beschränken. Da die Unglücklichen nun kein Englisch verstehn, so war dies ein Abschied in bester Form. Und sie nahmen ihren Abschied. Und Meyen wird wieder ein Dezennium warten und harren müssen, um seine „Skulptur" an den Mann zu bringen. Noch mehr. Die „Kölnische Zeitung" hat Herrn Faucher schon seit Wochen ohne alle Umstände herausgeworfen mit der Vermerkung, seine Artikel ennuyierten das Publikum. Was sagst Du von der portugiesischen Revolution?12351 Herr A. Goegg ist hier, wurde von Willich et Co. sofort abgefangen und hielt Vorlesungen in der Windmill11571. Glückauf! Maintenant, mon eher7, leb wohl. Von jetzt an wird die Korrespondenz wieder ordentlich ins Gleis kommen. Dein K.M.
6 „Atkenaeum" - 7 Nun, mein Lieber
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich bin froh, daß mit den Briefen nichts vorgefallen ist, es ist immer besser so. Der hiesige Postmeister hat mir ebenfalls eine hinreichende Erklärung für den zu spät gekommenen Brief gegeben. Schreib in Zukunft auf der Adresse die Straße und Nummer über der Stadt, so daß Manchester ganz unten steht, die Postschreiber sind daran gewöhnt und haben, weil die Straße unten stand, in dem einen Brief das „Manchester" übersehn und ihn als Londoner Stadtbrief nach London zurückgeschickt. Das Neueste ist, daß Du vollständig enfonciert bist. Du glaubst, die richtige Theorie der Grundrente entdeckt zu haben. Du glaubst, der erste zu sein, der die Ricardosche Theorie umwirft. Malheureux que tu es1, Du bist überflügelt, vernichtet, geschlagen, assommiert, die ganze Grundlage Deines monumentum aere perennius2 ist zusammengebrochen. Höre: Herr Rodbertus hat soeben den dritten Band seiner „Socialen Briefe an v. Kirchmann" veröffentlicht - 18 Bogen. Dieser Band enthält eine „vollständige Widerlegung der Ricardoschen Lehre von der Grundrente und die Darlegung einer neuen Rententheorie". Leipziger „Illustrirte Zeitung" von voriger Woche, Jetzt hast Du Dein Fett. Die Bemühungen des großen Kinkel, aus der unrespektabeln Gesellschaft, genannt Europäisches Komitee, herauszukommen, ohne Gestank zu hinterlassen, sind sehr heiter. Du wirst im Samstags-„Sun" gesehn haben, daß einige Heuldemokraten bei Elberfeld eine Versammlung und kleine riots3 zustande gebracht haben und dabei diese Proklamationen verteilt. Das ist zustande gebracht durch deutschkatholische Verbindungen von Ronge. Weder Kinkel noch sonst jemand vom Chor hätte dort etwas ausgerichtet. Die Geschichte mit Cavaignac ist in jeder Beziehung fatal; wenn Girardin von ihm sagt, daß er die meiste Chance hat, so muß es wahr sein. Außer
1 Unglücklicher, der Du bist - 2 Denkmals, dauernder als Erz (Horaz: Carmina) - s Krawalle
dem sehen die Kerle immer mehr ein, daß die Revision unmöglich ist - auf legale Weise.12361 Und die illegale ist ein Staatsstreich, und wer zuerst Staatsstreiche anfängt, der wird ekrasiert, sagt das „Debats". Napoleon fängt an, horriblement4 verschlissen zu werden. Changarnier ist vernichtet, vollständig pensioniert, die Fusion führt zu nichts unmittelbar Praktischem, so hübsch sie ist, il n'y a que Cavaignac5. Ob der Kerl die Revolution aufschöbe, wär* am Ende so gefährlich nicht; einige Jahre resoluter industrieller Entwicklung, die Überdauerung einer Krise und einer neuen Prosperitätsperiode könnte durchaus nicht schaden, besonders wenn sie von bürgerlichen Reformen in Frankreich pp. begleitet wäre. Aber Cavaignac und die bürgerliche Reform, das ist in Frankreich die Zollreform und die englische Allianz, und bei erster Gelegenheit der Krieg gegen die Heilige Allianz11911, mit Englands Hülfe, mit gehöriger Zeit zu Rüstungen, mit einer lang vorbereiteten Invasion gegen Deutschland, und das könnte uns die Rheingrenze kosten, die ohnehin das beste Mittel ist, den Crapaudsozialismus6 mit einer Abschlagszahlung von gloire zur Ruhe zu bringen. Das „Debats" ist übrigens so herunter, daß es nur noch in der Aufrechterhaltung des neuen Wahlgesetzes die Rettung der Gesellschaft sieht. Die Geschichte mit Faucher und Meyen ist wunderschön. Da ich von der Deutschen ,,I[llustrated] Lfondon] News" nur die erste Seite der ersten Nummer an einem Shopfenster7 sah, war ich rather8 neugierig, wer die „ersten deutschen Schriftsteller" seien, die diesen hochtrabenden Blödsinn schrieben. Das „Frankfurter Journal" läßt sich aus Köln schreiben, den Flüchtlingen in London gehe es jetzt leidlich, mit Ausnahme derer in der Kaserne, unter denen auch Willich sei. Die Augsburger „Allgemeine" glaubt wirklich, die Alienbill11991 sei noch in Kraft, und sieht die Flüchtlinge - diese ewigen Juden des 19. Jahrhunderts - mit der blassen Furcht vor dieser Bill in London zitternd herumschleichen. Von der portugiesischen Revolution12351 sag' ich gar nichts. Bemerkenswert ist bloß, daß Saldanha als reiner persönlicher Insurgent, als: öte-toi de lä, Costa Cabral, que je m'y mette9, absolut nichts ausrichtete, daß aber von dem Moment, wo er gezwungen war, sich an die liberalen Bürger von Oporto anzuschließen und in der Person des Manuel Passos10 einen allmächtigen Repräsentanten dieser bürgerlichen Gewalt bei sich aufzunehmen,
1 furchtbar - 5 es bleibt nur Cavaignac - 6 Philistersozialismus - 7 Ladenfenster - 8 ziemlich 9 scher dich fort, Costa Cabral, damit ich deinen Platz einnehmen kann - 10 im Original: Jose
daß da die ganze Armee ihm zufiel. Die Stellung, die Passos erhält, und die nächste Entwicklung wird zeigen, ob Saldanha und die Königin11 die Bürger nicht gleich wieder zu prellen suchen. Lissabon ist nichts, Oporto ist das Zentrum der konstitutionellen Bürger, der Manchesterschool12371 von Portugal. Sei froh, daß Herr Goegg nicht zu Dir gekommen ist. Le diable empörte toutes ces mediocrites gonflees.12 Dein F.E. Manchester, Montag, 19. Mai 51
11 Maria IL da Gloria -12 Der Teufel hole alle diese aufgeblasenen Mittelmäßigkeiten.
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Marx an Engels in Manchester
London, 21. Mai 1851
Lieber Engels! Freiligrath ist hier und läßt Dich grüßen. Er ist hier, um sich nach einer Stelle umzusehn. Wenn er keine findet, will er nach Amerika. Er hat ganz gute Nachrichten aus Deutschland mitgebracht. Die Kölner '224) sind sehr tätig. Ihre Agenten reisen seit September. Sie haben in Berlin zwei ganz gute Repräsentanten, und da die Demokraten beständig in Köln sich Rats erholen kommen, so paralysieren sie die andern Herrn beständig. So waren die Braunschweiger drauf und dran, dem Schimmelpfennig 2000 Taler für das Londoner Komitee (soziale) zu geben. Vorher aber schickten sie Dr. Lucius nach Köln, und so fiel die Sache ins Wasser. Kinkel ist sehr diskreditiert in der Rheinprovinz, speziell in Bonn. Das dortige Komitee hatte der Johanna1 200 £ geschickt, aber schon nach zwei Wochen verlangte sie Fortsetzung. Das mißfiel sehr den Spießbürgern. Die Kölner werden in einigen Wochen einen kommunistischen Kongreß abhalten. Sigel, der Obergeneral, ist hier und in die Windmill Street[157] eingetreten. Auch eine Nummer des „Kosmos" ist erschienen von General Haug. Enthält Reklamen für Willich, Kinkel und Göhringer. Die verschiednen Banden fallen immer mehr zusammen. Ich habe nie aufgedunsenere und selbstgefälligere Abgeschmacktheit weder gesehn noch gehört. Unter anderm ist eine Hanswurstiade des Arnold Winkelried Rüge drein. Dieses Vieh simuliert, sich einen Brief von einem deutschen „Gastfreund" schreiben zu lassen, worin dieser sich wundert über alles, was er von „englischer Gastfreundschaft" in den Zeitungen liest, fürchtet, Ruges „Überhäufung mit Staatsgeschäften" möge ihn hindern, in diesem „Sybaritismus der Gastfreundschaft" seine gehörigen Prozente mitzunehmen und ihn fragt:
1 Johanna Kinkel
„Nicht der Verräter Radowitz, sondern Mazzini, Ledru-Rollin, Bürger Willich, Kinkel und Sie selbst waren wohl nach Windsor eingeladen?" Rüge belehrt dann seinen Freund eines Bessern und vertröstet ihn, daß die englische Gastfreundschaft sie nicht hindern wird, nach Deutschland fackelschwingend zurückzukehren. L'imbecile!2 Das Ganze ist belletristisch-quartaner-idiotisch geschrieben und mit einer selbstgefälligen Dummheit, die ihresgleichen in den Annalen der Weltgeschichte sucht. Dazu mit einem Mangel an allem Talent, der unerhört ist. Doch ich muß suchen, Dir ein Exemplar von diesem Bettel aufzutreiben. Die Wanze Meyen läuft hier sehr geschäftig umher und teilt jedem, der es hören will, das Geheimnis mit, daß Marx und Engels allen Anhang und allen Einfluß in Deutschland verloren haben. Fürchterlicher Meyen! Um Dir übrigens ein Beispiel von der schamlosen Zudringlichkeit dieser Lumpen, von ihrem schäbigen Bettlertum zu geben: Vorigen Sonntag war ich in John Street, wo der alte Owen an seinem 80. Geburtstag eine Vorlesung hielt. Trotz seiner fixen Ideen war der Alte ironisch und liebenswürdig. Einer der Trabanten des „Kosmos", nachdem der alte Herr geendet hatte, drängt sich an ihn heran und drückt ihm den „Kosmos" in die Hand mit der Erklärung, das Blatt enthalte seine Prinzipien. Und der Alte empfiehlt es wirklich dem Publikum. C'est par trop drole!3 Ich konnte den Abend übrigens nicht vermeiden, wieder mit Harney zu sprechen, der halb angerissen und sehr zutunlich auf mich zukam und sich nach Dir erkundigte. Willichs Bettelgeschäfte gehn ganz gut. Er hat, als die schleswig-holsteinschen Flüchtlinge herkamen, über 200 £ von den city-merchants 4 „für diese" (!) erbettelt. Girardin sagt zwar, Cavaignac sei jetzt der einzig ernsthafte Kandidat der parti de l'ordre[2381, der Bourgeoismasse. Er selbst aber greift ihn und Changarnier wütend an, und seine Polemik erinnert wieder an die besten Zeiten seines Kampfes gegen den „National". Dieser Kerl macht größre Agitation in Frankreich als die ganze Bande der Montagnards und Roten zusammengenommen. Bonaparte scheint hors de question5. Indes, wenn die royalistische Majorität der Nationalversammlung die Konstitution wieder verletzt und mit einfacher Majorität die Revision der Verfassung beschließt, wird sie doch am Ende gezwungen sein - da sie dann allen legalen Halt ver
4 Der Dummkopf! - 3 Das ist schon zu komisch! - 4 Großkaufleuten - 6 außer Frage
liert - mit Bonaparte als dem Inhaber der exekutiven Gewalt einen Kompromiß abzuschließen. Es könnte in diesem Fall vielleicht zu ernstlichen Kollisionen kommen, da Cavaignac schwerlich die Gelegenheit sich noch einmal vor dem Maule wegfischen lassen wird. Bald wird die ganze „Neue Rheinische Zeitung" hier sein. Ich wundre mich über das Ausbleiben von lupus. Wenn ihm nur kein Pech arriviert ist. Ich sitze jetzt immer von morgens 10 bis abends 7 auf der Bibliothek und verspare die Industrieausstellung11841 bis auf Deine Ankunft. Hast Du die falsche und die echte Epistel Mazzinis im „Debats" gelesen? Dein K.M. Müsch grüßt den „Friedrich Engels". Apropos! Willich undSchimm[el]pfennig haben an „Ihre Brüder in der preußischen Armee" den unvermeidlichen Aufruf erlassen.
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Engels an Marx in London12391
Lieber Marx, Ich habe mit Vergnügen aus den Blättern ersehn, daß die „Neue Rheinische Zeitung" in Deiner Person auch auf dem Soyerschen AllerweltspreßSymposium vertreten war. Mögen Dir die homards ä la Washington1 und der Champagne frappe2 geschmeckt haben. Wie aber M. Soyer Deine Adresse aufgefunden hat, ist mir ein Geheimnis. Weißt Du, was aus dem versoffenen Laroche aus der Great Windmill Street11571 geworden ist? Derselbe ist, wie deutsche Blätter melden, abgefangen und in Berlin zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Es stellt sich heraus, daß dieser angebliche ehemalige preußische Husarenlieutnant niemand anders ist als der Schuhmacher August Friedrich Gottlieb Lehmann aus Triebel bei Sorau in der oberschlesischen Wasserpolakkei, Wehrmann 1. Aufgebots, durch Urteil vom 23. März 1842 wegen Desertion in Friedenszeit, Fälschung und unerlaubten Schuldenmachens zu den militärischen Ehrenstrafen und lömonatiger Einstellung in eine Strafsektion verurteilt. Ein neuer Beitrag zur Aufklärung über unsre deutschen Revolutionshelden. Daß die großen Krieger, Willich, Schimmelpfennig und Sigel, sich mehr und mehr zusammenfinden, ist ganz gut. Dies Soldatenpack hat einen unbegreiflich schmutzigen Esprit de corps3. Sie hassen sich untereinander ä mort4, beneiden sich gegenseitig wie Schuljungen die kleinste Auszeichnung, aber gegen Leute vom „Zivil" sind sie alle einig. Akkurat, nur in zwerghaft-karikiertem Maßstab, wie in den ersten französischen Armeen von 1792/93. Die Windmill-Street-Gesellschaft sehen sie alle für ein Bataillon an, das fix und fertig und geschlossen herübermarschieren wird; es ist das einzig übrige, seit die in der Schweiz gesprengt und fortspediert sind. Kein Wunder, daß sie sich alle an dies edle Korps anhängen. Es ist sehr gut, daß man schon jetzt auf diesen Offizierkorpsgeist aus der alten Kaserne und von der Offizierstafel her aufmerksam gemacht wird, und daß man
1 Hummern ä la Washington -2 Champagner auf Eis—3 Korpsgeist - 4 tödlich
schon jetzt sieht, wie diese Cliquenwirtschaft unter dem emigrierten Offiziersmaterial ebensosehr herrscht wie im herrlichen Kriegsheer12401. Wir wollen diesen Herren seinerzeit schon zeigen, was „das Zivil" zu bedeuten hat. Alle dgl. Geschichten zeigen mir, daß ich gar nichts Besseres tun kann, als meine militärischen Studien fortzusetzen, damit wenigstens Einer vom „Zivil" ihnen theoretisch die Stange halten kann. Jedenfalls will ich's dahin bringen, daß solche Esel mich nicht niederschwatzen sollen. Daß sie übrigens um 2000 Taler geprellt worden sind, ist sehr erfreulich. Die Nachrichten aus Köln sind sehr angenehm, die Leute dort mögen sich nur in acht nehmen. Die edle Johanna5 schlägt im Bettel doch wirklich alles platt, was bisher dagewesen. Heinzen kann sich hängen, zu der Unverschämtheit wie diese Frau, die obendrein noch häßlich sein soll wie die Nacht, hat er's nie gebracht. Daß Girardin den Cavaignac nicht unterstützt, ging schon aus den englischen Blättern hervor. Aber daß er das Faktum konstatiert, daß Cav[aignac]s Chancen so flott stehn, reicht hin, um die Situation zu charakterisieren. Wenn die Chance sich realisieren sollte, von der Du sprichst, daß die Majorität und Bonaparte einen Vertrag schlössen und die illegale Revision durchzuführen versuchten, so geht's schief, glaub* ich. Das setzen sie nie durch, solange Thiers, Changarnier und das „Debats" nebst ihren resp. Schwänzen dagegen sind. Die Chance für Cavaignac wäre zu schön; und in d[ie]sem® Fall, glaub' ich, könnte er auf die Armee rechnen. Gibt es Krawall im nächsten Jahr, so ist Deutschland in einer verfluchten Lage. Frankreich, Italien und Polen sind bei seiner Zerstückelung interessiert. Mazzini hat sogar, wie Du gesehn hast, den Tschechen Rehabilitierung versprochen. Außer Ungarn hätte Deutschland nur einen möglichen Bundesgenossen, Rußland - vorausgesetzt, daß dort eine Bauernrevolution durchgeführt worden ist. Sonst kriegen wir eine guerre ä mort7 mit unsern edlen Freunden nach allen vier Winden hin, und es ist sehr fraglich, wie diese Geschichte enden wird. Je mehr ich über die Geschichte nachdenke, desto klarer wird es mir, daß die Polen une nation foutue8 sind, die nur so lange als Mittel zu brauchen sind, bis Rußland selbst in die agrarische Revolution hineingerissen ist. Von dem Moment am hat Polen absolut keine raison d'etre9 mehr. Die Polen haben nie etwas andres in der Geschichte getan, als tapfre krakeel
8 Johanna Kinkel - 6 Papier beschädigt - 7 einen Krieg auf Leben und Tod - 8 eine erledigte Nation - 9 Daseinsberechtigung
süchtige Dummheiten gespielt. Auch nicht ein einziger Moment ist anzugeben, wo Polen, selbst nur gegen Rußland, den Fortschritt mit Erfolg repräsentierte oder irgend etwas von historischer Bedeutung tat. Rußland dagegen ist wirklich progressiv gegen den "Osten. Die russische Herrschaft mit all ihrer Gemeinheit, all ihrem slawischen Schmutz, ist zivilisierend für das Schwarze und Kaspische Meer und Zentralasien, für Baschiciren und Tataren, und Rußland hat viel mehr Bildungselemente und besonders industrielle Elemente aufgenommen, als das seiner ganzen Natur nach chevaleresk-bärenhäuternde Polen. Schon daß der russische Adel fabriziert, schachert, prellt, sich korrumpieren läßt und alle möglichen christlichen und jüdischen Geschäfte macht, vom Kaiser10 und Fürst Demidow bis herab zum lausigsten Bojaren 14. Klasse, der nur blaharodrio, wohlgeboren, ist, schon das ist ein Vorzug. Polen hat nie fremde Elemente nationalisieren können - die Deutschen der Städte sind und bleiben Deutsche. Wie Rußland Deutsche und Juden zu russifizieren versteht, davon ist jeder Deutschrusse aus zweiter Generation ein sprechendes Exempel. Selbst die Juden bekommen dort slawische Backenknochen. Von der „Unsterblichkeit" Polens liefern Napoleons Kriege 1807 und 1812 schlagende Exempel. Unsterblich war bei den Polen bloß ihre Krakeelerei ohne allen Gegenstand. Dazu kommt, daß der größte Teil von Polen, das sog. Westrußland, d.h. Bjelostok, Grodno, Wilna, Smolensk, Minsk, Mohilew, Wolhynien und Podolien sich mit geringen Ausnahmen seit 1772 ruhig hat von den Russen beherrschen lassen, ils n'ont pas bouge11, mit Ausnahme von ein paar Bürgern und Edelleuten hier und da. 1/4 von Polen spricht Litauisch, 1/4 Ruthenisch, ein kleiner Teil Halbrussisch, und der eigentliche polnische Teil ist zu voll 1/3 germanisiert. Glücklicherweise haben wir in der „Neuen Rheinischen Zeitung" keine positiven Verpflichtungen gegen die Polen übernommen, als die unvermeidliche der Wiederherstellung mit süitabler12 Grenze - und auch die noch unter der Bedingung der agrarischen Revolution. Ich bin sicher, daß diese Revolution in Rußland eher vollständig zustande kommt als in Polen, wegen des Nationalcharakters und wegen der entwickelteren Bourgeoiselemente in Rußland. Was ist Warschau und Krakau gegen Petersburg, Moskau, Odessa pp.! Resultat: Den Polen im Westen abnehmen, was man kann, ihre Festungen unter dem Vorwand des Schutzes mit Deutschen okkupieren, besonders Posen, sie wirtschaften lassen, sie ins Feuer schicken, ihr Land ausfressen,
10 Nikolaus I. -11 sie haben sich nicht gemuckst -12 passender
sie mit der Aussicht auf Riga und Odessa abspeisen, und im Fall die Russen in Bewegung zu bringen sind, sich mit diesen alliieren und die Polen zwingen nachzugeben. Jeder Zoll, den wir an der Grenze von Memel bis Krakau den Polen nachgeben, ruiniert diese ohnehin schon miserabel schwache Grenze militärisch vollständig und legt die ganze Ostseeküste bis nach Stettin bloß. Ich bin übrigens überzeugt, daß bei dem nächsten Krawall die ganze polnische Insurrektion sich auf Posener und galizische Adlige nebst einigen Zuläufern aus dem Königreich beschränken wird, da dies so scheußlich ausgesogen ist, daß es nichts mehr kann, und daß die Prätensionen dieser Ritter, wenn sie nicht von Franzosen, Italienern, Skandinaviern pp. unterstützt und durch tschechoslawische Krawalle verstärkt werden, an der Erbärmlichkeit ihrer Leistungen scheitern werden. Eine Nation, die 20 000 bis 30 000 Mann höchstens stellt, hat nicht mitzusprechen. Und viel mehr stellt Polen gewiß nicht. Grüße Freiligrath, wenn Du ihn siehst, und Deine Familie, den Bürger Müsch nicht zu vergessen. Ich komme ca. 8 Tage später nach London alsich dachte, die Geschichte hängt von vielen kleinen Lumpereien ab. Apropos, von Köln noch keine Zeile. Hast Du geschrieben? Wenn ich den Brief nicht bald erhalte, nützt er mir nichts.13 Ich wüßte nicht, warum D[aniels] mir nicht den Gefallen tun sollte. Kannst Du nicht noch einmal schreiben, der D[aniels] kann ja rasch umgehend ein paar Zeilen hinschmieren und mir schicken. Ich könnte sonst in höllische Verlegenheit kommen. Dein F.E. Manchester], 23. Mai 51
13 siehe vorl. Band, S.242
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Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Mai 1851
Lieber Engels! Das Nichtantworten von Daniels (dem ich übrigens morgen wieder einen Brief zukommen lasse, wenn ich nicht noch heute einen erhalte) hat sehr verdrießliche Gründe. Nothjung ist in Leipzig am Bahnhofe verhaftet worden. Was man an Papieren gefunden hat, weiß ich natürlich nicht. Darauf wurden (oder auch gleichzeitig, ich weiß das nicht) Becker und Röser in Köln verhaftet und gehaussucht, ebenso letztres bei Bürgers. Dieser ist in Berlin, steckbrieflich verfolgt, und wird wohl bald hier eintreffen. Diese Maßregeln der Polizei gegen die Emissäre usw. verdanken wir ganz und gar dem elenden Geschrei der Esel in London. Diese Blasebälge wissen, daß sie weder konspirieren, noch einen wirklichen Zweck verfolgen, noch eine Organisation in Deutschland hinter sich haben. Sie wollen nichts als gefährlich scheinen und die Zeitungstretmühle in Rotation setzen. So hindern und gefährden die Kanaillen die wirkliche Bewegung und setzen die Polizei auf das Quivive1. Hat je eine solche Partei existiert, deren eingestandner Zweck die reine Renommisterei ist? Freiligrath ist instinktmäßig zur rechten Zeit abgereist, um nicht gefaßt zu werden. Kaum hier, so wurden ihm Schlingen von allen Emigrationscliquen, philanthropischen Kinkel-Freunden, ästhetelnden Howitts usf. gelegt, um ihn für die Koterie einzufangen. Er hat allen solchen Versuchen sehr grob geantwortet, daß er zur „Rheinischen Zeitung"2 gehöre und mit der kosmopolitischen Brühe nichts zu tun habe und nur mit dem „Dr. Marx und seinen intimsten Freunden" verkehre. Gleich werde ich Dir über den „Kosmos" sprechen. Vorher noch un mot3 über den Zustand in Frankreich. Ich überzeuge mich de plus en plus4, daß trotz alledem und alledem die Chancen Napoleons von allen Kandidaten einstweilen noch die besten sind.
1 (hier:) die Spur - 2 „Neuen Rheinischen Zeitung" - 3 ein Wort - 4 immer mehr
Man wird en principe5 die Revision beschließen, aber en pratique6 sich mit der Revision des auf den Präsidenten bezüglichen Artikels12361 beschränken. Sollte die Minorität zu viel Lärm machen, so faßt man einen einfachen Majoritäts[beschluß]7, wodurch man die Auflösung der Nationalversammlung und die Einberufung einer neuen beschließt, die dann unter auspiciis Faucheri8 und des Telegraphen und des Gesetzes vom 31. Mai vor sich gehn wird12411. Die Bürger würden Cavaignac vorziehn; aber die Gefahr, mit dem Status quo durch eine radikale Neuwahl zu brechen, ist ihnen zu bedenklich. Schon jetzt haben eine Masse Fabrikanten ihre hands9 gezwungen, Petitionen für Revision der Verfassung und Verlängerung der Präsidentengewalt zu unterhauen. En tout cas10 muß die Sache sich bald entscheiden, und nous verrons11! „Der Kosmos" also hat mit Glanz Fiasko gemacht. Unter dem Titel: „Kinkels Vorlesungen", unterzeichnet „Ein Arbeiter", liest sich folgendes: „Bei Döblers Nebelbildern überraschte mich einmal der drollige Gedanke, ob man solche chaotische Schöpfungen mit dem ,Worte' hervorbringen, ob man Nebelbilder ersprechen könne. Eis ist zwar unangenehm, als Kritiker gleich von vornherein gestehn zu müssen, daß in diesem Falle die kritische Selbständigkeit an den galvanisierten Nerven einer angeregten Reminiszenz vibriert, wie der verhallende Ton einer ersterbenden Note auf Saiten nachbebet. Dennoch verzichte ich lieber auf die perückenfähige, langweilige Analyse gelehrter Unempfindlichkeit, als jenen Ton zu verleugnen, welchen die reizende Muse des deutschen Flüchtlings in dem Ideenspiel meiner Empfänglichkeit resonierte. Dieser Grundton der Kinkelschen Gemälde, diese Resonanz seiner Akkorde ist das sonore, schöpferische, bildende, allmächtig gestaltende ,Wort' - der moderne Gedanke! Das menschliche , UrteiV dieses Gedankens entführt die Wahrheit aus dem Chaos lügenvoller Traditionen und stellt sie als unantastbares Eigentum der Gesamtheit unter den Schutz der geistbegabten, logischen Minoritäten, welche sie aus gläubiger Unwissenheit zu ungläubiger Wissenschaft erziehen. Der Wissenschaft des Unglaubens kommt es zu, den Mystizismus des frommen Betrugs zu profanieren, den Absolutismus des verdummten Herkommens zu unterwühlen; durch die Skepsis, diese rastlos arbeitende Guillotine der Philosophie, die Autoritäten zu köpfen und die Völker aus dem Wolkengeschiebe der Theokratie mittelst der Revolution auf das
6 im Prinzip - 6 in der Praxis - 7 Tintenfleck - 8 der Obhut Fauchers -9 Arbeiter -10 Auf jeden Fall -11 wir werden sehen
blühende Gefilde der Demokratie" (des Unsinns) „zu geleiten. Die beharrliche, zähe Forschung in den Jahrbüchern des Menschentums wie die Erklärung des Menschen selbst ist die große Aufgabe aller Männer des Umsturzes, und dies erkannte jener geächtete Dichterrebell, welcher an den Abenden der jüngst verfloßnen drei Montage vor einem bourgeoisen Publikum bei der Geschichte des modernen Theaters seine »dissolving views'12 aussprach." „Ein Arbeiter"[242] Wenn das nicht gut für die Wanzläus ist, Dann weiß ich nicht, was besser ist. Vale faveque!13 Dein K.M.
12 .zersetzenden Ansichten' - 13 Lebe wohl und bleib mir zugetanl
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Engels an Marx in London
L.M., Am Samstag komme ich nach London, wenn nichts dazwischen kommt;2431 Meine Befürchtungen wegen der Kölner12241 haben sich, scheint es, nur zu rasch realisiert; die Verhaftung des roten Blecker]1 und Rösers wegen Hochverrat und Versuch zum Umsturz der Verfassung sowie der Versuch zur Verhaftung des stillen Heinrich2 sind offenbar nicht ohne Beziehung auf die B[unde]sgeschichte. Glücklicherweise hat mein, wie das „Frankfurter Journal" sagt, absolut keine Papiere bei den 2 Verhafteten gefunden — ob bei Bürgers, wird nicht gesagt. Heinrich wird nun wohl auch zur Komplettierung der „Neuen Rheinischen Zeitung" nach London kommen. Die Geschichte kann unangenehm werden, wenn die Kerle sich dumm benommen haben. Dem F.E. [Manchester] Dienstag [3. Juni 1851]
1 Hermann Becker - 2 Heinrich Bürgers
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16. Juni 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Bei Daniels ist Haussuchung gehalten und er verhaftet worden. Ich glaube nicht, daß man irgend etwas bei ihm gefunden hat. Heute morgen erhielt ich einen Brief, offenbar von Daniels' Handschrift, aber ohne Namensunterschrift, worin man mir das obige Faktum mitteilt und mich zugleich auffordert, alle Briefe beiseite zu bringen, da man aus „sichrer" (im Original so) Quelle wisse, daß auch hier in England Haussuchungen stattfinden würden. Ob das gesetzlich möglich ist, weiß ich nicht. Jedenfalls werde ich alles beiseite bringen. Auch Du wirst gut tun, wenn Du sämtliche Briefe - die irrelevanten — verbrennst und die andern, die irgend Data und dgl. enthalten, bei der Mary1 oder Eurem Kommis versiegelt plazierst. Bei dem Jacobi hat man wahrscheinlich eine Empfehlung von Daniels gefunden. Ich habe heute gleichzeitig durch einen Kaufmann einen Brief von Weydemeyer erhalten, der sich bei Frankfurt versteckt hält. Ich lege Dir diesen Brief bei. Weißt Du vielleicht die exakte Zahl, die W[eydemeyer] wissen will, zwischen dem Verhältnis des innern und auswärtigen Handels Englands? Die Sache hat sich in der letzten Zeit bedeutend verändert. Salut! Dein K.Marx
1 Mary Bums
18 Marx/Engels, Werke, Bd. 27
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Es ist sehr bonasse1 von der braven sächsischen Polizei, daß sie uns allerhöchstselbst von dem unterrichtet, was wir bisher nicht wußten, oder erfahren konnten. Bürgers* didaktisch-würdevolles Rundschreiben12441 mit dem bekannten clair-obscur2 des Räsonnements muß ihnen viel fruchtloses Kopfbrechen gekostet haben; sie haben auch grade nur die ungerechten. Stellen groß drucken lassen. Heiter nimmt es sich aus, daß die großen Windmiller11571 jetzt vor der ganzen Welt herausgeschmissen aus der eignen Partei dastehn, der große Willich gepaart mit Haude, Gebert und anderm unbekannten Pack, einem gewissen „Schöpper"3 (von „Schoppen" abgeleitet), dessen seltne Verdienste so wenig bekannt sind, daß selbst in Köln sein Name nicht einmal richtig gedruckt wird! So far all right.4 Aber der 1 .Artikel der Statuten[245) ist schlimm für die Verhafteten: „alle Mittel der revolutionären Tätigkeit", oder wie es dort heißt. Das führt die Sache aus dem Gebiet der bloßen verbotnen Verbindung heraus auf das des Hochverrats. Übrigens, nach einer Andeutung der „Kölnischen Zeitung" zu schließen, scheint meine Vermutung richtig zu sein, daß man vorhat, die ganze Gesellschaft vor den für diese grandiose Gelegenheit eigens ins Leben zu rufenden Berliner Staatsgerichtshof zu stellen. Ein gutes Zeichen für die Stimmung der Bourgeois ist, daß die Regierung mit ihrem Versuch, die große Dresdner Entdeckung als Schreckschuß zu exploitieren, so komplett durchgefallen ist. Der Bürger fürchtet sich so wenig mehr vor dem roten Gespenst, daß er vom großen Kommunistenkomplott nichts hören will und schon fürchtet, daß das Haussuchungssystem nächstens auch auf ihn ausgedehnt werde. Kein einziges Blatt will anbeißen, und die Verzweiflungsexperimente der Regierung, bei Turnvereinen, freien Gemeinden12461 und demokratisierenden Schneidermeistern weitere Umtriebe zu entdecken, beweisen einer
1 gutmütig - 2 Halbdunkel - 3 gemeint ist Karl Schapper - 4 Soweit ist alles in Ordnung.
seits, wie sehr sie sich über die Gleichgültigkeit der Bürger ärgert und die Neugier derselben zu kitzeln sucht, und andrerseits, zu wie wenig weitern Entdeckungen die Statuten und das Rundschreiben geführt haben. Bei Miquel scheint auch fruchtlos gehaussucht zu sein. Qu'y a-t-il de nouveau ä Londres?5 Dein F.E. [Manchester] 27. Juni 1851
5 Was gibt es Neues in London?
13*
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 6. Juli 1851]
Lieber Marx, Nachdem ich meinen Alten hier 8 Tage herumgeschleift, hab' ich ihn glücklich wieder fortexpediert und kann Dir heute endlich inliegend Post Office Order1 für 5 Pfund schicken. Im ganzen kann ich mit dem Resultat meiner Entrevue mit dem Alten zufrieden sein. Er hat mich auf wenigstens drei Jahre hier nötig, und Verpflichtungen für die Dauer, nicht einmal auf die 3 Jahre, hab' ich keine eingegangen, sind auch weiter nicht verlangt worden; weder in Beziehung auf Schriftstellerei, noch auf Hierbleiben im Fall einer Revolution. An diese scheint er gar nicht zu denken, so sicher ist das Volk jetzt! Dagegen habe ich mir Repräsentations- und Tafelgelder gleich im Anfang ausgemacht - ca. £ 200 jährlich, was auch ohne große Schwierigkeiten bewilligt wurde. Mit einem solchen Salär geht die Sache schon, und wenn's bis zur nächsten Bilanz ruhig bleibt und das hiesige Geschäft gut geht, wird er noch ganz anders bluten müssen - ich komme schon in diesem Jahr weit über die zweihundert Pfund. Dabei hat er mich in seine ganzen Geschäftsverhältnisse sowohl hier wie drüben blicken lassen, und da er sehr gute Geschäfte gemacht und seit 1837 sein Vermögen mehr als verdoppelt hat, so versteht es sich, daß ich mich nicht mehr geniere als nötig ist. Der Alte ist übrigens auch verschlagen genug. Sein Plan, der aber nur sehr langsam und schwierig durchzuführen und wegen der Tuckereien mit den Ermens schwerlich je durchgeht, ist der, den Peter E[rmen] nach Liverpool ziehen zu lassen, was dieser selbst wünscht, und mir dann die ganze Leitung des hiesigen Comptoirs - wo G.Ermen dann die Fabrik führen würde - in die Hände zu spielen. Damit wär' ich dann gebunden. Natürlich erklärte ich, daß mir das doch über die Kräfte ginge, und spielte den Bescheidenen. Wäre mein Alter indes noch ein paar Tage hiergeblieben, wir wären uns in die Haare geraten, der Kerl kann das Glück nicht vertragen,
1 Postanweisung
•wird übermütig, fällt in die alte Schulmeisterei und wird provozierend, dabei ist er so dumm und taktlos, daß er z.B. die Gegenwart eines der Ermens, wo er mir das Maul gebunden glaubt und sich auf mein Anstandsgefühl verläßt, noch am letzten Tage seiner Anwesenheit benutzen wollte, um sich mir gegenüber die Satisfaktion zu geben, einen Dithyrambus auf die Institutionen Preußens zu singen. Natürlich reichten ein paar Worte und ein wütender Blick hin, ihn in seine Grenzen zurückzuführen, aber das war auch grade genug, um uns plötzlich wieder auf einen kälteren Fuß zu setzen - grade beim Abschied -, und ich erwarte sicher, daß er auf die eine oder die andre Weise sich für diesen check2 zu revanchieren suchen wird. Nous allons voir.3 Hat die Sache keine direkten praktischen Nachteile, d.h. auf meine Geldstellung, so ist mir das kühle Geschäftsverhältnis natürlich lieber als aller Gemütshumbug. Ceci entre nous.4 Die „Kölner Zeitung" ist seit Anfang Juli hier nicht mehr zu sehn, wahrscheinlich wegen vergessener Abonnementserneuerung. Ich weiß also nicht, ob weiter noch etwas vorgefallen ist. Wenn Du Neues weißt, so laß mich's ja wissen. Ich werde endlich wieder anfangen können, ordentlich zu arbeiten, da die Exhibitionsstörungen'184' jetzt so ziemlich vorüber sind und der Athenaeums-Katalog5 endlich fertig ist. Auch hab' ich vor, bald aufs Land zu ziehn, damit ich ganz ungestört bin. Da ich binnen eines Jahrs meinen Alten nicht wieder herbekomme, kann ich mich ganz nach Konvenienz einrichten und die Repräsentationsgelder zum großen Teil anders verwenden. Grüß Deine Frau und schreib bald. Dein F.E.
2üämpfer -3 Wir werden sehen. -4 Dies unter uns. -5 siehe vorl. Band, S.217
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13.JuIy 1851 • 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Ich habe meinen Brief von Tag zu Tag aufgeschoben, um Dir vollständig die Dokumente zu geben, die unten mitgeteilt werden. Da die Vollständigkeit aber erst in einigen Tagen möglich wird, schreib' ich heute, um nicht noch länger Dich auf Antwort warten zu lassen. D'abord.1 Scheint mir aus Deinem Briefe hervorzugehn, daß Du während der Anwesenheit des Alten in Manchester nicht erfahren hast, daß ein zweites Aktenstück in der „Kölnischen Zeitung" abgedruckt war, unter der Überschrift: „Der Bund der Kommunisten". Es war dies die von uns beiden verfaßte „Ansprache an den Bund"2 - au fond3 nichts als ein Kriegsplan gegen die Demokratie. Nach einer Seite hin war die Veröffentlichung desselben gut, im Gegensatz zu dem der Form nach plus ou moins4 absurden und dem Inhalt nach wenig tröstlichen Aktenstück des Bürgers'244'. Andrerseits erschweren einige Stellen die Situation der jetzt Gefangnen. Wie ich durch Louis Schüler5 aus Köln erfahre, schreibt Bürgers sehr trübselig aus Dresden. Dagegen glaubt man in Köln allgemein an die Freigebung von Daniels, gegen den nichts vorliegt und für den die ganze Heulerei in der heiligen Stadt heult'2471. Sie hält ihn natürlich für unfähig solcher „Narreteien". Miquel hat aus Göttingen geschrieben. Mehrmalige Haussuchung bei ihm. Man fand nichts. Ist nicht eingesperrt worden. Es sind von Göttingen aus 5 neue Emissäre - Gentlemen - nach Berlin etc. ausgegangen. Die Judenverfolgung erhöht natürlich den Eifer und das Interesse. Das drolligste ist, daß die alberne Augsburger „Allgemeine Zeitung" das von uns verfaßte Aktenstück zu einem Kind der Herrn Mazzini-Ruge
1 Zunächst. - 2 „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850" - 3 im Grande - 4 mehr oder weniger - 5 vermutlich Louis Schulz
macht, sich ein über das andre Mal an die Brust schlägt und ihre Begriffserschüttrung über das Ungeheure nicht besser zu formulieren weiß, als indem sie verschiedentlich Wahnsinn! schreit. Wahnsinn! Wahnsinn! Die „Trier"sehe Zeitung" hat sich natürlich - i.e. K.Grün —aufs hohe Pferd gesetzt und aus dem ersten Aktenstück die materielle, aus dem zweiten jedoch die „geistige" Ohnmacht der Partei bewiesen. Die lichtfreundlichen11751 und am weitestgehenden „anarchischen" Phrasen fehlen natürlich nicht. Alles von oben machen! Polizeistaat! Andersdenkende förmlich in Bann tun und ausschließen. Mon Dieu! Da hört am Ende allens auf. Nun zu den hiesigen Stürmen, die in einem Regentropfen sich zu er•eignen gewohnt sind. Erstens. Vater Willich ist aus der Kaserne - deren Auflösung, wie es scheint, beschlossen war - ausgekniffen und in tiefen Krakeel mit den meisten seiner Leibgarde geraten. Zweitens. Der große Ficlder arrivierte hier. Lupus war einige Tage vor seiner Ankunft in England mit ihm in Straßburg zusammengewesen. Liebknecht ist seit alter Zeit mit ihm vertraut. Beide begaben sich also zu ihm am 5.July. Er schwatzte sehr freundlich, sprach von der Notwendigkeit <ler Aussöhnung der Parteien etc. Da kam auch der große A. Goegg hinzu. Er nannte Willich einen „bloßen Phantasten", Schapper ein „ekelhaftes Subjekt" - nachdem er die Kerle einigemal in der Windmill11571 poltern gehört, habe er sich von ihnen getrennt und sei nicht mehr in die Herberge gegangen. Ficlder und Goegg zogen beide besonders stark über den großen Kinkel los, der hier rein den glücklichen Parvenü spielt und sich daher den Arger der andern großen Männer zugezogen hat. Rüge wurde dagegen als eine Art von lumen6 betrachtet. Ficlder fragte nach meiner Adresse, und Lupus und Liebknecht ent-fernten sich, düpiert von den nach „Eintracht" ringenden Biedermännern. Einige Tage nachher schickte mir Freiligrath folgenden Brief zu, der ihm zugegangen war:
4, Brunswick Place, North Brighton, 4.July 1851
Lieber Freiligrath! Wir projektieren eine Art Klub oder Verein, der das Privatwesen aufliebt und niemand von der revolutionären sozialdemokratischen Partei ausschließt, als den, der exklusiv sein will oder der sich durch Charakter und Antezedentien selbst unmöglich gemacht hat.
« Licht
Fickler, Goegg, Sigel, Ronge, Rüge betreiben die Sache, und ich habe es übernommen, Dich zu unterrichten und Dich einzuladen, wenn Du Dich, wie ich vermute, interessierst, an einem Meeting zu dem Zweck am 14. July (Montag 8 Tage) 11 Uhr morgens in Ficklers Wohnung, 26 York Buildings, die einen Teil von New Road bilden, unterhalb Baker Street, teilzunehmen. Wir haben etwa 24 Leute eingeladen, die wir als zuverlässig und treugeblieben kennen. Mehr wüßten wir für den Augenblick nicht. Ich hätte Dich gern gesprochen. Wenn wir reüssieren mit dem Projekt, so wird dergleichen sofort in allen Fällen möglich. Wenn Du auch nicht in London bleibst, sollst Du doch hinkommen. Mit Gruß und mit Händedruck Dein A.Ruge
Qu'en dis-tu?7 Freiligrath hat nun den großen Fehler begangen, seine Antwort erst gestern, 12. July, abzuschicken, so daß Rüge sie nicht einmal vor seiner Abreise aus Brighton nach London erhalten wird. Überhaupt nahm F[reiligrath] die Sache etwas zu pomadig. Mais enfin, chacun a sa maniere d'agir.8 Lupus, dem ich den Brief mitteilte, schrieb sofort an Fickler:
10. July 51
Bürger Fickler, . Am 5. dieses Monats war ich mit Liebknecht bei Ihnen auf Besuch. Aus der Art und Weise, wie Sie sich gegen uns aussprachen, konnte ich durchaus nicht schließen, daß schon tags zuvor nachstehender Brief an Freiligrath abgesandt worden war. (Folgt obenstehender Brief.) Hätte ich am 5. dieses Monats entfernt ahnen können, daß Sie mit A.Ruge, diesem albern-schamlosen Lumpenhunde, in derartiger Verbindung stehn, ich würde Ihre Wohnung gewiß nicht betreten haben. Da Sie nun aber, wie ich aus Vorstehendem ersah, mit einem Menschen Zusammengehn, „der sich durch Charakter und Antezedentien" (z.B. durch sein feiges Davonlaufen aus Berlin etc.) für jede wahrhaft revolutionäre Partei „selbst unmöglich gemacht hat" und der bereits von der ganzen kommunistischen Partei in Deutschland in Verschiß getan ist: so soll durch diese Zeilen konstatiert werden, daß ich rfiit Leuten, die sich so intim in
' Was sagst Du dazu? - 8 Aber schließlich handelt jeder auf seine Weise.
der Sphäre eines Individuums wie Rüge bewegen, nichts zu schaffen haben will und kann. W.Wolff 3, Broad Street Golden Square
P.S. Sie können von diesen Zeilen jeden beliebigen Gebrauch machen. Ich für meinen Teil werde sie meinen Parteigenossen zur Kenntnis bringen.
Der Obige
Lupus erhielt darauf folgende Antwort:
London, ll.July 1851
Lieber Bürger Wolff! Mein Ahnungsvermögen ist in der Tat so schwach, daß es mich auch nicht entfernt den Verlust Ihres Wohlwollens und Ihres Besuchs befürchten ließ, wenn ich mit dem „Lumpenhund" Rüge im Umgang mich befinde. - Ja, ich wußte nicht einmal, daß ich in solcher Hinsicht schon unter der Vormundschaft einer Parteiabteilung und unter der Polizeiherrschaft der Männer der Zukunft stehe. Dieser Stumpfsinnigkeit sowie der Erfahrung, welche ich in zwanzigjährigem politischen Wirken dahin machte: daß es nicht eine politische Partei gebe, die vermeiden könne, mit Lumpenhunden zusammenzuwirken, verdanke ich den Entschluß: jedem befähigten Manne die Hand zu bieten, der gemeinsam mit mir die revolutionäre Bahn wandeln will; - ob derselbe bloß halbwege zum Ziele gehe, welches ich mir vorgesteckt; - ob er mich bis dahin begleite oder ob er darüber hinausschreite. Politische wie religiöse Achtserklärungen sind Anachronismen, selbst wenn sie vom Kaiser und Papst ausgehn; - um wieviel lächerlicher erscheinen dieselben, wenn die Königlein und Päpstlein einer Partei sie ausschleudern, welche nach offenkundig gewordnen Bekenntnissen so zerfahren ist wie die Ihrige, und welche heute aus ihrer eigenen Mitte diejenigen zu „Lumpenhunden" umformt, welchen sie gestern noch fast göttliche Ehre erwiesen! Auf meinem Lebenswege habe ich ungleich mehr „Lumpenhunde" als ehrliche Leute gefunden und bin von den erstem ungleich weniger betrogen worden als von den letztern. Deshalb verliere ich keine Zeit mit Sonderung dieser Sorten und sehe hauptsächlich auf Befähigung, deren man in der verschiedensten Weise bedarf.
Wollen Sie daher mit Marx und Liebknecht - um deren Verständigung ich Sie bitte - an dem erwähnten „Meeting" teilnehmen, so lade ich Sie dazu mit dem Bemerken ein: daß es sich lediglich um eine Vorberatung handelt und die Hauptunannehmlichkeit für Sie wie für die Hälfte der Gesellschaft überhaupt darin bestehn dürfte, für die unedlem Körperteile der Sitze zu entbehren, weis aber wesentlich zur Beschleunigung der Beratung beitragen wird. Mit freundlichem Gruß Ihr Fickler etc.
Das komischste an der ganzen Sache ist und bleibt die unendliche Anstrengung des Rüge und seiner Clique, sich mit stets neuen Kombinationen dem Publikum aufzudrängen. Geht es nicht als ABCDEF, so geht es sicher als FEDCBA. Rechne einmal aus, wieviel Variationen und Permutationen der Art noch möglich sind. Hat es je eine ohnmächtig lächerlich-anspruchsvollere Clique von Steineseln gegeben? Dein K.M.
Apropos. Die 5 Pfund erhalten. Sie kamen wie ein Deus ex machina, denn die circumstances9 sind „öklich" und schwer zu sehen, wie herauszukommen. Schreib direkt an den Klose (6, Upper Rupper Street, near Princes Street, Soho), da der Esel sonst glaubt, sein an Dich gerichteter Brief, Du erinnerst Dich wegen der £ 10, sei nicht an Dich gelangt.
s Umstände
100
Marx an Engels in Manchester
[London, um den 17. Juli 1851] 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Sei so gut und lege den einliegenden Brief an Schulz sofort auf die Post in Manchester. Du erhältst einliegend den Brief Freiligraths an Rüge, den ich zurückzuschicken bitte, und den Brief von Bermbach an mich. Auch einen Brief von Miquel. Ein gewisser „Ulmer", Schuster, war bei den letzten Haussuchungen aus Köln entflohn. Er gab einem Straubinger1471 bei „Schärttner" einen Brief an seine Verwandten mit. Dieser Straubinger wurde sofort mit dem Briefe an der holländischen Grenze abgefaßt. Kompromittiert sind dadurch nur die Leute, die ihn befreit haben. So gut ist die Polizei im Schärttnerschen .Lokale organisiert. Weydemeyer hat sich über die Grenze gemacht. Wir erwarten ihn hier. Die elenden Heinzen-Ruge lassen sich allerlei dummen Klatsch über -die Kölner Vorfälle, angeblich aus Deutschland, schreiben. Der ganz falsche Inhalt zeigt, daß sie ihre eignen Korrespondenten sind. Laß bald von Dir hören. Dein K.M.
P.S. Es fällt mir eben ein, daß es besser ist, wenn Du selbst den Brief .an Bermbach schickst. Nämlich auswendig: Louis Schulz, 2, Schildergasse, Köln. Inwendig den verschloßnen Brief an Bermbach. Du richtest es natürlich so ein, daß man keine inwendige Adresse sieht, und machst den Brief icaufmännisch zu.
101
Engels an Marx in London
Manchester, 17. Juli 51
Lieber Marx, Dem Klose wird heute noch geschrieben - es ist gut, daß Du seine Adresse beifügst, da ich sie nicht hatte. - Daß Du arg in der Klemme bist, glaub" ich gern, und um so ärgerlicher ist es mir, daß ich bis Anfang nächsten Monats über keinen Centime mehr zu disponieren habe. Wenn Du bis dahin nicht warten kannst, wäre es nicht einzurichten, daß Weerth Dir bis dahin einiges pumpte? Ich kann am 1. August £5.- und am 1. Sept. wieder £ 5.- zurückzahlen, und das ist so sicher wie bar Geld. Die Zeitungsabonnements sind hier endlich wieder in Ordnung, und so hab' ich denn endlich unser altes Aktenstück1 in der ,,K[ölnischen] Z[eitung]" zu Gesicht bekommen. Die Augsb[urger]2 erzählt übrigens in einem sonst anscheinend gut unterrichteten Artikel Dresden, man habe den Nothjung endlich durch schikanöse Verhöre breitgeschlagen, und dieser habe die umfassendsten Geständnisse gemacht.12481 Ich halte es allerdings für leicht möglich, daß geschickte Inquirenten ihn bald in die Enge treiben und in die tollsten Widersprüche verwickeln können. Ein preußischer Beamter soll hingegangen sein, um noch mehr aus ihm herauszuquetschen. Der König von Hannover3 soll sich geweigert haben, die Verfolgungen in seinen Staaten zu betreiben, wenigstens in der kruden Weise, wie dies in Preußen, Hamburg pp. geschieht. Der Brief Miquels scheint dies zu bestätigen. Daß Martens in Hamburg verhaftet ist, weißt Du. Die Dummheit der Preußen geht übrigens aus nichts mehr hervor als aus der Haussuchung bei „Karl am Rhein", den man ebenfalls im Verdacht hatte, im kommunistischen Bund zu sein, und bei dem man nur Briefe von Raveaux fand! Das alte Aktenstück kann nur durch die eine Stelle über die „Exzesse" den Verhafteten schädlich sein, alle übrigen Stellen gehn gegen die Demo
1 „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850" - 2 „Allgemeine Zeitung" — 3 Ernst August
kraten und würden nur in dem Fall ihre Position erschweren, wenn sie vor eine halbdemokratische Jury kämen; wie es aber den Anschein hat, wird man sie vor eine exquisite Spezial- oder Bundesjury stellen, wenn man sie überhaupt davor stellt. Und selbst diese Sachen waren schon in demBürgersschen Dokument(244], das gleich anfangs gefaßt war, großenteils wieder verarbeitet. Dagegen ist es in jeder andern Beziehung von enormem Vorteil, daß das Ding publiziert und durch alle Blätter gegangen ist. Die einzelnen stillen Cliquen von angehenden Kommunisten, die man gar nicht kennt und die nach den bisherigen Erfahrungen in allen Teilen Deutschlands sitzen müssen, werden daran einen famosen Halt bekommen, und selbst dem Artikel der Augsburger sieht man an, daß das Ding sie ganz anders affiziert hat als die ersten Entdeckungen. Ihre Zusammenstellung des Inhalts zeigt, daß sie den „Wahnsinn" nur zu gut verstanden hat - en effet il n'y avait pas moyen de s'y meprendre4. Dabei galoppiert die feudale Reaktion so toll und blindlings drauflos, daß der ganze Schreckschuß bei der Bourgeoisie nicht den mindesten Effekt macht. Es ist zu heiter, zu sehn, wie die „Köln. Ztg." jetzt täglich das il faut passer par la mer rouge5 predigt und alle Fehler der Konstitutionellen von 1848 eingesteht. Aber freilich, wenn man einen Kleist-Retzow zum Oberpräsidenten nach Koblenz bekommt, und wenn die unverschämte „Kreuz-Zeitung" in ihren platten Possen und Knittelversen immer injuriöser wird, was soll da die gebildete und gesetzte konstitutionelle Opposition anfangen! Es ist schade, daß wir die „Kreuz-Zeitung" nicht hier haben. Ich sehe allerlei Auszüge draus. Von dieser hundsordinären, gassenbubenhaften, stinkenddummpreußischen Manier, mit der das Blättchen jetzt über die anständigen, wohlhabenden und respektablen konstitutionellen Größen herfällt, hat man keine Vorstellung. Wenn man Kerlen wie Beckerath und Konsorten noch ein bißchen Selbstgefühl und Widerstandsfähigkeit zutrauen könnte, sie müßten die Mißhandlungen und Schimpfereien eines „Pere Duchesne" in Rheinschürgermanier und die ganze terreur rouge6 einer Behandlung vorziehn, wie sie sie jetzt von den Junkern und der „KreuzZeitung" täglich zu genießen haben.
Und weiter sprach der Esel: Da ist auch der Gemeinderat von Wesel. Wenn ich nicht wär* ein Eselein, So möcht' ich wohl Gemeinderat von Wesel sein
4 in der Tat, man konnte sich da auch gar nicht irren -5 man muß durch das Rote Meer hindurchgehen - 6 den ganzen roten Terror
in solchen witzigen Reimen bepißt die „Kreuz-Ztg." jetzt der Reihe nach sämtliche konstitutionelle Koryphäen, und die Kerle lassen sich das ruhig gefallen. Es ist aber den Hunden recht, die die besten Artikel der „Nfeuen] Rheinischen] Z[eitung]" als „gemeine Schimpfereien" verschrien, daß sie jetzt auf ihrem eignen feigen Puckel den Unterschied eingefuchtelt bekommen. Sie werden sich zurücksehnen nach den hiergegen unendlich attischen Verhöhnungen der „N. Rh. Z." Die Geschichte mit Willich7 ist Trost in trüben Stunden. Der „populärste Mann" ist also auch am Ziel seiner Populärität angelangt und kann jetzt als verkannter Menschheitsretter sich mit einem Pot Bier und Schappers Freundschaft über den Undank der Welt trösten. Ich kann mir seinen Kummer denken, da jetzt die Armee der Zukunft, der „Kern", vernichtet ist, um den sich ganz Europa sammeln sollte. Wo wird der Edle neue „Männer von Prinzip" finden! Aus der Geschichte mit Ficlder8 werde ich nicht recht klug. Warum lief Lupus auch gleich zu Fickler hin und ließ nicht erst den Liebknecht sondieren, puisque celui-ce n'aurait compromis que lui-meme9. Es sieht aus, als habe man Fickler keilen wollen. Und dann, nachdem er dagewesen, war der Brief von Lupus zu sackgrob. Entweder war der Fickler überhaupt nicht der Mühe wert, oder - nachdem in der Unterhaltung selbst von Fickler und Goegg Rüge als eine Art lumen10 schon hingestellt war, reichte es hin, daß man mit ihm abbrach, ohne grade ganz und grob mit ihm zu brechen. Es war ein gemeiner Streich von Fickler, c'est clair11, indes mußte man nicht dgl. von süddeutschen Biedermännern von vornherein als möglich voraussetzen? Und er hatte ja aus seinem Respekt vor Rüge kein Geheimnis gemacht. Die Zudringlichkeit des Rüge ist freilich namenlos. Aber grade diese ewig neuen Variationen sind Beweis genug, daß keine auch nur im geringsten ziehen will, und daß das „comite allemand", an das Mazzini seine Römerbriefet249] schreibt, noch immer nur im Kopf von Rüge existiert. Sorg ja dafür, daß Weerth hieherkommt, und schreib bald wieder.
Dein F.E.
