KARL MARX FRIEDRICH ENGELS BAND 36

KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS
WERKE • BAND 36
INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER SED
KARL MARX FRIEDRICHENGELS
WERKE
DIETZ VERLAG BERLIN
1979
KARL MARX FRIEDRICH ENGELS
BAND 36
<y
DIETZ VERLAG BERLIN
Die deutsche Ausgabe der Werke von Marx und Engels fußt auf der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten zweiten russischen Ausgabe.
Die Texte werden nach den Handschriften bzw. nach deren Photokopien gebracht. Wiedergabe nach Sekundärquellen wird besonders vermerkt.
© Dietz Verlag Berlin 1967
Vorwort
Der sechsunddreißigste Band der Werke von Marx und Engels enthält Briefe, die Engels nach Marx' Tod von April 1883 bis Dezember 1887 geschrieben hat. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts machten sich in der Wirtschaft immer deutlicher Erscheinungen bemerkbar, die den Beginn eines neuen, des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus ankündigten. Die Konzentration der Produktion und des Kapitals nahm zu. Dieses Jahrzehnt war von Krisen und einer lange anhaltenden Depression gekennzeichnet. England verlor durch das Anwachsen der Industrie in anderen Ländern, besonders in Deutschland und in den USA, allmählich seine industrielle Überlegenheit und seine Monopolstellung auf dem Weltmarkt, blieb jedoch die größte Kolonialmacht und eroberte weiter neue Kolonien. Der Konkurrenzkampf zwischen den großen kapitalistischen Staaten verschärfte sich und bewirkte eine Zunahme der kolonialen Expansion und des Kampfes um Einflußsphären. Die Herausbildung von Militärblocks und militärpolitischen Bündnissen vergrößerte die Gefahr kriegerischer Zusammenstöße und verschärfte die internationale Lage. Die Arbeiterklasse sammelte in diesen Jahren ihre Kräfte für die bevorstehenden revolutionären Kämpfe gegen die Ausbeutergesellschaft. Große Streiks in einigen Ländern stärkten das Vertrauen des Proletariats in die eigene Kraft und trugen dazu bei, daß sich die Arbeitermassen in Organisationen zusammenschlössen; immer mehr Arbeiter wurden in den Klassenkampf einbezogen und kamen mit den Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus in Berührung. Vertreter bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologien verloren mehr und mehr an Einfluß auf die Arbeiterbewegung. Die historischen Erfahrungen des proletarischen Befreiungskampfes, der Internationalen Arbeiterassoziation und besonders der Pariser Kommune hatten bewiesen, daß die Arbeiterklasse ihre Mission nur erfüllen
kann, wenn in den einzelnen Ländern politisch selbständige, organisatorisch gefestigte proletarische Parteien bestehen. In den achtziger Jahren bildeten sich neue selbständige Arbeiterparteien, die in den europäischen Ländern an der Spitze des proletarischen Befreiungskampfes standen. Die Briefe dieses Bandes geben einen Einblick in Engels' vielfältige theoretische und praktische Tätigkeit in den Jahren 1883 bis 1887. Sie veranschaulichen W.I.Lenins Worte: „Nach dem Tode von Marx war es Engels allein, der fortfuhr, als Berater und Führer der europäischen Sozialisten zu wirken. Sowohl die deutschen Sozialisten, deren Kraft trotz der Regierungsverfolgungen schnell und ununterbrochen zunahm, als auch die Vertreter zurückgebliebener Länder, beispielsweise Spanier, Rumänen, Russen, die ihre ersten Schritte überlegen und erwägen mußten, wandten sich an ihn um Rat und Anleitung. Sie alle schöpften aus der reichen Schatzkammer der Kenntnisse und Erfahrungen des alten Engels." (W. I.Lenin, Werke, Band 2, S. 13.) Engels hielt es für seine Hauptaufgabe, die Arbeiten, die sein Freund nicht mehr vollenden konnte, fortzusetzen und zu Ende zu führen. Dazu gehörte vor allem die Herausgabe und Verbreitung des Hauptwerkes von Marx, des „Kapitals". Noch im Jahre 1883 führte Engels die von Marx begonnene Arbeit an der dritten deutschen Auflage des ersten Bandes des „Kapitals" zu Ende. (Siehe u.a. vorl. Band, S.45/46.) Ein wesentlicher Teil der Briefe dieses Bandes widerspiegelt im einzelnen Engels* Anstrengungen, die Manuskripte von Marx zum zweiten und dritten Band des „Kapitals" für die Veröffentlichung fertigzustellen und Marx' Hauptwerk so schnell wie möglich in seinem vollen Umfang zu erschließen. Wiederholt hob Engels die große Bedeutung der Herausgabe aller Bände des „Kapitals" für den Sieg des wissenschaftlichen Kommunismus in der internationalen Arbeiterbewegung hervor. Nach mühevoller Arbeit und Überwindung großer Schwierigkeiten konnte Engels bereits 1885 den zweiten Band des „Kapitals" veröffentlichen. Diese außerordentlich komplizierte und auch dem Umfang nach enorme Arbeit war eine wissenschaftliche Großtat, vollbracht im Interesse der Arbeiterklasse aller Länder. Die Briefe über die Arbeit am „Kapital" geben dem Leser auch Einblick in die redaktionelle Tätigkeit von Engels. Jedem Wort seines verstorbenen Freundes gegenüber verhielt er sich höchst verantwortungsbewußt, damit es „wirklich ein Werk von Marx ist, das ich veröffentliche" (siehe vorl. Band, S.95). Engels war bemüht, „die Manuskripte so wörtlich wie möglich wiederzugeben, am Stil nur das zu ändern, was Marx selbst geändert haben würde, und nur da erläuternde Zwischensätze und Übergänge ein
zuschieben, wo dies absolut nötig und der Sinn obendrein ganz unzweifelhaft war" (siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 7). Von besonderem Interesse sind Engels' Erläuterungen des Inhalts und der wissenschaftlichen Bedeutung des zweiten und dritten Bandes des „Kapitals". Über den zweiten Band schrieb er an Karl Kautsky: „Es sind .., wunderschöne Untersuchungen, die den Leuten erst klarmachen werden, was Geld und was Kapital ist und manches andre." (Siehe vorl. Band, S. 165.) Hinsichtlich des dritten Bandes bemerkte er in seinem Brief an Johann Philipp Becker vom 2.April 1885: „Dieser dritte, der die abschließenden Resultate enthält, und zwar ganz brillante Sachen, wird die ganze Ökonomie endgültig umwälzen und enormen Lärm machen." (Siehe vorl. Band, S.290.) Ahnlichen Urteilen begegnen wir auch in anderen Briefen von Engels. Sie helfen uns, den Inhalt und die Logik des „Kapitals", die Bedeutung der darin entwickelten Kritik der kapitalistischen Produktionsweise und der bürgerlichen politischen Ökonomie besser zu verstehen. Großes Interesse widmete Engels der Propagierung der ökonomischen Theorie des Marxismus. Aufmerksam verfolgte er die Verbreitung des „Kapitals" in den anderen Ländern. Er veranlaßte die Übersetzung des ersten Bandes des „Kapitals" ins Englische und redigierte sie selbst. Mit Freude gab er seine Zustimmung zu einer polnischen Übersetzung des Werkes. Gleichzeitig beschäftigte er sich aber auch eingehend mit der Propagierung und gemeinverständlichen Darlegung der Ideen des „Kapitals". In mehreren Briefen würdigte Engels den von G. Deville verfaßten populären Auszug aus der französischen Ausgabe des ersten Bandes des „Kapitals", unterstrich seine Vorzüge und kritisierte seine Mängel. (Siehe vorl. Band, S.64 und 96.) Engels erläuterte, wie man das „Kapital" propagieren und für den Kampf nutzbar machen muß, ohne seinen Inhalt zu verflachen und die Besonderheiten in der Entwicklung der Arbeiterbewegung des jeweiligen Landes zu vernachlässigen. (Siehe z.B. Engels an Laura Lafargue vom 3. Oktober 1883 und an Florence Kelley-Wischnewetzky vom 13. August 1886.) Sehr hohe Ansprüche stellte Engels, wenn es galt, den Marxismus gegen feindliche Angriffe, gegen bürgerliche Verfälscher und Verleumder zu verteidigen. Das wird u.a. ersichtlich aus seinem Brief an Paul Lafargue vom 11.August 1884. Engels hatte sich mit dem Manuskript einer Rezension beschäftigt, in der Paul Lafargue sich mit dem französischen Vulgärökonomen Leroy-Beaulieu auseinandersetzte, der die ökonomische Lehre von Marx angegriffen hatte. Dabei stellte Engels in Lafargues Manuskript Ungenauigkeiten fest und gab ihm freundschaftliche Hinweise und Rat
schlage. Er betonte, daß man den ideologischen Kampf mit den Gegnern des Marxismus sehr ernst nehmen, die Kritik auf hohem Niveau üben und den Verfälschern mit gründlichen wissenschaftlichen Kenntnissen entgegentreten müsse. „Der Fall ist zu ernst; wenn Sie übers Ziel schießen", schrieb er, „würde die ganze Partei darunter leiden." (Siehe vorl. Band, S. 198.) Engels erzog seine Kampfgefährten zu Prinzipienfestigkeit, Parteilichkeit und wissenschaftlicher Gründlichkeit in den Auseinandersetzungen mit den „Kritikern" des Marxismus. Engels' Hilfe im Kampf gegen die wissenschaftlich unhaltbaren und politisch reaktionären Vorstellungen, der Staat könne durch Reformen die sozialen Gegensätze beseitigen, war ein praktisches Beispiel dafür, wie die Auseinandersetzungen geführt werden müssen. Die Ansichten von Rodbertus zum Beispiel, die die Interessen des verbürgerlichten preußischen Junkertums zum Ausdruck brachten und eine Art „Evangelium der Streber des Bismarckschen Sozialismus" waren, gehörten zum theoretischen Fundament jener Irrlehren. (Siehe vorl. Band, S. 149.) Dieser Kampf war für die deutsche Arbeiterbewegung insofern von besonderer Bedeutung, als sich der Einfluß des Staatssozialismus auch bei einigen Führern der Sozialdemokratie bemerkbar machte. In Briefen an Eduard Bernstein und Karl Kautsky kritisierte Engels die hauptsächlichen Arbeiten von Rodbertus und enthüllte das Wesen und den Klassencharakter seiner Theorien. Diese Briefe von Engels stehen in engem Zusammenhang mit seinen Vorworten zur ersten deutschen Ausgabe des „Elends der Philosophie" und zum zweiten Band des „Kapitals" (1885), in denen er die von Rodbertus und seinen Anhängern verbreitete lügnerische Behauptung, Marx habe diesen „Staatssozialisten" plagiiert, ad absurdum führte. Sie erleichtern dem Leser, den grundlegenden Gegensatz zwischen der ökonomischen Theorie von Marx und den bürgerlichen ökonomischen Auffassungen, auch den Ansichten von Rodbertus, klarer zu erkennen. Als sehr gut beurteilte Engels in seinen Briefen an Karl Kautsky vom 26. Juni und 20. September 1884 Kautskys Artikel „Das .Kapital' von Rodbertus". Er machte jedoch darauf aufmerksam, daß Kautsky in bestimmten Einzelfragen die Marxsche ökonomische Theorie und die dialektische Methode nicht richtig angewandt habe. Engels verwies u. a. auf den unüberbrückbaren Gegensatz in den Ansichten von Marx und Rodbertus hinsichtlich der Rolle der Abstraktion und stellte fest, daß Kautsky hierbei nicht sicher sei und sich Blößen gebe. (Siehe vorl. Band, S.209.) Engels' Briefe aus dieser Zeit sind sehr wichtig, um den Übergang vom vormonopolistischen Kapitalismus zum Imperialismus richtig einzu
schätzen. Sie zeugen von Engels' Studium des Kapitalismus in jener Zeit; er erkannte neue Züge im industriellen Krisenzyklus. Wesentlich sind seine Äußerungen über die Verschärfung der kapitalistischen Konkurrenz auf dem Weltmarkt Ende der achtziger Jahre, hauptsächlich zwischen England, Frankreich, Deutschland und den USA. In zahlreichen Briefen an Bebel und Kautsky untersuchte Engels die Spezifität der ökonomischen Entwicklung Deutschlands in der Periode, in der die industrielle Revolution ihren Abschluß fand, besonders nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Engels stellte fest, daß in Deutschland und in den wichtigsten anderen Industrieländern in den achtziger Jahren eine immer aktivere Kolonialpolitik betrieben wurde; er hob „den neusten Modus" dieser Politik hervor - „die Kolonisation im Interesse der Börsenschwindelei" (siehe vorl. Band, S.60). Die Briefe ermöglichen es auch, den Arbeitsprozeß an einigen theoretischen und historischen Werken zu verfolgen, die Engels in dieser Zeit geschrieben hat. Eines der wichtigsten Werke dieser Jahre war die 1884 erschienene Arbeit „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats", die zu den grundlegenden Werken des Marxismus gehört. Engels erfüllte damit das Vermächtnis von Marx, „der sich vorbehalten hatte, die Resultate der Morganschen Forschungen" („Ancient society...") „im Zusammenhang mit den Ergebnissen seiner... materialistischen Geschichtsuntersuchung darzustellen und dadurch erst ihre ganze Bedeutung klarzumachen" (siehe Band 21 unserer Ausgabe, S.27). Durch eine genaue wissenschaftliche Analyse der frühen Geschichte der Menschheit bewies Engels, wie aus der Entwicklung der Produktionsweise gesetzmäßig die gesellschaftlichen Verhältnisse und Einrichtungen entstehen, wie die Klassen und der Staat entstanden sind. Er widerlegte damit die Behauptungen von der „Ewigkeit des Privateigentums und des Staates" und bewies die gesetzmäßige Ablösung der bürgerlichen Klassengesellschaft durch die kommunistische Gesellschaft. In diesem Werk sowie in einigen anderen Arbeiten aus dieser Zeit entwickelte Engels einige wichtige Thesen des historischen Materialismus entsprechend den neu entstandenen objektiven Bedingungen und den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft weiter. Viele dieser Arbeiten von Engels, wie z.B. „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" (1885), „Zur Geschichte der preußischen Bauern" (1886), „Die Arbeiterbewegung in Amerika" (1887) u.a., waren Einführungen zu Neuausgaben, Neuauflagen und Übersetzungen bestimmter bedeutender Werke, die Marx oder er schon früher veröffentlicht hatten. Engels gab darin eine Einschätzung der Periode, in der der Marxismus entstanden war und sich herausgebildet hatte, und legte damit den Grund
stein für die Darstellung der Geschichte des Marxismus. Im März 1883 kam Engels' Werk „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" heraus, das im gleichen Jahr in deutscher Sprache, trotz der erschwerten Bedingungen unter dem Sozialistengesetz, drei Auflagen erlebte und entscheidend dazu beitrug, daß sich in den folgenden Jahren der Marxismus in der deutschen Arbeiterbewegung durchsetzte. Weiter erschienen, oft auf Initiative und unter maßgeblicher Mitarbeit von Engels, eine Neuausgabe von „Lohnarbeit und Kapital" (1884), die dritte deutsche Auflage des „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte" (1885) sowie ein neuer Abdruck der „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" (1885). Anfang 1885 erschien die von Kautsky und Bernstein besorgte deutsche Übersetzung von Marx' „Misere de la Philosophie", die von Engels revidiert und mit einem Vorwort versehen worden war. Von außerordentlicher Bedeutung war die Neuauflage des „Anti-Dühring", die 1886 besorgt wurde. Engels redigierte eine französische und eine englische Übersetzung des „Manifests der Kommunistischen Partei", die italienischen Übersetzungen des „Ursprungs der Familie, des Privateigentums und des Staats", der „Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" und von „Lohnarbeit und Kapital"; ferner die englische Übersetzung der „Lage der arbeitenden Klasse in England" und eine Reihe anderer Werke. Bei der Auswahl der Arbeiten, die neu herausgegeben oder übersetzt werden sollten, ging Engels stets von den dringenden Erfordernissen der internationalen Arbeiterbewegung aus, von ihrem Kampf gegen alle dem Proletariat feindlichen Strömungen und Theorien. Dabei beachtete er sorgfältig das jeweilige Niveau der Arbeiterbewegung. Besondere Bedeutung maß Engels der Ausnutzung der historischen Erfahrungen des revolutionären Kampfes durch die proletarischen Parteien bei. Er begrüßte und unterstützte durch direkte Mitarbeit die Initiative der deutschen Sozialdemokraten, eine Reihe von Arbeiten und Reden von Marx sowie von Materialien zur Geschichte der revolutionären und Arbeiterbewegung, insbesondere der Revolution 1848/49, neu herauszugeben. In seinem Brief an Hermann Schlüter vom 16. Juni 1885 unterstrich Engels, daß die Erziehung der Arbeiterklasse anhand ihrer revolutionären Traditionen dazu beitragen werde, die Überbleibsel des Lassalleanismus in der deutschen Arbeiterbewegung zu überwinden. Im gleichen Brief bemerkte er: „Der .Kommunisten-Prozeß' könnte ebenfalls mit Vorteil wieder abgedruckt werden, einerseits bewiese er den alten Lassalleanern wieder einmal, daß auch vor dem großen Ferdinand schon etwas los war in Deutschland, und dann ist das damalige Verfahren der Preußen ja schon
das Vorbild desjenigen, was jetzt unter dem Sozialistengesetz herrscht." (Siehe vorl. Band, S.333.) Aus einer Reihe von Briefen (z.B. an Bebel vom 30. April 1883 und an Laura Lafargue vom 24. Juni 1883 u.a.) geht hervor, daß Engels die Absicht hatte, eine Marx-Biographie und die Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland sowie die Geschichte der Internationale zu schreiben. In vielen Engels-Briefen sind Gedanken und Einschätzungen enthalten, die sich auf die historische Bedeutung der Internationalen Arbeiterassoziation und die überragende Rolle von Marx in dieser Organisation beziehen. „Möhrs Leben ohne die Internationale", schrieb Engels am 24. Juni 1883 an Laura Lafargue, „wäre wie ein Brillantring, aus dem der Edelstein herausgebrochen ist." Marx' Taktik und Wirken in dieser ersten internationalen Massenorganisation des Proletariats stellte er der zeitweilig fehlerhaften, sektiererischen Taktik der englischen und amerikanischen Sozialisten gegenüber. „Als Marx die Internationale gründete, hat er die Allgemeinen Statuten so abgefaßt, daß ihr alle proletarischen Sozialisten jener Zeit beitreten konnten - ... und nur dank dieser Breite ist die Internationale das geworden, was sie war, das Mittel zur allmählichen Auflösung und Aufsaugung all jener kleineren Sekten ..." (Siehe vorl. Band, S.598.) Da auch in den achtziger Jahren in einigen Ländern die Anarchisten noch einen gewissen Einfluß auf die revolutionäre Bewegung hatten, hob Engels besonders hervor, wie wichtig der erfolgreiche Kampf der Internationale gegen den Anarchismus für die Zukunft der Arbeiterbewegung war. Die These, das unmittelbare Ziel der proletarischen Revolution sei die Abschaffung jedes Staates, nannte Engels „anarchistischen Blödsinn", denn den Staat zerstören, „das hieße, den einzigen Organismus zerstören, vermittelst dessen das siegende Proletariat seine eben eroberte Macht geltend machen ... kann" (siehe vorl. Band, S. 11). Engels behandelte in seinen Briefen zahlreiche theoretische Fragen, die über den Problemkreis in seinen gleichzeitig entstandenen Werken hinausgehen. Besondere Ereignisse oder dringende Erfordernisse der Arbeiterbewegung in diesem oder jenem Lande warfen oft Fragen auf, die Engels sowohl konkret-historisch als auch allgemein-theoretisch beantwortete. In einigen Briefen wandte sich Engels gegen jene Sozialisten, die sich Marx-Anhänger nannten, sich aber auf das Auswendiglernen fertiger Formeln beschränkten und dieselben dogmatisch auf beliebige Umstände anzuwenden versuchten, ohne den konkreten Bedingungen Rechnung zu tragen. „Unsere Theorie", so erläuterte Engels, „ist eine Theorie, die sich entwickelt, kein Dogma, das man auswendig lernt und mechanisch wiederholt."
(Siehe vorl. Band, S.597.) Er distanzierte sich entschieden von den Versuchen, die Theorie des wissenschaftlichen Kommunismus als eine Sammlung unveränderlicher Formeln und Thesen auszulegen, die für alle Gelegenheiten des Lebens Gültigkeit haben. Die „Partei, der ich angehöre", schrieb er am 27. Januar 1886 an den englischen Sozialisten Edward Pease, hat „keine feststehenden gebrauchsfertigen Vorschläge zu unterbreiten". In Briefen an Florence Kelley-Wischnewetzky, in denen er die Ursachen der Schwächen der Sozialistischen Arbeiter-Partei von Nord-Amerika analysierte, unterstrich Engels, daß die fehlende Verbindung zu den Massen die Folge der sektiererischen Versuche ist, der Arbeiterklasse theoretische Thesen aufzuzwingen, ohne die konkreten Bedingungen ihres Kampfes, die Besonderheiten der herangereiften Situation und das von der Arbeiterbewegung erreichte Niveau zu berücksichtigen. Und in seinem Brief an F.A.Sorge vom 16-September 1887 erläuterte er wiederum: „Die Massen sind nun einmal nur auf den jedem Land und den jedesmaligen Umständen entsprechenden Weg - der meist ein Umweg ist - in Bewegung zu bringen." Die eigenen historischen Erfahrungen der Massen bezeichnete Engels als eine notwendige Bedingung zur Ausarbeitung der richtigen Methoden und Mittel für den Befreiungskampf. Von hervorragendem theoretischen und praktischen Wert sind jene Briefe, in denen sich Engels mit Fragen der Strategie und Taktik des Proletariats im Kampf für demokratische Umgestaltungen befaßt. Er orientierte darauf, immer von einer nüchternen Analyse des Kräfteverhältnisses der Klassen auszugehen, und warnte davor, unvermeidliche Etappen der Revolution auf irgendeine Weise überspringen zu wollen. Engels bewies, daß das Proletariat zutiefst an der Herstellung einer demokratischen Republik interessiert ist, in der sich der Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie in direkter, unverhüllter Form entwickelt. Eben eine solche Republik, stellte Engels fest, ist die für das Proletariat günstigste Form der Bourgeoisherrschaft, da sie die besten Voraussetzungen bietet, daß sich das Proletariat organisieren, seine Kräfte zusammenfassen kann, daß große Massen von Arbeitern für den Sozialismus gewonnen werden; sie ist die notwendige Grundlage für den Übergang der politischen Macht in die Hände des Proletariats. (Siehe die Briefe an Eduard Bernstein vom 27. August 1883 und 24. März 1884, an August Bebel vom 6. Juni 1884 und 11./12. Dezember 1884.) Engels ging stets davon aus, daß die demokratische Republik unerläßliche historische Voraussetzung dafür ist, die Mehrheit der Arbeiterklasse für den weiteren Kampf um die Diktatur des Proletariats zu gewinnen. Er
kritisierte die dogmatischen Vorstellungen, die proletarische Revolution sei eine über Nacht abzumachende Sache, und betonte, daß sie das Ergebnis eines langwierigen Prozesses des Heranreifens objektiver Bedingungen ist, die ihren Sieg möglich machen, daß sie ohne eine revolutionäre Situation undenkbar ist. Die Revolution, schrieb er, ist „ein mehrjähriger Entwicklungsprozeß der Massen unter beschleunigenden Umständen" (siehe vorl. Band, S.55). Außerdem stellte Engels fest, daß die Gewinnung von Verbündeten - Soldaten und Bauern - eine entscheidende Voraussetzung für den Sieg der proletarischen Revolution ist. „Wie die militärischen Verhältnisse jetzt liegen, schlagen wir nicht los, solange noch eine bewaffnete Macht gegen uns ist." So schrieb er am 18. November 1884 an August Bebel. Mit besonderem Nachdruck orientierte Engels in mehreren Briefen an Bebel darauf, daß eine der notwendigen Voraussetzungen für den Sieg der sozialistischen Revolution der gemeinsame Kampf der Arbeiter und Bauern ist. Ferner betonte Engels, daß man gerade den Landarbeitern und den werktätigen Bauern, „deren Verknechtung und Verdummung die Regimenter liefert", den Weg zeigen und sie aufklären muß. (Siehe vorl. Band, S.426.) Engels' Hinweise hatten gerade für Deutschland, wo die Junker einen beherrschenden Einfluß ausübten, große Bedeutung im Hinblick auf den Kampf gegen den preußisch-deutschen Militärstaat. Wichtig für Engels war auch die Frage, wie die Bauern nach dem Sieg der proletarischen Revolution in den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft einbezogen werden sollten. Als Weg dazu bezeichnete er die Entwicklung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die sowohl auf der Basis der Umwandlung der konfiszierten Ländereien der Großgrundbesitzer in Staatseigentum als auch durch die Vereinigung kleiner Bauerngrundstücke geschaffen werden könnten. Er wies nach, „daß wir beim Übergang in die volle kommunistische Wirtschaft den genossenschaftlichen Betrieb als Mittelstufe in ausgedehntem Maß werden anwenden müssen" (siehe vorl. Band, S.426), und betonte gleichzeitig, daß die Tätigkeit der „selbstwirtschaftenden Genossenschaften" unter Leitung des proletarischen Staats erfolgen müsse, „und so die Sonderinteressen der Genossenschaft, gegenüber der Gesellschaft im ganzen, sich nicht festsetzen können". An diesen bemerkenswerten Gedanken knüpfte Lenin mit wichtigen Thesen seines Genossenschaftsplans an, der in der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern der Umgestaltung in der Landwirtschaft zugrunde gelegt wurde. An einigen Stellen befaßt sich Engels mit den Versuchen, das Bild der künftigen Gesellschaft nach utopischen Vorstellungen und allgemeinen Wünschen zu zeichnen. „Unsere Ansichten über die Unterschiede zwischen
einer künftigen, nichtkapitalistischen Gesellschaft und der heutigen", schrieb er am 27. Januar 1886 an Edward Pease, „sind exakte Schlußfolgerungen aus den historischen Tatsachen und Entwicklungsprozessen und sind, wenn sie nicht im Zusammenhang mit diesen Tatsachen und dieser Entwicklung dargelegt werden, theoretisch und praktisch ohne Wert." (Siehe vorl. Band, S.429.) In fast allen Briefen dieses Bandes behandelt Engels Probleme der internationalen Arbeiterbewegung. Trotz starker Arbeitsüberlastung hatte er eine ausgedehnte Korrespondenz mit den Sozialisten der verschiedenen Länder und betrachtete dies als ein sehr wichtiges Mittel, um auf die Tätigkeit der sozialistischen Parteien Einfluß zu nehmen. Am 30. April 1883 schrieb er an Bebel: „Denk nur an die ungeheure, früher zwischen M[arx] und mir geteilte Korrespondenz, die ich seit über einem Jahr allein zu führen habe. Denn die vielen Fäden aus allen Ländern, die in M[arxj)'s Studierzimmer freiwillig zusammenliefen, wollen wir doch ungebrochen erhalten, soweit es in meinen Kräften steht." Und so half Engels den Sozialisten aller Länder auch durch seine Briefe, gab Ratschläge, tauschte mit ihnen Meinungen aus, erbat von ihnen Informationen, half ihnen, die richtige politische Linie zu erarbeiten. Er erklärte ihnen schwierige theoretische Probleme des wissenschaftlichen Kommunismus und machte, wenn nötig, seine Briefpartner auf begangene oder mögliche Fehler aufmerksam. Sein Hauptaugenmerk richtete Engels nach wie vor auf die Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie, in jener Zeit die größte politische Massenpartei der Arbeiterklasse. Engels sprach von ihr als der „leitenden europäischen Arbeiterpartei" (siehe vorl. Band, S.39). Aus Briefen an Bebel, Liebknecht, J.Ph. Becker, Schlüter, Kautsky, Bernstein und andere ist das große Interesse ersichtlich, das Engels dem Kampf der deutschen Arbeiter gegen das Sozialistengesetz entgegenbrachte. Sie zeigen, wie er sich über die Erfolge der deutschen Sozialdemokratie freute, welche große Hilfe er ihren Führern in ihrer gesamten revolutionären Tätigkeit leistete. Engels glaubte an die Kraft der deutschen Arbeiterklasse, an ihre revolutionären Möglichkeiten und war von ihrem schließlichen Sieg fest überzeugt. „Zum erstenmal in der Geschichte", schrieb er, „steht eine solid geschlossene Arbeiterpartei als wirkliche politische Macht da, entwickelt und großgewachsen unter den härtesten Verfolgungen, unaufhaltsam einen Posten nach dem andern erobernd..." (Siehe vorl. Band, S.230.) Die deutsche Arbeiterbewegung entwickelte sich in diesen Jahren unter den komplizierten Bedingungen des Sozialistengesetzes, durch die die Arbeit der Sozialdemokratie mit den proletarischen Massen erheblich erschwert
wurde. Mit Hilfe von Marx und Engels war es den deutschen Sozialdemokraten schon in den ersten Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in heftigen politisch-ideologischen Auseinandersetzungen mit den Opportunisten über den Klassencharakter und die Taktik der Partei gelungen, eine richtige revolutionäre Taktik auszuarbeiten, die die legalen mit illegalen Kampfmethoden verband. So konnte die Partei ihre Stellung unter den Massen wesentlich festigen, was sich insbesondere in zunehmenden Wahlerfolgen zeigte. Die revolutionäre Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie, ihr erfolgreicher Kampf gegen das Sozialistengesetz, ihre Wahlsiege hatten starke Auswirkungen auf die Arbeiterbewegung in Europa und in den USA. Begeistert begrüßte Engels die Erfolge der deutschen Arbeiter, in deren Aktionen er ein Vorbild für die Proletarier aller Länder sah. Besonders hoch schätzte er August Bebel. Dessen enge Verbundenheit mit den Massen, sein politischer Scharfblick und seine nie ermüdende Energie, die alle Schwierigkeiten überwand, trugen dazu bei, daß er zum anerkannten Führer des deutschen Proletariats wurde. „Er ist der klarste Kopf in der ganzen deutschen Partei und dabei durch und durch zuverlässig und nicht zu beirren", schrieb Engels an seinen alten Freund Johann Philipp Becker am 15. Oktober 1884. Engels ging davon aus, daß der industrielle Aufschwung nach der Einigung Deutschlands günstige Voraussetzungen für eine rasche Revolutionierung der Arbeiterklasse geschaffen hatte. Er rechnete damit, daß es der deutschen Sozialdemokratie durch eine richtige revolutionäre Taktik in historisch verhältnismäßig kurzer Frist gelingen werde, die Hauptmasse des deutschen Proletariats zum Kampf für den Sozialismus zu mobilisieren. Eine unerläßliche Voraussetzung hierfür, lehrte Engels, ist der Kampf gegen die opportunistischen Elemente, die er die „bürgerlichen und bürgerlich angehauchten Sozialisten" nannte (siehe vorl. Band, S.215) und die in der durch das Sozialistengesetz entstandenen Lage in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zeitweilig die Mehrheit hatten. Die in diesem Kampf auftauchenden Fragen nehmen in Engels'Briefen an die Führer der deutschen Arbeiterbewegung breiten Raum ein. Die Ursachen für das Vorhandensein opportunistischer Auffassungen in der deutschen Sozialdemokratie sah Engels in dem kleinbürgerlichen Einfluß auf die Arbeiterklasse, wozu die Besonderheiten der historischen Entwicklung Deutschlands, die noch vorhandenen ökonomischen Überreste der vorkapitalistischen Verhältnisse beitrugen. „ In einem Spießbürgerland wie Deutschland muß die Partei auch einen spießbürgerlichen .gebildeten' rechten Flügel haben, den sie im entscheidenden Moment abschüttelt." (Siehe vorl. Band, S.328.)