7 siehe vorl. Band, S. 279 - 8 siehe vorl. Band, S. 279-282 -9 weil dieser nur sich selbst kompromittiert hätte -18 Licht -11 das ist klar
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 20. Juli 1851]
Lieber Marx, Inliegend die Dokumente zurück. Der Brief von Miquel gefällt mir. Der Kerl denkt wenigstens und würde gewiß sehr gut werden, wenn er einige Zeit ins Ausland käme. Seine Befürchtungen wegen der nachteiligen Einwirkung unsres jetzt publizierten Aktenstücks1 auf die Demokraten sind für seine Gegend gewiß sehr richtig; diese niedersächsische, naturwüchsige Mittelbauerndemokratie, der die „Kölnische Zeitung" neulich in den Arsch kroch und ihr die Allianz anbot, ist aber auch danach und steht weit unter der spießbürgerlichen Demokratie der größeren Städte, von der sie doch beherrscht wird. Und diese kleinbürgerliche Normaldemokratie, obwohl schwer pikiert offenbar durch dies Aktenstück, ist selbst viel zu geklemmt und gedrückt, als daß sie nicht, mit der großen Bourgeoisie, viel eher auf die Notwendigkeit des passer par la mer rouge2 käme. Die Kerle werden sich mehr und mehr in die Notwendigkeit einer momentanen terroristischen Herrschaft des Proletariats ergeben - das kann ja doch nicht von langer Dauer sein, denn der positive Inhalt des Aktenstücks ist ja so unsinnig, daß von permanenter Herrschaft solcher Leute und endlicher Durchführung solcher Prinzipien keine Rede sein kann! Dagegen der hannoverische große und Mittelbauer, der nichts hat als seinen Boden, dessen Haus, Hof, Scheune pp. bei dem vorauszusehenden Ruin aller Assekuranzkompanien allen Gefahren ausgesetzt sind, der ohnehin seit Ernst August alle Süßigkeiten des gesetzlichen Widerstands durchgekostet hat - dieser deutsche sturdy yeoman3 wird sich hüten, eher als er muß, ins Rote Meer zu gehn. Nach B[ermbach]s Brief wäre Haupt der Verräter - was ich nicht glauben kann. Die Geschichte müßte übrigens jedenfalls ergründet werden. Verdächtig kann allerdings scheinen, daß, soviel ich weiß, Haupt noch auf freien Füßen ist. An eine Reise nach Hamburg von Göttingen oder Köln
1 „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850" - 2 Hindurchgehens durch das Rote Meer - 3 handfeste Freisasse
aus wird nicht zu denken sein. Was und wann man aus den Prozeßakten oder Verhandlungen darüber Aufklärung erhält, ist nicht zu sagen. S'il y a trahison4, darf maus nicht vergessen, und ein Exempel bei passender Gelegenheit wäre sehr gut. Ich hoffe, Daniels wird bald freigelassen, apres tout c'est la seule tete politique, qu'il y ait dans Cologne5, und er würde trotz aller polizeilichen Überwachung doch imstande sein, die Geschichte im rechten Gleis zu erhalten. Um noch einmal auf den Effekt unsres Aktenstücks auf die Demokraten zurückzukommen: M[iquel] sollte doch bedenken, daß wir die Herren fortwährend und ununterbrochen in Schriften verfolgt haben, die mehr oder weniger doch Parteimanifeste waren. Woher also nun das Geschrei über ein Programm, das bloß das schon längst Gedruckte in sehr ruhiger und besonders ganz unpersönlicher Weise resümiert? Hatten uns unsre kontinentalen Jünger denn verleugnet, hatten sie sich, tiefer als die Parteipolitik und Parteiehre zuließen, mit den Demokraten eingelassen? Wenn die Demokraten eben aus Gegensatzlosigkeit so revolutionär schrien, wer machte sie gegensatzlos, doch nicht wir, sondern höchstens die deutschen Kommunisten in Deutschland. Da scheint allerdings der Haken zu liegen. Jeder irgendwie intelligente Demokrat mußte von vornherein wissen, was er von unsrer Partei zu erwarten hatte - das Aktenstück konnte ihm nicht viel Neues bringen. Alliierten sie sich pro tempore mit den Kommunisten, so waren sie über Bedingungen und Dauer der Allianz vollständig instruiert, und es kann bloß hannoverischen Mittelbauern und Advokaten eingefallen sein zu glauben, die Kommunisten hätten sich seit 1850 von den Prinzipien und der Politik der „Neuen Rheinischen Zeitung" bekehrt. Waldeck und Jacoby haben sich das gewiß nie träumen lassen. In jedem Fall werden alle derartigen Veröffentlichungen auf die Dauer weder gegen „die Natur der Dinge" noch gegen „den Begriff des Verhältnisses", um mit Stirner1250' zu sprechen, etwas ausrichten, und die demokratische Schreierei und Wühlhuberei wird bald wieder in voller Blüte stehn und mit den Kommunisten Hand in Hand gehn. Und daß uns die Kerle den lendemain6 der Bewegung doch schlechte Streiche spielen werden, wissen wir längst und wird durch keine Diplomatie verhindert. Dagegen, daß sich überall, wie ich voraussetzte, kleine kommunistische Cliquen auf Grundlage des „Manifests" 7 bilden, hat mich sehr gefreut. Das
4 Wenn Verrat dabei ist -5 er ist schließlich der einzige politische Kopf in Köln - 6 folgenden Tag -7 „Manifest der Kommunistischen Partei"
fehlte uns grade bei der Schwachheit des bisherigen Generalstabs. Die Soldaten finden sich von selbst, wenn die Verhältnisse so weit sind, aber die Aussicht auf einen Generalstab, der nicht aus Straubingerelementen1471 besteht und größere Auswahl zuläßt als der bisherige von 25 Mann, die irgendwelche Bildung besitzen, ist sehr angenehm. Gut wäre eine allgemeine Empfehlung, überall unter den Kommis Propaganda zu machen. Für den Fall, daß man eine Verwaltung organisieren müßte, sind die Kerls unentbehrlich - sie sind ans Schanzen und an übersichtliche Buchführung gewöhnt, und der Commerce ist die einzig praktische Schule für brauchbare Büroschreiber. Unsre Juristen pp. taugen dazu nicht. Kommis für die Buchführung und Komptabilität, talentvolle Studierte für Redaktion von Depeschen, Briefen, Aktenstücken, voilä ce qu'il faut8. Mit 6 Kommis organisier' ich einen Verwaltungszweig 1000mal einfacher, übersichtlicher und praktischer als mit 60 Regierungsräten und Kameralisten. Diese letzteren können ja nicht einmal leserlich schreiben und versauen einem alle Bücher, so daß kein Teufel draus klug wird. Da man doch mehr und mehr gezwungen wird, auf diese Eventualität sich einzurichten, so wär* die Sache nicht ohne Wichtigkeit. Ohnehin sind diese Kommis an anhaltende mechanische Tätigkeit gewöhnt, weniger anspruchsvoll, leichter vom Bummeln abzubekommen und bei Unbrauchbarkeit leichter zu beseitigen. Der Brief nach Köln ist fort - sehr schön besorgt; wenn der nicht richtig ankommt, weiß ich's nicht. Sonst ist die Adresse von Schulz nicht sehr empfehlenswert - Ex-Cogerant9!
3 das ist es, was wir brauchen - 9 ehemaliger Mitherausgeber
19 Man/Engels, Werke, Bd. 27
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich wundre mich, seit 14 Tagen nichts von Dir gehört zu haben. Unsre Voraussetzung in der letzten „Revue" wegen der enormen Ausdehnung der ozeanischen Dampfschiffahrt[251] hat sich schon jetzt bestätigt. Abgesehn von einzelnen kleinen Linien gehn jetzt schon zwei höchst wichtige neue große Linien: 1. die Schraubenschiffe von Liverpool nach Philadelphia, alle 14 Tage 4 Schiffe auf der Linie; 2. die Dampfer zwischen Liverpool, Rio de Janeiro und Valparaiso pp., alle 7 Wochen 4 Schiffe auf der Linie. Dazu kommen in 1-2 Monaten die regelmäßigen Überlandfahrten nach Kalifornien-New York, nach San Juan, von dort per Steamer nach dem Nicaraguasee, über Land nach Leon, von da direkt nach San Francisco - in Gang, die Reise nach Kalifornien wenigstens 8 Tage abgekürzt. Nächsten Monat kommt ein Zug in Gang zwischen London und Aberdeen - 550 englische Meilen oder 8 Breitengrade, in einem Tage. Von Leeds nach London und zurück fährt man jetzt für fünf Schillinge auf einer, für vier Schillinge und sechsPence auf einer andern Eisenbahn. NächstenSamstagsollen auch hier dieFahrten herabgesetzt werden. Wenn sie ebenso niedrig kommen, geh' ich wenigstens alle 14 Tage einmal nach London. Wenn in den nächsten 6 Wochen nichts Besondres passiert, so wird die Baumwollenernte dies Jahr 3 000 000 Ballen oder 1200 Millionen Pfund bis 1350 Millionen Pfund stark. Jamais on n'a vu la plante aussi florissante.1 Dazu Symptome eines abnehmenden Geschäfts: Ostindien ist überladen und schreit nach stoppage2 der Einfuhr von Baumwollwaren, der hiesige Markt für Garn und Gewebe noch immer derangiert durch die schwankenden Baumwollpreise - wenn der crash3 im Markt mit einer solchen Riesenernte zusammentrifft, so wird er heiter. Peter Ermen scheißt schon jetzt in die Hosen, wenn er daran denkt, und der kleine Laubfrosch ist ein ganz gutes Barometer. Voilä4 ein industrielles Potpourri für heute. Dein F.E. [Manchester] 30. Juli 51
1 Nie hat man diese Pflanze so blühen gesehen. - 2 Einstellung - 3 Krach -1 Da hast Du
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Marx an Engels in Manchester
[London] 31. July 1851 28, Soho, Dean Street
Lieber Engels! Soeben bekomme ich Deinen Brief, der sehr angenehme Aussichten zur Handelskrise eröffnet. Ich habe seit ungefähr 14 Tagen nichts geschrieben, weil ich die Zeit, die ich nicht auf der Bibliothek zubringe, wie ein Hund gehetzt war, und so trotz dem besten Willen immer wieder vom Schreiben abkam. Nachdem mich die beiden Bamberger, Vater und Sohn, von Woche zu Woche - erst von Monat zu Monat - hingezogen mit dem Versprechen, mir einen Wechsel zu diskontieren, nachdem ich endlich zu diesem Zweck verfloßnen Montag in die Judenbude bestellt war und schon das stamped paper1 mitgebracht, eröffnet mir der Junge, daß der Alte, der auch da war, nicht könne etc. etc. Daß ich diesen beiden Juden für dies infame Hinhalten, Zeitverderben und mich Dritten gegenüber in fausse position2 bringen, nicht um die Ohren schlagen konnte, war höchst bedauerlich. Übrigens verdanke ich, wenn nicht die Tatsache, doch das Prinzip dieses wirklich ä la Sancho erst seit Monaten und dann wieder seit den letzten 6 Wochen Geprelltwerdens dem Herrn Konrad Schramm. Du weißt, daß dies Subjekt seit 4-5 Wochen nach Paris aufgebrochen ist. Wie immer von unsern edlen hiesigen Freunden, erfährt man erst jetzt von ihnen, z.B. von dem Tölpel Hain, was sie längst über den Lumpen wußten. Ich verbiete ihnen aber jetzt das „Schreien", da es nur noch schaden kann, nichts mehr nützen. Also - ich weiß nicht, ob ich Dir das schon geschrieben habe - ich erfahre von Herrn Schramm eines Abends, daß er in 2 X 24 Stunden abreisen wolle. Ich beschloß also, die nötigen Maßregeln wegen der Bundes- und sonstigen Papiere zu ergreifen, in deren Besitz Herr Konrad sich noch befand. Denselben Abend erfahre ich durch Liebknecht, daß Herr Konrad diese Papiere nicht herausgeben will, sondern sie versiegelt Herrn Louis Bamberger übergeben hat. Und was rasches Ver
1 Stempelpapier - 2 eine falsche Lage
fahren noch nötiger machte: als ich den folgenden Tag aus dem Museum3 komme, ergibt sich, daß Herr Lumpazius nicht in 2 X 24 Stunden, sondern schon in-den ersten 24 Stunden, d.h. eben um 2 Uhr nachts des laufenden Tags abreisen wird. Der edle Konrad hatte mich für den Abend um ein Privatrendezvous gebeten, was ich ihm aber vereitelte und Lupus, Liebknecht, Pieper mitnahm. Kaum waren wir in einer insulated4 Kneipe gesettled5, als ich den Herrn Konrad über sein Treiben mit den Papieren Aufklärung zu geben ersuchte etc. Wie immer, wenn er einen faux pas gemacht, wird der Kerl fuchswild, erklärt, die Papiere nicht herausgeben zu wollen, da er sie zu seiner Rechtfertigung brauche und andre Albernheiten. Er sei der Bund so gut wie ich und Du, auch er könne rettende Taten vollbringen. Er wisse gar nicht, ob ich Vorsteher des Kreises in London sei. Dann Stirneriana über seine Einzigkeit in der Partei.12521 Andere, besonders Lupus, brausten auf, er droht aufzubrechen, schreit, tobt - alles connu6. Ich schlug den Tumult wieder nieder, und da ich weiß, wie der Bursche zu behandeln ist, da aller Skandal nicht nützte, sondern es sich darum handelte, die Papiere zu haben, namentlich in diesem Augenblicke - so brachte ich Herrn Konrad durch Drohung und glatte Worte dahin, daß er mir einen Zettel an Bamberger ausstellte und diesen beauftragte, mir das versiegelte Paket abzuliefern. Das erhielt ich auch am folgenden Tag. Darin befand sich alles. Unter andrem sogar Deine und meine Erklärung gegen A.Ruge7, die der edle Konrad also nicht in die „Staatszeitung" abgeschickt hatte, wahrscheinlich weil er so viel bei seinem Bruder8 gelogen, daß er jede Aufklärung - öffentliche - fürchtete. Dieser Lump also hat zugleich - er glaubte dadurch seine Geschäfte besser machen [zu] können - die Bamberger vor mir gewarnt, ihnen gesagt, ich hätte meinen letzten Kredit erschöpft, um den letzten Wechsel zu zahlen etc. etc. Überhaupt hat er in jeder, der hundsföttischsten Weise gegen uns intrigiert, gelogen usw. 1 Jetzt - da dies alles fait accompli - muß mein nicht, wie die hiesigen Tölpel wollten und taten, schreien und sich biedermännisch entrüsten, sondern den Lumpazius einstweilen an sein Verhältnis mit uns fortglauben llassen, bis man die Macht und den Moment hat, den Kerl aus dem Wege zu schaffen, d'une maniere ou de l'autre9. In diesem Moment könnte der 'Bursche unsern deutschen Genossen durchaus gefährlich werden, wenn man ihm irgendwie als Kenner seiner ehrlosen Lumperei gegenüberträte. 3 British Museum -1 abgelegenen - 5 niedergesessen - 6 bekannt - ' siehe Band 7 unserer Ausgabe - 8 Rudolf Schramm - 9 auf die eine oder andere Art
Übrigens glaubst Du mir ohne weitre Beteurung, daß ich meiner Situation verdammt müd bin. Ich habe nach Amerika geschrieben, ob es möglich ist, von hier aus eine Korrespondenz zusammen mit Lupus für ein paar Dutzend Journale zu machen, denn es ist impossible10, so fortzuleben. Was die Verhandlungen mit Ebner in Frankfurt angeht, so schreibt er, daß Cotta wahrscheinlich meine Ökonomie - deren Plan ich hingeschickt nehmen wird, und daß, wenn nicht, er einen andern Buchhändler auftreiben wird. Ich wäre längst auf der Bibliothek fertig. Aber die Unterbrechungen und Störungen sind zu groß, und zu Haus, wo alles immer im Belagerungszustand sitzt und Tränenbäche mich ganze Nächte durch ennuyieren und wütend machen, kann ich natürlich nicht viel tun. Meine Frau tut mir leid. Auf sie fällt der Hauptdruck, und au fondu hat sie recht. II faut que l'industrie soit plus productive que le mariage.12 Trotz alledem erinnerst Du Dich, daß ich von Natur tres peu endurant13 bin und sogar quelque peu dur14, so daß von Zeit zu Zeit mein Gleichmut verlorengeht. Julius ist vor einer Woche ungefähr begraben worden. Ich war bei der Bestattung zugegen. Der edle Kinkel hielt einen Seich über das Grab. Julius war der einzige in der Emigration, der studierte und mehr und mehr vom Idealismus auf unser Gebiet herübertrat. Der edle Dulon befindet sich hier. Heinzen und Rüge fahren fort, in der New-Yorker „Schnellpost" gegen die Kommunisten und uns speziell zu poltern. Das Zeug ist aber so kreuzdumm, daß es unmöglich ist, anders drauf einzugehn, als bei gelegner Zeit einmal aus Ruges Machwerken das Komischste zusammenzustellen und den Deutschen zu offenbaren, von wem sie jetzt, malgre eux15, regiert werden. Hast Du vielleicht die neuste Schrift von Proudhon[253] gelesen? Weydemeyer hat mir von Zürich aus geschrieben. Karstens16 sitzt in Mainz. Er hatte einen vergeblichen Fluchtversuch gemacht. Vale faveque.17 Dein
K.M.
Du wirst übrigens sehr wohltun, wenn Du, womöglich mit Namensunterschrift, einen Aufsatz für Jones machst. Er geht fort in seinem Blatte, er lernt. Ce n'est pas un Harney.18 Die „Notes to the People" kommen daher auf, während der „Friend of the People" kaputtgeht.
10unmöglich -11 im Grunde -12 Das Gewerbe muß produktiver sein als die Ehe. - 13 sehr wenig geduldig - 14 ein wenig hart -16 gegen ihren Willen -16 Friedrich Leßner -17 Lebe wohl und bleib mir zugetan. -18 Das ist kein Harney.
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den I.August 1851]
Lieber Marx, Inliegend die 2te Hälfte der 5pfundnote. Daß Schr[amm] nach Paris gesegelt, wußte ich nicht, Du hattest mir nichts darüber geschrieben. Ich las daher mit dem größten Erstaunen in der „Kölner Zeitung", daß er versoffen sei - leider wird das nicht wahr sein. Der Hund ist sehr störend - man hat ihn zu dicht herankommen lassen, und er ist ein gemeiner Kerl durch und durch. Du hast indes recht, das Schreien und Ulkschlagen hilft nichts, man muß den Kerl ruhig seiner Wege gehn lassen, bis man Macht über ihn hat. Wie gesagt, es wäre ganz gut, wenn er wirklich im Kanal ersoffen wäre; wahrscheinlich aber hat er das Gerücht selbst verbreitet - c'est une maniere comme une autre de faire parier de soi1. Weydemeyer will also nach Amerika und sehn, daß er die New-Yorker „Arbeiterzeitung", die Fenner von Fenneberg jetzt hat, in seine Hände bekommt. Kann er sich in New York halten, so ist er uns dort jedenfalls nützlicher als in London, wo der embarras2 nur vermehrt würde. Ein solider Bursche wie er hat uns in New York grade gefehlt, und am Ende ist New York auch nicht aus der Welt, und bei W[eydemeyer] ist mein sicher, daß er le cas echeant3 doch gleich bei der Hemd ist. Der Plan mit der lithographischen Korrespondenz4 ist ganz gut. Nur müßt Ihr das Dings ganz geheimhalten - der kleine Bamberger und andre, einmal die Idee gegeben, würden Euch sofort das Prävenire spielen5. Ich würde an Deiner Stelle das Ding, sobald die ersten Einrichtungen getroffen, in den deutsch-amerikanischen Blättern annoncieren lassen, und zwar selbst als Direktor mitunterzeichnen, um das Ding ziehen zu machen. Geht das Ding so auf Deine Verantwortlichkeit und glaubst Du, daß es irgendwie nützlich sei, mich als Mitarbeiter zu nennen, so steht Dir das
1 auch das ist eine der Manieren, von sich reden zu machen - 2 Wirrwarr -3 gegebenenfalls 4siehe vorl. Band, S. 555/556 -5zuvorkommen
natürlich frei. Willst Du Deinen Namen indes aus der Geschichte heraushalten, wofür ich die Notwendigkeit durchaus nicht einsehe, car enfin6, warum solltest Du nicht auch das Recht haben, eine industrielle Firma zu bilden und die „Neue Rheinische Zeitung" lithographiert fortzusetzen so müßte Lupus die Firma bilden. Weyd[emeyer] könnte Euch hierfür in New York vom größten Nutzen sein, bes. bei Eintreibung der Gelder, was die Hauptsache ist. Ich bin überzeugt, das Ding wird enorm ziehen, und die vielen amerikanischen Korrespondenten in London pp. werden es sehr bald fühlen. Nennst Du Dich als Direktor, so ist keine Frage, daß das Ding besser zieht, namentlich gleich von vornherein; läßt Du bloß Lupus sich nennen, so fällt die moralische Verantwortlichkeit weg und man kann seinem schlesischen Gepolter a la Luther12541, das für die Deutschamerikaner sehr gut paßt, besser als Dein Stil, wobei sie denken müssen, ungehindert freien Lauf lassen.'2551 In jedem Falle müßtest Du es Dir zur Regel machen, so schlecht und decousu7 wie möglich zu schreiben, sonst verdirbst Du es bald mit diesem Publikum. Was ist das für eine neue Schrift von Proudhon'253', von der Du sprichst? Ich werde dem Jones einen Artikel mit meiner Unterschrift machen, ich wollte nur, Jones schickte mir ein möglichst vollständiges Exemplar seiner „Notes", das hier nicht aufzutreiben ist. Wie ist seine Adresse, ich hab' sie vergessen. Auch von Amerika lauten die Berichte über das Baumwollenwarengeschäf t schlecht. Die Märkte sind overstocked8, und die Yankees selbst fabrizieren für den jetzigen Stand des Marktes zu viel. ' Schreib bald wieder, ich ennuyiere mich hier tödlich. Dein F.E.
NB. Halt Deine Papiere nur immer gut aus dem Haus, ich werde seit einiger Zeit hier sehr scharf beobachtet und kann keinen Schritt tun, ohne 2-3 informers9 an den Fersen zu haben. Herr Bunsen wird die Gelegenheit nicht, haben unbenutzt passieren lassen, um der englischen Regierung neue und wichtige Aufschlüsse über unsre Gefährlichkeit zu geben.
6 denn schließlich - 7 unzusammenhängend - 8 überfüllt - 9 Spitzel
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. August 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Du entschuldigst, daß ich nicht früher geschrieben und Dir gleichzeitig den Empfang der 5£ angezeigt. Die pressure from without1 war diese Woche so stark, daß ich nicht zum Schreiben kam. Vor dem Herauswerfen aus dem Haus habe ich mich einstweilen durch Zeichnung einer bill an den landlord gesichert. Ich schicke Dir mit diesem Brief eine Nummer der „Schnellpost", wo Du das infamalberne Treiben und Klatschen der Vettel Rüge et Co. sehn kannst. Sobald Du den Dreck gelesen, schick ihn zurück. Um Dir den einen Brief, aus dem Rüpel Heinzen Auszüge gibt - herrührend jedenfalls von Fickler -, zu erklären, kurz dies: Schon seit 2-3 Wochen halten die Esel die Emigration - Versammlungen, Meetings, um sich „auszugleichen", sich zu einem vollen „Dutzend" zu konstituieren und sich wechselseitig als die großen Männer der Zukunft zu „organisieren". Heute war ihre definitive Sitzung. Ich werde das Resultat hören und Dir mitteilen. Der Same der Zwietracht wuchert aber schon so reichlich, daß Herr Sigel mir durch Schabelitz, der jetzt zur Exhibition[184) hier ist, einen Besuch ankündigen ließ. Die „New-York Tribüne" hat mich und Freiligrath gegen Honorar zum Mitarbeiten aufgefordert.12561 Sie ist das verbreitetste Journal in Nordamerika. Wenn es Dir möglich ist, mir einen englisch geschriebnen Artikel über die deutschen Verhältnisse bis Freitag morgen (15. August) zu liefern, so wäre das ein famoser Anfang. Von Schramm wissen wir, daß er mit seinem Bruder2 in fortlaufender Korrespondenz steht. Er hat Bamberger geschrieben, uns seine Adresse nicht mitzuteilen. Täglich gehn neue Berichte über sein hiesiges infames Treiben ein.
1 Der Druck von außen - a Rudolf Schramm
Der rote Wolff3 ist wieder „Irländer" geworden. Nun zur „Idee generale de la Revolution au XIX siecle par P.J.Proudhon". Als ich Dir das erste Mal über das Buch schrieb, hatte ich bloß Auszüge - oft noch verfälscht - daraus gelesen. Jetzt kann ich Dir das OXSÄSTÖV4 schicken. Vorläufig: das Buch enthält gut geschriebne Ausfälle gegen Rousseau, Robespierre, Montagne[1411 etc. Die Macht des wahren Verlaufs, um mit dem unsterblichen Rüge zu reden, produziert sich wie folgt: I. Etüde. Die Reaktion hat die Revolution erst zur Entwicklung gebracht. II. Etüde. Y a-t-il raison süffisante de la Revolution au XIX siecle?5 Die Revolution von 1789 hat das alte Regime gestürzt. Sie hat aber vergessen, die neue Gesellschaft oder die Gesellschaft neu zu machen. Sie dachte nur an die politique, statt an die economie politique. Gegenwärtig herrscht „Anarchie des forces economiques"6, daher „Tendance de la societe ä la misere"7. Dies zeigt sich in der Teilung der Arbeit, Maschinerie, Konkurrenz, Kreditwesen. Wachstum von Pauperismus und Verbrechen. Ferner: der Staat (l'etat) ist immer mehr grand8, mit allen Attributen des Absoluten versehn worden, immer gewachsen an Selbständigkeit und Macht. Wachsen der Staatsschuld. Der Staat verteidigt den Reichtum gegen das Elend. Korruption. Der Staat unterjocht die Gesellschaft. Es existiert Notwendigkeit für die neue Revolution. Die Aufgabe der Revolution besteht darin, a changer, a redresser la mauvaise tendance de la societe9. An der Gesellschaft selbst darf man nicht rühren. Von reconstitution arbitraire10 kann bei ihr nicht die Rede sein. III. Etüde. Du Principe d'Association?1 Die Assoziation ist ein dogme, aber keine force economique13. Die Assoziation ist nichts Organisches und Produktives wie die Teilung der Arbeit, Handel, Austausch etc. Man muß die association nicht verwechseln mit der force collective. La force collective est un acte impersonnel, l'association un engagement volontaire. L'association est de sa nature sterile, nuisible meme, car eile est une entrave a la liberte du travailleur.13 Man hat dem contrat de societe14 eine Kraft zugeschrieben, die nur der Teilung der
3 Ferdinand Wolff - 4 Gerippe - 5 II. Studie. Gibt es einen hinreichenden Grund für die Revolution im 19. Jahrhundert? -6 „Anarchie der ökonomischen Kräfte" -7 „Tendenz der Gesellschaft zur Verelendung" -8 erhaben -9 die schlechte Tendenz der Gesellschaft zu ändern, zu berichtigen -10 willkürlicher Umgestaltung -11 III. Studie. Vom Prinzip der Assoziation. —12 ökonomische Kraft -13 Kollektivkraft. Die Kollektivkraft ist ein unpersönlicher Akt, die Assoziation eine freiwillige Verpflichtung. Die Assoziation ist ihrer Natur nach steril, ja schädlich, denn sie ist eine Fessel für die Freiheit des Arbeiters. -14 Gesellschaflsvertrag
Arbeit, dem Austausch, der force collective gehört. Wenn man Assoziationen stiftet, um große Werke auszuführen, so verdankt man diese nicht dem principe der Assoziation, sondern ihren Mitteln. Man unterwirft sich der Assoziation nur, wenn man une indemnite süffisante15 darin findet. Nur für den associe faible oder paresseux16 ist die association productive d'utilite17. Sie ist solidarite, responsabilite commune18 Dritten gegenüber. Die Assoziation ist überhaupt nur anwendbar dans des conditions speciales, dependantes de ses moyens. L'association, formee en vue du lien de famille et de la loi du devouement, et en dehors de toute consideration economique exterieure - l'association pour eile merae, est un acte de pure religion, un lien surnaturel, sans valeur positive, un mythe.19 Man muß die association nicht verwechseln mit den rapports nouveaux que se propose de developper la reciprocite entre les producteurs et les consommateurs. L'association met de niveau les contractants, subordonne leur liberte au devoir social, les depersonnalise.20 IV. Etüde. Du Principe d'Autorite.21 Die idee gouvernementale naquit des mceurs de famille et de l'experience domestique22. Die democratie ist der dernier terme der evolution gouvernementale23. Der Idee des gouvernement stellt sich die des contrat24 entgegen. Das wahre revolutionäre Motto ist: Plus de Gouvernement!25 Die autorite absolue26 ist bald gezwungen, sich selbst zu negieren und zu beschränken in den lois und institutions27. Unzählig, wie die Interessen, nun die Gesetzgebung, die sie äußerlich bestimmt. Sie verläuft sich in die schlechte Unendlichkeit. Das Gesetz eine Fessel, die man mir von außen aufdrängt. Konstitutionelle Monarchie. Zwitterunsinn. Suff rage universell Die intuition divinatoire de la multitude29 ist Unsinn. Qu'ai-je besoin de mandataires, pas plus que de representants!30 Wahl, vote31, selbst ein
15 eine genügende Entschädigung -16 schwachen oder faulen Angehörigen der Assoziation 17 Produlctionsassoziation nützlich -18 Solidarität, gemeinsame Verantwortlichkeit -18 unter besonderen Bedingungen, die von ihren Mitteln abhängen. Die auf Familienbande und das Gesetz der Aufopferung, und unabhängig von jeder äußeren ökonomischen Erwägung gegründete Assoziation - die Assoziation um ihrer selbst willen — ist ein rein religiöser Akt, ein übernatürliches Band, ohne positiven Wert, ein Mythos. - 20 neuen Beziehungen, die die Gegenseitigkeit zwischen den Produzenten und den Konsumenten entwickeln will. Die Assoziation setzt die Vertragschließenden gleich, unterordnet ihre Freiheit der sozialen Verpflichtung, entpersönlicht sie. -21IV. Studie. Vom Autoritätsprinzip. - 22 Regierungsidee entstand aus den Bräuchen der Familie und den Erfahrungen des Hauswesens -23 letzte Ausdruck der Entwicklung der Regierung-24 Vertrags -25 Keine Regierung mehr! -26 absoluteAutorität 27 Gesetzen und Einrichtungen - 28 Allgemeines Wahlrecht. - 29 prophetische Eingebung der Menge -30 Ich brauche Bevollmächtigte ebensowenig wie Vertreter! -31 Abstimmung
stimmig, entscheiden nichts. Nach dem suffrage universel wäre Bonaparte der wahre Mann etc. La demoeratie pure ou le gouvernement direct32 - Erfindung von Rittmghausen, Considerant, Ledru-Rollin - aboutit ä l'impossible et a l'absurde33. In dieser auf die Spitze getriebnen Staatsidee tritt ihr nonsense hervor. V. Etüde. Liquidation sociale.34 1. Banque nationale.35 Die Liquidation der Bank von Frankreich wird dekretiert. Sie wird nicht zur Staatsbank erklärt, nein, zum „etablissement d'utilite publique"36. Der Zins wird reduziert auf 1I2 oder 1li%. 2. Staatsschuld. Durch die erste Maßregel ist den capitaux particuliers37 die industrie de l'escompte38 genommen, sie strömen auf die Börse, der Staat zahlt nur mehr 1/2 oder 1/4%, und damit hört das Interesse am Interesse auf. Statt Zins zahlt der Staat annuites39, d.h. er remboursiert in jährlichen Quoten das ihm gepumpte Kapital. Oder mit andren Worten: Dekret, daß die Zinsen, die der Staat für die Schuld zahlt, ihnen gerechnet werden en deduetion du principal, a titre d'annuites40. 3. Dettes hypothecaires. Obligations simples. „Les interets te toutes creances, hypothecaires, chirographaires, actions de commandite, sont fixes ä 1/1 oder 1/2%. Les remboursements ne pourront etre exiges que par annuites. L'annuite, pour toutes les sommes au-dessous de 2000 frs. sera de 10%; pour les sommes au-dessus de 2000 frs., 5%. Pour faciliter le remboursement des creances et suppleer a la fonetion des anciens preteurs, une division des bureaux de la banque nationale d'escompte deviendra Banque fonciere: le maximum de ses avances sera, par annee, de 500 millions."41 4. Propriete immobilere: Bätiments.42 Dekret: „Tout payement fait ä titre de loyer sera porte en ä compte d.e la propriete, celle-ci estimee au vingtuple du prix de location. Tout acquittement de terme vaudra au locataire part proportioneile et indivise dans la
32 Die reine Demokratie oder die direkte Regierimg - 33 grenzt ans Unmögliche und Absurde 31V.Studie. Soziale Liquidation. -301. Nationalbank. -s6 zur „gemeinnützigen Einrichtung" 37 Privatkapitalien - 38 Operation der Diskontierung -39 Annuitäten - 40 als Abzug von der Hauptschuld, als Annuitäten -413.Hypothekenschulden. Einfache Schuldverpflichtungen. „Die Zinsen aller ausstehenden Schulden, Hypotheken, Schuldscheine, Kommanditanteile werden auf Vi oder festgesetzt. Die Rückzahlungen können nur in Form von Annuitäten erhoben werden. Die Annuität für alle Summen unter 2000 frs. soll 10% betragen; für die Summen über 2000 frs. 5%. Um die Rückzahlung der geschuldeten Summen zu erleichtem und die Funktion der einstigen Geldverleiher zu ersetzen, wird eine Abteilung der Büros der nationalen Diskontobank zur Bodenkreditbank: das Maximum ihrer Vorschüsse wird jährlich 500 Millionen betragen." -42 4.Immobiliareigentwn: Gebäude.
maison par lui habitee, et dans la totalite des constructions exploitees ä loyer, et servant ä la demeure des citoyens. La propriete ainsi remboursee passera ä fur et mesure au droit de l'administration communale qui, par le fait du remboursement, prendra hypotheque et privilege de premier ordre, au nom de la masse des locataires, et leur garantira a tous, ä perpetuite, le, domicile, au prix de revient du bätiment. Les communes pourront traiter de gr6 ä gre avec les proprietaires, pour la liquidation et le remboursement immediat des proprietes louees. Dans ce cas, et afin de faire jouir la generation presente de la reduction des prix de loyer, les dites communes pourront operer immediatement une diminution sur le loyer des maisons pour lesquelles elles auront traite, de maniere que l'amortissement en soit opere seulement en trente ans. Pour les reparations, l'agencement et l'entretien des edifices, comme pour les constructions nouvelles, les communes traiteront avec les Compagnies ma^onnes ou associations d'ouvriers en bätiment, d'apres les principes et les regles du nouveau contrat social. Les proprietaires, occupant seuls leurs propres maisons, en conserveront la propriete aussi longtemps qu'ils le jugeront utile a leurs interets."43 5. Propriete jonciere.u „Tout payement de redevance pour l'exploitation d'un immeuble acquerra au fermier une part de propriete dans l'immeuble, et lui vaudra hypotheque. La propriete, integralement remboursee, relevera immediatement de la commune, laquelle succedera ä l'ancien proprietaire et par
43 „Jede als Miete geleistete Zahlung wird als Akontozahlung auf das Eigentum gebucht, wobei dieses auf das Zwanzigfache des Mietspreises geschätzt wird. Jede termingemäß geleistete Zahlung hat für den Mieter den Wert eines proportionellen und unteilbaren Anteils an dem von ihm bewohnten Haus und an der Gesamtheit der zu Vermietungszwecken und den Bürgern als Wohnung dienenden Gebäude. Das in dieser Weise zurückerstattete Eigentum geht dementsprechend in die Gerechtsame der kommunalen Verwaltung über, die durch die Tatsache der Rückzahlung Hypothek und alleiniges Vorrecht im Namen der Masse der Mieter übernimmt und ihnen allen auf ewig die Wohnung zum Selbstkostenpreis des Gebäudes garantiert. Die Kommunen können in gegenseitigem Einverständnis mit den Eigentümern über die Liquidation und unmittelbare Vergütung der vermieteten Besitzungen verhandeln. In diesem Fall und um die gegenwärtige Generation in den Genuß der Herabsetzung der Mietspreise zu setzen, können die genannten Kommunen unverzüglich eine Herabsetzung der Mieten in den Häusern, für die der Abschluß erfolgte, in der Weise eintreten lassen, daß die Tilgung erst in dreißig Jahren beendet ist. Wegen der Reparaturen, der Einrichtung und des Unterhalts sowie wegen des Baus neuer Gebäude verhandeln die Kommunen mit den Maurergesellschaften oder Bauarbeitervereinigungen gemäß den Prinzipien und Regeln des neuen Gesellschaftsvertrags. Die Eigentümer, die ihre eigenen Häuser allein bewohnen, behalten das Eigentum daran so lange, wie sie es als ihren Interessen dienlich erachten ." 44 5. Grundeigentum.
tagera avec le fermier la nue-propriete et le produit net. Les communes pourront traiter de gre a gre avec les proprietaires qui le desireront, pour le rachat des rentes et le remboursement immediat des proprietes. Dans ce cas il sera pourvu, a la diligence des communes, ä l'installation des cultivateurs et a la delimitation des possessions, en ayant soin de compenser autant que possible l'etendue superficiaire avec la qualite du fonds, et de proportionner la redevance au produit. Aussitot que la propriete fonciere aura ete integralement remboursee, toutes les communes de la Republique devront s'entendre pour egaliser entre elles les differences de qualite des terrains, ainsi que les accidents de la culture. La part de redevance a laquelle elles ont droits sur les fractions de leurs territoires respectifs, servira ä cette compensation et assurance generale. A partir de la meme epoque, les anciens proprietaires qui, faisant valoir par eux-memes leurs proprietes, auront conserve leur titre, seront assimiles aux nouveaux, soumis ä la meme redevance et investis des memes droits, de maniere que le hasard des localites et des successions ne favorise personne, et que les conditions de culture soient pour tous egales. L'impot foncier sera aboli. La police agricole est devolue aux conseils municipaux." 45 VI. Etüde. Organisation des forces economiques.46 1. Credit. Die oben angeführte banque nationale mit ihren Sukkursalen. Entziehung nach und nach von Gold und Silber aus der Zirkulation. Substitution von Papier. Quant au credit persormel, c'est dans les compagnies
45 „Jede Zahlung von Grundzins für die Benutzung eines Grundstücks erwirbt dem Pächter einen Eigentumsanteil an dem Grundstück und hat für ihn den Wert einer Hypothek. Das restlos abgezahlte Eigentum geht sofort auf die Kommune über, die an die Stelle des alten Eigentümers tritt und mit dem Pächter das formale Eigentumsrecht und Nettoprodukt teilt. Die Kommunen können in gegenseitigem Einverständnis mit jenen Eigentümern, die es wünschen, über den Rückkauf der Renten und die unmittelbare Vergütung des Eigentums verhandeln. In diesem Fall wird durch die Bemühungen der Kommunen für die Ansiedlung von Bebauern des Bodens und die Abgrenzung der Besitzungen Sorge getragen, bei größtmöglicher Kompensation der Bodenfläche durch die Qualität des Bodens sowie bei Anpassung des Grundzinses an den Ertrag. Sobald das Grundeigentum vollständig abgelöst ist, müssen sich alle Kommunen der Republik miteinander ins Einvernehmen setzen, um die Qualitätsunterschiede der Grundstücke sowie die Besonderheiten ihrer Bearbeitung untereinander auszugleichen. Der Teil des Grundzinses für die auf ihrem jeweiligen Gebiet liegenden Bodenstücke, auf den sie Anspruch haben, dient dieser Kompensation und der allgemeinen Versicherung. Vom gleichen Zeitpunkt ab werden die alten Eigentümer, die, soweit sie ihr Eigentum selbst bewirtschaften, ihren Eigentumstitel behalten haben, den neuen angepaßt, demselben Grundzins unterworfen und mit denselben Rechten ausgestattet, so daß der Zufall der Lage und der Erbfolge niemanden begünstigt und die Bedingungen der Bodenbearbeitung für alle gleich sind. Die Grundsteuer wird abgeschafft. Die Funktion der Landpolizei geht auf die Munizipalräte über." — 46 VI.Studie. Organisation der ökonomischen Kräfte.
ouvrieres et les societes agricoles et industrielles qu'il doit trouver son 47 exercise. 2. ProprieteLies in dem oben zitierten „Propriete fonciere"49. Unter den obigen Bedingungen kann man, sans la moindre inquietude, permettre au proprietaire de vendre, transmettre, aliener, faire circuler ä volonte la propriete ... Avec les facilites du remboursement par annuites, la valeur de l'immeuble peut etre indefiniment partagee, echangee, subir toutes les mutations imaginables, sans que l'immeuble soit entame jamais. Le travail agricole repousse la forme societaire.60 3. Division du travail, forces collectives, machines. Compagnies ouvrieres. Toute industrie, exploitation ou entreprise qui par sa nature exige l'emploi combine d'un grand nombre d'ouvriers de specialites differentes, est destinee ä devenir le foyer d'une societe ou compagnie de travailleurs. Mais lä oü le produit peut s'obtenir sans un concours de facultes speciales, par l'action d'un individu ou d'une famille, il n'y a pas lieu a l'association.51 Also keine associations in den kleinen Ateliers, beim Handwerk, Schusterei, Schneiderei etc., marchands52 etc. Assoziation in der großen Industrie. Hier also die compagnies ouvrieres. Tout individu employe dans l'association a un droit indivise dans la propriete de la compagnie; il a le droit d'en remplir successivement toutes les fonctions; son education, son instruction et son apprentissage, doivent etre diriges de teile sorte, qu'en lui faisant supporter sa part des corvees repugnantes et penibles, ils lui fassent parcourir une serie de travaux et de connaissances, et lui assurent, ä l'iepoque de la maturite, une aptitude encyclopedique et une revenue süffisant; les fonctions sont electives et les reglements soumis ä l'adoption des associes; le salaire est proportionne ä la nature de la fonction, a l'importance du talent, ä l'etendue de la responsabilite; tout associe participe aux benefices 47 Was den persönlichen Kredit betrifft, so muß er Anwendung finden in den Arbeitergesellschaften und in den landwirtschaftlichen und gewerblichen Gesellschaften. -48 Eigentum. 49 „Grundeigentum" - 50 ohne die geringste Befürchtung, dem Eigentümer erlauben, das Eigentum nach Belieben zu verkaufen, zu übertragen, zu veräußern, zirkulieren zu lassen ...Dank den Erleichterungen der Rückzahlung in Annuitäten kann der Wert von Immobilien unbegrenzt geteilt, getauscht, allen denkbaren Veränderungen unterworfen werden, ohne daß die Immobilien selbst je angetastet werden. Die landwirtschaftliche Arbeit widerstrebt der gesellschaftlichen Form. -Sl3.Arbeitsteilung, Kollektivhjäfie, Maschinen. Arbeitergesellschaften. Jede Industrie, jeder Betrieb, jedes Unternehmen, die schon durch ihre Natur die kombinierte Anwendung einer großen Zahl Arbeiter mit unterschiedlicher Spezialisierung erheischen, sind dazu bestimmt, die Stätte einer Arbeitergesellschaft oder Arbeitergenossenschaft zu werden. Dort jedoch, wo das Produkt erlangt werden kann ohne das Zusammenwirken spezieller Fertigkeiten, durch die Tätigkeit eines Individuums oder einer Familie, hat die Assoziation keinen Platz. - 52 Kaufleuten
comme aux charges de la compagnie, dans la proportion de ses services; chacun est libre de quitter ä volonte l'association, de faire regier son compte et liquider ses droits, et reciproquement la compagnie maitresse de s'adjoindre toujours de nouveaux membres53... Dies die Lösung des deux problemes: celui de la force collective, et celui de la division du travail54... In der Übergangsperiode sind die Fabrikanten etc. die Leiter dieser Ateliers. 4. Constitution de la valeur: Organisation du bon marche.55 Abzuhelfen der cherte de la marchandise56 und dem arbitraire du prix57. Der juste prix represente avec exactitude: a) le montant des frais de production, d'apres la moyenne officielle des libres producteurs; b) le salaire du commer^ant, ou l'indemnite de l'avantage dont le vendeur se prive en se dessaisissant de la chose58. Um den marchand59 hierzu zu bewegen, muß ihm eine Garantie gegeben werden. Sie kann exister de plusieures manieres: soit que les consommateurs qui veulent jouir du juste prix, et qui sont en meme temps producteurs, s'obligent a leur tour envers le marchand a lui livrer, a des conditions egales, leurs propres produits, comme cela se pratique entre les differentes associations ouvrieres parisiennes; soit que lesdits consommateurs se contentent d'assurer au debitant une prime ou bien encore une vente assez considerable pour lui assurer une revenue60. Z.B. der Staat, au nom des interets que provisoirement il represente, les departements et communes, au nom de leurs habitants respectifs, voulant assurer a tous le
53 Arbeitergesellschaften. Jedes in der Assoziation beschäftigte Individuum hat ein unteilbares Recht am Eigentum der Gesellschaft; es hat das Recht, nacheinander alle Ämter derselben zu versehen; seine Erziehung, seine Bildung und seine Lehre müssen so gelenkt werden, daß sie ihn seinen Anteil an den unangenehmen und mühseligen Arbeitspflichten verrichten lassen, es ihm gleichzeitig aber ermöglichen, eine Reihe von Arbeiten zu veirichten sowie Kenntnisse zu erwerben und ihm zur Zeit seiner Reife allumfassende Fähigkeiten und ein ausreichendes Einkommen sichern; die Ämter werden durch die Wahl verteilt, und die Reglements unterliegen der Annahme durch die Angehörigen der Assoziation; der Lohn ist proportional der Natur des Amtes, der Größe der Begabung, dem Ausmaß der Verantwortung; jeder Angehörige der Assoziation ist an den Gewinnen wie an den Lasten der Gesellschaft im Verhältnis seiner Dienstleistung beteiligt; jedem steht es frei, nach Belieben aus der Assoziation auszutreten, seine Abrechnung zu verlangen und seine Ansprüche zu liquidieren, und ebenso hat die Gesellschaft das Recht, jederzeit neue Mitglieder aufzunehmen - 54 der beiden Probleme: das der Kollektivkraft und das der Arbeitsteilung -55 4. Konstituierung des Wertes: Organisation des billigen Marktes. - 56 Verteuerung der Ware - 57 der Willkür der Preisfestsetzung - 58 wohlfeile Preis repräsentiert mit Exaktheit: a) den Betrag der Produktionskosten gemäß dem amtlich ermittelten Durchschnitt der freien Produzenten; b) den Lohn des Kaufmanns oder die Entschädigung für den Vorteil, auf den der Verkäufer durch die Abtretung der Sache verzichtet -59 Kaufmann - 60 auf verschiedene Art bestehen: entweder, daß die Konsumenten, die in den Genuß des wohlfeilen Preises kommen wollen und zugleich Produzenten sind, sich ihrerseits dem Kaufmann gegenüber verpflichten, ihm
juste prix et la bonne qualite des produits et services, offrent de garantir aux entrepreneurs qui offriront les conditions les plus avantageuses, soit un interet pour les capitaux et le materiel engage dans leurs entreprises, soit -un traitement fixe, soit, s'il y a lieu, une masse süffisante de commandes. Les soumissionnaires s'obligeront, en retour, a fournir les produits et services pour lesquels ils s'engagent, a toute requisition des consommateurs. Toute latitude reservee, du reste, ä la concurrence. Iis devront indiquer les elements de leurs prix, le mode des livraisons, la duree de leurs engagements, leurs moyens d'execution. Les soumissions deposees, sous cachet, dans les delais prescrits, seront ensuite ouvertes et publiees, 8 jours, 15 jours, 1 mois, 3 mois, selon l'importance des traites, avant l'adjudication. A l'expiration de chaque engagement, il sera procede ä de nouvelles encheres.61 5. Commerce exterieur,62 Sobald der Zins sinkt, muß man abaisser les tarifs63, und wenn er unterdrückt ist oder auf 1/4 bis 1/2% steht, die Douanen abschaffen. VII. Etüde. Dissolution du gouvernement dans rorganisme economique. La societe sans l'autorite. Elimination des cultes, Justice, administration, police, Instruction publique, Guerre, Marine etc.64, alles mit respektiven Stirnerschen Phrasen. Schreib mir ausführlicher, was Du von diesem Rezept denkst. Salut.
Dein K.Marx
zu gleichen Bedingungen ihre eigenen Produkte zu liefern, wie dies unter den verschiedenen Pariser Arbeiterassoziationen üblich ist; oder, daß die obengenannten Konsumenten sich damit begnügen, dem Verkäufer eine Prämie zu sichern oder aber auch einen Absatz, der groß genug ist, ihm eine Revenue zu garantieren -61 im Namen der Interessen, die er provisorisch vertritt, die Departements und Kommunen im Namen ihrer respektiven Einwohner, in dem Bestreben, allen den wohlfeilen Preis und die gute Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu sichern, erklären sich bereit, den Unternehmern, die die vorteilhaftesten Bedingungen bieten, entweder einen Zins für die Kapitalien und die in ihren Unternehmen verwendeten Materialien zu garantieren oder ein festes Gehalt oder gegebenenfalls eine genügende Menge von Aufträgen. Dafür verpflichten sich die Submittenten, die Produkte und Dienstleistungen, zu denen sie sich verpflichten, auf jede Anforderung der Konsumenten zu liefern. Im übrigen ist der Konkurrenz freies Feld gelassen. Sie müssen die Grundbestandteile ihrer Preise, den Lieferungsmodus, die Dauer ihrer Verpflichtungen, die Mittel ihrer Ausführung angeben. Die in den vorgeschriebenen Fristen eingereichten, versiegelten Submissionen werden daraufhin je nach Wichtigkeit der Verträge, 8 Tage, 15 Tage, 1 Monat, 3 Monate vor der Zusprechung geöffnet und veröffentlicht. Bei Ablauf jedes Vertrages erfolgen neue Ausschreibungen. - 62 5.Außenhandel. - 63 die Tarife senken 64 VII.Studie. Auflösung der Regierung im ökonomischen Organismus. Die Gesellschaft ohne Autorität. Abschaffung der Kulte, der Justiz, der Verwaltung, der Polizei, der öffentlichen Erziehung, des Krieges, der Marine usw.
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den lO.August 1851]
Lieber Marx, Die „Schnellpost" hat mich sehr ergötzt. Seit langer Zeit hatte ich keine so perfekte Salbaderei gelesen wie „A.Ruge an K. Heinzen"1. Ich hätte nicht geglaubt, daß selbst zwei Esel wie R[uge] und H[einzen] aus dem dreijährigen Revolutionsstrudel so ganz unverändert und mit allen alten Phrasen, lächerlichen Manieren, Wendungen pp. behaftet, auftauchen könnten wie diese zwei. Es ist der Clown der Kunstreitergesellschaft, der nach den halsbrechendsten Sprüngen aufs neue seinen Diener macht und sagt: here we are again!2 und dann die ganze alte Leier seiner altbekannten Schnurren mit der größten Unbarmherzigkeit abermals ableiert. Ich sehe den literarischen Laxiermichel Rüge leibhaftig vor mir, wie er ernsthaft erklärt, daß „die gründliche Antwort auf die Tyrannei, die Anarchie und den Hochverrat... eben der Kernschiß ist, auf den es ankommt", und dann diesen Kernschiß selbst tut, indem er entdeckt, daß der moderne Klassenkämpf die secessio plebis3 ist, woran sich ungezwungen anknüpfen jener römische Schulmeister, dessen Namen ich vergessen, seine Fabel vom Magen und den Händen'2571 und andre dergleichen anmutige Tertianerund Konrektorerinnerungen mehr. Impayable4 ist der Kerl, wo er einmal auf die „Verhältnisse" zu sprechen kommt und dann gleich begütigend hinzusetzt: „Du weißt,... daß ich unter den Verhältnissen nichts andres verstehe als die Gedanken, welche jetzt die Köpfe der Menschen beherrschen!" Die lahmen Versuche, geistreich-maliziöse Anspielungen zu machen, scheiterten vollständig. Der Kerl ist so geschickt, daß jeder merkt, er habe Malice auf jemand, aber auf wen und weshalb, und das sonstige Wie und Warum, das kriegt keiner heraus. Wenn der große Rüge als reiner Hanswurst sich herauswickelt, so ist der große Heinzen nicht weniger brillant in seiner in Permanenz erklärten Rüpelhaftigkeit. Die Manier, mit der der Kerl in seiner Note seinen alten Blödsinn über Kommunismus am 23. Juli 1851 dem
1 Siehe vorl. Band, S.293-adasind wir wieder!-® der Auszug der Plebejer-4 Unbezahlbar
20 Manc/Engels, Werke, Bd. 27
Publikum mit genau denselben Worten wieder aufzudrängen sucht, wie im Sommer 1847 in der „D[eutschen]-Br[üsseler]-Zeitung", ist von einer namenlosen Unverschämtheit.12581 Et pourtant5 - die Kerle sind gezwungen, die Überlegenheit unsrer Sachen durch ihre fortwährende Beschäftigung mit ihnen und noch mehr durch den Einfluß anzuerkennen, den diese Sachen trotz aller Hartnäckigkeit und Wut unbemerkt auf sie ausüben. Wo ist eine Phrase in der ganzen Schmiere, die nicht ein Plagiat, eine mißverstandne Entstellung unsrer Sachen, eine1 durch sie hervorgerufne Anregung enthält! Über den Londoner Ausgleichungsversuch hat Herr Meyen oder Faucher in die h'alboffiziell-manteuffelsche „Lithogr[aphische] Kor[respondenz]" in Berlin einen albernen Artikel setzen lassen - bloß wir zwei hielten noch zusammen usw. - die andern seien all einig und gegen uns. Von Freiligr[ath] oder Wolff ist keine Rede. Der große Willich scheint sich nach der Auflösung der Armee der Zukunft wieder veranlaßt zu sehn, sich bei den großen Männern aller Parteien „als Charakter"[259] Anerkennung zu verschaffen - er soll ja bei ihren Versammlungen gewesen sein. A quoi tous ces coups de desespoir ont-ils abouti ? 6 Und ist der große Sigel bei Dir gewesen ? ; Die Herren haben, wie ein von Julius mir zuadressierter deutscher Sozialesel aus Dessau mich eben versichert, dort verbreitet, Du schriebst in die „NJeue] Pr[eußische] Z[ei]t[un]g" nach eignem Geständnis; Du habest, das Herrn Louis Drucker (!) selbst gesagt. En voila une bonne!7 Was den Proudhon'2531 angeht, so scheint der Mann ja Fortschritte zu machen. Die Phasen, durch die sich sein Unsinn entwickelt, nehmen jedenfalls erträglichere Gestalt an, und Herr Louis Blanc mag sich an diesen „heresies"8 die Zähne ausbeißen. Au bout du compte9 kommt also Herr Proudhon jetzt auch dahin, daß der wahre Sinn des Eigentumsrechts in der verkleideten Konfiskation alles Eigentums durch einen mehr oder weniger verkleideten Staat besteht, und daß der wahre Sinn der Abschaffung des Staats die verstärkte Staatszentralisation ist. Oder was sind toutes les communes de la republique qui s'entendent pour egaliser entre elles les differences de qualite des terrains ainsi que les accidents de la culture10, mit ihren notwendigen Zubehören und Konsequenzen anders? . Wenn ich morgen Zeit habe, weiteres über diesen Sonderling. Den Artikelfür Freitag kann ich diese Woche unmöglich liefern. Schreib mir aber,
6 Und dpch - «.Wozu haben alle diese Verzweiflungsstreiche geführt? - 7 Eine schöne Geschichte! - 8 „Ketzereien" -9 Zu guter Letzt -10 alle Kommunen der Republik, die sich miteinander ins Einvernehmen setzen, um die Qualitätsunterschiede der Grundstücke sowie die Zufälle der Bodenbewirtschaftung untereinander auszugleichen
und bald, in welcher Art er sein soll - ob ein einzelner beliebiger Artikel, oder ob Du eine Reihe haben willst, und 2., wie das Zeugs zu halten ist, denn ich kenne die politics der „N[ew-] Y[ork] Tr[ibune]" durchaus nicht näher, als daß sie amerikanische Whigs sind. Und was Du sonst noch in dieser Beziehung mir mitteilen kannst, um mir auf die Beine zu helfen.
Dein F.E.
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 11.August 1851]
Lieber Marx, Gestern in meinen Glossen über Pr[oudhon] gestört, fahre ich heute fort. Ich abstrahiere einstweilen von den vielen Lücken des Rezepts, z.B., wie man nicht sieht, in welcher Weise die Fabriken aus den Händen der Fabrikanten in die der compagnies ouvrieres1 übergehn sollen, da zwar der Zins und die Grundrente, aber nicht der Profit abgeschafft wird (die Konkurrenz bleibt ja bestehn); ferner, was aus den großen Grundbesitzen werden soll, die ihr Land durch Lohnarbeiter exploitieren lassen, und andre dgl. Mängel. Um über das Ganze als theoretisches Ensemble urteilen zu können, müßte man das Buch12531 selbst hier haben. Ich kann also nur insofern eine Meinung aussprechen, als ich die einzelnen Maßregeln in ihrer Praktikabilität le cas echeant2 betrachte und zugleich untersuche, inwiefern sie zur Zentralisation der gesamten Produktivkräfte geeignet sind. Und auch hierzu müßte man eigtl. das Buch selbst haben, um alle developpements3 zu sehn. Daß Herr Proudhon endlich zur Einsicht der Notwendigkeit der mehr oder minder versteckten Konfiskation gekommen ist, ist, wie schon gesagt, ein Fortschritt. Es fragt sich nur, ob sein Konfiskationsvorwand praktikabel ist; denn wie bei allen diesen bornierten Kerls, die sich selbst vorlügen, dgl. Gewaltmaßregeln seien keine Konfiskation, ist eben dieser Vorwand der Pivot des Ganzen. „Der Zins wird auf 1/2 oder 1/4% erniedrigt." Wie, davon sagen Deine Auszüge bloß, daß der Staat oder die unter der Hand und unter anderm Namen mit dem Staat verschmolzene Bank 500 Mill. fr. jährlich auf Hypothek zu diesem Zins auspumpen soll. Ich schließe zudem, daß diese Herabsetzung graduell geschehen soll. Ist der Zins einmal so niedrig, so wäre die jährliche Abtragung aller Schulden pp. mit 5 a 10% per annum natürlich leicht. Aber den Weg, um dahin zu kommen, gibt Herr P[roudhon] nicht an. Hierbei fällt mir unsre neuliche
1 Arbeitergesellschaften - 2 eintretendenfalls - 3 Entwicklungen
Debatte über Herabsetzung des Zinsfußes durch Deinen Plan ein, eine aussdhl. privilegierte Nationalbank mit Monopol derPapiercurrency4 und Ausschluß des Goldes und Silbers von der Zirkulation zu etablieren. Ich glaube, daß jeder Versuch, den Zinsfuß rasch und stetig herunterzudrücken, scheitern muß an der in jeder Revolution und Geschäftsstockung steigernden Notwendigkeit des Wuchers, des Kreditgebens an momentan geklemmte, in Verlegenheit schwebende, also momentan unsolide Leute. Wenn auch der Teil des Zinsfußes, der für wirkliche Remuneration des Leihens gilt, durch Masse von Kapital zu drücken ist, so bleibt der Teil, der die Assekuranz der Rückzahlung repräsentiert und der grade in der Krisis enorm steigt. In jeder Revolution sind die Kaufleute der Regierung dankbar, die ihnen, nicht zu 1/4 oder 1/2%. sondern zu 5% pumpt. Vgl. 1848, Darlehnskassen pp. Der Staat und jede große zentralisierte Staatsbank kann aber, solange sie ihre Zweigbanken nicht bis in cfie kleinsten Nester organisiert und ihren Beamten lange kommerzielle Praxis gegeben hat, nur dem großen Commerce pumpen - sie pumpte sonst ins Blaue hinein. Und der kleine Commerce kann seine Waren ihr nicht verpfänden wie der große. Donc5,1. Resultat jeder Herabsetzung des Zinses für die Regierungsvorschüsse = Vergrößerung des Profits der großen Commer^ants und allgemeine Hebung dieser Klasse. Der kleine Commerce würde nach wie vor gezwungen sein, sich an Zwischenhändler zu wenden, denen die Regierung zu 1/2% vorschösse, damit sie zu 5-10% wieder ausleihen könnten. Das ist unvermeidlich - der kleine Commerce bietet keine Garantie, kann kein Pfand stellen. Also auch nach dieser Seite Hebung der großen Bourgeoisie - indirekte Herstellung einer großen Wucherklasse, Bankiers auf untergeordneter Stufe. Die ganze ewige Dringerei der Sozialisten und Proudhons auf Herabsetzung des Zinses ist meiner Ansicht nach ein verklärter frommer Bourgeois- und Kleinbürgerwunsch. Solange Zins und Profit in umgekehrtem Verhältnis stehn, solange kann sie nur zur Steigerung des Profits führen. Und solange es unsolide, garantielose und grade deswegen erst recht geldbedürftige Leute gibt, solange kann die Staatspumperei die Privatpumperei nicht aufheben, also nicht den Zinsfuß herabsetzen für alle Transaktionen. Der Staat, der zu 1j2% pumpt, würde gradeso dastehn gegenüber dem Wucherer, den er mit Geld versorgt, wie die französische Regierung von 1795, die 500 Mill. Steuern in Assignaten einnahm und sie für 3 Mill. wieder ausgab und, bloß um ihren „Kredit", der schon klatsch war, zu erhalten,
4 (hier:) des Papiergeldes - 6 Also
die Assignaten in den Steuerzahlungen für voll, für das 200fache ihres wirklichen Werts einnahm - wie diese Regierung gegenüber den Güterspekulanten und Agioteurs von damals. Proudhon ist zu naiv. Der credit personnel trouve oder doit trouver son exercice dans les compagnies ouvrieres6. D.h. das Dilemma entweder der Direktion und schließlich Administration und Reglementierung dieser Kompanien durch den Staat, was Prfoudhon] doch nicht will, oder die Organisation des famosesten Assoziationsschwindels, des Schwindels von 1825 und 1845, reproduziert auf der Stufe des Proletariats, Lumpenproletariats und Kleinbürgertums. Die allmähliche Herabsetzung des Zinsfußes durch kommerzielle und Zwangsmaßregeln so zur Hauptsache machen zu wollen, daß durch Verwandlung der Zinszahlung in Rückzahlung alle Schulden pp. liquidiert und alles reelle Vermögen in den Händen des Staats oder der Kommunen zentralisiert wird, scheint mir vollständig impraktikabel 1. aus den angeführten Gründen; 2. weil es viel zu lange dauert; 3. weil das einzige Resultat, bei fortdauerndem Kredit des Staatspapiers, die Verschuldung des Landes an Ausländer werden müßte, da alles rückgezahlte Geld ins Ausland wandern würde; 4. weil es, selbst die Möglichkeit der Sache im Prinzip zugegeben, Unsinn wäre, zu glauben, Frankreich, la Republique, könne dies gegen England und. Amerika durchführen; 5. weil der auswärtige Krieg und die pressure.of the moment7 im allgemeinen dgl. systematische langsame, auf 20 bis 30 Jahre verteilte Maßregeln und vollends Geldzahlungen rein unsinnig macht. Praktisch scheint mir die Geschichte nur die Bedeutung zu haben, daß man in einem geiwissen Moment der revolutionären Entwicklung, mit Hülfe einer Monopol-Staatsbank, allerdings dahin kommen kann, zu dekretieren: Art. 1: der Zins ist aufgehoben oder auf 1li% beschränkt; Art.2: die Zinsraten werden wie bisher fortbezahlt und gelten als Rückzahlung; Art.3: der Staat hat das Recht, alle Immobilien pp. zum kuranten Taxwert zu kaufen und mit 5 % in 20 Jahren abzuzahlen. Dergleichen £ann vielleicht als direkter letzter Vorläufer der unverhohlenen Konfiskation einmal brauchbar werden; aber das ist reine Spekulation, darüber zu grübeln, wann, wie und wo. Jedenfalls ist dies Pr{oudhon]sChe Buch, wie es scheint, viel irdischer als seine früheren - auch die Constitution de la valeur8 nimmt eine fleischlichere Gestalt an: die des juste prix des boutiquiers. Quatre francs, Mon
6 persönliche Kredit wird oder soll Anwendung finden in den Arbeitergesellschaften - 7 der augenblickliche Druck - 8 Konstituierung des Wertes
sieur, c'est le plus juste prix!9 Was die Aufhebung der Douane und die des Zinses miteinander zu tun haben, ist nicht klar. Daß Pr[oudhon] seit 1847 den Übergang von Hegel zu Stirner so Vollständig gemacht hat, ist auch ein Fortschritt. Sage noch, daß er die deutsche Philosophie nicht versteht, wenn er sie bis auf die letzte Verfaulurigsphäse an seinem Kadaver durchmacht! Schreib bald und sag, was Du von obigejm hältst.