Aktiv unterstützte Engels die revolutionären Kräfte in der deutschen Sozialdemokratie, die unter Bebel und Liebknecht gegen die Opportunisten kämpften, als diese nach den Wahlen von 1884 die revolutionäre Politik der Partei durch eine kleinbürgerliche Reformpolitik zu ersetzen versuchten. Durch seine konkreten umfassenden Ratschläge und Hinweise half er Bebel, Liebknecht und anderen revolutionären Führern, die Demagogie der Opportunisten zu erkennen und diese immer mehr zu isolieren. Sehr aufschlußreich sind die Briefstellen über den Kampf um die Einheit der Partei, die durch die Politik der Opportunisten aufs äußerste gefährdet war. Engels befürchtete, daß ein organisatorischer Bruch mit den Opportunisten unter den Bedingungen des Sozialistengesetzes eine Spaltung der Partei und somit ihre Schwächung herbeiführen würde. Die Forcierung eines solchen Bruchs hielt er für unzweckmäßig, solange sich die Masse der sozialdemokratischen Arbeiter noch nicht von der Notwendigkeit dazu überzeugt hatte und der reformistische Flügel nicht isoliert war. „Wäre morgen freie Debatte, so wäre ich für sofortiges Losschlagen ... Solange aber keine freie Debatte herrscht", schrieb er am 5. Juni 1884 an Eduard Bernstein, „...müssen wir, glaublich alles vermeiden, was einen Bruch, d.h. die Schuld des Bruchs uns zuschöbe..." Gründlich studierte Engels das Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, den „Sozialdemokrat". Er las ihn regelmäßig, war genau informiert und machte Vorschläge, übte auf die Tätigkeit der Redaktion großen Einfluß aus, half ihr, Fehler zu berichtigen und die Wirksamkeit der Zeitung weiter zu erhöhen. Oft wurden seine Briefe an Bernstein als Grundlage für redaktionelle Artikel benutzt und dadurch die Leser mit Engels' Gedanken vertraut gemacht. Durch Engels* Hilfe und Anleitung wurde die Zeitung eines der besten Organe der deutschen Arbeiterbewegung. Als der „Sozialdemokrat" die Haltung einer Gruppe von Mitgliedern der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in der Frage der Dampfersubventionen scharf kritisierte und es in diesem Zusammenhang zu einem ernsten Konflikt zwischen den opportunistischen Wortführern und der Redaktion des „Sozialdemokrat" kam, beriet sich Bebel mit Engels und appellierte an die klassenbewußten Mitgliedermassen. Die revolutionären Arbeiter verurteilten in Zuschriften an die Zeitung sowie in Versammlungen und Resolutionen die Haltung der rechten Führer. Diese einhelligen Proteste der sozialdemokratischen Arbeiter zwangen die Opportunisten schließlich zum Rückzug. Den Wahlerfolgen der deutschen Sozialdemokratie maß Engels große Bedeutung bei; er warnte jedoch vor einer Überschätzung der parlamenta
rischen Tätigkeit und machte deutlich, daß es sich hierbei nur um eines der Kampfmittel des Proletariats handelt. 1887 gaben zum Beispiel trotz des Wahlterrors 10,1 Prozent aller Wähler den Sozialdemokraten ihre Stimme, dennoch sank infolge der Stichwahltaktik der Bourgeoisie und der reaktionären Wahlkreiseinteilung gegenüber den 1884 stattgefundenen Wahlen die Zahl der sozialdemokratischen Mandate von 24 auf 11. Engels nahm das zum Anlaß, auf die Grenzen des Parlamentarismus in der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft hinzuweisen. (Siehe Brief an Hermann Schlüter vom 19. März 1887.) Breiten Raum nahmen in Engels' Korrespondenz Probleme der französischen Arbeiterbewegung ein. Aus Briefen an Paul und Laura Lafargue - die zum großen Teil erstmalig in deutscher Sprache veröffentlicht werden -, ist ersichtlich, welche große Hilfe Engels der französischen Arbeiterpartei erwies. Er unterstützte die Guesdisten in ihrem Kampf um die Gewinnung der breiten Massen des französischen Proletariats. Engels untersuchte in zahlreichen Briefen die Besonderheiten der historischen Entwicklung Frankreichs und ihren Einfluß auf die französische Arbeiterbewegung. Frankreich war für ihn das Land, wo von 1789 bis 1850 „nicht nur die politischen Ideen jedesmal zuerst scharf formuliert, sondern auch in die Praxis übersetzt wurden" (siehe vorl. Band, S.378), war das Land, in dem die politische Herrschaft der Bourgeoisie sich in der klassischen Form entwickelte, was günstige Bedingungen für die Entfaltung des Klassenkampfes des Proletariats schuf. Zugleich berücksichtigte Engels, daß sich die Zerschlagung der Pariser Kommune noch bis in die achtziger Jahre nachteilig auf die französische Arbeiterbewegung auswirkte und eine der Ursachen dafür war, daß sich die Arbeiter lange Zeit im Schlepptau der linken bürgerlichen Radikalen befanden. Die noch geringen Kenntnisse des Marxismus, selbst bei vielen ihrer Führer, das schwache theoretische Niveau und den noch nicht überwundenen Einfluß der verschiedensten Formen des vormarxistischen Sozialismus erkannte Engels als einen ernsten Mangel der französischen Arbeiterbewegung. Mitte der achtziger Jahre erlebte die sozialistische und Arbeiterbewegung in Frankreich einen Aufschwung, den Engels mit lebhaftem Interesse verfolgte. Der Bergarbeiterstreik in Decazeville in der ersten Hälfte des Jahres 1886 und das selbständige Auftreten einer von den Radikalen unabhängigen Gruppe von Arbeitervertretern in der Deputiertenkammer waren für Engels Tatsachen von größter internationaler Bedeutung. In den Briefen an Bebel vom 15. Februar 1886, an Liebknecht vom 25. Februar 1886, an Laura Lafargue vom 15./16. März 1886 sowie in vielen anderen äußerte er sich
11 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
begeistert über die Streikaktionen der französischen revolutionären Arbeiter, über das Auftreten der Sozialisten im Parlament. Er stellte sie den sozialistischen Führern anderer Länder als Beispiel hin: „Jetzt haben wir also auch in Paris Leute im Parlament, und ich freue mich nicht nur wegen der Franzosen..., sondern auch wegen unsrer Fraktion, die in der Kühnheit des Auftretens stellenweise noch manches von jenen lernen kann..." (Siehe vorl. Band, S.447.) Engels billigte die Taktik der Arbeiterpartei, die auf die allmähliche Überwindung der Spaltung in der französischen Arbeiterbewegung gerichtet war. Sie zielte darauf ab, die opportunistischen Gruppen zu isolieren und die Massen um die Vertreter des revolutionären Sozialismus zu sammeln. (Siehe vorl. Band, S.462.) Engels mußte jedoch auch einige Fehler der französischen Arbeiterpartei kritisieren und warnte insbesondere ihre Führer davor, die Gefährlichkeit der chauvinistischen Demagogie des Generals Boulanger zu unterschätzen. Gleichzeitig unterstützte er ihren aktiven Kampf gegen die Kriegsgefahr. Prinzipielle Bedeutung haben die zahlreichen Äußerungen, die Engels in Briefen an Paul und Laura Lafargue, an Bebel, Liebknecht und an andere Persönlichkeiten über das Wesen des französischen bürgerlichen Radikalismus machte. Die weiteren Ereignisse bestätigten die Richtigkeit seiner Worte, daß die Radikalen angesichts der wachsenden politischen Aktivität des Proletariats unvermeidlich gezwungen sein werden, sich von ihrem pseudo-sozialistischen Programm loszusagen und sich mit den offen reaktionären Parteien zu verständigen. Viel Aufmerksamkeit schenkte Engels auch der englischen Arbeiterbewegung. Zu Beginn der achtziger Jahre gab es in England keine sozialistische Organisation der Arbeiter. „Seit dem Ende der Internationale", bemerkte Engels am 30. April 1883 in seinem Brief an Bebel, „ist hier absolut keine Arbeiterbewegung außer als Schwanz der Bourgeoisie, Radikalen und für kleine Zwecke innerhalb des Kapitalverhältnisses." Die 1884 gegründete Social Democratic Federation, die sich in ihrem Programm für den Sozialismus aussprach, betrieb in der Folgezeit unter der Führung von Henry Mayers Hyndman eine sektiererische Politik, die auf einer dogmatischen Auffassung der sozialistischen Theorie beruhte. Engels kritisierte die Führer der Federation, die keine Verbindung zu den Massen der Arbeiter hatten. Er wandte sich gegen ihre reformistischen Tendenzen und verurteilte ihre pseudo-revolutionären Phrasen und Losungen, die ohne Rücksicht auf die wirklichen Bedürfnisse der Arbeiterbewegung und das von ihr erreichte Niveau herausgegeben wurden. „Revolutionsgebrüll", schrieb er sarkastisch an Bebel, „das in Frankreich als
abgenutztes Zeug ohne Schaden mit durchläuft, ist hier bei den ganz unpräparierten Massen reiner Blödsinn und wirkt aufs Proletariat abschreckend, aufmunternd nur auf die verlumpten Elemente..." (Siehe vorl. Band, S.464.) Mit allen Mitteln trug Engels zur Verbreitung des wissenschaftlichen Kommunismus und der Werke von Marx in England bei. Er war eng mit der Gruppe von Sozialisten verbunden, die bestrebt war, die klassenbewußten Elemente des englischen Proletariats zu vereinen, um das Fundament einer künftigen sozialistischen Massenpartei zu schaffen. Aus seinen Briefen geht hervor, daß Engels den Austritt einer Gruppe revolutionärer Sozialisten (Eleanor Marx-Aveling, Edward Aveling, Ernest Beifort Bax, William Morris, John Lincoln Mahon u.a.) aus der Social Democratic Federation billigte und ihre Bemühungen guthieß, eine neue Organisation - die Socialist League - zu gründen. Als später in der Liga die Anarchisten größeren Einfluß gewannen, unterstützte er die proletarischen Kräfte in ihr und half Eleanor Marx-Aveling und Edward Aveling, ihre Agitation unter den Proletariern des Londoner East End durchzuführen. Dies hielt er für sehr nützlich, um Voraussetzungen zu schaffen für die „Stiftung einer englischen Arbeiterpartei mit unabhängigem Klassenprogramm" (siehe vorl. Band, S.649). Als eine Gruppe von Arbeitern einen Plan zur Bildung einer solchen Partei entwickelte, ohne die notwendigen Vorbedingungen geschaffen zu haben, wies Engels darauf hin, wie aussichtslos und verfrüht ein derartiges Unterfangen sei: „...mit neuen Organisationsversuchen zu experimentieren, wird mehr als nutzlos sein, solange es nicht wirklich etwas zu organisieren gibt." (Siehe vorl. Band, S.678.) In diesen Jahren interessierte sich Engels auch stark für die amerikanische Arbeiterbewegung. Sein umfangreicher Briefwechsel mit F.A.Sorge, seine eingehenden Erläuterungen in den Briefen an Florence KelleyWischnewetzky und an andere zeigen, welche Bedeutung er den beginnenden Massenaktionen des amerikanischen Proletariats beimaß. In ihnen sah er die realen Möglichkeiten für das Entstehen einer sozialistischen Massenpartei der Arbeiter. Die kraftvolle Bewegung der erwachenden Massen, die Streiks und Demonstrationen, der entschlossene Kampf für den Achtstundentag, all das war für Engels die Widerlegung jener Apologeten, die schon damals zu beweisen suchten, daß in diesem Lande kein Klassenkampf existierte und folglich auch kein Boden für die Verbreitung sozialistischer Ideen und die Bildung einer selbständigen politischen Partei der Arbeiterklasse vorhanden sei. Die energischen Aktionen der amerikanischen Arbeiter, ihr Streben nach einer eigenen Klassenorganisation demonstrier
ten die ganze Unhaltbarkeit derartiger Behauptungen. „...Amerika", so schrieb Engels an Florence Kelley-Wischnewetzky am 3. Juni 1886, „war immerhin das Ideal aller Bourgeois...", die dachten, „daß Amerika über Klassenantagonismen und Klassenkämpfen stehe. Diese Illusion ist jetzt zerstört..." Engels erkannte den spontanen Charakter der sich in den USA entwickelnden Arbeiterbewegung und unterstrich, daß es gerade in den USA notwendig sei, die Massen mit dem sozialistischen Gedankengut vertraut zu machen. Er bewies, daß der Einfluß der trade-unionistischen Auffassungen eine besondere Gefahr darstellte und ein ernstes Hindernis auf dem Wege zur Entwicklung des Klassenbewußtseins war. Einige sozialistische Führer aus den Reihen der deutschen Emigranten in den USA, die damals zur Leitung der Sozialistischen Arbeiter-Partei von Nord-Amerika gehörten, kritisierte Engels, weil sie sich vom praktischen Kampf des amerikanischen Proletariats gelöst hatten, sich von jeder Bewegung fernhielten, die spezifischen Besonderheiten der amerikanischen Arbeiterbewegung jener Zeit ignorierten und mit ihrer abstrakten, „nicht immer verstandenen Theorie" dogmatisch an sie herangingen. Das Verhalten dieser Führer, die noch stark unter dem Einfluß des Lassalleanismus standen, hatte zur Folge, daß die Partei, obwohl sie in ihrem Programm den Kampf für den Sozialismus verkündete, nur eine unbedeutende Gruppe blieb, die mit den einheimischen Arbeitern Amerikas nur wenig Verbindung hatte. „Erwarten, daß die Amerikaner mit dem vollen Bewußtsein der Theorie beginnen werden, die in älteren industriellen Ländern ausgearbeitet ist, heißt, Unmögliches erwarten." (Siehe vorl. Band, S.589.) Entschieden wandte sich Engels gegen dogmatische Anschauungen und die daraus folgende sektiererische Praxis der deutschen Sozialisten in Amerika und entwickelte ein Programm, um die amerikanischen Arbeiter an den wissenschaftlichen Kommunismus heranzuführen. In den USA eine echte revolutionäre Massenpartei mit einem konsequent marxistischen Programm zu schaffen, war erst nach langwieriger Aufklärungsarbeit unter dem Proletariat und in enger Verbindung mit seinem praktischen Kampf möglich. Engels betonte mehrfach, daß bei den Arbeitern nur schrittweise im Verlaufe des Kampfes für ihre lebenswichtigen Interessen das Klassenbewußtsein entwickelt werden kann, daß Fehler und Rückschläge ihnen zwar helfen werden, sich eine richtige Weltanschauung zu erarbeiten, es jedoch Aufgabe der Sozialisten ist, diesen Prozeß mit allen Mitteln zu erleichtern. Die Sozialisten, schrieb er an Florence Kelley-Wischnewetzky am 28. Dezember 1886, müssen es verstehen, „für jede wirkliche allgemeine
Bewegung der Arbeiterklasse einzutreten, deren faktischen Ausgangspunkt als solchen zu akzeptieren und sie schrittweise dadurch auf die theoretische Höhe zu bringen, daß sie zeigen, wie jeder begangene Fehler, jede erlittene Schlappe eine notwendige Folge falscher theoretischer Ansichten im ursprünglichen Programm war." Engels* Kritik und Ratschläge an die Sozialistische Arbeiter-Partei von Nord-Amerika beweisen, daß er die Loslösung der Sozialisten vom praktischen Kampf der Arbeiterklasse, das sektiererische Verhalten zu den lebenswichtigen Interessen der Werktätigen, die dogmatische Anwendung der marxistischen Theorie als eine der schädlichsten Erscheinungen in der internationalen Arbeiterbewegung ansah. Die Briefe an russische politische Persönlichkeiten - an N. F. Danielson, P. L. Lawrow, V. I. Sassulitsch und andere - zeigen die unverminderte Aufmerksamkeit, mit der Engels die Veränderungen in der politischen Lage Rußlands verfolgte, und machen deutlich, wie genau er die ökonomische Lage in Rußland studierte und wie sehr er den Ausbruch der Revolution erwartete. Engels war fest davon überzeugt, daß in Rußland die Voraussetzungen für eine Volksrevolution heranreiften, daß der Sturz der Selbstherrschaft in historisch kürzester Frist erfolgen konnte. Am 23. April 1885 schrieb er an Vera Sassulitsch: „Die Revolution muß zu gegebener Zeit ausbrechen; sie \artn jeden Tag ausbrechen." (Siehe vorl. Band, S.304.) Wiederholt erklärte er, daß die Zerschlagung der zaristischen Selbstherrschaft als eine der Hauptkräfte der europäischen Reaktion gewaltigen Einfluß auf die politische Lage in der ganzen Welt haben und günstige Bedingungen für den Sieg der Arbeiterklasse in anderen Ländern schaffen werde, „...der Anfang vom Ende in Rußland", erläuterte er am 21. März 1887 Laura Lafargue, „wäre auch der Anfang vom Ende in Europa". Und obwohl die Revolution in Rußland später vor sich ging, als Engels erhofft hatte, bestätigten sich seine Worte, daß sie von großer internationaler Bedeutung sein werde, in vollem Umfang. Engels schätzte die theoretischen Arbeiten der russischen revolutionären Demokraten hoch ein. Mit großer Achtung sprach er von N.A.Dobroljubow und N.G.Tschernyschewski, von „der historischen und kritischen Schule in der russischen Literatur, die allem, was Deutschland und Frankreich in dieser Art auf dem Gebiet der offiziellen Geschichtswissenschaft hervorgebracht haben, haushoch überlegen ist" (siehe vorl. Band, S. 169). Besonderen Wert legte Engels auf die Verbreitung der marxistischen Ideen in Rußland, er half in jeder Weise, die Übersetzung der wichtigsten Arbeiten von Marx ins Russische zu ermöglichen. Der erste Band von Marx'
Hauptwerk „Das Kapital" war bereits 1872, als erste fremdsprachige Übersetzung, in Russisch erschienen; die russische Übersetzung des zweiten Bandes wurde noch 1885, dem Erscheinungsjahr dieses Bandes in der Originalsprache, fertiggestellt und kam im Januar 1886 heraus. Danielson sandte Engels einige Exemplare, der ihm am 8. Februar 1886 antwortete, daß er dessen Vorwort sehr aufmerksam gelesen habe und es ausgezeichnet finde. Marx' „Elend der Philosophie" erschien 1886 in Genf in russischer Sprache. Schon zwei Jahre vorher, am 6. März 1884, hatte Engels Vera I. Sassulitsch versichert: „Es wird sowohl für mich als auch für die Töchter von Marx ein schöner Tag sein, an dem die russische Übersetzung des .Elends der Philosophie' erscheint." Engels unterhielt enge Verbindung zu den russischen Revolutionären. Er war begeistert, als sich eine Gruppe überzeugter Anhänger des Marxismus herausbildete, und sah darin das Unterpfand des Erfolges der künftigen Revolution. Er dachte an die Gruppe Befreiung der Arbeit, als er an V. I.Sassulitsch mit Nachdruck betonte: „Vorerst wiederhole ich Ihnen, daß ich stolz darauf bin zu wissen, daß es unter der russischen Jugend eine Partei gibt, die sich offen und ohne Umschweife zu den großen ökonomischen und historischen Theorien von Marx bekennt." (Siehe vorl. Band, S.303.) Engels hatte eine hohe Meinung von den ersten Arbeiten G. W.PIechanows, die er in der Originalsprache las; verständnisvoll und sehr interessiert verfolgte er das Wirken der ersten russischen Marxisten. Die internationalen Verbindungen von Engels wurden immer umfangreicher. Unter seinen Korrespondenten tauchten neue Namen auf: Hermann Schlüter, John Lincoln Mahon, Pasquale Martignetti, Florence Kelley-Wischnewetzky und andere. Unermüdlich wirkte Engels für die Einheit und Geschlossenheit der sozialistischen und Arbeiterorganisationen. Er begrüßte die Zusammenarbeit der Sozialisten der verschiedenen Länder, informierte seine Korrespondenten laufend über den Stand der Arbeiterbewegung in den einzelnen Ländern und unterstützte besonders energisch alle Aktionen der internationalen proletarischen Solidarität. Im Zusammenhang mit der Verschärfung der internationalen Lage in den achtziger Jahren, die durch die Rivalität der europäischen Großmächte auf dem Balkan, durch die aggressive chauvinistische Politik Deutschlands und die revanchistischen Bestrebungen bestimmter französischer Kreise hervorgerufen wurde, behandelte Engels in seinen Briefen oft außenpolitische Probleme. Er entlarvte die Intrigen der Geheimdiplomatie der europäischen Regierungen, analysierte das Kräfteverhältnis und schätzte die Perspektiven eines möglichen militärischen Zusammenstoßes ein. Engels half den europäischen Sozialisten bei der Ausarbeitung ihrer Taktik in den
Fragen von Krieg und Frieden. In seinen Briefen an August Bebel, Friedrich Adolph Sorge und andere wies er immer wieder auf die drohende Kriegsgefahr hin, gab Ratschläge für den Kampf gegen die Kriegsvorbereitungen (siehe z.B. vorl. Band, S.524-527) und betonte, daß das Proletariat aller Länder entschlossen gegen den Militarismus und die Kriegsgefahr kämpfen muß. Mit prophetischen Worten erklärte Engels: „...sollte es wieder zum Kriege kommen, so ... ist kein andrer Krieg für PreußenDeutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit". (Siehe Band 21 unserer Ausgabe, S.350.) Und mit ungewöhnlichem Scharfblick charakterisierte er die Ausmaße und die zu erwartenden Ergebnisse eines künftigen Krieges, der, wie er am 16. September 1887 an Sorge schrieb, „heftiger, blutiger, kostspieliger und erschöpfender" würde „als je ein früherer (10-12 Mill. Soldaten gegeneinander)". Dabei verlor Engels niemals den Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse und den Sieg der sozialistischen Revolution. Er sah voraus, daß der Krieg, einmal ausgebrochen, im Endergebnis zum Zusammenbruch der Ausbeuterordnung führen würde, aber „mit welchen Opfern! mit welcher allgemeinen Abspannung - und nach welchen vielen Wendungen!" (siehe Brief an Bebel vom 23.-25. Oktober 1886). Das Grundsätzliche in Engels' Voraussicht erwies sich als richtig. „Lokalisierte" Kriege, von denen Engels sagte, daß ihre Zeit vorüber sei (siehe vorl. Band, S. 628), waren tatsächlich nur Etappen auf dem Wege zu dem von Engels vorausgesagten Weltkrieg, einem Krieg von bis dahin ungeahntem Ausmaß; das Ergebnis dieses Krieges waren nicht nur unglaubliche Zerstörungen und Not, sondern auch der Zusammenbruch des kapitalistischen Systems auf einem bedeutenden Teil des Erdballs. Der Sieg der sozialistischen Revolution in Rußland versetzte dem Kapitalismus einen Schlag, von dem er sich nicht wieder erholen konnte. Er eröffnete eine neue Epoche in der Geschichte der Menschheit. Niemals machte Engels den Erfolg der Revolution von einem Kriege abhängig. Im Gegenteil, er sah im Krieg ein furchtbares Unglück für die Arbeiter, der von ihnen unerhörte Opfer fordern und das von der Arbeiterbewegung bereits Erkämpfte rückgängig machen würde. „Soviel ist sicher", schrieb er an Bebel am 13./14. September 1886, „der Krieg würde unsre Bewegung zunächst in ganz Europa zurückdrängen, in vielen Ländern total sprengen, den Chauvinismus und Nationalhaß schüren und uns sicker unter den vielen unsichern Möglichkeiten nur das bieten, daß nach dem Krieg wir wieder von vorn anzufangen hätten, aber auf einem unendlich günstigeren Boden als selbst heute." (Siehe vorl. Band, S.526.) Engels unterstrich
wiederholt, daß es Ziel des Proletariats sei, den Sieg der Revolution mit möglichst wenig Opfern zu erringen. Eindringlich unterstrich er, daß das Proletariat den Frieden braucht, um seine Kräfte zu sammeln und sich zum Sturz des Kapitalismus vorzubereiten. Am 19. März 1887 bemerkte er in einem Brief an Schlüter: „Unser Kampf ist ein Belagerungskrieg, und so lange da die Laufgräben stetig fortrücken, geht's gut. Wir sind jetzt schon nahe an der zweiten Parallele, in der wir die Demontierbatterien errichten und das feindliche Geschütz zum Schweigen bringen können ; und sind wir erst so weit, ohne daß der Belagerte durch einen Weltkrieg momentanen Entsatz bekommt, dann können wir auch die Zeit berechnen, wo wir die Breschbatterien auf dem Glaciskamm anlegen, Bresche schießen und Sturm laufen können. Bis dahin ist aber der langsame, ruhige Fortschritt der Belagerungsarbeiten die beste Sicherung vor verfrühtem Sturmlaufen und unnützen Opfern." (Siehe vorl. Band, S.632.) Leidenschaftlich rief Engels immer wieder die Sozialisten auf, zu verhindern, daß sich die Menschheit den Weg in die neue Gesellschaftsordnung erst durch ein Meer von Blut und Tränen bahnen müsse. Der Briefwechsel ist eine unschätzbare Quelle für das Studium der Biographien der Begründer des Marxismus. Engels hielt das Andenken an Marx hoch in Ehren, rührend und herzlich sorgte er für die Familie Marx, mit seiner ganzen Persönlichkeit verteidigte er seinen besten Freund oder dessen Angehörige, wenn man sie zu diskreditieren versuchte. Wie ein Vater war er zu Marx' Töchtern und erwies ihnen ständig moralische und materielle Hilfe. Marx hat „mir als Vermächtnis die Verpflichtung hinterlassen, seinen Kindern beizustehen, wie er selbst es getan hätte, und darauf zu achten, soweit es in meinen Kräften steht, daß ihnen kein Unrecht geschieht". (Siehe vorl. Band, S. 607.) Engels ließ seine ganze Fürsorge auch den Veteranen der revolutionären Bewegung - Friedrich Leßner, Johann Philipp Becker, George Julian Harney, Friedrich Adolph Sorge u.a. - zuteil werden. Er korrespondierte ständig mit ihnen (seine zahlreichen Briefe an Harney sind leider nicht erhalten geblieben), beriet mit ihnen die verschiedensten Fragen, informierte sie über den Stand der internationalen Arbeiterbewegung und unterstützte viele von ihnen auch finanziell. Besonders gern nahm er Verbindungen zu der sozialistisch gesinnten Jugend auf, half den jungen Sozialisten mit seinen Ratschlägen, beriet sie in theoretischen Fragen und machte sich mit ihren Arbeiten oft bereits im Manuskript bekannt. Gerade seine Briefe lassen vor unseren Augen die ungewöhnlich anziehende Gestalt von Engels erstehen - den leidenschaftlichen Revolutionär, den überzeugten und
unerschütterlichen Feind von Ausbeutung und Unterdrückung, den bedeutenden Denker, den von tiefem Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse, an den Sieg des Sozialismus durchdrungenen Kämpfer, den zartfühlenden und verständnisvollen Freund, den Menschen voll unerschöpflicher Lebensenergie und Optimismus.
*
Dieses Vorwort folgt im wesentlichen dem Vorwort zum Band 36 der zweiten russischen Ausgabe. 369 Briefe des vorliegenden Bandes werden nach den Photokopien der Handschriften gebracht. Ein sorgfältiger Vergleich mit diesen Unterlagen ermöglichte es, in einer Reihe von Fällen Entzifferungsfehler früherer Ausgaben zu berichtigen. Als Beispiele seien genannt: „sicher", bisher „früher" (S. 158); „Monate", bisher „Momente" (S. 161); „geschichtliche Argumente", bisher „geschäftliche Argumente" (S.250); „Ländern älterer industrieller Entwicklung", bisher „Ländern anderer industrieller Entwicklung" (S.252); „in den Sumpf", bisher „in den Kampf" (S.293); „die echten Vertreter", bisher „die ersten Vertreter" (S. 508); „die Russen ... sind... in der Verteidigung des eigenen Landes stark", bisher „die Russen... sind... in der Verteidigung des eigenen Landes schwach" (S. 525). Die beim Vergleich mit den Photokopien der Handschriften festgestellten Auslassungen einzelner Worte oder Satzteile wurden wieder eingefügt, zum Beispiel: „seine beiden letzten und stärksten Hebel", bisher „seine beiden und letzten Hebel" (S. 158); „von der Bühne", bisher fehlte diese Stelle (S.214); „Ost- und Westpreußen", bisher „Ostpreußen" (S.251/252); „ökonomischen Überlegenheit", bisher „Überlegenheit" (S.260); „zustande käme durch Eure Stimmen! und ohne Gegenleistung", bisher „zustande käme durch Eure Stimmen/" (S.262); „Daneben ist denn auch..." bis „nötig haben", bisher fehlten diese beiden Absätze (S.446). Eine Reihe von Stellen waren von fremder Hand verändert, sie wurden wieder richtiggestellt. Als Beispiele seien genannt: „Lehmanns", bisher „des Kaisers" (S. 158); „Revolution", bisher „soziale Umwälzung" (S.251); „Bedingungen der bevorstehenden Revolution", bisher „Bedingungen der kommenden Umwälzung" (S.252). Von 23 Briefen liegen uns nur die Photokopien der Entwürfe vor, über den Verbleib der Briefe selbst sind wir nicht unterrichtet. Wir weisen diese Fälle im Kopf der Texte aus. Alle in den Entwürfen gestrichenen Wörter, Satzteile und Sätze wurden gewissenhaft überprüft. Soweit sie im Vergleich
IIa Mars/Engels,Werke,Bd.36
i I
mit dem übrigen Text des Entwurfs mehr oder anderes aussagen, werden sie in Fußnoten wiedergegeben. Von 13 Briefen besitzen wir keine Handschriften. Sie werden nach Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern gebracht. Die jeweiligen Redaktionsunterlagen werden im Fuß des Briefes vermerkt. Für die Zusendung von Photokopien der Handschriften von zwei Briefen (S. 193 und S.242-245) sprechen wir der „Societe l'Histoire Vivante", Chäteau de Montreau (Parc Daniel Renoult), Montreuil (Seine) unseren Dank aus. 99 Briefe sind in der Handschrift englisch, 40 französisch, 10 italienisch. Sie wurden ins Deutsche übersetzt, bereits vorliegende Übersetzungen neu überprüft. Für die Wortwahl bei Übersetzungen wurden entsprechende deutschsprachige Texte aus Briefen und Werken von Engels zum Vergleich herangezogen. Alle eingestreuten Wörter aus anderen Sprachen blieben in der Originalfassung. Sie werden in Fußnoten erklärt. Die von Engels angeführten Zitate wurden - soweit die Quellen zugänglich waren - überprüft, fremdsprachige Zitate in Fußnoten übersetzt. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, modernisiert. Der Lautstand und die Silbenzahl in den deutschsprachigen Briefen wurden nicht verändert. Allgemein übliche Abkürzungen wurden beibehalten. Alle anderen in der Handschrift abgekürzten Wörter wurden ausgeschrieben, wobei die Ergänzung von Namen und Zeitungstiteln sowie von solchen abgekürzten Wörtern, die nicht völlig eindeutig sind, durch eckige Klammern kenntlich gemacht wird. Alle Wörter und Satzteile in eckigen Klammern stammen von der Redaktion. Offensichtliche Schreibund Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert; in allen anderen Fällen wird in Fußnoten die Schreibweise der Handschrift angegeben. Pseudonyme sowie Bei- und Spitznamen sind entweder durch Fußnoten oder durch Verweise im Personenverzeichnis erklärt. Zur Erläuterung wurden dem Band Anmerkungen beigefügt, auf die im Text durch hochgestellte Ziffern in eckigen Klammern hingewiesen wird. Sie sollen sowohl Verbindungen zu den Arbeiten von Marx und Engels herstellen (vor allem zu den 1883-1887 entstandenen Werken von Engels, die im Band 21 unserer Ausgabe veröffentlicht sind, und den von Engels nach Marx* Tode in der gleichen Zeit besorgten Übersetzungen oder Neuauflagen von Marx' Schriften), als auch Daten aus dem Leben und der Tätigkeit von Engels vermitteln, Erläuterungen zu einzelnen Fakten und Personen geben und einiges zum Charakter der Briefverbindungen aussagen. Unser Prinzip war hierbei, Quellen auszunutzen, die nicht jedem Leser ohne weiteres zur
Verfügung stehen, z.B. zeitgenössische Publikationen, Briefe dritter Personen an Engels usw. In einzelnen Fällen wurden wir hierbei durch Fachwissenschaftler der Deutschen Demokratischen Republik oder aus dem Ausland unterstützt, denen wir an dieser Stelle unseren Dank sagen. In vielen Anmerkungen werden Auszüge aus Briefen von Arbeiterführern zitiert und hierdurch zum Teil erstmalig einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht. Als Grundlage dienten hierbei sowohl die dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED zur Verfügung stehenden Photokopien der Handschriften dieser Briefe, die großenteils vom Institut für Marxismus-Leninimus beim ZK der KPdSU freundlicherweise überlassen wurden, als auch in Einzelfällen die einschlägigen Publikationen, vor allem die des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte zu Amsterdam. Ferner enthält der Band ein Literaturverzeichnis, ein Personenverzeichnis, ein Verzeichnis literarischer und mythologischer Namen und eine Aufstellung der Briefe, deren Datierung gegenüber früheren Ausgaben auf Grund neuer Erkenntnisse verändert wurde.
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED

FRIEDRICH ENGELS
Briefe
April 1883-Dezember 1887

1883
1
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris
London, den 2. April 83
Mein lieber Lawrow, Ich beeile mich, Ihnen den Empfang Ihres Briefes mit der Anweisung von fr. 124,50 zu bestätigen. Ich werde das Geld erst frühestens Mittwoch abheben können, weil ich morgen die von Marx {unterlassenen Manuskripte prüfen muß. Wenn der Auftrag ausgeführt ist, werde ich dies im „Sozialdemokrat]" in Zürich bekanntgeben und die Redaktion bitten, Ihnen einige Exemplare dieser Nummer zuzuschicken. Selbstverständlich wird der Name des Bürgers Krantz nicht erwähnt werden.111 Ich habe das Manuskript der „Zirkulation des Kapitals"1 und des 3. Buches „Die Gestaltungen des Gesamtprozesses"2 gefunden - ungefähr 1000 Seiten in Folio.121 Es ist unmöglich, schon jetzt zu sagen, ob das Manuskript in seinem gegenwärtigen Zustand in Druck gehen kann. Auf alle Fälle werde ich es abschreiben müssen, denn es ist ein erster Entwurf. Morgen werde ich endlich Zeit haben, einige Stunden der Durchsicht aller Ms. zu widmen, die der Mohr uns hinterlassen hat. Es handelt sich vor allem um einen Abriß über Dialektik, den er schon immer ausführen wollte. Er hat uns aber stets den Stand seiner Arbeiten verheimlicht; er wußte, hätte man erst in Erfahrung gebracht, was er fertig hatte, so wäre er so lange gedrängt worden, bis er sein Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben hätte. Das alles unter uns, ich habe nicht das Recht, ohne Tussy, die meine literarische Mit-Exekutorin ist, etwas zu veröffentlichen. Wir waren alle freudig überrascht von der Nachricht, daß unser tapferer Lopatin - tapfer bis zur Torheit - glücklich wieder in die Freiheit
1 In der Handschrift deutsch: „Zirkulation des Kapitals" - 3 in der Handschrift deutsch: „Die Gestaltungen des Gesamtprozesses"
zurückgekehrt ist.131 Hoffentlich hat er, der die Tapferkeit bewahrt hat, die Torheit in Rußland zurückgelassen. Ich hoffe, ihn dieser Tage hier zu sehen. Grüßen Sie ihn herzlich von mir. Freundschaftlichst Ihr F. Engels
Aus dem Französischen.
2
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 1 I.April 1883
Meine liebe Laura, Ich bin natürlich wie Du der Meinung, daß Paul seine Mutter besuchen muß, und habe ihm das schon wiederholt und seit Jahren gesagt. Was die Extra-Ausgaben betrifft, so können sie nicht hoch sein, und ich kann sie schnell für Euch auftreiben, wenn ich rechtzeitig Bescheid bekomme. Allerdings wird Paul, falls die Dinge so sind, wie Du schreibst, sehr diplomatisch vorgehen müssen, wenn er sich nicht selbst schaden will; man darf sich diese christliche barmherzige Schwester141 nicht zum Feind machen: sie ist ständig dort und Paul nicht, und wenn ihr Argwohn erst einmal geweckt ist, wird sie sicher nicht eher ruhen, bis sie die alte Frau zu einem Testament bewogen hat, das in der Wahrnehmung ihrer Vorteile bis zum Äußersten des gesetzlich Erlaubten geht. Damit glaube ich, ist dieser Punkt erledigt - Du wirst Dich um seine Durchführung kümmern müssen. Wir haben alle herzlich gelacht, als wir Deine Erzählung über die Abenteuer von Argenteuil'5' lasen. Das sieht ihm1 ähnlich, von Anfang bis Ende! Heute vor einer Woche schickte ihm Tussy einen sehr kategorischen Brief: wann wird de,' Junge2 kommen? Keine Antwort. II est toujours en train de reflechir.3 Paul wird mindestens sechs Monate bekommen.*61 Als er hier war, graute ihm sehr davor, und er amüsierte Liebknecht außerordentlich mit seinem horror carceris4. Aber wenn er jetzt nicht ernstlich anfängt, Deutsch zu lernen, werde ich ihn als nichts anderes, denn als ein enfant gäte® betrachten. Stell Dir vor", er schreibt mir, daß er es lernen will - „comme vous le dites tres bien (!) il pourra (!) devenir necessaire que je le sache pour des traductions"6! Als ob die Vervollkommnung seiner eigenen Kenntnisse, so glänzend sie auch sein mögen, nicht gänzlich von der Lektüre
1 Charles Longuet - 2 Jean-Laurent-Frederick Longuet - 3 Er überlegt immer noch. 4 Grauen vor dem Gefängnis - 6 verzogenes Kind - 6 „wie Sie sehr richtig (!) sagten, könnte (!) die Notwendigkeit eintreten, daß ich es für Ubersetzungen brauche"
bestimmter deutscher veröffentlichter und unveröffentlichter Texte abhinge! Er freut sich über die bevorstehende Veröffentlichung des zweiten Bandes des „Kapitals"121, aber wird er überhaupt in der Lage sein, ihn zu lesen? Wenn Madame Gendre7 das „Manifest"8 ins Französische übersetzt und mir die Übersetzung zur Durchsicht gibt (Du weißt, das ist kein Kinderspiel), werde ich ihr ein entsprechendes Vorwort schreiben, das die historischen Umstände usw. erklärt. Aber da ich kaum etwas über diese Dame weiß, bin ich im Augenblick gezwungen, zu Durchsicht und Vorwort nein zu sagen. Ein Recht, irgendwelche Schritte ihrerseits in dieser Richtung zu unterbinden, habe ich nicht. Das geht notabene Paul an. Ebenso folgendes: ich weiß weder, über welche Rede Giffens er schreibt, noch wo sie veröffentlicht war. Pumps ist immer noch „guter Hoffnung", oder war es zumindest noch gestern abend. Percys Mutter sagte ihm neulich, daß er in solch einem Falle wirklich ein bißchen besser informiert sein sollte. Jollymeier ist für ein paar Tage hier. Seitdem (sowie einige Tage vor Antritt seiner Reise vor 10 Tagen) spaziert jeden Abend ein Polizist vor dem Haus auf und ab, wenn ich Carlo gegen 12 Uhr herauslasse. Diese Narren glauben offenbar, daß wir Dynamit herstellen, während wir uns in Wirklichkeit über Whisky unterhalten. Herzliche Grüße von ihm und mir an Euch beide.
In Zuneigung Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
' Warwara Nikolajewna Nikitina - 8 „Manifest der Kommunistischen Partei"
3
Engels an Ferdinand Domela Nieuwenhuis
in Den Haag
London, 122, Regent's Park Road N.W., 1 I.April 1883
Geehrter Parteigenosse, Sie begreifen, daß ich seit dem Tode meines alten Freundes mit Korrespondenz, Geschäftssachen, Durchsicht des literarischen Nachlasses etc. so viel zu tun hatte, daß ich nur das Allerdringlichste besorgen konnte. Heute endlich finde ich ein paar Minuten, Ihnen für Ihren sympathischen Brief und für Ihren vortrefflichen Nachruf in „Recht voor Allen" zu danken.'71 Dieser Nachruf war unbedingt einer der besten, die wir gesehn, das war einstimmiges Urteil hier im intimen Kreise. Herzlichen Dank auch im Namen der hinterbliebenen Töchter und in meinem eignen der holländischen Arbeiterpartei'81 für ihre, wenigstens geistige Beteiligung an den letzten Ehren unsres Freundes. Sie hat sich dort zusammengetroffen mit den deutschen, französischen, spanischen, russischen und amerikanischen Parteigenossen. Sollte mich das Schicksal oder die uns leider sehr beschnittene Reiselust nach Holland führen, so werde ich es mir zur Pflicht anrechnen, Sie aufzusuchen, wie ich es mir ausbitte, daß Sie mich hier aufsuchen, falls Sie nach England kommen. Marx hat ein dickes Manuskript für den zweiten Teil des „Kapitals"'21 hinterlassen, das ich erst ganz durchlesen muß (und in welcher Handschrift!), ehe ich sagen kann, wieweit es druckfähig ist und wieweit es aus späteren Heften ergänzt werden muß. Jedenfalls ist die Hauptsache da. Da ich aber noch nichts Bestimmteres sagen kann, bitte ich Sie, vorläufig hierüber nichts in die Presse zu bringen, es könnte nur zu Mißverständnissen führen. Außerdem ist M[arx']s jüngste Tochter Eleanor meine literarische Mit-Exekutorin, und kann ich ohne sie nichts tun, und Damen, wie Sie wissen, halten auf die Form.
Entschuldigen Sie, dat ik niet op hollandsch schrijf, ich habe in den letzten Jahren keine Übung mehr in Ihrer Sprache gehabt. Aufrichtigst Ihr F. Engels
Meine Photographie liegt bei, ich bitte um die Ihrige. Sobald wir neue von M[arx] bekommen, schicke ich Ihnen eine.
4
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 14. April 83
Lieber Herr Bernstein, Dr. Aveling, Redakteur von „Progress", schrieb an den „Republican", um den Holzschnittblock zu kaufen von dem darin erschienenen Porträt von Marx191. Antwort: That block has been sent to Germany for the „Sozialdemokrat", so it is impossible for you to have it.1 Afveling] ersucht mich jetzt, sofort zu schreiben, ob er nicht den Block baldigst haben kann. Wenn nicht, dann vielleicht ein Cliche davon. Vielleicht liegt auch ein Mißverständnis vor, und der Block ist an „Neue Welt" gegangen. Bitte, unterrichten Sie mich per Postkarte umgehend.'101 Kongreßbericht sehr erfreulich.'111 Eiligst Ihr F.E.
Der 2.Band des „Kapital"'21 ist da - aber in welchem Zustand, kann ich nicht sagen, 1000 Seiten Ms. durchzulesen. Setzen Sie aber noch nichts ins Blatt; sobald ich etwas Gewisses sagen kann, schicke ich Ihnen Authentisches.
1 Dieser Block wurde nach Deutschland an den „Sozialdemokrat" gesandt, so daß Sie ihn nicht bekommen können.
5
Engels an James Knowles in London'121 (Entwurf)
Werter Herr, [London] 17./4./83 Unter den Papieren des verstorbenen Dr. Marx existiert ein von mir geschriebenes Manuskript eines kritischen resumes über „Das Kapital"1, das wir aber bis heute in der Masse der von ihm hinterlassenen Papiere nicht finden konnten. Aber selbst wenn es gefunden wird, würde ich zögern, es Ihnen zuzusenden, zumindest zu dem von Ihnen angedeuteten Zweck. Mir ist nicht bekannt, daß es in der Literatur dieses oder irgendeines anderen Landes üblich ist, daß ein Autor seine Manuskripte einem anderen ausleiht. Unsere Erfahrung mit englischen Rezensenten war nicht sehr ermutigend. Mit Ausnahme einiger Geistlicher der Anglikanischen Kirche haben sie unsere Ansichten ständig entstellt und unsere Aktionen falsch ausgelegt. Ihre völlige Unkenntnis unserer Theorie und Praxis findet ihresgleichen nur in ihrem Dünkel. „The Nineteenth Century" brachte im Juli 1878, glaube ich, einen Artikel von George Howell über die Internationale, vollgepfropft mit Unwahrheiten und Ungenauigkeiten. Marx sandte Ihnen eine Erwiderung2, aber Sie weigerten sich, sie zu bringen. Ich fürchte, wenn Sie sich mit Marx' Ansichten bekannt machen wollen, werden Sie „Das Kapital" in der deutschen, russischen oder französischen Ausgabe lesen müssen. Ich kenne nur einen Engländer, der fähig wäre, den Inhalt des „Kapitals" korrekt wiederzugeben. Das ist ein Advokat in Manchester3. Wenn Sie wünschen, werde ich ihn gern fragen, ob er bereit ist, die Aufgabe für Sie zu übernehmen. T1 , Ihr ergebner Ja[me]s Knowles Esq. The Hollies, Clapham Common S.W.
Aus dem Englischen.
1 „Konspekt über ,Das Kapital' von Karl Marx. Erster Band" - 2 „Herrn George Howells Geschichte der Internationalen Arbeiterassoziation" - 3 Samuel Moore
6
Engels an Philip Van Patten in New York1131 (Entwurf)
London, 18. April 1883
Philip Van Patten
57,2nd Av. N.York
Werte Genossen, Meine Antwort auf Ihre Anfrage vom 2. April1141 wegen Karl Marx' Stellung zu den Anarchisten im allgemeinen und Johann Most im besonderen soll kurz und klar sein: Marx und ich haben, seit 1845, die Ansicht gehabt, daß eine der schließlichen Folgen der künftigen proletarischen Revolution sein wird die allmähliche Auflösung und endlich das Verschwinden der mit dem Namen Staat bezeichneten politischen Organisation, einer Organisation, deren Hauptzweck von jeher war, durch bewaffnete Gewalt, die ökonomische Unterdrückung der arbeitenden Mehrzahl durch die begüterte Minderzahl sicherzustellen. Mit dem Verschwinden einer begüterten Minderzahl verschwindet auch die Notwendigkeit einer bewaffneten Unterdrückungsoder Staatsgewalt. Gleichzeitig war es immer unsere Ansicht, daß, um zu diesem und den anderen weit wichtigeren Zielen der künftigen sozialen Revolution zu gelangen, die Arbeiterklasse zuerst die organisierte politische Gewalt des Staates in Besitz nehmen und mit ihrer Hilfe den Widerstand der Kapitalistenklasse niederstampfen und die Gesellschaft neu organisieren muß. Dies wurde bereits festgestellt 1847 im „Kommunistischen Manifest", Kapitel II, Schluß. Die Anarchisten stellen die Sache auf den Kopf. Sie erklären, die proletarische Revolution müsse damit anfangen, daß sie die politische Organisation des Staates abschafft. Aber die einzige Organisation, die das siegende Proletariat fertig vorfindet, ist eben der Staat. Er mag der Änderung bedürfen, ehe er seine neuen Funktionen erfüllen kann. Aber ihn in einem solchen Augenblick zerstören, das hieße, den einzigen Organismus zerstören, vermittelst dessen das siegende Proletariat seine eben eroberte Macht geltend machen, seine kapitalistischen Gegner niederhalten und diejenige ökonomische Revolution der Gesellschaft durchsetzen kann,
ohne die der ganze Sieg enden müßte in einer Niederlage und in einer Massenabschlachtung der Arbeiterklasse, ähnlich derjenigen nach der Pariser Kommune. Braucht es meine ausdrückliche Versicherung, daß Marx diesem anarchistischen Blödsinn entgegentrat seit dem ersten Tag, wo er in seiner jetzigen Gestalt von Bakunin vorgebracht wurde? Die ganze innere Geschichte der Internationalen Arbeiterassoziation bezeugt es. Seit 1867 versuchten die Anarchisten, mit den infamsten Mitteln, die Führung der Internationale zu erobern; das Haupthindernis in ihrem Wege war Marx. Das Ergebnis des fünfjährigen Kampfes war, auf dem Haager Kongreß, Sept. 1872, die Ausstoßung der Anarchisten aus der Internationale; und der Mann, der am meisten tat, diese Ausstoßung durchzusetzen, war Marx. Unser alter Freund, F.A.Sorge in Hoboken, der als Delegierter zugegen war, kann Ihnen, wenn Sie es wünschen, nähere Einzelheiten mitteilen. Und nun zu Johann Most. Wenn irgend jemand behauptet, daß Most, seit er Anarchist geworden, mit Marx in irgendwelcher Beziehung gestanden oder irgendwelche Beihilfe von Marx erhalten habe, der ist entweder betrogen oder ein Lügner mit Vorbedacht. Nach dem Erscheinen der ersten Nr. der Londoner „Freiheit" hat Most Marx und mich nicht mehr als einmal, höchstens zweimal besucht. Ebensowenig gingen wir zu ihm - wir haben ihn nicht einmal irgendwie oder irgendwann zufällig getroffen, seit sein neu ausgeklügelter Anarchismus in dem Blatt aufgetaucht war. Tatsächlich haben wir es zuletzt sogar nicht mehr abonniert, weil „auch gar nichts darin stand". Für seinen Anarchismus und seine anarchistische Taktik hatten wir dieselbe Verachtung wie für die Leute, von denen er beides gelernt hatte. Als er noch in Deutschland war, veröffentlichte Most einen „populären" Auszug aus ,J)as Kapital". Marx wurde ersucht, ihn für eine zweite Auflage durchzusehen. Ich tat diese Arbeit gemeinsam mit Marx. Wir fanden, daß es unmöglich war, mehr als die allerschlimmsten Böcke von Most auszumerzen, wollten wir nicht das ganze Ding von Anfang bis Ende neu schreiben. Marx erlaubte auch bloß, daß seine Verbesserungen hineingesetzt würden auf die ausdrückliche Bedingung hin, daß sein Name nie in irgendeine Verbindung gebracht würde mit eben dieser verbesserten Ausgabe von Johann Mösts Produktion. Sie können diesen Brief in „The Voice of the People" veröffentlichen, wenn es Ihnen so beliebt. Brüderlich Ihr p g Aus dem Englischen.
7
Engels an die Redaktion der „New Yorker Volkszeitung" in New York (Entwurf)
[London] 18. April 83 122, Regent's Park Road Redaktion der ,,N[ew] Yforker] Volkszeitung" In Ihrer Nr. vom 15.1 lassen Sie meine Depesche an Sorge2 als an Sie gerichtet abdrucken. In der Nr. vom 17. lassen Sie mich Ihnen telegraphieren, Marx sei in Argenteuil gestorben.115' Wir sind hier nicht gewohnt, uns solche Freiheiten mit dem Namen andrer Leute zu erlauben oder zuzugeben, daß uns dergleichen zugefügt wird. Sie machen es mir damit unmöglich, Ihnen fernerhin Mitteilungen zu machen. Sollte je wieder in Ihrem Blatt ähnlicher Mißbrauch mit meinem Namen getrieben werden, so würden Sie mich zwingen, meinen alten Freund Sorge zu bitten, dies für direkte Fälschung Ihrerseits zu erklären. Ergebenst F.E.
1 15. März - 2 Friedrich Adolph Sorge
8
Engels an James Knowles in London1161 (Entwurf)
[London] 20./4./83
Werter Herr, Wenn wir das fragliche Ms.1 finden, werde ich Ihnen gern das Vorrecht der Veröffentlichung überlassen, jedoch unter zwei Bedingungen, die sich von selbst verstehen, die ich aber erwähnen möchte: 1. falls Sie das Vorrecht erhalten, dürfen Sie es keinem andern übertragen, und 2. falls Sie es drucken, muß es als gesonderter Artikel in keinem Zusammenhang mit anderen Artikeln erscheinen. Ihr ergebener F.E.
Gestatten Sie mir zu bemerken, daß ich kein „Dr.", sondern Baumwollfabrikant im Ruhestand bin.
Aus dem Englischen.