Dein F.E.
9 gerechten Preises des Krämers. Vier Franken, mein Herr, das ist der gerechteste Preist.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. August 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Ich schicke Dir in 1 oder 2 Tagen den Proudhon12631 selbst, den Du mir aber, sobald gelesen, zurückschickst. Ich will nämlich - von wegen des Geldes - 2-3 Bogen über das Buch drucken lassen. Du teilst mir deswegen Deine Ansichten ausführlicher mit, als Du sonst im Raschschreiben pflegst.!2601 Der Proudhonsche Witz - und das Ganze ist vor allem eine Polemik gegen den Kommunismus, so viel er auch davon stiehlt und so sehr er ihm in Cabet-Blancscher Verklärung erscheint - resümiert sich meiner Ansicht nach auf folgendes Räsonnement: Der eigentliche Feind, der zu bekämpfen, ist das Kapital. Die reine ökonomische Affirmation des Kapitals ist der Zins. Der sog. Profit ist nichts anders als eine besondre Form des Salärs. Den Zins heben wir auf, indem wir ihn in eine annuite, i.e. jährliche Abschlagszahlung des Kapitals verwandeln. So wird der Arbeiterklasse - lies industriellen Klasse - auf immer das Prä gesichert und die eigentliche Kapitalistenklasse zu einer stets verschwindenden Existenz verurteilt. Die verschiednen Formen des Zinses sind Geldzins, Mietzins, Pachtzins. So wird die bürgerliche Gesellschaft beibehalten, gerechtfertigt und nur ihrer mauvaise tendance1 beraubt. Die liquidation sociale ist bloß das Mittel, um die „gesunde" bürgerliche Gesellschaft von vorn anfangen zu können. Rasch oder langsam, peu nous importe3. Über die Widersprüche, Unentschiedenheiten und Unklarheiten dieser liquidation selbst will ich erst Dein Urteil hören. Aber der wahrhaft heilende Balsam der von vorn angefangnen Gesellschaft besteht in der Abschaffung des Zinses, d.h. in der perennierenden Verwandlung des Zinses in eine annuite. Dies, nicht als Mittel, sondern als ökonomisches Gesetz der reformierten bürgerlichen Gesellschaft aufgestellt, resultiert natürlich zweierlei:
1 schlechten Tendenz - 2 das kümmert uns wenig
1. Verwandlung der kleinen nichtindustriellen in industrielle Kapitalisten. 2. Verewigung der großen Kapitalistenklasse, denn au fond3, wenn man die Sache im Durchschnitt nimmt, zahlt die Gesellschaft im großen und ganzen - den industriellen Profit abgerechnet - nie etwas andres als die annuite. Wäre das Gegenteil wahr, so würde die Zins-von-Zinsenrechnung des Dr.Price12611 eine Realität sein und der ganze Globus nicht hinreichen, das kleinste von Christo herrührende Kapital zu verzinsen. In der Tat aber ist mit Sicherheit zu behaupten, daß das z.B. in England - also dem ruhigstbürgerlichsten Lande - seit 50 oder 100 Jahren, sei es in Grund und Boden oder sonst angelegte Kapital, sich - wenigstens dem Preis nach, worauf es hier ankömmt - noch nie verzinst hat. Man nehme z.B. die höchste Schätzung des Nationalreichtums von England. Z.B. 5 Milliarden. Also England produziert jährlich 500 Millionen. Der ganze Reichtum Englands also nur = der jährlichen Arbeit Englands X mit 10. Also nicht nur, daß das Kapital sich nicht verzinst, es reproduziert sich nicht einmal dem Werte nach. Und aus dem einfachen Gesetz. Der Wert ursprünglich bestimmt durch die ursprünglichen Produktionskosten, der Arbeitszeit nach, die ursprünglich nötig war, um die Sache herzustellen. Aber einmal produziert, wird der Preis des Produkts bestimmt durch die Kosten, die nötig sind, um es zu reproduzieren. Und die Kosten der Reproduktion sinken beständig und so rascher, je industrieller das Zeitalter. Also Gesetz der fortwährenden Entwertung des Kapitalwertes selbst, wodurch das sonst ins Absurde führende Gesetz des rentes 4 und des Zinses gescheckt5 wird. Eis ist das auch die Erklärung des von Dir aufgestellten Satzes, daß keine Fabrik ihre Produktionskosten deckt. Proudhon kann die Gesellschaft also nicht neu gestalten durch die Einführung eines Gesetzes, das sie au fond jetzt ohne seinen Rat befolgt. Das Mittel, womit Proudhon alles bewirkt, ist die Bank. II y a ici un qui pro quo.6 Das Bankgeschäft ist in 2 Teile aufzulösen: 1. Die Versilherang des Kapitals. Hier gebe ich bloß Geld für Kapital, und das kann allerdings zu den bloßen Produktionskosten geschehn, also zu 1/2. oder 1/4%. 2. Vorschießen von Kapital in der Form von Geld, und hier wird sich der Zins nach der Quantität des Kapitals richten. Was der Kredit hier tun kann, ist nur, vorhandenen, aber unproduktiven Reichtum durch Konzentration usw. usw. in wirkliches aktives Kapital zu verwandeln. Proudhon hält Nr. 2 für so leicht wie Nr. 1, und er wird, au bout du compte7, finden, daß,
8 im Grunde - 4 der Renten - 5 paralysiert - 6 Hier liegt eine Verwechslung vor. - 7 schließlich
indem er eine illusorische Masse von Kapital in der Form von Geld anweist, er nur im besten Fall den Zins des Kapitals reduziert hat, um seinen Preis in demselben Verhältnis zu erhöhn. Womit nichts gewonnen ist als der Mißkredit seines Papiers. Den Zusammenhang der Douane mit dem Zins überlasse ich Dir, im Original zu genießen. Die Sache war zu köstlich, um sie durch Verstümmlung zu verderben. Herr P[roudhon] erklärt sich weder genau, wie es mit dem Anteil der Kommune an Häusern und Land sich verhält - und grade das hätte er den Kommunisten gegenüber tun müssen -, noch wie die Arbeiter in den Besitz der Fabriken kommen. Jedenfalls will er „des compagnies ouvrieres puissantes"8, hat aber doch solche Angst vor diesen industriellen „Zünften", daß er, zwar nicht dem Staat, wohl aber der societe9 das Recht vorbehält, sie aufzulösen. Als echter Franzose beschränkt er die association auf die Fabrik, weil er weder einen Moses and son10 kennt, noch a midlothian farmer11. Der französische Bauer und der französische Schuster, Schneider, merchant12 erscheinen ihm als des donnees eternelles et qu'il faut accepter13. Je mehr ich aber den Dreck treibe, um so mehr überzeuge ich mich, daß die Reform der Agrikultur, also auch der darauf basierten Eigentumsscheiße, das A und 0 der kommenden Umwälzung ist. Ohne das behält Vater Malthus recht. Dem Louis Blanc etc. gegenüber ist die Schrift kostbar, namentlich durch die frechen Ergießungen über Rousseau, Robespierre, Gott, die fraternite14 und ähnlichen Salbader. Was nun die „New-York Tribüne" betrifft, so mußt Du mir jetzt, wo ich mit der Ökonomie die Hände voll habe, helfen. Schreibe eine Reihe von Artikeln über Germanien, von 1848 an.t2621 Jeistreich und ungeniert. Die Herren sind sehr frech im ausländischen Departement. In ein paar Tagen schick* ich Dir 2 Bände Römisches. Nämlich „Economic Politique des Romains. Par Dureau de la Malle". Ich habe das Buch (grundgelehrt) von Paris kommen lassen. Es werden Dir da Lichter aufgehn auch über den ökonomischen Hinterhalt der römischen Kriegsführung, der nichts anders war als das - Cadaster15. Wie schicke ich Dir die Sache am wohlfeilsten? Die 2 Bände sind dick. - Den Artikel der „Lithographischen] C[orrespondenz]"16 mußt Du schießen oder in Abschrift zu erhalten suchen. Sobald Weydemeyer da ist, muß man die Esel Spießruten laufen
8 „machtvolle Arbeitergesellschaften" - 9 Gesellschaft -10 Moses & Sohn (eine große Firma der Herrenkonfektion in London) - 11 Midlothian-Pächter (Midlothian - Grafschaft in Südschottland) - 12 Kaufmann - 13 ewige Gegebenheiten, die man hinnehmen muß 14Brüderlichkeit -16 Kataster -16 siehe vorl. Band, S. 306
lassen in New York. Dazu gehören alle Aktenstücke. Faucher ist Korrespondent der „N[euen] Preußischen] Z[eitung]". Sigel hat sich noch nicht sehn lassen. Willich ist natürlich vereinendes Mitglied der Verbrüderung der Emigration. Freitag hatten sie ihre erste Generalversammlung. Wir hatten einen Spion da. Die Sitzung wurde eröffnet mit Verlesung (durch General Haug) des Artikels gegen uns in der „Lithographischen] C[orrespondenz]". Denn um uns leben, weben und sind sie. Dann noch allerlei mißliebige Katzbalgereivorträge beschlossen. Meldete sich für Preußen Herr Meyen, für England Oppenheim, für Frankreich Rüge, Kinkel für Amerika - und die Zukunft. Ich freue mich übrigens sehr, Dein Urteil über das Gesamtliche zu hören.
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Marx an Engels in Manchester
[London, um den 20. August 18511
Lieber Engels! Du liest zuerst wohl den Proudhon[2S31, da ich den zurück haben muß. Den Dureau12631 hab' ich ausgezogen, soweit ich ihn brauche. Apropos. Schreibe doch endlich an den Fischer in New Orleans. (Liebknecht ist jetzt sein stehender Korrespondent.) Eis ist dies um so wichtiger, als grade aus New Orleans die Kinkels, Ruges etc. Subsidien zu ziehn gedenken. Vergiß also nicht, an den Mann zu schreiben, der sich in einem Brief an Liebknecht über Dein Schweigen beklagt. Dein K.M.
III
Engels an Marx in London
Lieber Marx, Du erhältst hierbei einen beliebigen Artikel.1 Verschiedne Umstände haben konspiriert, das Ding schlecht zu machen. Erstens war ich seit Samstag zur Abwechslung einmal unwohl. Dann fehlte alles Material - reine Ärmelschüttelei und Aushelfer ei mit dem bloßen Gedächtnis. Dann die kurze Zeit und Arbeit auf Bestellung, fast totale Unkenntnis des Blattes2 und seines Leserkreises, also kein ordentlicher Plan möglich. Endlich die Unmöglichkeit, das Manuskript der ganzen Reihe zum Vergleichen zusammenzuhalten, also Notwendigkeit eines plus ou moins3 pedantischsystematischen Anfangs, um Wiederholungen in den folgenden Artikeln zu vermeiden. Alles das und meine ohnehin ganz aus der Übung gekommene Schreiberei dazu, haben das Ding sehr trocken gemacht, und wenn es sich durch etwas empfiehlt, so ist es durch kulanteres Englisch, das ich der Gewohnheit, seit 8 Monaten fast nur Englisch zu sprechen und zu lesen, verdanke. Enfin, tu en feras ce que tu voudras.4 Den Prfoudhon]12531 habe ich zur Hälfte durch und finde Deine Ansicht vollkommen bestätigt. Sein Appell an die Bourgeoisie, sein Zurückgehn auf Saint-Simon und hundert andre Geschichten, schon im kritischen Teil, bestätigen, daß er die industrielle Klasse, Bourgeoisie und Proletariat, als eigentlich identisch und nur durch die NichtVollendung der Revolution in Gegensatz gebracht ansieht. Die pseudo-philosophische Geschichtskonstruktion liegt ganz klar auf der Hand: vor der Revolution industrielle Klasse im Ansichsein, 1789-1848 im Gegensatz: Negation; Proudhonsche Synthese to wind up the whole with a flourish5. Mir kommt das Ganze als ein letzter Versuch vor, die Bourgeoisie theoretisch zu halten; unsre Prämissen über entscheidende historische Initiative der materiellen Produktion, Klassenkampf pp. großenteils adoptiert, meist verdreht und hierauf
1 „Revolution und Konterrevolution in Deutschland": I.Artikel - 2 „New-York Daily Tribüne" - 3 mehr oder weniger - 4 Kurzum, mach damit, was Du willst. - 6 um das Ganze mit einem Paukenschlag abzuschließen
das Experiment gegründet, vermittelst pseudo-hegelscher Eskamotage das Proletariat scheinbar in die Bourgeoisie zurückzunehmen. Den synthetischen Teil hab' ich noch nicht gelesen. In den Angriffen gegen L.BIanc, Robespierre, Rousseau sind hier und da nette Sachen, aber im ganzen kann man nichts Prätentiös-Flacheres lesen als seine Kritik der Politik, z.B. bei der Demokratie, wo er wie die „N[eue] Prfeußische] Z[eitung]" und die ganze alte historische Schulet2641 mit der Kopfzahl herankommt, und wo er sich nicht schämt, mit kleinen praktischen Bedenken, die eines Schuljungen würdig sind, Systeme aufzubauen. Und welche große Idee, daß pouvoir6 und liberte7 unvereinbare Gegensätze sind, und daß keine Regierungsform ihm einen genügenden moralischen Grund angeben kann, weswegen er ihr gehorchen sollte! Par Dieu8, wozu brauchte man denn ein pouvoir? Übrigens bin ich überzeugt, daß Herr Ewerbeck ihm seine Übersetzung des „Manifests"9 und vielleicht auch unter der Hand Übersetzungen aus Deinen Artikeln in der „Revue"10 hat zukommen lassen. Eine Anzahl Pointen sind unbedingt daraus gestohlen - z.B. daß das gouvernement11 nichts ist als die Macht einer Klasse zur Niederhaltung der andern und mit dem Verschwinden des Klassengegensatzes ebenfalls verschwindet. Dann viele Pointen über die französische Bewegung seit 1848. Ich glaube nicht, daß er das alles in Deinem Buch gegen ihn12 gefunden hat. Ich schreibe dieser Tage ausführlicher über das Ding, sowie ich das Ganze gelesen habe. Inzwischen erwarte ich dieser Tage Weerth hier, der wie gewöhnlich auf einmal in Bradford auftaucht, und ich werde deshalb vielleicht genötigt sein, den Pr[oudhon] 2 oder 3 Tage länger hier zu behalten. Sage Lupus, daß ich mit Watts gesprochen habe und dieser sich alle Mühe geben wird, und mit aller Aussicht auf Erfolg, ihm hier eine Stelle zu verschaffen. Watts glaubt, daß seine Qualität als Exreichstagsmann[265] hier vollständig hinreicht. Er kennt die ganze Sorte von Schulmeistern und Pfaffen der liberalen Couleur, und wenn er sich einmal in Bewegung setzt, wird er gewiß etwas ausrichten können. Ich werde ihn deshalb warmhalten; sowie ich etwas Weiteres höre, werde ich es ihn wissen lassen. Übrigens ist der Watts trotz alledem doch noch ebenso erträglich als die übrige Sorte von Philistern. Da der Mann als Engländer, Sozialist, Doktor und Familienvater lebt, so muß man ihm zugut halten, daß er seit sieben Jahren Tee
6 Macht - 7 Freiheit - 8 Bei Gott - 9 „Manifest der Kommunistischen Partei" -10 ,.Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" - 11 die Regierung -12 „Misere de la philosophie"
totaler13 ist - und sogar Gelüste verspürt, Struvescher Grasfresser zu werden. Seine Frau säuft und frißt dafür für ihn mit. Es ist schlimm,aber es ist ein Faktum, hier in Manchester ist durchschnittlich der ordinäre Spießbürger der umgänglichste Mensch; er säuft, er reißt Zoten, er ist Rebblkaner (wie Martens), und man kann über ihn lachen. Was hörst Du Neues aus Deutschland? In Hamburg sind 3 entlassen, einer neu verhaftet. Die Geständnisse des Schneidergesellen Nothjung laufen also darauf hinaus, daß er Emissär einer propagandistischen geheimen Verbindung sei - quelle d&ouverte!14 Dein F.E. Manchester], 21. Aug. 51
13 Abstinenzler -14 was für eine Entdeckung!
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Marx an Engels in Manchester
[London] 25.August 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! D'abord mes remerciments pour ton article.1 Trotz allem Bösen, weis Du ihm nachgesagt hast, war er famos und ist unverändert nach New York gesegelt. Du hast ganz den Ton für die „Tribüne" getroffen. Sobald wir ihre erste Nummer erhalten, schicke ich sie Dir zu und von da an regelmäßig. Maintenant2 habe ich eine ganze Ladung Emigrationsmist an Dich zu expedieren, und wenn Du einen farmer in der Umgegend kennst, der den Guano dieser saubren Vögel zum Dünger braucht, so kannst Du ein Geschäft machen. Also, wie Dir schon bekannt, am Freitag, 8. August, fand die erste offizielle Versammlung der verbrüderten Emigration statt, worin bes. leuchteten: Der „Damm", der präsidierte; Schurz Sekretär, Goegg, zwei Sigel3, Fickler, Tausenau, Franck (der Ostreicher Biedermann), Willich, Borkheim, Schimmelpfennig, Johannes Ronge, Meyen, Graf Reichenbach, Oppenheim, Bauer-Stolpe 4, der Hanebuch Lüders, Haug, A. Ruge.Techow, Schmölze (bayrischer Lieutenant), Petzler, Böhler, Gehrke, Schärttner, Göhringer usw., Kinkel und Strodtmann natürlich nicht zu vergessen. Also die Hauptcliquen: 1. Ruge-Fickler, 2. Kinkel, 3. Tausenau. Die andern independenten literarischen Bummler und Vereinbarer[a66] dazwischen. Der eigentliche Knotenpunkt, um den es sich bei dieser großen Haupt- und Staatsaktion handelte, folgender: Ruge-Fickler-Tausenau-Goegg-SigelHaug etc. wollten die Erwählung eines offiziellen Komitees, teils zur Denunziation der Missetaten der Reaktion, teils zur Repräsentation der Emigration, teils zur „^4^f/on"-Agitation Teutschland gegenüber. Der Idiot Rüge hatte dabei noch den Haken, daß er Ledru-Mazzini gegenüber als
1 Zunächst meinen Dank für Deinen Artikel. („Revolution und Konterrevolution in Deutschland": 1. Artikel) - 2 Jetzt - 3 Albert und Franz Sigel - 4 Ludwig (Louis)
bevollmächtigt anerkannt und außer seinem Namen nun auch wirklich das Korpus der teutschen Flüchtlingsschaft als Armee ihnen zu Gebot stellen könne. Herr Kinkel (mit ihm, außer seinem Retter Schurz und seinem Biographen Furz5, bes. Willich, Techow, Schmölze, Schimmelpfennig) dagegen wollte kein öffentliches Institut der Art, teils um seine Stellung der Bourgeoisie hier zu London gegenüber nicht zu gefährden - denn die Gülden sind maßgebend -, teils um den Rüge nicht mehr oder minder dem Mazzini-Ledru gegenüber anerkennen zu müssen. - Von vornherein war die Clique Ruge-Fickler entrüstet, als sie den Versammlungssaal über die Gebühr voll sah. Man war in geheimer Sitzung übereingekommen, nur die Notabilitäten zu berufen. Die Clique Kinkel aber hatte le menu peuple6 mitgebracht, um sich die Stimmenzahl zu sichern. Die Sitzung wurde eröffnet mit dem Vorlesen des Schmierartikels der „Lithographischen] C[orrespondenz]" durch General Haug, der gleiche zeitig erklärte, es müßten Spione in der Gesellschaft sein, das Aktenstück könne mißbraucht werden etc. Willich unterstützte dies mit damals noch ungebrochnem Pathos und forderte die Verbrecher auf, sich lieber zu nennen. Erhob sich darauf Bauer-Stolpe (den ich übrigens für einen regulären Spion halte) und erklärte, er begreife Willichs tugendhaftes Entsetzen nicht, da er in der ersten vorbereitenden Sitzung Herrn Scheidler als Redakteur der „Lithographischen] Cforrespondenz]" ohne Widerspruch eingeführt habe. - Diesen Inzident erledigt, stellte Tausenau unter vielem pathetischgemütlichem Ächzen und Krächzen, er glaubte sich vor einem Wiener Publikum zu befinden, seinen Antrag auf die Kommissionsernennung. Herr Meyen antwortete ihm, daß er keine Taten wolle, aber freiwillige Vorträge. Melden sich abgekarteterweise sofort Kinkel für Amerika und seine Zukunft, Oppenheim für England, Schurz für Frankreich, Meyen für Preußen. Tausenaus Antrag fällt mit Glanz durch, und er erklärt gerührt, daß er trotz seines Durchfallens seinen gerechten Zorn auf dem Altar des Vaterlandes opfern und im Schöße der Verbrüderten bleiben werde. - Aber sofort nahm die Clique Fickler-Ruge die drohende und gereizte Haltung geprellter schöner Seelen an. Am Schluß der Sitzung kommt Kinkel auf Schabelitz zu (der hier durchaus als unser Agent tätig war und als ein sehr nützlicher Agent, da er das Vertrauen sämtlicher Biedermänner besaß), erklärt ihn für einen braven Demokraten, erklärt die „Basler National-Zeitung" für ein ausgezeichnetes demokratisches Blatt und erkundigt sich u.a. nach den Finanzen desselben,
5 Strodtmann - 6 die ldeinen Leute
21 Man/Engels, Werke, Bd. 27
Schabelitz: Schlecht. Kinkel: Aber tun die Arbeiter denn nichts? Schabelitz: Alles, was wir von ihnen verlangen, sie lesen das Blatt. Kindel: Die Arbeiter müßten mehr tun. Sie unterstützen auch uns nicht, wie sie sollten. Und Sie wissen, wir tun doch so viel für die Arbeiter. Wir tun alles, um sie zu „respektablen", Sie verstehn mich wohl, um sie zu „ehrbaren Bürgern" zu machen. En voilä une borine.7 Die Sitzung der Vereinbarer vom 15ten war wenig besucht und, wie die Engländer sagen, indifferent. Unterdessen hatten sich großs Dinge ereignet - am 17. -, und der wahre Verlauf der Sache verlief sich, wie unser großer A.Ruge sagen würde, wie folgt: Herr Kinkel berief Willich, Techow, Goegg, Sigel und noch einige zu sich und eröffnete ihnen, daß er 160 £ St. durch Fischer aus New Orleans erhalten und beauftragt sei, diese Gelder zu verwenden unter Zuziehung der obenbenannten Männer und des Herrn „Fr. Engels". Statt des letztern hatte er Fickler eingeladen, der aber erklärt hatte, er habe mit den „Lumpen" nichts zu schaffen. Herr Kinkel war gezwungen, den Brief vorzuzeigen, und da zeigte sich denn, daß diese Gelder sich schon seit 3 Wochen anonym und inkognito in seiner Wohnung befanden, unschlüssig, ob sie ihr großes Herz der profanen Welt erschließen sollten oder nicht. Obgleich Kinkel mit Engelszungen sprach, so half das nichts. Die Clique Fickler sah ein, daß die Clique Kinkel bedeutend im stillen angelt und die Gesamtemigrations-Klatschkrise nur benutzen würde, um die Goldfische unter der Handzu ködern. Und so hatte der große Heinzen umsonst so liebeschmachtend und so redebieder mit den in New Orleans gesammelten Pfunden geäugelt! Goegg und Sigel verließen das Konklave. Es fand eine Separatsitzung der Clique Fickler-Ruge-Tausenau statt. - Die Süddeutschen hatten nämlich unter der Hand gefunden, daß A.Ruge ein Imbecil8 ist. Sie brauchen ihn, weil er der Kanal zu Ledru-Mazzini ist und diese Protektion den Süddeutschen sehr wichtig ist. Tausenau scheint ihnen den Star gestochen zu haben, und er ist jetzt neben Fickler ihr eigendicher Leader9. Tausenau ist überhaupt ein mit kleinjüdischer Kalkulationsgabe ausgestatteter, diplomatisierender und sehr ldugtuender Intrigant, der an das Herannahn der Revolution glaubt. Daher er jetzt in diesem Bunde. - Rüge in tiefem Grimme über die verlornen 160 £ St. eröffnete nun den Freunden, daß vor mehr als 12 Monaten Willich-Kinkel den Schimmelpfennig zu Mazzini geschickt, ihn als Emissär vorgestellt und zu einer Agitationsreise nach Deutschland
7 Eine schöne Geschichte ist das. - 8 Schwachkopf - 9 Führer
um Geld angegangen hatten. Mazzini gab ihm 1000 fcs. bar und 5000 fcs. in seinen italienischen Scheinen, unter der Bedingung, nach 12 Monaten ihm die 1000 fcs. und 2/3 der untergebrachten italienischen Scheine zurückzuerstatten. Davon reiste Schimmelpfennig durch Frankreich und Deutschland. Die 12 Monate waren vergangen, aber Kinkel-Schimmelpfennig, die 1000 fcs. und die italienischen Scheine ließen nichts mehr von sich hören. Jetzt, nachdem das Geld aus New Orleans angekommen, hatte Kinkel seine Abgesandten an Mazzini wieder geschickt, nicht um zu zahlen, sondern um zu renommieren und in eine Allianz mit ihm zu treten. Mazzini war zu delikat, sie an ihre Schuld zu mahnen, erklärte ihnen aber, er habe seine Verbindungen in Deutschland, könne daher keine neuen eingehn. Die Herren hatten sich auch, erzählte A.Ruge weiter, zu Ledru-Rollin begeben. Hier aber war Rüge zuvorgekommen, und da Ledru-Rollin sich schon als Präsidenten der französischen Republik betrachtet und entschlossen ist, sofort den Krieg nach außen zu führen, ihm Sigel als Obergeneral der teutschen Revolutionsarmee vorgestellt, mit dem L[edru]-Rollin sich dann auch in strategische Gespräche eingelassen. Hier fuhr also Kinkel-Willich abermals ab. - Nach diesen Enthüllungen Ruges lag also die Verworfenheit der Clique K[inkel]-W[illich] offen vor den Augen der betörten schönen Seelen. Nun mußte eine Tat vollbracht werden, und welche andre Taten kennt Rüge als neue Kombinationen und Permutationen seines verschimmelten alten Zentralkomitees? Es wurde also die Bildung eines Agitationsklubs beschlossen, der kein diskutierender, sondern „wesentlich arbeitender" sein, nicht words10, sondern works11 liefern und vor allem die Gesinnungsgenossen auffordern solle, Geldbeiträge zu liefern. Zusammensetzung: Fickler, Tausenau, Franck, Goegg, Sigel, Hertie, J.Ronge, Haug, Rüge. Du erkennst sofort die Umformation Ruge-Ronge-Haug. Aber bei näherer Ansicht zeigt sich, daß der wesentliche Bestandteil des Klubs 1. die westsüddeutschen Biedermänner Fickler, Goegg, Sigel, Hertie, 2. die ostsüddeutschen Tausenau, Haug und Franck sind, daß der Klub also wesentlich als süddeutscher sich den „Preußen" gegenüber gebildet hat und Rüge nur die Nabelschnur ist, die die Verbindung mit dem europäischen Zentralkomitee'1591 aufrechterhält. Auch nennen sie jetzt die andern Vereine schlechtweg: „Die PreußenDieser Agitationsklub ernannte Tausenau zu seiner Exekutivgewalt und gleichzeitig zu seinem Minister des Auswärtigen. Es war dies also eine vollständige Absetzung des Zentral-Ruge. Um ihm aber die Pille zu versüßen, wurde ihm als douceur12 gegeben die Anerkennung,
10 Worte - u Taten -12 Liebesgabe
daß man seine Stellung beim Zentralkomitee anerkennt, seine bisherige Tätigkeit und seine Vertretung des teutschen Volks im Sinne des teutschen Volks. Dieses testimonium paupertatis13 wirst Du gedruckt gelesen haben in der in fast alle englische Blätter gebrachten Notiz, worin der Agitationsverein seine Geburt dem europäischen Publikum allerergebenst anzeigt und um gute Kundschaft bittet. Selbst diese douceur wurde dem unglücklichen Rüge verbittert, indem die Bauer-Fickler die unerträgliche conditio sine qua non14 stellten, daß Rüge aufhöre, „sein dummes Zeug in die Welt zu schreiben". Ehe ich weiter erzähle, muß ich bemerken, daß in dem gesamtdemokratischen Verein wir ohne Wissen der andern durch einen zu unserm Bunde1831, aus Köln geflüchteten Arbeiter namens Ulmer vertreten sind, ein Mensch, der bei uns sehr ruhig und schweigsam ist und von dem wir nie geglaubt hätten, daß er die Gesamtdemokratie im Schach halten würde. Aber indignatio facit poetam15, und der stille Ulmer hat, wie er mir sagte, das „Genie", daß er leicht wütend wird, am ganzen Körper zittert und dann wie ein Berserker losfährt. Trotz seiner schmächtigen Schneiderfigur hat er zudem als bester Turner von Mainz ein bedeutendes Bewußtsein physischer Kraft und Gewandtheit. Außerdem den Kommunistenstolz der Unfehlbarkeit. Am 22. August fand also die 3. Sitzung statt. Versammlung sehr zahlreich, da großer Skandal von wegen des hochverräterischen Agitationsvereins zu erwarten stand. Präsident: Meyen. Auch zugegen: R.Schramm und Bucher. Die Clique Kinkel stellte den Antrag auf Bildung eines Flüchtlingskomitees. Nämlich Herr Kinkel will doch nicht als öffentlicher Mann von der Bühne treten. Er will auch nicht sich bei den ästhetisch-liberalen Bürgern Englands kompromittieren. Ein Flüchtlingskomitee ist politischphilanthropisch, stellt außerdem Geldmittel zur Verfügung, vereinigt also alle wünschenswerten Bedingungen. Dagegen wurde von einem gewissen Hollinger und von Ulmer der Antrag gestellt, das Flüchtlingskomitee in einer allgemeinen Generalversammlung der Flüchtlinge zu wählen, worauf die Kinkel-Clique immer hinwies auf die Gefahr des Skandals, den die Leute hinter dem Rücken der Versammlung (nämlich wir Anonymi) machen würden. Aber sie hatten auch Feinde vor sich. Von dem Agitationsklub waren nur zugegen Goegg, Sigel und sein Bruder. Goegg wurde in das Flüchtlingskomitee gewählt. Dies gab eine Gelegenheit, 1. den Austritt
13 Armutszeugnis - 14 unerläßliche Bedingung - 18 der Zorn macht den Poeten (JuvenaI: Satira I)
Tausenaus zu erklären, 2. die Erklärung des Agitationsvereins abzulehnen, 3. schließlich nach Verlauf der Debatte ihren Gesamtaustritt anzuzeigen. Großer Sturm. Techow und Schramm hunzten den A.Ruge schrecklich ab. Es wurde überhaupt sehr geschimpft. Goegg antwortete den andern überlegen, griff den zweideutigen Kinkel bitter an, der nur seine Trabanten antworten ließ, sich als Großmogul den Bart strich und durch den stets um ihn wedelnden Schurz Zettel schrieb, die er, wie die Vereinbarer in Berlin, unter seinen Getreuen zirkulieren ließ und nach der Zirkulation sein Schlußvotum niederschrieb. Nur als Goegg sagte, daß der Agitationsverein seine Erklärung in den englischen Blättern publizieren werde, antwortete Kinkel majestätisch, daß er jetzt schon die ganze amerikanische Presse beherrsche und daß schon die Anstalten getroffen seien, in kürzester Frist auch die französische Presse seiner Herrschaft zu unterwerfen. Außer diesem skandalschwangren Thema liefen noch andre durch, die im Schöße der verbrüderten Demokraten selbst den gewaltigsten Sturm erregten, so daß es zu Faustdrohungen kam, furchtbarem Toben und Geschrei, bis um 2 Uhr Mitternacht der Wirt durch Auslöschen der Lampen die Vereinbarungslustigen in undurchdringliche Nacht versenkte. Die zwei Pivots des Skandals Schramm und Ulmer. Schramm nämlich in seiner Diatribe gegen Rüge machte gleichzeitig seinem Grimm gegen die Kommunisten Luft, was vielen Anklang fand, griff den Willich aufs gehässigste an und erklärte die Arbeiter für feig. Ulmer antwortete hierauf; verlangte aber seinerseits mit Hollinger - Freund von Sigel - Berufung einer allgemeinen Flüchtlingsversammlung zur Wahl eines Unterstützungskomitees. Er schuldigte Willich etc. direkt der Verschweigung und Verschwendung der Flüchtlingsgelder an. Unaussprechlicher Tumult. Der Kakerlak Dietz springt vor, erklärt, er sei Kassierer des Flüchtlingskomitees[158] der Great Windmill Streettl57), und verlangt Widerruf. Ulmer erklärt, wenn die Herrn es verlangten, werde er Beweise beibringen. Er widerrufe nichts. Willich in seiner bekannten Manier sucht ihn zu beschwichtigen und ladet ihn zu einer Privatauseinandersetzung auf seinem Zimmer ein. Aber Cato Ulmer bleibt unerschütterlich und sprach nicht ohne Anhang. Nebenbei bemerkt, hatte Schimmelpfennig, hinter Ulmer sitzend, während der Rede Goeggs fortwährend gegrunzt und Lärm gemacht, als auf einmal Ulmer von seinem „Genie" ergriffen wird, sich mit ausgestreckter Faust umwendet und dem Sch[immelpfennig] zubrüllt: „Wenn Sie, elender Pfennigfuchser, nicht endlich das Maul halten, schmeiße ich Sie zum Fenster hinaus." Sch[immelpfennig] wurde blaß wie Kreide, aber, mit seiner preußischen Offizierscourage zu Rat gehend, entfernte er sich in den äußersten Winkel.
Willich war [in] dieser denkwürdigen seance16 zu verschiednen Malen und von allen Seiten, Goegg, Schramm, Hollinger, Ulmer etc., so derb gepackt worden, daß er 6mal erklärte, er müsse austreten, wenn man seine würdige Persönlichkeit nicht außer Spiel ließe. Nun aber neues Element des Skandals, von uns eigens zubereitet. Nämlich die Herrn, die „höhern Flüchtlinge", wie sie sich nennen, hatten die „niedre Emigration" ganz außer acht gelassen. Dieser „niedern Emigralion", der es sehr schlecht geht, ließen wir durch Ulmer, Rumpf, Liebknecht mit aufregender Zubereitung das Faktum wissen, daß das Flüchtlingskomitee der Great Windmill Street 800 Gulden aus Württemberg erhalten und daß sie schönstens geprellt werden. Gestern also,in der Sitzung des Great-Windmill-Street-Komitee, praesidio Schapperi17, Skandalszene. Die Flüchtlinge verlangen, die Briefe einzusehn, Rechnungen etc. Willich, der uns gegenüber diese Ansprüche der Esel aufgebracht, erklärt ihnen barsch, er und Co. seien nur der Arbeitergesellschaft1581 verantwortlich. Einem Flüchtling, der ihm zu nah auf den Leib rückt, sagt er, er solle fernbleiben, damit er ihm nicht Läuse zuführe. Dieser nennt ihn einen „hohlen Strohkopf". Schapper wird um Rechtfertigung seines Hippopotamusbauchs ersucht und „Schnapper" angeredet. Willich ruft den Wirt und will einen der Flüchtlinge herauswerfen lassen. Dieser sagt,er wolle gehn, wenn mein einen Policeman rufe. Die Herrn seien alle Spitzbuben. Dabei bleibt's. Willich und Schapper erklären, unter diesen Umständen würden sie abtreten. Dieser „niedren Emigration" haben nun Rumpf und Ulmer erklärt, nächsten Freitag kämen ihre Interessen vor in dem allgemeinen Emigrationsverein. Sie werden sich sämtlich, mit Knüppeln bewaffnet, dahin begeben, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Ich habe sie nun durch Ulmer wissen lassen, Kinkel habe 160 £ St. für sie erhalten, die er wochenlang verheimlicht und die er nun mit Willich zu teilen gedenke. Sie würden überhaupt et c'est vrai18 - nur als Firma benutzt, um die Finanzen dieser Staatsmänner auf den Strumpf zu bringen. Ulmer wird der Redner sein, und da Schramm usw. nichts von dieser Ovandoladung wissen, wird der Skandal erbaulich werden von allen Seiten. Du darfst erst einen - später aber notwendigen - Brief an Kinkel schreiben, sobald ich Dir über die Freitagssitzung berichtet. Was Du aber gleich tun mußt, ist, an Fischer nach New Orleans zu schreiben, ihm den ganzen Dreck klarzumachen und ihn wissen zu lassen, daß er nur noch unter der Firma „Freiligrath", die ganz populär ist, Geld sammelt. Unsre Partei
16 Sitzung -17 unter Vorsitz Schappers -18 und das ist wahr
braucht es notwendig. Sie ist die einzig aktiv, die einzig direkt mit Bundestag und Gott und Teufel im Kampf stehende, und es fehlt uns alles Geld zur Agitation. Andrerseits muß Geld geschafft werden für unsre Eingekerkerten, die zum großen Teil durchaus ohne Mittel sind. Diese 2 Gesichtspunkte scheinen mir leicht, dem Mann klarzumachen. Wenn er kann, soll er übrigens die Sammlungen geheim machen, da unsre Wirksamkeit nur gestört wird durch jeden Zeitungsklatsch. Vale faveque.19 Dein K.Marx
25. August Bemerken muß ich noch, daß der orthodoxe Stier Schapper durchaus nicht mit den „Ungläubigen" sich einläßt, vielmehr Willich erklärt hat, sie könnten ihm eher den Kopf einreißen, als daß er zu „den Hunden" gehe. Wenn manchmal jetzt meine Briefe um ein paar Tage ausbleiben, so geschieht's, um vollständiger zu berichten.
39 Lebe wohl und bleib mir zugetan.
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den Tl. August 1851]
Lieber Marx, Die homerischen Kämpfe der großen Männer im Streben nach Einheit haben mich wunderlich erheitert. Welche Iliade! An Fischer ist geschrieben. Es ist aber doch positiv, daß ich in dem Brief an Kinkel mit genannt bin, damit ich mich bei F[ischer] nicht blamiere? Die Idee mit Freiligrath ist famos, das hat gewiß Deine Frau erfunden. Den F[ischer] aufzufordern, direkt für tmsre Parteizwecke Geld aufzutreiben, geht durchaus nicht; kommt aber noch etwas - was ich nach diesen Erfahrungen der Amerikaner bezweifle -, so denk* ich, wird mein Brief hinreichen, es in Fr[eiligrath]s Hände zu spielen, et cela suffit1. Schreib mir nun gleich über den Ausfall der Freitagsszene, damit ich dann gegen K[inkel] das Nötige tun kann. Ich kann zunächst nichts als Auskunft und Einsendung der Akten verlangen und dann nach deren Empfang oder Nichtempfang das Weitere tun. Aber weißt Du K[inkel]s Adresse ? Freiligraths Adresse hättest Du gut getan, mir auch zu schicken, damit mein sie dem Fischer gleich mitteilen konnte. Jetzt ist's zu spät für diesen Steamer, und bis Antwort von ihm da ist, vergehen 4 Wochen, in denen man ihn nicht zu sehr mit Briefen bombardieren darf. Dem Kinkel und Willich hab' ich durch meinen Brief da drüben ein Beinchen gestellt, woran sie denken werden. Über Proudhon'2531 morgen oder übermorgen. Weerths Anwesenheit und dann diese Schmiere, verbunden mit Comptoirdreck, haben mich verhindert, das Ding ernsthaft anzufassen. Jedenfalls ist die Scharlatanerie großartig drin. Der 2.Teil, von der Liquidation an, ist bewundernswert durch die Verschmelzung der Girardinschen Reklame und der Stirnerschen Renommage. Dazu ist manches grammatisch und logisch reiner Galimathias, von dem er selbst weiß, daß es absolut keinen Sinn hat. Dieser
1 und das genügt
zweite Teil ist wirklich gar nicht ernsthaft zu behandeln, man kann's beim besten Willen nicht. Für die „Tribüne" hab' ich natürlich auch nichts machen können — nächste Woche Fortsetzung. Eiligst Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3I.August 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Man verrechnet sich immer sehr, wenn man auf entscheidende Krisen unter den demokratischen Heroen rechnet. Ein Skandal, wie der vor 14 Tagen, erheischt mehrwöchentliche Erholung für diese performers1. Und so kam es denn vorgestern, Freitag den 29., zu nichts Bedeutendem. D'abord.2 Am Montag, 25. August, wie ich Dir schon mitgeteilt, drohten Willich und Schapper mit ihrem Abtritt aus dem Flüchtlingskomitee der Great Windmill[158]. Am folgenden Dienstag traten sie wirklich in offizieller Sitzung ab und löste sich das Komitee überhaupt in Wohlgefallen auf. Bei dieser Gelegenheit kam es dann zu bittern Worten. Willich moralisierte und sittenpredigte, worauf ihm seine Laster entgegengehalten wurden. Der Hauptanklagepunkt gegen ihn aber war der, daß diesmal, wie schon bei einer frühern Gelegenheit, wo Rechenschaft abgelegt werden sollte über die Zwanzige von Pfunden, die in die Bürstenmacherei gesteckt sind, dafür gesorgt worden, daß Herr Lüssel, verantwortlicher Gerant derselben, durchgebrannt war. Freitag hatte sich General Sigel3 in der allgemeinen Sitzung der Vereinbarungslustigen eingefunden. Er hatte auf das Erscheinen der „niedern Emigration" gerechnet, für die er einige gewaltige Lanzen mit Willich brach, der seiner Entrüstung über die sittenlose, früher von ihm uns gegenüber apotheosierte Lumpenherde freien Lauf ließ. Wer aber nicht erschien, war das Lumpenproletariat. Diejenigen, die sich vor den Türen des Areopag eingefunden, waren zu wenig zahlreich, um auf Erfolg rechnen zu können und zogen sich deshalb zurück. Du weißt, daß es feige Kanaillen sind, und jeder der Lumpenhunde hat ein zu schlechtes Gewissen, um isoliert vor einer größern Versammlung als öffentlicher Ankläger aufzutreten. In das Flüchtlingskomitee der „Gesamtdemokratie" waren einige Rugianer, wie Ronge, gewählt worden, 4 an der Zahl. Diese erklärten ihren
1 Komödianten - 2 Zunächst. -3 Franz Sigel
Austritt. Das Komitee war also aufgelöst. Es wurde ein neues provisorisches gewählt, bestehend aus den Herrn Kinkel, Graf Reichenbach4, Bucher und dem Sachsen Semper. Du siehst hieraus, daß man in eine neue Phase getreten ist. Man hat sich in die Arme der respektabeln „hommes d'etat" 5 geworfen, da die bisherigen „Führer" als bürgerliche Lumpen kompromittiert sind. Die „hommes d'etat" - ihr Kern - sind die „wackern Volksmänner" Bucher (Berliner Vereinbarer12661)» Graf Reichenbach6 (Ritter vom Geist und Frankfurter Reichskompromittierter, nicht der Berliner Bart der Partei) und der wichtige Stotterer „Rudolf Schramm" (connu7). Lupus, der, aus alter Freundschaft zur Gräfin Reichenbach und ihrem ebenfalls hier anwesenden Bruder, von Zeit zu Zeit das Haus des Reichenbach frequentiert, fand gestern daselbst Herrn Techow, den er von der Schweiz her kennt. Kurz nachher erschien Willich in eigner Person und in Gesellschaft des tiefsinnigen Eduard Meyen. Lupus ging fort, als diese Größen Platz griffen. Voila tout ce que j'ai ä rapporter pour le moment.8 Mit den 160 amerikanischen Pfunden hat Kinkel offenbar teils direkt, teils durch seine Anhänger den „Respektablen" und „hommes d'etat" eine gewaltige Meinung von seiner Macht und seinen Verbindungen beizubringen gewußt. Der edle Willich aber hat durch Auflösung des Windmill-Komitees das solideste Band zerrissen, das ihn mit der „Kanaille" verklitterte. Maintenant9, was Dich anbetrifft, so ist es positiv, daß Fischer Dich ausdrücklich genannt unter den Paten der 160£. General Sigel und Goegg teilten das angeblich au secret10 ihrem Freund Schabelitz mit, in der Tat aber, wie ich glaube, um es Dir zukommen zu lassen. Nach meiner Ansicht hast Du nichts zu tun, als Herrn Kinkel zu schreiben, Du habest aus New Orleans die Nachricht über die Geldsendung und Deine Mitzurateziehung bei Verwendung desselben erhalten. Du fragtest ihn simplement11, was mit dem Geld geschehn oder beabsichtigt sei. Die Adresse Kinkels ist „Dr. phil. (so schreibt er sich auf seinen Visitenkarten) Kinkel, 1, Henstridge Villas, St. Johns Wood". Ich werde Dir zum Spaß einmal eine solche Visitenkarte zuschicken, die ganz Inhalt und Form einer Londoner Reklame für Heilung von Krähenaugen and so forth12 hat. Damit ich das große Ereignis nicht vergesse. In der Nummer13 vom 13. August kündet der unglückliche Heinzen an, daß Otto seine Kapitalien 4 Oskar Reichenbach -5 „Staatsmänner" - 6 Eduard Reichenbach -'bekannt-8 Das ist alles, was ich im Moment zu berichten habe. -9 Jetzt -10 vertraulich - u einfach -12 und so weiter 13 der „Deutschen Schnellpost"
zurückgezogen und so er allein mit seinem geistigen Kapital zurückbleibe, womit in dem industriellen Amerika ein Blatt nicht marschieren könne. Er schreibt also eine Elegie über den Fall Hektors vor der Zeit. Und in derselben Nummer fordern Hoff und Kapp zu Aktienzeichnungen für eine neue Zeitung auf, die an die Stelle der „Schnellpost" treten solle. Und wie das Schicksal wunderliche Raupen hat, macht gleichzeitig die „Staatszeitung" dem edlen Heinzen - unter Enthüllung vieler seiner Geldgemeinheiten - einen Prozeß wegen Verleumdung, der ihn, wie er vorhersieht, in ein „Sittenverbesserungshaus" bringen wird. Le pauvre14 Heinzen! Auch ist dieser große Mann jetzt moralisch entrüstet über Amerika und die „gemütsarmen Yankees" und die „Deutsch-Amerikaner", die ihnen nachschlagen, statt an der „Humanisierung der Gesellschaft" zu arbeiten und für die großen politisch-sozialen Enthüllungen A.Ruges sich zu begeistern. So heißt es z.B. in besagter Nummer: „Jener freie deutsche Geist, der die Welt erfüllen soll... jener Born, der nun fast zwei Jahrtausende und immer geistigreicher über die Erdteile fließt." „Wozu gibt es denn Deutsche in der Welt? Wozu ein deutsches Herz, wozu die deutsche Sprache? Wozu z.B. dieses Mittel, das der deutsche Gutenberg erfand, den Geist zu bilden und aufzuklären? Alles dieses ist da und selbst der Boden, worauf es sich begibt oder begeben sollte, dieses Amerika von Einem Deutschen entdeckt." „Die freien Gemeinden, die gesund-kräftige deutsche Philosophie, die glänzende deutsche Literatur, herübergeleitet, und mit dem, was das Land und seine Bewohner Treffliches, Haltbares besitzen, in geistige Wechselwirkung gesetzt - muß aus solchen Faktoren ein Amerikanertum von weltgeschichtlicher Bedeutung entstehn, eine allgewaltighumane, geistige und moralische Größe, deren Herz das fort und fort influierende Teutschtum, deren Kopf das veredelte Yankeetum und deren Arm beide in Verein in Bewegung setzen." „In der Tat, ich behaupte, daß das teutsche Volk reifer zu einer demokratischen Republik ist als das amerikanische... Wahrhaftig, wäre Deutschland seiner Blutsauger und seiner Fesseln ledig, es hat eher das Zeug, eine rein demokratische Republik zu ,fixen', wie der Amerikaner sagt, und erfolgreicher durchzuführen als die Yankees, denn sowie selbst der politisch gebildetste Teil der Amerikaner noch so befangen im Aberglauben, so unfrei in geistiger Hinsicht ist und so fem von jeder humanen Bildung steht, wie
14 Der arme
kann sich der Endzweck der Demokratie, die wahre Humanität, die harmonische Ausbildung der Menschheit, in politischer, sozialer und moralischer oder geistiger Beziehung, verwirklichen?" Dies schreibt der teutsche Hanebuch15 oder läßt sich schreiben grade zur Zeit, wo die Amerikaner glücklich den Weg über den Isthmus gemacht haben. Der Rüpel läßt sich in derselben Nummer schreiben: „Sie geißeln die amerikanischen Zustände so treffend, namentlich das deutsche Amerikanertum, daß jeder Urteilsfähige und Unparteiische Ihnen beistimmen muß. Es wäre wirklich ein rühmliches Werk, wenn Sie durch Ihr Blatt die Veredlung und Bildung der Deutschen in Amerika konnten sichern helfen, und sollte auch Ihre Stimme für die rohe Masse verlorengehn, so ist schon genug getan, wenn Sie einzelne Deutsche von der affenartigen und verderblichen Sucht, den Amerikanern nachzuahmen, befreien." Und dahinter brüllt dann der Flegel seine ungewaschnen geldkatzenjämmerlichen Jeremias-Orgellieder. Du hast sicher schon längst aus den Journalen ersehn, daß Girardin sich mit Ledru-Rollin liiert. Der glaubte auch schon, der künftige französische Großmogul zu sein. Nun hat sich aber in Paris ein Gegenkomitee Lamennais-Michel (de Bourges)- Schoelcher gebildet, das die „Vereinigten Staaten von Europa" durch die romanischen Völker - Franzosen, Spanier, Italiener bewirken will, worum sich dann die Deutschen etc. anzukristallisieren. Also, die-Spanier! sollen uns zivilisieren! Mon Dieu16, das übertrifft noch den K.Heinzen, der die Feuerbach und A.Ruge unter die Yankee zur „Humanisierung" einführen will. Der „Proscrit" von Ledru [-Rollin] attackierte bitter dies rivalisierende Komitee. Sie antworteten ihm mit gleicher Münze. Was aber noch bittrer für den Großmogul in partibus17 ist: In Paris fand ein Konklave der ganzen Presse statt. Der „Proscrit" war auch durch einen Deputierten vertreten. Zweck: Einigung über einen gemeinschaftlichen Präsidenten. Der „Proscrit" fiel mit all seinen Anträgen durch, und es wurde rein herausgesagt, die Herrn in London hätten gut schwatzen; aus Frankreich selbst müsse das Erforderliche für Frankreich geschehn, Ledru [-Rollin] schneide sich sehr, wenn er sich für „die wichtige Person" halte, wofür ihn Mazzini ausgibt. Übrigens trennte sich das Konklave unter Skandal und ohne Resultat. Die einheitssüchtige Demokratie gleicht sich überall wie ein Ei dem andern. Ade Dein K.M.
16 Karl Heinzen - 16 Mein Gott - 17 (hier:) ohne wirkliche Macht
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Du mußt mich abermals entschuldigen. 1. habe ich mit demProudhon noch weiter nichts anfangen können, weil ich seit 4 Tagen mit den scheußlichsten Zahnschmerzen geplagt gewesen bin, die mich total unfähig machten, irgend etwas zu tun. Dazu kommt nun noch heut abend mein Bruder1 (den Du kennst) von London und wird mich, ich weiß nicht wie lange, am Arbeiten hindern. Que le diable empörte l'exposition!2 [184) 2. kann ich Dir die für heute versprochnen £ 5 erst morgen schicken, da absolut kein Geld in der Geschäftskasse ist und ich sie also erst morgen bekommen kann. Der Triumphartikel der „Lithographischen] Correspfondenz]" über die endlich erreichte Einheit der honetten Emigration ist ja bereits durch ein neues Lamento und Ausfälle der „Preußen" gegen die „Süddeutschen" und den „Pommer" Rüge in derselben „Lithographischen] C[orrespondenz]" widerrufen. Sic transit gloria3 - die Freude hat nicht lange gedauert. Es ist gut, daß wir in jedem der neuen 2 Vereine12671 so viel Freunde haben, daß keiner von beiden uns behelligen wird. Hast Du in der heutigen „Daily News" den erbaulichen Artikel über die wirkliche Hure und angebliche Baronin Beck gelesen, die in den Händen der englischen Polizei in Birmingham inmitten ihrer Prellereien Todes verblichen ist? Die Sache ist sehr schön, und um so schöner, als sie den zudringlichen Bettler „Dr." Heinemann ebenfalls als direkten Spion, im Solde des „neulich errichteten auswärtigen Departements der englischen Polizei" nachweist. Du erinnerst Dich, wie verdächtig uns dies gemeine Subjekt von jeher war. Die Aushändigung von Dokumenten „über eine in London bestehende deutsche kommunistische Assoziation" erklärt auch die Polizeischikanen des vorigen Sommers, und ich möchte wissen, für wieviel Herr Christian Joseph Esser bei dieser Geschichte beteiligt ist. Kennst Du den „Baron Soden", der diese Geschichte bezeugt und sich erbietet,
1 wahrscheinlich Hermann Engels - 2 Der Teufel hole die Ausstellung! - 8 So vergeht die Herrlichkeit
Beweise beizubringen? Es wäre gut, wenn man diesen Mann unter der Hand ausforschen lassen könnte. Die Veranlassung dazu wäre leicht zu finden, und es wäre da manches über die Lumpazi der Emigration herauszukriegen, das später von Nutzen werden könnte. Ich werde mir die No. der „Daily News" verschaffen und aufheben, mein kann das Dokument gelegentlich gebrauchen. Die Falliten haben in Liverpool und London ja schon angefangen, und der „Economist" trotz seiner Beweise, daß der Trade4 des Landes äußerst gesund, d.h., daß das meiste Surpluskapital in der soliden Produktion angelegt ist, muß doch gestehn, daß Ostindien wieder überführt ist und im ostindischen Handel die eilten Konsignations- und Vorschußgeschichten mit unveränderlicher Regelmäßigkeit wieder eingerissen sind. Nächste Woche will er uns lehren, wie man das Konsignationsgeschäft auf soliden Grundlagen betreiben kann - ich bin begierig darauf. Inzwischen verdienen die Spinner und Weber hier enorm - die meisten sind bis Neujahr engagiert, und auf dem Lande wird allgemein wenigstens bis 8 Uhr abends, also 12 bis 121/2 Stunden gearbeitet, oft länger. Aus Baumwolle zu 3 3/4—41/2 Pence pro Pfund spinnen sie Garn zu 7-8 Pence das Pfund; die Spinnkosten bei diesen groben Nummern kaum l1/2~2 Pence pro Pfund, also bei einer wöchentlichen Produktion von 12 Millionen Pfund (bei 600 000 000 Pfund Einfuhr roher Baumwolle) verdient die Gesamtmasse der Spinner, wenn die groben Nummern als Norm gelten, in England wöchentlich £ 75 000, jährlich 33/4 Millionen £ netto. Dasselbe ist richtig, wenn statt No.6-12 die Durchschnittsnummern des Garns, 18-24, angenommen werden, und manche, die bei guten Maschinen schlechtere Baumwolle anwenden können, verdienen am Pfund Garn nicht 11/2 Pence, sondern 21/2 Pence. Alles das datiert vom April und Mai, vom Fall der Baumwollpreise, und wer verhältnismäßig am meisten Twist kauft, sind die Deutschen. Wenn der Tanz losbricht — und dieser Trade dauert gewiß nicht länger bis in den März - und zu gleicher Zeit in Frankreich ein Ulk losgeht, so werden die Deutschen es schön fühlen mit all dem unverkäuflichen Garn auf dem Hals, und das Land wird auch so gut präpariert werden. Weihen wir eine stille Träne den Manen Brüggemanns!12681 Unverdienteres Unglück hat wohl nie einen Biedermann getroffen - sit illi terra levis5. Dein [Manchester] Montag, 1. September [1851 ] F.E.