1 Friedrich Engels: „Konspekt über ,Das Kapital' von Karl Marx. Erster Band"
9
Engels an Eduard Bernstein in Zürich1171
Hiermit gleichzeitig die Korrektur.'181 Ihren Brief erhalten, beantworte ihn diese Woche mit einem Artikel von wegen Marx für „Sfozialdemokrat]".1191 Ich habe noch allerlei abzuwickeln, ehe ich denselben definitiv abschließen kann. Das Stückchen vom bösen E[ngels], der den guten M[arx] verführt hat, spielt seit 1844 unzählige Male abwechselnd mit dem andern Stückchen von Ahriman-M[arx], der den Ormuzd-E[ngels] vom Wege der Tugend abgebracht. Jetzt werden den Herren Parisern doch endlich die Augen aufgehn.'201 Ihr F.E. [London] 23./4./83
10
Engels an Friedrich Adolph Sorge in Hoboken
London, 24. April 83
Lieber Sorge, Inl. ein paar Zeilen für Hartmann von seinem Freund Brocher, einem konfusen Anarchisten, aber kreuzbraven Kerl. Sei so gut, sie zu besorgen. Die „Volksztg." hat Dummheiten genug gemacht, indes noch nicht so viele, als ich erwartete. Dabei haben sie alle ihr Teil geleistet, Schewitsch, Cuno, Douai, Hepner. Es war ein Quartett des Besserwissenwollens von Leuten, die verdammt wenig wußten, jointly and severally1. Indes habe ich mich doch veranlaßt gefühlt, der Redaktion ein paar Zeilen zu schreiben2: sie hätten meine Depesche an Dich als an sie gerichtet abgedruckt, und mir in die zweite an sie hineingefälscht, M[arx] sei in Argenteuil gestorben1151. So was ließen wir uns hier nicht gefallen; sie hätten mir es dadurch unmöglich gemacht, ihnen fernerhin Mitteilungen zu machen, und falls sie sich wieder solchen Mißbrauch meines Namens erlaubten, würden sie mich dadurch zwingen, Dich zu bitten, das Ganze sofort öffentlich für Fälschung ihrerseits zu erklären. Die Herren sollen ihren Yankee-Humbug unter sich betreiben. Übrigens sind die Amerikaner weit anständiger: nach der „V[olkszeitung]" war ein Telegramm an mich abgeschickt, was ich nie erhielt und fast glaubte, die Herren von der ,,V[olkszeitung]" hätten das Geld selbst eingesteckt.'211 Jetzt schreibt Van Patten, daß überhaupt kein Geld vorhanden gewesen. Das bin ich nun gezwungen, hier zu veröffentlichen, sonst heißt es, ich hätte gegenüber der Pariser Presse und dem „Sfozialdemokrat]" das Telegramm unterschlagen. Die Antwort wegen Most, die ich dem V[an] Pfatten] auf seine Anfrage geschickt3, wird er wohl schon vor Ankunft dieses veröffentlicht haben. Auf dem Kopenhagner Kongreß'221 ist die Reise von Liebk[necht] und Bebel nach Amerika für nächstes Frühjahr beschlossen worden'231. Es handelt sich um Geld für die Wahlkampagne 84/85. (Dies alles unter uns.) Liebknecht] hat Tussy vorgeschlagen, sie solle als sein Sekretär
1 zusammen und einzeln - 2 siehe vorl. Band, S. 13 — 3 siehe vorl. Band, S. 11/12
Friedrich Engels
(1888)

mitgehn, und sie hat große Lust dazu; da könnte es sich leicht treffen, daß Du sie bald dort sähest. Pläne haben wir überhaupt noch nicht gemacht. Die literarische Arbeit (III.Auflage, I. Bd. „Kapital", Herausgabe des II. Bandes'21, dessen Ms. gefunden, aber noch unbekannt, wieweit druckfertig und ergänzungsbedürftig, Biographie4 auf Grund der massenhaften Korrespondenz etc.) absorbiert alle freie Zeit, und dabei hat T[ussy] eine Masse literarischer Engagements abzuwickeln. Du hast natürlich das vollkommne Recht, aus M[arx']s Briefen die Stellen über H.George abdrucken zu lassen. Es ist aber die Frage, ob es nicht besser wäre zu warten, bis ich Dir die Randglossen von Mfarx] im Ex. von Georges Buch ordnen kann und dann alles zusammen zu tun.'241 Theoretisch-scharfe, aber kurze, unexemplifizierte Resümees, wie Mfarx] sie gibt, sind dem Alltagsamerikaner doch noch zu hoch, und es eilt ja nicht. Sowie ich Zeit habe, seh' ich die Sachen näher an. Willst Du mir inzwischen die betr. Stelle aus M[arx*]s Brief abschriftlich mitteilen, so wird das die Arbeit vereinfachen. Broschüre hiermit. Ich habe selbst erst ein paar Ex. erhalten, 2. Auflage in der Presse.'181 Kann Weydem[eyer] jetzt EnglischP'251 Seine früheren Übersetzungen waren grammatikalisch und stilistisch absolut undruckbar, hätten uns schauerlich blamiert und die Verfasser mit lächerlich gemacht. Jedenfalls möchte ich Probe sehn. Dein F.E.
4 von Marx
2 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
11
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 28. April 83
Lieber Bernstein, (Ich denke, wir werfen den langweiligen „Herrn" beiseite.) Die Fortsetzung des hierbei folgenden wird einige Korrespondenz enthalten, u.a. mit Amerikanern wegen Most1. Daß Sie nicht via London zurückgekommen1261, ist unverzeihlich, ich hatte fest darauf gerechnet. Nun, vielleicht kommen Sie mal im Sommer, da schwimmen wir in der See zusammen. Ein Bett bei mir ist Ihnen immer gesichert. Mayall, der erste Photograph von London, der immer für Marx gearbeitet, hat das Prinzip: we do not take money from eminent people2. Da können wir jetzt den Mann nicht wegen Abzügen drängen (er ist sehr unordentlich), außer auf Umwegen. Wir haben ihm also angeblich für einen deutschen Buchhändler eine Ordre gegeben auf 1000 Cartes de visite (£ 12 = M. 240 = 24 d. per Stück) und 200 cabinet portraits (3/4 Figur) ä £ 8 = M. 160 = 80 d. das Stück. Es ist die letzte, beste Aufnahme, wo der Mohr ganz in seiner heitern, siegsgewissen olympischen Ruhe erscheint. Ich offeriere sie Ihnen, Liebknecht und Sorge in New York nach Abzug dessen, was wir selbst brauchen. Wieviel wollen Sie? es ist gar nicht nötig, sie gleich alle abzusetzen. Sie werden jedenfalls besser, als was dort gemacht wird. Ihr F.E.
1 Siehe vorl. Band, S. 11/12 - 2 von berühmten Leuten nehmen wir kein Geld
12
Engels an Achille Loria in Mantua1271 (Entwarf)
[London, Ende April 1883]
Prof. Achille Loria. Sehr geehrter Herr, Ich habe Ihr Schriftchen über Karl Marx erhalten. Es steht Ihnen frei, seine Lehren Ihrer allerschärfsten Kritik zu unterwerfen und sie sogar mißzuverstehen; es steht Ihnen frei, eine Biographie von Marx zu entwerfen, die ein reines Phantasiestück ist. Was Ihnen aber nicht freisteht und was ich nie irgendwem erlauben werde, das ist, den Charakter meines toten Freundes zu verleumden. Schon in einem früheren Werk hatten Sie sich herausgenommen, Marx anzuklagen, er habe absichtlich falsch zitiert. Als Marx dies gelesen, verglich er seine und Ihre Zitate mit den Originalen und sagte mir, seine Zitate seien richtig, und wenn hier jemand absichtlich falsch zitiere, so seien Sie es. Und wenn ich sehe, wie Sie jetzt Marx zitieren, wie Sie die Schamlosigkeit haben, Marx von Profit sprechen zu lassen, da, wo er von Mehrwert1 spricht - wo er sich doch wiederholt gegen den Irrtum verwahrt, daß beides dasselbe sei - (was übrigens Herr Moore und ich selbst Ihnen bereits hier in London mündlich auseinandersetzten), so weiß ich, wem ich zu glauben habe und wo absichtlich falsch zitiert wird. Aber das ist nur eine Lappalie, verglichen mit Ihrer „festen und tiefen Überzeugung..., daß sie alle" (die Lehren von Marx) „beherrscht sind von einem bewußten Sophisma", S. 510; daß Marx „sich nicht aufhalten ließ durch falsche Schlüsse, wohl wissend, daß sie falsch waren"; daß „er oftmals ein Sophist war, der auf Kosten der Wahrheit bei der Negation der bestehenden Gesellschaft ankommen wollte", und daß, wie Lamartine sagt, „il jouait avec les mensonges et les verites comme les enfants avec les osselets"2.1281 In Italien, das ein Land antiker Zivilisation ist, kann das vielleicht für ein Kompliment gelten. Auch unter den Kathedersozialisten1291 gilt so
1 In der Handschrift deutsch: Mehrwert - 2 „er mit Lügen und Wahrheiten spielte wie Kinder mit Knöcheln"
2*
20 12 • Engels an Achille Loria • Ende April 1883
etwas möglicherweise für ein großes Lob, da ja diese braven Professoren ihre zahllosen Systeme nie anders hätten zuwege bringen können, als „auf Kosten der Wahrheit". Wir revolutionäre Kommunisten sehen die Sache anders an. Wir betrachten solche Behauptungen als infamierende Anklagen, und da wir wissen, daß sie erlogen sind, schleudern wir sie zurück auf ihren Urheber, der, selbst und allein, sich infamiert hat durch solche Erfindungen. Mir scheint, es sei Ihre Pflicht gewesen, dem Publikum mitzuteilen, worin denn dieses berühmte „bewußte Sophisma" eigentlich besteht, das alle Lehren von Marx beherrscht. Aber ich suche es vergebens! Nagott!3 Welche Zwergseele gehört dazu, sich einzubilden, ein Mann wie Marx habe „seinen Gegnern immer" mit einem zweiten Bande „gedroht", den zu schreiben „ihm auch nicht für einen Augenblick einfiel"; daß dieser zweite Band nichts sei als „ein pfiffiges Auskunftsmittel von Marx, womit er wissenschaftlichen Argumenten aus dem Wege ging". Dieser zweite Band121 liegt vor und wird in kurzem veröffentlicht, und dann werden Sie vielleicht auch endlich den Unterschied zwischen Mehrwert4 und Profit begreifen lernen. Ich habe die Ehre, Sie zu grüßen mit allen den Gefühlen, die Sie verdienen. F.E.
Eine deutsche Übersetzung dieses Briefes wird in der nächsten Nummer des Züricher „Sozialdemokrat" erscheinen.1191
Aus dem Italienischen.
8 Nichts! (neapolitanisch) - 4 in der Handschrift deutsch: Mehrwert
13
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig'301
London, 30. April 83
Lieber Bebel, Deine Frage, ob ich nach Deutschland oder der Schweiz oder sonstwohin auf dem Kontinent übersiedeln würde, beantwortet sich einfach dahin, daß ich in kein Land gehe, wo man ausgewiesen werden kann. Davor ist man aber nur sicher in England und Amerika. Nach letzterem Land geh' ich höchstens auf Besuch, wenn ich nicht muß. Also bleibe ich hier.'311 Dazu hat England aber noch einen andern großen Vorzug. Seit dem Ende der Internationale ist hier absolut keine Arbeiterbewegung außer als Schwanz der Bourgeoisie, Radikalen und für kleine Zwecke innerhalb des Kapitalverhältnisses. Also hier allein hat man Ruhe für theoretisches Weiterarbeiten. Überall anderswo hätte man sich an der praktischen Agitation beteiligen müssen und enorm Zeit verloren. In der praktischen Agitation hätte ich nicht mehr geleistet als irgendein andrer; in den theoretischen Arbeiten sehe ich bis jetzt noch nicht, wer mich und M[arx] ersetzen soll. Was die Jüngeren darin versucht haben, ist wenig, meist sogar weniger als nichts wert. Kautsky, der einzige, der fleißig studiert, muß schreiben, um zu leben, und kann schon deshalb nichts leisten. Und jetzt, im 63. Jahr, mit dem Puckel voll eigner Arbeit und der Aussicht auf 1 Jahr Arbeit am II.Band des „Kapitals" und auf ein zweites Jahr für Marx' Biographie nebst Geschichte der deutschen sozialistischen Bewegung von 43 bis 63 und der Internationale von 64-72, müßte ich verrückt sein, wenn ich mein ruhiges Asyl hier vertauschte mit Orten, wo man an Versammlungen und am Journalkampf sich beteiligen müßte und schon damit den klaren Blick sich notwendig trübte. Ja, wenn es wieder wäre wie 48 und 49, da stieg ich auch wieder zu Pferd, wenn's sein muß. Aber jetzt strenge Teilung der Arbeit. Sogar vom „Sozialdemokrat]" muß ich mich möglichst zurückziehn. Denk nur an die ungeheure, früher zwischen M[arx] und mir geteilte Korrespondenz, die ich seit über einem Jahr allein zu führen habe. Denn die vielen Fäden aus allen Ländern, die in M[arx']s
Studierzimmer freiwillig zusammenliefen, wollen wir doch ungebrochen erhalten, soweit es in meinen Kräften steht. Wegen Denkmal für M[arx] weiß ich nicht, was geschehn soll.'32' Die Familie ist dagegen. Der einfache Grabstein, der für seine Frau gemacht und nun auch seinen und seines kleinen Enkels1 Namen trägt, würde entweiht werden in ihren Augen, wenn er durch ein Monument ersetzt würde, das hier in London sich doch kaum unterscheiden lassen würde von den prätentiösen Philisterdenkmalen, die es umgeben. So ein Londoner Kirchhof sieht ganz anders aus als ein deutscher. Da ist Grab an Grab, kein Raum für einen Baum zwischen ihnen, und das Denkmal darf nicht die Breite und Länge des gekauften schmalen Raums überschreiten. Liebknecht sprach von einer Gesamtausgabe der Marxschen Schriften. Alles sehr schön, aber wie mit dem Dietzschen Plan für den II. Band vergessen die Leute, daß der II.Band an Meißner längst verhandelt ist, und daß eine Ausgabe der andern, kleineren Sachen erst doch Meißner ebenfalls angeboten werden müßte, und dann nur im Ausland erscheinen könnte. Schon vor dem Sozialistengesetz1331 hieß es ja immer, selbst das „Kommunistische Manifest" könne nicht in Deutschland gedruckt werden! außer als bei Eurem Prozeß verlesenes Aktenstück1341. Das Manuskript des II.Bandes ist vor 1873, wahrscheinlich schon vor 1870 vollendet. Es ist mit deutschen Lettern geschrieben, seit 1873 benutzte M[arx] nur noch lateinische. Es ist zu spät zum Einschreiben, also muß dieser Brief so gehn, doch versiegle ich ihn mit meinem Siegel. An L[iebknecht] heut abend Brief nach Berlin.1351 Dein F.E.
1 Henri Longuet
14
Engels an Friedrich Adolph Sorge in Hoboken
London, I.Mai 83
Lieber Sorge, Um gute Photographien] von M[arx] zu erhalten, haben wir bei Mayall, dem ersten hiesigen Photographen, der die letzten genommen, von der letzten schönen bestellt: 1000 Cartes de visite £12 also ca. 3 d. das Stück; 200 Cabinet size1, ®/4 Figur, a £ 8 also ca. 9 d. das Stück. Von diesen kannst Du zum Kostpreis welche haben - ich habe sie Liebkn[echt] und Bernstein in Zürich ebenfalls offeriert2. Reicht obige Zahl nicht, so werden wir wohl mehr bekommen können, aber rasche Entscheidung ist nötig. Dein F. Engels
1 Kabinettformat - 2 siehe vorl. Band, S. 18
24 15 • Engels an Wilhelm Liebknecht • 10. Mai 1883
15
Engels ein Wilhelm Liebknecht in Borsdorf bei Leipzig
... , . i, , London, 10. Mai 83 Lieber Liebknecht, Wenn Du so fortfährst, mir mit Deiner Projektenmacherei und unüberlegten Agieren auf eigne Faust unnötige Schreiberei zu machen, so laß ich die Korrespondenz mit Dir sicher wieder einschlafen. Ich hatte Dich damals einfach um Antwort gebeten: was meine rechtliche Stellung zu Wigand sei? Der Kontrakt von 1845 sehe eine 2. Auflage vor, bestimme das dafür zu zahlende Honorar. Frage: 1. bin ick daran jetzt noch gebunden? 2. wenn ja, und wenn W[igand] sich weigert, eine 2. Auflage zu den abgemachten Honorarbedingungen zu drucken, bin ich dann ohne weiteres frei? 1361 Auf diese einfachen Fragen habe ich nie Antwort von Dir bekommen können, und da Du sie mir zu verschaffen versprochen, nenne ich das allerdings „von Dir verbummelt". Nie aber habe ich Dich beauftragt, selbst oder durch einen Dritten in meiner Sache zu verhandeln, und begreife nicht, wie Du dazu kommst, auf eigne Faust und ohne Dich nur zu besinnen, dergleichen jetzt in Gang zu setzen. Ich bitte mir ausdrücklich aus, daß nicht der geringste Schritt geschieht, ich würde sofort an Wigand schreiben und alles desavouieren. Meißner schreibt heute, erwähnt der Heftausgabe1 gär nicht. Der Kontrakt gibt uns kein Recht, uns darin zu mischen. Wenn aber Dietz dem M[eißner] nachweisen kann, daß es sein eigner Vorteil ist, so tut er's wahrscheinlich doch. Adresse von Lafargue 66 Boulevard de Port Royal, Paris (dicht neben Ste-Pelagie, bequem zum Brummen).t6' Photographien] werden in Partien abgeliefert und baldmöglich an Dietz geschickt.2
1 Wahrscheinlich die dritte deutsche Auflage des ersten Bandes des „Kapitals" - 2 siehe vorl. Band, S. 18
16
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig1301
... _ . . London, 10. Mai 83 Lieber Bebel, Daß Du lieber nicht im Reichstag sitzest, glaub' ich Dir gern. Aber Du siehst, was Deine Abwesenheit möglich gemacht hat. Vor Jahren schon schrieb mir Bracke: von uns allen ist es doch nur Bebel, der wirklichen parlamentarischen Takt hat.'371 Und das habe ich immer bestätigt gefunden. Es wird also wohl nicht anders gehn, als daß Du bei erster Gelegenheit Deinen Posten wieder einnimmst, und ich würde mich sehr freuen, wenn Du in Hamburg gewählt und damit von Deinen Zweifeln durch die Notwendigkeit erlöst würdest.'381 Agitatorische und parlamentarische Arbeit werden auf die Dauer sicher sehr langweilig. Es ist damit wie mit dem Annoncieren, Reklamemachen und Herumreisen im Geschäft: der Erfolg tritt nur langsam und für manchen gar nicht ein. Aber es geht nun einmal nicht anders, und wer einmal darin ist, muß das Ding bis zu Ende durchmachen, oder all die vorige Mühe ist verloren. Und unter dem Sozialistengesetz1331 ist dieser einzige offengebliebne Weg absolut nicht zu entbehren. Der Bericht über den Kopenhagener Kongreß'221 war immer so abgefaßt, daß ich genügend zwischen den Zeilen lesen und mir danach Liebkn[echt]s wie immer rosig gefärbte Mitteilung berichtigen konnte. Jedenfalls sah ich, daß die Halben'391 eine derbe Niederlage erlitten, und glaubte damit allerdings, daß sie jetzt die Hörner einziehn würden. Das scheint also doch nicht in dem Grad der Fall zu sein. Über diese Leute haben wir uns nie getäuscht. Hasenclever ebensowenig wie Hasselmann hätten nie zugelassen werden dürfen, aber Liebkn[echt]s Überstürzung der Einigung, gegen die wir damals aus Leibeskräften protestierten'401, hat uns einen Esel und für eine Zeitlang auch einen Schuft aufgeladen. Bios war seinerzeit ein frischer couragierter Kerl, ist aber seit seiner Verheiratung etc. durch Nahrungssorgen rasch mürbe gemacht. Geiser war immer eine Schlafmütze voller Einbildung und Kayser ein schwadronierender CommisVoyageur. An Rittinghausen war schon 48 nichts, er ist nur Sozialist pro
forma, um mit unsrer Hülfe seine direkte Volksregierung durchzusetzen. Da haben wir doch Besseres zu tun. Was Du über L[ie]bk[necht] sagst, hast Du wohl schon lange gedacht. Wir kennen ihn seit langen Jahren. Seine Popularität ist ihm Existenzbedingung. Er muß also vermitteln und vertuschen, um die Krisis aufzuschieben. Dabei ist er Optimist von Natur und sieht alles rosenfarben. Das erhält ihn so frisch und ist ein Hauptgrund seiner Popularität, aber es hat auch seine Schattenseite. Solange ich nur mit ihm korrespondierte, berichtete er nicht nur alles nach seiner eignen rosenfarbnen Anschauung, sondern verschwieg uns auch alles, was unangenehm war, und wenn interpelliert, antwortete er so leichtfertig in den Tag hinein, daß man sich immer am meisten darüber ärgerte: hält der Mann uns für so dumm, daß wir uns damit fangen lassen! Dabei eine rastlose Geschäftigkeit, die in der laufenden Agitation gewiß sehr nützlich, die aber uns hier eine Masse nutzlose Schreiberei auflud, eine ewige Projektenmacherei, die darauf hinauslief, andern Arbeit aufzuladen - kurz, Du begreifst, daß bei alledem eine wirklich geschäftliche und sachliche Korrespondenz, wie ich sie seit Jahren mit Dir und auch mit Bernstein führe, rein unmöglich war. Daher ewiger Zank und der Ehrentitel, den er mir scherzend hier einmal gab, ich sei der gröbste Kerl in Europa. Meine Briefe an ihn waren allerdings oft grob, aber die Grobheit war bedingt durch den Inhalt der seinigen. Niemand wußte das besser als Marx. Dann ist L[iebknecht] bei seinen vielen wertvollen Eigenschaften ein geborner Schulmeister. Wenn einmal ein Arbeiter im Reichstag Mir statt Mich sagt oder einen lateinischen kurzen Vokal lang ausspricht und die Bourgeois lachen, dann ist er in Verzweiflung. Daher muß er „jebildete" Leute haben, wie den Schlappes Viereck, die uns mit einer Rede im Reichstag ärger blamieren würden als 2000 falsche „Mir". Und dann kann er nicht warten. Der augenblickliche Erfolg, und wenn damit ein weit größerer späterer geopfert wird, geht allem vor. Das werdet Ihr in Amerika erfahren, wenn Ihr nach Fritzsche und Viereck kommt.1411 Deren Sendung war ein ebenso großer Bock wie die überstürzte Einigung mit den Lassalleanern, die Euch 6 Monate später von selbst zugefallen wären aber als desorganisierte Bande, ohne die verlumpten Führer. Du siehst, ich spreche, im Vertrauen, ganz offen mit Dir. Ich glaube aber auch, daß Du gut tätest, der überredenden Suade L[ie]b[knecht]s einen entschiednen Widerstand entgegenzusetzen. Dann wird er schon nachgeben. Wenn er wirklich vor die Entscheidung gestellt ist, geht er sicher den richtigen Weg. Er täte es aber lieber morgen als heute und lieber über ein Jahr als morgen.
Wenn in der Tat einige Abgeordnete für Bismarcksche Gesetze stimmten1421, also den Tritt in den Hintern mit einem Kuß auf den seinigen beantworteten, und wenn die Fraktion die Leute nicht ausstieß, so wäre ich allerdings ebenfalls in der Lage, mich öffentlich von der Partei loszusagen, die das duldet. Soweit ich weiß, wäre das indes nach der bestehenden Parteidisziplin, wo die Minorität mit der Majorität stimmen muß, unmöglich. Doch das weißt Du besser als ich. Ich würde jede Spaltung, unter dem Sozialistengesetz, für ein Unglück halten, da jedes Mittel der Verständigung mit den Massen abgeschnitten ist. Aber es kann uns aufgezwungen werden, und dann muß man den Tatsachen ins Gesicht sehn. Wenn also so etwas passiert - wo Du auch sein magst -, sei so gut, mich zu unterrichten, und zwar sofort, denn ich bekomme meine deutschen Zeitungen immer erst sehr spät. Bios hat mir allerdings, als er, aus Hamburg ausgewiesen, nach Bremen ging, einen sehr jammervollen Brief geschrieben, und ich ihm sehr entschieden geantwortet.1431 Nun liegen aber meine Briefschaften seit Jahren in der ärgsten Konfusion, und es würde Tagesarbeit kosten, diesen zu finden. Ich muß aber einmal Ordnung schaffen, und wenn es sein muß, schicke ich Dir den Brief im Original. Deine Auffassung der Geschäftsverhältnisse bestätigt sich in England, Frankreich und Amerika.1441 Es ist eine Zwischenkrise wie die von 1841-42, aber auf weit kolossalerer Stufenleiter. Der zehnjährige Kreislauf hat sich überhaupt erst seit 1847 (wegen der kalifornischen und australischen Goldproduktion und damit vollständigen Herstellung des Weltmarkts) klar entwickelt. Jetzt, wo Amerika, Frankreich, Deutschland anfangen, das Weltmarktmonopol von England zu brechen, und wo daher die Überproduktion wieder, wie vor 47, anfängt, sich rascher geltend zu machen, jetzt kommen auch die fünfjährigen Zwischenkrisen wieder auf. Beweis der vollständigen Erschöpfung der kapitalistischen Produktionsweise. Die Periode der Prosperität kommt nicht mehr zu ihrer vollen Entwicklung, schon nach 5 Jahren wird wieder überproduziert, und selbst während dieser 5 Jahre geht es im ganzen schofel ab. Was aber keineswegs beweist, daß wir nicht 1884-87 wieder eine ganz flotte Geschäftszeit haben, wie 1844- 47. Dann aber kommt der Hauptkrach ganz sicher. 11. Mai. Ich wollte Dir noch weiter über die allgemeine Handelslage schreiben, allein es ist Post-Einschreibezeit darüber geworden. Also auf nächstens. Dein F.E.
17
Engels an Johann Philipp Becker in Genf
London, 22. Mai 1883
Lieber Alter, Wie kannst Du Dir nur einbilden, ich wäre imstande, einem jungen Parteigenossen1 irgendwie literarischen Verdienst zuzuschustern?[45] Ich stehe ja seit Jahren mit allen deutschen Verlegern, außer Meißner (des „Kapital" wegen), in absolut keiner Verbindung, und mit Zeitungen und Zeitschriften erst recht nicht. Was kann ich also tun? Selbst wenn der Mann umgekehrt aus dem Deutschen ins Französische oder Englische übersetzen könnte, wäre ich nicht imstande, ihm zu Beschäftigung zu verhelfen. Wende Dich doch lieber an Liebkn[echt], der hat ja die „NeueZeit" und Verbindungen die Menge. Das Haus von Marx haben wir noch bis nächsten März auf dem Halse, da braucht man sich also nicht zu übereilen mit Ausziehen und Zukunftsplänen. Es ist auch eine Heidenarbeit, diesen Nachlaß in Ordnung zu bringen. Was mich wundert, ist, daß M[arx] sogar aus der vor-48er Zeit fast alle Papiere, Briefe und Manuskripte gerettet hat, ein prächtiges Material für die Biographie, die ich natürlich schreiben werde und die u.a. auch die Geschichte der „Njeuen] Rh[einischen] Ztg." und der Bewegung 48/49 am Niederrhein, die Geschichte der Londoner LauseFlüchtlingschaft von 1849/52 und die der Internationale sein wird. Zunächst gilt es, den 2. Band des „Kapital" herauszugeben121, und das ist kein Spaß. Vom 2.Buch existieren 4-5 Bearbeitungen, von denen nur die erste vollendet, die späteren nur angefangen; das wird Arbeit kosten, bei einem Mann wie M[arx], der jedes Wort auf die Goldwaage legte. Aber es ist mir eine liebe Arbeit, ich bin doch wieder mit meinem alten Kameraden zusammen. Die letzten Tage hab' ich Briefe sortiert, 1842-1862. Da ist mir die alte Zeit wieder einmal recht lebendig vor den Augen vorübergegangen und der viele Spaß, den wir an unsern Gegnern erlebt haben. Ich habe oft
1 Ludwig Klopfer
Tränen lachen müssen über diese alten Geschichten, den Humor haben sie uns doch nie vertreiben können. Dazwischen denn auch manches sehr Ernste. Dies unter uns, laß ja nichts davon in die Presse kommen. Was zur Mitteilung reif ist, veröffentliche ich von Zeit zu Zeit im „Soz[ial]demokr[at]". Bernstfein] macht sich sehr gut, er sucht zu lernen, hat Witz und offnen Kopf, kann Kritik vertragen und ist frei von allem kleinbürgerlichen Moralitätspredigen. Aber unsre Jungens in Deutschland sind auch wirklich Prachtkerle, seitdem das Sozialistengesetz133' sie von den „jebildeten" Herren befreit hat, die vor 1878 den Versuch machten, die Arbeiter von oben herab mit ihrer unwissenden Universitätskonfusion zu schulmeistern, wozu leider nur zu viele der „Führer" die Hand boten. Ganz ist dieser faule Kram noch nicht beseitigt, aber die Bewegung ist doch wieder ins entschieden revolutionäre Fahrwasser gekommen. Das ist eben das Famose bei unsern Jungens, daß die Massen weit besser sind als fast alle Führer; und jetzt, wo das Sozialistengesetz die Massen zwingt, die Bewegung selbst zu machen, und der Einfluß der Führer auf ein Minimum reduziert ist, jetzt ist sie besser als je. Dein alter F. Engels
18
Engels an Ludwig Klopfer in Genf
London, 22. Mai 1883
Lieber Herr Klopfer, Ich würde Ihnen nur zu gern behülflich sein, wenn ich irgend könnte. Aber ich habe gar keine buchhändlerischen oder literarischen Verbindungen in Deutschland und wüßte nicht, an wen ich mich wenden sollte. Die Partei hat aber noch allerhand Zeitschriften etc. in Deutschland, z.B. die „Neue Zeit" von Liebknecht und Kautsky in Stuttgart (Dietz Verlag), dahin sollten Sie sich von Becker1 Briefe geben lassen. Wenn etwas für Sie zu machen ist, so ist es da, wir hier sind ebenso abgeschnitten von allem wie Sie in Genf. Ihr Brief vom 9. trägt Poststempel Genf vom 13, Daraus bitte ich die Verzögerung meiner Antwort zum Teil wenigstens zu erklären. In der Hoffnung, daß es Ihnen auf dem obigen Wege gelingen wird, Ihren Zweck zu erreichen, bleibe ich Ihr ergebner F. Engels
1 Johann Philipp Becker
19
Engels an Laura Lafargue in Paris
. - . ... . London, 22. Mai 1883 Meine liebe Laura, Ich hatte nicht, wie Paul vermutet, seine Fünfpfundnote vergessen,' aber da Sam Moore hier war, hatte ich keinen freien Augenblick, um die Sache fertigzumachen und den Brief aufzugeben. Gestern abend ist Sam nach Manchester zurückgefahren, und die Banknote wäre heute abgegangen, wenn nicht Pauls Brief mit veränderten Direktiven für mich gekommen wäre. Anbei der Scheck über £ 10.t461 So ist also ce eher1 Paul, während ich dies schreibe, ein Gefangener.161 Gerade um diese Zeit (5.45) darf er keine Besucher empfangen, und kann nun ganz in Ruhe und Frieden mit Guesde die Chancen der revolution revolutionnaire2 diskutieren. Wir haben letzten Sonntag eine herrliche Maitrank3~Bowle auf seine Gesundheit getrunken und ihm viel Mut und Geduld gewünscht. Wohl dachte ich seit langem, daß Du vielleicht Pauls unfreiwillige Einsiedelei dazu benutzen könntest, um nach London herüberzukommen, und ich hätte Dir sofort alle Räumlichkeiten von 122, Regent's Park Road zur Verfügung gestellt; aber nach all dem, was ich gehört hatte, befürchtete ich, mit solchem Vorschlag gewisse Gefühle zu verletzen. Sogar Nim ließ nach ihrer Rückkehr kein Wort darüber fallen, daß Du davon gesprochen hättest, Dein heiteres Gesicht in diesem trüben Klima zu zeigen; und als Paul schrieb, daß er Dich jeden Morgen in Sainte-Pelagie zum gemeinsamen Lunch erwarte, da verlor ich ganz und gar den Mut. Aber nun ist alles in Ordnung, und ich hoffe, bald von Dir zu hören, daß Du meine Einladung annimmst, um hier wenigstens für zwei Monate Dein Hauptquartier aufzuschlagen, was natürlich Ausflüge an die See usw. nicht ausschließt. Wenn Paul hinter Schloß und Riegel sitzen muß, so mußt Du um so mehr an Deine eigene Gesundheit denken. Als Sam hier war, erfuhren wir durch ihn die sehr unerfreuliche Tat-, sache, daß Mohr niemals das Recht gehabt hat - noch wir es haben, nicht
1 der liebe — 2 revolutionären Revolution — s in der Handschrift deutsch: Maitrank
autorisierte Übersetzungen des „Kapitals" zu stoppen. Das Recht ging verloren, als das erste Jahr verstrichen war, ohne daß man den Anfang einer Übersetzung4 veröffentlicht hatte. Da nun mehrere Leute ihre Hände im Spiel haben, müssen wir mit List zu Werke gehen und den unveröffentlichten 2. Band121 als Mittel benutzen, um sie herumzukriegen. Der 2. Band wird mir ungeheure Arbeit machen - zumindest das 11, Buch. Es gibt einen vollständigen Text, ungefähr aus dem Jahre 1868, aber das ist nur ein brouillon5. Dann gibt es mindestens drei, wenn nicht vier, Überarbeitungen6, die aus verschiedenen späteren Perioden stammen, aber keine von ihnen ist vollständig. Es wird keine leichte Arbeit sein, daraus einen endgültigen Text auszuwählen! Das 3.Buch ist seit 1869/70 abgeschlossen und seither nie wieder angerührt worden. Aber dort, wo die Grundrente behandelt wird, werde ich seine russischen Auszüge'471 wegen der Noten, Fakten und Beispiele vergleichen müssen. Vielleicht könnte ich sogar einen Teil des 3. Bandes aus dem Manuskript von 1858/621481 zusammenbauen (dessen Anfang 1859 in Berlin erschien7), das am Schluß eines jeden Kapitels die kritische Geschichte der jeweils untersuchten theoretischen Punkte enthält. In der letzten Zeit war ich damit beschäftigt, den Briefwechsel zu ordnen. Es ist eine große Kiste mit sehr wichtigen Briefen vorhanden, aus den Jahren 1841 (oder vielmehr 1837 von Deinem Großvater Marx8) bis 1862. Sie sind fast geordnet, aber ich werde noch etliche Stunden brauchen, um die Sache ganz zu erledigen. Ich kann Dir versichern, daß es mir viel Spaß macht, diese alten Sachen durchzustöbern, von denen die meisten mich genauso wie Mohr angehen, und es gibt so vieles, worüber ich lachen muß. Nim hilft mir - es muß schrecklich viel Staub gewischt werden! Und wir lachen so manches Mal herzlich über die vergangenen Zeiten. Die Korrespondenz ab 1862 hat er schon selbst ganz gut geordnet. Aber ehe wir alle Geheimnisse der Dachkammer ergründet haben, die voller Kisten, Pakete, Päckchen, Bücher usw. ist, wird noch einige Zeit vergehen. Und ich muß noch für die 3. Auflage verschiedene Ergänzungen aus der französischen Übersetzung'491 vornehmen, von denen ich weiß, daß Mohr sie einfügen wollte; und dies muß in 3-4 Wochen erledigt sein. Aber gleich ist Postschluß. Lebe wohl für heute. In Zuneigung Dein p Engels Aus dem Englischen.
1 der englischen Übersetzung des ersten Bandes des „Kapitals" - 5 Entwurf - 6 in der Handschrift deutsch: Überarbeitungen - 7 Karl Marx: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" 8 Heinrich Marx
20
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 2. Juni 83
Meine liebe Laura, Anbei einen Scheck über £ 10 für Paul wie gewünscht. Seinem Brief nach zu urteilen, scheint er trotz seiner Lage ziemlich guter Dinge zu sein, aber das grincement des clefs et des verrous1 muß sicher schrecklich sein.161 Was ist schon relative Freiheit tagsüber, wenn man nachts in Einzelhaft gesteckt wird, und wie sollte er da singen: Singet nicht in Trauertönen Von der Einsamkeit der Nacht, Denn sie ist, o holde Schönen, Zur Geselligkeit gemacht.21501
Da Paul seine Deutschkenntnisse im Gefängnis vertiefen will, kannst Du ihm das zum Übersetzen geben. Inzwischen dürften sich die beiden heroischen Märtyrer3 ganz gut eingelebt haben, und meinst Du nicht, daß Du, sagen wir, nächsten Donnerstag oder Freitag herüberkommen könntest? Es ist nämlich so, daß ich heute abend Jollymeier erwarte, der wohl bis Montag in acht Tagen, den 11 .Juni, hierbleiben können wird, und der Dich so gerne sehen möchte. Außerdem redet Tussy sehr viel von Deinem Kommen und scheint sehnlichst zu wünschen, Dich hier zu haben und mit Dir darüber zu sprechen, was mit den Sachen im Hause usw. usw. geschehen soll; die alleinige Verantwortung scheint sie sehr zu bedrücken. So wird also Deine Reise in gewissem Sinne geschäftlich sein. Wenn Du kommen willst und sofort schreibst, werde ich Dir umgehend das Geld schicken; ich hätte es schon heute dem Scheck beilegen können, aber auf meinem Konto ist Ebbe, und nächste Woche muß wieder Geld hereinkommen. Unter Möhrs Papieren habe ich einen ganzen Berg Ms. gefunden,
1 Knirschen der Schlüssel und Riegel - 2 die ganze Strophe in der Handschrift deutsch 8 Paul Lafargue und Jules Guesde
3 Marx/Ensela, Werie, Bd. 36
unser gemeinsames Werk von vor 18484. Einige davon werde ich bald veröffentlichen. Darunter ist eins, das ich Dir vorlesen werde, wenn Du hier bist, Du wirst Dich wälzen vor Lachen. Als ich es Nim und Tussy vorlas, sagte Nim: jetzt weiß ich auch, warum Sie zwei damals in Brüssel des Nachts so gelacht haben, daß kein Mensch im Hause davor schlafen konnte5. Wir waren damals freche Teufel, Heines Poesie ist kindliche Unschuld gegen unsere Prosa.1511 Es besteht Aussicht, eine Übersetzung des „Kapitals"6 bei Kegan Paul & Co. zur Veröffentlichung zu bringen, die die geeignetsten Leute dafür wären. Tussy wird sie am Montag7 aufsuchen; wenn dabei irgend etwas Nützliches herauskommt, werden wir noch einmal zusammen hingehen. S.Moore wird übersetzen, und ich mache die Revision. Es sind noch andere Leute dabei, aber wenn wir die Sache arrangieren können, werden sie bald aus dem Feld geschlagen sein. S. Moore war in der Pfingstwoche hier, und soweit es ihn betrifft, haben wir die Angelegenheit mit ihm geregelt. Er ist bei weitem der geeignetste Mann, zwar etwas schwerfällig, aber das läßt sich ändern. Er ist uns als unser Rechtsberater unerhört nützlich gewesen. Übrigens muß ich noch mit der ersten Post an ihn wegen einer Rechtsangelegenheit schreiben. Pumps und ihren beiden Babys geht es sehr gut, der Junge ist schrecklich groß und dick, fast ebenso groß wie seine Schwester! so sagt wenigstens die stolze Mama. Wenn Du nächsten Sonntag hier bist (morgen in einer Woche), wird es eine große Maitrank8~Bowle geben; er ist jetzt gerade in voller Blüte, ich meine den Waldmeister9; wir hatten zwei Bowlen am Sonntag und in der Woche zwei bei Tussy, und es ist noch viel Moselwein übriggeblieben! Wenn Du sagst, daß Du kommst, dann schreibe ich noch am gleichen Tag nach Dublin wegen einer Kiste des besten und superbesten Ciaret, den wir uns dann still zu zweit zu Gemüte führen werden. An Paul in ein oder zwei Tagen einige Zeilen. Bis dahin in Zuneigung Dein F. Engels Aus dem Englischen.
4 Karl Marx und Friedrich Engels: „Die deutsche Ideologie"; Friedrich Engels: „Die wahren Sozialisten" u.a.-5 in der Handschrift deutsch: jetzt weiß ich auch ... schlafen konnte * die englische Ubersetzung des ersten Bandes des „Kapitals" - 7 A. Juni - 8 in der Handschrift deutsch: Maitrank - 8 in der Handschrift deutsch: Waldmeister
21
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 12. Juni 83
Lieber Bernstein, Es ist halb zwölf nachts, und ich habe eben die Revision des 2. Bogens der 3. Aufl. des „Kapitals" gelesen (keine kleine Arbeit) und befördert, und so will ich den Rest des Abends benutzen, einen Brief an Sie wenigstens anzufangen. Die Interna betreffend, las ich im Protokoll[ä2] schon ziemlich zwischen den Zeilen und hatte auch bald nachher von Bfebel] kurze Aufklärung erhalten. Ich hatte schon vor längerer Zeit an BJebel] geschrieben: der Bruch mit den Schlappschwänzen vom rechten Flügel müsse schließlich kommen, aber es sei, nach meiner Ansicht, nicht unser Interesse, ihn zu forcieren, ehe wir wieder imstande sind, mit den Massen direkt zu verkehren; d.h., nicht, solange das Sozialistengesetz1331 besteht.1631 Zwingen sie uns, dann hat man dafür zu sorgen, daß sie sich gegen die Parteidisziplin auflehnen, nicht wir, und dann haben wir auch jetzt schon gewonnenes Spiel. Und dahin wären sie zu bringen, wenn sie nicht Ruhe halten wollen. Was Liebkniecht] angeht, so wird er alles aufbieten, die Krisis zu vertagen, aber wenn sie kommt und er einsieht, daß sie nicht mehr aufzuschieben ist, wird er auf dem richtigen Fleck sein. Ich muß mich kurz fassen, ich habe zu tun: 1. den Nachlaß zu ordnen, wobei ich fast alles selbst zu tun habe, die alten Sachen kennt niemand außer mir, und es ist ein kolossaler Haufen und in schöner Unordnung. Manches fehlt noch, viele Pakete und Kisten noch gar nicht geöffnet! 2. die 3. Auflage besorgen, mit diversen Änderungen und einigen Zusätzen aus der französischen Ausgabe. Dabei Revision lesen. 3. die sich bietende Aussicht auf Herausgabe einer englischen Übersetzung1 ausbeuten - ich war heute deswegen bei einem hiesigen großen Verleger2 - und dann die Übersetzung selbst revidieren (Moore, der sie
1 des ersten Bandes des „Kapitals" - 2 Kegan Paul
3*
machen wird, ist ausgezeichnet, 26jähriger Freund von uns, aber schwerfällig). 4. die 3-4 Rezensionen vom Anfang des II.Bandes kollationieren und für den Druck präparieren, dabei den ganzen 2. Band ins reine schreiben. 5. von Zeit zu Zeit eine Woche mit Schorlemmer kneipen, der gestern wieder nach Manchester - er bringt sich immer Arbeit mit, aber o jerum! Voilä la vie!3 Der Esel in der „Vossischen" (man hat mir das Ding1541 viermal zugeschickt) scheint allerdings im braven Deutschland viel Kummer über den kummervollen Marx angerichtet zu haben. Vielleicht, wenn ich einmal recht lustig bin, geb' ich ihm einen Tritt. Wenn diese Ochsen Gelegenheit hätten, den Briefwechsel zwischen dem Mohr und mir zu lesen, es würde ihnen Hören und Sehn vergehn. Heines Poesie ist Kinderei gegen unsre freche lachende Prosa. Wütend konnte der Mohr werden, aber Trübsal blasen - jamais4! Ich habe mich gewälzt, als ich die alten Sachen wieder las. Dieser übrigens auch historisch denkwürdige Briefwechsel wird, soweit es in meiner Macht steht, in die richtigen Hände kommen. Leider hab* ich nur von Marx die Briefe seit 1849, diese aber auch vollständig. Inl. ein Stück des Originalentwurfs zum Schluß des „Kommunistischen Manifests", das Sie als Andenken behalten wollen. Die obersten 2 Zeilen sind Diktat, geschrieben von Frau Marx.'551 Das inl. Gedicht von Weerth hätte ich Ihnen noch rechtzeitig für das Feuilleton geschickt, wenn Sie es nicht so eingerichtet hätten, daß Ihr Brief um 12 Stunden zu spät kam -, so mußte ich warten, ob Sie das Feuilleton tel quel5 abdruckten.'561 Sie können es ja sonst unterbringen. Weerths Sachen sind schon aus Gegensatz gegen den feierlichen Freiligrath alle ironisch und humoristisch. Von „Ernscht" ist da nie die Rede. Was die Abschaffung des Sozialistengesetzes angeht, so sehn die Leute in Deutschland immer nur das Allernächste. Indem Alexfander] III. Rußland in Moskau mit seiner Proklamation ebenso enttäuscht wie Friedrich] W[ilhelm] IV. 1840 die Preußen1571 (und die Sachen sind da viel brennender), hat er mehr dafür getan, als all die Geiser, Bios und Konsorten mit ihrem Gejammer je fertigbringen. Werden ihm eines schönen Morgens die Knochen kaputtgeschossen, und das passiert ihm doch sicher, so ist das ganze innere regime Bismarck keine 2 Pfennige wert. Dann pfeift's auf einem andern Loch. Selbst wenn der alte Wilhelm bloß - ich meine nicht den W. Bios -6 stirbt, gibt's notwendige Änderungen. Die Leute von
3 So ist das Leben! - 4 niemals - 6 unverändert - 6 diese Einfügung bei Engels Fußnote
heute haben nie erlebt und können sich gar nicht vorstellen, wozu ein altgewordener Kronprinz7 in einer inzwischen revolutionär gewordenen Situation fähig ist. Und noch dazu ein so schwankender, willenloser Narr wie „unser Fritz". Ja, es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß die verrückte französische Regierung nicht in solchen Krakeel mit aller Welt kommt, um in Paris etwas Gewaltsames hervorzurufen. Tunis, Ägypten, Madagaskar, Tonking'58 \ und jetzt wollen sie sogar den Engländern einige von nicht 50 Menschen bewohnte Felseninseln an der normännischen Küste bestreiten. Ich will nur hoffen, daß in Paris nichts losgeht, denn die Dummheit, die da in den Massen herrscht, wird bloß hier in London noch übertroffen. Und dabei arbeitet der biedre Bismarck für uns wie sechs Kamele. Seine neuste TTieorie, daß die Reichsverfassung nichts sei als ein Vertrag der Regierungen, den sie täglich durch einen andern ersetzen könnten, ohne den Reichstag zu fragen, ist ja ein gefundenes Fressen für uns. Das soll er nur probieren. Dabei das offenbare Hinarbeiten auf den Konflikt, seine dummen, schnoddrigen Bödiker & Co. im Reichstag - alles das ist Wasser auf unsre Mühle. Allerdings hört dabei die meist nur für die Deklamation (oder aber für eine wirklich revolutionäre Lage) passende Phrase von der „einen reaktionären Masse"t59] auf. Denn darin besteht ja grade der für uns arbeitende historische Witz, daß die verschiednen Elemente dieser feudalen und Bürgermasse sich zu unsrem Vorteil aneinander abarbeiten, krakeelen, auffressen, also grade das Gegenteil einer einförmigen Masse bilden, von denen der Knote sich einbildet, er sei damit fertig, wenn er sie alle „reaktionär" nennt. Im Gegenteil. Alle diese diversen Lumpenhunde müssen sich erst gegenseitig kaputtmachen, total ruinieren und blamieren und uns dadurch den Boden bereiten, daß sie ihre Unfähigkeit, eine Sorte nach der andern, beweisen. Das war einer der größten Fehler von Lassalle, daß er das bißchen Dialektik, das er aus Hegel gelernt, in der Agitation durchaus vergaß. Da sah er immer nur eine Seite, grade wie Liebkjnecht], und da dieser aus Gründen zufällig die richtige sah, war er dem großen Lassalle schließlich doch überlegen. Das einzige Pech an der jetzigen deutschen Bourgeoisbewegung ist grade, daß die Leute nur „eine reaktionäre Masse" bilden, und das muß aufhören. Wir können nicht vorankommen, bis wenigstens ein Teil der Bourgeoisie auf die Seite einer wirklichen Bewegung gedrängt wird - sei es durch innere oder äußere Ereignisse. Deshalb haben wir jetzt genug vom
' Friedrich Wilhelm
bisherigen Regime Bismarck, deshalb kann er uns nur nützen durch einen Konflikt oder durch Abdankung, und deshalb wird es auch Zeit, daß das Sozialistengesetz auf halb oder ganz revolutionärem Weg beseitigt wird. Die sämtlichen Debatten, ob man den „Kleinen" 1601 allein los wird oder das ganze Gesetz oder ob das gewöhnliche Strafgesetz verschärft wird, kommen mir vor wie Debatten über die Jungfrauschaft Mariä in partu und post partum8. Was entscheidet, sind die großen politischen Verhältnisse des In- anJ Auslandes; und diese ändern sich, bleiben nicht wie heute. In Deutschland dagegen wird der Fall untersucht nur unter der Voraussetzung, daß die heutigen deutschen Zustände ewig sind. Und dem parallel geht die an die eine reaktionäre Masse anknüpfende Vorstellung: daß, wenn die jetzigen Zustände umgewälzt werden, so kommen wir ans Ruder. Das ist Unsinn. Eine Revolution ist ein langwieriger Prozeß, vgl. 1642- 46 und 1789-93; und damit die Verhältnisse reif werden für uns und wir für sie, müssen alle Zwischenparteien der Reihe nach zur Macht kommen und sich zuschanden machen. Und dann kommen wir - und werden vielleicht auch noch einmal momentan gehauen. Obwohl ich das bei normalem Verlauf der Sache nicht für gut möglich halte. Heute habe ich abgeschickt an „Volksbuchhandlung, Hottingen-Zürich", in unbezahlter Fracht per Continental Parcels Express (Korrespondent der deutschen und Schweizer Paketpost) ein Paket mit den bestellten Photographien9, Rechnung inl. Von dem Geld behalten Sie die £ 1.7 da auf Konto zu meinen Gunsten, gegen fr. 4 für eingesandte pr. Schnäpse, Abonnements etc. (wenn beim Remittieren des Rests es bequemer sein sollte, etwas mehr oder weniger zuzuziehn, dann natürlich all right). Es bleiben jetzt noch hier 500 Cartes und 280 Cabinets, wer zuerst bestellt, wird zuerst bedient. Doch haben Sie außer Dietz bis jetzt keinen Konkurrenten. Was mir alles zugeschoben wird, können Sie daraus sehn, daß ich Kontrolle und Neupackung der Photographien für Sie und Dietz heute in jedem Detail eigenhändig besorgen mußte, ebenso Besorgung aufs Büro (21/2 englische Meilen von hier). Da soll dann gearbeitet werden! Der Borde ist ein uns seit Jahren bekannter Esel, bei M[arx] liegen an 100 seiner ihm zugesandten Hefte uneröffnet. Envoyez-le au diable.10 Nach der Schweiz komm* ich nicht, bis kontinentale Routen sichrer. War es doch nicht gewiß, ob M[arx] diesen Sommer hätte ungeschoren nach oder durch Frankreich reisen können. Einmal ausgewiesen, ist man fertig, falls man nicht sich zu Schritten bequemt, die ich nicht tun kann. Das kenn' ich.
8 während und nach der Geburt - ' siehe vorl. Band, S. 18 -10 Schicken Sie ihn zum Teufel.
Übrigens ennuyieren Sie mich mit den internis keineswegs. Einer im Ausland kann nie genug erfahren über die Details solcher inneren Kämpfe der trotz alledem leitenden europäischen Arbeiterpartei. Und Freund L[iebknecht] hält mir das ja alles aus Prinzip geheim, seine Berichte sind alle rosenrot, morgenrot, himmelblau und hoffnungsgrün. Für die Jahreskehr der Junischlacht von 48 schicke ich Ihnen den Artikel der ,,N[euen] Rh[einischen] Ztg." von Marx11, der allein in der ganzen europäischen Presse für die Insurgenten Partei ergriff, als sie gefallen. Besten Gruß. Ihr F.E. 13. Juni 83 Glauben Sie, daß es an der Zeit, eine grenzenlos freche Arbeit von M[arx] und mir von I847[511, worin die jetzt auch im Reichstag sitzenden „wahren Sozialisten" verarbeitet werden, im Feuilleton des „Sozialdemokrat]" zu drucken? Das Frechste, was je in deutscher Sprache geschrieben.
11 „Die Junirevolution"
22
Engels an Pasquale Martignetti in Benevento1611
122, Regent's Park Road, N.W. London, 19. Juni 1883
Hochverehrter Herr, Mit großer Freude habe ich die gute italienische Übersetzung erhalten, die Sie von meinem „Socialisme utopique et socialisme scientifique" gemacht haben. Ich habe sie durchgesehen und schlage Ihnen an einigen Stellen kleine Veränderungen vor, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin infolge meiner unvollkommenen Kenntnis des Italienischen und der fehlenden Praxis. Ich hoffe, daß Sie trotz dieses letzten Umstandes die Übersetzung (italienisch oder französisch) der Zusätze verstehen werden, die ich in der 1. deutschen Ausgabe gemacht und an den entsprechenden Stellen Ihres Manuskripts eingefügt habe.[621 Ich lege ein Exemplar der deutschen Ausgabe bei, die soeben erschienen ist und werde ein anderes der 2. Auflage folgen lassen, die zur Zeit im Druck ist. Es tut mir leid, daß die Übersetzung nicht nach dem deutschen Text gemacht werden konnte; das Italienische hätte sich weit besser der dialektischen Darlegung anpassen können als das Französische. Ich danke Ihnen für Ihr liebenswürdiges Anerbieten, mir einige Exemplare der Übersetzung zu schicken; sechs oder höchstens zwölf werden genügen. Mit vorzüglicher Hochachtung grüßt Sie Fed. Engels Mit der Mittagspost geht ein Einschreibepäckchen ab, enthaltend 1. Ihr Manuskript
2. das Exemplar der deutschen Ausgabe.[63]
Aus dem Italienischen.
23
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 22. Juni 1883
Lieber Bernstein, Wenn Sie nach Paris kommen, so müssen Sie ja auf ein paar Tage hieher übers Weisser. Die Reise hin und zurück kostet Sie weniger, als Sie in der Zeit in Paris verbummeln. Ihr Zimmer hier ist schon fertig. Ich zeige Ihnen dann auch das fragliche freche Ms. und die andern Ms.1511 Frau Laf[argue] wird Ihnen Auskunft geben über die beste Reiseart.
Ihr F.E.
Gruß an Liebk[necht].
24
Engels an Laura Lafargue in Paris
... ... . London, 24. Juni 1883 Meine hebe Laura, Als Du davon sprachst, Du hättest in Vevey die Absichten und Wünsche des armen Mohr erfahren - es war im Zusammenhang mit Verfügungen mehr oder weniger testamentarischen Charakters -, da schlußfolgerte ich natürlich, daß Du auf ähnliche Dinge anspieltest.[64] Da diese Verfügungen auch Wünsche betreffen könnten, was mit einigen Andenken an Eure Mama usw., Bücher und dergleichen geschehen soll, und weil wir nun eine Entscheidung treffen müssen und Tussy sich überdies anscheinend vor der Verantwortung scheut, nach eigenem Gutdünken zu handeln, hielt ich es für meine selbstverständliche Pflicht, Dich zu informieren, damit Du, falls Du etwas mitzuteilen hättest, das rechtzeitig tun könntest. Nach dem Tode des armen Mohr teilte mir Tussy auf meine Anfrage mit, er habe ihr gesagt, sie und ich sollten über all seine Schriftstücke verfügen und das veröffentlichen, was veröffentlicht werden muß, besonders den2.Bd.[2] und die mathematischen Arbeiten[65]. Die 3. deutsche Auflage1 wird gerade bearbeitet, ich kümmere mich auch darum. Wenn Du genau wissen möchtest, was Mohr gesagt hat, wird Tussy es Dir bestimmt mitteilen, wenn Du sie darum bittest. Wir haben über diese Dinge gesprochen, als Paul hier war, und er wird sich sicher daran erinnern. Für den Ausdruck literarische Exekutoren™ bin ich allein verantwortlich. Ich konnte damals keinen anderen finden, und wenn ich Dich dadurch in irgendeiner Weise gekränkt habe, bitte ich Dich sehr um Verzeihung. Wie Dich die Verfügung verletzen kann, verstehe ich nicht. Die Arbeit muß hier an Ort und Stelle getan werden. Die eigentliche Arbeit - das weißt Du so gut wie Tussy - wird zum größten Teil von mir gemacht werden müssen. Da jedoch eine Tochter von Mohr in London lebt, so finde ich es nur natürlich, daß Mohr den Wunsch hatte, sie möge mich entsprechend ihren Möglichkeiten in der Arbeit unterstützen. Wenn Du
hier gewohnt hättest anstatt in Paris, so wären wir alle drei dazu bestimmt worden, daran ist nicht zu zweifeln. Aber es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt. Nach dem englischen Gesetz (das uns Sam Moore erklärt hat) ist Tussy die einzige Rechtsvertreterin Möhrs in England. Oder vielmehr die einzige, die seine Rechtsvertreterin werden kann, wenn sie sich die Erbberechtigungspapiere ausstellen läßt. Das muß durch den in England lebenden nächsten Angehörigen geschehen - also durchTussy, es sei denn, sie lehnt es ab und schlägt jemand anders vor, der jedoch gleichfalls im Vereinigten Königreich wohnen muß. Somit bin ich auch rechtlich ausgeschlossen. Aus den verschiedensten Gründen muß man sich diese Erbberechtigungspapiere ausstellen lassen. Von Möhrs Plänen, die er mit Dir in Vevey besprochen hat, wußte ich natürlich überhaupt nichts, und ich bedauere nur, daß Du nach dem 14. März nicht herübergekommen bist, dann hätten wir davon erfahren und uns soweit wie möglich danach gerichtet. Zur Angelegenheit mit der englischen Übersetzung2: Wir erfuhren (sowohl von S.Moore als auch von Meißner), daß wir kein Recht haben, jemand an der Veröffentlichung einer nichtautorisierten Übersetzung zu hindern.3 Dieses Recht besteht bestenfalls für drei Jahre nach der ersten Veröffentlichung und verfiel endgültig 1870. Doch hatten hier mehrere Leute ihre Hände im Spiel, und der es zwar gut meinende, aber arme und geschäftsunkundige Verleger Reeves, der am wenigsten erwünschte, sagte zu Radford, er habe einen Übersetzer gefunden und werde seine Übersetzung veröffentlichen. Es war damals keine Zeit zu verlieren. Wir mußten jemand finden, der bereit und auch imstande war, die Arbeit zu machen - und es kamen nur S.Moore und als Verleger K. Paul und Co. in Frage. Die beiden traten in Korrespondenz, dann traf Tussy sich mit K.PJaul], dann ich. Es ist noch nichts entschieden, aber sehr wahrscheinlich werden wir zu einer Vereinbarung kommen. Nun fragt es sich nur: würdest Du unter den veränderten Umständen die Übersetzung übernehmen und sie zu einem bestimmten Termin, sagen wir in etwa 6 Monaten, fertigstellen? Was die Geschichte der Internationale betrifft, so bin ich, was mich angeht, selbstverständlich bereit, Dir zu diesem Zweck alle die Internationale betreffenden Dokumente usw. zu übergeben. Allerdings hatte ich die Absicht, eine ausführliche Biographie von Mohr zu schreiben, und wenn Du diese Dokumente nimmst, so wird daraus nichts. Möhrs Leben ohne die Internationale wäre wie ein Brillantring, aus dem der Edelstein herausgebrochen ist.