4 Handel - 5 möge ihm die Erde leicht sein
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Morgen geht mein Bruder1 fort, und ich werde dann endlich wieder zur Ruhe kommen. Ich bin die ganze Zeit über keinen Augenblick allein gewesen, und es war mir rein unmöglich, Dir die Banknote früher zu schicken als Samstag, und zwar beide Stücke mit derselben Post, da Sonntags nur eine delivery3 ist. Da hierbei Gefahr des Entwendens ist, so gebe ich Dir die particulars3 der Note - sie war numeriert E/X 01780, und datiert Leeds, 15.July 1850. Sollte sie Dir also nicht zugekommen sein, so geh gleich auf die Bank und stop payment4, was noch frühzeitig genug sein wird. Es war eine Fünfpfundnote. Freitag abend erhalte ich plötzlich einen Brief von meinem Alten, worin er mir erklärt, ich verbrauche viel zuviel Geld und müsse mit £ 150 auskommen. Ich werde mir diese lächerliche Zumutung natürlich nicht gefallen lassen, um so weniger, als sie mit der Drohung begleitet ist, nötigenfalls die Ermens anzuweisen, mir nicht mehr als diese Summe auszuzahlen. Ich schreibe ihm natürlich gleich, daß ich keinen Schritt mehr aufs Comptoir gehe, sondern sofort wieder nach London aufpacke, sobald er versuchen sollte, diese Gemeinheit ins Werk zu setzen. Der Mensch ist wirklich verrrückt. Die ganze Sache ist um so lächerlicher und abgeschmackter, als dieser Punkt hier zwischen uns mündlich längst abgemacht war und ich ihm absolut keinen Vorwand dazu gegeben hatte. Ich denke, mit Hülfe meines Bruders und meiner Alten die Sache in Ordnung zu bringen, werde mich aber doch zunächst etwas einschränken müssen, da ich summa summarum hier schon £ 230 vermöbelt habe und bis zum November, wo ich ein Jahr hier bin, diese Summe nicht zu sehr steigern darf. Jedenfalls ist dieser neue Tuck wieder sehr unangenehm und ärgert mich bedeutend, namentlich die gemeine Manier, die mein Alter dabei anschlägt. Es ist richtig, er verdient hier dies Jahr lange nicht so viel wie das vorige, aber das liegt einzig in
1 wahrscheinlich Hermann Engels - 2 Zustellung - 3 Details - 4 verhindere die Auszahlung
dem schlechten management5 seiner Associes, über die ich keine Kontrolle habe. Was ist das für ein neuer Tuck in Paris?12691 Diesmal scheint die Clique Hippopotamus6 ins Pech geraten zu sein; was ich von den deutschen verhafteten Namen kenne, sind lauter alte Weitlingianer[381 aus der Epoche von 1847 und früher. Es scheinen da mehrere Mogeleien durcheinanderzulaufen. Der schwäbische Heiland scheint sich auch unter den Glücklichen zu befinden. Tant mieux pour lui.7 Was Du erfährst, teil mir mit. Wie deutsche Blätter melden, sollen die Kölner11601 nicht vor die nächsten -• Oktober - Assisen kommen. Morgen oder übermorgen mehr. Dein F.E.
[Manchester] Montag, 8.Sept. [1851]
5 der schlechten Geschäftsführung - 6 Karl Schapper - 7 Um so besser für ihn.
22 Marx/Engels, Werke. Bd. 27
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich hatte gehofft, Dir heute einen Artikel für Amerika fertigmachen zu können.1 Es fehlen mir noch ca. 3-4 Seiten daran. Ich muß also auf die morgige Post verzichten, wenn ich aber nicht irre, geht Mittwoch ein Collins Steamer - und damit kann der Artikel gehn und dann Freitag der 3te nachfolgen. Ich werde mich danach erkundigen. Ich halte in the present moment2 dies amerikanische Geschäft, das ja positiv Geld einbringt, für pressanter als den Proudhon'2531, von dem ich nicht weiß, ob er es ebenso sicher und rasch einbringt, daher hab' ich dies zuerst vorgenommen. Solltest Du andrer Meinung sein, so schreib. Meinen Brief von Montag wirst Du erhalten haben. En attendant tes nouvelles3 Dein F.E. [Manchester] Donnerstag, 11. Sept. [1851]
1 „Revolution und Konterrevolution in Deutschland": 2. Artikel - 2 im Augenblick s Deinen Nachrichten entgegensehend
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Marx an Engels in Manchester
[London] Samstag, 13. September 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Du hast doch meinen Brief - während der Anwesenheit Deines Bruders1 erhalten? Ich frage, da Du ihn nicht erwähnst, nicht wegen seines Inhalts. Er enthielt nur Klatsch, obgleich es gut ist, daß auch dieser archiviert wird. Aber in fremde Hände möchte ich ihn doch nicht geraten wissen. Deine verschiednen Briefe, eingeschlossen der 5pfundige, sind hier richtig angekommen. Kinkel macht jetzt seine Rundreise durch Nordengland. War er noch nicht in Manchester? Nach dem in meinem letzten Schreiben Erwähnten hat sich wenig hier zugetragen. Gestern (Freitag) vor 8 Tagen erklärte Graf Reichenbach3 seinen Austrittaus dem allgemeinen Flüchtlingsverband. Auch Du, Brutus? Sigel3 etc., die noch nicht definitiv ausgetreten waren, sind es jetzt. Willich aber macht einen Feldzug gegen das „Lumpenproletariat" unter den Flüchtlingen. Über die gestern abend gehaltne Sitzung hab' ich noch keinen Bericht erhalten. Auch das italienische Komitee hat sich gespalten.'2701 Eine bedeutende Minorität ist ausgetreten. Mazzini erzählt mit Kummer dies Ereignis in der „Voix du Peuple"4. Hauptanlässe sollen sein: D'abord Dio. Iis ne veulent pas de dieu. Ensuite, et c'est plus grave, ils reprochent a Maitre Mazzini de travailler dans l'interet autrichien en prechant l'insurrection, d.h. en la precipitant. Enfin: Iis insistent sur un appel direct aux interets materiels des paysans italiens, ce qui ne peut se faire sans attaquer de l'autre cote les interets materiels des bourgeois et de la noblesse liberale qui forment la grande phalange mazzinienne.5 Diese letztre Sache ist durchaus wichtig.
1 wahrscheinlich Hermann Engels - 2 Oskar Reichenbach - 3 Franz Sigel - 4 gemeint ist wahrscheinlich: „Voix du Proscrit" - 5 Zunächst Gott. Sie wollen keinen Gott. Weiter, und das ist ernster, werfen sie Meister Mazzini vor, er arbeite in österreichischem Interesse, da er den Aufstand predigt, d.h. da er ihn überstürzt. Endlich bestehen sie auf direkten
Wenn Mazzini oder wer sonst an die Spitze der italienischen Agitation sich stellt, diesmal nicht franchement6 und immediatement7 die Bauern aus metaires8 in freie Grundeigentümer verwandelt - die Lage der italienischen Bauern ist scheußlich, ich habe die Scheiße jetzt gründlich durchgeochst-, so wird die östreichische Regierung im Fall der Revolution zu galizischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen.1-2711 Schon hat sie im „Lloyd" gedroht mit „gänzlicher Umwandlung des Besitzstandes" und „Vernichtung des unruhigen Adels". Wenn dem Mazzini noch nicht die Augen aufgehn, so ist er ein Rind. Allerdings kommen die Agitationsinteressen hinein. Wo die 10 Mill.fr. hernehmen, wenn er die Bourgeois vor den Kopf stößt? Wie den Adel in seinen Diensten behalten, wann ihm ankündigen, daß es sich zunächst um seine Expropriation handelt? Das sind Schwierigkeiten für solchen Demagogen aus der alten Schule. Unter den Verhafteten in Paris befindet sich leider auch Lumpazius Schramm9. Vorgestern kam ein Brief von dem Schlingel an Liebknecht, und wir haben die erfreuliche Aussicht, dies dissolute Subjekt wieder unter uns zu sehn. Er soll sich aber wundern. Ce Monsieur la!10 Du wirst mich sehr verpflichten, wenn Du mir bis Dienstag morgen den Aufsatz für Dana schickst. Anbei Brief von Dronke.1-2721 Übrigens, wenn man ihm schreibt, muß es unter seiner direkten Adresse geschehn. Die von Schuster ist durchaus unsicher. Ich schicke Dir in ein paar Tagen ein Billett für ihn, und dann schreibst Du auch noch einiges hinzu und expedierst die Sache an den Knirps.
Appell an die materiellen Interessen der italienischen Bauern, was nicht möglich ist, ohne auf der andern Seite die materiellen Interessen der Bourgeois und des liberalen Adels anzugreifen, die die große Mazzinische Phalanx bilden. - 6 frank und frei - 7 unmittelbar - 8 Halbpächtern -9 Konrad Schramm -10 Dieser Herr!
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Ich wurde gestern in der höchsten Eile noch mit dem amerikanischen Artikel fertig1 - tel quel2, oft unterbrochen, seit 3 Wochen, und zuletzt in der Eile noch den Rest zusammengeschmiert. Tu en feras ce que tu pour reis.3 In jedem Fall wirst Du ihn mit der ersten Post heute erhalten haben. Der einzige Brief, der seit der Ankunft meines Bruders4 hier ankam, war Deiner vom 31. Aug., den ich erst 2. September erhielt, worin Du die Heinzenschen Stellen mitteiltest (aus der „Schnellpost" über Veredlung des Yankeetums). Meine Faulheit erklärt sich: 1. aus einer Geschäftsreise nach Bradford, 2. aus der Abreise unsres Kommis nach London, von wo er erst Montag zurückkommt, 3. aus der plötzlichen Entlassung unsres Warehouseman5 und Gehülfen, so daß ich jetzt alle Hände voll zu tun habe. Morgen oder Montag gebe ich mich an den 3. amerikanischen Artikel, der positiv zum nächsten Steamer in Deinen Händen ist - wenn Mittwoch einer geht, bis Dienstag, sonst bis Freitag. Morgen mehr, das Comptoir wird zugeschlossen, und Gas haben wir noch keins, so daß ich dies fast im Dunkeln schreibe. Dein F.E. [Manchester! Freitag, 19.Sept. [1851]
Das Dokument Willich'2731 im „Debats" ist wunderschön!
1 „Revolution und Konterrevolution in Deutschland": 2. Artikel - 2 schlecht und recht 8 Mach daraus, was Du kannst. - 4 wahrscheinlich Hermann Engels - 5 Lagerhausverwalters
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Engels ein Marx in London
Lieber Marx, Endlich denke ich wieder so weit zu sein, daß ich nach allen fatalen Störungen wieder regelmäßig ans Arbeiten komme. Der Artikel No.3 für Amerika1 wird heut abend fertig gemacht und Dir gleich zugeschickt, und dann werd' ich den Proudhon12531 sofort vornehmen. Von Kinkels Rundreise hab' ich weiter noch nichts vernommen. Die Spaltung unter den Italienern ist wunderschön. Es ist vortrefflich, daß dem geriebenen Schwärmer Mazzini endlich die materiellen Interessen auch einmal in die Quere kommen, und das in seinem eignen Lande. Dazu ist die italienische Revolution gut gewesen, daß sie die abgeschlossensten Klassen auch dort in die Bewegung gerissen hat, und daß sich jetzt der altmazzinistischen Emigration gegenüber eine neue radikalere Partei bildet und Herrn Mazz[ini] allmählich verdrängt. Auch'nach Zeitungsberichten scheint il Mazzinismo2 selbst bei Leuten, die weder konstitutionell noch reaktionär sind, in Verschiß zu kommen, und die Reste piemontesischer Preßfreiheit von diesen zu Angriffen gegen Mazzini, deren portee3 die Regierung nicht begreift, benutzt zu werden. Im übrigen überragt sonst die italienische Revolution die deutsche bei weitem an Ideenarmut und Phrasenreichtum. Es ist ein Glück, daß das Land, wo es statt Proletariern fast nur Lazzaroni gibt, wenigstens m6tayers4 besitzt. Auch die andern Gründe der italienischen Dissidenten sind erfreulich, und schließlich ist es sehr schön, daß die einzige bisher wenigstens öffentlich ungespaltene Emigration jetzt auch sich in den Haaren liegt. Der Bericht des Kleinen5 hat mir viel Spaß gemacht. Wichtigtuender Klatsch, ein Duell, ein in Hamburg einzukassierendes Stück Geld, piemontesische Pläne - dodge6, dodge und aber dodge![2721 Man begreift bei dem Männchen nie zweierlei Dinge, erstens was er treibt und zweitens wovon
1 „Revolution und Konterrevolution in Deutschland": 3. Artikel - 2 der Mazzinismus 3 Tragweite - 4 Halbpächter - 5 Ernst Dronke - 6 Schwindel
er lebt. Inliegend erfolgt der Brief zurück, schick mir die Antwort und ich werde sie ihm portofrei befördern. Seine direkte Adresse ist notiert - die von Schuster wäre sehr schön, seit er gehaussucht worden! Daß der edle Schramm einer der ersten sein würde, der Pariser Polizei in die Klauen zu fallen, war zu erwarten. Er wird gehörig in Cafes gebrüllt haben und dafür gefaßt worden sein, da er aber mit dem Komplott WillichSchapper nicht zusammenhängt, werdet Ihr ihn bis jetzt wohl wieder in London haben. Die Auszüge aus dem Dokument Willich[2731 in der „Kölnischen] Zeitung" sind viel schöner als in den französischen Blättern, da der deutsche Originaltext kopiert ist und die kraftvollen Entwicklungen des großen Universalmannes hier in ihrer ganzen Reinheit hervortreten. Z.B. wo es heißt, daß „der Bund" und „der vierte Stand" Qa nicht zu verwechseln mit dem verfälschten Artikel, der unter der Etikette „Proletariat" aus der Fabrik von Marx und Engels an den Markt gebracht wird) in der nächsten Revolution „die historischen Entwicklungen der ökonomischen Frage zum schließlichen Abschluß bringen sollen"!! Die schlechte französische Polizeiübersetzung hat alles an diesem unbezahlbaren Dokument verdorben. Die alten fixen Ideen des verrückten Kommißknoten, die uralte Albernheit mit der sozialen Revolution von der Gemeinde aus, die schlau kalkulierten Plänchen, die schon vorigen November die Welt vermittelst der rheinischen Landwehr auf den Kopf stellen sollten, alles das schimmert nur gelinde durch. Am ärgerlichsten ist es aber, daß diese schlechte Übersetzung einem das Vergnügen fast ganz nimmt, zu sehn, wie in diesem verbogenen Schädel sich allmählich die von uns eingetrichterten Ideen nach 12monatlicher selbständiger Verarbeitung schließlich in hochtrabenden Unsinn verwandelt haben. Man sieht aus der Übersetzung die Abhängigkeit überall durch, aber gerade das Original-Verrückte, was sich daran gehangen, die Verzerrung, ist nicht klar. Und wird uns nicht der Genuß genommen, endlich einmal ein rein Willichsches Aktenstück, woran der Edle gewiß lange gekaut hat, in der Ursprache zu lesen? Man sieht nur die erschrecklichste Gedankenarmut und den Versuch, sie durch einen gewaltigen Haufen revolutionärer guter Ratschläge, wie sie Herr Willich und Herr Barthelemy in trüben Abenden hinter dem Kamin ausbrüten, zu verdecken. Unübertrefflich sind auch die Finanzmaßregeln: erstens macht man Papiergeld, n'importe combien7, und zweitens wird konfisziert, drittens wird requiriert. Dann die sozialen, die ebenso einfach sind: 1. wird organisiert, tellement quellement8,2. wird gefressen, sehr viel gefressen, bis man 3. da ankommt,
7 gleichgültig wieviel - 8 schlecht und recht
wo nichts mehr zu fressen ist, und das ist ein Glück, denn dann kommen wir auf den Punkt, wo wir 4. ganz wieder von vornen anfangen, da die radikalste Tabula rasa jedenfalls darin besteht, daß alle Tische leergefressen sind, und dann ist die Zeit gekommen, wo sich erfüllt das Wort des Propheten Willich: „Wir müssen nach Deutschland hineinmarschieren wie in ein wüstes Land, das wir zu kolonisieren und urbar zu machen haben." Der Kerl hat von jeher keine andre Idee gehabt, als mit „5000 Mann" auserwählter Männer vom „Volk des Herrn" das kommunistische Kanaan unter Ausrottung der Ureinwohner von außen her zu erobern. Moses und Josua in einer Person, leider sind die Kinder Israels bereits in der ägyptischen Verbannung auseinandergelaufen. Die australische Goldscheiße wird hoffentlich die Handelskrise nicht aufhalten. Jedenfalls kreiert sie momentan einen neuen, großenteils fiktiven Markt und treibt die Wolle in die Höhe, da die Schafherden vernachlässigt werden. Sonst ist die Geschichte famos. Der Steam um die Welt wird in 6 Monaten in vollem Gange sein, und unsre Prophezeiungen über die Suprematie des Stillen Ozeans realisieren sich noch rascher als wir erwarten konnten.112741 Bei dieser Gelegenheit werden auch die Engländer herausfliegen und die Vereinigten Staaten der deportierten Mörder, Hausbrecher, Notzüchter und Taschendiebet275] der Welt ein erstaunliches Exempel geben von dem, was ein Staat von unverhohlenen Schuften für Wunder verrichten kann. They will beat California hollow.9 Während in Kalifornien doch noch die Schufte gelyncht werden, wird man in Australien die honnetes gens10 lynchen, und Carlyle wird seine aristocracy of rogues11 in voller Glorie etabliert sehn. Die vielen Beteuerungen der Blätter bei Gelegenheit der letzten Falliten und der u.a. in Liverpool herrschenden Depression, daß trotzdem der Trade12 des Landes nie gesunder gewesen sei, sind sehr verdächtig. Positiv ist, daß Ostindien overstocked13 ist und seit Monaten dort mit Verlust verkauft wird. Wohin die Massen Zeug gehn, die jetzt hier in Manchester und Gegend fabriziert werden, ist mir nicht klar; es muß viel, sehr viel Spekulation dabei sein, da, sobald die Baumwolle im Juli den niedrigsten Punkt erreicht hatte und die Spinner sich mit rohem Material zu versehen anfingen, sofort alle Spinner und Weber auf lange Zeit in Kontrakt genommen wurden von hiesigen Kommissionshäusern, die lange nicht auf alle die Ware Bestellungen hatten, die sie beim Fabrikanten bestellten. Bei den
9 Sie werden Kalifornien gründlich schlagen. -10 ehrenwerten Leute-u Gauneraristokratie — 12 Handel -13 überschwemmt
ostindischen Häusern ist offenbar das alte Vorschußsystem wieder im vollen Zuge, bei ein paar ist es schon ans Tageslicht gekommen, bei andern wird's früher oder später einen heitern crash14 geben. Da die Fabrikanten hier auf Mord und Brand arbeiten und seit 1847 die hiesige Produktionskraft, besonders 5-20 Meilen um Manchester, sich wenigstens um 30% vermehrt hat (sie war 1842 30 000, 1845 40 000; jetzt gewiß 55 000-60 000 Pferdekraft für Lancashire), so braucht dies flotte Arbeiten nur noch bis März oder April fortzugehn, und wir haben eine Überproduktion, die Dir Freude machen wird. Folgende Notizen, von der Liverpooler Cottonmakler-Corporation15 festgestellt, sind Dir vielleicht in dieser Genauigkeit noch nicht aufgestoßen. Die Baumwollernte jedes Jahrs, bemerke ich vorher, ist bis zum I.September des folgenden Jahrs vollständig in den Häfen abgeliefert; so daß das Cotton-Jahr vom 1 .Sept. bis zum 1 .Sept. geht. Es versteht sich daher, daß, was hier z.B. als Ernte von 1851 angegeben ist, das im Sommer 1850 Gewachsene und im Herbst 1850 Geerntete und zwischen Sept. 50 und Sept. 51 in die Häfen Gebrachte umfaßt. Die jetzt reifende Ernte, die übrigens schlechter wird infolge von Trockenheit und Stürmen und ca. 2V2 Millionen erreichen wird, würde also als die von 1852 figurieren.
Baumwollernte im Jahr: Verbrauch in Amerika selbst: 1846 2 110 537 Ballen nicht angegeben. 1847 1 778 651 „ 427 967 Ballen 1848 2 347 634 „ 531 772 „ 1849 2 728 596 „ 518 039 „ 1850 2 096 706 „ 487 769 „ 1851 2 355 257 „ 404108 „ Die Amerikaner haben also zwischen 1I5 und 1/4 ihrer ganzen Ernte selbst verbraucht. Über die Exporte und Importe andrer Baumwollsorten als aus den Vereinigten] St[aaten] fehlen mir die Notizen noch. Der Export der V.St. nach England betrug ca. 55-60% der Ernte, der nach Frankreich 1/8 Beide Länder aber exportieren wieder ziemlich stark, England nach Frankreich, Deutschland und Rußland, Frankreich nach der Schweiz. Die Russen beziehn in diesem Moment fast kein Pfund Twist mehr von England, sehr wenig fertige Baumwollwaren, sehr viel rohe Baumwolle 2000-3000 Ballen pro Woche, und trotzdem daß der Zoll von 7 Pence auf 5 Pence pro Pfund für Garn herabgesetzt ist, entstehn noch täglich neue
M Krach - " Baumwollmakler-Korporation
Spinnereien. Nikolas scheint endlich Angst vor dieser Industrie zu bekommen und will den Zoll noch mehr heruntersetzen. Da aber all sein reicher Adel und alle Bourgeois in diesem Geschäft interessiert sind, so kann diese Geschichte ernstlich werden, wenn er drauf besteht.
Dein F.E.
Manchester], 23. Sept. 51
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Marx an Engels in Manchester
[London] 23.September 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Mit dem Pariser Dokument[273], das ist sehr dumm. Die deutschen Zeitungen, „Kölnische" und Augsburger1, schieben's uns, wie sich von diesen kritiklosen Hunden erwarten läßt, in den Hals. Andrerseits verbreitet der elende Willich et Co., wir hätten den Dreck in Paris durch Bekannte von uns denunzieren lassen. Qu'en dis-tu?2 K. Schramm ist auch eingesteckt. Habeat sibi.3 Das nächste Mal - nach Einziehungen noch einiger Nachrichten - schreib' ich Dir weiter über den hiesigen Dreck. Für heute wirst Du regaliert mit folgendem Resümee eines mehrspaltigen Manifests des Bürgers Techow in der „New-Yorker Staatszeitung", benamset: „Umrisse des kommenden Kriegs. London, 7. August." (Schlecht» doktrinär geschrieben, allerlei Reminiszenzen aus unsrer „Revue"; scheinbar verständig entwickelt, aber Inhalt platt, keine Bewegung in der Form, nichts Schlagendes.) Ich schenke Dir, was Techow zunächst über die Revolution von 1849 rezitiert. Er zieht sich daraus zunächst folgende allgemeine Nutzanwendungen: 1. Gegen die Gewalt gibt es keinen andern Widerstand als die Gewalt. 2. Die Revolution kann nur dann siegen, wenn sie allgemein wird, d. h. wenn sie in den großen Zentren der Bewegung zündet (Bayer-Pfalz, Baden) und wenn sie ferner nicht der Ausdruck einer einzelnen Oppositionsfraktion ist. (Beispiel: Juni-Insurrektion von 1848.) 3. Die Nationalkämpfe können zu keiner Entscheidung führen, weil sie vereinzeln. 4. Die Barrikadenkämpfe haben keine andre Bedeutung, als den Widerstand einer Bevölkerung zu signalisieren, diesem Widerstand gegenüber die Gewalt der Regierungen, d.h. die Gesinnungen der Truppen auf die Probe zu stellen. Wie diese Probe auch ausfallen möge, Organisation für den Krieg,
1 „Allgemeine Zeitung" -2 Was sagst Du dazu? -s Geschieht ihm recht.
Aufstellung disziplinierter Armeen bleibt immer die erste und wichtigste Maßregel der Revolution. Denn nur durch diese ist die Offensive möglich, und nur in der Offensive liegt der Sieg. 5. Konstituierende Landes Versammlungen sind nicht imstande, für den Krieg zu organisieren. Sie verlieren ihre Zeit stets an Fragen der inneren Politik, für deren Lösung die Zeit erst nach dem Siege gekommen ist. 6. Um für den Krieg organisieren zu können, muß die Revolution Raum und Zeit gewinnen. Sie muß daher politisch angreifen, d.h. soviel wie möglich Länderstrecken in ihren Bereich ziehen, weil sie militärisch im Anfang stets auf die Defensive beschränkt ist. 7. Die Organisation für den Krieg kann in dem republikanischen Lager so gut wie in dem royalistischen nur basiert sein auf Zwang. Mit politischer Begeistrung und mit phantastisch aufgeputzten Freischaren ist gegen Disziplin und gut geführte Soldaten noch nie eine offne Feldschlacht gewonnen worden. Die militärische Begeistrung stellt sich erst nach einer Reihe von Erfolgen ein. - Für diese Erfolge gibt es im Anfang keine beßre Grundlage als eiserne Strenge der Disziplin. Mehr noch als in der innern Organisation des Landes können demokratische Grundsätze in den Armeen erst nach dem Siege der Revolution zur Anwendung kommen. 8. Der kommende Krieg ist seiner Natur nach ein Vernichtungskrieg Völker oder Fürschten. Folgt daraus die Anerkennung der politischen und militärischen Solidarität aller Völker, d.h. der Intervention. 9. Das Gebiet der kommenden Revolution liegt räumlich in denselben Grenzen wie das der besiegten: Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Polen. Folgt aus allem: Die Frage der kommenden Revolution ist gleichbedeutend mit der eines europäischen Kriegs. Gegenstand des Kriegs: Ob Europa kosakisch oder republikanisch. Schauplatz des Kriegs - die alten: Oberitalien und Deutschland. Herr Techow zählt nun auf: 1. die Streitkräfte der Kontrerevolution; 2. die Streitkräfte der Revolution.
I. Streitkräfte der Kontrerevolution 1. Rußland. Gesetzt, es könne seine Streitkraft auf 300 000 bringen. Das wäre sehr viel. In welcher Zeit und wie stark kann es dann am Rhein oder in Italien erscheinen? Im besten Fall in 2 Monaten. Mindestens 1/g Abgang für Kranke und Besetzung der Etappenstraßen. Bleiben 200 000 Mann, die 2 Monate nach Ausbruch der Bewegung auf den entscheidenden Pünkten des Kriegsschauplatzes erscheinen.
2. Ostreich. Berechnet den Stand seiner Armee auf 600 000 Mann. Brauchte 1848 und 49 in Italien 150 000 Mann. Diese Zahl verlangt Radetzky auch jetzt in Friedenszeiten. In Ungarn braucht er jetzt im Frieden 90 000 Mann. Im letzten Krieg reichten 200 000 nicht aus. % dieser Armee besteht aus Ungarn und Italienern, die abfallen werden. Im besten Fall, wenn der Aufstand in Ungarn und Italien nicht gleichzeitig ausbricht, kann es - durch allerlei Barrikadenkämpfe aufgehalten - in 6 Wochen mit 50 000 Mann am Rhein erscheinen. 3. Preußen. Zählt 500000 Mann, inkl. der Ersatzbataillons und der Landwehr des ersten Aufgebots, die nicht mit ins Feld rücken. Für die Operation im Felde 300 000 Mann, 1I2 Linie, % Landwehr. Mobilisierung: 14 Tage bis 3 Wochen. Das Offizierskorps in der preußischen Armee aristokratisch, die Unteroffiziere bürokratisch, die Masse „durchaus demokratisch". Fernere Chance hat die Revolution in der Mobilisierung der Landwehr. Desorganisation des preußischen Heers durch die Revolution, deren der König nur unter Schutz der russischen Armee soweit Herr wird, um mit den Russen die Trümmer seines Heers gegen die Rebellen zu führen. Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen für ihn verloren, so die wichtigsten Festungslinien und mindestens % seiner Armee. 1/3 braucht er gegen die Aufstände in Berlin, Breslau, Provinz Posen und Westpreußen. Bleibt höchstens 100 000, die nicht früher als die Russen selbst auf dem Kampfplatz erscheinen können. 4. Die deutsche Bundesarmee. Das badische, schleswig-holsteinsche, das kurhessische und die pfälzischen Regimenter gehören der Revolution. Nur Trümmer der deutschen Bundesarmee werden, dem Fliehen der Fürsten folgend, die Heere der Reaktion verstärken. Ohne militärische Bedeutung. 5. Italien. Die einzige militärische Macht von Italien, das sardinische Heer, gehört der Revolution. Also summa summarum: Kriegsschauplatz in Deutschland 150 000 Russen 100 000 Preußen 50 000 Östreicher Kriegsschauplatz in Italien 150 0004 Östreicher 50 000 Russen 300 000 Mann 200 000 Mann Fazit: 500 000 Mann
1 im Original: 110000
II. Streitkräfte der Revolution 1. Frankreich. 500 000 Mann schon in dem ersten Moment der Revolution zur Verfügung. Davon 200 000 am Rhein, 100 000 in Italien (Ober-) sichern der Revolution in Italien und Deutschland Raum und Zeit zu ihrer Organisation. 2. Preußen. 50 000 1 nämlich die Hälfte der abgefallnen Armeen 3. Ostreich. 100 000 J organisiert. 4. Kleine deutsche Armeen: 100 000. Macht dann folgende Rechnung: Aktive französische Armee 300 000 Mann Deutsches Revolutionsheer 150 000 „ Italien und Ungarn 200 000 „ 650 000 Mann Also: Revolution führt 650 000 Mann gegen 500 000 des Absolutismus. Er schließt damit: „Welche nationalen, welche prinzipiellen Verschiedenheiten die große Partei der Revolution immerhin spalten mögen - wir alle haben gelernt, daß zur Bekämpfung dieser verschiednen Ansichten untereinander die Stunde erst nach dem Siege gekommen ist" etc. etc. Was meinst Du von dieser Berechnung? Techow setzt voraus, daß die Desorganisation auf Seite der regulären Armeen und die Organisation auf Seite der revolutionären Streitkräfte sich befinden wird. Das bildet die Basis seiner Rechnung. Doch Du wirst besser über diese Statistik urteilen können als ich. Was aber die eigentlich politische Tendenz des Aufsatzes ist, die in der Ausführung noch klarer durchblickt, so ist sie die: Es bricht gar keine Revolution aus, d. h. kein Parteikampf, kein Bürgerkrieg, kein Klassenzwist, bis nach Beendigung des Kriegs und dem Sturz Rußlands. Um aber diese Armeen für diesen Krieg zu organisieren, da bedarf es der Gewalt. Und woher soll die Gewalt kommen? Vom General Cavaignac oder einem ähnlichen militärischen Diktator in Frankreich, der seine Generale in Deutschland und Oberitalien hat. Voila la Solution5, die nicht sehr weit von Willichs Ideen abliegt. Der Weltkrieg, d.h. im Sinne der revolutionären preußischen Lieutenants, die Herrschaft, wenigstens provisorisch, des Militärs über das Zivil. Wie aber ein General quelconque6, und stände der alte
5 Dies ist die Lösung - 6 irgendeiner
Napoleon selbst aus dem Grab, nicht nur die Mittel, sondern auch diesen Einfluß erhalten soll, ohne vorhergehende und gleichzeitige innere Kämpfe, ohne die verdammte „innere Politik", darüber schweigt das Orakel. Wenigstens „der fromme Wunsch" der künftigen Weltkriegler, der seinen angemeßnen politischen Ausdruck exakt findet in den klassenlosen Politikern und Demokraten als solchen, ist rein herausgesagt. Leb wohl. Dein K.M.
Soeben hab* ich Deinen Brief erhalten, was ich noch anzeige. NB. Du weißt doch, daß der Stechahn oder Steckhahn7 in Hannover verhaftet war und, eh* er in unsre Verbindung trat, mit dem Komitee Schapper etc. in Korrespondenz stand. Nun sind 2 Briefe, die er an den Sekretär Dietz dieses Komitees schrieb - an den Kakerlak - und die dieser erhalten hatte, jetzt befindlich auf dem Büro des Polizeiinspektors in Hannover. Ulmer war nun von uns beauftragt, Herrn Dietz et Co. darüber zu interpellieren nächsten Freitag in der öffentlichen Sitzung des „Flüchtlingsoder Emigrationsvereins". Wir haben wieder Kontreorder gegeben. Stechan ist durchgebrannt, also auf dem Weg nach London oder schon hier. Und wer bürgt uns dafür, daß St[echan] nicht zu unsern Feinden geht, statt zu uns? Die Straubinger[47] sind capables de tout8. Neuer Beweis: Herr Paul Stumpf, der auf seinem kurzen Besuch hier in London sich weder bei mir noch Lupus sehn ließ, sondern ausschließlich mit den Lumpen verkehrte. Deine Handelsnachrichten haben mich äußerst interessiert. Was den K. Schramm angeht, so hatte er von mir ein kurzes Legitimationsschreiben, eingetragen in seine Brieftasche. Diese Zeilen könnten zum Uriasbrief an ihm geworden sein. Sie wurden ihm damals gegeben, um ihm scheinbar Vertrauen zu zeigen und ihn sicherzustellen, da der Kerl uns bedeutend schaden konnte. Gleichzeitig aber wurde Reinhardt geschrieben, sich vor ihm - falls er ihm sich präsentieren sollte mit dem allgemein gehaltenen Schreiben - in acht zu nehmen. Das Fatale ist, daß mein Name drunter steht. Dem Schramm kann es 6 Monate einbringen. Addio!
7 muß heißen: Stechan - 8 zu allem fähig
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Dein Brief ist eingetroffen. Über Techows Gelehrsamkeit morgen. Kinkels Bettelbrief nach N[ew] 0[rleans] ist sehr reizend, leider hab* ich ihn auch bloß französisch zu Gesicht bekommen. Herr Stechan muß auch jetzt in London sein, es ist sehr recht, daß Dil den Kerl laufen läßt, wenn er sich nicht meldet, und wartest, weis geschieht, eh' Du jemand seine Partei nehmen läßt. Unter den in Paris Freigelassenen, von denen die heutigen Blätter sprachen, wird sich wohl auch Herr Konrad1 befinden. Die Dummheit der deutschen Zeitungen, uns das alberne W[illich]sche Aktenstückta731 in die Schuhe zu schieben, hat mich ebenfalls sehr geärgert. Es wird sich indes sehr bald herausstellen, daß wir mit dieser elenden Schmiere nichts zu tun haben. Par dieu, nous en avons assez sur les bras3 mit den Aktenstücken andrer Leute, nach Stil und Inhalt. Inliegend Artikel No.33 für New York, jedenfalls etwas weniger Schund als No.2. No.4 wird bald in Angriff genommen. Du könntest mir von Zeit zu Zeit amerikanische Blätter sous bände4 zuschicken, man sieht den Dreck stellenweise gern einmal in natura. [Ich]5 werde Dir ad hoc nächstens wieder ein lot stamps6 schicken. Adieu! Dein F.E. [Manchester] [25.]® Sept. 51
1 Konrad Schramm - 2 Bei Gott, man hat uns genug aufgehalst - 3 „Revolution und Konterrevolution in Deutschland" - 4 unter Kreuzband - 8 Papier beschädigt - 6 eine Anzahl Briefmarken
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Engels an Marx in London
[Manchester, 26. September 1851]
Lieber Marx, Was die Techowsche Kriegsgeschichte1 angeht, so ist sie auch militärisch ungeheuer flach und stellenweise direkt falsch. Abgesehen von den tiefen Wahrheiten, daß gegen die Gewalt nur die Gewalt hilft, von den abgeschmackten Entdeckungen, daß die Revolution nur dann siegen kann, wenn sie allgemein ist (also wörtlich, wenn sie gar keinen Widerstand findet, und dem Sinne nach, wenn sie eine Bourgeoisrevolution ist), abgesehn von der wohlmeinenden Absicht, die fatale „innere Politik", die eigentliche Revolution also, durch einen bis jetzt, trotz Cavaignac und Willich, noch nicht entdeckten Militärdiktator zu erdrücken, und abgesehn von dieser sehr bezeichnenden politischen Formulierung der Ansicht dieser Herren über die Revolution, ist militärisch zu bemerken: 1. Die eiserne Disziplin, die allein den Sieg verschaffen kann, ist genau die Kehrseite der „Vertagung der innern Politik" und der Militärdiktatur. Wo soll diese Disziplin herkommen? Die Herren sollten doch in Baden und der Pfalz12761 einige Erfahrungen gemacht haben. Es ist eine evidente Tatsache, daß die Desorganisation der Armeen und die gänzliche Lösung der Disziplin sowohl Bedingung wie Resultat jeder bisher siegreichen Revolution war. Frankreich brauchte von 1789-92, um nur eine Armee von ca. 60000-80 000 Mann - die Dumouriezsche - wieder zu organisieren, und selbst die zerfiel wieder, und es gab sozusagen keine organisierte Armee in Frankreich bis Ende 1793. Ungarn brauchte von März 1848 bis Mitte 1849, eh' es eine ordentlich organisierte Armee hatte. Und wer brachte in der ersten französischen Revolution die Disziplin in die Armee?: nicht die Generäle, die erst nach einigen Siegen in einer Revolution, bei improvisierten Armeen Einfluß und Autorität bekommen, sondern die terreur2 der innern Politik, der Zivilgewalt. Streitkräfte der Koalition:
1 Siebe vorl. Band, S.347-351 - 2 der Terror
23 Marx/Endels, Werke, Bd. 27
1. Rußland. Die Annahme von 300 000 Mann Effektivtruppen, von denen 200 000 unter Gewehr auf dem Kriegsschauplatz, ist hoch. Passe encore.3 Aber in 2 Monaten können sie weder am Rhein (allenfalls die Avantgarde am Niederrhein, bei Köln) noch in Oberitalien sein. Um gleichzeitig agieren zu können, sich mit Preußen, Ostreich pp. gehörig zu dislozieren, gehn 3 Monate hin - eine russische Armee marschiert nicht über 2-21/2 deutsche Meilen den Tag und ruht jeden dritten. Es dauerte fast 2 Monate, bis sie in Ungarn auf dem Kriegsschauplatz erschienen. 2. Preußen. Mobilisierung: mindestens 4-6 Wochen. Die Spekulationen auf Abfallen, Aufstände pp. sehr riskiert. Kann im besten Falle doch 150000 Mann, im schlechtesten aber vielleicht nicht 50 000 disponibel machen. Da mit 1/3 und 1/4 zu rechnen, ist reiner Humbug, es kommt alles auf Zufälligkeiten an. 3. Ostreich. Ebenso chanceux4, noch vertuckter5. Wahrscheinlichkeitsrechnung a la Techow hier außer aller Möglichkeit. Im besten Fall stellt es, wie TJechow] angibt, vielleicht 200 000 Mann gegen Frankreich, im schlechtesten kommt es nicht dazu, einen Mann zu detachieren, und kann den Franzosen vielleicht 100 000 Mann höchstens bei Triest entgegenstellen. 4. Bundesarmee - die bayrische geht gewiß zu ®/3 gegen die Revolution und hie und da auch noch ein Stück. Mit 3 Monat Zeit läßt sich allenfalls ein Korps von 30 000-50 000 Mann daraus bilden, und gegen Revolutionssoldaten sind sie im Anfang gut genug. 5. Dänemark stellt gleich 40000-50000 Mann gute Soldaten ins Feld, und wie 1813 werden die Schweden und auch die Norweger mitmüssen auf den großen Kreuzzug. T[echow] denkt daran nicht, auch nicht an Belgien und Holland. Streitkräfte der Revolution. 1. Frankreich. Hat 430 000 Mann unter den Waffen. Davon 100 000 in Algier. 90 000 nicht present sous les armes6 - IU des Rests. Bleiben 240 000 - von denen in 4-6 Wochen, trotz der jetzt bedeutend vervollständigten Eisenbahnen, nicht über 100 000 Mann an der belgisch-deutschen und 80 000 Mann an der savoyisch-piemontesischen Grenze erscheinen können. Sardinien wird diesmal versuchen, wie Belgien 1848, den Fels im Meere zu spielen; ob daher das piemontesische Heer, ohnehin voll sardinischer bigotter Bauernjungen - wenigstens in seiner jetzigen Gestalt mit aristokratischen Offizieren -, der Revolution so sicher ist, als T[echow] sich ein
8 Aber das ist noch möglich. - 4 vom Zufall abhängig - 5 verwickelter - s unter Waffen stehend
bildet, ist sehr die Frage. Viktor Emanuel hat sich Leopold zum Muster genommen, c'est dangereux7. 2. Preußen -? 3. Ostreich -?, d.h. was regelmäßige, organisierte Soldaten angeht. Was Freischaren angeht, so werden sich ihrer Legion melden, natürlich zu nichts zu brauchen. Wenn in den ersten Monaten aus den abgefallnen Truppen 50 000-60 000 brauchbare Soldaten zu machen sind, so ist das viel. Wo sollen in so kurzer Zeit die Offiziere herkommen? Nach alledem ist es wahrscheinlicher, da gerade das, was Napoleon die rasche Formierung riesiger Armeen möglich machte, gute Cadres nämlich, in jeder Revolution notwendig fehlen (selbst in Frankreich), daß die Revolution, wenn sie im nächsten Jahre zustande kommt, vorderhand entweder auf der Defensive bleiben oder sich auf hohle Proklamationen von Paris aus und sehr ungenügende, blamable und schädliche Risquons-Tout-Expeditionen(a77) in größerem Maßstab beschränken muß. Es sei denn, daß die Rheinfestungen im ersten Sturm übergehn, und daß das piemontesische Heer dem Aufruf des Bürgers Techow folgt; oder daß die Desorganisation der preußischen und östreichischen Truppen sofort Berlin und Wien zu Zentren erhält, und dadurch Rußland auf die Defensive versetzt; oder daß sonst Geschichten passieren, die sich nicht vorhersehn lassen. Und darauf ä la Techow zu spekulieren und wahrscheinlichkeitszurechnen ist müßig und willkürlich, wie ich das in meinen eignen Experimenten hinlänglich gesehn habe. Es läßt sich da bloß sagen, daß von der Rheinprovinz enorm viel abhängt.
7 das ist gefährlich
23*
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13.0ktober 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Du wirst aus der „K[ölnischen] Z[eitung]" ersehn haben, daß ich eine Erklärung gegen den Klatsch der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" gemacht habe.12781 Das Geschwätz wurde zu toll. Was die Lümmel mit den letzten fortgesetzten Attacken, die sie in alle deutsche Zeitungen brachten, bezweckten, war, wie ich sicher weiß, mich in ein Dilemma einzuzwängen. Ich sollte entweder die Konspiration öffentlich desavouieren und so unsre Parteifreunde, oder sie offen anerkennen, und damit einen „juristischen" Verrat begehn. Diese Herrn sind indes zu plump, um uns zu fangen. Weydemeyer ist am 29. September von Havre nach New York abgesegelt. Er traf daselbst Reich, der auch über See ging nach den Atlanticis. Reich war mit Schramm1 verhaftet worden und berichtet, daß die Polizei bei Schramm eine Kopie des Protokolls fand, worin sich die Verhandlungen befinden, die sein Duell mit Willich veranlaßten, das Protokoll desselben Abends, wo er Willich insultierte und aus der Sitzung lief.t279] Die Sache ist von seiner Hand geschrieben und ohne Unterschrift. Die Polizei fand so heraus, daß er S[chramm] heißt und nicht „Bamberger", auf dessen Paß er sich in Paris aufhielt. Andrerseits hat das Protokoll zur Verwirrung des Herrn Stadthauptmann Weiß u. Co. beigetragen, indem unsre Namen so in den Dreck verwickelt wurden. Da Schramm einmal diese Dummheit begangen, ist es wenigstens erfreulich, daß der Ehrenmann direkt dafür gezüchtigt wird. Kinkel hat also die von Amerika gesandten 160 £ St. dazu verwandt, um mit seinem Retter Schurz persönlich nach Amerika kollektieren zu gehn.2 Ob er grade in diesem Augenblick der pressure on the american money-market3 zur rechten Zeit kömmt, scheint zweifelhaft. & wählte den
1 Konrad Schramm - 2 siehe vorl. Band, S. 363 - 3 des Drucks auf dem amerikanischen Geldmarkt
Moment so, daß er vor Kossuth eintraf, und schmeichelt sich, letztern bei irgendeiner Gelegenheit in dem Land der Zukunft öffendich zu umarmen und in allen Zeitungen gedruckt zu lesen: Kossuth und Kinkel! Herr Heinzen hat, durch seine Sklavenemanzipationsheulereien unterstützt, eine neue Aktiengesellschaft in New York zustande gebracht und führt sein Blatt unter etwas verändertem Titel fort. Stechan - traue keinem Straubinger[47] nicht - befindet sich seit mehren Wochen hier im Gefolge von Willich-Schapper. Während das factum besteht, daß seine an den Kakerlak Dietz geschriebnen Briefe zu Hannover auf der Polizei liegen, schreibt Stfechan] eine Korrespondenz in die „Norddeutsche Z[eitung]", worin er meldet, Herrn Dietz sei das Pult erbrochen (quelle betise!4) und so die Briefe entwendet worden. Der Spion sei, wie jetzt konstatiert, der seit lange im Dienste der Polizei befindliche Haupt aus Hamburg. Welch Glück, daß ich vor einigen Wochen jeden öffentlichen Schritt in der Angelegenheit Dietz-Stechan verhindert habe. Was den Haupt betrifft, so habe ich nichts mehr von ihm gehört und sinne vergebens auf ein Mittel, einen Brief in seine Hand zu spedieren, denn Hfaupt] muß sich erklären. Mit Weerth hab* ich's schon einmal versucht, aber die Hausleute H[aupt]s haben ihn immer abgewiesen unter dem Vorwand, er sei abwesend. Que penses-tu de Haupt?5 Ich bin überzeugt, daß er weder Spion ist, noch jemals Spion war. Edgar Bauer soll auch hier sein. Ich habe ihn noch nicht gesehn. Vor einer Woche traf Blind hier mit Gattin (Madame Cohen) vor 8 Tagen ein zum Besuch der Exhibitiontl84), ist vergangnen Sonntag wieder abgereist. Ich habe ihn seit Montag nicht wiedergesehn, und zwar durch folgenden abgeschmackten Vorfall, der Dir beweist, wie sehr der Unglückliche unter dem Pantoffel steht. Heute erhielt ich einen Stadtbrief, worin er mir seine Abreise anzeigt. Am vergangnen Montag nämlich war er bei mir mit Gattin. Außerdem anwesend Freiligrath, roter Wolff (der sich nebenbei bemerkt ganz stille wieder herangeschlichen und zudem noch mit einem englischen Blaustrumpf verheiratet hat), Liebknecht und der unglückliche Pieper. Die Frau ist eine lebhafte Jüdin, und wir lachten und schwatzten ganz lustiglich, als der Vater aller Lügen die Sprache auf Religion brachte. Sie renommierte mit Atheismus, Feuerbach etc. Ich griff F[euerbach]um an, aber natürlich sehr manierlich und freundlichst. Im Anfang schien mir die Jüdin Spaß an der Diskussion zu haben, und das war natürlich der einzige Grund, warum ich mich auf dies mir ennuyante Thema einließ. Da
* welche Dummheit! - 5 Was hältst Du von Haupt?
zwischen orakelte mein doktrinärnaseweises Echo, Herr Pieper, allerdings nicht grade sehr taktvoll. Plötzlich seh' ich, daß die Frau in Tränen schwimmt. Blind wirft mir melancholisch ausdrucksvolle Blicke zu, sie bricht auf - und ward nicht mehr gesehn, ni lui non plus6. Solch Abenteuer habe ich in meiner langen Praxis noch nicht erlebt. Pieper ist abgesegelt mit dem Haus Rothschild nach Frankfurt a. M. Er hat sich die sehr unangenehme Manier angewöhnt, wenn ich mit jemandem diskutiere, sich in sehr albern schulmeisterlichem Tone einzumischen. Was sie eben gelernt, das wollen sie heute schon lehren. Ach, weis haben die Herrn doch für ein kurzes Gedärm.12801 Der Ehren-Göhringer hat mir einen summons7 auf den 22. dieses Monats zugeschickt wegen der alten Forderung. Gleichzeitig ist der große Mann nach Southampton gereist, um Kossuth zu empfangen. Es scheint, daß ich die Empfangsfeierlichkeiten zahlen soll. Ich habe aus Paris 2 Briefe erhalten, einen von Ewerbeck und einen von Sasonow. Herr Ewerbeck gibt ein unsterbliches Werk heraus: „L'Allemagne et les Allemands". Erstreckt sich von Arminius dem Cherusker (so schreibt er mir wörtlich) bis auf das Jahr des Herrn 1850. Er verlangt von mir biographisch-literarhistorische Notizen über die 3 Männer: F.Engels, K.Marx und B.Bauer. Die Scheiße hat schon begonnen mit dem Druck. Que faire?8 Ich fürchte, wenn man dem Kerl gar nicht antwortet, bringt er den größten Unsinn über uns in die Welt. Schreib mir, was Du davon denkst. An Sasonows Brief ist jedenfalls das Interessanteste das Datum „Paris". Wie kommt S[asonow] in diesem diffizilen Augenblick nach Paris! Ich werde ihn um Aufschluß über dies mystere9 bitten. Er räsoniert seinerseits sehr über Dronke, der ein faineant10 sei und sich von einigen Bourgeois „enjöler"u lasse. Er habe die Hälfte des „Manifests"12 übersetzt. D[ronke] habe sich zur Übersetzung der andern Hälfte verpflichtet. Durch seine gewöhnliche Nachlässigkeit und Faulheit sei aus dem Ganzen nichts geworden. Letztre Sache sieht unsrem Dfronke] allerdings ähnlich wie ein Ei dem andern. Nachdem Herr Campe meine Anerbietung zu der Broschüre gegen Proudhon13, Herr Cotta und später Löwenthal die (durch Ebner in Frankfurt vermittelte) wegen meiner Ökonomie ausgeschlagen, scheint sich endlich für letztere eine Aussicht zu eröffnen. In einer Woche werde ich wissen,
6 er ebensowenig - 7 Zahlungsbefehl - 8 Was tun? - 9 Geheimnis - 10 Faulenzer-" „beschwatzen" -12 „Manifest der Kommunistischen Partei" -13 „Misere de la philosophie"
ob sie sich realisiert. Es ist ein Buchhändler in Dessau, auch durch Ebner vermittelt. Dieser Ebner ist ein Freund von Freiligrath. Von der „Tribüne" habe ich noch keinen Brief erhalten, sie auch noch nicht zu Gesicht bekommen, zweifle aber nicht, daß die Sache ihren Fortgang hat.[281! Jedenfalls muß sich das in einigen Tagen aufklären. Du mußt mir übrigens endlich Deine vues14 über Proudhon[2531, wenn noch so kurz, mitteilen. Sie interessieren mich um so mehr, als ich jetzt in der Ausarbeitung der Ökonomie begriffen bin. Ich habe übrigens in der letzten Zeit auf der Bibliothek, die ich fortbesuche, hauptsächlich Technologie, die Geschichte derselben, und Agronomie geochst, um wenigstens eine Art Anschauung von dem Dreck zu bekommen. Qu'est ce que fait la crise commerciale?15 Der „Economist" enthält die Tröstungen, Beteuerungen und Ansprachen, die den Krisen regelmäßig vorausgehn. Man fühlt indessen seine Furcht, während er den andern die Furcht auszuschwatzen sucht. Wenn Dir folgendes Buch in die Hand fällt: Johnston „Notes on North America", 2. vol. 1851, so wirst Du allerlei interessante Notizen darin finden. Dieser J[ohnston] ist nämlich der englische Liebig. Ein Atlas für physische Geographie von „Johnston", nicht mit dem Obigen zu verwechseln, ist vielleicht in einer der Leihbibliotheken Manchesters zu haben. Er enthält die Zusammenstellung sämdicher neueren und älteren Forschungen in diesem Gebiet. Kostet 10 Guineen. Also nicht für Private berechnet. Von dem dear16 Harney verlautet nichts. Er scheint noch immer in Schottland zu hausen. Die Engländer geben zu, daß die Amerikaner den Preis in der Industrieausstellung davongetragen und sie in allem besiegt haben. 1. Guttapercha. Neuer Stoff und neue Produktionen. 2. Waffen. Revolvers. 3. Maschinen. Mäh-, Säe- und Nähmaschinen. 4. Daguerreotyps zum erstenmal im großen angewandt. 5. Schiffahrt mit ihrer Jacht. Endlich, um zu zeigen, daß sie auch Luxusartikel liefern können, haben sie einen kolossalen Klumpen kalifornisches Golderz ausgestellt und daneben ein goldnes service von virgin17 Gold. Salut! D. K. Marx
14 Ansichten -15 Was macht die Handelskrise? -16 teuren -17 gediegenem
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Inliegend Post Office Order1 für zwei Pfund. Particulars2 wie früher. Die Geschichte mit Göhringer ist sehr fatal. Du wirst zahlen müssen; die gentlemen vom County Court® machen kurzen Prozeß, und die Handschrift ist da. Ich würde an Deiner Stelle so rasch wie möglich das Geld nebst Summonskosten * auftreiben und dem Kerl zuschicken, il n'y ä rien a faire5, und in den Gerichtshof zu gehn und sich verdonnern lassen, macht nur noch mehr Kosten und ist nicht zu angenehm. Wieviel beträgt die Summe, und weis kannst Du auftreiben? Schreib mir möglichst genau darüber, ich tu' gewiß mein möglichstes, um Dir die brokers6 aus dem Haus zu halten, so knapp ich jetzt selbst bin. Die Geschichte mit dem Schrfamm]7 ist nicht sehr angenehm, es wäre besser gewesen, wenn wir aus dieser Sauerei ganz herausgehalten worden wären. Das Protokoll mit den erbaulichen Zänkereien wegen der Trustengelder von B[auer]8 und Pf [änder]11561 ist gar nicht angenehm in den Händen dieser Herren, und Schr[amm] verdient den Hintern ausgehauen dafür, daß er solche Sachen mit sich herumschleppt. Jedenfalls ist es ihm recht, daß er provisorisch dafür brummen muß und 6 Monate wegen falschen Passes bekommen wird. Was den Haupt angeht, so werd'ich ihn nicht eher für einen Spion halten, bis ich die Beweise davon in der Hand habe. Der Kerl mag im Cachot Bevuen9 gemacht haben, und verdächtig ist allerdings die Geschichte mit Daniels, der auf seine Denunziation hin verhaftet sein soll. Aber dies Knotengeschwätz aus der Windmill Street11571 ist um so alberner, als es zu gleicher Zeit mit der Erbrechung des Dietzschen Pults laut wird. Wahrscheinlich hat Haupt auch von Hamburg aus dem Kakerlaken das Pult aufgebrochen. Warum klagt denn der edle Dietz nicht bei der englischen Polizei ? Übrigens wäre es allerdings sehr gut, wenn es ginge, den Haupt zu einer Erklärung zu bringen. Wenn Du einen Brief an Weerth für ihn schickst,
1 Postanweisung - 2 Details - 3 Grafschaftsgericht - 4 Vorladungskosten - 5 es ist nichts zu machen - 6 Gerichtsvollzieher - 7 siehe vorl. Band, S.356 - 8 Heinrich Bauer - 9 Gefängnis Dummheiten
so sollte ich meinen, daß W[eerth] doch binnen 14 Tagen Gelegenheit finden müßte, ihn ihm selbst zu überliefern und im Notfall ihm selbst aufs Comptoir zu rücken. Einen Kaufmann kann man immer finden. Die Geschichte mit Bl[ind] und Gattin ist allerdings noch nie dagewesen. Tränen zu vergießen und durchzubrennen, weil Monsieur Pieper den Feuerbach schlecht macht, c'est fort10. Gebrauchst Du das Wort „verheiratet" vom roten Wolff im englischen, solid bürgerlichen Sinn? Ich muß es fast glauben, da Du es unterstreichst. Das wäre doch über alle Bäume erhaben. M. Wolff bon epoux, peut-etre meme bon pere de famille!11 Ich glaube, Du tust am besten, den Ewerbeck mit einigen magern Notizen abzuspeisen und ihn passablen Humors zu halten, es kann zu nichts nützen, daß der Kerl in Frankreich gar zu großen Blödsinn über uns verbreitet. Der Mensch hat übrigens eine Zähigkeit in seinen Experimenten, ein großer Mann zu werden, die unbegreiflich ist, da sie sogar seinen Geiz überwindet; denn das neue „Unsterbliche" geht doch unzweifelhaft wieder auf eigne Kosten, mit Aussicht auf Absatz von 50 Exemplaren.'2821 Von Sasonow laß mich Weiteres hören, wenn Du von ihm hörst. Dies Abenteuer ist pikant, und Mr. Sasonow wird äußerst verdächtig. Ich bin grade dran, mir aus Proudhon die nötigen Zusammenstellungen zu machen.'2601 Warte bis Ende dieser Woche, und Du erhältst ihn mit Glossen zurück. Die Rechnungen des Kerls sind wieder kapital. Wo eine Zahl ist, da ist auch ein Schnitzer. Wie es hier mit der Krise gehn wird, ist noch nicht zu sagen. Vorige Woche ist nichts gemacht worden wegen der Königin.'2831 Diese Woche auch noch nicht viel. Der Markt hat aber eine downward tendency12 bei noch festen Preisen des Rohmaterials. In einigen Wochen wird beides bedeutend heruntergehn, und wahrscheinlich, nach den jetzigen Aussichten, das Industrieprodukt verhältnismäßig mehr als das Rohmaterial, der Spinner, Weber, Drucker also wird mit geringerem Nutzen arbeiten müssen. Das ist schon sehr verdächtig. Aber der amerikanische Markt droht auszugehn, aus Deutschland sind die Berichte nicht übermäßig günstig, und wenn das so fortgeht mit dem Absterben der Märkte, so können wir den Anfang des Endes in ein paar Wochen erleben. In Amerika ist schwer zu sagen, ob die pressure13 und die Bankrotte (zusammen 16 Millionen Dollars Passiva) schon wirklicher Anfang sind oder bloße Sturmvögel. Jedenfalls sind hier schon sehr bedeutende Sturmvögel im Gang. Der iron trade14 10 das ist stark - 11 Herr Wolff als guter Ehemann, vielleicht sogar guter Familienvater! — 12 fallende Tendenz -13 der Druck -14 das Eisengeschäft
ist ganz paralysiert, und 2 der ihn besonders mit Geld versehenden Bankendie in Newport - sind kaputt; außer den neulichen failures15 in London und Liverpool jetzt ein Talgspekulant in Glasgow, und an der Londoner Stockexchange16 Herr Thomas Allsop, Freund von O'Connor und Harney. Ich hab' heute die Berichte aus den Woll-, Seiden- und Metallwarendistrikten nicht gesehn, cela ne sera pas trop brillant non plus17. Jedenfalls sind die Anzeichen jetzt gar nicht mehr zu verkennen, und die Aussicht, ja fast die Gewißheit ist vorhanden, daß die kontinentalen Krämpfe des nächsten Frühjahrs mit einer ganz hübschen Krise zusammenfallen. Selbst Australien scheint wenig tun zu können, das Goldfinden ist seit Kalifornien alt und die Welt darüber blasiert; es fängt an, ein regulär trade18 zu werden, und die umliegenden Märkte sind selbst so überführt,, daß sie, ohne ihrem eignen glut19 besondern Abbruch zu tun, unter den 150 000 Neusüdwalesern einen extra glut zustande bringen können. Enfin20 also hat Herr Louis-Napoleon sich entschlossen, Herrn Faucher den Abschied zu geben. Es war zu erwarten, daß er die Prorogation diesmal nicht vorübergehn lassen konnte, ohne den vorigjährigen Coup mit Changarnier zu wiederholen - ob mit demselben Erfolg, wird sich zeigen. Er ist, um den Jägerausdruck zu gebrauchen, endlich von den Royalisten brought to bay21, kehrt um und zeigt die Hörner. Wann er indes wieder den Schwanz zwischen die Beine nehmen wird, werden wir sehn. Der elende Abenteurer ist jedenfalls so herunter, daß er machen kann, weis er will; il est foutu22; aber interessant fängt die Geschichte jetzt an zu werden. In einer Beziehung ist es schade, daß die famose Repression Faucher-Carlier, der progressive Belagerungszustand, die Gendarmentyrannei etc. so früh unterbrochen zu werden droht, und wenn der feige Napoleon wirklich die Courage hat, das Wahlgesetz ernsthaft zu attackieren, so kann er seine Abschaffung schon durchsetzen, was auch schade wäre, indem es den legalen Fortschrittseseln vom 13.Juni'2841 wieder ihren gesetzlichen Boden gäbe - aber wer weiß, was bei diesen Franzosen gut und was schlimm ist? Was hältst Du von d[em Dlreck23? Du siehst dort mehr Blätter. . Dem [Manchester] Mittwoch, 15.0kt. 51 FmEm
Jones schickt mir ein Zirkular zu, er müsse noch 600 Subskribenten haben oder kaputtgehn[285), mais que puis-je faire?24
15 Bankrotten -16 Börse -17 das wird auch nicht allzu glänzend sein -18 regelrechtes Gewerbe 19 Warenüberschuß - 20 Endlich - 21 gestellt - 22 er ist hin - 28 Papier beschädigt - 24 aber was kann ich machen?