2 des ersten Bandes des „Kapitals" -8 siehe vorl. Band, S. 31/32
Ich habe Tussy von Deinem Brief nichts gesagt, da ich in keiner Weise zwischen zwei Schwestern treten möchte. Wenn Du daher irgendwelche Erklärungen von ihr haben möchtest, schreibe bitte direkt an sie. Aber ich glaube, das Beste, was Du tun kannst, ist herüberzukommen, um die Dinge gemeinsam zu klären. Du weißt sehr gut, daß ich nichts anderes will, als Deine Wünsche soweit wie möglich und in jeder Hinsicht zu berücksichtigen. Genauso verhalte ich mich Tussy gegenüber. Wenn Du willst, daß Dein Name zusammen mit unseren Namen in der gemeinsamen Arbeit erscheinen soll, wenn Du an dieser Arbeit teilhaben möchtest und Wege gefunden werden können, wie dies zu geschehen hat, so würde ich nur froh darüber sein. Ohnehin werden wir oft genug Deinen Beistand brauchen, um uns zu informieren usw., und nichts würde uns die Arbeit mehr erschweren als neue Mißverständnisse zwischen Dir und Tussy. Alles, was wir anstreben, ist, das Andenken an Mohr in würdiger Weise zu verewigen, und das erste wird und muß sein die Veröffentlichung seines Nachlasses. Laßt uns mit allen Kräften dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Der einzige Mensch, mit dem ich über diese Sache gesprochen habe, ist Nim, und sie ist ganz der Meinung, die ich oben ausgedrückt habe. Unsere beiden Märtyrer4 scheinen glücklich und ganz zufrieden zu sein und sogar zu befürchten, Grevy könne am 14. Juli ihrem Gefangenendasein16' ein Ende machen. Was für ein schändliches Urteil wurde über Louise Michel gefällt![67' Zum Glück weiß niemand, wer Frankreich in ein paar Jahren regieren wird. Eine Bombe zwischen die Beine Alexanders IIL und alle Gefängnistore in Europa und Asien - mit Ausnahme der irischen fliegen auf. Nun aber Schluß. Ich muß den 4. Korrekturbogen der 3. Auflage lesen, der am Sonnabend5 hier eintraf, und habe mich verpflichtet, ihn in 48 Stunden zurückzuschicken. Dann muß ich an den Änderungen für die 3. Aufl. arbeiten (bis Seite 404 erledigt), teils nach einem mit Änderungen von Marx versehenen Exemplar, teils nach der französischen Ausg.; das muß schnell gemacht werden, um keinen Vorwand zur Verzögerung zu geben. Soviel für heute. In aufrichtiger Zuneigung stets Dein F. Engels Aus dem Englischen.
25
Engels an Friedrich Adolph Sorge in Hoboken
London, 29. Juni 83
Lieber Sorge, Mein Arbeitsabend ist mir durch Besuch verdorben worden, und das gibt mir einige freie Zeit, um an Dich zu schreiben. Die Kritik des H.George, die Mfarx] Dir geschickt, ist sachlich ein solches Meisterstück und stilistisch so aus einem Guß, daß es schade wäre, sie durch Versetzung mit den desultorischen, englisch geschriebnen Randglossen in M[arx']s Exemplar zu schwächen.1241 Diese bleiben immer zu späterm etwaigem Gebrauch. Der ganze Brief an Dich ist, wie M[arx] das meist bei solcher Gelegenheit tat, mit Rücksicht auf spätere wörtliche Veröffentlichung geschrieben. Du begehst also keinerlei Indiskretion, wenn Du ihn drucken läßt. Soll es englisch geschehn, so will ich ihn Dir übersetzen, denn die Übersetzung des „Manifests"1 zeigt wieder, daß es dort keinen zu geben scheint, der wenigstens unser Deutsch in literarisches, grammatikalisches Englisch übertragen kann.'681 Dazu gehört schriftstellerische Übung in beiden Sprachen, und zwar Übung nicht bloß in der Tagespresse. Das „Manifest" zu übersetzen, ist heillos schwer, die russischen Übertragungen'691 sind noch weitaus die besten, die ich gesehn. Die 3. Auflage des „Kapitals" macht mir eine Heidenarbeit. Wir haben ein Ex., worin Mfarx] die zu machenden Änderungen und Zusätze nach der französischen Ausgabe bezeichnet, aber die ganze Einzelarbeit ist noch zu tun.'491 Ich bin bis zur „Akkumulation" fertig, aber hier handelt es sich um eine fast totale Umarbeitung des ganzen theoretischen Teils. Dazu die Verantwortung. Denn die französiche Übersetzung ist teilweise eine Verflachung des Deutschen, und deutsch würde Mfarx] nie so geschrieben haben. Dabei drängt der Buchhändler. Ehe ich damit fertig bin, kann ich nicht daran denken, an den 2.Band'21 zu gehn. Vom Anfang existieren mindestens 4 Bearbeitungen, so oft hat
1 „Manifest der Kommunistischen Partei"
M[arx] angesetzt und ist jedesmal durch Krankheit in der definitiven Redaktion unterbrochen worden. Wie die Anordnung und der Schluß der von 1878 datierenden letzten zu der von vor 1870 stammenden ersten stimmen wird, kann ich noch nicht sagen. Aus der Zeit vor 1848 ist fast alles gerettet. Nicht nur die von ihm und mir damals ausgearbeiteten Ms. fast vollständig (soweit nicht von Mäusen zerfressen), sondern auch die Korrespondenz. Natürlich auch seit 1849 alles komplett, seit 1862 sogar einigermaßen geordnet. Auch sehr weitläufiges schriftliches Material über die Internationale, ich denke, genügend für deren Gesamtgeschichte, hab's aber noch nicht näher ansehn können. Mathematische Arbeiten sind auch 3-4 Hefte da, Deinem Adolph2 hab' ich einmal ein Exempel von M[arx']s neuer' Begründung der Differentialrechnung1651 gezeigt. Wäre nicht das massenhafte amerikanische und russische Material (an russischer Statistik allein über 2 Kubikmeter Bücher) gewesen, der 2. Band wäre längst gedruckt. Diese Detailstudien haben ihn jahrelang aufgehalten. Es sollte wie immer alles vollständig sein bis auf den heutigen Tag, und jetzt ist alles das zu nichts geworden, ausgenommen seine Auszüge, worin hoffentlich nach seiner Gewohnheit viel kritische für die Noten des 2. Bandes benutzbare Glossen. Die Bilder sind hier3, sowie ich Zeit zum Verpacken finde, schicke ich sie Dir. Aber wie? Bookpost läßt keine solide Verpackung zu, Paketpost besteht noch nicht, und so ein kleines Paket per Paketagentur wird Heidengeld kosten. Vielleicht kannst Du mir angeben, wie es am besten geschieht. Von der 3. Aufl. habe ich bereits 5 Bogen letzte Korrektur gelesen, der Mann verspricht, 3 Bogen per Woche zu liefern. Dein F. Engels
Hepnerchen auf seine vielen langen Briefe jetzt zu antworten, hab' ich unmöglich die Zeit. Seine Berichte sind mir immer interessant, wenn auch mit viel persönlichem Tratsch versetzt und mit der Überlegenheit des eben erst Gelandeten verfaßt. Du mußt mich also bei ihm einstweilen entschuldigen. Schewitsch hat mir „würdevoll" geantwortet und bedauert meine „Kleinlichkeit".4 Die Würde steht ihm gut. Anwort bekommt er keine.
2 Adolph Sorge jun. -3 siehe vorl. Band, S.23 -4 siehe vorl. Band, S. 16 und 97/98
Ebensowenig Most, der ja alles bestätigen muß, was ich behauptet5, und eben deswegen so wütend wird. Ich glaube, er wird in dem Sektenland Amerika Anhang finden und eine Zeitlang Wirrnis anstiften. Aber das ist ja grade der Charakter der amerikanischen Bewegung, daß alle Irrtümer praktisch durchgemacht werden müssen. Stände hinter amerikanischer Energie und Lebensfülle europäische theoretische Klarheit, die Sache wäre bei Euch in 10 Jahren abgemacht. Aber das ist nun einmal historisch unmöglich.
26
Engels an Gabriel Deville in Paris
122, Regent's Park Road, N.W. London, den 12. August 83
Lieber Bürger Deville, Ich habe Ihren Brief und Ihr Manuskript erhalten'701 und danke Ihnen. Nächste Woche werde ich London verlassen und in ein Seebad fahren1711; dort werde ich Muße haben, mich mit Ihrer Arbeit zu beschäftigen, die ich Ihnen so bald wie möglich zurücksenden werde. Ihr Manuskript kommt zu einem günstigen Zeitpunkt: gerade gestern habe ich die Schlußredaktion der 3.deutschen Aufl. des „Kapitals" beendet und mir vorgenommen, an die Redaktion des 2. Bandes'21 zu gehen, sobald ich von der See zurück bin. Ihr Werk ist also gerade in dem Augenblick eingetroffen, da ich etwas freie Zeit habe. Den Teil, den Sie vor einiger Zeit an Marx geschickt hatten, habe ich gelesen; er schien mir sehr klar und sehr korrekt. Und da er den schwierigsten Abschnitt der Arbeit umfaßte, so ist nicht zu befürchten, daß es bei den übrigen Teilen Mißverständnisse gibt. Freundschaftlichst Ihr F. Engels
Aus dem Französischen.
27
Engels an Laura Lafargue in Paris
4, Cavendish Place, Eastbourne 19. Aug. 1883
Meine liebe Laura, Endlich raus aus London.[71] Sobald ich klarsah, schickte ich Percy (vergangenen Mittwoch1) hierher, sich nach Zimmern umzusehen. Er hat seine Sache gut gemacht und fand - nicht ohne Schwierigkeiten ein ausgezeichnetes Logis. Dicht an der Promenade, gegenüber dem Pier, hübsche Zimmer, nicht mehr Sonne als einem lieb ist, schöner Blick auf die See, gute Küche; das einzige, was wir bedauern, ist, daß Du nicht mit uns fahren konntest, weil es sich, zeitlich gesehen, nicht einrichten ließ. Freitag sind wir hier angekommen, Pumps, die Babys und das Kindermädchen, Nim, Jollymeier (der wieder etwas unpäßlich war, sich aber hier sofort erholte und uns bald verlassen wird) und ich. Richtiger schottischer Nebel bei der Ankunft und die ganze Nacht mit Unterbrechungen Sprühregen, sehr ermutigend! Aber am nächsten Tage herrliches Wetter, so daß wir unter Bäumen Spazierengehen und Nim den Ort etwas zeigen konnten. Heute, am Sonntag, schöner Morgen, aber es wird neblig; wir müssen es eben so nehmen, wie es kommt, jedenfalls sieht der Ort bis jetzt ganz anders aus als beim letzten Hiersein1725, das verregnet war. Es ist immens viel gebaut worden, das Wohnviertel der Stadt hat sich fast um das Doppelte vergrößert, alle Felder in Richtung Beachy Head und ein großer Teil des Abhangs sind bebaut worden. Pilsener Bier steht hoch im Kurs und ist sogar besser als in London. Nim und Pumps finden, daß hier alles billiger und besser ist als zu Hause. Das avorton2 von Emily Rosher ist gestern vor einer Woche gestorben, das Beste, was es tun konnte. Ich habe sofort an Deville geschrieben und den Empfang seines Ms.1701 bestätigt.3 Zur gleichen Zeit oder etwas später erhielt ich auch Sam
1 15.August-2 zu früh geborene Kleine - 3 siehe vorl. Band, S. 48
4 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
Moores Übersetzung4 - ich werde hier also außer meinen kolossalen Briefschulden noch eine Menge zu erledigen haben. Der Ort ist sehr überlaufen, aber die Menschen scheinen sich „freier und unbeschwerter" zu bewegen als früher. Sogar am Sonntagmorgen spielt der Zylinder nur eine sehr bescheidene Rolle, und man läuft fast überall „sportlich" gekleidet herum. Gerade stürmt die ganze Gesellschaft wieder herein, schrecklich durstig, Jollymeier muß das Pilsener aufmachen, und Du wirst begreifen, daß es keinen Zweck hat, gegen die Hindernisse anzukämpfen, die sich vor mir auftürmen und die nicht nur der rationalen, sondern auch der irrationalen Korrespondenz Einhalt gebieten. Gerade hat man die zweite Flasche aufgemacht, das kleine Mädchen krabbelt zwischen meinen Beinen herum, und so gebe ich es verzweifelt auf. Die ganze Gesellschaft läßt Dich herzlich grüßen und auch Paul, dessen halbe Zeit wir übermorgen mit einer Extrarunde Pilsener feiern werden.'61 Nim läßt Dir wörtlich bestellen, Du sollst „ihr Glück gut im Auge behalten, da sie es bald zu haben hofft".[73] Und so verbleibe ich, liebe Laura, in aufrichtigster Zuneigung
Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
* die englische Ubersetzung des ersten Bandes des „Kapitals"
28 • Engels an Wilhelm Liebknecht • 21. August 1883 51
28
Engels an Wilhelm Liebknecht in Borsdorf bei Leipzig
[Eastbourne] 2I.Aug. 83
Lieber Liebknecht, Dein Brief'741 ist wegen Abschlußarbeit der 3. Aufl.1 liegengeblieben, und dann bin ich hieher nach 4, Cavendish Place, Eastbourne, England übergesiedelt, wo ich bis ca. 12. Sept. zu bleiben gedenke.[71! Frau Marx starb 2. Dez. 81; Jenny 9. Jan. 83. Beides stand im „Sozialdemokrat]".2 Das Pariser „Vorwärts!" war ein kleines Blättchen, dem jetzt mehr Wichtigkeit zugeschrieben wird, als ihm gebührt, es war eine arge Bummelredaktion. M[arx] sorgte hauptsächlich dafür, daß diese im richtigen Gleis blieb, schrieb auch hie und da polemische Artikel und Notizen gegen die Preußen3. Heine sandte einen Teil der Aushängebogen des „Wintermärchens" aus Hamburg an M[arx] zum Abdruck im „V[or]w[är]ts!", ehe das Buch in Deutschland erschien.'751 Da ich überhaupt nur wenige Nrn. zu Gesicht bekam und das Blättchen nicht lange lebte, kann ich Dir nichts Genaueres mitteilen. In die „D[eutsche]-Br[üsseler]-Ztg." hat M[arx] ziemlich viel geschrieben, u. a. Polemisches gegen Heinzen4. Bebels Brief richtig erhalten, wird von hier aus beantwortet5, mußte mit aller andern Korrespondenz wegen Überarbeit liegenbleiben. Sage B[ebel], daß Schorl[emmer], der hier ist, dieser Tage nach Darmstadt geht und dort bis ca. Mitte Sept. bleibt. Falls B[ebel] bis dahin in jene Gegend kommt, läßt Sch[orlemmer] ihn bitten, es ihn wissen zu lassen (Adresse Prof. Schorl[emmer] Darmstadt genügt) und wo Sch[orlemmer] ihn treffen kann, er wird dann sein möglichstes tun, ihn aufzusuchen. Heute hat Laf[argue] seine halbe Zeit abgesessen.'61 n .
1 des ersten Bandes des „Kapitals"- 2 Friedrich Engels: „Jenny Marx, geb. v. Westphalen"; „Jenny Longuet, geb. Marx" — 3 „Kritische Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen'" i „ Illustrationen zu der neuesten Cabinetsstilübung Friedrich Wilhelm IV." - 4 „Die moralisierende Kritik und'die kritisierende Moral" 5 siehe vorl. Band, S. 56—58
29
Engels an Pasquale Martignetti in Benevento
Geehrter Bürger,
4, Cavendish Place, Eastbourne England, 22.August 1883 Ich bitte mich zu entschuldigen, wenn ich bis heute die Beantwortung Ihres Briefes vom 25./6. und Ihrer Karte vom 30./ 7. hinausgezögert habe.[76i Da ich die Redaktion der 3. deutschen Auflage des „Kapitals" in kürzester Frist beenden mußte, war ich gezwungen, jede Korrespondenz einzustellen. Ich kenne die Methode von Ahn nicht genug, auch ist mir das Wörterbuch, das Sie erwähnen, völlig unbekannt. Meine Methode, eine Sprache zu erlernen, war immer, mich nicht mit Grammatik zu beschäftigen (bis auf die Deklinationen und Konjugationen sowie die Pronomen), sondern mit dem Wörterbuch den schwierigsten klassischen Autor zu lesen, den ich finden konnte. So habe ich Italienisch mit Dante, Petrarca und Ariosto begonnen, Spanisch mit Cervantes und Calderön, Russisch mit Puschkin. Dann habe ich Zeitungen usw. gelesen. Für das Deutsche, meine ich, könnte der erste Teil von Goethes Faust geeignet sein; er ist größtenteils in volkstümlichem Stil geschrieben, und die Stellen, die Ihnen schwer erscheinen könnten, sind es ohne Erklärung auch für den deutschen Leser. Was die Werke von Marx usw. betrifft, so können Sie sich an die Redaktion des „Sozialdemokrat", Hottingen-Zürich, Schweiz, wenden, das offizielle Organ der deutschen Arbeiterpartei. Ich danke Ihnen für die Exemplare der Übersetzung1, die gut angekommen sind, sowie für Ihre nette Photographie; als Gegenleistung lege ich eine von mir bei. Ich verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung _ _ .
Die benutzte Londoner Adresse ist richtig; ich bin hier für einige Wochen an der See.[711 Aus dem Italienischen.
F. Engels
30
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
4, Cavendish Place, Eastbourne 27. Aug. 83
Lieber Bernstein, Inl. Postanweisung über £ 4 für den alten Becker1. Ich hoffe noch immer, daß die Nachricht, wie dies nicht das erste Mal, von seiner Familie übertrieben. Aber freilich, er ist sehr alt, hat viel durchgemacht, und Frau Lafargue sagte mir, er habe voriges Jahr in Genf bedeutend gealtert ausgesehn gegenüber seiner kräftigen Erscheinung im Haag.1771 Viel kann ich auch heute nicht schreiben. Die Post geht um 1 Uhr mittags von hier, und neben mir liegt Bogen 19 des „Kapital"2 zur Korrektur, die auch noch fort muß. Besten Dank für Ihren Vorschlag wegen K[aler]-R[einthal][78], aber leider kann ich keinen Gebrauch davon machen. Mit Ausnahme von Kleinigkeiten sind alle meine Extra-Arbeiten der Art, daß ich sie seihst besorgen muß. Und was ich allenfalls abschieben könnte, dann doch nur auf einen Mann, der coulant englisch spricht, London und hiesige Verhältnisse genau kannte und mir Gänge ersparen könnte. Ich bleibe hier bis ca. 12. Sept., solange ist obige Adresse gut, dann wieder London.[71) Hier außer Korrektur und rückständiger Korrespondenz zu besorgen: 1. Ms. von Deville, französische Popularisierung des „Kapital" l70\ 2. Ms., Stück der englischen Übersetzung3, beides stark revisionsbedürftig. Sie sehn, auch hier keine Ruh. Glücklicherweise wohne ich dicht an der See und sitze am offnen Fenster, durch das die Seeluft einströmt. Es hat mir sehr leid getan, daß Sie nicht hergekommen sind. Ich hätte so manches mit Ihnen zu besprechen. Man muß sich jedenfalls darauf gefaßt machen, daß ein Teil des M[arx]schen Nachlasses im Ausland erscheinen müßte4, und darüber können nur Sie mir Brauchbares mitteilen
1 Johann Philipp Becker - 2 der dritten Auflage des ersten Bandes in deutscher Sprache 3 des ersten Bandes des „Kapitals" -4 siehe vorl. Band, S.22
oder vorschlagen; das muß aber mündlich verhandelt werden, die Korrespondenz würde endlos. Bitte aber hiervon nichts zu sagen, damit die Leute von der dortigen Druckerei sich keine faulen Hoffnungen machen; meine Erfahrungen mit Parteidruckereien sind der Art, daß ich mich sehr besinnen würde, eh' ich einer eine größere und wichtige Arbeit übertrüge. Die Postanweisung behalte ich hier, da ausdrücklich darauf bemerkt ist, daß sie dem Empfänger nichts nützt. Ich habe Ihre Adresse aus dem Gedächtnis, 137 alte Landstraße Riesbach, angegeben, wenn unrichtig, bitte beim Züricher Hauptpostamt zu berichtigen. Der Vorschlag wegen dem frechen Ms. war mehr ein schlechter Witz.5 Unter dem Sozialistengesetz1331 und solange der „Sozialdemokrat]" einzig mögliches Organ ist, dürfen um keinen Preis wegen solcher Nebenpunkte Zankäpfel unter die Partei geworfen werden, und das geschähe, wollte man aus diesem Punkt eine „Prinzipienfrage" machen. Bei der Behandlung der „Republik", besonders in Frankreich, scheint mir der Hauptgesichtspunkt im „Sozialdemokrat]" nicht klar genug hervorzutreten'791; nämlich dieser: Im Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie nimmt die bonapartistische Monarchie (deren Charakteristika von M[arx] im „ 18. Brumaire" und von mir in der „Wohnungsfrage", II, und anderswo entwickelt) eine ähnliche Rolle wie im Kampf zwischen Feudalismus und Bourgeoisie die alte absolute Monarchie' [ein]. Aber wie dieser Kampf nicht unter der alten absoluten Monarchie ausgefochten werden konnte, sondern nur in der konstitutionellen (England, Frankreich 1789-92 und 1815-30), so der zwischen Bourgeoisie und Proletariat nur in der Republik. Wenn also günstige Bedingungen und revolutionäre Vorgeschichte den Franzosen zum Sturz des Bonap[arte]6 und zur bürgerlichen Republik verholfen haben, so haben die Franzosen vor uns, die wir in einem Mischmasch von Halbfeudalismus und Bonapartismus stecken, den Vorteil, die Form bereits zu besitzen, in der der Kampf ausgekämpft werden muß, und die wir uns erst erobern müssen. Sie sind uns um eine ganze Etappe politisch voraus. Eine monarchistische Restauration in Frankreich müßte also zur Folge haben, daß der Kampf um die Wiederherstellung der bürgerlichen Republik wieder auf die Tagesordnung käme; Fortdauer der Republik bedeutet dagegen steigende Verschärfung des direkten, unverhüllten Klassenkampfs von Proletariat und Bourgeoisie bis zur Krisis. Bei uns kann und muß das erste, unmittelbare Resultat der Revolution,
der Form nach, ebenfalls nichts andres sein als die bürgerliche Republik. Das ist hier aber nur ein kurzer Durchgangsmoment, da wir glücklicherweise keine rein republikanische Bürgerpartei haben. Die bürgerliche Republik, vielleicht mit der Fortschrittspartei1801 an der Spitze, dient uns zunächst zur Eroberung der großen Massen der Arbeiter für den revolutionären Sozialismus; das ist in einem oder zwei Jahren abgemacht und zur gründlichen Abarbeitung und Selbstruinierung aller außer uns noch möglichen Mittelparteien. Erst dann können wir mit Erfolg drankommen. Der große Fehler bei den Deutschen ist, sich die Revolution als ein über Nacht abzumachendes Ding vorzustellen. In der Tat ist sie ein mehrjähriger Entwicklungsprozeß der Massen unter beschleunigenden Umständen. Jede Revolution, die über Nacht abgemacht, beseitigte nur eine schon von vornherein hoffnungslose Reaktion (1830) oder führte unmittelbar zum Gegenteil des Erstrebten (1848 Frankreich). Ihr F.E.