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Marx an Engels in Manchester
[London] 19. Oktober 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von Dronke, worin dieser von wegen Ausweisung angeblich - seine Ankunft in London für den 23. oder 24. dieses Monats ankündigt. Die Existenzfrage wird ihm hier näher denn je auf den Leib rücken. Eine noch fatalere Nachricht ist die: Ich führte seit letzter Zeit die Korrespondenz mit Köln so, daß die Briefe an mich durch den Eisenbahnkonduktor Schmidt nach Lüttich besorgt, ich andrerseits, unter einem Kuvert, ihm einen Brief nach Lüttich durch eine dritte Person zuschickte. Dieser S[chmidt] ist nun verhaftet worden, dann freigegeben, aber die Untersuchung dauert fort. In dieser Sache scheint direkter Verrat im Spiel zu sein. Der Verabredung gemäß müßte Pieper übrigens längst Nachricht aus Köln, wo Rothschilds sich einen Tag aufhielten, und aus Frankfurt geschickt haben. Statt dessen ersehe ich auseinemBriefe Ebners (aus Frankfurt]) an Freiligrath, daß er, obgleich schon 8 Tage in Frankfurt, noch nicht bei Ebner war, dem er einen Brief von mir zu überbringen hatte. Unser großes Pech ist, daß unsre Agenten höchst nachlässig die Sache immer betreiben, und stets als Nebensache. Die andren sind unstreitig besser bedient. In New York hat Kinkel, da ihm der Boden durch den Grobianus Heinzen unterwühlt schien und er überhaupt nur aufzutreten weiß, wo er unbestritten als Heiland gilt, kein Meeting gehalten und keine „verzinslichen Schuldscheine" auf die zukünftige deutsche Republik untergebracht12861. Dagegen in Philadelphia, wie er an den Emigrationsklub schreibt, deren für 4000 Dollars. In Pennsylvanien überhaupt findet er die gehörige Masse lichtfreundlicher Deutschkatholiken12871 vor. Kinkel hat nichts getan, als die Erbschaft von Johannes Ronge angetreten. Dieser war der Johannes. Er ist der Christ. Mit Göhringer werde ich heute abend zusammenkommen. Die Sache geht direkt aus von Willich et Co. Diesen Lumpen hat er nämlich angeblich
das ihm von mir geschuldete Geld geschenkt, auf deren dringendes Anliegen. Ich werde ihm einen Wechsel auf 4 Wochen ausstellen. Ich glaube, daß er darauf eingehn wird. Wenn nicht, so mag er vor Gericht gehn. Ich habe alle Aussicht, in dieser Zeit den Kontrakt mit dem Dessauer abgeschlossen zu haben, der natürlich eine Summe pränumerando zahlen muß1. Weerth ist wieder in Bradford. II importe2, daß Du ihm schreibst, ob er nicht einen Brief an Haupt persönlich besorgen könne. Die ganze Verleumdung scheint mir von 2 Quellen auszugehn, einerseits Stechan-Dietz, andrerseits der Bettelvogt Willich, der zuerst hier den Haupt als Spion bei Schärttners Publikum verdächtigte. Willich stand nämlich fortwährend in Zusammenhang mit dem expreußischen Unteroffizier Berthold. Haupt hatte dieses Vieh in Hamburg bei einem Kaufmann untergebracht, B[erthold] den Kaufmann bestohlen, wurde dann polizeilich verfolgt. Haupt zeugte natürlich gegen den Spitzbuben, der vielleicht den Ertrag mit seinem Freund Willich teilte. Und nun schrie letztrer über den Verrat an „einem armen flüchtigen Patrioten". Wenn man diese Geschichte ins Publikum bringt, wird der „edle" Willich Augen machen. Nun wäre es wichtig, nicht nur den Haupt aufzufordern, uns aufzuklären über die geheimen und öffentlichen Verdächtigungen gegen ihn; sondern, wenn er unschuldig ist, muß er eine öffentliche Erklärung machen, erzählen, die ganze Geschichte beruhe auf der Verleumdung von Willich, und gleichzeitig dessen Zusammenhang, vielleicht als Partner, mit dem Spitzbuben Berthold andeuten. Haupt weiß nämlich von dieser W[illich]schen Gemeinheit, der Urquelle der Verdächtigungen gegen ihn, noch nicht. Ist Weerth bereit, so könntest Du ihm einen in diesem Sinn abgefaßten Brief an Haupt mitgeben. La chose presse.3 Auch auf den „Dietz" und seine zweideutige Pulteröffnung müßte Haupt in seiner Erklärung hinweisen. Was nun den Ewerbeck betrifft, so mußt Du mir wenigstens bis zum Jahre 1845 die Dich betreffenden Notizen in etwelchen Zeilen niederschreiben.4 Die plötzliche Schwenkung des Herrn Louis Bonaparte, welche Konsequenzen sie auch haben mag, ist ein Meisterstreich Girardins. Du weißt, daß dieser Herr sich in London mit Ledru-Rollin verbunden hatte, und sein Blatt5 wurde eine Zeitlang auch wirklich so dumm, wie es von einem Verbündeten Ledru[-Rollin]s und Mazzinis zu erwarten steht. Unerwartet machte er den Zug mit dem suffrage universel6, wozu er mittelst seiner Artikel, des Dr. Veron und persönlicher entrevues7 den Bonaparte bestimmt 1 Siehe vorl. Band, S. 358/359 - 2 Es ist wichtig - 3 Die Sache eilt. - 4 siehe vorl. Band, S. 358, 361 - 5 „La Presse" - 6 allgemeinen Wahlrecht - 7 Zusammenkünfte
hat. Die royalistische Konspiration ist so gebrochen. Die Wut des sonst so diplomatischen „Journal des Debats" beweist dies am klarsten. Alles stand unter einer Decke, Faucher, Carlier, Changarnier und selbst der edle Berryer und Broglie, die scheinbar sich mit Bonaparte ralliiert hatten. Jedenfalls ist jetzt die „Revolution" - in dem Sinne des Losgehns - eskamotiert. Mit dem suffrage universel ist nicht daran zu denken. Herr Girardin aber liebt die revolutionäre Inszenesetzung nicht. Er hat die Royalisten und die Revolutionäre von Fach gleichmäßig düpiert, und es ist sogar noch die Frage, ob er den Louis Bonaparte nicht auch absichtlich düpiert. Denn das suffrage universel wieder eingesetzt, wer bürgt dem Bonaparte für die Revision, und die Revision erreicht, wer bürgt ihm dafür, daß sie in seinem Sinne ausfallen wird? Dennoch, bei der naturwüchsigen Dummheit der französischen Bauern fragt es sich, ob der £lu du suffrage universel8 als Restaurator dieses suffrage nicht wiedergewählt wird aus Dankbarkeit, namentlich wenn er by and by9 liberale Minister ernennt und durch geschickte Pamphlets alles Unheil auf die konspirierenden Royalisten schiebt, die ihn gefangengehalten während 3 Jahren. Es wird von seiner Geschicklichkeit abhängen. Bonaparte weiß jetzt jedenfalls, daß ihm von der pärti de l'ordre1012381 kein Weizen blüht. Eines der komischsten Intermezzos in diesem Intrigenspiel ist die melancholische Gebarung des „National" und des „Siecle", die beide bekanntlich seit geraumer Zeit für das suffrage universel geheult haben. Jetzt, -wo Frankreich in Gefahr steht, es wieder geschenkt zu erhalten, vermögen .-sie ihr Ressentiment nicht zu verbergen. Wie nämlich die Royalisten mit dem suffrage restreintu auf Changamiers, hatten sie mit demselben auf 'Cavaignacs Wahl gerechnet. Girardin sagt ihnen gradezu, er wisse, daß sie -unter dem republikanischen Abscheu vor der Revision - die dem Bonaparte .Aussicht auf Wiederwahl eröffne - nur ihren Haß gegen das suffrage univer-sel verbergen, das ihren Cavaignac und ihre ganze Koterie unmöglich mache. "Der arme „National" s'etait deja console du depart du suffrage universel12. Soviel ist sicher. Mit diesem Coup ist die Erneute für den Mai 1852 ver-eitelt13. Höchstens könnte sie jetzt früher ausbrechen, wenn eine von den -herrschenden Koterien einen Coup d'etat14 versuchte. Dein K.M.
Erwählte des allgemeinen Wahlrechts - 9 nach und nach - 10 Ordnungspartei - 11 be. schränkten Wahlrecht - 12 hatte sich schon über den Hingang des allgemeinen Wahlrechts «getröstet -13 siehe vorl. Band, S. 594 - 14 Staatsstreich
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Marx an Engels ' in Manchester
[London] 25.Oktober 1851
Lieber Engels! Du hast doch meinen Brief von vorigem Montag erhalten? Bei Deiner großen Exaktheit im Schreiben beunruhigt mich Dein Stillschweigen. Von Pieper habe ich bis auf diesen Moment noch nichts gehört. Wenn ihm nichts passiert ist, ist er unverzeihlich leichtsinnig. Dronke ist noch nicht angekommen. Von Köln nichts gehört. Einliegend ein Brief von Fischer, der als rechter demokratischer Philister schreibt. Einstweilen, il faut le laisser faire1, da nichts mehr zu ändern ist. Wenn er nur keine Dummheiten dem Kinkel gegenüber begeht. Sein Brief scheint darauf hinzudeuten. Also, wie wir jetzt erfahren, Kinkel hatte es folgendermaßen angelegt. Von den 160 £ St. wurde Schurz auf geheime Mission geschickt nach Belgien, Frankreich und der Schweiz. Er hat dort sämtliche großen Männer, bis auf die Reichsversammler12881 (den late2 Raveaux nicht ausgenommen), den K[inkel] bevollmächtigen und sie zugleich die auf die künftige deutsche Republik zu kontrahierende Schuld garantieren lassen. Die große Masse ist jetzt also vereinigt, und E. Meyen konnte in der „New-Yorker Staatszeitung" das große Geheimnis promulgieren, daß jetzt der Sinn der künftigen Bewegung in Deutschland aufgefunden sei, nämlich das Prinzip des Volkstums. So dumm, wie dieser Mensch jetzt schreibt, schrieb er selbst in seinen blühendsten Zeiten nicht. Die Kerls sind geistig völlig bankrott. Addio! Dein K.M. Mit Göhringer habe ich die Geschichte einstweilen aufgeschoben. Leider reist der Esel ab am 1 .Nov. nach Spanien, indem er seine hiesige Wirtschaft verkauft hat. Indes hab' ich keine feindlichen Schritte mehr von ihm zu fürchten.
1 muß man ihn gewähren lassen - 2 seligen
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 27. Oktober 1851]
Lieber Marx, Wenn ich Dir nicht gleich auf Deinen Brief vom 19. c. antwortete, geschah es, weil ich Weerth in einigen Tagen hier erwartete und wegen Haupt die Sachen abmachen wollte; und weil ich die Pr[oudhon-] Schmiere1-2601 ebenfalls abschließen wollte. Letzteres wird heute und morgen abend geschehn, und Weerth war Samstag und Sonntag hier; er wird noch einige Zeit in Bradford bleiben, kann also selbst keinen Brief hinnehmen und weigerte sich auch, eventuell es zu tun, da die Verhältnisse in Deutschland jetzt so brillant seien, daß man ohne weiteres bei der geringsten Veranlassung abgefaßt werde und er keine Lust hat, in diese Bundesgeschichte irgendwie verwickelt zu werden. Dies ist ihm au fond1 nicht übelzunehmen. Er will mir indes einen Brief sicher an H[aupt] besorgen und verlangt nur, daß er ganz aus der Sache herausgelassen werde. Außerdem erzählte er, daß er dem H. in der letzten Zeit mehrmals begegnet und auf ihn zugegangen sei, daß dieser ihm aber jedesmal mit großer Verlegenheit plötzlich ausgewichen und durchgebrannt sei. Möglich wär's, daß H. von seiner Familie pp. im Cachot etwas breitgeschlagen wäre und einige Geständnisse gemacht hätte, die ihm jetzt schwer auf dem Herzen liegen. Sonst meint W[eerth] auch, daß diese andern Willich-Stechanschen Geschichten reine Verleumdungen seien, da H. gar keinen Grund haben könne, sich zu verkaufen. Ich werde dem H. nun schreiben, da er meine Handschrift kennt, anonym, und Weerth das Besorgen des Briefs überlassen. Ich werde ihn auffordern, sich öffentlich zu erklären, und ihm die Geschichte mit B[er]th[ol]d als wahrscheinlichen Grund des ganzen Geredes unter den Fuß geben. Den Zusatz, daß Willich möglicherweise mit B[erthold] geteilt habe, werd' ich indes fortlassen, denn 1. wird Haupt sich hüten, dergleichen Insinuationen mit seinem Namen zu unterschreiben, 2. ist die Geschichte zu
1 im Grunde
unwahrscheinlich, da Herr B[erthold] nicht der Mann ist, mit entfernten Freunden und speziell mit W[illich], den er au fond haßte, zu teilen, und 3. würde 8 Tage nachher dies in allen Zeitungen als eine neue Verleumdung, •die Herr Marx in die Welt geschickt, von den andern geschildert und an das Gefühl der Philister für den verleumdeten Biedermann Willich appelliert werden. Der Kerl ist Schuft genug, ohne daß man ihn größer macht oder ihm Lügen nachsagt, von denen er sich reinwaschen kann. Der Fischersche Brief ist allerdings das Dümmste, was mir seit langer Zeit vorgekommen ist. Ich erwartete aber so etwas und glaube auch, daß -es bei seinen Geld Versprechungen sein Bewenden haben wird. Es ist von demokratischen Eseln nicht zu verlangen, daß sie uns Geld schicken sollen, wenn ihre eignen Leute persönlich bei ihnen betteln, und das Höchste, wozu sie zu kriegen sind, ist, wie F[ischer] selbst sagt, daß sie uns eine Stimme in der Verwendung der Gelder geben wollen, wenn wir uns dazu verstehn wollen, mit dergleichen Pack in einem Konklave zu sitzen und noch dazu in einer Minorität. Der Pumpplan a la Mazzini mit Reichsgarantie2 (das Deutsche Reich garantiert die Republik!) ist gar so übel nicht und hat jedenfalls die Gesamttätigkeit sämtlicher Musterbettler zu seiner Erzeugung nötig gehabt. Seitdem diese Erfindung zustande gebracht, wird unsrer Partei nichts übrigbleiben, als sich vom demokratischen Geldmarkt völlig zurück-zuziehn. This impudence beats us hollow.3 Die Gelder, die wir überhaupt von den Demokraten für politische Zwecke erhalten haben, sind uns ohnehin bloß per abusum4 zugekommen, und seit die großen Männer selbst als joint stock Company5 am Markt erschienen sind, hört diese Illusion vollständig auf. Alle unsre Aufforderungen würden uns bloß refus6 und Blamagen zuziehn, es sei denn, daß es Weydem[eyer] gelingt, in New York etwas auszurichten, und auch das würde bloß unter den Arbeitern sein. Weerth wird Dir dieser Tage schreiben. Er ist sehr unschlüssig, was er anfangen soll. Er hat famose Offerten, aber sie konvenieren ihm alle nicht recht. Herr Kossuth ist wie der Apostel Paulus, alles für alle. In Marseille •schreit er Vive la Republique7, in Southampton God save the Queen8. Welche merkwürdige, hyperkonstitutionelle Moderation paradiert der Kerl jetzt! Es ist aber den Herrn Pettie und der Clique Harney recht, daß er ihr Bankett gar nicht besuchen will. Selbst Herr Mazzini würde sehr kühl empfangen werden - wenigstens vor dem Publikum. Wieder einer, in dem man siehe vorl. Band, S. 366 - 8 Diese Unverschämtheit schlägt uns aus dem Felde. - 4 uneigentJich - 5 Aktiengesellschaft - 6 Ablehnung - 7 Es lebe die Republik - 8 Gott schütze die Königin
sich nicht getäuscht hat. Wie lange wird's übrigens dauern, wenn's nächstes Jahr keine secousses9 geben sollte, so sinkt Herr Kossuth auch auf die Mazzinische ordinäre Brülldemagogie herab. Morgen oder übermorgen den Proudhon. Ich werde Fischer womöglich die „Revue" schicken, habe aber nur vom letzten Heft mehrere Exemplare. Kannst Du mir No. 1-4 noch verschaffen? Dein F.E.
8 Erschütterungen
24 Mar*/Engels. Werke, Bd. 27
29
Marx an Engels in Manchester
-S'"*
[London] 24. November 1851
Lieber Frederic! Du begreifst, daß ich bei sehr brouilliertem Familywesen erst jetzt einige Zeilen an Dich richte. Du erinnerst Dich, daß der Pieper in seinem letzten Briefe schrieb, der Kontrakt über meinen Anti-Proudhon sei dem Abschluß nah.12891 Aus seinem einliegenden Briefe wirst Du ersehn, daß dieses Manuskript gar nicht mehr erwähnt wird. Das ist dieselbe Weise, worin unsre lieben Getreuen mich seit sechs Monaten hinhalten. Andrerseits hat Ebner mir geschrieben, Löwenthal wolle den Versuch mit Einem Bande machen, erwähnte aber nicht, daß ich mit der „Geschichte der Ökonomie" anfangen solle. Dies wäre ein Umwerfen meines ganzen Plans. Ferner schrieb Ebner, daß Löwenthal nur „niedrig" zahlen könne. Dies lasse ich mir gefallen, wenn er das herausgibt, was ich zunächst herausgeben will. Zwingt er mich aber, meinen ganzen Plan zu verderben, so muß er mir auch so zahlen, als wenn ich direkt in seinem Auftrage schriebe. Indes, ich lasse einstweilen den Ebner gewähren. Er hat mir mitgeteilt, daß er nicht abschließen wird ohne meine Genehmigung. Qu'en penses-tu?1 — Gut ist es, daß unsre Leute in Köln endlich vor die Assisen kommen1290', und zwar, wie mir der Buchhändler Schüller aus Düsseldorf gestern versicherte, noch im Dezember, wo außerordentliche Assise ist. Apropos! Vergiß nicht, umgehend mir die New-Yorker „Schnellpost" zurückzuschicken. Bamberger tritt, und es ist das einzige Mittel, die folgenden Nummern, die allerlei Curiosa enthalten sollen, ihm abzupressen. Ich weiß, daß Du jetzt selbst in der Klemme sitzt und daß mein Überfall und Razzia in ManchesterI291] Dich noch tiefer, wenigstens für diesen Monat, hereingeritten hat. Dennoch muß [ich] Dich fragen, ob Du im Notfall noch 2 £ auftreiben kannst. Ich habe nämlich vor meiner Abreise von London 2 £ gepumpt und zugleich schriftlich erklärt, sie vor Dezember zu
1 Was meinst Du dazu?
rückzuzahlen. Jedenfalls bitt' ich Dich, mir umgehend zu schreiben, ob es geht oder nicht. Eccarius' Bruder2 ist hier angekommen. Er und sämtliche übrige in Hamburg inhaftierte Straubingert47) sind mit einem Laufpaß freigegeben worden. Daß Haupt ursprünglich nicht die Absicht hatte zu verraten, geht aus folgendem hervor: Bürgers' Brief an ihn fiel in die Hände seines Alten, der ihn darüber zur Rede stellte und ihn der Polizei ausliefern wollte. Letztres verhinderte er, zerriß ihn und brachte nachher die Stücke dem Eccarius etc., um sie erst zusammenzusetzen und zu lesen und dann in deren Gegenwart zu verbrennen. Dies Faktum ist wichtig. Der Familiendruck hat den unglücklichen Kerl ruiniert. Vor einigen Tagen las ich in der Bibliothek Herrn Proudhons Elukubrationen über die „Gratuite du credit" gegen Bastiat. Dies übertrifft an Scharlatanerie, Poltronnerie3, Tapagerie4 und Schwäche alles, was der Mann geleistet hat. Exempli gratia5: Die Franzosen glauben, im Durchschnitt 5-6% Zinsen zu zahlen. Sie zahlen 160%. Comment donc?6 Nämlich so. Die Zinsen auf die Hypothekar-, chirographische, Staats- etc. Schuld beträgt 1600 Millionen. Nun existiert aber in Frankreich nur 1 Milliarde Kapital, i.e. Gold und Silber. Also q.e.d.7 Andres Beispiel: Als die Banque de France errichtet wurde, betrug ihr Kapital 90 Millionen. Damals, auf diese Summe, gestattete ihr das Gesetz, 5% zu nehmen. Sie operiert jetzt (Deposita etc. eingerechnet) auf ein Kapital von 450-460 Millionen, wovon 3/4 nicht ihr, sondern dem public8 gehören. Wenn also die Bank (90 : 450 = 1:5) statt 5 nur 1 % nimmt, so erhält sie den legitimen Profit. Und weil die Banque de France im Notfall (2) mit 1 % sich begnügen könnte (d.h. die Aktionäre), darum kann der Zinsfuß für Frankreich auf 1 % herabgesetzt werden. Und 1 % c'est la presque gratuite du credit9. Dabei solltest Du sehn, was der Kerl dem Bastiat gegenüber mit der dialectique h6gelienne10 renommiert. Ich habe hier Deine Kritik noch einmal durchgelesen.'2601 Es ist schade, qu'il n'y a pas moyen11, sie drucken zu lassen. Wenn ich noch meinen Seich hinzugetan, könnte sie sonst unter unsrem Doppelnamen erscheinen, vorausgesetzt, daß dies Deiner Handelsfirma kein Ärgernis gäbe. Kossuth reiste, wie Du weißt, am 20. ab, aber, was Du nicht weißt, begleitet von Lola Montez und caballero Göhringer.
2 Johann Friedrich Eccarius - 3 Maulheldentum - 4 Polterei - 5 Zum Beispiel - 6 Wie also? ' was zu beweisen war (quod erat demonstrandum) - 8 Publikum-9 das ist beinahe die Unentgeltlichkeit des Kredits -10 Hegeischen Dialektik -11 daß es nicht möglich ist
Schramm, mit einer zudringlichen Zähigkeit sans pareil12, sucht sich wieder bei mir einzubürgern. II n'y parviendra pas.13 Was machen die „Pottfahrten" von K.Schapper?t292) Dein K.M.
12 ohnegleichen - 13 Es wird ihm nicht gelingen.
130
Engels an Marx in London
Lieber Marx, Meine paar Zeilen von vorgestern wirst Du erhalten haben. Wenn Weerth das Nötige nicht gleich auftreiben kann, so will ich sehn, daß ich übermorgen oder spätestens Montag die Sache ins reine bringe. Im Notfall wirst Du jedenfalls die Geschichte bis Dienstag hinhalten können. Inliegend den Brief von Meister Pieper zurück. Der Heine scheint ihm sehr gelegen zu kommen, um die anstandsgemäßen 4 Seiten voll zu machen.12931 Ich hoffe, Du wirst ihm wegen des Prlpudhon]1 einen zur Tatkraft anspornenden Brief geschrieben haben, denn wenn er erst wieder hier ist, so hörst und siehst Du vom Manuskript für die erste Zeit kein Wort mehr. Wegen Löwenthal widersprechen sichP[ieper] und Ebner sehr, jedenfalls ist aber dem letzteren mehr zu trauen. Ich glaube, was das Anfangen mit der Geschichte der Ökonomie betrifft, wovon P[ieper] spricht, daß, wenn L[öwenthal] dies wirklich vorhat, Ebner ihm am besten Schwierigkeiten macht, es ginge nicht, Deinen ganzen Plan umzuwerfen, Du habest schon angefangen, die Kritik auszuarbeiten etc. Sollte es aber nicht anders gehn, so müßte L[öwenthal] aber sich für zwei Bände verpflichten, und Du würdest diesen Raum auch nötig haben, teils wegen des zu antizipierenden Kritischen, teils um die Geschichte bei dem am Ende doch keinenfalls für Londoner Kostenpreise berechneten Honorar für Dich einigermaßen rentabel zu machen. Dann kämen als 3. Band die Sozialisten und als 4. die Kritik - Ce qu'il en resterait2 - und das vielberühmte „Positive", das, was Du „eigentlich" willst. Die Sache hat in dieser Form ihre Schwierigkeiten, aber sie hat den Vorzug, daß man das vielverlangte Geheimnis erst ganz am Schluß sagt, und erst nachdem die Neugier des Bürgers durch 3 Bände hindurch im Atem gehalten worden, ihm enthüllt, daß man keine Morisonpillen fabriziert. Für Leute von einigem Verstand werden die Andeutungen der ersten Bände, der Anti-Proudhon3, das „Manifest"4 genügen, um sie auf
1 Siehe vorl. Band, S. 370 - 2 das würde davon übrigbleiben - 3 „Misere de la philosophie" 4 „Manifest der Kommunistischen Partei"
die richtige Fährte zu leiten; der Kauf- und Lesemob wird sich für die Geschichte etc. nicht mehr interessieren, wenn er das große Mysterium schon im I. Band enthüllt bekommen hat; er hat, wie Hegel in der „Phänomenologie "sagt, „die Vorrede" gelesen, und da steht ja das Allgemeine drin. Du tust gewiß am besten, mit Anstand, aber bei irgend akzeptablen Bedingungen, jedenfalls mit L[öwenthal] abzuschließen und das Eisen zu schmieden, weil es warm ist. Dabei verfährst Du am besten umgekehrt wie die Sibylle. Für jeden Louis d'or, den er Dir am Bogen abzieht, zwingst Du ihm so viel Bogen mehr auf, daß dies doch wieder herauskommt und füllst diese Extrabogen mit Zitaten etc., die Dich nichts kosten. 20 Bogen a 3£ oder 30 Bogen a 2£ machen immer 60£, und 10Bogen kostenfrei und ohne Zeitverlust zusammenzubringen aus Petty, Stewart, Culpeper und andern Kerlen, das ist doch wahrhaftig leicht, und Dein Buch wird um soviel „belehrender"... Die Hauptsache ist, daß Du erst wieder mit einem dicken Buch vor dem Publikum debütierst, und am besten mit dem unverfänglichsten, der Historia. Die mittelmäßigen und lausigen Literaten Deutschlands wissen sehr gut, daß sie ruiniert wären, wenn sie nicht zwei- bis dreimal des Jahres mit irgendeinem Schund vor dem Publikum erschienen. Ihre Zähigkeit hilft ihnen durch; obwohl ihre Bücher wenig oder nur mittelmäßig ziehen, glauben schließlich doch die Buchhändler, sie müßten große Männer sein, weil sie in jedem Meßkatalog ein paarmal vorkommen. Dann ist es auch platterdings nötig, daß der Bann gebrochen wird, der durch Deine lange Abwesenheit vom deutschen Büchermarkt und durch den späteren Schiß der Buchhändler entstanden ist. Ist einmal erst ein oder zwei Bände lehrreicher, gelehrter, gründlicher und zugleich interessanter Sachen von Dir erschienen, alors c'est tout autre chose5, und Du pfeifst den Buchhändlern was, wenn sie niedrig bieten. Es kommt noch das dazu, daß Du diese Geschichte nur in London machen kannst, während Du Sozialisten und Kritik überall machen kannst. Es wäre also gut, wenn Du die Gelegenheit jetzt noch benutztest, ehe die Crapauds6 irgendeinen Blödsinn machen und uns wieder auf das-theatrum mundi7 versetzen. Die New-Yorker „Schnellpost" kommt morgen. — Den Löwenthal, wie gesagt, halte unter allen irgend angehenden Umständen fest. Ist's mit ihm nichts, so sind, wie P[ieper] schreibt, Ebners Ressourcen erschöpft. Mit Löwenthal ist ohnehin später immer mehr als mit
5 das ist schon eine ganz andere Sache - 6 Philister - 7 die Weltbühne
andern auszurichten, weil man den Ebner hat, der ihm in Frankfurt auf dem Nacken sitzt. Bringt er mit dem L[öwenthal], den er tagtäglich persönlich treten kann, nichts fertig, so ist die Sache mit andern nicht in Frankfurt befindlichen Kerlen noch viel problematischer. Du solltest dem Ebner so schreiben, daß er weite Vollmachten von Dir hat und sofort abschließen kann; je länger die Sache trainiert8 wird, desto eher wird der L[öwenthal] es leid, und kommen politische Ängste wegen 1852 dazwischen. Bricht in Paris das geringste Vorspielchen los, so ist alle Aussicht auf Buchhändlerklatsch, und macht der Bundestag Preßgesetze, ehe schwarz auf weiß kontrahiert ist, so bist Du auch am Ende. Du mußt mit der Wurst nach dem Schinken werfen, oder - te rSsigner, ce qui n'est pas trop agreable9. Je mehr ich mir die Sache überlege, desto praktischer erscheint mir das Anfangen mit dem Historischen. Sois donc un peu commerfant, cette fois!10 Was meine Proudhon-Glossen12601 angeht, so sind sie zu unbedeutend, als daß damit viel anzufangen wäre. Es würde wieder gehn wie bei der „Kritischen Kritik"11, wo ich auch ein paar Bogen schrieb, weil auf eine Broschüre gerechnet wurde, und Du ein gründliches Buch von 20 Bogen draus machtest, worin meine Wenigkeit sich sehr komisch ausnahm. Du würdest doch wieder so viel dazu tun, daß mein Anteil, ohnehin nicht der Rede wert, ganz vor Deiner schweren Artillerie verschwände. Sonst hätte ich nichts dagegen, als daß Deine Historie mit Löwenthal viel wichtiger und dringender ist. Dein F.E. [Manchester] 27. Nov. 51
8 hinausgezögert - 8 Dich dreinschicken, was nicht allzu angenehm ist -10 Sei doch diesmal ein wenig Geschäftsmann! -11 „Die heilige Familie"
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Marx an Engels in Manchester
[London] I.Dezember 1851 28, Dean Street, Soho
Lieber Engels! Ich lege Dir hier ein: 1. Auszug des Briefes von Cluß (aus Washington) an Wolff; 2. Brief von Pieper aus Brüssel. Ad No. 1 hat Lupus vergessen, zwei Data noch auszuziehn, die Dir nicht uninteressant sein werden. Erstens: der Artikel „Revolution und Kontrerevolution in Deutschland" ist deutsch in der „New-Yorker Abendzeitung" erschienen, in verschiedne Blätter übergegangen und hat Furore gemacht. Cluß schreibt nicht, ob dies Übersetzung aus der „Tribüne" ist oder nicht. Ich habe deswegen direkt an Dana geschrieben. Zweitens: Herr Wiß, das Hauptinstrument Kinkels, hat öffentlich erklärt, daß er „ökonomisch" unsre Ansichten teile. Du siehst, wie die Hunde operieren. Was Herrn Tupman betrifft, so erwähnt er weder unsren Brief aus Manchester, noch einen spätem Brief, den ich ihm von hier aus durch meine Frau schreiben ließ. Was aber nun die Kölner betrifft, so ist es System der gemeinen Emigrationsschweine, die ihre Rüssel in der ganzen Preßkloake haben, gegen diese Sache la conspiration du silence1 zu beobachten, um nur ja ihrer eignen Wichtigkeit keinen Abbruch zu tun. Dem muß jetzt entgegengewirkt werden. Ich habe Briefe heute nach Paris geschickt gegen die preußische Justiz, um die Sache in die dortige Presse zu bringen. Lupus hat die Artikel für Amerika und Schweiz übernommen. Maintenant2 mußt Du mir eine englische Geschichte schmieden, nebst einem Privatbrief an den Editor3 der „Times", wohin die Sache versuchsweise geschickt werden muß.t294] Wenn die „Times", die jetzt ihre Popularität wieder aufzufrischen sucht und sich sicher geschmeichelt findet, wenn sie als einzig einflußreiches Journal auf dem Kontinent behandelt wird, die ohnehin preußenfeindlich ist, wenn die „Times" sich der Sache annähme, könnte man nach Deutsch
1 die Verschwörung des Schweigens - 2 Jetzt - 3 Redakteur
land hin wirken. Hervorzuheben wäre die Lage des Justizwesens überhaupt in Preußen. Gelingt dieser Versuch nicht, der auf keinen Fall schadet, so schreibst Du von Manchester direkt an den „Sun". Erhielte er die Sache vor der „Times", so würde diese sie auf keinen Fall mehr nehmen.t295] Du wirst schwerlich wissen, daß fast von allen Städten Englands Adressen an O'Connor angelangt und in „Northern Star" und „Reynolds Paper" veröffentlicht sind, worin Thornton Hunt für „infamous" 4 erklärt und die Szene von „Copenhagen Fields" höchlichst blamiert5 wird.12961 Außerdem hat eine Versammlung sämtlicher Chartistensektionen Londons stattgefunden, worin Th.Hunt, der zugegen war, mit Schmähungen überladen wurde. Bei der Erneuerung des Exekutivkomitees, die bevorsteht, wird er positiv herausgeschmissen. In seiner Verzweiflung erklärt sich dieser allie6 des großen Rüge nun offen für einen „Kommunisten'. E. Jones hat Kossuth - mit Benutzung meines Briefes - sans misericorde7 angegriffen. „I teil him, that the revolutions of Europe mean the Crusade of labour against capital, and I teil him they are not to be cut down to the intellectual and social Standard of an obscure semibarbarous people, like the Magyars, still standing in the half-civilisation of the 16th Century, who actually presume to dictate to the great enlightenment of Germany and France, and to gain a false won cheer from the gullibility of England."8 [297f Du siehst, daß Kinkel tout bonnement9 hier sich nach dem Beispiel der provisorischen Regierung in Frankreich einrichten wird. Ich für meinen Teil hielte es für gut, wenn Du, sobald wir wissen, daß Weydemeyer Redakteur der „Abendzeitung" ist, zunächst feuilletonweise Bruchstücke von K.Schappert292], dessen erste Geständnisse ich mit Sehnsucht erwarte, mitteilst. (Sieh continuation10 hinter Piepers Brief.[a98]) Apropos! Ich hätte bald ein Wichtiges in der chronique scandaleuse11 vergessen. Stechan, Hirsch, Gümpel etc., kurz, die aus Deutschland gekommnen Arbeiter haben sich bei mir ansagen lassen. Ich werde sie heute empfangen. Sie haben sich schon bedeutend mit Schapper und Willich überworfen. Stechan hat offen den Dietz als Spion denunziert vor dem 4 „ehrlos" - 6 angeprangert - 6 Bundesgenosse - 7 ohne Erbarmen - 8 „ Ich sage ihm, daß die Revolutionen Europas den Kreuzzug der Arbeit gegen das Kapital bedeuten, und ich sage ihm, daß sie nicht heruntergedrückt werden können auf das geistige und soziale Niveau eines obskuren, halbbarbarischen Volkes wie die Magyaren, die noch immer in der Halbzivilisation des sechzehnten Jahrhunderts stecken und die sich tatsächlich einbilden, der großen Aufklärung Deutschlands und Frankreichs befehlen und der Leichtgläubigkeit Englands einen erschwindelten Beifall ablocken zu können." - 9 ganz einfach -10 Fortsetzung -11 Klatschgeschichte
Arbeiterverein1-581, und obgleich einige Stimmen schrieen, er sei Agent von Marx, dennoch die Niedersetzung einer Kommission bewirkt, worin aber <lie Freunde und Protektoren des Dietz-Schapper und Willich die Hauptrolle spielen. Mit diesen Straubingern1471 werde ich jedenfalls neue Krisen in der elenden Schneider- und Bummlerherberge hervorrufen. Gleichzeitig zeige ich Dir den Empfang der 3 £ an. Salut. Dein K.M.
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Engels an Marx in London'2"1
„Representants de la France, deliberez en paix!"113001 Und wo sollten •die Herren ruhiger deliberieren können als in der Kaserne d'Orsay, gehütet von einem Bataillon chasseurs de Vincennes2! Die Geschichte Frankreichs ist in das Stadium der vollendetsten Komik eingetreten. Kann man sich etwas Heitreres denken als diese mitten im Frieden mit malkontenten Soldaten vom unbedeutendsten Menschen der ganzen Welt ohne allen Widerstand, soweit man bis jetzt urteilen kann, durchgeführte Travestie des 18.Brumaire. Und wie schön alle die alten Esel abgefangen sind! Der schlaueste Fuchs von ganz Frankreich, der alte Thiers, der geriebenste Advokat des Barreaus3, Herr Dupin, gefangen in der Falle, die ihnen der notorischste Ochs des Jahrhunderts gestellt hat; gefangen ebenso leicht wie die stiere republikanische Tugend des Herrn Cavaignac und wie der Maulheld Changarnier! Und um das Tableau zu vollenden, ein Rumpfparlament mit Odilon Barrot als „Löwe von Calbe", und dieser selbe Odilon verlangt, angesichts solchen Verfassungsbruchs verhaftet zu werden, und kann es nicht dahin bringen, daß man ihn nach Vincennes schleppt! Die ganze Sache ist expreß für den roten Wolff erfunden worden; der allein kann von jetzt an die Geschichte von Frankreich schreiben. Ist jemals in der Welt ein Coup mit alberneren Proklamationen gemacht worden als dieser? Und der lächerliche napoleonische Apparat, der Jahrestag der Krönung und von Austerlitz12221, die Provokation auf die konsularische Verfassung und so weiter - daß so etwas auch nur für einen Tag gelingen konnte, degradiert die Herren Franzosen doch wahrhaftig auf ein Niveau der Kinderei, das ohnegleichen ist. Wunderschön ist das Abfassen der großen Ordnungsmäuler, des kleinen Thiers ganz vorzüglich und des tapfern Changarnier. Wunderschön ist die Rumpfparlamentssitzung im lO.Arrondissement mit Herrn Berryer, der zum Fenster hinausschreit: Vive la Republique4, bis endlich das ganze Lot5
1 „Vertreter Frankreichs, beratet in Frieden!" - 2 Vincenner Jäger - 3 Advokatenstandes 4 Es lebe die Republik - 5 Pack
abgefaßt und zwischen Soldaten in einen Kasernenhof gesperrt wird. Und dann der dumme Napoleon, der sofort aufpackt, um in die Tuilerien zu ziehn. Hätte man sich ein ganzes Jahr lang geplagt, man hätte keine schönere Komödie erfinden können. Und am Abend, als der dumme Napoleon sich endlich in das langersehnte Bett in den Tuilerien geworfen hatte, da muß der Schafskopf erst recht nicht gewußt haben, woran er ist. Le consulat sans le premier consul!6 Keine Schwierigkeiten im Innern größer als überhaupt seit drei Jahren, keine außergewöhnliche Finanzklemme, selbst nicht einmal in seinem eignen Beutel, keine Koalition an den Grenzen, kein Sankt Bernhard zu passieren, kein Marengo zu gewinnen!13011 Es ist wirklich zum Verzweifeln. Und nun nicht einmal eine Nationalversammlung mehr, die die großen Pläne des Verkannten vereitelt; nein, für heute wenigstens ist der Esel so frei, so ungebunden, so absolut wie der Alte am Abend des I8.Brumaire, so vollständig ungeniert, daß er gar nicht umhin kann, den Esel nach allen Richtungen hin herauszukehren. Schreckliche Perspektive der Gegensatzlosigkeit! Mais le peuple, le peuple! - Le peuple se fiche pas mal de toute cette boutique7, freut sich seines oktroyierten Stimmrechts wie ein Kind und wird es wahrscheinlich auch gebrauchen wie ein Kind. Was kann aus diesen lächerlichen Wahlen von Sonntag über 8 Tage hervorgehn, wenn es überhaupt dazu kommt! Keine Presse, keine Meetings, Belagerungszustand die Hülle und Fülle und dazu Befehl, binnen 14 Tagen einen Deputierten zu stellen. Was soll aber aus dem ganzen Kram werden? „Stellen wir uns auf den welthistorischen Standpunkt"[3021, so bietet sich uns ein famoses Thema zur Deklamation dar. So z.B.: es muß sich zeigen, ob das Prätorianerregiment der römischen Kaiserzeit, das einen durchaus militärisch organisierten, ausgedehnten Staat, ein entvölkertes Italien und die Abwesenheit eines modernen Proletariats zur Voraussetzung hatte, möglich ist in einem geographisch konzentrierten, dicht bevölkerten Land wie Frankreich, das ein zahlreiches industrielles Proletariat hat. Oder: Louis-N[apoleon] hat keine eigne Partei; er hat die Orleanisten und Legitimisten mit Füßen getreten, er muß jetzt eine Wendung nach links machen. Eine Wendung nach links impliziert eine Amnestie, eine Amnestie impliziert eine Kollision usw. Oder aber: Das allgemeine Stimmrecht ist die Grundlage der Macht von L[ouis]-N[apoleon], er kann es nicht angreifen, und das allgemeine Stimm
6 Das Konsulat ohne den ersten Konsul! - 7 Aber das Volk, das Volk! - Das Volk schert sich den Teufel um diesen ganzen Kram
recht ist jetzt mit einem L[ouis]-N[apoleon] unverträglich. Und andre dergleichen spekulative Themata, die sich famos ausspinnen ließen. Nach dem aber, was wir gestern gesehn haben, ist auf den peuple8 gar nichts zu geben, und es scheint wirklich, als ob der alte Hegel in seinem Grabe die Geschichte als Weltgeist leitete und mit der größten Gewissenhaftigkeit alles sich zweimal abspinnen ließe, einmal als große Tragödie, und das zweite Mal als lausige Farce, Caussidiere für Danton, L.Blanc für Robespierre, Barthelemy für Saint-Just, Flocon für Carnot und das Mondkalb9 mit dem ersten besten Dutzend schuldenbeladener Lieutenants für den kleinen Korporal10 und seine Tafelrunde von Marschällen. Beim I8.Brumaire also wären wir schon angekommen. Kindisch dumm hat sich das Pariser Volk benommen. Cela ne nous regarde pas; que le President et l'assemblee s'entretuent, peu nous importe!u Aber daß die Armee sich anmaßt, Frankreich eine Regierung, und noch dazu welche, zu oktroyieren, das geht es doch wohl an, und der Mob wird sich wundern, was das für ein allgemeines, „freies" Stimmrecht ist, das sie nun „seit 1804 zum erstenmal" ausüben sollen! Wie weit der offenbar über die Menschheit sehr verdrießliche Weltgeist diese Farce noch fortführen wird, ob wir binnen einem Jahr Konsulat, Empire, Restauration etc. vorüberspazieren sehn werden, ob die napoleonische Dynastie auch erst in den Straßen von Paris geklopft werden muß, ehe sie in Frankreich unmöglich wird, das soll der Teufel wissen. Mir kommt es aber vor, als ob das Ding eine merkwürdig verrückte Wendung nähme, und als ob die Crapauds12 einer wunderlichen Erniedrigung entgegengingen. Gesetzt auch, der L[ouis]-N[apoleon] konsolidiere sich momentan, so kann doch solch dummes Zeug nicht dauern, selbst bei der tiefsten möglichen Versunkenheit der Franzosen. Aber was dann? Es sieht verflucht -wenig rot aus, das ist ziemlich klar, und wenn Herr Blanc und Ledru {-Rollin] gestern mittag ihre Bagage packten, so mögen sie heute nur wieder auspacken. La voix tonnante du peuple ne les rappeile pas encore.13 Hier und in Liverpool hat die Geschichte den Commerce plötzlich gestoppt, aber in Liverpool sind sie heute schon frisch wieder am Spekulieren. Und die französischen Fonds sind nur 2% gefallen. Unter diesen Umständen wird mit den Versuchen, für die Kölner in der englischen Presse aufzutreten, natürlich gewartet werden müssen.
4 das Volk -* Louis Bonaparte -10 Napoleon I. - u Das geht uns nichts an; ob der Präsident und die Versammlung einander totschlagen, kümmert uns wenig! -12 Philister -13 Die donnernde Stimme des Volkes ruft sie noch nicht zurück.
Wegen der Artikel für die „Tribüne"14, die offenbar darin erschienen sind, schreib englisch, an den Editor15 der „Tribüne", Dana ist vielleicht abwesend, und ein business letter16 wird gewiß beantwortet. Teil him that he must distinctly state per next returning steamer what has become of these papers, and in case they have been made use of, he is requested to send by the same opportunity copies of the „Tr[ibune]" containing them, as no copy has been kept here and without having the articles already sent, again before our eyes, we cannot, after such a lapse of time, undertake to go on. with the following numbers of the series.17 Der Effekt der französischen Nachrichten auf den europäischen Emigrationsmob muß heiter gewesen sein. Ich möchte das angesehn haben. En attendant tes nouvelles18 Dein F.E. [Manchester] 3. Dez. 1851
14 „Revolution und KonteiTevoltion in Deutschland" - ls Redakteur -16 Geschäftsbrief 17 Sage ihm, daß er mit dem nächsten zurückfahrenden Postdampfer genau angeben muß, was aus diesen Manuskripten geworden ist, und daß er, falls sie verwendet wurden, mit gleicher Post die Nummern der „Tribüne", die sie enthalten, schicken soll, da eine Abschrift nicht zurückbehalten wurde, und wir, ohne die bereits gesandten Artikel wieder vor uns zu haben, nach so langer Zeit außerstande sind, die Serie fortzusetzen. -18 Deinen Nachrichten entgegensehend
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Marx an Engels in Manchester
[London] 9. Dezember 1851 28, Dean Street, Soho
Dear Frederic1, Ich habe Dich auf Antwort warten lassen, quite bewildered2 von diesen tragikomischen Ereignissen in Paris. Ich konnte nicht wie Willich sagen: Sonderbar, man hat uns keinen Avis von Paris gegeben! Auch nicht, wie Schapper, mit dem Bierpott mich in Permanenz bei Schärttner erklären. Zur Rettung des Vaterlands schlief S[chapper] mit einigen Trabanten, unter dem Vorgeben zu wachen, zwei Nächte bei Schärttner. Diese Herrn, wie Löwe von Calbe et Co., hatten ihre malles8 gepackt, aber da die Vorsicht der beßre Teil der Tapferkeit ist, beschlossen sie, erst hinüberzustiefeln, sobald die Sache sich „entschieden" habe. Hast Du Louis Blancs Miserere gelesen? Den andren Tag protestierte Bernard le Clubiste dagegen, dies Lamento mitunterzeichnet zu haben. Einliegend erhältst Du einen Brief von Reinhardt aus Paris und die „Pötte", von denen ich Dir bei meiner Anwesenheit in Manchester sprach. Pieper ist wieder hier, sehr von sich selbst entzückt. Er tritt von Rothschilds aus, fährt aber fort, dort im Hause deutsche Stunde zu geben.. Madame hat ihm den permanenten Hauslehrer gekündigt. In meiner Proudhon-Angelegenheit hat er seit seinem letzten Briefe nichts getan, nichts gehört noch gesehn.4 Es scheint mir, daß er die Übersetzung als. sein Machwerk behandelt hat, ce qui n'est pas5. Maintenant6, was soll ich Dir über die Situation schreiben? So viel ist klar, das Proletariat hat seine Kräfte geschont. Bonaparte hat einstweilen gesiegt, weil er während der Nacht das öffentliche Stimmrecht in geheimes, verwandelte. Mit der, trotz allen posthumen Erklärungen von d'Argout, der Bank entwendeten Million £ St. hat er die Armee gekauft. Wird ihm der Coup noch einmal gelingen, wenn die Wahl gegen ihn ausfiele? Wird die
1 Lieber Friedrich - 2 ganz benommen - 3 Koffer - 4 siehe vorl. Band, S.370,373 - 5 dem ist nicht so - 6 Nun
Majorität überhaupt wählen? Die Orleans sind nach Frankreich abgereist. Es ist schwer, ja unmöglich, ein Prognostikon zu stellen in einem Drama, dessen Heros Krapülinski[3031 ist. Jedenfalls scheint mir die Situation eher verbessert als verschlechtert durch den Coup d'etat7. Mit Bonaparte ist leichter fertig zu werden, als es mit der Nationalversammlung und ihren Generalen möglich gewesen wäre. Und die Diktatur der Nationalversammlung stand vor der Türe. Kostbar ist die Enttäuschung von Techow et Co., die ohne weiteres in der französischen Armee les apotres de la trinite democratique, de la liberte, de l'egalite, de la fraternite sahen. Les pauvres hommes!8 Und die Herren Mazzini und Ledru[-Rollin] können sich nun auch ruhig schlafen legen. Die Katastrophe war der downfall9 der Emigration. Es hat sich gezeigt, daß sie pour rien10 in der Revolution ist. Die Herren hatten nämlich beschlossen, die Weltgeschichte zu suspendieren bis nach Kossuths Rückkehr. Apropos! Die Pennysubskription für letztern hat exakt in London 100 d., sage Pence, abgeworfen. Salut. Dein K.M.
Apropos! Habe ich Dtf nicht einen französisch geschriebnen Brief Piepers an mich zugeschickt? Ist dies der Fall, so schick ihn mir umgehend zurück.
7 Staatsstreich - 8 die Aposte! der demokratischen Dreieinigkeit, der Freiheit, der Gleichiieit, der Brüderlichkeit sahen. Die armen Kerle! Zusammenbruch -10 ohne Bedeutung
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, " Was machen die großen Männer in dieser eventful crisis1? Man sagt, L.Blanc sei in Frankreich arretiert, das wird leider aber nicht wahr sein, nous connaissons notre petit bonhomme2. Übrigens, seit aus der Pariser Insurrektion nichts geworden ist, bin ich froh, daß der erste Sturm vorüber ist. Tout blase qu'on est3, wird man bei solchen Gelegenheiten doch immer einigermaßen vom alten politischen Fieber gepackt und ist doch immer einigermaßen selbst beim Ausgang einer solchen Geschichte interessiert. Jetzt kann ich wenigstens wieder Menschenracen studieren, mit deren Untersuchung ich mich beim Ausbruch dieses großen Coups beschäftigte. Trotz alledem will übrigens weder hier noch in Liverpool die Confiance4 wiederkehren, und bloß P.Ermen ist ebenso übermütig und napoleonsgläubig, wie er vor 4 Tagen dejected und chapfallen5 war. Die hiesigen Bourgeois sind im ganzen doch zu gescheit, um an eine mehr als ephemere Existenz dieser napoleonischen Farce zu glauben. Aber was soll aus all dem Dreck werden? Gewählt wird der Napoleon, das ist keine Frage, die Bourgeoisie hat keine Wahl, und wer will die Stimmzettel verifizieren? Additionsfehler zugunsten des Abenteurers sind gar zu verlockend, und die ganze Gemeinheit der französischen besitzenden Klasse, die servile Unterwürfigkeit nach dem kleinsten Sukzeß, die Kriecherei vor einem pouvoir quelconque6 sind diesmal glänzender als je ans Licht getreten. Aber wie will der Esel regieren? Er bekommt weniger Stimmen als 1848, c'est clair7, vielleicht 3 a 3x/2 Millionen im ganzen; das ist schon eine für den Kredit gefährliche Niederlage. Jede finanzielle und Steuerreform ist unmöglich 1. aus Geldmangel, 2. weil ein militärischer Diktator sie nur bei erfolgreichen auswärtigen Kriegen, oü la guerre paie la guerre8, durchführen kann, im Frieden aber nicht nur jedes Surplus, sondern noch viel mehr in die Taschen der
1 ereignisreichen Krise - 2 wir kennen unseren kleinen Kerl - 8 So abgestumpft man auch ist - 4 das Vertrauen -5 niedergeschlagen und entmutigt - 6 einer Macht, gleichgültig welcher - 7 das ist klar - 8 wo der Krieg den Krieg bezahlt
25 Manc/Eneels, Werke, Bd. 27
Armee wandern muß, 3. weil der Napoleon zu dumm ist. Was bleibt ihm da? La guerre?9 Gegen wen, gegen England etwa? Oder der einfache Militärdespotismus, der im Frieden notwendig zu neuer Militärrevolution führen, die Parteien der Nationalversammlung in der Armee selbst hervorrufen muß? Es ist kein Ausweg da, die Farce muß in sich selbst zusammenbrechen. Und erst wenn eine Handelskrisis kommt! Daß L[ouis]-N[apoleon] mit. etwas „Großem" schwanger geht, daran zweifle ich keinen Augenblick. Was das aber für ein Unsinn sein wird, darauf bin ich begierig. Das Developpement10 der napoleonischen Ideen'3041 wird einen sehr hohen Flug nehmen und, an den ordinärsten Hindernissen scheiternd, platt auf den Bauch fallen. Was bei der ganzen Transaktion ziemlich klar heraustritt, ist, daß die Roten abgedankt haben, vollständig abgedankt. Jetzt von Entschuldigungen sprechen wollen, warum sie sich nicht in Masse wehrten, wäre Unsinn. Die nächsten Monate werden lehren, ob die Erschlaffung derart in Frankreich ist, daß es mehrerer Jahre Ruhe bedürfte, um den Roten ein neues 48 möglich zu machen. Aber woher soll diese Ruhe auf der andern Seite kommen? Ich sehe nur 2 Auswege aus dieser Sauerei: Entweder treten jetzt die Fraktionen der Ordnungspartei, in der Armee abgespiegelt, an die Stelle der „Anarchisten", id est richten eine solche Anarchie her, daß schließlich die Roten und Ledru-R[ollin] als solche Erlöser erscheinen wie jetzt L[ouis]-Napoleon; oder L[ouis]-N[apoleon] schafft die Getränkesteuer ab und läßt sich verleiten, einige bürgerliche Reformen zu machen - woher aber Geld und Macht dazu hernehmen, ist schwer zu sagen. In diesem sehr unwahrscheinlichen Fall könnte er sich halten. en penses- tu?u Dein F.E. Manchester], 10. Dezember 51
s Der Krieg? -10 Die Entwicklung -11 Was meinst Du dazu?
135
Engels an Marx in London
Manch [ester], 11. Dez[em]ber 1851
Lieber Marx, Inliegend der Brief von R[einhar]dt zurück sowie der von P[iepe]r, den ich wegen der Kölner Geschichten einstweilen zurückgehalten hatte. An der von den Zeitungen ausposaunten großen Expedition der 700 Vagabunden nach Paris scheint nichts zu sein, und auch der kleine L.Blanc ist nach seinem heutigen erneuerten Schmerzgeächze in der „Daily News" einstweilen, wenn auch angeblich nicht in London, doch in Sicherheit. Das erste Wehklagen war noch göttlich gegen das heutige. Peuple fran$ais noble fierte - courage indomptable - eternel amour de la libert6 - honneur au courage malheureux1 - und damit macht der kleine Kerl einen demi-tour ä droite2 und predigt Vertrauen und Vereinigung des Volks und der Bourgeoisie. Vide Proudhon: Appel a la Bourgeoisie, pagina 2.313051 Und dies Räsonnement! Wenn die Insurgenten geschlagen worden, so kommt das daher, daß sie nicht das vrai peuple4 waren; das vrai peuple kann nicht geschlagen werden; und wenn sich das vrai peuple nicht geschlagen hat, so kommt das daher, daß es sich nicht für die Nationalversammlung schlagen wollte; es ist da freilich einzuwenden, daß das vrai peuple, einmal siegreich, selbst Diktator gewesen wäre, aber daran hat es in der Überraschung nicht denken können, und dann ist es ja so oft geprellt worden! Das ist diese alte ordinäre Demokratenlogik, die noch bei jeder Niederlage der revolutionären Partei sich breitgemacht hat. Le fait est5, meiner Ansicht nach, daß, wenn sich das Proletariat diesmal nicht in Masse geschlagen hat, es sich vollständig seiner eignen Erschlaffung und Ohnmacht bewußt war und mit fatalistischer Resignation sich so lange in den erneuerten Kreislauf von Republik, Empire, Restauration und neuer Revolution ergab, bis es eben wieder durch ein paar Jahre misere6 unter der Herrschaft möglichst großer Ordnung neue Kräfte gesammelt hat. Ich sage nicht, daß
1 Französisches Volk - edler Stolz - unbezähmbarer Mut - ewige Freiheitsliebe - Ehre dem Mut im Unglück - 2 eine halbe Wendung nach rechts - 3 Siehe Proudhon: Appell an die Bourgeoisie, Seite 2. - * wahre Volk - 5 Die Sache ist die - 6 Elend
dies so kommen wird, aber das scheint mir die instinktive Grundanschauung gewesen zu sein, die am Dienstag7 und Mittwoch und nach der Herstellung der geheimen Abstimmung und der darauffolgenden Retirade der Bourgeoisie am Freitag beim Pariser Volk vorgeherrscht hat. Es ist Unsinn zu sagen, daß dies keine Gelegenheit füfs Volk war. Wenn das Proletariat warten will, bis ihm von der Regierung seine eigne Frage gestellt wird, bis eine Kollision eintritt, die den Konflikt schärfer und bestimmter ausspricht als im Juni 1848, da kann es lange warten. Die letzte Gelegenheit, wo die Frage zwischen Proletariat und Bourgeoisie ziemlich distinkt gestellt war, war beim Wahlgesetz 1850, und da zog das Volk es vor, sich nicht zu schlagen. Das und das ewige Hinweisen auf 1852 war schon ein Beweis von Schlaffheit, der, ausgenommen im Fall einer Handelskrise, für uns hinreichte, ein ziemlich schlechtes Prognostikon auch für 1852 zu stellen. Seit der Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts, seit der Verdrängung des Proletariats von der offiziellen Bühne ist es doch etwas zu viel verlangt, den offiziellen Parteien zuzumuten, die Frage so zu stellen, daß sie dem Proletariat konveniert. Und wie stand dann die Frage im Februar8? Damals war das Volk grade so hors de cause9 wie jetzt. Und es ist gar nicht zu leugnen, daß, wenn die revolutionäre Partei in einer revolutionären Entwicklung anfängt, entscheidende Wendepunkte passieren zu lassen, ohne ein Wort dreinzusprechen oder, wenn sie sich einmischt, ohne zu siegen, sie mit ziemlicher Sicherheit als für einige Zeit kaputt angesehen werden kann. Witness10 die Insurrektionen nach dem Thermidor und nach 1830[3061, und die Herren, die jetzt so laut sagen, daß das vrai peuple seine Gelegenheit abwarte, kommen in Gefahr, allmählich in denselben Train mit den ohnmächtigen Jakobinern von 1795-1799 und den Republikanern von 1831-1839 zu geraten und sich sehr zu blamieren. Auch ist nicht zu leugnen, daß der Effekt der Herstellung der geheimen Abstimmung auf die Bourgeoisie, Kleinbürgerschaft und au bout du cömpte11 auch auf viele Proletarier (das geht aus allen Berichten hervor) ein merkwürdiges Licht auf die Courage und Einsicht der Pariser wirft. Viele haben offenbar gar nicht daran gedacht, wie albern die von L[ouis]-N[apoleon] gestellte Frage ist, und wo denn Garantien für die richtige Registrierung der Stimmen sind; die meisten aber müssen den Humbug durchschaut und trotzdem sich vorgeschwatzt haben, jetzt sei all right12, bloß damit sie einen Vorwand hätten, sich nicht zu schlagen.
7 dem 2. Dezember 1851 - 8 im Februar 1848 - s unbeteiligt - 10 Beweis -11 in letzter Instanz - 12 alles in Ordnung
Nach dem Brief von R[einhar]dt, nach den täglichen neuen Enthüllungen über die Infamien der Soldaten und über ihre speziellen Exzesse auf den Boulevards gegen jeden pekin quelconque13, Arbeiter oder Bourgeois, Roter oder Bonapartist, n'importe14 -, nach den sich häufenden Nachrichten von lokalen Insurrektionen selbst in den entlegensten Winkeln, wo kein Mensch Widerstand vermutete, nach dem Brief des französischen Exdeputierten und Commer^ant15 in der gestrigen „Daily News" scheint allerdings der appel au peuple16 eine unangenehme Wendung für Bonaparte nehmen zu wollen. Die Masse der Bourgeoisie in Paris scheint doch dies neue Regime mit seinen oktroyierten Transportationsgesetzen nicht sehr zu relishen17. Der militärische Terrorismus entwickelt sich zu schnell und zu unverschämt. 2/3 von Frankreich sind in Belagerungszustand. Ich glaube, daß nach alle diesem die Masse der Bourgeoisie gar nicht stimmen wird, daß die ganze Stimmposse auf nichts hinauslaufen wird; denn die Gensd'armen werden an allen zweifelhaften Orten, wo die Gegner L[ouis]N[apoleons] in Massen stimmen, Krakeel mit den Wählern anfangen und dann der ganze Wahlprozeß dort kassiert werden. Dann erklärt Lfouis]N[apoleon] Frankreich en etat d'alienation mentale18 und proklamiert die Armee zur einzigen Retterin der Gesellschaft, und dann ist die Scheiße vollständig klar und L[ouis]-N[apoleon] mitten drin. Aber eben bei dieser Wahlgeschichte könnte die Sache sehr unangenehm werden, wenn dann überhaupt noch ernsthafter Widerstand gegen eine etablierte Regierung zu erwarten wäre. Eine Million Stimmen hat der Kerl sicher an den Beamten und Soldaten. Eine halbe Million Bonapartisten, vielleicht mehr, sind auch im Lande. Eine halbe Million, vielleicht mehr, zaghafter Bürger stimmen für ihn. Eine halbe Million dummer Bauern, eine Million Additionsfehler - das sind schon 31/2 Millionen, und mehr hatte der alte Napoleon nicht in einem Empire, das das ganze linke Rheinufer und Belgien einschloß, also gewiß 32 Millionen Einwohner hatte. Warum sollte ihm das vorderhand nicht genügen? Und bekäme er die, mit vielleicht 1 Million gegen ihn, so würden die Bourgeois ihm bald zufallen. Aber vielleicht bekommt er die 21/2 Millionen nicht, und vielleicht, obwohl es der Ehrlichkeit der französischen Beamten viel zugemutet wäre, bringt er es nicht fertig, sich Additionsfehler bis zu 1 Million kreditieren zu lassen. Jedenfalls hängt sehr viel ab von den Maßregeln, die er gezwungen ist, inzwischen zu treffen. Übrigens, wer
18 beliebigen Zivilisten -11 gleichviel -15 Kaufmanns -16 Appell an das Volk -17 schmackhaft zu finden -18 im Zustand geistiger Verwirrung
hindert die Beamten, eh' das Abstimmen anfängt, in die Wahlurnen ein paar hundert oui19 zu werfen? II n'y a plus de presse20 - niemand kann's verifizieren. Jedenfalls ist es schlimm für Krapülinski'3031, daß die Fonds wieder am Fallen sind, und für L.Blanc, daß er jetzt England als freies Land anerkennen muß. In ein paar Monaten müssen die Roten wieder eine Gelegenheit bekommen, wo sie sich zeigen können, vielleicht schon bei der Abstimmung; wenn sie dann aber wieder abwarten, dann geb' ich sie auf, und dann bringen sie es auch bei der schönsten Handelskrise zu nichts als zu einer sie definitiv für ein paar Jahre beseitigenden Tracht Prügel. Was ist denn noch an dem Gesindel, wenn [es]21 verlernt, sich zu schlagen? Ist Pieper wieder in London? Ich hab' ihm einen Auftrag wegen Büchern nach Frankfurt zu geben und weiß nicht, ob er noch in Brighton ist. Das schlimmste ist, daß Du jetzt mit Löwenthal auf Schwierigkeiten stoßen wirst. Es wär' am besten, wenn der Kontrakt schon abgeschlossen wäre. Liverpool Market - quiet at yesterdays prices; Manchester Market firm. Some overtrading going on to the Levant. German buyers continue keeping out of the Market.22 Dein F.E.
19 Ja _ 20 £s keine Presse mehr - 21 Papier beschädigt - 22 Liverpooler Markt - ruhig bei gestrigen Preisen; Manchester Markt-fest. Ein Teil des Uberflusses geht nach der Levante. Deutsche Käufer bleiben nach wie vor dem Markt fern.
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Engels an Marx in London
Lieber Marx, Inliegend ein Brief von Weydemeyer, der mir beute mittag zukam. Die Nachrichten soweit ganz gut, Heinzens Blatt1 am Krepieren und W[eydemeyer] schon jetzt imstande, mit einer Wochenzeitung aufzutreten1307'. Aber die Forderung, ihm bis Freitag abend einen Artikel zuzuschicken, ist etwas stark - besonders unter den jetzigen Umständen. Und doch schmachten die Leute grade jetzt dort nach Räsonnements und Anhaltspunkten über die französische Geschichte, und wenn man etwas Eklatantes über die Situation sagen könnte, so wäre damit der Sukzeß des Unternehmens in der ersten No. zu machen. Aber das ist grade der Haken, und wie gewöhnlich überlasse ich Dir wieder die Schwierigkeit, und was ich auch schreiben mag, jedenfalls ist's nicht über den coup de tete2 von Kräpülinski1303'. Du kannst ihm darüber jedenfalls einen diplomatisch-rückenfreihaltend-epöchemachenden Artikel schreiben. Was ich tue, weiß ich noch nicht, jedenfalls versuch' ich irgend etwas. Den Schnapper kann ich nicht schicken12921, erstens ist das erste Kapitel matt, und zweitens ließ ich das Ding ganz sein, seitdem die Geschichte anfängt, komische Romane zu schreiben - eine etwas zu gefährliche Konkurrenz. Ich werde indes einige komische Szenen mehr in den Plan aufnehmen und dann das Ding wieder anfangen - das aber paßt durchaus nicht für dort, und ohnehin will Wjeydemeyer] Sachen haben, worunter unser Name steht. Schreib mir umgehend, \Vas Du zu tun gedenkst, le temps presse3; der Samstagssteamer kann nicht vor Neujahr in New York eintreffen, und das ist schlimm, noch schlimmer ist die uns gelassene kurze Galgenfrist. Wfeydemeyer] soll nur seine Finger so lange aus den amerikanischen Geschichten herauslassen, bis er die Namen dort richtig schreiben kann. Es ist schade, daß er nicht erst Zeit hat, sich zu orientieren und etwas Englisch zu lernen. Die „Abolutionisten"[3081 würden für Heinzen ein famoses Fressen sein. Was Weerth angeht, so seh' ich den morgen oder übermorgen
1 „Deutsche Schnellpost" - 2 Geniestreich - s die Zeit drängt
hier und werde sehn, was er leisten kann. Nächste Woche, vielleicht schon Samstag abend, bin ich in London, und wir können dann das Weitere absprechen; inzwischen ist bloß die Frage, was für die erste No. zu tun ist, damit kann nicht gewartet werden, und schreib mir also umgehend, was Du zu tun gedenkst. Weyd[emeyer] scheint in kommerzieller Beziehung, wie nach diesem Brief zu schließen, allerdings noch etwas „grün" zu sein, ich werde ihm darüber die nötigen Andeutungen geben. Er kennt sein Publikum noch gar nicht. Lupus kann auch sich gleich in Bewegung setzen, um zu sehn, was er für die erste No. zustande bringt, Wfeydemeyer] wird um Material sehr verlegen sein. Was sagst Du zu den französischen Fonds, die gestern 101,50 c. standen l1/2% über Pari -, das keilt dem L[ouis]-N[apoleon] Stimmen die Menge, besser als alle bezahlten Zeitungslügen. Auch die Exzesse der Bauern im Süden und Zentrum helfen ihm. Ein Teil davon ist gewiß richtig und kann von dieser Barbarenrace gar nicht anders erwartet werden. Die Kerls kümmern sich um die Regierung pp. den Teufel, aber ihr erstes ist, dem Steuereinnehmer und Notar das Haus zu demolieren und die Frau zu notzüchtigen und ihn selbst totzuschlagen, wenn sie ihn fassen. Die Sache hat an sich au fond4 wenig zu bedeuten und geschieht den Herren ganz recht, aber dem Napoleon jagt sie alles zu, was irgend etwas zu verlieren hat. In der Tat, die Invasion der einheimischen Barbaren, wenn sie einmal kommt, verspricht, ein erheiterndes Schauspiel werden zu wollen, und wohl denen, unter deren Regierung dergleichen angenehme Geschichten vorfallen. Das Steigen der Fonds jetzt ist gewiß nicht mehr Regierungsmanöver, sondern Ausdruck der in Vertrauen auf L[ouis]-N[apoleon] übersetzten Angst der haute finance5 vor dem Lebendiggeschundenwerden, das der wahrhaftige „ConstitutionneP'in so lebhaften Farben schildert. Also schreib mir gleich wegen Wfeydemeyer]. Dein F.E. [Manchester] 16. Dezember 51
* im Grunde - 5 Vertreter des Finanzkapitals
Zweiter Teil Briefe von Marx und Engels an dritte Personen
Februar 1842-Dezember 1851

1842
l
Marx an Arnold Rüge in Dresden13091
Trier, den lOten Februar [1842]
Lieber Freund! leb bin so frei, Ihnen in beiliegender Kritik der Zensurinstruktion1 einen kleinen Beitrag für die „Deutschen Jahrbücher" zu liefern. Ist der Aufsatz passend für Ihr Blatt, so bitte ich, meinen Namen, Wigand ausgenommen, einstweilen nicht zu nennen und mir ferner die Nummern der „Deutschen Jahrbücher", die meinen Aufsatz enthalten, sofort per Post zuzusenden; denn einstweilen in Trier bin ich von der literarischen Welt vollständig exldudiert. Es versteht sich, daß es im Interesse der Sache liegt, den Druck zu beschleunigen, wenn nicht die Zensur meine Zensur zensiert. Wissen Sie noch keinen Kritiker für Vatkes superkluges Buch „über die Sünde" - wär's nicht so verzweifelt klug, man wär' versucht, es dumm zu nennen -, so steht Ihnen mein kritischer Eifer zu Gebot. Ebenso wäre es vielleicht passend, Bayers Schrift über „den sittlichen Geist" noch einmal vorzunehmen. Feuerbachs Kritik13101 war ein Freundschaftsdienst. So ehrenvoll die moralische Gesinnung Bayers, so schwach und selbst unsittlich ist seine Schrift selbst. Sehr lieb wär* es mir, wenn Sie Wigand zukommen ließen, daß mein Manuskript in einigen Tagen eintreffen wird. Bauers2 Brief, der die endliche Absendung desselben anordnete, fand mich an einer schweren Krankheit daniederliegend, weshalb er mir erst vor einigen Tagen überreicht wurde. Mit beiliegendem Aufsatz beschäftigt, konnte ich die nötigen Korrekturen nicht vornehmen.
1 „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion" - 2 Bruno Bauer
Da ich jetzt mit weitschweifigen Arbeiten am Abschluß bin, versteht es sich von selbst, daß den „Deutschen Jahrbüchern" alles, was meine Kräfte vermögen, zu Gebote steht. Mit aufrichtiger Hochachtung Marx
Meine Adresse ist: An Dr. Marx zu Trier, abzugeben an Geh. Regierungsrat von Westphalen.
2
Marx an Arnold Rüge in Dresden
Trier, den 5ten März [1842]
Lieber Freund! Ich stimme gänzlich mit dem Plan der „Anecdota philosophica"13111 überein; halte es auch für besser, wenn Sie meinen Namen mitnennen. Eine solche Demonstration verbietet durch ihren Charakter wohl alle Anonymität. Die Herren müssen sehn, daß man guten Gewissens ist. Bei der plötzlichen Wiedergeburt der sächsischen Zensur wird wohl von vornherein der Druck meiner „Abhandlung über christliche Kunst", die als zweiter Teil der „Posaune"13121 erscheinen sollte, ganz unmöglich sein. Wie wäre es, wenn sie in einer modifizierten Redaktion den „Anecdotis" inseriert würde. Die Masse Zensurwidrigkeiten, die jetzt in den Geistern stecken, erlaubt vielleicht auch, die „Anekdota" in mehreren, wie es der Stoff gibt, vereinzelt ausgegebnen Lieferungen erscheinen zu lassen! Ein andrer Aufsatz, den ich ebenfalls den „Deutschen Jahrbüchern" bestimmt hatte, ist eine Kritik des Hegeischen Naturrechts, soweit es innere Verfassung betrifft1. Der Kern ist die Bekämpfung der konstitutionellen Monarchie als eines durch und durch sich widersprechenden und aufhebenden Zwitterdings. Res publica ist gar nicht deutsch zu übersetzen. Ich würde beide Aufsätze gleich zur Probe mitschicken, wenn sie nicht der Reinschrift und teilweise der Korrektur bedürften. Mein künftiger Schwiegervater, Herr von Westphalen, lag nämlich dreiMonate auf dem Sterbebette und istvorgestern mit Tod abgegangen. Während dieser Zeit war es daher unmöglich, was Rechtes zu tun. Über das andere nächstens. Mit der aufrichtigsten Hochachtung Ihr ergebener Marx
1 „Aus der Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie"
Apropos. In dem Manuskript über die Zensur3 heißt es durch Versehn: „die Zensur der Tendenz und die Tendenzzensur". Soll heißen „die Zensur der Tendenz und die Tendenz der Zensur". Wollen Sie mir gefälligst die Antwort direkt per Post nach Trier schicken. Bauer ist suspendiert, wie er soeben schreibt[3131, par lit de justice.4
3 „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion" - 4 (hier:) auf königliche Anordnung
3
Marx an Arnold Rüge in Dresden
Trier, den 20ten März [18421
Lieber Freund! Die Novizen sind die Frömmsten, wie Sachsen ad oculos1 beweist. Bauer2 hatte einmal in Berlin eine ähnliche Szene mit Eichhorn wie Sie mit dem Minister des Innern. Die oratorischen Figuren dieser Herren sehn sich so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Dagegen ist es eine Ausnahme, daß die Philosophie verständlich mit der Staatsweisheit dieser hochbeteurenden Schiirken spricht, und selbst etwas Fanatismus schadet nichts. Nichts ist diesen weltlichen Vorsehungen schwerer glaublich zu machen als der Glauben an die Wahrheit und die geistige Gesinnung. Es sind so skeptische Staatsdandies, so routinierte Stutzer, daß sie nicht mehr an wahre interesselose Liebe glauben. Wie soll man nun diesen Roues beikommen als mit dem, was droben Fanatismus heißt? Ein Gardelieutenant hält einen Liebhaber, der ehrliche Absichten hat, für einen Fanatiker. Sollte man darum nicht mehr heiraten? Es ist merkwürdig, wie der Glaube an die Vertierung der Menschen Regierungsglauben und Regierungsprinzip geworden ist. Doch das widerspricht der Religiosität nicht, denn die Tierreligion ist wohl die konsequenteste Existenz der Religion, und vielleicht wird es bald nötig sein, statt von der religiösen Anthropologie von der religiösen Zoologie zu sprechen. Soviel wußte ich schon, als ich noch jung und gut war, daß die Eier, die man in Berlin legt, keine Leda-Eier, sondern Gänse-Eier sind. Etwas später kam die Einsicht, daß es Krokodileier sind, so z.B. das neueste Ei, wodurch angeblich auf Antrag der rheinischen Stände die ungesetzlichen Beschränkungen der französischen Gesetzgebung betreffs Hochverrats etc. Beamtenvergehn aufgehoben sind.18141 Diesmal aber, weil es sich von objektiven gesetzlichen Bestimmungen handelt, ist der Hokuspokus so dumm, daß die dümmsten rheinischen Juristen ihn sofort durchschaut haben. Zugleich hat Preußen das gewiß naive Bewußtsein ausgesprochen, daß die Offen t
1 augenfällig - 2 Bruno Bauer
lichkeit der Gerichtsverhandlungen das Ansehn und den Kredit der preußischen Beamten aufs Spiel setzen würde. Das ist doch einmal ein rundes Bekenntnis. Unsere rheinischen Schreibereien über Öffentlichkeit und Mündlichkeit laborieren alle an einem Grundübel. Die ehrlichen Leute beweisen fort und fort, daß dies keine politischen, sondern bloß rechtliche Institutionen, daß sie Recht und nicht Unrecht seien. Als wenn es sich darum handelte! Als wenn das Schlimme an diesen Einrichtungen nicht eben darin bestände, daß sie Recht sind! Ich hätte große Lust, das Gegenteil zu beweisen, nämlich daß Preußen Öffentlichkeit und Mündlichkeit nicht einführen darf, weil freie Gerichte und ein unfreier Staat sich nicht entsprechen. Ebenso müßte man Preußen eine große Eloge von wegen seiner Frömmigkeit halten, denn ein transzendenter Staat und eine positive • Religion gehören zusammen wie ein Taschengott zu einem russischen Spitzbuben. Der Bülow-Cummerowläßt, wie Sie aus den chinesischen Zeitungen[315' ersehn haben werden, seine Feder mit seinem Pfluge kokettieren'3161. 0 über diese ländliche Kokette, die gemachte Blumen trägt! Ich glaube, Schriftsteller von dieser irdischen Stellung, die Stellung auf dem Acker ist doch wohl irdisch, wären erwünscht, noch erwünschter, wenn künftig der Pflug für die Feder dächte und schriebe, die Feder dagegen Frondienste als Revanche verrichtete. Vielleicht kömmt es dahin bei der jetzigen Uniformität der deutschen Regierungen, doch je uniformer die Regierungen, je vielformiger sind heutzutage die Philosophen, und hoffentlich besiegt das vielformige Heer das uniforme. Ad rent3, denn die Politika gehören bei uns biedern moralischen Deutschen zu den Formalia, woher Voltaire schon herleitet, daß wir die gründlichsten Lehrbücher über öffentliches Recht besitzen. Also weis die Sache betrifft, so habe ich gefunden, daß der Aufsatz „über christliche Kunst", der jetzt umgewandelt ist in „über Religion und Kunst mit besondrer Beziehung auf christliche Kunst", total zu reformieren ist, indem der Posaunenton, worin ich redlich erfüllt hatte: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege. Du machst mich mit Deinem Gebot weiser, denn meine Feinde sind, denn Deine Zeugnisse sind meine Rede, und Er, der Herr wird aus Zion brüllen" '3171, dieser Posaunenton samt der lästigen Gefangenschaft in Hegels Darstellung jetzt mit einer freieren, daher gründlicheren Darstellung zu verwechseln ist. In einigen Tagen muß ich nun auch nach Köln reisen, wo ich mein neues Domizil
3 Zur Sache
Rüge bei den Berliner „Freien"' [27] Karikatur von Friedrich Engels (1842)
Das Begräbnis der „Rheinischen Zeitung" [375] (Zeitgenossische Karikatur)
aufschlage13181, da die Nähe der Bonner Professoren mir unerträglich ist. Wer will immer mit geistigen Stinktieren konversieren, mit Leuten, die nur lernen, um neue Bretter an allen Ecken der Welt zu finden! Also aus diesen Umständen könnte ich die Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie wohl für die nächsten „Anekdota" nicht mitschicken (da sie auch für die „Posaune" geschrieben war), die Abhandlung über religiöse Kunst verspreche ich bis Mitte April, wenn Sie so lange warten wollen. Es wäre mir um so lieber, da ich von neuem point de vue4 die Sache betrachte, auch als Anhangskapitel einen Epilog de Romanticis5 gebe. Ich werde einstweilen tätigst, um goethisch zu sprechen, an der Sache fortarbeiten und Ihre Bestimmung abwarten. Wollen Sie mir gefälligst hierüber nach Köln schreiben, wo ich anfangs nächsten Monats sein werde. Da ich daselbst noch kein bestimmtes Domizil habe, bitte ich, mir den Brief unter der Adresse von Jung einzusenden. In der Abhandlung selbst müßte ich notwendig über das allgemeine Wesen der Religion sprechen, wo ich einigermaßen mit Feuerbach in Kollision gerate, eine Kollision, die nicht das Prinzip, sondern seine Fassung betrifft. Jedenfalls gewinnt die Religion nicht dabei. Von Koppen habe ich lange nichts gehört. Haben Sie sich noch nie an Christiemsen in Kiel gewandt? Ich kenne ihn nur aus seiner römischen Rechtsgeschichte, die indes auch manches über Religion und Philosophie überhaupt enthält. Er scheint ein sehr vorzüglicher Kopf, obgleich er damals, wenn er an eigentliches Philosophieren kommt, ganz erschrecklich unverständlich und formell schreibt. Vielleicht schreibt er jetzt auch Deutsch. Sonst scheint er a la hauteur des prineipes6. Ich freue mich sehr, Sie hier am Rhein zu sehn. Ihr Marx
Bauer schreibt mir soeben, daß er wieder nach dem Norden will, in der törichten Meinung, seinen Prozeß contra preußische Regierung daselbst besser führen zu können. Berlin liegt zu nahe bei Spandau. Jedenfalls ist es gut, daß Bauer die Sache nicht so hingehn läßt. Wie ich hier von meinem künftigen Schwager7, einem Aristokraten comme il faut8, erfahre, ärgert man sich in Berlin am meisten über Bauers bonne foi9.
4 Gesichtspunkt - 5 über die Romantiker - 6 auf der Höhe der Prinzipien - 7 Ferdinand von Westphalen - 8 wie er sein muß - 9 Vertrauensseligkeit
26 Marx/Engels. Werke. Bd. 27
4
Marx an Arnold Rüge in Dresden
Bei Maschinenmacher Krämer Bonn, den 27. April [1842]
Lieber [..-]1 Sie müssen nicht ungeduldig werden, wenn meine Beiträge sich noch einige Teige, aber nur wenige Tage noch verziehn. Bauer3 wird Ihnen vielleicht mündlich mitteilen, wie sehr dieser Monat durch allerlei äußeren Wirrwarr mir das Arbeiten fast unmöglich machte. Dennoch bin ich beinahe fertig. Ich werde Ihnen vier Aufsätze einsenden: 1. „über religiöse Kunst", 2. „über die Romantiker", 3. „das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule", 4. „die positiven Philosophen", die ich ein wenig gekitzelt habe. Die Aufsätze hängen dem Inhalt nach zusammen.1319:1 Den Aufsatz über religiöse Kunst erhalten Sie in einem Duodezauszug, da die Sache unter der Hand beinahe zu einem Buch herangewachsen ist und ich in allerlei Untersuchungen hineingeraten bin, die noch längere Zeit hinnehmen werden. Meinen Plan, in Köln zu residieren, habe ich aufgegeben, da das Leben mir dort zu geräuschvoll ist und mein vor lauter guten Freunden nicht zur bessern Philosophie kömmt. Der „Rheinischen Zeitung" habe ich einen langen Aufsatz über unsren letzten rheinischen Landtag mit einer frivolen Introduktion über die „Preußische Staats-Zeitung" zugesandt.3 Bei Gelegenheit der Preßdebatten komme ich wieder auf Zensur und Preßfreiheit zurück von andren Gesichtspunkten aus. . Einstweilen wird also Bonn meine Stätte bleiben, und es wäre auch schade, wenn niemand hierbliebe, an dem die Heiligen ein Ärgernis nehmen.
1 Der Name ist im Original von unbekannter Hand unkenntlich gemacht - 2 Bruno Bauer 3 „Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Erster Artikel: Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen"
Gestern kam der Hasse aus Greifswald an, an dem ich nie etwas andres als seine großen Landpfarrerstiefel bewundert habe. Er sprach auch ganz wie ein Landpfarrerstiefel, wußte von Gott und der Welt nichts, präpariert die Ausgabe eines mehrbändigen Buchs über den langweiligen Anseimus von Canterbury, woran er 10 Jahre gesessent320], meint, die jetzige Kritik sei ein Moment, was überwunden werden müsse, spricht von der Religiosität als einem Produkt der Lebenserfahrung, worunter er wahrscheinlich seine gedeihliche Kinderzucht und seinen dicken Bauch versteht, denn dicke Bäuche machen allerlei Erfahrungen und, sagt Kant, wenn's nach hinten geht, wird's ein F., wenn nach oben, eine religiöse Inspiration. Der fromme Hasse mit seinen religiösen Verstopfungen! Was wir hier aus Ihren Briefen über den Vatkeschen Mangel an „vollem Herzen" erfahren haben, war uns höchst ergetzlich. Dieser superkluge diplomatische Vatke, der so gern der größte Kritiker und der größte Gläubige wäre, der es immer am besten weiß, hat nun für die eine Partei kein Herz und für die andre keinen Kopf. Hic jacet4 Vatke, ein denkwürdiges Beispiel, wohin die Sucht zum Kartenspiel und zur religiösen Musik führt. Der Fichte, der sich hier in den Mantel seiner Unpopularität einhüllt, hat das halb zweideutige Gerücht verbreitet, daß er nach Tübingen berufen. Die Fakultät entspricht seinem Wunsche nicht, ihn durch Gehaltszulage zu fesseln. Sack reist in aller Frömmigkeit nach Berlin, um auf die Verrücktheit seines Bruders zu spekulieren und dessen Stelle zu rogieren5. Nichts als Krieg und Liederlichkeit, sagt Thersites, und wenn man der hiesigen Universität keine Kriege vorzuwerfen hat, so fehlt's wenigstens an Liederlichkeit nicht. Wollen Sie Ihre Reise an den Rhein nicht einmal durchführen?
Ihr Marx
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Engels an Arnold Rüge in Dresden
Geehrter Herr Doktor! Inliegend einen Artikel für die „Jahrblücher]"1. Die Dante-Geschichte hab' ich einstweilen beiseite gelegt. Ich würde bereits eher geschickt haben, wenn ich einigermaßen Zeit gehabt hätte. Ihren Brief empfing ich, nachdem er viele Irrfahrten gemacht hatte. Warum ich „Schelling und die Offenbarung" nicht für die „Jahrb." einsandte? 1. Weil ich auf ein Buch von 5-6 Bogen rechnete und erst im Laufe der Unterhandlungen mit dem Verleger auf den Raum von S1^ Bogen beschränkt wurde; 2. weil die „Jahrb." bis dahin über Schelling noch immer etwas zurückgehalten hatten; 3. weil mir hier abgeraten wurde, Schfelling] fernerhin in einem Journale anzugreifen, dagegen lieber gleich eine Broschüre gegen ihn loszulassen. „Schelling, der Philosoph in Christo" rührt ebenfalls von mir her. Doktor bin ich übrigens nicht und kann es nie werden, ich bin nur Kaufmann und k[öniglich] preußischer Artillerist1321 erlassen Sie mir also gütigst jenen Titel. Ich denke mich recht bald wieder mit einigem Manuskript bei Ihnen einzustellen, einstweilen empfehle ich mich Ihnen
hochachtungsvoll F. Engels (Oswald)
Berlin, 15. Juni 42 Dorotheenstr. 56
1 „Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen"
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Marx an Arnold Rüge in Dresden
Trier, den 9ten Juli [1842]
Lieber Freund! Wenn nicht die Ereignisse mich entschuldigten, würde ich jeden Versuch einer Exkuse aufgeben. Es versteht sich von selbst, daß ich es mir zur Ehre anrechne, an den „Anecdotis" mitzuarbeiten und nur durch unangenehme Äußerlichkeiten von der Einsendung meiner Beiträge kohibiert worden. Seit dem Monat April bis heute habe ich im ganzen vielleicht nur, aufs höchste, 4 Wochen, und diese nicht einmal ununterbrochen, arbeiten können. 6 Wochen mußte ich wegen eines neuen Todesfalls in Trier zubringen, die übrige Zeit war zerstückelt und verstimmt durch die allerwidrigsten Familienkontroversen. Meine Familie legte mir Schwierigkeiten in den Weg, die mich trotz ihres Wohlstandes momentan den drückendsten Verhältnissen aussetzten. Ich kann Sie unmöglich mit der Erzählung dieser Privatlumpereien belästigen; es ist ein wahres Glück, daß die öffentlichen Lumpereien jede mögliche Irritabilität für das Private einem Menschen von Charakter unmöglich machen. Während dieser Zeit schrieb ich für die „Rheinische", der ich schon lange die Einsendung meiner Artikel schuldig war etc. etc. Ich hätte Sie längst von diesen Intermezzos benachrichtigt, wenn ich nicht gehofft, von Augenblick zu Augenblick meine Arbeiten selbst beendigen zu können. Ich reise in einigen Tagen nach Bonn und werde nichts anrühren, bis ich die Beiträge für die „Anekdota" beendigt. Es versteht sich, daß ich bei dieser Sachlage vorzugsweise das „über Kunst und Religion" nicht so gründlich ausarbeiten konnte, wie der Stoff es erheischt. Glauben Sie übrigens nicht, daß wir am Rhein in einem politischen Eldorado leben. Es gehört die konsequenteste Zähigkeit dazu, um eine Zeitung wie die „Rheinische" durchzuschlagen. Mein zweiter Artikel über den Landtag, betreffend die kirchlichen Wirren, ist gestrichen.13221 Ich habe darin nachgewiesen, wie die Verteidiger des Staats sich auf kirchlichen und die Verteidiger der Kirche sich auf staatlichen Standpunkt gestellt. Dieser
Inzident ist der „Rheinischen" um so unlieber, als die dummen kölnischen Katholiken in die Falle gelaufen und die Verteidigung des Erzbischofs Abonnenten gelockt hätte. Sie haben übrigens schwerlich eine Vorstellung, wie niederträchtig die Gewaltleute und wie dumm zugleich sie mit dem orthodoxen Dickkopf umgesprungen sind. Aber der Erfolg hat das Werk gekrönt; Preußen hat dem Papst vor aller Welt den Pantoffel geküßt, und unsre Regierungsmaschinen gehn über die Straßen, ohne zu erröten. Die „Rheinische Zeitung" nimmt jetzt wegen des Artikels Rekurs. Überhaupt beginnt der Kampf für sie. In der „Kölnischen Zeitung" hat der Schreiber der Leadingartikel1, Hermes, Ex-Redakteur der ehemaligen politischen „Hannoverzeitung", die Partei des Christentums gegen die philosophischen Zeitungen in Königsberg und Köln ergriffen. Wenn der Zensor nicht wieder einen Streich spielt, wird in dem nächsten Beiblatt eine Replik von mir erscheinen2. Die religiöse Partei ist am Rhein die gefährlichste. Die Opposition hat sich letzter Zeit zu sehr gewöhnt, innerhalb der Kirche zu opponieren. Wissen Sie was Näheres von den sogenannten „Freien"[15!? Der Artikel in der „Königsberger" war mindestens nicht diplomatisch.1323' Ein anderes ist, seine Emanzipation erklären, was Gewissenhaftigkeit ist, ein anderes, sich im voraus als Propaganda ausschreien, was nach Renommisterei klingt und den Philister aufbringt. Und dann, bedenken Sie diese „Freien", ein Meyen etc. Doch allerdings, wenn eine Stadt, ist Berlin zu dergleichen Unternehmungen geeignet. Der kölnische Hermes wird mich wohl in Polemik fortlaufend verwickeln, und so ignorant, seicht und trivial der Kerl ist, so ist er doch eben durch diese Qualitäten der Herold des Philistertums, und ich habe vor, ihn nicht fortschwatzen zu lassen. Die Mittelmäßigkeit darf nicht länger das Privilegium der Unangreifbarkeit geben. Hermes wird mir auch mit den „Freien" auf den Hals rücken, von denen ich leider auch nicht das geringste Sichere weiß. Es ist ein Glück, daß Bauer3 in Berlin ist. Er wird wenigstens keine „Dummheiten" begehn lassen, und das einzige, was in dieser Sache (wenn sie wahr ist und kein bloßer absichtlicher Zeitungsversuch) mich beunruhigt, ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Berliner Fadheit irgendwie ihre gute Sache lächerlich macht und diverse „Dummheiten" bei dem Ernst nicht entbehren kann. Wer so lang unter diesen Leuten war, wie ich, wird diese Besorgnis nicht unbegründet finden. Was machen Ihre „Jahrbücher"?
1 Leitartikel - 2 „Der leitende Artikel in Nr. 179 der .Kölnischen Zeitung'" - 3 Bruno Bauer
Da Sie mitten im Fokus der philosophischen und theologischen Neuigkeiten sitzen, so wünschte ich nichts mehr, als von Ihnen einiges über die gegenwärtige Lage zu erfahren. Man sieht hier zwar den Stunden-, aber nicht den Minutenzeiger. Der alte Marheineke scheint es für nötig gehalten zu haben, die gänzliche Impotenz des Althegeltums vor aller Welt zu dokumentieren. Sein Votum ist ein Schandvotum.13241 Werden die Sachsen auf diesem Ländtag nicht die Zensur denunzieren? Schöne Konstitutionalitäten. Mit der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören Ihr Marx
Der Rutenberg beschwert mein Gewissen. Ich habe ihn an die Redaktion der „Rheinischen" gebracht, und er ist gänzlich impotent. Über kurz oder lang wird man ihm den Weg weisen. Im Fall der erzbischöfliche Aufsatz nicht das Imprimatur von der höheren Zensurpolizei erhält, was raten Sie? Gedruckt muß er werden, 1. unsres Landtags, 2. der Regierung, 3. des christlichen Staats wegen. Soll ich ihn vielleicht Hoffmann und Campe zuschicken? Für die „Anekdota" scheint er mir nicht geeignet.
7 Engels an Arnold Rüge in Dresden
Hochgeehrter Herr! Diesmal schreibe ich Ihnen, um Ihnen anzuzeigen, daß ich Ihnen nichts senden werde. Ich habe den Entschluß gefaßt, für einige Zeit aller literarischen Tätigkeit zu entsagen und dafür desto mehr zu studieren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Ich bin jung und Autodidakt in der Philosophie. Ich habe genug gelernt, um mir eine Überzeugung zu bilden und sie nötigenfalls zu vertreten. Aber nicht genug, um mit Erfolg und gehörig für sie wirken zu können. Man wird um so mehr Anforderungen an mich machen, als ich „philosophischer Musterreiter" bin und mir nicht durch ein Doktordiplom das Recht zu philosophieren erkauft habe. Ich denke, wenn ich wieder einmal, und dann unter eigenem Namen'325', etwas schreibe, diesen Anforderungen zu genügen. Und zudem darf ich meine Zeit jetzt nicht zu sehr zersplittern, da sie in kurzem wohl wieder durch kaufmännische Arbeiten mehr in Anspruch genommen werden wird. Meine bisherige literarische Tätigkeit, subjektiv genommen, bestand aus lauter Versuchen, deren Erfolg mich lehren sollte, ob meine natürlichen Anlagen mir eine fruchtbare Wirksamkeit für den Fortschritt, eine lebendige Teilnahme an der Bewegung des Jahrhunderts gestatteten. Ich kann mit dem Erfolg zufrieden sein und halte es nun für meine Pflicht, durch ein Studium, das ich mit doppelter Lust fortsetze, mir auch das immer mehr anzueignen, was einem nicht angeboren wird. Wenn ich im Oktober nach meiner rheinischen Heimat zurückkehre1321', denk* ich in Dresden Sie zu treffen und Ihnen mehr davon zu erzählen. Einstweilen leben Sie wohl und gedenken Sie meiner dann und wann. Der Ihrige Berlin, 26. 7.42 F. Engels Haben Sie Jungs Erwiderung1326' gelesen? Ich behaupte, sie ist das Beste, was er bis jetzt geschrieben hat. Übrigens ist jetzt der andere Jung1 von der „Rheinischen] Ztg." aus Köln hier und wird Sie auf seiner Rückreise in einigen Wochen besuchen. 1 Georg Jung
8
Marx an Dagobert Oppenheim in Köln
[Bonn, um den 25. August 1842J
Lieber Oppenheim! Einliegend ein Manuskript von Rüge. Nr. 1 wird unbrauchbar sein; Nr. 2 über die sächsischen Zustände werden Sie wohl brauchen können'3271. Schicken Sie mir den Aufsatz von Mayer in der „Rheinischen Zeit[ung]" über das Kommunalwesen und, wo möglich, sämtliche Aufsätze von Hermes gegen das Judentuml32Si. Ich will Ihnen dann sobald als möglich einen Aufsatz schicken, der letztere Frage, wenn auch nicht abschließen, doch in eine andere Bahn bringen wird. Geht der Aufsatz über Hannover13291 durch? Versuchen Sie wenigstens bald mit einem kleinen Anfang. Es ist nicht so sehr um diesen Aufsatz selbst zu tun, als um eine Reihe tüchtiger Arbeiten, die ich Ihnen dann von jener Seite her versprechen kann. Der Verfasser desselben schrieb mir gestern: „ Ich glaube nicht, daß dem Absätze der Zeitung in Hannover aus meinem Angriffe auf die Opposition Schaden erwachsen wird; im Gegenteil ist man dort ziemlich allgemein so weit gekommen, daß meine ausgesprochenen Ansichten als wahr angenommen werden." Wenn es mit Ihrer Ansicht von der Sache übereinstimmt, so schicken Sie mir auch den Juste-milieu-Artikel[330] zur Kritik. Mein muß die Sache leidenschaftslos besprechen. Erstens sind ganz allgemeine theoretische Erörterungen über Staatsverfassung eher passend für rein wissenschaftliche Organe als für Zeitungen. Die wahre Theorie muß innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen klargemacht und entwickelt werden. Allein, da es nun einmal geschehen ist, so ist ein Doppeltes zu berücksichtigen. Bei jeder Gelegenheit, wo wir in Streit mit andern Tagesblättern geraten, kann man uns, geschehe es früher oder später, die Sache aufmutzen. Eine so deudiche Demonstration gegen die Grundpfeiler der jetzigen Staatszustände kann Schärfung der Zensur, selbst Unterdrückung des Blatts zur Folge haben. Auf diese Weise ging die süddeutsche „Tribüne" unter. Jedenfalls aber verstimmen wir eine große, und zwar die größte Menge freigesinnter praktischer Männer, welche die mühsame Rolle über
nommen haben, Stufe vor Stufe, innerhalb der konstitutionellen Schranken, die Freiheit zu erkämpfen, während wir von dem bequemen Sessel der Abstraktion ihre Widersprüche ihnen vordemonstrieren. Es ist zwar wahr: Der Verfasser des Juste-milieu-Artikels fordert zur Kritik auf; aber 1. wissen wir doch alle, wie die Regierungen auf solche Herausforderungen antworten; 2. ist es nicht genug, daß jemand sich der Kritik unterwirft, die ihn ohnehin nicht um Erlaubnis fragen wird; es fragt sich, ob er das gehörige Terrain auswählt. Zeitungen fangen erst dann an, das passende Terrain für solche Fragen zu sein, wenn diese Fragen, Fragen des wirklichen Staats, praktische Fragen geworden sind. Ich halte es für unumgänglich, daß die „Rh[einische] Zeitung" nicht sowohl von ihren Mitarbeitern geleitet wird, als daß sie vielmehr umgekehrt ihre Mitarbeiter leitet. Aufsätze wie der berührte geben die beste Gelegenheit, einen bestimmten Operationsplan den Mitarbeitern anzudeuten. Der einzelne Schriftsteller kann nicht in der Weise das Ganze vor Augen haben, als die Zeitung. Sollten meine Ansichten nicht mit den Ihrigen übereinstimmen, so -würde ich, falls Sie es nicht für unpassend halten, in den „Anecdotis" als Anhang zu meinem Aufsatz gegen Hegels Lehre von der konstitutionellen Monarchie1 diese Kritik liefern. Ich halte es aber für besser, wenn die Zeitung selbst ihr eigener Arzt ist. Indem ich bald Ihre Antwort erwarte Ihr Marx
1 Siehe vorl. Band, S. 397
9
Marx an Arnold Rüge in Dresden13311
Köln, 30. Nov. [1842]
Lieber Freund! Mein heutiger Brief soll sich auf „Wirren" mit den „Freien"115' beschränken. Sie wissen schon, daß die Zensur uns täglich schonungslos, so daß oft kaum die Zeitung erscheinen kann, zerfetzt. Dadurch fielen eine Masse Artikel der „Freien". Ebensoviel, wie der Zensor, erlaubte ich mir selbst zu annullieren, indem Meyen und Konsorten weltumwälzungsschwangre und gedankenleere Sudeleien in saloppem Stil, mit etwas Atheismus und Kommunismus (den die Herren nie studiert haben) versetzt, haufenweise uns zusandten, bei Rutenbergs gänzlichem Mangel an Kritik, Selbständigkeit und Fähigkeit sich gewöhnt hatten, die „Rhfeinische] Zfeitung]" als ihr willenloses Organ zu betrachten, ich aber nicht weiter dies Wasserabschlagen in alter Weise gestatten zu dürfen glaubte. Dies Wegfallen einiger unschätzbaren Produktionen der „Freiheit", einer Freiheit, die vorzugsweise bestrebt ist, „von allen Gedanken frei zu sein", war also der erste Grund einer Verfinsterung des Berliner Himmels. Rutenberg, dem schon der deutsche Artikel (an dem seine Tätigkeit hauptsächlich im Interpunktieren bestand) gekündigt, dem nur auf mein Verwenden der französische provisorisch übertragen worden, Rutenberg hatte bei der ungeheuren Dummheit unserer Staatsvorsehung das Glück, für gefährlich zu gelten, obgleich er niemandem gefährlich war, als der „Rheinischen Z." und sich selbst. Rut[enberg]s Entfernung wurde gewaltsam verlangt. Die preußische Vorsehung, dieser despotisme prussien, le plus hypocrite, le plus fourbe1, ersparte dem Geranten einen unangenehmen Auftritt, und der neue Märtyrer, der schon in Physiognomie, Haltung und Sprache das Märtyrerbewußtsein mit einiger Virtuosität darzustellen weiß, Rutenberg beutet diese Gelegenheit aus, schreibt in alle Welt, schreibt nach Berlin, er sei das exilierte Prinzip der „Rh.Z.", die eine andere Stellung
1 preußische Despotismus, der heuchlerischste, der betrügerischste
zur Regierung entriert. Es versteht sich von selbst, auch hierauf kamen Demonstrationen von den Freiheitsheroen an der Spree, „dem schmutzigen Wasser, das Seelen wäscht und Tee verdünnt"[332). Kam endlich hinzu Ihr und H[erwegh]s Verhältnis zu den „Freien", um das Maß der zürnenden Olympier vollzumachen.[333) Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von dem kleinen Meyen, dessen Lieblingskategorie mit großem Recht das Sollen ist, worin man mich über mein Verhältnis 1. zu Ihnen und H[erwegh], 2. zu den „Freien", 3. über das neue Redaktionsprinzip und die Stellung zur Regierung in Rede stellt. Ich antwortete gleich und sprach offen meine Ansicht aus von den Mängeln ihrer Arbeiten, die mehr in einer lizentiösen, sanskülottischen und dabei bequemen Form, als in freiem, d.h. selbständigem und tiefem Gehalt, die Freiheit finden. Ich forderte auf, weniger vages Räsonnement, großklingende Phrasen, selbstgefällige Bespiegelungen und mehr Bestimmtheit, mehr Eingehn in die konkreten Zustände, mehr Sachkenntnis an den Tag zu fördern. Ich erklärte, daß ich das Einschmuggeln kommunistischer und sozialistischer Dogmen, also einer neuen Weltanschauung, in beiläufigen Theaterkritiken etc. für unpassend, ja für unsittlich halte und eine ganz andere und gründlichere Besprechung des Kommunismus, wenn er einmal besprochen werden solle, verlange. Ich begehrte dann, die Religion mehr in der Kritik der politischen Zustände, als die politischen Zustände in der Religion zu kritisieren, da diese Wendung mehr dem Wesen einer Zeitung und der Bildung des Publikums entspricht, da die Religion, an sich inhaltslos, nicht vom Himmel, sondern von der Erde lebt, und mit der Auflösung der verkehrten Realität, deren Theorie sie ist, von selbst stürzt. Endlich wollte ich, daß, wenn einmal von Philosophie gesprochen, weniger mit der Firma: „Atheismus" getändelt (was den Kindern ähnlich sieht, die jedem, der's hören will, versichern, sie fürchteten sich nicht vor dem Bautzenmann), als vielmehr ihr Inhalt unter's Volk gebracht würde. Voilä tout.2 Gestern bekomme ich einen insolenten Brief von Meyen, der dies Schreiben noch nicht empfangen hatte und nun mich nach allen möglichen Dingen fragt: 1. ich solle mich erklären, wie ich's bei ihrem Zwist mit Bauer3, wovon ich kein Wort weiß, halte; 2. warum ich das und das nicht durchgelassen; wird mir mit Konservatismus gedroht; 3. die Zeitung dürfe nicht temperieren, sondern müsse das Äußerste tun, d.h. ruhig der Polizei und Zensur weichen, statt in einem demPublico unsichtbaren, aber nichtsdesto
2 Das ist alles. - 3 Bruno Bauer
weniger hartnäckigen und pflichtmäßigen Kampf ihren Posten behaupten. Endlich wird schmählich über Herweghs Verlobung etc. etc. berichtet. Aus allem dem leuchtet eine schreckliche Dosis Eitelkeit heraus, die nicht begreift, wie man, um ein politisches Organ zu retten, einige Berliner Windbeuteleien preisgeben kann, die an überhaupt nichts denkt als an ihre Cliquengeschichten. Dabei spreizte sich das Männchen wie ein Pfau, schlug sich beteuernd an die Brust, an den Degen, Heß was von „seiner" Partei fallen, drohte mit Ungnade, deklamierte a la Marquis Posa, bloß etwas schlechter u.dgl. Da wir nun von morgens bis abends die schrecklichsten Zensurquälereien, Ministerialschreibereien, Oberpräsidialbeschwerden[3341, Landtagsklagen, Schreien der Aktionäre etc. etc. zu tragen haben und ich bloß auf dem Posten bleibe, weil ich es für Pflicht halte, der Gewalt die Verwirklichung ihrer Absichten, soviel an mir, zu vereiteln, so können Sie denken, daß ich etwas gereizt bin und dem M[eyen] ziemlich derb geantwortet habe. Es ist also wahrscheinlich, daß die „Freien" sich auf einen Augenblick zurückziehen. Ich ersuche daher Sie dringend, sowohl selbst uns zu unterstützen mit Beiträgen, als auch Ihre Freunde dazu aufzufordern.
Ihr Marx
1843
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Marx an Arnold Rüge in Dresden
Köln, 25. Januar1 [1843]
Lieber [...]» Sie wissen wahrscheinlich schon, daß die „Rheinische] Zeitfur.g]" verboten, aufgehoben ist, eine Todeserklärung erhalten hat. Man hat ihren Termin bis zu Ende März gestellt. Während dieser Galgenfrist hat sie Doppelzensur. Unser Zensor3, ein ehrenwerter Mann, ist unter die Zensur des hiesigen Regierungspräsidenten von Gerlach, eines passiv gehorsamen Dummkopfs, gestellt, und zwar muß unser fertiges Blatt der Polizeinase zum Riechen präsentiert werden, und wenn sie was Unchristliches, Unpreußisches riecht, darf die Zeitung nicht erscheinen. Mehre speziellen Ursachen laufen zu diesem Verbot zusammen, unsere Verbreitung, meine Rechtfertigung des Moselkorrespondenten4, worin höchste Staatsmänner sehr blamiert wurden, unsere Obstination, den Einsender des Ehgesetzes13351 zu nennen, die Zusammenberufung der Landstände, auf die wir agitieren könnten, endlich unsre Kritiken des Verbots der „Leipziger] Allgemeinen] Z[eitung]"s und der „Deutschen] J[ahrbücher]". Das Ministerialreskript, was dieser Tage in den Zeitungen erscheinen wird, ist womöglich noch schwächer als die frühern. Als Motive werden angegeben: 1. die Lüge, daß wir keine Konzession hätten, als wenn in Preußen, wo kein Hund leben darf ohne seine Polizeimarke, die „Rh.Z." auch nur einen Tag ohne die offiziellen Lebensbedingungen hätte erscheinen können. 2. Die Zensurinstruktion vom 24.Dez. bezweckte eine Tendenzzensui. Unter Tendenz verstand man die Einbildung, den romantischen Glauben,
1 Im Original: Dez. - 2 der Name ist im Original von unbekannter Hand unkenntlich gemacht - 3 Wiethaus - 4 „Rechtfertigung des Ü-Korrespondenten von der Mosel" - 5 „Das Verbot der .Leipziger Allgemeinen Zeitung'" .
eine Freiheit zu besitzen, die man realiter zu besitzen Euch nicht erlauben würde. Wenn der verständige Jesuitismus, wie er unter der früheren Regierung herrschte, ein hartes Verstandesgesicht hatte, so verlangt dieser romantische Jesuitismus die Einbildungskraft als Hauptrequisit. Die zensierte Presse soll von der Einbildung der Freiheit und jenes prächtigen Mannes6, der diese Einbildung allerhöchst gestattete, zu leben wissen. Wenn aber die Zensurinstruktion eine Zensur der Tendenz wollte, so erklärt jetzt das Ministerialreskript: für durchgängig schlechte Tendenz sei das Verbot, die Unterdrückung in Frankfurt erfunden worden. Die Zensur sei nur da, um die Auswüchse der guten Tendenz zu zensieren, obgleich die Instruktion eben das Umgekehrte gesagt hatte, nämlich der guten Tendenz seien Auswüchse zu gestatten. 3. Der alte Larifari von schlechter Gesinnung, hohler Theorie, Dideldumdei etc. Mich hat nichts überrascht. Sie wissen, was ich gleich von der Zensurinstruktion hielt. Ich sehe hier nur eine Konsequenz, ich sehe in der Unterdrückung der „Rh.Z." einen Fortschritt des politischen Bewußtseins und resigniere daher. Außerdem war mir die Atmosphäre so schwül geworden. Es ist schlimm, Knechtsdienste selbst für die Freiheit zu verrichten und mit Nadeln, statt mit Kolben zu fechten. Ich bin der Heuchelei, der Dummheit, der rohen Autorität und unseres Schmiegens, Biegens, Rückendrehens und Wortklauberei müde gewesen. Also die Regierung hat mich wieder in Freiheit gesetzt. Ich bin, wie ich Ihnen schon einmal geschrieben, mit meiner Familie zerfallen7 und habe, so lang meine Mutter lebt, kein Recht auf mein Vermögen. Ich bin ferner verlobt und kann und darf und will nicht aus Deutschland ohne meine Braut8. Machte es sich also, daß ich etwa in Zürich mit Herwegh den „Deutschen] Bjoten]"!336) redigieren könnte, so wäre mir das lieb. In Deutschland kann ich nichts mehr beginnen. Man verfälscht sich hier selbst. Sollten Sie mir daher in dieser Angelegenheit Rat und Aufschlüsse geben wollen, so werde ich sehr dankbar sein. Ich arbeite an mehren Sachen, die hier in Deutschland weder Zensor noch Buchhändler, noch überhaupt irgendeine mögliche Existenz finden können. Ich erwarte baldigst Antwort von Ihnen. Ihr Marx
6 Friedrich Wilhelm IV. - 7 siehe vorl. Band, S. 405 - 8 Jenny von Westphalen
II
Marx an Arnold Rüge in Dresden
Köln, 13. März [1843]
Lieber Freund! Sobald als es irgend möglich ist, werde ich direkt nach Leipzig segeln. Soeben habe ich Stucke gesprochen, dem die meisten Staatsherrn in Berlin stark imponiert zu haben scheinen. Der Dr. Stucke ist ein sehr gutmütiger Mann. Was nun unsern Plan angeht[337), so will ich Ihnen vorläufig meine Überzeugung sagen. Als Paris erobert war, schlugen einige den Sohn Napoleons1 mit Regentschaft, andre den Bernadotte, andre endlich den Louis-Philippe zur Herrschaft vor. Talleyrand aber antwortete: Louis XVIII. oder Napoleon. Das ist ein Prinzip: alles andere ist Intrige. Und so möchte ich auch fast alles andere außer Straßburg (oder höchstens die Schweiz) kein Prinzip, sondern eine Intrige nennen. Bücher über 20 Bogen sind keine Schriften fürs Volk. Das Höchste, was man da wagen kann, sind Monatshefte. Würden nun gar die „Deutschen Jahrbücher" wieder gestattet, so brächten wir es zum allerhöchsten auf einen schwachen Abklatsch der selig Entschlafenen, und das genügt heutzutag nicht' mehr. Dagegen „DeutschFranzösische Jahrbücher", das wäre ein Prinzip, ein Ereignis von Konsequenzen, ein Unternehmen, für das man sich enthusiasmieren kann. Versteht sich, ich spreche nur meine unmaßgebliche Meinung und füge mich im andern des Schicksals ewigen Mächten. Schließlich - und die Zeitungsgeschäfte nötigen mich zu schließen will ich Ihnen noch meinen Privatplan mitteilen. Sobald wir den Kontrakt abgeschlossen hätten, würde ich nach Kreuznach reisen und heiraten, einen Monat oder länger aber dort bei der Mutter meiner Braut2 wohnen, da wir doch jedenfalls, ehe wir ans Werk gehen, einige Arbeiten fertig haben müßten. Um so mehr könnte ich, wenn's nötig, einige Wochen in Dresden
1 Herzog von Reichstadt - 2 Karoline von Westphalen
bleiben, da alle die Vorgeschichten, Ausrufen u.dgl. geraume Zeit hinnehmen. Ich kann Ihnen ohne alle Romantik versichern, daß ich von Kopf bis zu Fuß und zwar allen Ernstes hebe. Ich bin schon über 7 Jahre verlobt, und meine Braut hat die härtesten, ihre Gesundheit fast untergrabenden Kämpfe für mich gekämpft, teils mit ihren pietistisch-aristokratischen Verwandten, denen „der Herr im Himmel" und der „Herr in Berlin" gleiche Kultusobjekte sind, teils mit meiner eigenen Familie, in der einige Pfaffen und andre Feinde von mir sich eingenistet haben. Ich und meine Braut haben daher mehr unnötige und angreifende Konflikte jahrelang durchgekämpft als manche andre, die dreimal älter sind und beständig von ihrer „Lebenserfahrung" (Lieblingswort unseres Juste-milieu3) sprechen. Apropos, da ist uns eine anonyme Replik auf Prutz* Bericht gegen die neuen Tübinger „Jahrbücher" zugegangent3381. Ich habe an der Handschrift den Schwegler erkannt. Sie werden als überspannter Unruhestifter, Feuerbach als frivoler Spötter, Bauer4 als gänzlich unkritischer Kopf charakterisiert! Die Schwaben! Die Schwaben! Das wird schönes Gebräu werden! Über Ihre schöne, echt populäre Beschwerdeschrift haben wir einen oberflächlichen Aufsatz von Pfützner-dazu habe ich die Hälfte gestrichen in Ermangelung einer bessern Kritik und eigener Zeit gebracht.13391 Der P.P. geht nie genug auf die Sache ein, und die kleinen Kapriolen, die er schneidet, machen mehr ihn selbst zum Gegenstand des Lächelns, als daß er seinen Feind lächerlich machte. Ihr Marx
Die Bücher an Fleischer hab' ich besorgt. Ihr Briefwechsel vorn ist interessant[3401. Bauer über Ammon ist köstlich.13411 Die „Leiden und Freuden des theologischen Bewußtseins"[3421 scheinen mir eine nicht eben gelungene Übersetzung aus dem Abschnitt der „Phänomenologie": „Das unglückliche Bewußtsein". Feuerbachs Aphorismen sind mir nur in dem Punkt nicht recht, daß er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf die Politik hinweist. Das ist aber das einzige Bündnis, wodurch die jetzige Philosophie eine Wahrheit werden kann. Doch wird's wohl gehn wie im löten Jahrh., wo den Naturenthusiasten eine andere Reihe von Staatsenthusiasten entsprach. Am meisten hat mir die Kritik der guten „Literarischen Zeitung" gefallen.13431
3 Spitzname für Edgar Bauer -1 Bruno Bauer
27 Manc/Engels, Werke, Bd. 27
Bauers Selbstverteidigung13441 haben Sie wohl schon gelesen. Nach meiner Ansicht hat er noch nie so gut geschrieben. Was die „Rheinische] Z[eitung]" angeht, so würde ich unter keiner Bedingung bleiben, ich kann unmöglich unter preußischer Zensur schreiben oder in preußischer Luft leben. Soeben kömmt der Vorsteher der hiesigen Israeliten zu mir und ersucht mich unf eine Petition für die Juden an den Landtag, und ich will's tun. So widerlich mir der israelitische Glaube ist, so scheint mir Bauers Ansicht doch zu abstrakt. Es gilt soviel Löcher in den christlichen Staat zu stoßen als möglich und das Vernünftige, soviel an uns, einzuschmuggeln. Das muß man wenigstens versuchen und die Erbitterung wächst mit jeder Petition, die mit Protest abgewiesen wird.