Was sagen Sie zu folgendem: „Die letzte sogenannte rote Nummer der ,Rheinischen Zeitung'7 (dritte Auflage) vom 19. Mai 1849, welche an ihrer Spitze das Abschiedswort der ,Neuen Rheinischen Zeitung' von F. Freiligrath veröffentlichte, ist dieser Tage hier nochmals von der Polizei in Beschlag genommen worden. Ein Althändler hatte diese Schluß- und Abschiedsnummer des damaligen Organs der Demokratie in einer Anzahl Exemplare als Makulatur gekauft und verkaufte sie das Stück zu 10 Pf. Die Polizei machte der Sache durch Konfiskation der noch bei dem Händler vorhandenen Blätter ein Ende. Wenn die Beschlagnahme mit Rücksicht darauf geschah, daß der ganze miserable blaßrote Druck des Blattes den Augen der Leser verderblich werden muß, so mag das Publikum der Polizei Dank heißen; der Text dürfte heute kaum mehr ein Gemüt irgendwie erregen."[811
' ,Neae Rheinische Zeitung'
31
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig
4, Cavendish Place, Eastbourne 30. Aug. 83
Lieber Bebel, Ich benutze einen Moment Ruhe, um Dir zu schreiben.[82] In London die vielen Arbeiten, hier die vielen Störungen (3 Erwachsene und 2 kleine Kinder in einem Zimmer!) und dazu Korrektur1, Revision einer englischen Probeübersetzung und einer französischen Popularisierung des „Kapital"[701, da schreib einer Briefe! Von der 3. Aufl., die starke Zusätze enthält, hab* ich bis Bogen 21 korrigiert, bis Ende d. J. wird das Ding erschienen sein. Sobald ich zurück, geht's ernstlich an den 2. Band[2], und das wird eine Heidenarbeit. Neben vollständig ausgearbeiteten Stücken andres rein skizziert, alles Brouillon2, mit Ausnahme etwa von 2 Kapiteln. Die Belegzitate ungeordnet, haufenweise zusammengeworfen, bloß für spätere Auswahl gesammelt. Dabei die platterdings nur mir lesbare - und das mit Mühe - Handschrift. Du fragst, wie es kam, daß grade mir geheimgehalten wurde, wie weit das Ding fertig war? Sehr einfach: hätte ich das gewußt, ich hätte ihm bei Tag und Nacht keine Ruh gelassen, bis es ganz fertig und gedruckt war. Und das wußte M[arx] besser als jeder andre; er wußte daneben, daß das Ms. im schlimmsten, jetzt eingetretnen Fall, von mir in seinem Geist herausgegeben werden konnteE83), was er auch Tussy sagte. Was die Photographie3 angeht, so ist der Kopf ganz vorzüglich. Die Haltung ist gezwungen wie in allen seinen Photographien, er war ein schlechter „Sitzer". Etwas Provozierendes finde ich nicht darin, doch ist mir wegen der Steifheit der Haltung auch das kleine lieber als das große. Die Hamburger Wahl1841 hat auch im Ausland große Sensation gemacht. Unsre Leute halten sich aber auch mehr als musterhaft. Solche Zähigkeit, Ausdauer, Elastizität, Schlagfertigkeit und solcher siegsgewisse Humor im Kampf mit den kleinen und großen Miseren der deutschen Gegenwart
1 der dritten deutschen Auflage des ersten Bandes des „Kapitals" - 2 Entwurf - 3 von Marx
ist unerhört in der neueren deutschen Geschichte. Besonders prächtig hebt sich das hervor gegenüber der Korruption, Schlaffheit und allgemeinen Verkommenheit aller übrigen Klassen der deutschen Gesellschaft. In dem Maß, wie sie ihre Unfähigkeit zur Herrschaft beweisen, im selben Maß tritt der Herrscherberuf des deutschen Proletariats, seine Fähigkeit, den ganzen alten Dreck umzuwälzen, glänzend hervor. Bismarcks „kalte Wasserstrahlen nach Paris"1851 werden selbst den französischen Bourgeois lächerlich. Sogar ein so dummes Blatt wie der „Soir" hat entdeckt, daß es sich nur um neue Geldbewilligung für Soldaten (diesmal Feldartillerie) im Reichstag handelt. Was seine Allianzen angeht (er ist bis auf Serbien, Rumänien und nun gar Spanien heruntergekommen1861), so sind das alles Kartenhäuser, die ein Windstoß umbläst. Hat er Glück, so braucht er sie nicht, und hat er Pech, so lassen sie ihn mit dem Hintern im Dreck sitzen. Je größer ein Schurke, desto mehr glaubt er an die Ehrlichkeit der andern und geht daran zuletzt zugrunde. Soweit wird's mit Bismarck] in der auswärtigen Politik schwerlich kommen, denn die Franzosen tun ihm den Gefallen nicht, anzubinden. Nur der Herr Zar4 könnte aus Verzweiflung so etwas versuchen und dabei kaputtgehn. Hoffentlich geht er aber schon früher zu Hause kaputt. Das Manifest der demokratischen Föderation in London1871 ist erlassen von etwa 20-30 kleinen Vereinen, die seit mindestens 20 Jahren unter verschiednen Namen (immer dieselben Leute) sich immer wieder aufs neue mit immer demselben Mangel an Erfolg wichtig zu machen suchen. Wichtig ist nur, daß sie jetzt endlich genötigt sind, unsre Theorie, die ihnen während der Internationale als von außen oktroyiert erschien, offen als die ihrige proklamieren müssen; und daß in der letzten Zeit eine Menge junger Köpfe aus der Bourgeoisie auftauchen, die, zur Schande der englischen Arbeiter muß es gesagt werden, die Sachen besser begreifen und leidenschaftlicher ergreifen als die Arbeiter. Denn selbst in der demokratischen Föderation akzeptieren die Arbeiter das neue Programm meist nur widerwillig und äußerlich. Der Chef der demokratischen Föderation, Hyndman, ist ein Exkonservativer und arg chauvinistischer, aber nicht dummer Streber, der sich gegen Marx (bei dem er durch R.Meyer eingeführt) ziemlich schofel5 benommen und deswegen von uns persönlich links liegengelassen wurde.1881 Laß Dir um alles in der Welt nicht aufbinden, es sei hier eine wirklich proletarische Bewegung los. Ich weiß, Liebknecht will das sich selbst und aller Welt weismachen, es ist aber nicht
4 Alexander III. — 5 schwer lesbar
der Fall. Die jetzt tätigen Elemente können wichtig werden, seitdem sie unser theoretisches Programm akzeptiert und damit eine Basis erworben; aber nur dann, wenn hier eine spontane Bewegung unter den Arbeitern ausbricht und es ihnen gelingt, sich ihrer zu bemächtigen. Bis dahin bleiben sie einzelne Köpfe, hinter denen ein Sammelsurium konfuser Sekten, Reste der großen Bewegung der 40er Jahre'891, steht, und nichts mehr. Und eine wirklich allgemeine Arbeiterbewegung kommt hier - von Unerwartetem abgesehn - nur zustande, wenn den Arbeitern fühlbar wird, daß Englands Weltmonopol gebrochen. Die Teilnahme an der Beherrschung des Weltmarkts war und ist die ökonomische Grundlage der politischen Nullität der englischen Arbeiter. Schwanz der Bourgeois in der ökonomischen Ausbeutung dieses Monopols, aber immer doch an den Vorteilen derselben beteiligt, sind sie naturgemäß politisch Schwanz der „großen liberalen Partei", die sie andrerseits im kleinen hofiert, Trades Unions und Strikes als berechtigte Faktoren anerkennt, den Kampf um unbeschränkten Arbeitstag aufgegeben und der Masse der bessergestellten Arbeiter das Stimmrecht gegeben hat. Bricht aber Amerika und die vereinigte Konkurrenz der übrigen Industrieländer erst ein gehöriges Loch in dies Monopol (und in Eisen ist das stark am Kommen, in Baumwolle leider noch nicht), so wirst Du hier etwas erleben. Ich ließ Dir durch L[iebknecht] sagen6, falls Du zwischen jetzt und 12. Sept. etwa in die Nähe von Darmstadt kämst, es Schorlemmer, der dort ist, wissen zu lassen, damit er Dich irgendwo in der Gegend aufsuchen könne. Jetzt wird's wohl zu spät sein. Grüße Liebknecht.
Dein F.E.
32
Engels an Karl Kautsky in Stuttgart
London, 18. Sept. 83
Lieber Herr Kautsky, Was die Geiserei angeht, so halte ich es noch nicht an der Zeit, daß ich mich da einmische. Die Leute müssen sich erst mehr vor der Öffentlichkeit festreiten. Das bißchen Flugblatt und der gescheiterte Arbeitsrechtsantrag reichen nicht hin; sie müssen noch stärker herausrücken, damit man sie ordentlich fassen kann und sie sich nicht mit falschen Ausflüchten herauslügen können. Es wird indes sehr nützlich sein, wenn Sie Material in dieser Beziehung sammeln, der Moment kommt, wo man auf die Herren losschlagen muß. - Vorderhand hat's keine Eile. Bebel und der „Sfozialdemokrat]" haben, wie Sie ja selbst sagen, die Massen hinter sich, und Gegengift ist ja auch vorhanden. Daß Sie in dem Schwabenneschtle viel von dieser Sorte zu leiden haben, glaub' ich gern, aber Stuckert und München sind ja die schlechtsten Orte in Deutschland. Und dann hab' ich positiv nicht die Zeit, mich in eine Polemik einzulassen, die viel Mühe und Arbeit erfordern würde. Wenn's sein muß - ja denn! Das Flugblatt hierbei zurück.'901 Auf die Eheartikel kann ich aus Zeitmangel nicht wieder ausführlich eingehn.1911 Jedenfalls liegt die ursprüngliche Geschlechtergemeinschaft so weit zurück und ist durch Fort- oder Rückentwicklung so verdeckt, daß heute Beispiele in unverfälschter Form nirgends mehr zu erwarten sind. Aber alle späteren Formen führen auf diesen Urgrund zurück. Soviel halte ich für sicher, daß, solange Sie nicht das Eifersuchtselement als gesellschaftlich bestimmendes (in der Urzeit) ganz fallenlassen, eine richtige Darstellung der Entwicklung nicht möglich wird. Überhaupt ist in allen diesen wissenschaftlichen Untersuchungen, die so weites Gebiet und massenhaftes Material umfassen, nur durch langjähriges Studium möglich, etwas Wirkliches zu leisten. Einzelne neue und richtige Gesichtspunkte, wie sie sich ja auch in Ihren Artikeln finden, bieten sich schon eher; aber das Ganze übersehn und neu ordnen, kann man erst, wenn man es erschöpft hat. Sonst wären Bücher wie das „Kapital" viel zahl
reicher. Es freut mich daher zu sehn, daß Sie auf Themata gekommen sind für die sofortige schriftstellerische Bearbeitung - wie die biblische Urgeschichte und die Kolonisation, wo mit weniger erschöpfendem Studium der Details immer noch etwas zu leisten ist und wo man dabei doch zeitgemäß wirkt. Der Kolonisationsartikel1921 hat mir sehr gefallen. Leider haben Sie meist nur deutsches Material, das wie gewöhnlich matt gefärbt ist und die grellsten Schlaglichter der tropischen Kolonisation nicht gibt und nicht den neusten Modus. Dieser ist die Kolonisation im Interesse der Börsenschwindelei, wie jetzt von Frankreich in Tunis und Tonkin'581 direkt und anerkannt betrieben. Für den Südsee-Sklavenhandel hier ein neues schlagendes Beispiel: Die versuchte Annexion von Neu-Guinea etc. durch Queensland war direkt auf Sklavenhandel berechnet. Fast am selben Tage, wo die Annexions-Expedition nach Neu-Gumea abging, ging ein Queensländisches Schiff: „«Samt?" (»Fanny") nach dort und den östlich gelegnen Inseln ab, um labour1 zu kapern, kam aber mit Verwundeten und unangenehmen sonstigen Kampf spuren ohne labour zurück. Die „Daily News" erzählt es und bemerkt in einem Leitartikel, die Engländer könnten kaum den Franzosen wegen derlei Praktiken Vorwürfe machen, solange sie Gleiches täten! (Anfang Sept.)'931 Der vorige Woche in Nottingham tagende Trades-Unions-Congress hat Adam Weilers Vorschlag, auf internationale Fabrikgesetzgebung zu dringen, auf des „ Arbeiter"-Parlamentlers Broadhurst Antrag mit 26 gegen 2 Stimmen verworfen.'941 Das sind Liebknechts vielgepriesne Trades Unions!'951 Warum schreibt der Fritz Denhardt nicht mehr in die „Neue Zeit"?1961 Er schrieb sehr nett und lustig. Die Zeitschrift selbst hat natürlich mit schauerlichen Schwierigkeiten zu kämpfen: die hier vorgeschriebne Selbstzensur ist tausendmal schlimmer als es die alte offizielle Zensur war. Siehaben noch verschiedne sonderbare Mitarbeiter und werden selbst oft genug nach besseren lechzen. Jedenfalls hat die Sache für Sie den Vorteil, daß Sie Ihre wissenschaftlichen Studien nebenbei fortsetzen und die Resultate langsam reifen lassen können. Beiläufig bietet Java den Beweis, daß die Bevölkerung sich nirgend und nie so rasch vermehrt als unter dem System einer nicht zu drückenden Arbeitshörigkeit: 1755 - 2 Mill.,- 1826 - 51/« Mill.; 1850 - 9 Mill.; 1878 19 Mill.; - in 125 Jahren fast verzehnfacht - das einzige Exempel annähernd Malthusscher Steigerung. Schicken Sie die holländischen Aussauger weg, und die Bevölkerung wird ziemlich stabil werden.
Adler war hier, grade als ich an die See ging und wieder als ich zurückkam; er ist ein Mann, aus dem noch was werden kann. Er hat hier manches gesehn, was ihm nützlich werden kann.'971 Von Stuttgart gestern Postanweisung auf £ 6.3 für die Photographien2 erhalten, aber ohne Begleitbrief. Wollen Sie Dietz bitten, mir in 2 Zeilen gefl. mitzuteilen, welcher Namen (Vornamen) und Adresse (in Stuttgart) bei Herausnahme der Post angegeben wurde? Die hiesige Post ist sehr pedantisch in solchen Sachen, und wenn ich im geringsten abweichend angebe, erhalte ich das Geld nicht. Der 2.Band des „Kapitals" '2' wird mir noch Arbeit genug machen. Der größte Teil des Ms. datiert von vor 1868, und ist stellenweise reines Brouillon3. Das zweite Buch wird die Vulgärsozialisten sehr enttäuschen, es enthält fast nur streng wissenschaftliche, sehr feine Untersuchungen über Dinge, die innerhalb der Kapitalistenklasse selbst vorgehn, gar nichts, woraus man Stichwörter und Deklamation fabrizieren kann. Pumps hat bereits zwei Kleine. Tussy M[arx] hat sich in der Nähe des Britischen Museums einmöbliert. Lenchen führt mir die Haushaltung. Besten Gruß. Ihr F.E.
33
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 19. Sept. 1883
Meine liebe Laura, Endlich aus Eastbourne zurück'711, wo die Umstände das Briefschreiben erschwerten, ja fast unmöglich machten. Wenn Korrekturbogen1 eintrafen 3mal wöchentlich -, ließ mich meine Gesellschaft an meine Arbeit gehen, aber es war stillschweigend vereinbart, daß ich nicht noch mehr verlange und wirklich, wie hätte ich denn Frieden und Ruhe verlangen können in dem einzigen Wohnraum, der uns allen zur Verfügung stand, besonders wenn sie der Durst nach Pilsener zu bestimmten Tageszeiten hereintrieb? Außerdem war ich mit Sam Moores Probeübersetzung2 beschäftigt, die zum größten Teil sehr gut und lebendig ist; der Anfang - ein ziemlich schwieriges Kapitel - erforderte jedoch viel „Aufmerksamkeit", da er in der Terminologie nicht exakt genug war, aber das konnte leicht in Ordnung gebracht werden. Nach dem, was ich gesehen habe, bin ich fest überzeugt, daß er die Sache gut machen wird. Mit der Durchsicht von Devilles Pamphlet'701 habe ich ebenfalls begonnen, das erfordert mehr Arbeit, besonders am Anfang, wo große Präzision notwendig ist, an der es jedoch hie und da fehlt. Aber das in Ordnung zu bringen, wird mir keine Schwierigkeiten machen, nur brauche ich eine oder zwei Wochen dazu. Morgen werde ich ernstlich an die Arbeit gehen. Soweit ich bis jetzt gekommen bin, gefällt mir seine Arbeit sehr, er hat (bis auf kleine Details) alles gut verstanden, und sie ist lebendiger geschrieben, als ich erwartet hatte. Sobald ich damit fertig bin, fange ich mit dem 2. Bd. des „Kapitals" '21 an. Ich hoffe, Du hast meine Postkarte'981 mit der Auskunft, um die Du mich gebeten hattest, erhalten. Sie ging einen Tag nach Eintreffen Deines Briefes ab.
1 der dritten deutschen Auflage des ersten Bandes des „Kapitals" - 2 des ersten Bandes des „Kapitals"
Wir kamen am letzten Freitag3 zurück, Pumps und Percy blieben über Sonntag hier, da ihr Haus nicht in Ordnung ist. Inzwischen hatten wir ein schweres Gewitter und fürchterlichen Regen an verschiedenen Stellen in London, so daß ihr hinteres Wohnzimmer unter Wasser stand. Sonst geht es ihnen gut. Der kleine Junge entwickelt sich prächtig, er war gestern fünf Monate und ist für sein Alter außerordentlich aufgeweckt. Nim erklärt, sie muß ihre Bierration reduzieren. Sie glaubt, es macht sie zu dick. Heute morgen kam Lopatin vorbei; seine Abenteuer haben ihn bedeutend reifer gemacht.1"1 Er wird gleich wieder hier sein und mit uns zu Mittag essen. Er sagt, er habe Paul vor kurzem gesehen und ihn entsprechend den Umständen gesund und wohl gefunden.161 Tussy habe ich noch nicht gesehen, ich nehme an, sie ist nicht in London; ich schrieb ihr ein paar Zeilen, aber sie ist am Sonntag nicht gekommen. Sobald Nim kann, wird sie zu ihr gehen. Von meinem kleinen Pamphlet „Entwicklung"4 usw. sind zwei Auflagen bereits verkauft, die dritte ist im Druck.1181 Das beweist jedenfalls, daß es für die Masse der Arbeiter in Deutschland nicht zu schwer ist. Wenn dieser Brief eintrifft, wird Paul 2/3 seiner Zeit „abgesessen" haben ich hoffe, er wird auch in den zwei letzten und härtesten Monaten den Mut nicht sinken lassen. Von der 3. Aufl. des „Kapitals" habe ich die Korrektur bis Seite 448 gelesen, wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird das Ganze im Dezember fertig sein. Es tut mir leid, daß Mohr nicht mehr erlebt hat, wie gut'sich die Sache diesmal anläßt: keine Verzögerung, kein Ärger mit den Druckern, die geringste Beanstandung wird sofort in Ordnung gebracht, ausgezeichnete Korrekturabzüge mit sehr wenig Fehlern. Leipzig scheint endlich, mindestens was den Druck anbelangt, „ein klein Paris"5 zu werden.11001 Eis war höchste Zeit. Damit schließe ich den Sack mit den diversen Neuigkeiten, um vor Eintreffen Lopatins noch einige Kleinigkeiten zu erledigen. Beste Grüße an Paul, Dir einen herzlichen Kuß. In Zuneigung Le genital pour rire6
Aus dem Englischen.
3 M.September - 4 „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" 6 in der Handschrift deutsch: „ein klein Paris" - 6 Der fröhliche General
34
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 3. Okt. 1883
Meine liebe Laura, Anbei ein Scheck über £ 14, wovon £ 4 Dein 1/3-Anteil von den £ 12 sind, die Meißner für die 2te Auflage des „Kapitals" schickte, £ 4 für Tussy und £ 4 für Longuets Kinder, was Tussy einstweilen auf die Bank gebracht hat, bis sie noch mehr Geld beisammen haben und wir gemeinsam mit Dir überlegen können, was in ihrem Interesse geschehen soll. Jollymeier, der von Paris ganz begeistert ist, reiste gestern abend ab. Er sagt, Du würdest zu Weihnachten herüberkommen - hoffentlich ist es wahr! Heute schicke ich Dir per Einschreiben die Seiten 1-123 von Devilles Ms.1701 Ich kann seinen Brief mit seiner Adresse nicht finden. Der Mangel an der Sache ist, daß große Teile etwas zu flüchtig gearbeitet wurden. Das ist hauptsächlich bei den beschreibenden Teilen der Fall (besonders bei manufacture et grande industrie)1. Wichtige Stellen treten keineswegs so hervor, wie sie sollten. Es genügt nicht, soviel wie möglich Marx wörtlich aufzunehmen; sie dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden, sonst geben sie Anlaß zu falscher Interpretation oder lassen vieles relativ unverständlich. D[eville] täte gut daran, diese beiden Kapitel noch einmal zu überarbeiten und durch einige Beispiele aus dem Original zu vervollständigen, ohne die sie sehr abstrakt und für den Arbeiter-Leser unverständlich sind. Auch in den theoretischen Teilen sind viele kleine Ungenauigkeiten (einige allerdings auch schwerwiegender Art, wie z. B. seine Definition von marchandise2) und des choses faites ä la hate3, aber in den meisten Pällen war es nicht allzu schwer, dies mehr oder weniger richtigzustellen. Auch könnten viele Stellen, die für die theoretische ökonomische Wissenschaft von Wichtigkeit und Interesse, aber für die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit ohne unmittelbare portee4 sind, weggelassen werden. Ein oder zwei Stellen habe ich angemerkt.
1 Vgl. vorl. Band, S. 81/82 - 2 Ware - 3 Dinge, die flüchtig gemacht sind - 4 Bedeutung
Damit schließe ich. Obwohl ich mich wesentlich besser fühle, muß ich auf Anordnung noch einige Tage möglichst ruhig liegen, und so verbleibe ich mit den besten Grüßen an die Gefangenen161 und mit herzlichen Grüßen von Nim und mir in Zuneigung stets Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
5 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
35
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 15. Okt. 1883
Meine liebe Laura, Mein letzter Brief war sehr schroff. Aber ich durfte nicht lange am Schreibtisch sitzen und mußte - wie Du einsehen wirst - zuerst an Deville schreiben. So konnte ich Dir nur ein paar Worte sagen, und die müssen wirklich sehr wenig freundlich gewirkt haben. Verzeih mir. Ich habe mich also entschlossen d'en finir avec cette sacree maladie chronique1. Seit Mittwoch2 abend bin ich im Bett geblieben, um jedem Vorwurf aus dem Weg zu gehen, die ständige Ursache all meiner Rückfälle sei zuwenig Ruhe und die Versuchung, mich zu bewegen. Heute geht es mir ausgezeichnet, und ich habe Lust zu tanzen. Aber das ist gerade der Moment, wo absolute Ruhe am nötigsten, und deshalb werde ich mich nicht eher aus dem Bett rühren, bis das Bett mir mehr schadet als nützt. Wenn nichts Unvorhergesehenes eintritt, denke ich noch vor Ende der Woche en pleine guerison3 zu sein. So, das wird Dich nun hoffentlich zufriedenstellen, soweit es meine Gesundheit betrifft. Ich verstehe sehr gut, was Jollymeier mit seinem Brief an Dich sagen wollte.11011 Gumpert hatte ihm einen Wink gegeben - wenn auch in meinem Fall schrecklich übertrieben - aber G[umpert] konnte sich nicht in meine Behandlung durch einen anderen Arzt einmischen. Trotzdem meine ich, Jollymeier hätte einen anderen Weg finden können, um G[umpert]s Skrupel hinsichtlich der ärztlichen etiquette zu zerstreuen, als Dich zu erschrecken. Immerhin habe ich Deinen Brief dazu benutzt, meine Ärzte ein bißchen aufzurütteln, und das mit Erfolg. Ich hab* ihnen Beine gemacht4, und jetzt ist energische Behandlung Mode. Aber genug davon. Nur tut es mir sehr, sehr leid, daß ich auf Deinen Brief und Deine liebe Anteilnahme, die ihn Dir in die Feder diktierte, in einer so wenig freundlichen Art reagiert habe. Das hat mich die ganze Zeit
1 diese verflixte chronische Krankheit auszukurieren - 2 10. Oktober - 3 völlig wiederhergestellt-4 in der Handschrift deutsch: Ich hab' ihnen Beine gemacht
bedrückt, und dennoch wollte ich Dir erst dann schreiben, wenn ich von einer entschiedenen Besserung und guten Aussichten auf baldige gänzliche Genesung. berichten konnte. Fortin hat geschrieben, er möchte ein Vorwort5 und stellt an die 20 Fragen. Ihre gründliche Beantwortung würde ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen. Tussy war hier, als sein Brief ankam, ich las ihn vor, und ich wünschte, Du hättest hören können, wie wir über die endlose Reihe von Fragen gelacht haben, von denen jede einen ganzen Band zur genauen Beantwortung erfordert hätte. Ich werde ihn bitten, mir das Manuskript zu schicken6 und den Rest für bessere Zeiten lassen. Heute Korrekturbogen7 bis Seite 600 gelesen. Tussy hat versprochen, die amerikanischen Berichte für Paul herauszusuchen.111021 Es wird Zeit für die Post und auch fürs Mittagessen. Aber bevor ich schließe noch folgendes: Deville schreibt, er hat keine Zeit, die 3 von mir angemerkten Kapitel8 umzuarbeiten. Ich bitte Dich und Paul, doch alles zu tun, um ihn dazu zu bewegen, sie so weitgehend wie möglich zu überarbeiten. So wie sie sind, sind sie nur verständlich für Leute, die das Original kennen. Er sagt, der Verleger läßt ihm keine Zeit dafür. Aber es kann doch nicht alles auf einmal gedruckt werden!! Vierzehn Tage würden schon genügen, und es würde eine großartige Verbesserung bedeuten. Herzliche Grüße an die Gefangenen, die nun bald frei sein werden.[6] Einen Kuß von Nim und von mir. In Zuneigung Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
s zur französischen Übersetzung des „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte" (siehe vorl. Band, S.395) - 6 siehe vorl. Band, S.633 - ' der dritten deutschen Auflage des ersten Bandes des „Kapitals" - 8 siehe vorl. Band, S.64
36
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
. . London, 8. Nov. 83 Lieber Bernstein, Ich liege seit einigen Wochen im Bett, um eine an sich leichte, aber lästige und vernachlässigte chronische Krankheit auszukurieren, in einigen Tagen werde ich wieder aufsein. Daher mein Schweigen. Bitte entschuldigen Sie mich auch bei Kautsky, von dem ich nicht weiß, ob er noch in Stuckert ist. Der Artikel über das Recht auf Arbeit war sehr gut und sehr a propos. K[autsky] hatte mich auch schon deswegen bombardiert1, und ich bin ganz bereit, sobald es nötig wird; aber ich denke, man läßt die Herren sich erst noch ein wenig hineinreiten; sie sollen erst bestimmter formulieren, was sie sich darunter vorstellen; man muß die Leute nie verhindern, ihren Unsinn „voll und ganz" auszusprechen, erst dann bekommt man etwas recht Faßbares. Hoffentlich engagiert Ihr Artikel die Leute, dies zu tun. Wenn den Pariser Deutschen jetzt nicht der Star wegen Malon & Co. gestochen, so ist ihnen nicht zu helfen. Ihre offne Allianz mit den Verrätern der englischen Arbeiterbewegung, den offiziellen Vertretern der Trades Unions, hat ihnen den Beifall der ganzen englischen Bourgeoispresse eingetragen, von „Times" und „Daily News" zum „Standard". Wie gut, daß Guesde und Lafargue brummten'61, damit dies Prachtstück sich ganz ungestört ausspielen konnte!'1031 Apropos. Kennen Sie einen Dr. Moritz Quarck (sie!) in Rudolstadt? Dieser mir gänzlich Unbekannte beruft sich auf eine mir ebenfalls unbekannte Schrift gegen einen noch viel unbekannteren Fleischmann'1041 und will die „Misere de la Philosophie" verdeutschen. Ich habe wenig Fiduz. Nun lassen Sie mich bald einmal etwas hören von dem, was in der Welt vorgeht, ich bin so dumm geworden bei dem Lungern im Bett, daß ich meine Gedanken gar nicht mehr zusammenhalten kann. rl F. E.
37 • Engels an Vera Iwanowna Sassulitsch • 13. November 1883 69
37
Engels an Vera Iwanowna Sassulitsch in Genf 122, Regent's Park Road, N.W. T . , - . London, den 13. Nov. 83 Liebe Bürgerin, Ich bin kaum imstande, auf die Fragen zu antworten, die Sie an mich gerichtet haben.11051 Die Veröffentlichung des zweiten Bandes des „Kapitals" im Originaltext ist noch sehr im Verzug; ich mußte mich bis jetzt vor allem mit der 3. Auflage des ersten Bandes beschäftigen. Bis heute habe ich aus St.Petersburg noch keine Mitteilungen über die Veröffentlichung einer russischen Übersetzung des 2. Bandes erhalten. Ich glaube auch nicht, daß man gegenwärtig an eine derartige Veröffentlichung in der russischen Hauptstadt denkt; man wird zweifellos vorher den deutschen Text sehen wollen. Andererseits ist die politische Situation in Rußland so gespannt, daß eine Krise von einem Tag zum anderen ausbrechen könnte. Ich halte es sogar für möglich, daß die Pressefreiheit in Rußland eher erreicht wird als in Deutschland. Und in diesem Falle könnte der Übersetzer des ersten Bandes, T. JI[onaTHH], mit einigem Recht auch die Übersetzung des zweiten Bandes für sich beanspruchen.11061 Ich glaube daher, daß es ein wenig verfrüht wäre, jetzt schon eine endgültige Entscheidung treffen zu wollen. Ich merke Ihr freundliches Anerbieten vor und danke Ihnen aufrichtig dafür; vielleicht werden wir in einigen Monaten klarer sehen und können uns dann von neuem darüber unterhalten. Sie machen mir eine große Freude mit der Nachricht, daß Sie die Übersetzung meiner „Entwicklung usw."1 übernommen haben; ich erwarte Ihr Werk mit Ungeduld und weiß die Ehre wohl zu schätzen, die Sie mir erweisen. Seien Sie, liebe und mutige Bürgerin, meiner tiefsten Ergebenheit versichert. _ „ . t. Engels An die Bürgerin Vera Sassulitsch
Aus dem Französischen. 1 „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft"
38
Engels an Max Quarck in Rudolstadt
London, 13. Nov. 83
Geehrter Herr, Ich habe Sie lange auf Antwort warten lassen.1 Erstens weil ich wegen eines im Grunde leichten, aber langwierigen Unwohlseins das Bett hüten muß, und zweitens weil Sie nicht der erste sind, der sich in der betreffenden Angelegenheit an mich gewandt hat. Ehe ich Ihnen antworten konnte, mußte ich daher weitere Erkundigungen einziehn. Das Resultat ist, daß Herr E.Bernstein in Zürich nun definitiv die Absicht ausspricht, die „Misere etc."2 zu verdeutschen und meinen Beistand in Anspruch nimmt. Diesen kann ich ihm unmöglich versagen, da er mir zuerst davon gesprochen, da seine Befähigung dazu mir bekannt, und der sofortige Druck in Zürich gesichert ist, falls es sich herausstellen sollte, daß die Veröffentlichung in Deutschland selbst auf Schwierigkeiten stoßen sollte. Unter diesen Umständen und im Bewußtsein, daß weder ich noch sonst jemand juristisch befugt ist, Sie oder andere an der Herausgabe einer Übersetzung jener Schrift zu verhindern, bleibt es mir nur noch übrig, Ihnen meinen Dank dafür auszusprechen, daß Sie es für angemessen hielten, sich überhaupt in dieser Angelegenheit an mich zu wenden.