12
Marx an Ludwig Feuerbach in Bruckberg13451
Kreuznach, 3. Oktober 1843
Hochverehrter Herr! Dr. Rüge hat Ihnen bei seiner Durchreise vor einigen Monaten unsern Plan, französisch-deutsche „Jahrbücher" zu edieren, mitgeteilt und zugleich Ihre Mitwirkung erbeten. Die Sache ist jetzt soweit abgemacht, daß Paris Druck- und Verlagsort ist und das erste Monatsheft bis Ende November erscheinen soll. Vor meiner Abreise nach Paris, die in einigen Tagen stattfinden wird, kann ich nicht umhin, noch einen kurzen epistolarischen Ausflug zu Ihnen zu machen, da es mir nicht vergönnt war, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen. Sie sind einer der ersten Schriftsteller gewesen, welche die Notwendigkeit einer französisch-deutschen wissenschaftlichen Alliance aussprachen. Sie werden daher gewiß auch einer der Ersten sein, ein Unternehmen zu unterstützen, das diese Alliance realisieren will. Es sollen nämlich promiscue1 deutsche und französische Arbeiten erscheinen. Die besten Pariser Autoren haben zugesagt. Jeder Ihrer Beiträge wird uns höchst willkommen sein, und irgend etwas werden Sie wohl parat liegen haben. Ich glaube fast, aus Ihrer Vorrede zur 2ten Auflage des „Wesens des Christenthums" schließen zu können, daß Sie mit einer ausführlicheren Arbeit über Schelling beschäftigt sind oder doch manches noch über diesen Windbeutel in petto hätten.'3461 Sehn Sie, das wäre ein herrliches Debüt. Der Schelling ist, wie Sie wissen, 38tes Bundesmitglied. Die ganze deutsche Polizei steht zu seiner Disposition, wovon ich selbst einmal als Redakteur der „Rheinischen Zeitung" die Erfahrung gemacht habe. Es kann nämlich eine Zensurinstruktion nichts gegen den heiligen Schelling [..;]2 zulassen. Es ist also in Deutschland fast unmöglich, den Schelling anders als in Büchern über 21 Bogen anzugreifen, aber die Bücher über 21 Bogen sind nicht die Bücher des Volks. Das Werk von Kapp ist sehr anerkennens
1 vermischt, abwechselnd - 2 hier ist ein Wort nicht zu entziffern
27*
wert, aber es ist zu umständlich und trennt ungeschickterweise das Urteil von den Tatsachen. Zudem haben unsre Regierungen das Mittel gefunden, solche Werke effektlos zu machen. Es darf nicht darüber gesprochen werden. Sie werden ignoriert oder die paar patentierten Rezensieranstalten kappen dergleichen in wenigen verächtlichen Worten ab. Der große Schelling selbst stellt sich, als wüßte er von diesen Angriffen nichts, und es ist ihm gelungen, durch fiskalischen Lärm über die Suppe des alten Paulus1-3471 die Aufmerksamkeit von Kapps Werk abzulenken. Das war ein diplomatischer Meisterstreich! Aber nun denken Sie sich den Schelling in Paris, vor der französischen Schriftstellerwelt enthüllt! Da wird seine Eitelkeit nicht schweigen können, das wird das preußische Gouvernement aufs peinlichste verletzen, das ist ein Angriff auf Schellings Souveränetät nach außen, und ein eitler Monarch hält mehr auf seine Souveränetät nach außen als nach innen. Wie geschickt hat Herr von Schelling die Franzosen zu ködern gewußt, vorerst den schwachen eklektischen Cousin, später selbst den genialen Leroux. Dem Pierre Leroux und seinesgleichen gilt Schelling nämlich immer noch für den Mann, der an die Stelle des transzendenten Idealismus den vernünftigen Realismus, der an die Stelle des abstrakten Gedankens den Gedanken mit Fleisch und Blut, der an die Stelle der Fachphilosophie die Weltphilosophie gesetzt hat! Den französischen Romantikern und Mystikern ruft er zu: „Ich die Vereinigung von Philosophie und Theologie", den französischen Materialisten: „Ich die Vereinigung von Fleisch und Idee", den französischen Skeptikern: „Ich der Zerstörer der Dogmatik", mit einem Wort: „Ich... Schelling!" Schelling hat nicht nur die Philosophie und Theologie, er hat die Philosophie und Diplomatie zu vereinigen gewußt. Er hat die Philosophie zur allgemeinen diplomatischen Wissenschaft gemacht, zur Diplomatie für alles. Ein Angriff auf Schelling ist also indirekt ein Angriff auf unsre gesamte und namentlich auf die preußische Politik. Schellings Philosophie ist die preußische Politik sub specie philosophiae3. Sie würden unsrem Unternehmen, aber noch mehr der Wahrheit, daher einen großen Dienst leisten, wenn Sie gleich zu dem ersten Heft eine Charakteristik Schellings lieferten. Sie sind grade dazu der Mann, weil Sie der umgekehrte Schelling sind. Der - wir dürfen das Gute von unsrem Gegner glauben -, der aufrichtige Jugendgedanke Schellings, zu dessen Verwirklichung er indessen kein Zeug hatte als die Imagination, keine Energie als
3 im Lichte der Philosophie
die Eitelkeit, keinen Treiber als das Opium, kein Organ als die Irritabilität eines weiblichen Rezeptionsvermögens, dieser aufrichtige Jugendgedanke Schellings, der bei ihm ein phantastischer Jugendtraum geblieben ist, er ist Ihnen zur Wahrheit, zur Wirklichkeit, zu männlichem Ernst geworden. Schelling ist daher Ihr antizipiertes Zerrbild, und sobald die Wirklichkeit dem Zerrbild gegenübertritt, muß es in Dunst und Nebel zerfließen. Ich halte Sie daher für den notwendigen, natürlichen, also durch Ihre Majestäten, die Natur und die Geschichte, berufenen Gegner Schellings. Ihr Kampf mit ihm ist der Kampf der Imagination von der Philosophie mit der Philosophie selbst. Wie Sie es aber bequem finden mögen, ich erwarte mit Sicherheit einen Beitrag von Ihnen.t348) Meine Adresse ist: „An Herrn Mäurer. Rue Vaneau Nr. 23 a Paris zur Besorgung an Dr. Marx." Meine Frau läßt Sie unbekannterweise grüßen. Sie glauben nicht, wie viel Anhänger Sie unter dem schönen Geschlecht haben. Ganz der Ihrige Dr. Marx
13
Marx an Julius Fröbel in Zürich
Paris, 2I.November 1843 rue Vaneau, Nr.31, Faub. St.Germain
Lieber Freund! Soeben ist Ihr Brief angekommen, aber unter ganz eigentümlichen Symptomen. 1. Fehlt alles, was Sie, wie Sie schreiben, beigelegt haben, mit Ausnahme von Engels' Aufsatz. Dieser aber ist zerstückelt, daher unbrauchbar. Er beginnt von Nr. 5. 2. Waren die Briefe für Maurer und mich eingewickelt in das Kuvert, was ich Ihnen beilege, was von St. Louis aus datiert ist. In denselben Umschlag waren die paar Seiten von Engels eingeschlagen. 3. Ist der Brief von Maurer, der, wie der meinige, offen in dem beiliegenden Kuvert lag, ebenfalls von einer fremden Hand überzeichnet. Ich lege Ihnen das Stück, welches die Signatur enthält, bei. Es ist also nur zweierlei möglich. Entweder die französische Regierung hat Ihre Briefe und Ihr Paket erbrochen und interzepiert. In diesem Fall schicken Sie die vorliegenden Adressen zurück. Wir werden dann nicht nur einen Prozeß gegen die französische Post entrieren, sondern zugleich das Faktum in allen Oppositionsblättern publizieren. Jedenfalls wird es besser sein, wenn Sie alle Pakete an eine französische Buchhandlung adressieren. Wir glauben indessen nicht, daß das französische Gouvernement eine Infamie begangen hat, die sich bisher nur die östreichische Regierung erlaubte. Bleibt also der zweite Fall, daß Ihr Bluntschli und Konsorten den Mouchard-Streich gespielt haben. Verhält sich die Sache so, dann müssen 1. Sie einen Prozeß gegen die Schweizer anhängig machen und 2. wird Mäurer als französischer Bürger bei dem Ministerium protestieren. Was nun die Sache selbst anbetrifft, so ist es jetzt nötig: a) Dem Schüller einstweilen die Ausgabe des besagten Aktenstücks zu untersagen, da dies ein Hauptschmuck unsrer ersten Nummer1 sein muß.
1 „Deutsch-Französische Jahrbücher"
ß) Schicken Sie den ganzen Inhalt unter der Adresse von Louis Blanc. Nr.2 od. 3, rue Taitbout. y) Rüge ist noch nicht hier. Ich kann nicht wohl mit dem Druck anfangen, bis er angekommen. Die mir bisher von Hiesigen (Heß, Weill etc.) zugesandten Aufsätze habe ich, mit großem Embarras des Debates2, ablehnen müssen. Rüge kömmt aber wahrscheinlich Ende dieses Monats. Wenn wir dann auch das von Ihnen versprochne Aktenstück haben, so kann der Druck beginnen. Ich habe an Feuerbach3, Kapp und Hagen geschrieben. Feuerbach hat schon geantwortet. S) Holland scheint mir der geeignetste Ort, wenn Ihre Mouchards nicht schon in diesem Augenblick das Gouvernement benachrichtigt haben. Wenn Ihre Schweizer die Infamie begangen haben, so werde ich sie nicht nur in der „Reforme", dem „National", der „Demoeratie paeifique", dem „Siecle", „Courrier", „La Presse", „Charivari", „Commerce" und der „Revue independante", sondern auch in der „Times" und wenn Sie wollen in einer französisch geschriebnen Broschüre angreifen. Diese Pseudo-Republikaner sollen merken, daß sie es nicht mit Kühjungen und Schneidergesellen zu tun haben. Was das Büro angeht, so werde ich suchen, da ich eine neue Wohnung beziehn will, es als Akzidens dieser Wohnung zu akquirieren. Es wird geschäftlich und pekuniär das Passende sein. Entschuldigen Sie das Knöcherne dieses Briefes. Ich kann vor Indignation nicht schreiben. Ihr Marx
In jedem Falle, der Streich mag von den Pariser Doctrinairs oder den Schweizer Bauernbuben ausgehn, werden wir Arago und Lamartine zu einer Interpellation in der Kammer bewegen. Wenn die Herrn Skandal machen wollen: ut scandalum fiat4. Antworten Sie mir schnell, denn die Sache pressiert. Da Mäurer französischer Bürger ist, so wäre der Streich von Zürcher Seite aus eine Verletzung des Völkerrechts, die ihnen, den Kühjungen, nicht passieren soll.
2 langwierigem Wortwechsel - 3 siehe vorl. Band, S. 419 - 421 - 4 möge es Skandal geben
1844
14
Marx an die Redaktion der „Allgemeinen Zeitung" in Augsburg
Erklärung
Die verschiedenen in deutschen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über das Aufhören der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" veranlassen mich zu der Erklärung, daß die schweizerische Verlags-Buchhandlung der Jahrbücher sich aus ökonomischen Gründen von diesem Unternehmen plötzlich zurückzog und somit zunächst die Fortsetzung der Zeitschrift unmöglich machte.13491
Paris, den 14. April 1844
Karl Marx
Nach: Allgemeine Zeitung, Augsburg, Nr.3 vom 20.April 1844.
15
Marx an Ludwig Feuerbach in Bruckberg
Paris, d. 1 I.August [1844] rue Vaneau 38
Hochverehrter Herr! Da ich grade Gelegenheit finde, bin ich so frei, Ihnen einen Aufsatz von mir zuzuschicken, worin einige Elemente meiner kritischen Rechtsphilosophie1 - die ich schon einmal beendet, dann aber wieder einer neuen Bearbeitung unterworfen habe, um allgemein verständlich zu sein - angedeutet sind. Ich lege diesem Aufsatz keinen besondern Wert bei, aber es freut mich, eine Gelegenheit zu finden, Ihnen die ausgezeichnete Hochachtung und - erlauben Sie mir das Wort - Liebe, die ich für Sie besitze, versichern zu können. Ihre „Philosophie der Zukunft" wie das „Wesen des Glaubens" 13501 sind jedenfalls trotz ihres beschränkten Umfangs von mehr Gewicht, als die ganze jetzige deutsche Literatur zusammengeworfen. Sie haben - ich weiß nicht, ob absichtlich - in diesen Schriften dem Sozialismus eine philosophische Grundlage gegeben, und die Kommunisten haben diese Arbeiten auch sogleich in dieser Weise verstanden. Die Einheit der Menschen mit den Menschen, die auf dem realen Unterschied der Menschen begründet ist, der Begriff der Menschengattung aus dem Himmel der Abstraktion auf die wirkliche Erde herabgezogen, was ist er anders als der Begriff der Gesellschaft! Es werden 2 Übersetzungen, eine in englischer und eine in französischer Sprache, von Ihrem „Wesen des Christenthums" vorbereitet und sind fast schon zum Druck parat. Die erste wird in Manchester (Engels hat sie überwacht), die 2te in Paris[3511 (der Franzose Dr.Guerrier und der deutsche Kommunist Ewerlec\ haben sie mit Hülfe eines französischen Stilkünstlers übertragen) erscheinen.2 In diesem Moment werden die Franzosen sofort über das Buch herfallen, denn beide Parteien - Pfaffen und Voltairiens und Materialisten
1 „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung" - 2 Dieser Absatz steht in der Handschrift in eckigen Klammern
sehn sich nach fremder Hülfe um. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, wie, im Gegensatz zum 18ten Jahrhundert, die Religiosität in den Mittelstand und die höhere Klasse, die Irreligiosität dagegen - aber die Irreligiosität des sich als Menschen empfindenden Menschen - in das französische Proletariat herabgestiegen ist. Sie müßten einer der Versammlungen der französischen ouvriers3 beigewohnt haben, um an die jungfräuliche Frische, an den Adel, der unter diesen abgearbeiteten Menschen hervorbricht, glauben zu können. Der englische Proletarier macht auch Riesenfortschritte, aber es fehlt ihm der Kulturcharakter der Franzosen. Ich darf aber nicht vergessen, die theoretischen Verdienste der deutschen Handwerker in der Schweiz, London und Paris hervorzuheben. Nur ist der deutsche Handwerker noch zu viel Handwerker. Jedenfalls aber bereitet die Geschichte unter diesen „Barbaren" unserer zivilisierten Gesellschaft das praktische Element zur Emanzipation des Menschen vor. Der Gegensatz des französischen Charakters gegen uns Deutsche ist mir nie so scharf und schlagend gegenübergetreten, als in einer fourieristischen Schrift, die mit folgenden Sätzen beginnt: „l'homme est tout entier dans ses passions". „Avez-vous jamais rencontre un homme qui pensät pour penser, qui se ressouvint pour se ressouvenir, qui imaginät pour imaginer? qui voulait pour vouloir? cela vous est-il jamais arrive a vous meme? ... non, evidemment non!"4 Das Hauptmobil der Natur wie der Gesellschaft ist daher die magische, die leidenschaftliche, die nicht reflektierende attraction und „tout etre, homme, plante, animal ou globe a refu une somme des forces en rapport avec sa mission dans l'ordre universel"5. Daraus folgt: „les attractions sont proportionnelles aux destinees"6.13521 Sehn alle diese Sätze nicht aus, als wenn der Franzose absichtlich seine passion dem actus purus7 des deutschen Denkens entgegengesetzt hätte? Man denkt nicht, um zu denken etc. Wie schwer es den Deutschen hält, aus der entgegengesetzten Einseitigkeit herauszukommen, davon hat mein vieljähriger - jetzt aber mir mehr
3 Arbeiter - 1 „der Mensch offenbart sich in seinen Leidenschaften". „Sind Sie jemals einem Menschen begegnet, der dachte, um zu denken, der sich erinnerte, um sich zu erinnern, der sich etwas vorstellte, um sich etwas vorzustellen, der wollte an zu wollen? Ist Ihnen das jemals, selbst passiert? ... Nein, offenbar nichtl" -5 Anziehungskraft und „jedes Wesen, der Mensch, die Pflanze, das Tier oder der Himmelskörper als Ganzes, hat eine Summe an Kräften entsprechend seiner Mission in der Weltordnung empfangen" - 6 „die Anziehungskräfte sind proportional den Sckicksalsbestimmungen" - 7 der Leidenschaft der reinen Tätigkeit
entfremdeter - Freund Bruno Bauer in seiner kritischen Berliner „LiteraturZeitung" einen neuen Beweis gegeben. Ich weiß nicht, ob Sie dieselbe gelesen haben. Es ist darin viel stillschweigende Polemik gegen Sie. Der Charakter dieser „Literatur-Zeitung" läßt sich darauf reduzieren: Die „Kritik" wird in ein transzendentes Wesen verwandelt. Jene Berliner halten sich nicht für Menschen, die kritisieren, sondern für Kritiker, die nebenbei das Unglück haben, Menschen zu sein. Sie erkennen daher nur ein wirkliches Bedürfnis an, das Bedürfnis der theoretischen Kritik. Leuten wie Proudhon wird daher vorgeworfen, daß sie ihren Ausgangspunkt von einem „praktischen" „Bedürfnis"' nehmen. Diese Kritik verläuft sich daher in einen traurigen und vornehmtuenden Spiritualismus. Das Bewußtsein oder Selbstbewußtsein wird als die einzige menschliche Qualität betrachtet. Die Liebe z.B. wird geleugnet, weil in ihr die Geliebte nur „Gegenstand" sei. A bas8 mit dem Gegenstand! Diese Kritik hält sich daher für das einzige aktive Element der Geschichte. Ihr gegenüber steht die ganze Menschheit als Masse, als träge Masse, die nur durch den Gegensatz zum Geist Wert hat. Als höchstes Verbrechen wird es daher betrachtet, wenn der Kritiker Gemüt oder Leidenschaft hat, er muß ein ironischer eiskalter aoipog9 sein. Bauer erklärt daher wörtlich: „Der Kritiker nehme weder an den Leiden, noch an den Freuden der Gesellschaft teil; er kenne weder Freundschaft und Liebe, noch Haß und Mißgunst; er throne in der Einsamkeit, wo nur manchmal das Gelächter der olympischen Götter über die Verkehrtheit der Welt von seinen Lippen schallt".'3531 Der Ton der Bauerschen „Literatur-Zeitung" ist daher ein Ton der leidenschaftslosen Verachtung, und er macht sich diese um so leichter, als er die von Ihnen und der Zeit überhaupt gelieferten Resultate andern an den Kopf wirft. Er deckt nur Widersprüche auf, und von diesem Geschäft befriedigt, zieht er mit einem verächtlichen „Hm" ab. Er erklärt, die Kritik gebe nichts, dazu ist sie viel zu spirituell. Ja, er spricht gradezu die Hoffnung aus: „die Zeit sei nicht mehr fern, wo die ganze verfallende Menschheit sich der Kritik" - und die Kritik ist er und Comp. - „gegenüberscharen werde; sie würden diese Masse dann in verschiedne Gruppen sondieren und ihnen allen das testimonium paupertatis10 austeilen". Es scheint: Bauer hat aus Rivalität gegen Christus gekämpft. Ich werde eine kleine Broschüre gegen diese Verirrung der Kritik erscheinen lassen.11
3 Nieder - 9 Weiser -10 Armutszeugnis -u „Die heilige Familie"
Es wäre mir vom höchsten Wert, wenn Sie mir vorher Ihre Meinung mitteilen wollten, wie überhaupt ein baldiges Lebenszeichen von Ihnen mich beglücken würde. Die hiesigen deutschen Handwerker, d.h. der kommunistische Teil derselben, mehre Hunderte, haben diesen Sommer durch zweimal die Woche Vorlesungen über Ihr „Wesen des Christenthums" von ihren geheimen Vorstehern12 gehört und sich merkwürdig empfänglich gezeigt. Der kleine Auszug aus dem Brief einer deutschen Dame im Feuilleton von Nr. 64 des „Vorwärts" ist von einem Brief meiner Frau, die in Trier zum Besuch ihrer Mutter13 ist, ohne Wissen des Autors abgedruckt.1354* Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehn
Ihr Karl Marx
12 des Bundes der Gerechten -13 Karoline von Westphalen
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Marx an Julius Campe in Hamburg13551
[Paris, 7. Oktober 1844] [...] Ist Heine noch in Hamburg, so sagen Sie ihm gefälligst meinen besten Dank für die übersandten Gedichte. Ich hätte sie bisher hier noch nicht angezeigt, weil ich den ersten Teil, die Balladen, zu gleicher Zeit anzeigen will [...]
Nach: Das goldene Tor, Lahr, Jg.2, 1947, Nr. 11/12.
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Marx an Heinrich Börnstein in Paris
[Paris, Herbst 1844J
Verehrter Herr! Sie würden mich sehr verpflichten, wenn Sie sich höchstens bis Dienstag unterrichten wollten, ob Frank den Verlag der Broschüre gegen Bauer1 übernehmen will oder nicht. Es ist mir vollständig gleichgültig, wie er sich entscheidet. Ich kann jeden Tag einen auswärtigen Verleger haben. Nur wäre es grade bei dieser Broschüre, wo es auf ein Wort ankömmt, angenehm, sie unter meinen Augen gedruckt zu sehn und selbst korrigieren zu können. Jedenfalls bitte ich Sie um schleunige Antwort. Zu Gegendiensten bereit Ihr ergebner Dr. Marx
Postskript. Da die Broschüre gegen Bauer gerichtet ist und im ganzen wenig Zensurwidriges enthält, glaube ich kaum, daß die Vertreibung nach Deutschland große Schwierigkeiten machen würde.
1 „Die heilige Familie"
18
Marx an Heinrich Börnstein in Paris
[Paris, Herbst 18441
Verehrter Herr! Schicken Sie mir die Blätter von Feuerbach zurück, sobald Sie dieselben abgedruckt.13561 Ihr ergebner Marx
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Marx an Heinrich Börnstein in Paris (Kopie)
[Paris, Dezember 1844]
Verehrter Herr! Es ist mir unmöglich, vor der nächsten Woche Ihnen die Kritik Stirners[13] zu liefern. Lassen Sie also das Probeexemplar ohne meinen Beitrag abgeben, Bürgers wird Ihnen dagegen einen Aufsatz liefern. Die nächste Woche haben Sie meinen Aufsatz. Ihr ergebner Marx
Nach: Katalog des Antiquariats L. Liepmanssohn, Berlin 1924.
1845
20
Marx an Arnold Rüge in Paris
[Paris, Januar] 1845
Herrn Dr. Rüge Ich habe aus sichern Quellen erfahren, daß gegen Sie, mich und einige andere auf der Polizeipräfektur Ordonnanzen vorliegen, Paris in 24 Stunden und Frankreich in möglichst kürzestem Zeitraum zu verlassen.124' Börnstein kann Ihnen das Nähere mitteilen. Im Falle Sie die Neuigkeit noch nicht wissen sollten, hielt ich es für angemessen, Sie davon zu benachrichtigen.
K.Marx
28 Marx/EngeU. Werke, Bd. 27
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Marx an Heinrich Heine in Paris
Paris, 12. Januar 1845
Lieber Freund! Ich hoffe morgen noch Zeit zu haben, Sie zu sehen. Meine Abreise findet Montag statt. Der Buchhändler Lesfee war eben bei mir. Er gibt ein Vierteljahrbuch1 in Darmstadt zensurfrei heraus. Ich, Engels, Heß, Herwegh, Jung2 etc. — arbeiten mit. Er hat mich gebeten, Sie um Ihre Mitwirkung - Poesie oder Prosa - anzusprechen. Sie schlagen das gewiß nicht ab, da wir jede Gelegenheit benutzen müssen, uns in Deutschland selbst anzusiedeln. Von allem, was ich hier an Menschen zurücklasse, ist mir die Heinesche Hinterlassenschaft am unangenehmsten. Ich möchte Sie gern mit einpacken. Grüßen Sie von mir und meiner Frau Ihre Frau Gemahlin.
Ihr K. Marx
Nach: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, 9. Jg., Leipzig 1921.
1 „Rheinische Jahrbücher" - 2 Georg Jung
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Marx an Heinrich Heine in Paris
Bruxelles [24. März 1845J rue Pachecho vis-a-vis du höpital St.Jean, Nr.35
Lieber Heine! Sie entschuldigen mich mit einer Masse Douanenplackereien, wenn ich Ihnen heute nur einige Zeilen schreibe. Püttmann in Köln läßt Sie durch mich ersuchen, doch ja einige Gedichte (vielleicht auch Ihre deutsche Flotte[357]) für das zensarfrei erscheinende „Jahrbuch"1 in Darmstadt einzuschicken. Sie können die Sache an mich adressieren. Der längste Termin - Sie werden aber wohl gleich was bei der Hand haben - ist 3 Wochen. Meine Frau läßt Sie und Ihre Gemahlin vielmal grüßen. Vorgestern war ich auf der hiesigen Administration de la sürete publique2, wo ich schriftlich erklären mußte, in Belgien nichts über Tagespolitik drucken zu lassen. Der Renouard und Börnstein haben Ihr „Wintermärchen" mit dem Druckort New York in Paris drucken und hier in Brüssel zum Verkauf ausbieten lassen. Dieser Nachdruck soll überdem von Druckfehlern wimmeln. Ein andermal mehr Ihr Marx
1 „Rheinische Jahrbücher" - 2 Polizeiverwaltung
28*
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Marx an Löwenthal in Frankfurt a.M.
1 Bruxelles, 9ten Mai [1845] rue de 1'Alliance hors de la porte Louvain, Nr.5 Adresse: M.Reinhard Verehrter Herr! Ich ersuche Sie - auf meine Rechnung, Sie können wieder einen Wechsel auf mich ausstellen, darin auch das Porto dieses Briefes einschlagen -, 3 Exemplare der „Heiligen Familie" in meinem Namen sofort nach Paris an den Herrn Herwegh, rue Barbet-Jouy, Faub. St. Germain, Herrn Heine, rue du Faub. Poissonniere Nr.46, und an Herrn Bernays, 12, rue de Navarin, zu schicken. Man hat sich von verschiedenen Seiten her brieflich bei mir beschwert, daß keine Exemplare in Paris zu haben seien.
Ihr ergebener Dr. Marx
Sie können den Wechsel sofort auf mich beziehn, aber ich ersuche Sie noch einmal, sofort die respektiven Exemplare abzuschicken.
[Mit Engels Handschrift]
Herrn Herwegh, rue Barbet-Jouy, Faubg. St. Germain, Herrn H.Heine, rue du Faubourg Poissonniere 46, beide in Paris; ebenso Herrn Bernays, 12, rue de Navarin, Paris.
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Engels an Marie Engels in Barmen
Liebe Marie Ich muß Dir heute zu meinem Bedauern mitteilen, daß es mir nicht möglich ist, bei Deiner Hochzeit gegenwärtig zu sein, und zwar wegen Schwierigkeiten, die mein mir wegen eines Passes gemacht hat. Vorigen Mittwoch ging ich auf die Administration de la sürete publique1 und forderte einen Paß nach Preußen. Nach einigem Warten und langen Verhandlungen wegen meiner Auswanderung und darüber, daß ich vom preußischen Gesandten keinen Paß bekommen könne, erhielt ich endlich den Bescheid, daß ich ja erst eben angekommen sei und deshalb von ihm keinen Paß erhalten könne. Wenn ich einige Zeit länger hier gewohnt hätte, so sei er bevollmächtigt - nämlich Herr Hody, der Directeur der sürete publique -, mir Pässe zu geben, so aber könne er es nicht. Ohnehin kämen die Fremden, die sich hier etablierten, gewöhnlich mit Pässen an, die auf ein Jahr oder ein halbes Jahr noch gültig seien, und so sei er instruiert, zwar zu visieren, aber nicht, eben angekommenen Fremden Pässe auszustellen. Übrigens, wenn ich einige Konnexionen hätte, so würde ich ohne Zweifel einen Paß im Ministerium des Auswärtigen bekommen. Diese Konnexionen habe ich allerdings, und zwar in der Person eines deutschen Arztes, der mir auch versprochen hatte, falls man mir Schwierigkeiten mache, mir einen Paß zu verschaffen. Aber dieser Doktor hat selbst erst vor 14 Tagen geheiratet und war zu seiner Hochzeitsreise in die wallonischen Bäder gereist. Er kam Donnerstag wieder, und es gelang mir erst gestern abend, ihn zu treffen; er war auch sehr bereitwillig, sagte mir aber gleich, da er erst heute morgen aufs Ministerium gehen könne, so werde ich meinen Paß keinenfalls vor übermorgen - Montag - bekommen können und müsse also meine Reise bis Montag abend oder Dienstag morgen aufschieben. Ich sagte ihm, ich könne so lange nicht warten, aber er erklärte nochmals, früher sei es nicht möglich, mir dazu zu verhelfen; er wolle übrigens doch nochmals sich bemühen. Heute morgen schickte er mir nun ein Billett, daß er sich selbst
1 Polizeiverwaltung
erkundigt hat und mir den Paß nicht vor Montag, vielleicht erst Montag abend verschaffen kann. Ich hab' ihm gleich geantwortet, er möge sich dann nicht weiter bemühen, da ich dann meine ganze Reise aufgeben müsse. Da ich nun bei meinen sonstigen Verhältnissen, wie Du und die andern auch leicht begreifen wirst, mich nur Unannehmlichkeiten aussetzen würde, wenn ich ohne Paß über die Grenze zu kommen versuchte - was mir auch Herr Hody abriet, weil mein Auswanderungsschein gut sei pour sortir de la Prusse, mais pas pour y rentrer2 -, so bin ich wohl genötigt, hierzubleiben und Deine Hochzeit hier allein und in Gedanken zu feiern - so leid es mir tut. Du kannst Dich übrigens darauf verlassen, daß ich den ganzen Tag an Dich und Emil3 denken werde und daß meine besten Wünsche Euch in die Ehe und auf die Reise begleiten, wenn es mir auch nicht vergönnt ist, sie Euch mündlich auszusprechen. Was ich Euch vor allem wünsche, ist, daß •die Liebe, die Euch zusammengeführt und die Euer Verhältnis zu einem so schönen, menschlichen und sittlichen gemacht hat, wie ich nicht viele Jcenne, Euch durch Euer ganzes Leben begleiten, Euch über alle Widerwärtigkeiten leicht hinweghelfen, Euer Glück ausmachen möge. Ich kann mich Eurer Hochzeit von ganzem Herzen freuen, weil ich weiß, daß Ihr nur glücklich zusammenleben könnt, und daß - nachdem Ihr verbunden seid - keiner von Euch beiden sich enttäuscht finden wird. Verlaß Dich <lrauf, von den vielen Glückwünschen, die man Euch darbringen wird, ist keiner treuer gemeint, keiner herzlicher und wärmer als der meinige! Du weißt, daß ich Dich immer am liebsten gehabt habe von allen meinen Geschwistern, daß ich immer zu Dir am meisten Vertrauen hatte - Du wirst mir also glauben, ohne daß ich Dir hoch und teuer versichre, ohne daß ich Dir viele Worte mache. Ich wünsche Euch nochmals, daß Eure Liebe stets dieselbe bleibe, ich wünsche Euch auch noch manches, was - Du erraten wirst. Seid glücklich! Ich hoffe, nun bald einmal einen Brief von Mrs. Blank zu erhalten, denn ich erwarte, daß Mrs. Blank sich ebensosehr für mich interessieren wird wie Fräulein Engels. Jedenfalls hoffe ich, Euch beide nach glücklicher Hochzeit und glücklicher Reise diesen Sommer in Ostende oder in England zu sehen, und bis dahin lebt also nochmals wohl! Herzliche Grüße an Alle Dein treuer Friedrich Brüssel, Samstag, 31. Mai 1845
* uro aus Preußen hinauszukommen. Jedoch nicht, um dorthin zurückzukehren -s Emil Blank
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Engels an Julius Campe in Hamburg
Geehrter Herr, Aus Ihrem geehrten Schreiben ersehe ich, daß über die Richtung, in der wir das Ihnen vorgeschlagene Verlagswerk halten würden, von Ihrer Seite ein Mißverständnis obwaltet. Wir beabsichtigen keineswegs die Schutzzölle, ebensowenig wie die Handelsfreiheit zu verteidigen, sondern beide Systeme von unserm Standpunkte aus zu kritisieren. Unser Standpunkt ist der kommunistische, den wir in den „Deutsch-Franz[ösischen] Jahrbüchern", der „Heiligen Familie", den „Rheinischen] Jahrbüchern" etc. vertreten haben und von welchem aus auch mein Buch „Über die Lage der arbeitenden Klassen in England" geschrieben ist. Dieser läßt, wie sie einsehen werden, durchaus keine Zensurvorlage zu, können wir daher uns auch auf eine solche nicht einlassen. Sollten Sie indes hiervon abstehen und sonst zur Übernahme des Werks geneigt sein, so bitten wir um gefl. Anzeige, ehe wir andre Verpflichtungen eingehen.
Achtungsvoll und ergebenst F.Engels
7, rue de l'Alliance Bruxelles, 14. Okt. 1845
1846
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Engels an Emil Blank in London
Lieber Emil Tu mir den Gefallen und schick mir umgehend £ 6- oder ca. 150 fr. Ich schicke sie Dir in 8-14 Tagen zurück. Der Alte schickt mir das Geld nämlich nicht, was ich am 1 .April zu erwarten habe, er scheint es mir mitbringen zu wollen, wenn er zu Deiner Kindtauf kommt. Nun hab' ich aber für fr. 150 Sachen im Pfandhaus, die ich heraushaben muß, ehe die Leute hieher kommen, und daher muß ich augenblicklich soviel haben. Der ganze Dreck kommt daher, daß ich diesen ganzen Winter mit meiner Schriftstellerei fast keinen Heller verdient habe und daher mit meiner Frau1 fast ausschließlich von dem Gelde leben mußte, das ich von Haus bekam, und das war so viel nicht. Da ich jetzt ziemlich Manuskript halb oder ganz fertig habe, passiert mir das so leicht nicht wieder. Schick mir also das Geld, sowie ich vom Hause meine Sendung bekomme, retournier* ich's. Dein Bruder Fritz war dieser Tage hier, er ist gestern morgen wieder nach Hause. Jetzt empfehle ich Dir schließlich nochmals Verschwiegenheit sur le contenu de cette lettre2 und grüße Dein F. 7, rue de I'Alliance St. Josse-ten-Noode Bruxfelles] le 3 Avril 1846
1 Mary Burns -1 über den Inhalt dieses Briefes
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Marx an Heinrich Heine in Paris
Mein lieber Heine! Ich benutze die Durchreise des Überbringers dieser Zeilen, des Herrn Annenkow, eines sehr liebenswürdigen und gebildeten Russen, um Ihnen meine besten Grüße zukommen zu lassen. Vor einigen Tagen fiel mir zufällig eine kleine Schmähschrift gegen Sie in die Hand - hinterlassene Briefe Börnes.[358] Ich hätte ihn nie für so fad, kleinlich und abgeschmackt gehalten, als es da schwarz auf weiß zu lesen ist. Und welch elendes Gekohl nun gar der Nachtrag von Gutzkow, etc. Ich werde in einer deutschen Zeitschrift eine ausführliche Kritik Ihres Buchs über Börne schreiben.'359' Eine tölpelhaftere Behandlung, als dies Buch von den christlich-germanischen Eseln erfahren hat, ist kaum in irgendeiner Literaturperiode aufzuweisen, und doch fehlt's keiner deutschen Periode an Tölpelei. Haben Sie mir vielleicht noch „Spezielles" über Ihre Schrift mitzuteilen, so tun Sie's rasch. Ihr K.Marx rue de l'Alliance, 5, hors de la Porte de Louvain Bruxelles [um den 5.April 1846]
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Marx an Pierre-Joseph Proudhon in Paris
Lieber Proudhon! Seitdem ich Paris verlassen habe, nahm ich mir schon sehr oft vor, Ihnen •zu schreiben; Umstände, die nicht von meinem Willen abhingen, haben mich jedoch bisher daran gehindert. Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß Überbeschäftigung, mit einem Wohnungswechsel verbundene Scherereien etc. die einzigen Gründe meines Schweigens sind. Und jetzt gleich in medias res1. Zusammen mit meinen beiden Freunden, Friedrich Engels und Philippe Gigot (beide in Brüssel), habe ich mit den deutschen Kommunisten und Sozialisten eine fortlaufende Korrespondenz organisiert, die sich sowohl mit der Erörterung wissenschaftlicher Fragen als auch mit der kritischen Übersicht über die populären Schriften und mit der sozialistischen Propaganda, die man mit diesem Mittel in Deutschland betreiben kann, beschäftigen wird.134' Das Hauptziel unserer Korrespondenz wird jedoch darin bestehen, die Verbindung der deutschen Sozialisten mit den französischen und englischen Sozialisten herzustellen, die Ausländer über die sozialistischen Bewegungen, die sich in Deutschland entfalten werden, auf dem laufenden zu halten, sowie die Deutschen in Deutschland über den Fortschritt des Sozialismus in Frankreich und England zu informieren. Auf diese Weise werden die Meinungsverschiedenheiten zutage treten können, und man wird zu einem Gedankenaustausch und zu einer unparteiischen Kritik gelangen. Dies ist jener Schritt, den die soziale Bewegung in ihrer literarischen Ausdrucksform machen muß, um sich der nationalen Beschränkheit zu entledigen. Und im Augenblick der Aktion ist es sicherlich für jedermann von großem Nutzen, über den Stand der Dinge im Ausland genausogut unterrichtet zu sein wie über den im eigenen Leinde. Unsere Korrespondenz wird außer den Kommunisten in Deutschland auch die deutschen Sozialisten in Paris und London umfassen. Unsere Verbindungen mit England sind bereits hergestellt; was Frankreich anbetrifft,
1 unmittelbar zur Sache
so glauben wir alle, daß wir dort keinen besseren Korrespondenten finden können als Sie13601: Sie wissen, daß die Engländer und die Deutschen Sie bisher mehr zu würdigen gewußt haben als Ihre eigenen Landsleute. Sie sehen also, daß es sich nur darum handelt, eine regelmäßige Korrespondenz zu schaffen und ihr die Mittel zu sichern, die soziale Bewegung in den verschiedenen Ländern zu verfolgen, um zu reichhaltigen und vielseitigen Ergebnissen zu gelangen, wie sie die Arbeit eines einzelnen niemals zuwege bringen könnte. Wenn Sie auf unseren Vorschlag eingehen wollen, werden die Portokosten der Briefe, die Sie erhalten, sowie jener, die Sie uns senden, hier bestritten werden, da die in Deutschland veranstalteten Geldsammlungen dazu bestimmt sind, die Kosten der Korrespondenz zu decken. Die hiesige Adresse, an die Sie schreiben müßten, ist: Herrn Philippe Gigot, 8, rue Bodenbroek. Er ist es auch, der die Briefe aus Brüssel unterzeichnen wird. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß diese ganze Korrespondenz strengste Geheimhaltung von Ihrer Seite erfordert, müssen doch unsere Freunde in Deutschland mit größter Umsicht handeln, um sich nicht zu kompromittieren. Antworten Sie uns bald, und glauben Sie an die aufrichtige Freundschaft », , ihres ganz ergebenen
ßruxelles, 5. Mai 1846 Karl Marx
PS. Ich warne Sie hiermit vor Herrn Grün in Paris. Dieser Mensch ist •nichts weiter als ein literarischer Hochstapler, eine Art Scharlatan, der mit modernen Ideen hausieren möchte. Er versucht, seine Unwissenheit hinter hochtrabenden und anmaßenden Redensarten zu verbergen, aber es ist ihm lediglich gelungen, sich durch seinen Galimathias lächerlich zu machen. Außerdem ist dieser Mensch gefährlich. Er mißbraucht die Bekanntschaften, die er dank seiner Frechheit mit namhaften Autoren geschlossen hat, um sich daraus ein Piedestal zu schaffen und sie dadurch in den Augen des deutschen Publikums zu kompromittieren. In seinem Buch über die „französischen Sozialisten" wagt er es, sich als Proudhons Lehrer (Privatdozent in Deutschland eine akademische Würde) zu bezeichnen, er behauptet, ihm -die wichtigsten Axiome der deutschen Wissenschaft beigebracht zu haben, -und macht sich über seine Schriften lustig. Hüten Sie sich vor diesem Schmarotzer. Vielleicht komme ich später noch einmal auf dieses Individuum zu sprechen.
[Zusatz von Philippe Gigot]
Ich benutze mit Vergnügen die mir durch diesen Brief gebotene Gelegenheit, um Ihnen zu versichern, wie angenehm es mir ist, mit einem so ausgezeichneten Manne wie Sie in Verbindung zu treten. Mittlerweile verbleibe ich
Ihr ganz ergebener Philippe Gigot
[Zusatz von Engels]
Was mich betrifft, so kann ich nur die Hoffnung hegen, daß Sie, Herr Proudhon, unserem Vorschlag, den wir Ihnen soeben unterbreitet haben, zustimmen sowie die Güte haben werden, uns Ihre Mitarbeit nicht zu versagen. Ich versichere Sie meiner tiefen Hochachtung, die mir Ihre Schriften eingeflößt haben, und verbleibe Ihr sehr ergebener Friedrich Engels
Aus dem Französischen.
29
Engels und Marx an Moses Heß in Köln
Ostende, 27. Juli 46 rue St. Thomas, 11
Lieber Heß Wie Du siehst, schreib* ich Dir nicht mehr aus Brüssel. Ich bleibe bis zum 10. August hier und werde wahrscheinlich am 11. von Brüssel nach Paris gehn. Marx hat mir Deinen Brief hieher geschickt. Ich will gern mein möglichstes tun, Deine Frau1 über die Grenze zu schmuggeln, aber es ist immer schlimm, daß sie keinen Paß hat. Da ich bei ihrer Ankunft schon ein paar Tage aus Brüssel war, weiß ich über die ganze Geschichte nichts als was Du im Brief sagst. Wie gesagt, ich werde mein, möglichstes tun.
Dein Engels
[Brüssel, um den 28. Juli 1846]
Lieber Heßl Indem ich Dir diese Zeilen von Engels überschicke, füg* ich nur noch hinzu, daß Deine Frau ganz munter ist. Der Seiler ist ihr dienender Ritter und hat sie mit Vogler und Frau zusammengebracht, womit sie fast täglich zusammen ist. Meine Frau kann nicht viel leisten, da sie sehr leidend ist und meist auf dem Bett liegen muß. Dein M.
Soeben wollt' ich den Brief fortschicken. Da lese ich Deine Anzeige über Rüge in der »Kölnischen Zeitung". Da der Druck unsrer Schrift2 sich noch sehr verzögern kann, rate ich Dir, Deinen Aufsatz über Rüget3€11 zurückzunehmen. Du wirst ihn fast ganz brauchen können.
1 Sibylle Heß - a „Die deutsche Ideologie"
Ich habe den Westfalen1311 geschrieben, das Manuskript an Daniels zu schicken. Hat der es noch nicht, so laß Dir den Aufsatz über Rüge direkt von ihnen schicken. Was ist denn das für ein Buch von Heinzen?13621 Und was schreibt Dottore Graziano über Dich?13631 Schreib mir das.
30
Marx an Karl Wilhelm Leske in Darmstadt (Entwurf)
[Brüssel] I.August [1846]
Geehrter Herr! Auf Ihr Schreiben, worin Sie mir Ihre Bedenken wegen des Verlags auseinandersetzten [3641, erhielten Sie umgehend Antwort. Was Ihre Frage wegen der „Wissenschaftlichkeit" anbelangt, antwortete ich Ihnen: Das Buch sei wissenschaftlich, aber nicht wissenschaftlich im Sinne der preußischen Regierung etc. Wenn Sie sich Ihres ersten Briefes noch erinnern wollen, so schrieben Sie sehr geängstigt wegen der preußischen] Verwarnung und der Polizeiuntersuchung, die eben bei Ihnen stattfand. Ich schrieb Ihnen zugleich, daß ich mich nach einer andern Verlagsbuchhandlung umsehn würde. Ich erhielt noch einen zweiten Brief von Ihnen, worin Sie einerseits den Verlag aufkündigten, andrerseits der Zurückzahlung des Vorschusses unter der Form einer Anweisung auf den respektiven neuen Verleger beistimmten. Sie erhielten darauf keine weitere Antwort, weil ich Ihnen in kurzer Zeit eine positive Antwort, d.h. die Ankündigung eines andern Verlegers geben zu können glaubte. Wie sich das verzögerte, werden Sie sogleich erfahren. Daß ich Ihren Vorschlag wegen der Zurückzahlung des Vorschusses als sich von selbst verstehend akzeptierte, können Sie daraus ersehn, daß ich an dem einzigen Ort, wo ich Schritte wegen des Verlags tat, zugleich erklären ließ, die 1500 fr. seien Ihnen bei Übernahme des Manuskripts zurückzuzahlen. Der Beweis hiervon kann jederzeit beigebracht werden. Übrigens sind noch Engels und Heß Zeugen. Andrerseits werden Sie sich erinnern, daß in Paris wie in dem schriftlichen Kontrakt[365] nichts über die mehr oder minder revolutionäre Form meiner Schrift verabredet war, daß ich im Gegenteil damals sogar beide Bände zugleich herausgeben zu müssen meinte, weil das Erscheinen des ersten Bandes das Verbot oder die Konfiskation des zweiten nach sich ziehn würde. Heinrich Bürgers aus Köln weir zugegen und kann dies bezeugen. Juristisch gesprochen waren Sie also nicht berechtigt, neue Bedingungen zu machen oder den Verlag abzulehnen, wie ich meinerseits von juristischem
Standpunkt aus weder zur Zurückzahlung des Vorschusses, noch zum Eingehn auf Ihre neuen Vorschläge, noch zu einer Modifikation meiner Arbeit verpflichtet bin. Daß ich aber keinen Augenblick daran denken könnte, mich juristisch zu Ihnen zu verhalten, namentlich, da Sie kontraktlich ebensowenig verpflichtet waren, mir einen Vorschuß zu zahlen, und den ich vielmehr als rein freundschaftlich betrachten mußte und betrachtet habe, bedarf wohl feiner Auseinandersetzung. Sooft ich bisher Buchhändler (z.B. Wigand und Fröbel bei Gelegenheit der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" und andre Verlagsunternehmer, wie Sie sogleich hören werden) von ihren kontraktlich eingegangnen und juristisch erzwingbaren Verpflichtungen ohne weiteres trotz großer pekuniärer Verluste absolviert habe, sowenig ist es mir jemals eingefallen, irgendeinen Buchhändler um einen Pfennig zu benachteiligen, selbst wo ich es juristisch konnte. Warum ich grade bei Ihnen eine Ausnahme hätte machen sollen, der Sie mir eine besondere Gefälligkeit erwiesen hatten, ist absolut nicht abzusehen. Was nun die Verzögerung der Antwort betrifft, folgendes: Einige Kapitalisten in Deutschland hatten den Verlag mehrerer Schriften von mir, Engels und Heß akzeptiert.13661 Es war hier sogar Aussicht auf einen förmlichen ausgedehnten Verlag gegeben, der von allen polizeilichen Rücksichten frei sein sollte. Durch einen Freund der Herren1 war mir außerdem der Verlag meiner „Kritik der Ökonomie" etc. so gut wie zugesichert. Derselbe Freund hielt sich in Brüssel bis Mai auf, um das Manuskript des ersten Bandes der unter meiner Redaktion und unter der Mitarbeit von Engels etc. herausgegebnen Publikation2 sicher über die Grenze zu bringen. Von Deutschland aus sollte er dann auch definitiv über die Annahme oder Nichtannahme der „Nationalökonomie" schreiben. Eis kamen keine oder unbestimmte Nachrichten, und nachdem schon der größte Teil des Manuskripts des zweiten Bandes jener Publikation nach Deutschland versandt war, schrieben jene Herren endlich vor sehr kurzer Zeit, daß es wegen anderweitigen Engagements ihres Kapitals mit der ganzen Geschichte nichts sei. Eine entscheidende Antwort an Sie wurde so verzögert. Nachdem alles sich entschieden hatte, verabredete ich mit dem sich hier aufhaltenden Herrn Pirscher aus Darmstadt, daß er einen Brief von mir Ihnen überbringen sollte. Ich hatte wegen jener mit den deutschen Kapitalisten verabredeten Publikation die Bearbeitung der „Ökonomie" ausgesetzt. Es schien mir nämlich sehr wichtig, eine polemische Schrift gegen die deutsche Philo
1 Joseph Weydemeyer - 2 »Die deutsche Ideologie"
sophie und gegen den seitherigen deutschen Sozialismus meiner positiven Entwicklung vorherzuschicken. Es ist dies notwendig, um das Publikum auf den Standpunkt meiner Ökonomie, welche schnurstracks der bisherigen deutschen Wissenschaft sich gegenüberstellt, vorzubereiten. Es ist dies übrigens dieselbe polemische Schrift, wovon ich Ihnen bereits in einem meiner Briefe geschrieben hatte, daß sie vor der Publikation der „Ökonomie" beendigt sein müsse. Soweit hiervon. Auf Ihr jetziges Schreiben antworte ich Ihnen wie folgt: I. Im Fall Sie die Schrift nicht verlegen, erkläre ich es als sich von selbst verstehend, daß Sie den Vorschuß in der von Ihnen angegebenen Weise zurückerhalten. Nur versteht es sich ebensosehr von selbst, daß, erhielte ich von einem andern Verleger weniger als das mit Ihnen verabredete Honorar, Sie so gut an dem Verlust teilnehmen wie ich, da durch Sie, nicht durch mich, der Rekurs an einen andern Verleger veranlaßt ist. II. Aussicht auf den Verlag meines Buchs ist eröffnet. Vorgestern erhielt ich einen Brief aus Deutschland, worin man mir ankündigt, daß man einen Aktienverlag für kommunistische Schriften gründen will, der mit meiner Schrift gern debütieren wird. Ich betrachte die Sache aber noch als so unbestimmt,daß ich mich nötigenfalls noch an andre Buchhändler adressieren werde. III. Da das fast beendigte Manuskript des ersten Bandes meiner Schrift schon so lange Zeit hier liegt, werde ich es nicht drucken lassen, ohne es noch einmal sachlich und stilistisch umzuarbeiten. Es versteht sich, daß ein Schriftsteller, der fortarbeitet, nach 6 Monaten nicht mehr wörtlich drucken lassen kann, was er vor 6 Monaten geschrieben hat. Kömmt hinzu, daß die „Physiokräten" in 2 Foliobänden erst Ende Juli erschienen und erst in einigen Tagen hier ankommen werden, obgleich ihr Erscheinen schon während meines Aufenthalts zu Paris angekündigt war. Sie müssen jetzt vollständig berücksichtigt werden. Das Buch wird jetzt so umgeschrieben werden, daß es selbst unter Ihrer Firma erscheinen kann. Es stünde Ihnen übrigens nach Ansicht des Manu-r skripts frei, es unter fremder Firma erscheinen zu lassen. IV. Was die Zeit betrifft, folgendes: Ich bin wegen meiner sehr angegriffnen Gesundheit genötigt, während des Augusts in Ostende Seebäder zu nehmen, außerdem mit der Herausgabe der 2 Bände der obenerwähnten Publikation beschäftigt. Während des Augusts kann daher nicht viel geschehn.
29 Marx/Engels, Werlte. Bd. 27
Die Umarbeitung des ersten Bandes wird zum Druck fertig sein Ende November. Der 2te Band, der mehr historisch ist, kann rasch folgen. V. Ich habe Ihnen schon in einem frühern Brief geschrieben, daß teils durch das in England neuhinzugekommene Material13671, teils durch die bei der Bearbeitung sich herausstellenden Bedürfnisse das Manuskript sich um mehr als 20 Druckbogen über die verabredete Bogenzahl vermehren wird. Da einmal der Kontrakt abgeschlossen, war ich entschlossen, wie Sie sich aus einem frühern Brief erinnern werden, für die ungefähr um 1IS vermehrte Bogenzahl mit dem verabredeten Honorar vorliebzunehmen. Es hätte dem Buch geschadet, hätte ich das hinzugekommene Material getrennt herausgegeben. Ich nähme keinen Augenblick Anstand, den kommerziellen Nachteil im Interesse der Schrift zu tragen. Ich wollte weder den Kontrakt brechen, noch der Wirkung des Buchs selbst schaden. Da aber, nach Ihrem frühern Schreiben, die Wiederaufnahme des Kontrakts mir anheimgestellt ist, so müßte ich die eine neue Bedingung hinzufügen, daß die über die verabredete Bogenzahl zugefügten Druckbogen mir nach demselben Maßstab honoriert werden. Ich glaube, daß diese Forderung um so billiger ist, als mein Gewinn an der Schrift durch die eigens für sie unternommene Reise und Aufenthalt in England, wie durch das Anschaffen einer sehr teuern und zahlreichen Literatur ohnehin sehr gering ist. Schließlich,'wenn es zu irgendwie räsonablen Bedingungen sein kann, wünsche ich, daß die Schrift in Ihrem Verlag erscheint, da Sie durchaus liberal und freundschaftlich sich gegen mich gezeigt haben. Wenn es darauf ankäme, könnte ich Ihnen durch mir zahlreich aus Deutschland und Frankreich zugegangenen Briefe beweisen, daß man diese Schrift mit großer Spannung im Publikum erwartet. Ihr ergebner Dr.Marx
Ich bitte, mir umgehend zu schreiben13681 unter der Adresse: ä Mr.Lcmnoy. Au Bois Sauvage, Plaine St.Gudule N. 12, Bruxelles.
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Marx an Pawel Wassiljewitsch Annenkow in Paris
Brüssel, 28. Dezember [1846] rue d'Orleans 42, Fbg. Namur
Lieber Herr Annenkow! Sie hätten meine Antwort auf Ihren Brief vom I.November schon längst erhalten, wenn nicht mein Buchhändler mir erst vergangene Woche das Buch des Herrn Proudhon „Philosophie de la mis&re" zugeschickt hätte. Ich habe es in zwei Tagen durchflogen, um Ihnen sofort meine Meinung mitteilen zu können. Da ich das Buch sehr eilig gelesen habe, kann ich nicht auf Einzelheiten eingehen und kann Ihnen nur den allgemeinen Eindruck mitteilen, den es auf mich gemacht hat. Wenn Sie es wünschen, könnte ich in einem zweiten Brief auf Einzelheiten eingehen. Ich gestehe Ihnen offen, daß ich das Buch im allgemeinen schlecht, ja sehr schlecht finde. Sie selbst machen sich in Ihrem Brief lustig „über das bißchen deutsche Philosophie"[3691, mit dem Herr Proudhon in diesem unförmigen und anmaßenden Werk prunkt, nehmen aber an, daß die ökonomische Darstellung nicht durch das philosophische Gift infiziert worden sei. Ich bin ja auch weit davon entfernt, die Fehler in der ökonomischen Darstellung der Philosophie des Herrn Proudhon zuzuschreiben. Herr Proudhon liefert nicht deshalb eine falsche Kritik der politischen Ökonomie, weil er eine lächerliche Philosophie besitzt, sondern er liefert eine lächerliche Philosophie, weil er die gegenwärtigen sozialen Zustände in ihrer Verkettung [engrenement] - um ein Wort zu gebrauchen, das Herr Proudhon wie viele andere Dinge Fourier entlehnt - nicht begriffen hat. Warum spricht Herr Proudhon von Gott, von der universellen Vernunft, von der unpersönlichen Vernunft der Menschheit, die nie irrt, die stets sich selbst gleich war, deren man sich nur richtig bewußt zu sein braucht, um das Wahre zu treffen? Warum treibt er schwächlichen Hegelianismus, um sich als starker Denker aufzuspielen ? Er selbst gibt die Lösung des Rätsels. Herr Proudhon erblickt in der Geschichte eine bestimmte Reihe gesellschaftlicher Entwicklungen; er findet den Fortschritt in der Geschichte verwirklicht; er findet endlich, daß
29*
die Menschen, als Individuen, nicht wußten, was sie taten, daß sie sich über ihre eigene Bewegung täuschten, d.h., daß ihre gesellschaftliche Entwicklung auf den ersten Blick verschieden, getrennt, unabhängig von ihrer individuellen erscheint. Er kann diese Tatsachen nicht erklären, und die Hypothese von der sich offenbarenden universellen Vernunft ist reinste Erfindung. Nichts leichter, als mystische Ursachen, d.h. Phrasen, zu erfinden, denen jeder Sinn fehlt. Aber wenn Herr Proudhon gesteht, daß er von der historischen Entwicklung der Menschheit nichts versteht - und er gibt es zu, da er sich so tönender Worte wie universelle Vernunft, Gott etc. bedient -, gesteht er damit nicht implizite und notwendig, daß er unfähig ist, die ökonomische Entwicklung zu begreifen? Was ist die Gesellschaft, welches immer auch ihre Form sei? Das Produkt des wechselseitigen Handelns der Menschen. Steht es den Menschen frei, diese oder jene Gesellschaftsform zu wählen? Keineswegs. Setzen Sie einen bestimmten Entwicklungsstand der Produktivkräfte der Menschen voraus, und Sie erhalten eine bestimmte Form des Verkehrs [commerce] und der Konsumtion. Setzen Sie bestimmte Stufen der Entwicklung der Produktion, des Verkehrs und der Konsumtion voraus, und Sie erhalten eine entsprechende soziale Ordnung, eine entsprechende Organisation der Familie, der Stände oder der Klassen, mit einem Wort, eine entsprechende Gesellschaft [soci6te civile]. Setzen Sie eine solche Gesellschaft voraus, und Sie erhalten eine entsprechende politische Ordnung [etat politique], die nur der offizielle Ausdruck der Gesellschaft ist. Das wird Herr Proudhon nie verstehen, denn er glaubt, etwas Großes zu tun, wenn er vom Staat [etat] an die Gesellschaft, d.h. von dem offiziellen Resümee der Gesellschaft an die offizielle Gesellschaft appelliert. Mein braucht nicht hinzuzufügen, daß die Menschen ihre Produktivkräfte - die Basis ihrer ganzen Geschichte - nicht frei wählen; denn jede Produktivkraft ist eine erworbene Kraft, das Produkt früherer Tätigkeit. Die Produktivkräfte sind also das Resultat der angewandten Energie der Menschen, doch diese Energie selbst ist begrenzt durch die Umstände, in welche die Menschen sich versetzt finden, durch die bereits erworbenen Produktivkräfte, durch die Gesellschaftsform, die vor ihnen da ist, die sie nicht schaffen, die das Produkt der vorhergehenden Generation ist. Dank der einfachen Tatsache, daß jede neue Generation die von der alten Generation erworbenen Produktivkräfte vorfindet, die ihr als Rohmaterial für neue Produktion dienen, entsteht ein Zusammenhang in der Geschichte der Menschen, entsteht die Geschichte der Menschheit, die um so mehr
Geschichte der Menschheit ist, je mehr die Produktivkräfte der Menschen und infolgedessen ihre gesellschaftlichen Beziehungen wachsen. Die notwendige Folge: Die soziale Geschichte der Menschen ist stets nur die Geschichte ihrer individuellen Entwicklung, ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht. Ihre materiellen Verhältnisse sind die Basis aller ihrer Verhältnisse. Diese materiellen Verhältnisse sind nichts anderes als die notwendigen Formen, in denen ihre materielle und individuelle Tätigkeit sich realisiert. Herr Proudhon verwechselt die Ideen mit den Dingen. Die Menschen verzichten nie auf das, was sie gewonnen haben, aber das bedeutet nicht, daß sie nie auf die Gesellschaftsform verzichten, in der sie bestimmte Produktivkräfte erworben haben. Ganz im Gegenteil. Um des erzielten Resultats nicht verlustig zu gehen, um die Früchte der Zivilisation nicht zu verlieren, sind die Menschen gezwungen, sobald die Art und Weise ihres Verkehrs [commerce] den erworbenen Produktivkräften nicht mehr entspricht, alle ihre überkommenen Gesellschaftsformen zu ändern. - Ich nehme das Wort commerce hier in dem weitesten Sinn, den es im Deutschen hat: Verkehr1. - Zum Beispiel: Das Privileg, die Institution der Zünfte und Korporationen, die ganzen Reglementierungen des Mittelalters waren gesellschaftliche Beziehungen, die allein den erworbenen Produktivkräften und dem vorher bestehenden Gesellschaftszustand entsprachen, aus dem diese Institutionen hervorgegangen waren. Unter dem Schutze des genossenschaftlichen und reglementierenden Regimes sammelten sich Kapitalien, entwickelte sich der Seehandel, wurden Kolonien gegründet - und die Menschen hätten eben diese Früchte eingebüßt, wenn sie versucht hätten, die Formen beizubehalten, unter deren Schutz diese Früchte gereift waren. So gab es denn auch zwei Donnerschläge, die Revolution von 1640 und die von 1688. Alle alten ökonomischen Formen, die sozialen Beziehungen, welche ihnen entsprachen, die politische Ordnung [6tat politique], welche der offizielle Ausdruck der alten Gesellschaft war, wurden in England zerbrochen. Die ökonomischen Formen, unter denen die Menschen produzieren, konsumieren, austauschen, sind also vorübergehende und historische. Mit der Erwerbung neuer Produktivkräfte ändern die Menschen ihre Produktionsweise, und mit der Produktionsweise ändern sie alle ökonomischen Verhältnisse, die bloß die für diese bestimmte Produktionsweise notwendigen Beziehungen waren. Das gerade hat Herr Proudhon nicht begriffen und noch weniger nach
1 Verkehr: im Original deutsch
gewiesen. Unfähig, die wirkliche Bewegung der Geschichte zu verfolgen, liefert Herr Proudhon eine Phantasmagorie, die den Anspruch erhebt, dialektisch zu sein. Er verspürt nicht das Bedürfnis, vom 17., 18., ^.Jahrhundert zu sprechen, denn seine Geschichte spielt sich im Nebelreich der Einbildung ab und ist hoch erhaben über Zeit und Ort. Mit einem Wort: das ist Hegelsches abgedroschenes Zeug, das ist keine Geschichte, keine profane Geschichte - Geschichte der Menschen -, sondern heilige Geschichte - Geschichte der Ideen. Nach seiner Ansicht ist der Mensch bloß das Werkzeug, dessen sich die Idee oder die ewige Vernunft zu ihrer Entwicklung bedient. Die Evolutionen, von denen Herr Proudhon spricht, sollen Evolutionen sein, wie sie sich im mystischen Schöße der absoluten Idee vollziehen. Zerreißt man den Vorhang dieser mystischen Ausdrucksweise, so heißt das, daß Herr Proudhon uns die Ordnung angibt, in der die ökonomischen Kategorien im Innern seines Kopfes rangieren. Es wird mich nicht viel Mühe kosten, Ihnen zu beweisen, daß dieses Arrangement das Arrangement eines sehr ungeordneten Kopfes ist. Herr Proudhon eröffnet sein Buch mit einer Abhandlung über den Wert, der sein Steckenpferd ist. Mit der Untersuchung dieser Abhandlung werde ich mich diesmal nicht befassen. Die Reihe der ökonomischen Evolutionen der ewigen Vernunft beginnt mit der Arbeitsteilung. Für Herrn Proudhon ist die Arbeitsteilung eine ganz einfache Sache. Weir aber nicht das Kastenregime eine bestimmte Arbeitsteilung? Und war das Zunftsystem nicht eine andere Arbeitsteilung? Und ist nicht die Arbeitsteilung der Manufakturperiode, die in England um die Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt und gegen Ende des 18. Jahrhunderts endet, wiederum völlig verschieden von der Arbeitsteilung in der großen, der modernen Industrie? Herr Proudhon ist so weit von der Wahrheit entfernt, daß er unterläßt, was sogar die profanen Ökonomen tun. Um von der Arbeitsteilung zu reden, hat er es nicht nötig, vom Weltmarkt zu reden. Nun! Mußte sich nicht die Arbeitsteilung im 14. und 15. Jahrhundert, als es noch keine Kolonien gab, als Amerika für Europa noch nicht existierte, als Ostasien nur durch Vermittlung von Konstantinopel existierte, von Grund auf unterscheiden von der Arbeitsteilung des 17. Jahrhunderts, das bereits entwikkelte Kolonien hatte? Das ist noch nicht alles. Was sind die ganze innere Organisation der Völker, alle ihre internationalen Beziehungen anderes als der Ausdruck einer bestimmten Arbeitsteilung? Und müssen sie sich nicht verändern mit der Veränderung der Arbeitsteilung?
Herr Proudhon hat die Frage der Arbeitsteilung so wenig verstanden, daß er nicht einmal die Trennung von Stadt und Land erwähnt, die sich, zum Beispiel in Deutschland, vom 9. bis zum 12. Jahrhundert vollzogen hat. So muß diese Trennung für Herrn Proudhon zum ewigen Gesetz werden, weil er weder ihren Ursprung noch ihre Entwicklung kennt. Er spricht deshalb in seinem ganzen Buch so, als ob dieses Erzeugnis einer bestimmten Produktionsweise bis zum Jüngsten Tage fortbestände. Alles, was Herr Proudhon über die Arbeitsteilung vorbringt, ist bloß ein Resümee, und dazu noch ein sehr oberflächliches, sehr unvollständiges Resümee dessen, was Adam Smith und tausend andere vor ihm gesagt haben. Die zweite Evolution sind die Maschinen. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsteilung und Maschinen ist bei Herrn Proudhon völlig mystisch. Jede Art der Arbeitsteilung hatte ihre spezifischen Produktionsinstrumente. Zum Beispiel machten die Menschen von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht alles mit der Hand. Sie besaßen Instrumente, sogar sehr komplizierte, wie Werkbänke, Schiffe, Hebel etc. etc. Nichts lächerlicher also, als die Maschinen als Folge aus der Arbeitsteilung im allgemeinen hervorgehen zu lassen. Ich will nebenbei noch bemerken, daß Herr Proudhon, da er den geschichtlichen Ursprung der Maschinen nicht begriffen, noch weniger ihre Entwicklung verstanden hat. Man kann sagen, daß bis 1825 - der Epoche der ersten universellen Krise - die Bedürfnisse der Konsumtion im allgemeinen schneller zunahmen, als die Produktion und die Entwicklung der Maschinen notgedrungen den Bedürfnissen des Marktes folgten. Seit 1825 ist die Erfindung und Anwendung der Maschinen nur das Resultat des Krieges zwischen Unternehmern und Arbeitern. Und auch das gilt nur für England. Die europäischen Nationen sind zur Anwendung der Maschinen durch die Konkurrenz gezwungen worden, die die Engländer ihnen sowohl auf dem inneren Markt als auch auf den Weltmarkt machten. In Nordamerika schließlich war die Einführung der Maschinen die Folge sowohl der Konkurrenz mit den anderen Völkern als auch des Mangels an Arbeitskräften, d.h. des Mißverhältnisses zwischen der Bevölkerungszahl und den industriellen Bedürfnissen Nordamerikas. Aus diesen Tatsachen können Sie schließen, welchen Scharfsinn Herr Proudhon entwickelt, wenn er das Gespenst der Konkurrenz als dritte Evolution, als Antithese der Maschinen, heraufbeschwört! Schließlich ist es überhaupt wahrhaft absurd, die Maschinen zu einer ökonomischen Kategorie neben der Arbeitsteilung, der Konkurrenz, dem Kredit etc. zu machen.
Die Maschine ist ebensowenig eine ökonomische Kategorie wie der Ochse, der den Pflug zieht. Die gegenwärtige Anwendung der Maschinen gehört zu den Verhältnissen unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems, doch die Art, wie die Maschinen ausgenutzt werden, ist etwas völlig anderes als die Maschinen selbst. Pulver bleibt Pulver, ob man sich seiner bedient, um einen Menschen zu verletzen oder um die Wunden des Verletzten zu heilen. Herr Proudhon übertrifft sich selbst, wenn er in seinem Kopfe die Konkurrenz, das Monopol, die Steuer oder die Polizei, die Handelsbilanz, den Kredit, das Eigentum in der hier angeführten Reihenfolge entstehen läßt. Fast das ganze Kreditwesen war in England zu Anfang des 18. Jahrhunderts vor Erfindung der Maschinen entwickelt. Der Staatskredit war bloß eine neue Art, die Steuern zu erhöhen und die durch den Herrschaftsantritt der Bourgeoisklasse geschaffenen neuen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Eigentum bildet schließlich die letzte Kategorie im System des Herrn Proudhon. In der realen Welt dagegen sind die Arbeitsteilung und alle übrigen Kategorien des Herrn Proudhon gesellschaftliche Beziehungen, deren Gesamtheit das bildet, was man heute das Eigentum nennt: außerhalb dieser Beziehungen ist das bürgerliche Eigentum nichts als eine metaphysische oder juristische Illusion. Das Eigentum einer anderen Epoche, das Feudaleigentum, entwickelt sich unter ganz anderen gesellschaftlichen Beziehungen. Wenn Herr Proudhon das Eigentum als eine selbständige Beziehung darstellt, begeht er mehr als nur einen Fehler der Methode: er beweist klar, daß er nicht das Band erfaßt hat, das alle Formen der bürgerlichen Produktion verknüpft, daß er den historischen und vorübergehenden Charakter der Produktionsformen in einer bestimmten Epoche nicht begriffen hat. Herr Proudhon, der in unseren gesellschaftlichen Einrichtungen nicht Produkte der Geschichte erblickt, der weder ihren Ursprung noch ihre Entwicklung versteht, kann an ihnen nur dogmatische Kritik üben. So ist Herr Proudhon auch gezwungen, zu einer Fiktion Zuflucht zu nehmen, um die Entwicklung zu erklären. Er bildet sich ein, die Arbeitsteilung, der Kredit, die Maschinen etc., alles sei erfunden worden, um seiner fixen Idee, der Idee der Gleichheit, zu dienen. Seine Erklärung ist von köstlicher Naivität. Man hat diese Dinge eigens für die Gleichheit erfunden, doch leider haben sie sich gegen die Gleichheit gekehrt. Das ist sein ganzes Räsonnement. Das heißt, er geht von einer willkürlichen Annahme aus, und da die wirkliche Entwicklung und seine Fiktion einander auf Schritt und Tritt widersprechen, schließt er daraus, daß hier ein Widerspruch bestehe. Er verhehlt dabei, daß es nur ein Widerspruch zwischen seinen fixen Ideen und der wirklichen Bewegung ist.
So hat Herr Proudhon, hauptsächlich aus Mangelan historischen Kenntnissen, nicht bemerkt: daß die Menschen, indem sie ihre Produktivkräfte entwickeln, d.h., indem sie leben, bestimmte Verhältnisse zueinander entwickeln, und daß die Art dieser Verhältnisse sich mit der Wandlung und dem Wachstum dieser Produktivkräfte notwendig verändert. Er hat nicht gesehen, daß die ökonomischen Kategorien nur Abstraktionen dieser realen Verhältnisse, daß sie nur solange Wahrheiten sind, wie diese Verhältnisse bestehen. So verfällt er in den Irrtum der bürgerlichen Ökonomen, die in diesen ökonomischen Kategorien ewige Gesetze sehen und nicht historische Gesetze, die nur für eine bestimmte historische Entwicklung, für eine bestimmte Entwicklung der Produktivkräfte gelten. Statt daher die politischökonomischen Kategorien als Abstraktionen von den wirklichen, vorübergehenden, historischen gesellschaftlichen Beziehungen anzusehen, sieht Herr Proudhon, infolge einer mystischen Umkehrung, in den wirklichen Verhältnissen nur Verkörperungen dieser Abstraktionen. Diese Abstraktionen selbst sind Formeln, die seit Anbeginn der Welt im Schöße Gottvaters geschlummert haben. Hier jedoch wird der gute Herr Proudhon von heftigen Geisteskrämpfen befallen. Wenn alle diese ökonomischen Kategorien Emanationen des göttlichen Herzens, wenn sie das verborgene" und ewige Leben der Menschen sind, wie kommt es dann, erstens, daß es eine Entwicklung gibt, und zweitens, daß Herr Proudhon nicht Konservativer ist? Er erklärt diese offenbaren Widersprüche durch ein ganzes System des Antagonismus. Greifen wir, um dieses System des Antagonismus zu beleuchten, ein Beispiel heraus. Das Monopol ist gut, denn es ist eine ökonomische Kategorie, also eine Emanation Gottes. Die Konkurrenz ist gut, denn sie ist ebenfalls eine ökonomische Kategorie. Was aber nicht gut, ist die Realität des Monopols und die der Konkurrenz. Was noch schlimmer, ist, daß Monopol und Konkurrenz sich gegenseitig auffressen. Was tun? Da diese beiden ewigen Gedanken Gottes einander widersprechen, scheint es ihm offensichtlich, daß im Schöße Gottes auch eine Synthese dieser beiden Gedanken vorhanden ist, in der die Übel des Monopols durch die Konkurrenz ausgeglichen werden und vice versa. Der Kampf zwischen den beiden Ideen wird im Endresultat nur die gute Seite hervortreten lassen. Man muß Gott diesen geheimen Gedanken entreißen, ihn sodann anwenden, und alles ist in schönster Ordnung. Eis gilt, die in der Nacht der unpersönlichen Vernunft der Menschheit verborgene Formel der Synthese zu offenbaren. Herr Proudhon zögert keinen Augenblick, sich zum Offenbarer zu machen.
Aber betrachten Sie einen Augenblick das wirkliche Leben. Im ökonomischen Leben unserer Zeit finden Sie nicht nur die Konkurrenz und das Monopol, sondern auch ihre Synthese, die nicht eine Formel, sondern eine Bewegung ist. Das Monopol erzeugt die Konkurrenz, die Konkurrenz erzeugt das Monopol. Diese Gleichung beseitigt jedoch keineswegs die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage, wie die bürgerlichen Ökonomen sich das vorstellen, sondern läßt nur eine noch schwierigere und verworrenere Lage entstehen. Wenn Sie also die Basis verändern, auf die sich die gegenwärtigen ökonomischen Verhältnisse gründen, wenn Sie die heutige Produktionsweise vernichten, vernichten Sie nicht nur die Konkurrenz, das Monopol und ihren Antagonismus, sondern auch ihre Einheit, ihre Synthese, die Bewegung, die den wirklichen Ausgleich von Konkurrenz und Monopol darstellt. Nun will ich Ihnen ein Beispiel von der Dialektik des Herrn Proudhon vorführen. Die Freiheit und die Sklaverei bilden einen Antagonismus. Ich brauche weder von den guten noch von den schlechten Seiten der Freiheit zu sprechen. Was die Sklaverei betrifft, so brauche ich nicht von ihren schlechten Seiten zu sprechen. Das einzige, das erklärt werden muß, ist die gute Seite der Sklaverei. Es handelt sich nicht um die indirekte Sklaverei, die Sklaverei des Proletariers; es handelt sich um die direkte Sklaverei, die Sklaverei der Schwarzen in Surinam, in Brasilien, in den Südstaaten Nordamerikas. Die direkte Sklaverei ist der Angelpunkt unserer heutigen Industrie ebenso wie die Maschinen, der Kredit etc. Ohne Sklaverei keine Baumwolle; ohne Baumwolle keine moderne Industrie. Erst die Sklaverei hat den Kolonien ihren Wert gegeben, erst die Kolonien haben den Welthandel geschaffen, der Welthandel ist die notwendige Bedingung der maschinellen Großindustrie. So lieferten denn auch die Kolonien der Alten Welt vor dem Negerhandel nur sehr wenige Produkte und änderten das Antlitz der Welt nicht merklich. Mithin ist die Sklaverei eine ökonomische Kategorie von höchster Bedeutung. Ohne die Sklaverei würde Nordamerika, das vorgeschrittenste Land, sich in ein patriarchalisches Land verwandeln. Man streiche Nordamerika von der Weltkarte, und man hat die Anarchie, den völligen Verfall des Handels und der modernen Zivilisation. Doch die Sklaverei verschwinden lassen, hieße Amerika von der Weltkarte streichen. So findet sich denn auch die Sklaverei, da sie eine ökonomische Kategorie ist, seit Anbeginn der Welt bei allen Völkern. Die modernen Völker haben die Sklaverei in ihren Ländern lediglich zu maskieren und sie offen in der Neuen Welt einzuführen gewußt. Was soll nun der gute Herr Proudhon
nach diesen Reflexionen über die Sklaverei anfangen? Er sucht die Synthese von Freiheit und Sklaverei, das wahre juste-milieu, mit anderen Worten: das Gleichgewicht zwischen Sklaverei und Freiheit. Herr Proudhon hat sehr gut begriffen, daß die Menschen Tuch, Leinwand, Seidenstoffe herstellen - wahrlich ein großes Verdienst, eine solche Kleinigkeit begriffen zu haben! Nicht begriffen hat Herr Proudhon dagegen, daß die Menschen je nach ihren Produktivkräften auch die gesellschaftlichen Beziehungen produzieren, in denen sie Tuch und Leinwand produzieren. Noch weniger hat Herr Proudhon begriffen, daß die Menschen, die entsprechend ihrer materiellen Produktivität [productivite materielle] die gesellschaftlichen Beziehungen produzieren, auch die Ideen, die Kategorien, d.h. den abstrakten, ideellen Ausdruck eben dieser gesellschaftlichen Beziehungen produzieren. Die Kategorien sind also genausowenig ewig wie die Beziehungen, die sie ausdrücken. Sie sind historische und vorübergehende Produkte. Für Herrn Proudhon sind ganz im Gegenteil die Abstraktionen, die Kategorien die primäre Ursache. Nach ihm produzieren sie, und nicht die Menschen, die Geschichte. Die Abstraktion, die Kategorie als solche, d.h. losgelöst von den Menschen und ihrer materiellen Tätigkeit, ist natürlich unsterblich, unveränderlich, unbeweglich; sie ist nur ein Wesen der reinen Vernunft, was lediglich besagen will, daß die Abstraktion als solche abstrakt ist - eine prächtige Tautologie! So sind denn die ökonomischen Beziehungen, als Kategorie betrachtet, für Herrn Proudhon ewige Formeln, die weder Ursprung noch Fortschritt kennen. Sagen wir es auf andere Weise: Herr Proudhon behauptet nicht direkt, daß das bürgerliche Leben für ihn eine ewige Wahrheit sei. Er sagt es indirekt, indem er die Kategorien vergöttlicht, die die bürgerlichen Verhältnisse in der Form des Gedankens ausdrücken. Er hält dieProdukte der bürgerlichen Gesellschaft für spontan entstandene, mit eigenem Leben ausgestattete ewige Wesen, da sie sich ihm in der Form von Kategorien, in der Form des Gedankens darstellen. So kommt er nicht über den bürgerlichen Horizont hinaus. Da er mit bürgerlichen Gedanken derart operiert, als wenn sie ewig wahr wären, sucht er die Synthese dieser Gedanken, ihr Gleichgewicht, und sieht nicht, daß die Art und Weise, wie sie sich gegenwärtig das Gleichgewicht halten, die einzig mögliche ist. In Wirklichkeit tut er, was alle guten Bourgeois tun. Sie sagen alle, daß die Konkurrenz, das Monopol etc. im Prinzip, d.h. als abstrakte Gedanken, die alleinigen Grundlagen des Lebens sind, in der Praxis aber viel zu wünschen lassen. Sie wollen alle die Konkurrenz ohne die unheilvollen Folgen
der Konkurrenz. Sie wollen alle das Unmögliche, d.h. bürgerliche Lebensbedingungen ohne die notwendigen Konsequenzen dieser Bedingungen. Sie alle verstehen nicht, daß die bürgerliche Form der Produktion eine historische und vorübergehende ist, genauso wie es die feudale Form war. Dieser Irrtum stammt daher, daß der Bourgeois-Mensch für sie die einzig mögliche Grundlage aller Gesellschaft ist, daß sie sich keine Gesellschaftsordnung denken können, in der der Mensch aufgehört hätte, Bourgeois zu sein. Herr Proudhon ist also notwendig doktrinär. Die historische Bewegung, die die Welt von heute umwälzt, löst sich für ihn in das Problem auf, das richtige Gleichgewicht, die Synthese zweier bürgerlicher Gedanken zu entdecken. So entdeckt der gewitzte Bursche vermöge seines Scharfsinns den verborgenen Gedanken Gottes, die Einheit der zwei isolierten Gedanken, die nur deswegen zwei isolierte Gedanken sind, weil Herr Proudhon sie vom praktischen Leben isoliert hat, von der gegenwärtigen Produktion, welche die Kombination der von diesen Gedanken ausgedrückten Realitäten ist. An die Stelle der großen historischen Bewegung, die aus dem Konflikt zwischen den bereits erworbenen Produktivkräften der Menschen und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgeht, die diesen Produktivkräften nicht mehr entsprechen; an die Stelle der furchtbaren Kriege, die sich zwischen den verschiedenen Klassen einer Nation, zwischen den verschiedenen Nationen vorbereiten; an die Stelle der praktischen und gewaltsamen Aktion der Massen, die allein die Lösung dieser Kollisionen bringen kann: an die Stelle dieser umfassenden, fortgesetzten und komplizierten Bewegung setzt Herr Proudhon die Entleerungsbewegung [le mouvement cacadauphin] seines Kopfes. Die Gelehrten also, die Menschen, die Gott seine intimen Gedanken zu entreißen verstehen, machen die Geschichte. Das niedere Volk hat bloß ihre Offenbarungen anzuwenden. Sie verstehen jetzt, warum Herr Proudhon der erklärte Feind jeder politischen Bewegung ist. Die Lösung der gegenwärtigen Probleme liegt für ihn nicht in der öffentlichen Aktion, sondern in den dialektischen Kreisbewegungen innerhalb seines Kopfes. Da für ihn die Kategorien die treibenden Kräfte sind, braucht man nicht das praktische Leben zu ändern, um die Kategorien zu ändern. Ganz im Gegenteil: Man muß die Kategorien ändern, und das wird die Änderung der wirklichen Gesellschaft zur Folge haben. Von dem Wunsch beseelt, die Widersprüche zu versöhnen, stellt sich Herr Proudhon nicht einmal die Frage, ob nicht eigentlich die Grundlage dieser Widersprüche umgewälzt werden muß. Er gleicht in allem dem doktrinären Politiker, der im König, in der Deputierten- und Pairskammer
integrierende Bestandteile des gesellschaftlichen Lebens, ewige Kategorien sehen will. Nur sucht er nach einer neuen Formel, um das Gleichgewicht dieser Mächte herzustellen, deren Gleichgewicht gerade auf der gegenwärtigen Bewegung beruht, wo eine dieser Mächte bald der Sieger, bald der Sklave der anderen ist. So war im 18. Jahrhundert eine Menge mittelmäßiger Köpfe damit beschäftigt, die einzig richtige Formel zu finden, um die sozialen Stände, den Adel, den König, die Parlamente etc. ins Gleichgewicht zu bringen, und über Nacht war alles - König, Parlament und Adel - verschwunden. Das richtige Gleichgewicht in diesem Antagonismus war die Umwälzung aller gesellschaftlichen Beziehungen, die diesen Feudalgebilden und ihrem Antagonismus als Grundlage dienten. Da Herr Proudhon auf die eine Seite die ewigen Ideen, die Kategorien der reinen Vernunft setzt, auf die andere die Menschen und ihr praktisches Leben, das nach ihm die Anwendung dieser Kategorien ist, finden Sie bei ihm von Anfang an einen Dualismus zwischen dem Leben und den Ideen, der Seele und dem Körper - einen Dualismus, der in vielen Formen wiederkehrt. Sie sehen jetzt, daß dieser Antagonismus nichts anderes ist als die Unfähigkeit des Herrn Proudhon, den irdischen Ursprung und die profane Geschichte der Kategorien, die er vergöttlicht, zu begreifen. Mein Brief ist bereits zu lang, als daß ich noch auf den lächerlichen Prozeß zu sprechen kommen könnte, den Herr Proudhon dem Kommunismus macht. Vorderhand werden Sie zugeben, daß ein Mensch, der die gegenwärtige Gesellschaftsordnung nicht begriffen hat, noch weniger imstande ist, die Bewegung, die sie umwälzen will, und den literarischen Ausdruck dieser revolutionären Bewegung zu begreifen. Der einzige Punkt, in dem ich mit Herrn Proudhon vollständig einverstanden bin, ist sein Widerwille gegen die sozialistische Gefühlsduselei. Ich habe mich bereits vor ihm durch meine Persiflage des schafsköpfigen, sentimentalen, utopischen Sozialismus sehr unbeliebt gemacht. Aber macht sich Herr Proudhon nicht sonderbare Illusionen, wenn er seine kleinbürgerliche Sentimentalität, ich meine seine Salbadereien über das häusliche Leben, die Gattenliebe und all diese Banalitäten, der sozialistischen Sentimentalität gegenüberstellt, die, zum Beispiel bei Fourier, viel tiefer ist als die anmaßenden Plattheiten unseres guten Proudhon? Er empfindet die Nichtigkeit seiner Beweisgründe, seine völlige Unfähigkeit, von diesen Dingen zu sprechen, selber so gut, daß er hemmungslos in Wut und Geschrei, in die irae hominis probi2 ausbricht, daß er schäumt, flucht,
2 den Zorn des rechtschaffnen Mannes
denunziert, daß er Niedertracht! Zeter und Mordio! schreit, sich an die Brust schlägt und sich vor Gott und den Menschen rühmt, nichts mit den sozialistischen Niederträchtigkeiten zu tun zu haben! Er kritisiert nicht die sozialistischen Sentimentalitäten oder das, was er für Sentimentalitäten hält. Er exkommuniziert als Heiliger, als Papst die armen Sünder und singt Ruhmeshymnen auf das Kleinbürgertum und die elenden, patriarchalischen Liebesillusionen des trauten Heims. Und das ist durchaus kein Zufall. Herr Proudhon ist von Kopf bis Fuß Philosoph, Ökonom des Kleinbürgertums. In einer fortgeschrittenen Gesellschaft und durch den Zwang seiner Lage wird der Kleinbürger einesteils Sozialist, anderenteils Ökonom, d.h., er ist geblendet von der Herrlichkeit der großen Bourgeoisie und hat Mitgefühl für die Leiden des Volkes. Er ist Bourgeois und Volk zugleich. Im Innersten seines Gewissens schmeichelt er sich, unparteiisch zu sein, das rechte Gleichgewicht gefunden zu haben, das den Anspruch erhebt, etwas anderes zu sein als das rechte juste-milieu. Ein solcher Kleinbürger vergöttlicht den Widerspruch, weil der Widerspruch der Kern seines Wesens ist. Er selber ist bloß der soziale Widerspruch in Aktion. Er muß durch die Theorie rechtfertigen, weis er in der Praxis ist, und Herr Proudhon hat das Verdienst, der wissenschaftliche Interpret des französischen Kleinbürgertums zu sein, was ein wirkliches Verdienst ist, da das Kleinbürgertum ein integrierender Bestandteil aller sich vorbereitenden sozialen Revolutionen sein wird. Ich hätte Ihnen gern mit diesem Brief mein Buch über die politische Ökonomie geschickt'6', aber bisher ist es mir nicht möglich gewesen, dieses Werk und die Kritik an den deutschen Philosophen und Sozialisten, von der ich Ihnen in Brüssel erzählte, drucken zu lassen. Sie können sich nicht vorstellen, auf welche Schwierigkeiten eine solche Veröffentlichung in Deutschland stößt, einesteils von Seiten der Polizei, anderenteils von Seiten der Verleger, die ja selbst die interessierten Vertreter all der Richtungen sind, die ich angreife. Und was unsere eigene Partei betrifft, so ist sie nicht nur arm, sondern eine starke Gruppe innerhalb der deutschen kommunistischen Partei nimmt es mir übel, daß ich mich ihren Utopien und Deklamationen widersetze. Ganz der Ihre Karl Marx
PS. Sie werden fragen, warum ich in schlechtem Französisch statt in gutem Deutsch an Sie schreibe? Weil ich mit einem französischen Autor zu tun habe.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mit Ihrer Antwort nicht zu lange warteten, damit ich weiß, ob Sie mich unter dieser Hülle eines barbarischen Französisch verstanden haben.
Nach: M. M. CTacjoneBHii. n ero coBpeMeHHHKH bb hxb nepeniicul;, tomb m, cn6.1912. Aus dem Französischen.
1847
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Marx an Roland Daniels in Köln
[Brüssel] 7. März [1847]
Lieber Daniels! Es ist möglich, daß Du oder sonst einer von Euch Kölnern einen Brief von Heß über k[ommunisti]sche Angelegenheiten erhaltet. Ich ersuche Dich dringend, feinen von Euch antworten zu lassen, bis ich durch W.1 Aktenstücke und Briefe Euch habe zukommen lassen. Jedenfalls muß ich Dich noch einmal dringend ersuchen, herzukommen. Ich habe Dir wichtige Sachen mitzuteilen, die nicht per Post mitgeteilt werden können. Kannst Du nicht kommen, so muß H.Bürgers auf ein paar Tage her. Bei mir steige Du oder Dein Stellvertreter ab. Sieh oben. Am [...]2 Also komm Du oder H.B[ürgers] nach Mecheln möglichst rasch. Befördere den Brief an Zulauff in Elberfeld, Grünstraße, der einliegt. Komm nicht nach Brüssel, sondern nach Mecheln, und schreib einen Tag vorher, wann Du oder Bürgers kommt. Kannst Deine Bourgeoisangelegenheiten auf ein paar Tage vernachlässigen.3 Dein Marx
1 Wahrscheinlich Georg Weerth - 2 Die Fortsetzung des Briefes fehlt. Nachstehende Zeilen stehen bis auf den letzten Satz am Kopf des Briefes. - 8 Dieser Satz und die Unterschrift befinden sich am linken Rand des Briefes.
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Marx an Georg Herwegh in Paris
27ten Juli [1847] Brüssel, Fbg. d'Ixelles, rue d'Orleans 42
Lieber Herwegh! Soeben kommt Engels von Paris, um sich einige Wochen hier aufzuhalten. Er bringt folgende Anekdote mit, über die ich Dich um baldmöglichste Aufklärung bitte. Bernays erzählt Ewerbeck: Herwegh war bei mir und erklärte, Marx habe ihn so freundschaftlich aufgenommen, daß er etwas von ihm haben zu wollen scheine. Bernays gab dann E[werbeck] noch vollständige Erlaubnis, dies Bonmot weiterzuspedieren. Ich würde natürlich dieses Tratsches wegen keinen Federzug tun, wenn er nicht eine Art Publizität unter meinen Pariser Bekannten erlangt hätte. Ich ersuche Dich also umgehend, mir kategorisch die Wahrheit oder Unwahrheit des Faktums zu erklären. Dein Marx
50 Marx/Engels, Werte. Bd. 27
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; Marx an Georg Herwegh in Paris13701
Bruxelles, 8ten August [1847J
Lieber Herwegh! Ich beeile mich, Dir den Empfang Deines Briefes anzuzeigen. Ich habe daraus nur ersehn, was ich im voraus wußte, daß das Ganze erbärmlicher Tratsch sei. Ich wünschte nur die paar Zeilen von Dir, um dem Engels schwarz auf weiß zeigen zu können, welcher Natur der Pariser kleinbürgerliche deutsche Klatsch ist. Ich versichere Dir, daß, seit meiner Entfernung aus Paris und trotz aller meiner Vorsichtsmaßregeln, mich unfindbar und unzugänglich zu machen, diese alten Weiber mich stets mit dergleichen Lappalien verfolgt haben. Nur durch die äußerste Grobheit kann man sich diese Narren vom Leib halten. Ich bedaure nur, daß ich Dich in Deiner Ermitage mit diesem Zeug behelligt habe. - Charakteristisch bleibt es für diese alten Weiber, daß sie jeden wirklichen Parteikampf vertuschen und verzuckern möchten, dagegen den alten deutschen Klatsch und Aufhetzerei für revolutionäre Tätigkeit versehn. Les malheureux!1 Hier in Brüssel haben wir wenigstens diese mis&re nicht. Die hiesige preußische Gesandtschaft hat aufmerksam den Bornstedt verfolgt und beobachtet, um ihn auf irgendeiner Sünde zu ertappen. Endlich ist es ihr gelungen. Sie hat ihn denunziert und ihm 3 Prozesse auf den Hals gebracht: 1. einen fiskalischen, wegen einer Kontravention gegen das Stempelgesetz, 2. einen politischen, weil er gesagt habe in seinem Blatt2, Louis-Philippe müsse totgeschlagen werden, 3. einen Kalumnieprozeß von einem belgischen Grande, Herrn Osy, den Barnstedt] des Kornwuchers, und mit Recht, beschuldigt hat. Alle 3 Prozesse haben hier nichts auf sich, und ihr sicherster Erfolg ist, die ohnehin wenig geachtete preußische Gesandtschaft lächerlich zu machen. Was geht sie Louis-Philippe, Osy und das belgische Stempelgesetz an?
1 Die Armseligen! - 2 „Deutsche-Brüsseler-Zeitung"
Der Instruktionsrichter selbst erklärte, alle diese Prozesse seien pour le roi de Prusse3. Dagegen droht der „Brüsseler-Zeitung" - die trotz ihrer vielen Schwächen immer einiges Verdienstliche hat und namentlich jetzt hätte besser werden können, nachdem B[ornstedt] sich zu allem Möglichen uns gegenüber bereit erklärt hat - ein plötzlicher pekuniärer Untergang. Wie haben sich die edlen Teutschen in dieser Geschichte benommen? Die Buchhändler haben den B[ornstedt] betrogen, weil er sie nicht gerichtlich verfolgen kann. Die Opposition aller Nuancen, statt das Geringste, sei es literarisch oder pekuniär, zu tun, fand es bequemer, an dem Namen Bornstedt Anstoß zu finden. Und wird es jemals diesen Leuten an Vorwänden fehlen, nichts zu tun? Das eine Mal taugt der Mann nicht, ein andermal die Frau, ein andermal die Tendenz, ein andermal der Stil, ein andermal das Format oder auch die Verbreitung ist mit mehr oder weniger Gefahr verbunden usw. usw. Die gebratenen Tauben sollen den Herrn in das Maul fliegen. Wenn es nur Ein zensurfreies Oppositionsblatt gibt, an [dem] die Regierung großen Anstoß nimmt, dessen Redakteur durch die Konsequenz des Unternehmens selbst zu allem Progressiven sich willfährig zeigt, wäre da nicht vor allem diese Gelegenheit auszubeuten, und wenn man das Blatt nicht genügend findet, es genügend zu machen! Aber nein, unsre Deutschen haben immer 1000 Weisheitssprüche in petto, um zu zeigen, warum sie die Gelegenheit ungenutzt vorübergehen lassen müssen. Eine Gelegenheit, etwas zu tun, bringt sie nur in Verlegenheit. Mit meinen Manuskripten geht es auch ungefähr wie mit der „BrüsselerZeitung", und dabei schreiben mir die Esel einen Tag über den andern, warum ich nichts drucken lasse und werfen mir sogar vor, lieber französische als gar nicht geschrieben zu haben. Man wird noch lang dafür büßen müssen, daß man als Teutone geboren ist. Leb wohl. Grüß Deine Frau und Dich herzlich von meiner Frau und mir. Du wirst in Paris noch nachträglich ein Druckfehlerregister zu meinem französischen Wisch4 finden. Einzelne Passus sind ohne das unverständlich. Sobald Du einmal eine freie Stunde hast und nichts Besseres zu tun, schreib Deinem Marx
3 (hier in übertragenem Sinne:) für nichts und wieder nichts - 4 „Misere de la philosophie"
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Marx an Moses Heß in Brüssel
[Brüssel] 2. September [1847]
Lieber Heß! Melde Dir, heut in der Chaussee d'Etterbeck, im Grand Salon, auch Palais royal benamst. Marx
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Engels an Lucien Jottrand in Brüssel1
[Brüssel, 30. September 1847]
Monsieur! Genötigt, Brüssel für einige Monate zu verlassen, sehe ich mich außerstande, die Funktionen zu erfüllen, welche die Versammlung vom 27.September[86! mir zu übertragen die Freundlichkeit hatte. Ich bitte Sie daher, zur Teilnahme an den Arbeiten der Kommission, die mit der Organisierung eines internationalen demokratischen Bundes beauftragt ist, einen in Brüssel wohnhaften deutschen Demokraten zu berufen. Ich erlaube mir, Ihnen dafür denjenigen unter den deutschen Demokraten in Brüssel vorzuschlagen, den die Versammlung, wenn er ihr hätte beiwohnen können, zu dem Amte gewählt hätte, mit dessen Übertragung man in seiner Abwesenheit mich beehrt hatte. Ich meine Herrn Marx, der nach meiner innersten Überzeugung den größten Anspruch darauf hat, in der Kommission die deutsche Demokratie zu vertreten. Es wäre daher nicht Herr Marx, der in ihr an meine Stelle treten würde, sondern ich war es vielmehr, der in der Versammlung Herrn Marx vertrat. Genehmigen Sie, mein Herr, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich verbleibe Ihr sehr ergebener Friedrich Engels
Herr Marx, der zur Zeit der Versammlung nicht in Brüssel war, wohnt rue d'Orleans 42, Faubourg de Namur.
Aus dem Französischen.
1 Siehe vorl. Band, S. 90/91
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Marx an Georg Herwegh in Paris
Brüssel, 26ten Oktober [1847] rue d'Orleans 42, Fbg. Namur
Lieber Herwegh! Ich wollte Engels einen Brief an Dich mitgeben, aber es drängten sich so viel Geschäfte am Tage seiner Abreise, daß dies übersehn und vergessen wurde. Die Gräfin Hatzfeldt hatte mich ferner gebeten, einige Worte an Dich zu ihrer Empfehlung zu schreiben. Ich glaube, daß Du ihre Bekanntschaft jetzt schon gemacht haben wirst. Die Frau hat für eine Deutsche viel Energie entwickelt in dem Duell mit ihrem Mann. Hier in Brüssel haben wir zwei öffentliche demokratische Gesellschaften gestiftet. 1. Eine deutsche Arbeitergesellschaft1851, die schon an 100 Mitglieder zählt. Es wird hier ganz parlamentarisch diskutiert und daneben auch gesellige Unterhaltung von Gesang, Deklamation, Theaterspiel u.dgl. 2. Eine kleinere kosmopolitisch-demokratische Gesellschaft, woran Belgier, Franzosen, Polen, Schweizer und Deutsche teilnehmen.1-861 Wenn Du wieder einmal herüberkommst, wirst Du finden, daß in dem kleinen Belgien selbst für unmittelbare Propaganda mehr zu tun ist, als in dem großen Frankreich. Ich glaube zudem, daß, so klein sie sein mag, die öffentliche Tätigkeit unendlich erfrischend auf jeden wirkt. Es ist möglich, daß uns, da jetzt das liberale Ministerium am Staatsschiff steht, polizeiliche Schikanen bevorstehen, denn die Liberalen lassen nicht von ihrer Art. Wir werden aber mit ihnen fertig werden. Es ist hier nicht wie in Paris, wo die Fremden isoliert der Regierung gegenüberstehn. Da es unmöglich ist, unter den jetzigen Zeitumständen in Deutschland irgendwie den Buchhandel benutzen zu können, habe ich im Einverständnis mit Deutschen aus Deutschland unternommen, eine Revue - monatliche -, auf Aktienbeiträge gestützt, zu begründen. In der Rheinprovinz und Baden ist schon eine Zahl Aktien zusammen. Wir würden sofort anfangen, sobald Geld genug für 3 Monate zusammen ist.
Wenn die Beiträge irgendwie es zuließen, würde man hier eine eigne Setzerei etablieren, die auch zum Druck selbständiger Schriften zu benutzen wäre. Von Dir möchte ich nun wissen: 1. Ob Du auch Deinerseits einige Aktien zusammentreiben willst (die Aktie zu 25 Talern). 2. Ob Du mitarbeiten willst und also auch als Mitarbeiter auf dem Titel figurieren willst. Ich ersuche Dich aber, da Du mir ohnehin schon lange einen Brief schuldig bist, diesmal Deine Scheu gegen das Schreiben zu überwinden und bald zu antworten. Ich wollte Dich zudem bitten, den Bakuntn zu fragen, auf welchem Weg, unter welcher Adresse und in welcher Weise ich einen Brief an Tolstoi gelangen lassen kann? Meine Frau grüßt Dich und Deine Frau herzlich. Das Abenteuer mit der preußischen Gesandtschaft in Paris ist wirklich bezeichnend für die steigende impotente Wut unsres Landesvaters. Leb wohl. Dein Marx1
1 Die von Jenny Marx geschriebene Adresse „Herrn Doktor Gottschalk, praktischer Arzt zu Köln" ist ausgestrichen; Karl Marx schrieb darunter: „Lieber Herwegh! Durch Versehen •wäre obige falsche Adresse beinahe auf diesen Brief gesetzt worden."
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Marx an Pawel Wassiljewitsch Annenkow in Paris
London, den 9ten Dezember [1847]
Lieber Annenkow! Parteirücksichten, die ich Ihnen hier nicht näher angeben kann, bewogen mich zur Reise nach London.13711 Ich benutzte diese Reise zugleich, um die Brüßler Demokratische Gesellschaft mit den englischen Chartisten in Verbindung zu setzen und letztere in einem öffentlichen Meeting zu harangieren.13721 Sie haben vielleicht einzelne Notizen darüber in englischen und französischen Blättern gelesen. Als ich aber diese Reise unternahm - und ich bin gezwungen, noch einige Tage hierzubleiben ließ ich meine Familie in den allerschwierigsten und trostlosesten Verhältnissen zurück. Nicht nur, daß meine Frau samt den Kindern krank ist. Meine ökonomische Lage ist in diesem Augenblick in einer solchen Krise, daß meine Frau wahrhaft von den Gläubigern harceliert wird und sich in ganz miserabler Geldverlegenheit befindet. Wie es zu dieser Krise kam, ist einfach zu erklären. Die deutschen Manuskripte1 werden nicht gedruckt im ganzen. Was gedruckt wird davon, gebe ich gratis, um es nur in die Welt zu schicken. Meine Broschüre gegen Proudhon2 ist sehr gut verkauft worden. Ich erhalte einen Teil der Einnahme davon aber erst Ostern. Die Einnahme meiner Frau reicht allein nicht hin, und mit meiner eigenen Mutter befinde ich mich seit geraumer Zeit in Unterhandlungen, um wenigstens einen Teil meines Vermögens herauszubekommen. Es sind nun Aussichten dazu nah. Aber das alles hilft für den Augenblick nicht. In dieser Situation, die ich mich nicht geniere, Ihnen offen zu enthüllen, würden Sie mich wahrhaft retten vor den schlimmsten Ereignissen, wenn Sie meiner Frau eine Summe von 100 bis 200 francs könnten zukommen lassen. Zurückzahlen kann ich natürlich erst, sobald meine Geldverhältnisse mit meiner Familie geordnet sind.
1 „Die deutsche Ideologie" - 2 „Misere de la philosophie"
Können Sie auf meinen Vorschlag eingehn, so ersuche ich Sie, das Geld zu schicken unter meiner alten Adresse: M. Charles Marx, Bruxelles, Fbg. Namur, rue d'Orleans 42. Meine Frau darf aber aus dem Briefe nicht ersehn, daß ich Ihnen von London aus geschrieben. Ich werde Ihnen später den Grund angeben. Ein andermal hoffe ich, weder Erfreulicheres an Sie schreibenzu können.
Ihr K.Marx
1848
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Engels an Emil Blank in London
Lieber Emil Nach der glorreichen Februarrevolution und nach der nicht losgegangenen belgischen Märzrevolution bin ich vorige Woche wieder hieher gegangen. Ich schrieb der Mutter um Geld, um in einigen Tagen von hier nach Deutschland zurückzugehen, wo wir die „Rheinische Zeitung"1 wieder anfangen. Die Mutter ist nun sehr pressiert, mich nach Deutschland kommen zu sehen, teils weil sie glaubt, es käme hier wieder zu Schießereien, wobei ich was abkriegen könnte, teils weil sie überhaupt meine Rückkehr wünscht. Sie schreibt mir aber zugleich: „Wie ich Dir das Geld schicken soll, weiß ich wirklich nicht, da Fould vor einigen Tagen dem Vater angezeigt hat, daß er keine Geschäfte mehr macht, und da mehrere gute Wechsel, die der Vater ihm schickte, zurückkamen und protestiert wurden. Schreibe mir also, wie ich Dir das Geld zukommen lassen soll." Das Einfachste ist, daß Du mir 20 Pfund in Banknoten schickst, die hier sehr gut stehen, und sie Dir sogleich von den Alten remboursieren läßt. So komme ich rasch zu meinem Gelde und kann abreisen, während ich sonst noch 8 Tage hier sitzen bleiben müßte, eh* ich von Barmen oder gar Engelskirchen Geld bekomme. Ich schreibe also gleich heute nach Barmen, daß man Dir 20 £ remboursieren soll und bitte Dich, die Sache so zu .arrangieren, wie ich's eben gesagt, denn Wechsel taugen nicht mehr. Du kannst die eine Hälfte der durchgeschnittenen Banknoten heute an mich: 19ter rue de la Victoire, Paris adressieren, und die andre den nächsten Tag an: Mlle. Felicite Andre, dieselbe Straße und No. Damit ist die Postdieberei vereitelt.
1 »Neue Rheinische Zeitung"
Hier geht die Sache sehr gut, d.h. die Bourgeois, die am 24. Febr. und 17.März geschlagen wurden, erheben wieder ihr Haupt und schimpfen schrecklich über die Republik. Aber das wird nur dazu führen, daß nächstens ein ganz andres Donnerwetter über sie losgeht als bisher. Wenn die Kerls so unverschämt fortfahren, so werden ihrer nächstens einige vom Volk aufgehängt. Sie haben eine gewisse Partei in der prov. Regierung, namentlich den Seifensieder Lamartine, dem es auch nächstens an den Kragen gehen wird. Die hiesigen Arbeiter, 2-300 000 Mann, wollen von niemandem etwas wissen als von Ledru-Rollin, und sie haben recht. Er ist der Entschlossenste und Radikalste von allen. Auch Flocon ist sehr gut, ich war ein paarmal bei ihm und geh' gleich wieder hin, er ist ein kreuzbraver Kerl. Mit dem großen Kreuzzug, der von hier ausgeht, um die deutsche Republik zu erobern[373), haben wir nichts zu tun. Grüß Marie2 und die Kleinen herzlichst und antworte umgehend.
In Eile Dein Friedrich
Paris, 26. März 48
2 Marie Blank
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Engels an Emil Blank in London
Lieber Emil Ich habe heute die vier ersten Hälften der 4 £-5 .-Noten erhalten und bitte um sofortige Einsendung der andren Hälften, da ich so bald wie möglich fort muß. Ich danke Dir sehr für Deine Bereitwilligkeit, mir in dieser emergency1 rasch zu Hülfe zu kommen. Dein Abonnement für die „Rheinische Zeitung"2 ist einregistriert. Was die hiesigen Parteien angeht, so sind ihrer eigentlich drei große, abgerechnet die kleinern (Legitimisten und Bonapartisten, die bloß intrigieren, bloße Sekten, ohne Einfluß im Volk, teilweise reich, aber ohne alle Hoffnung des Siegs). Diese drei sind erstens die Besiegten des 24.Februar, d.h. die großen Bourgeois, die Börsenspekulanten,Bankiers,Fabrikantenundgroßen Kaufleute, die alten Konservativen und Liberalen. Zweitens, die Kleinbürger, der Mittelstand, die Masse der Nationalgarde, die am 23. und 24.Febr. auf die Seite des Volks trat, die „verständigen Radikalen", die Leute Lamartines und des „National". Drittens, das Volk, die Pariser Arbeiter, die jetzt Paris mit bewaffneter Macht besetzt halten. Die großen Bourgeois und die Arbeiter stehen sich direkt gegenüber. Die Kleinbürger spielen eine vermittelnde, aber sehr miserable Rolle. Diese letzteren haben aber die Majorität in der provisorischen Regierung (Lamartine, Marrast, Dupont de l'Eure, Marie, Garnier-Pages und zuweilen auch Cremieux). Sie, und mit ihnen die provisorische Regierung, schwanken sehr. Je ruhiger alles wird, desto mehr neigen sich die Regierung und die Kleinbürgerpartei der großen Bourgeoisie zu, je unruhiger es wird, desto mehr schließen sie sich wieder den Arbeitern an. So neulich, wo die Bourgeois wieder fürchterlich frech geworden waren und sogar einen Nationalgardistenzug von 8000 Mann nach dem Rathaus unternahmen, um gegen ein Dekret der prov. Regierung und namentlich gegen energische Maßregeln Ledru-Rollins zu protestieren, gelang es ihnen wirklich, die Majorität der Regierung und namentlich den schlappen Lamartine einzuschüchtern, so
1 Notlage - 2 „Neue Rheinische Zeitung"
daß er den Ledru öffentlich desavouierte. Aber den nächsten Tag, den 17. März, zogen 200 000 Arbeiter aufs Rathaus, erklärten ihr unbedingtes Vertrauen in Ledru-Rollin und zwangen die Majorität der Regierung und den Lamartine zu widerrufen. Für den Augenblick also haben wieder die Leute der „Reforme" (Ledru-Rollin, Flocon, L.Blanc, Albert, Arago) die Überhand. Sie vertreten von der ganzen Regierung noch am meisten die Arbeiter und sind Kommunisten, ohne es zu wissen. Leider blamiert sich der kleine Louis Blanc durch seine Eitelkeit und durch seine verrückten Pläne sehr. Er wird nächstens eine schreckliche Blamage erleben. Aber Ledru-Rollin benimmt sich sehr gut. Das größte Pech ist, daß die Regierung einerseits den Arbeitern Versprechungen machen muß und ihnen andrerseits nichts halten kann, weil sie nicht die Courage hat, durch revolutionäre Maßregeln gegen die Bourgeois,starkeProgressivsteuern, Erbschaftssteuern, Konfiskationen des Eigentums aller Auswandernden, Verbot der Geldausfuhr, Staatsbank pp., sich die dazu nötigen Geldmittel zu sichern. Man läßt die Leute von der „Reforme" versprechen, und dann setzt man sie durch höchst abgeschmackte, konservative Beschlüsse außerstand, zu halten, was sie versprochen. In der Nationalversammlung kommt nun noch ein neues Element hinzu: die Bauern, die 5/7 der französischen Nation ausmachen und für die Partei des „Nationeil", der Kleinbürger, sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Partei siegen wird, daß die Leute von der „Reforme" fallen, und dann gibts wieder eine Revolution. Möglich auch, daß die Deputierten, einmal inParis, einsehen werden, wie die Sachen hier stehen, und daß nur die Leute der „Reforme" auf die Dauer haltbar sind. Dies ist aber nicht wahrscheinlich. Die Vertagung der Wahlen um 14 Tage ist ebenfalls ein Sieg der Pariser Arbeiter über die Bourgeoispartei. Die Leute vom „National", Mar rast und Konsorten, machen sich auch sonst sehr schlecht. Sie leben flott und besorgen ihren Freunden Paläste und gute Stellen. Die von der „Reforme" sind ganz anders. Ich war ein paarmal beim alten Flocon, der Kerl wohnt wie früher in einer schlechten Wohnung auf dem fünften Stock, raucht ordinären Knäller in einer alten irdnen Pfeife und hat sich nur einen neuen Schlafrock gekauft. Sonst ganz so republikanisch in seiner Lebensweise, als da er noch Redakteur der „Reforme" war, auch ebenso freundschaftlich, kordial und offenherzig. Er ist einer der bravsten Kerls, die ich kenne. Neulich hab* ich in den Tuilerien in den Zimmern des Pr[inzen] von Joinville zu Mittag gegessen mit dem alten Imbert, der in Brüssel refugie8 3 Flüchtling
war und jetzt Gouverneur der Tuilerien ist. In den Gemächern LouisPhil[ippes] liegen jetzt die Verwundeten auf den Teppichen und rauchen Mützpfeifen. Im Thronsaal sind die Bilder von Soult und Bugeaud heruntergerissen und zerfetzt und das von Grouchy zerschnitten. Soeben geht unter Musik der Marseillaise der Leichenzug eines an seinen Wunden gestorbnen Arbeiters vorbei. 10 000 Mann Nationalgarden und bewaffnetes Volk wenigstens begleiten ihn, und die jungen Stutzer von der Chaussee d'Antin müssen als berittne Nationalgardisten den Zug begleiten. Die Bourgeois schäumen darüber, daß man einem Arbeiter so die letzten Ehren erweist. Dein F.E. Paris, 28. März 1848
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Marx und Engels an Adalbert von Bornstedt u.a. in Paris
Kopien
Auf die heute morgen bei Marx deponierte Note der Herren Bornstedt usw.13741 dient folgendes zur Antwort: 1. Es fällt Marx durchaus nicht ein, irgend jemand wegen irgendwelcher deutschen Zeitungsartikel Rede zu stehn. 2. Es fällt Marx durchaus nicht ein, einem Komitee oder einer Deputation der Deutschen demokratischen GesellschafttU6J, mit der er nichts zu tun hat, Rede zu stehn. 3. Wenn die Herren Bornstedt und Herwegh persönlich und nicht als Mitglieder irgendwelches Komitees oder irgendwelcher Gesellschaft, Erklärungen verlangen, so ist dem Herrn Bornstedt schon einmal privatim und einmal öffentlich gesagt worden, an wen sie sich zu adressieren haben.
Paris, I.April 1848 22, rue Neuve Saint Augustin Herren Bornstedt usw.
1 Geschrieben von Engels
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Marx und Engels an Etienne Cabet in Paris
Werter Bürger! Wir haben in den letzten beiden Tagen unseres Pariser Aufenthalts mehrmals bei Ihnen vorgesprochen; aber wir fanden Ihre Räume stetsso mit Besuchern überfüllt, daß es uns unsere allzu beschränkte Zeit nicht erlaubte, uns anzustellen und zu warten. Wir bedauern daher abreisen zu müssen, ohne eine letzte Zusammenkunft mit Ihnen gehabt zu haben. Herr Ewerhec\, der Ihnen diesen Brief übermitteln wird, wird es übernehmen, uns die Adresse zukommen zu lassen, unter der wir Ihnen schreiben werden. Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß wir Ihnen bald günstige Nachrichten über den Fortgang der kommunistischen Bewegung in Deutschland werden geben können. Inzwischen bitten wir Sie, unsere hochachtungsvollen Grüße entgegenzunehmen. Ihre sehr ergebenen K.Marx F. Engels Paris, 5. April 1848
Aus dem Französischen.
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Engels an Emil Blank in London
Lieber Emil Ich bin glücklich wieder hier.[U91 Ganz Barmen wartet, was ich tun werde. Man glaubt, ich werde sofort die Republik proklamieren. Die Philister zittern in unbestimmter Furcht, sie wissen selbst nicht recht wovor. Jedenfalls glaubt man, seit meiner Ankunft werde sich manches rasch entscheiden. C. und A.E[rmen] zitterten sichtlich, als ich bei ihnen heut aufs Comptoir trat. Ich mische mich natürlich in nichts, sondern warte ruhig, was es gibt. Der Panic ist hier namenlos. Die Bourgeois fordern Vertrauen, aber das Vertrauen ist dahin. Die meisten kämpfen für die Existenz, wie sie selbst sagen. Davon kriegen aber die Arbeiter nichts zu fressen und rebellieren von Zeit zu Zeit ein wenig. Es herrscht eine allgemeine Auflösung, Verwüstung, Anarchie, Verzweiflung, Angst, Wut, konstitutionelle Begeistrung, Haß gegen die Republik pp., und wahrhaftig, momentan sind die Reichsten die Geplagtesten und Geängstetsten. Dabei wird übertrieben, gelogen, geschimpft, gewütet, daß man meint, verrückt zu werden. Der ruhigste Bürger ist ein wahrer Enrage. - Aber sie sollen sich erst wundern, wenn die Chartisten erst anfangen. Das mit der Prozession war noch gar nichts.1376' Mein Freund G. Julian Harney, an den Du den inliegenden Brief, 9, Queen Street Brompton, adressieren willst, ist in 2 Monaten an der Stelle Palmerstons. I'll bet you twopence and in fact any sum.1 Bei Deiner und meiner Mutter ist alles wohl. Dein Bruder Herm[ann] wird erwartet, Anna ist in Hamm. Grüß Marie3 und die Kinder. Bis nächstens
Dein F.
Barmen, 15. April 48
1 Ich wette mit Dir um zwei Pence und jede andere Summe. - 2 Marie Blanlc
31 Marx/Engels. Werke, Bd. 27
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Engels an Emil Blank in London
Lieber Emil Vorigen Samstag bin ich hieher nach Köln gekommen. Die „Rheinische Zeitung"1 wird am I.Juni erscheinen. Um aber nicht sofort auf Hindernisse zu stoßen, müssen wir vorher einige Arrangements in London treffen, die wir, da kein andrer da ist, Dir zu übertragen so frei sind. 1. Besorge uns bei irgendeinem Newsman2 ein Abonnement, vom Tage der Ankunft dieses Briefs bis zum I.Juli, auf „The Telegraph" (daily paper3) und „The Economist", weekly paper4. Der Newsman, dessen Adresse Du uns aufgeben kannst, damit wir Dich später nicht mehr zu behelligen brauchen, soll die Journale täglich beide in Eine Bande oder Papierstreifen schlagen - wie mein gewöhnlich Journale verschickt - und soll sie adressieren: Mr.W.CIouth, St.Agatha, 12, Cologne, per Ostend. 2. Die inl. Briefe besorge gefälligst. 3. Die Unkosten für das Abonnement der beiden Blätter, Porto dieses Briefs pp. lege aus, berechne sie sofort der Expedition der „Neuen Rheinischen] Zeitung", St.Agatha 12, Köln, und gib auf, an wen der Betrag zu entrichten ist, was sofort geschehen wird. Das nötige Kapital für die Zeitung ist zusammen. Alles geht gut, es handelt sich nur noch um die Journale, dann können wir anfangen. Die „Times" kriegen wir schon, und für den ersten Monat brauchen wir von englischen Blättern nur die obigen beiden. Wenn Dir gelegentlich etwas Bemerkenswertes in einem andern Blatt aufstößt und Du willst es uns schicken, so wird uns das angenehm sein. Alle Kosten werden natürlich sofort erstattet. Auch Blätter, die über den Handel, die Lage des Geschäfts pp. ausführliche Nachrichten enthalten, sind wünschenswert. Schreib mir mal drüber, was für Blätter jetzt da existieren, damit man weiß, woran man ist. Marie5 hab' ich natürlich nicht gesehen, da ich früher abreisen mußte, eh* sie ankommen konnte. Ich geh* aber bald einmal herüber, sobald wir erst
1 „Neue Rheinische Zeitung" - 2 Zeitungshändler - 4 Tageszeitung - * Wochenzeitung 8 Marie Blank
im Gang sind. Übrigens ist Barmen langweiliger als je und von einem allgemeinen Haß gegen das bißchen Freiheit beherrscht, was sie haben. Die Esel meinen, die ganze Welt wär' bloß da, damit sie tüchtig Profit machen sollen, und da das jetzt hapert, so schreien sie gräßlich. Wenn sie Freiheit haben wollen, so müssen sie bezahlen, die Franzosen und Engländer haben's auch gemußt, aber dort meinen sie, sie müßten alles umsonst haben. Hier sieht's etwas besser aus, aber nicht viel. Die Preußen sind noch immer die alten, die Polen werden mit Scheidewasser gebrandmarkt, und in dem Augenblick, wo ich dies schreibe, wird Mainz von den Preußen bombardiert, weil die Bürgergarde einige besoffene und wütende Soldaten arretiert hat — die souveräne Nationalversammlung in Frankfurt hört das Schießen und scheint sich gar nicht zu rühren. In Berlin liegt Camphausen auf der faulen Haut, die Reaktion, die Beamten- und Adelsherrschaft wird täglich frecher, reizt das Volk, das Volk rebelliert, und die Schlaffheit und Feigheit Camphausens führt uns neuen Revolutionen direkt entgegen. Das ist Deutschland jetzt! Adieu. Dein F.E.
Köln, 24. Mai 1848 14, Höhle, Köln

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