Mit Hochachtung Ihr ergebenster F. Engels
39
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 13. Nov. 83
Lieber Bernstein, Inl. für V. Sassulitsch.1 Wegen Quarck2 haben Sie mir einen Stein vom Herzen gewälzt. Ich habe ihm geschrieben, Sie hätten sich zuerst gemeldet, und würden die „Misere etc." übersetzen.311071 Damit ist der Mann beseitigt. Seine Broschüre'1041 ist „Quarck". Marx würde mir nachts den Hals umdrehn, gäbe ich zu, daß er von diesem breitmäuligen Hohenzollernanbeter und konservativen Staatssozialisten übersetzt würde. Jetzt müssen wir aber auch etwas Ordentliches machen. Keine Fabrik-r arbeit, das Ding ist gar nicht so leicht. Sie könnten mir, wenn so weit, das Ms . etwa des ersten Bogens einschicken, das gäbe uns Gelegenheit, uns über den ganzen modus operandi zu verständigen. Plechanows Broschüre'1081 hat man mir nicht geschickt, nur das „Manifest" und „Kapital und Lohnarbeit"4. Ich erfahre daraus, daß hiervon eine deutsche Ausgabe erschien'1091, warum hat man mir und den Erben Marx' nicht geruht, ein Ex. zu schicken? Von der neuen Ausgabe des „Manifests" (deutsch) habe ich ebenfalls nie ein Ex. erhalten. Ebensowenig von der 3. Aufl. „Entwicklung"[1S1. Was aus der eigens für Separatabdruck zurechtgestutzten „Mark" 'uo] geworden, darüber habe ich nie ein Wort gehört. Das passiert einem freilich nur bei „gemütlichen" Deutschen. Von Porträts von mir existiert nur das, was Sie haben, ich glaube nicht, daß der Mann (in Brighton) Massenabzüge wohlfeil machen würde, will's aber versuchen. Sie sehn, ich trage Ihrer Expedition5 nichts nach, hochdieselbe könnte aber auch wohl etwas weniger empfindlich gegen einen schlechten Witz sein, sintemal sie sich derer in jeder Nr. eine halbe Spalte voll erlaubt.
1 Siebe vorl. Band, S. 69 - 2 siebe vorl. Band, S. 68 - 3 siebe vorl. Band, S. 70 - 4 Karl Marx: „Lohnarbeit und Kapital" - 5 des „Sozialdemokrat"
Mit „droit a la paresse" nehmen Sie sich in acht.'1111 Selbst den Franzosen war das stellenweise zu stark und ist von Malon und Brfousse] sehr gegen Lfafargue] ausgebeutet worden. Sehn Sie ja zu, daß Sie den Heulern11121 in diesem Moment keinen wohlfeilen Vorwand geben, auch Freund Bfebel] ist in dieser Beziehung noch etwas Germane. Dabei fällt mir das „Arsch"gedieht ein. Wenn der Verfasser alle die darin aufgeführten Heldentaten wird begangen haben, kann er sie auch besingen. Übrigens Sprech' ich von Geschlechtsteilen, und kann mich nicht gut mit Leuten in Diskussionen einlassen, die ihren Hintern mit dazu rechnen. Freund Lawrow muß es allerdings hart angekommen sein zu unterschreiben, daß er und seine Russen jetzt „definitiv mit ihren anarchistischen Traditionen gebrochen haben".'1131 Nicht, daß er viel drauf gab, aber es war doch etwas apart „Russisches". Übrigens ist er ein sehr braver alter Kerl, der aber immer die Henne ist, die an ihrer „russischen Jugend" Enteneier ausbrütet und die Entchen mit Entsetzen auf das horrible Wasser gehn sieht. Das ist ihm jetzt zum x-tenmal passiert. Kautskys Herkunft wird mich sehr freuen, hoffentlich bin ich dann wieder auf dem Damm. Ihr F.E.
40
Engels an Johann Philipp Becker in Genf
... ., London, 30. Nov. 83 Lieber Alter, Es hat mich unendlich gefreut, wieder Zeilen von Deiner Hand zu erhalten. Ich konnte nirgendwo etwas Näheres darüber erfahren, wie es Dir ging und freue mich nun doch zu wissen, daß Du wenigstens einigermaßen wieder auf den Beinen bist.'1141 Ich liege auch seit reichlich einem Monat im Bett, um eine an sich leichte, aber sehr störende und langwierige Krankheit auszukurieren, und kann daher nur sehr kurz schreiben, da mir jede nicht ganz horizontaleLage verboten ist. Ich werde aber wohl bald auch wieder aufstehn und an die sehr gehäufte Arbeit gehn können. Sobald ich wieder zur Ordnung von Marx' Papieren schreiten kann, will ich die gewünschten Sachen'1151 heraussuchen, es ist aber noch alles in der größten Unordnung, da ich alles selbst besorgen muß. Frau Lafargue wohnt seit einem Jahr und länger schon in Paris, und die jüngste Schwester1 hat sich in der Nähe ein paar Zimmer möbliert - in der Nähe, d.h. eine halbe Stunde von hier, und da ich doch allein über Wichtigkeit oder Unwichtigkeit der Unmasse Papiere etc. entscheiden muß, ist es begreiflich, daß sie bei ihren vielen literarischen Beschäftigungen mir das Ordnen überläßt. Ich hoffe auch, daß ich Dich alten Kriegskamerad noch einmal irgendwo treffe - wer weiß, ob nicht wieder, wie damals, in Durlach und Vöhrenbach mitten in der Kampagne?11161 Das wäre gar zu schön. Und lange kann der jetzige Schwindel doch nicht mehr dauern, falls nicht Herr Bismarck durch einen allgemeinen Krieg, auf den er offenbar lossteuert, neuen Aufenthalt und momentane Störung der revolutionären Entwicklung schafft. Von der Post wirst Du Anweisung auf fünf Pfund St. erhalten. Jetzt muß ich mich aber wieder flach auf den Rücken legen. Leb wohl, Alter, mach, daß Du wieder stark wirst, und schreib zuweilen an Deinen alten treuen ~ r , t. tngels
41
Engels an Karl Kautsky in London11171
[London, I.Dezember 1883]
Lieber Kautsky, Was ist mit Ihnen los, daß Sie sich weder bei Tussy noch bei mir sehn lassen? Ihr F.E.
42
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 13. Dez. 1883
Meine liebe Laura, Eigentlich wollte ich Dir erst dann schreiben, wenn ich Dir hätte mitteilen können, daß ich wieder „auf den Beinen bin". Heute sind es acht Wochen, daß ich mich zur guten (oder vielmehr schlechten) Ruhe legte, und trotzdem ich mich wesentlich besser fühle und nur noch vorsichtshalber das Bett hüte, bin ich doch noch weit davon entfernt, meine Beine so benutzen zu können, wie es sein müßte. Diese armseligen „unteren Extremitäten", um mich schicklich auszudrücken, sind jämmerlich zusammengeschrumpft, und - was genauso schlimm - „hinten" ist an ihnen kaum noch etwas dran. Am schlimmsten aber ist, daß ich mich nur richtig wohl fühle, wenn ich flach auf dem Rücken liege; und in dieser unbequemen Lage zu schreiben, wird schnell zur Qual; Du mußt daher meine kurzen und seltenen Briefe entschuldigen. Pauls Artikel im „Progress"11181 habe ich mit großem Vergnügen gelesen, er trifft mehr als einen Nagel auf den Kopf. Hoffen wir, daß „Ble"11021 bald nach der Zeit des etrennes1 herauskommt und ihm bald der Roman folgt, auf den ich so begierig bin. Paul in Balzacs Pantoffeln, das wird gut! Übrigens habe ich, während ich zu Bett lag, kaum etwas anderes als Balzac gelesen und den alten Prachtkerl von Herzen genossen. Dort ist die Geschichte Frankreichs 1815 bis 1848 viel besser als bei all den Vaulabelles, Capefigues, Louis Blancs und tutti quanti. Und welche Kühnheit! Welch revolutionäre Dialektik in seiner poesievollen Gerechtigkeit! Aber leider fallen wir ja immer wieder von den blühenden Gefilden der Romantik auf das düstere Krankenlager der Wirklichkeit zurück. Es verspricht ein trauriges Weihnachtsfest zu werden! Bestenfalls gestattet man mir, es im ersten Stock zu verbringen, und befiehlt mir, mein Schlafzimmer aufzusuchen, wenn es gerade anfängt, gemütlich zu werden! Und keinen Tropfen, oder höchstens löffelweise, als Medizin! Aber da kann man nichts machen.
1 der Neujahrsgeschenke
Percy ist jetzt Partner von Garman & Rosher, Chartered Accountants, Walbrook House, E. C. Ich hoffe, er wird Glück haben. Sein Vater hat endlich das Notwendige herausgerückt und ihn etabliert, wenn auch mit der mürrischsten Miene und in der denkbar unfreundlichsten Art. Tussy hat wieder Neuralgie, sie wird uns heute abend besuchen, aber erst später, wenn dieser Brief schon weg ist. Die Jutas (er, sie und Willa) sind vorige Woche hier angekommen, da wird Tussy allerhand zu tun haben. Die 3. Aufl. des „Kapitals" ist jetzt vollständig ausgedruckt und wird sehr bald herauskommen; sowie wir Exemplare erhalten, schicken wir Dir eins. Pumps und Percy waren letzte Woche in Manchester; sie sagen, Jollymeier sei noch nicht wieder ganz gesund. Wenn wir alle wieder auf den Beinen sind, müssen wir die Zechereien vom letzten Sommer fortsetzen, und Du mußt dann auch Paul mitbringen, falls er nicht so unklug ist, sich wieder einsperren zu lassen. Bis dahin mille saluts an ihn und auch an Dich.
In Zuneigung Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
43
Engels an Eduard Bernstein in Zürich1171
[London, 22. Dezember 1883] Wenn Sie den „Labour St[andard]" noch haben, bitte ihn gleich an Lafargue zu schicken, er hat die Shiptonnotiz im „Cri du P[euple]" verarbeitet, und man will das Original, da die Sache Skandal macht.11191 Ich kann erst Montag oder gar Donnerstag (und vielleicht auch dann nicht) ein neues Ex. haben. Seit Samstag1 wieder auf, doch noch gar wacklig. Dem von der Mark haben Sie gut gedient.11201 Der Esel bildet sich ein, man soll Rücksicht drauf nehmen, was er sich unter „Staat" vorstellt! Grade wie Rodbertus dem M[arx] vorwirft, er stelle sich unter Kapital wirkliches Kapital vor, nicht aber den R[odbertus]schen „Kapitalbegriff"11211. Echt deutsch. Kautsky wieder da? Gruß Ihr F. E.
1 I5.Dezember
1884
44
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 1. Jan. 84
Lieber Bernstein, Vorab Prosit Neujahr an Sie, Kautsky und die gesamte Expedition1. Zweitens die Bitte, mir den ,,Soz[ial]dem[okrat]" voriger Woche zuzuschicken. Er sollte Samstag, 29. Dez., ankommen, ist aber bis heute noch nicht da. Seit 14 Tagen bin ich endlich wieder auf, bei fortwährender Besserung, und hoffe, in 8 Tagen wieder arbeitsfähig zu sein. Es ist auch verdammt nötig. Hoffentlich haben Sie sich nicht zu sehr entrüstet über meine vielen Änderungen in Ihrem Ms.t1071 Wie ich schon Kautsky sagte: wir können zwar M[arx']s Stil nicht nachmachen, aber der Stil muß doch der Art sein, daß er dem M[arx]schen nicht gradezu widerspricht. Halten Sie das ein wenig im Auge, so werden wir schon eine Arbeit liefern, die sich sehn lassen kann. Die Anmerkung wegen der amerikanischen Sklaverei2 wird gemacht, wie auch verschiedne andre. Manches werde ich in der Vorrede3 zusammenfassen können. Wie wahr die Stelle über die Sklaverei war, zeigt sich noch heute: die kapitalistische Produktion kommt in den Baumwollstaaten auf keinen grünen Zweig, weil sie - keine Kulis, Chinesen oder Indier hat, d. h. keine als freie Arbeiter verkleidete Sklaven; während sie in Cuba, Mauritius, Reunion usw. so weit und grade so weit floriert - als sie über Kulis verfügt. Wegen Ihrer früheren Anfrage wegen der Stelle in der Vorrede zum „Manifest" aus dem „Bürgerkrieg in Frankreich"11221 werden Sie sich wahrscheinlich mit der Antwort einverstanden erklären, die im Original
1 des „Sozialdemokrat" - 2 siehe Band 4 unserer Ausgabe, S. 132 — 3 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'"
(„Bürgerkrieg", S. 19ff.)4 gegeben ist. Ich schicke Ihnen ein Ex. für den Fall, daß Sie dort keins haben. Es handelt sich einfach um den Nachweis, daß das siegreiche Proletariat die alte bürokratische, administrativ-zentralisierte Staatsmacht erst umformen muß, ehe es sie zu seinen Zwecken vernutzen kann; wogegen alle Bourgeoisrepublikaner seit 1848, solange sie in der Opposition, diese Maschine heruntergerissen haben, sobald sie an der Regierung, sie ohne Änderung übernommen und ausgenutzt haben, teils gegen die Reaktion, noch mehr aber gegen das Proletariat. Daß im „Bürgerkrieg" die unbewußten Tendenzen der Kommune ihr als mehr oder weniger bewußte Pläne zugut gebracht sind, war unter den Umständen gerechtfertigt, selbst nötig. Die Russen haben mit ganz richtigem Takt diese Stelle aus dem „Bürgerkrieg" ihrer Übersetzung des „Manifests" angehängt. Wäre damals die Expedition nicht so gar eilig gewesen, so hätte man dies und noch andres auch machen können.'1231 Apropos, Sie sprachen einmal von Guesdes schlechtberufener Vergangenheit oder so etwas. Davon ist mir absolut nichts bekannt. Sicher nichts als Malonsche Perfidien, es wäre mir aber lieb, wenn Sie mich befähigten, diese Geschichte ins reine zu bringen. Dieser Tage schick' ich Ihnen ein Pfd. St. von Schorlemmer für sein Abonnement, Rest für Parteizwecke, heute ist's zu spät für Postanweisung. Endlich fängt's in Rußland wieder an. Die Schlittengeschichte mit dem Zar ist sehr verdächtig11241, und die mit Sudeikin dagegen sehr klär'1251. Wir haben Lust, dem Alexander per Telegramm „vergnügte Feiertage" zu wünschen. Hat Ihnen Tussy Marx „To-Day" und die letzten Nrn. von „Progress" geschickt? Wo nicht, werde ich's besorgen. Diese Sachen stehn ganz außerhalb der Trades-Unions-Bewegung und werden selbst von einer sehr gemischten Gesellschaft gehalten. Bax ist sehr brav, aber noch etwas grün, Aveling gut, aber hat wenig Zeit, um sich in die ihm ganz wildfremde Ökonomie hineinzuarbeiten, Joynes ein unsichrer Kantonist (war Schulmeister in der großen Pennelia zu Eton, reiste mit Henry George in Irland, wurde mit ihm verhaftet und verlor seine Stelle, sucht also, wo was zu machen ist), und Hyndman, ein streberischer Parteichef in partibus infidelium'1261, der erst eine Partei sucht und inzwischen in der Luft kommandiert, übrigens ganz gescheut. Man tut am besten, die Strebungen anzuerkennen, ohne sich mit den Personen zu identifizieren. Jedenfalls ist das Erscheinen von „To-Day" und die Verwandlung von „Progress" in
4 siehe Band 17 unserer Ausgabe, S. 335 -342
eine sozialistische Zeitschrift grade in diesem Moment, wo das Elend des Elast End of London zu sprechen anfängt, von großer Bedeutung. Dazu im ganzen Land stagnante Überproduktion, die jetzt zur Krisis zu drängen scheint. Die Umstände sind günstig, ob aber die Leute, die die Sache in die Hand genommen, diesen Umständen gewachsen, muß sich zeigen. Ganz im Sand verlaufen wie so viel frühere Anläufe, wird's diesmal schwerlich. Nun basta. So einen langen Brief hab' ich seit drei Monaten nicht geschrieben. Herzliche Grüße von Schorlfemmer] und mir an alle Freunde.
Ihr F.E.
45
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 9. Jan. 18841
Lieber Kautsky, (Warum sollen wir uns noch gegenseitig mit dem „Herrn" ennuyieren?) Die Nachricht wegen der Krönungsdekoration ist sehr charakteristisch und hat große Heiterkeit erregt, gleichzeitig ist dafür gesorgt, daß sie hier nicht vorzeitig in die Öffentlichkeit kommt, d.h. nicht ehe die Dekoration abgeliefert und bezahlt ist.11271 Außer Schorl[emmer], Lenchen und Tussy weiß kein Mensch davon. Besten Dank für Fr[ankel]s Adresse. Das Ding von Deville11281 ist, was die rein theoretischen Sachen angeht, der beste bis jetzt erschienene Auszug. Er hatte alles richtig verstanden und nur starke Nachlässigkeiten des Ausdrucks gebraucht, die ich im Manuskript entfernt habe. Dagegen ist der beschreibende Teil viel zu flüchtig gearbeitet, so daß er für Leute, die das Original nicht kennen, stellenweise total unverständlich ist. Dann hat er, was grade in einer populären Darstellung das Verständnis sehr erleichtert, das geschichtliche Auftreten der Manufaktur und großen Industrie als aufeinander folgender Geschichtsperioden viel zu sehr in den Hintergrund geschoben. (Man erfährt nicht einmal, daß die „Fabrikgesetzgebung" gar nicht in Frankreich spielt, sondern nur in England!) Und endlich gibt er einen vollständigen Auszug des Gesamtinhalts inkl. der Sachen, die M[arx] der Vollständigkeit der wissenschaftlichen Entwicklung wegen hineinsetzen mußte, die aber für das Verständnis der Mehrwertstheorie und ihrer Folgen (und darauf allein kommt es für einen populären Auszug an) nicht nötig sind. So über die Anzahl der umlaufenden Geldstücke usw. Dann aber auch nimmt er resümierende Sätze aus MJarx] wörtlich auf, nachdem er ihre Voraussetzungen nur unvollkommen gegeben. Dadurch werden diese Sätze oft ganz schief gestellt, so daß ich bei der Durchsicht sehr oft in den Fall kam, Sätze von M[arx] anfechten zu wollen, die im Original
1 In der Handschrift: 1883
6 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
eine durch das Vorausgegangne klargelegte Beschränkung erfahren, bei D[eville] aber eine ganz absolut allgemeine und damit unrichtige Geltung erhalten. Das konnte ich nicht ändern, ohne das ganze Ms. umzuficken. Was nun Ihre Übersetzung desselben11291 betrifft, so zwingt meine Stellung zu Meißner mich, eine ganz neutrale Stellung einzunehmen. Sobald Sie mir definitiv schreiben, daß Sie die Sache ausführen werden, beabsichtige ich, nach Rücksprache mit Tussy, die ganz meiner Ansicht, folgendes: Ich schreibe an Meißner, daß jemand die Absicht habe, D[eville]s Ding (was ich Meißner zuschicken werde) deutsch herauszugeben, ich sähe darin nichts, was dem Verkauf des „Kapital" schaden könne - eher nützen; auch könne ich es nicht hindern; denke er aber Schritte dagegen zu tun, so möge er es mich wissen lassen, ich würde das dann weiter mitteilen. Abstrakt betrachtet, d. h. abgesehn von Meißner -, ist eine neue populäre und kurze (halb den Umfang von Deville) Darstellung der Mehrwertstheorie sehr nötig, und DJevilles] Arbeit, soweit sie theoretisch, weit besser als die andern. Wegfallen müßte: 1. die genaue Anlehnung an die einzelnen Kapitel und Unterabschnitte des „Kapital", und 2. alles nicht zum Verständnis der Mehrwertstheorie Nötige. Dies schließt von vornherein Neubearbeitung des beschreibenden Teils, mit beträchtlicher Verkürzung, in sich. Dies wird auch den Bedenken Meißners die Spitze abbrechen, besonders wenn die Titel geändert, z.B.: Die unbezahlte Arbeit, und ihre Verwandlung in Kapital, oder so etwas. Schlimmstenfalls könnte das Ding bei Dietz gedruckt und in der Schweiz herausgegeben werden, wie Bebels „Frau"tl30!. Überlegen Sie sich also die Sache und schreiben Sie mir wieder darüber. Die beiden Photographien2 für Sie und Motteier liegen bei. Die Geschichte mit der fehlenden Nr. des „Sozialdemokrat]" hat sich inzwischen aufgeklärt-es ist der größte Erfolg, den die Sozial-Demokratie bis jetzt erreicht hat, daß sie es fertigbrachte, 53 Wochen ins Jahr zu bringen11311 ein wahres Wunder! Nur so fort, dann leben wir alle um 2 Prozent länger. Besten Gruß an Bernstein und Sie selbst von TL
Ich wollte Postanweisung für 1 Pfd. von Schorl[emmer] beilegen, es ist mir aber zu spät geworden - muß nächstens geschehn. Wann läuft mein undTussys Abonnement ab? Letztere hatte ihren „Sozialdemokrat]" bis vorgestern auch nicht erhalten, sollte das vergessen sein? Bitte nachsehn zu lassen.
46
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 14. Jan. 84
Meine liebe Laura, Anbei ein Scheck über £ 15, der die Unersättlichkeit des Hauswirts hoffentlich befriedigen wird. Hier herrscht der gleiche Mangel an Neuigkeiten, über den Du klagst, und die alte Nim und ich haben das Haus viel für uns allein, worüber zumindest ich mich nicht beschwere, da ich noch ziemlich wackelig bin und nur langsam Fortschritte mache. Percy hat in seinem neuen Unternehmen viel zu tun, und in letzter Zeit ging es ihm sehr schlecht: Rheumatismus, Rose an der Nase, und - um das Maß voll zu machen - Magenkatarrh. Gestern kamen Tussy und Aveling vorbei. „Gestern" erinnert mich an „To-Day"1, die Du wahrscheinlich bekommen hast. Eine ziemlich gemischte Gesellschaft2, von den meisten hätte Heine gesagt: Viel dunklere Wolke war die Idee, die ihr im Herzen getragen3. Aber es ist immerhin ein Anfang, und sie werden sich mit der Zeit assortieren4. Erhältst Du den „Sozialdemokrat"? Wenn nicht, laß es mich wissen. Ein Austausch der Publikationen zwischen Zürich und Paris wäre gut, das könnntest Du organisieren, es würde solche Fehler und Mißverständnisse, wie es sie vor einiger Zeit des öfteren gab, verhindern. Kautsky möchte Devilles „Capital" übersetzen'1291; ist ein Exemplar nach Zürich geschickt worden? Wenn nicht, dann sorge bitte dafür (Adresse: Redaktion ,,Soz[ial]dem[okrat]", Volksbuchhandlung, Hottingen-Zürich, Schweiz). Sollte diese Übersetzung gemacht werden, dann wird noch ein weiteres Exemplar an Meißner geschickt werden müssen, um hinterher keine Unannehmlichkeiten zu haben. Ich werde Dich davon in Kenntnis setzen, sobald es feststeht. Anbei 5 Photos von Mohr und 4 von mir. Von Mohr kannst Du so viele haben, wie Du willst, große oder kleine.
1 die Zeitschrift *To-Dayu („Heute") - 2 siehe vorl. Band, S. 79 - 3 dieses Zitat in der Handschrift deutsch - * siehe vorl. Band, S. 88 6*
Pauls Beispiele des siegreichen deutschen „goüt" 5 sind meistens uralt.11321 Daß die deutschen gravures pour enfants (Bilderbogen6) im allgemeinen gut sind, ist einfach zu erklären. Seit über 50 Jahren sind sie hauptsächlich in Düsseldorf, München usw. hergestellt worden und von jungen und oft begabten Künstlern entworfen, die diese Arbeit machen, um etwas Geld zu verdienen. Ich erinnere mich jedoch, daß vor 40 Jahren französische gravures dieser Art nach Deutschland kamen, viele von Adam, dem Pferdeund Soldaten-Maler, und sie den deutschen an Chic und Naturverbundenheit weit überlegen waren. Wenn das von den französischen Malern nicht fortgesetzt wurde, so deshalb, weil sie keinen Absatz fanden. - Beim Spielzeug erklärt sich die deutsche Überlegenheit 1. aus der Billigkeit, Hausindustrie bei Hungerlöhnen (vor kurzem von Dr.Emanuel Sax, „Die Hausindustrie in Thüringen" sehr gut dargestellt), und 2. daraus, daß es von Bauern entworfen wird; Städter werden niemals imstande sein, etwas für Kinder zu entwerfen, am allerwenigsten die französischen, die ihre eigenen Kinder hassen. - Für die Möbel nennt Paul selbst den Grund: die stupide Finanzpolitik der französischen Regierung. - Mit den künstlichen Blumen verhält es sich ähnlich: Arbeitsteilung und niedrige Löhne: wer kann in bezug auf Billigkeit mit dem Londoner East End oder mit Deutschland konkurrieren? Im allgemeinen wird der bourgeoise Geschmack so geschmacklos, daß sogar die Deutschen hoffen können, ihn zu befriedigen. Und ist erst einmal ein Gewerbe so heruntergekommen, daß es „billig und schlecht" zu seinem Marktprinzip macht, dann kann man sicher sein, daß die Deutschen einsteigen und alle Konkurrenz durch Aushungern ihrer eigenen Arbeiter ausschalten. Und da dies jetzt allgemein in allen Gewerben die Regel ist, erklärt sich daraus auch das Erscheinen deutscher Waren in allen Gewerben und auf allen Märkten. Ich habe Lawrow den „Standard" vom letzten Donnerstag geschickt, der einen Bericht über ein Interview seines Korrespondenten mit einem Petersburger Polizeichef enthält, und in dem L[awrow] an allem die Schuld gegeben wird - die ganze Sache ist natürlich für den Philister ins Werk gesetzt worden, aber auf so dumme Weise, daß die beabsichtigte Wirkung aus jedem Wort klar zu ersehen ist.11251 Jollymeier ist vergangenen Montag7 hier abgefahren, es ging ihm zwar viel besser, aber er war immer noch nicht der alte. Sam Moore ist überhaupt nicht gekommen, er hatte einen schlimmen Magenkatarrh und ist jetzt am Kanzleigericht in Manchester und Liverpool beschäftigt. Für einen Anfänger macht er sich in Rechtsangelegenheiten wirklich sehr gut. 5 „Geschmacks" - 6 in der Handschrift deutsch; Bilderbogen - 7 7. Januar
Heute früh Brief von Meyer8 erhalten, der mich informiert, daß er vor März nicht hier sein wird, und der mich um nichts Geringeres bittet als um alle Materialien, die ich zur Geschichte des deutschen Sozialismus bis 1852 besitze! Die brauche ich natürlich selbst für Möhrs Biographie und werde ihm das selbstverständlich abschlagen. Nim sendet Dir und Paul die herzlichsten Grüße, und ich, um die geheiligte, philiströs englische Phrase zu benutzen, „join" her9. In aufrichtiger Zuneigung Dein F. E.
Aus dem Englischen.
8 Rudolph Hermann Meyer - • „schließe" mich ihr an
47
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig
London, 18. Jan. 84
Lieber Bebel, Endlich bin ich wieder soweit, daß ich wenigstens auf ein paar Stunden täglich ans Pult mich setzen und damit meinen Korrespondenzpflichten nachkommen kann. Die Geschichte war weder ernstlich noch schmerzlich, aber verdammt langwierig und genant, und ich werde mich noch längere Zeit sehr in acht zu nehmen haben. Meinen mit Bleistift im Bett geschriebenen Brief wegen Frl. Ifßleib] wirst Du erhalten haben. Da ich weiter nichts gehört, vermute ich, daß die Sache aufgegeben.'133' - An Liebkn[echt] diktierte ich einen Brief dem grade hier anwesenden Kautsky, den er hoffentlich erhalten und, worum ich ihn bat, Dir mitgeteilt hat. Du wirst daraus ersehn haben, daß ich mir wegen der amerikanischen Geschichte1 keinerlei Illusionen mache und auch nicht geneigt war, Dir die Sache als absolut nötig darzustellen. Dabei aber bleib' ich: soll die Sache Erfolg haben, so müßt Ihr zwei gehn und niemand anders. Ob Du mitkannst, kann ich absolut nicht beurteilen, das mußt Du wissen. Soviel aber ist sicher: keine Summe von amerikanischem Geld könnte den Schaden aufwiegen, der notwendig entstehn müßte, falls die Abgesandten wieder den Parteistandpunkt so ins Vulgärdemokratische, Biedermännisch-Philisterhafte abschwächten, wie dies durch Fr[itzsche] und V[iereck] geschah1411. Und gegen so etwas wäre Deine Anwesenheit allerdings die beste Garantie. Sehr gefreut haben mich die guten Nachrichten, die Du mir über den Fortgang der Bewegung gabst.tl34J Die Regierung konnte in der Tat kein besseres Mittel finden, um die Bewegung in Gang zu halten und zu steigern, als unsre Leute überall in diesen heftigen Lokalkampf mit der Polizei zu verwickeln, besonders wenn die Polizei aus so schofeln Subjekten besteht wie in Deutschland und unsre Jungen dann den Spieß umkehren und gegen den Feind angriffsweise vorgehn können. Wenn dann noch gar
die Polizei durch stets wechselnde Instruktionen von oben konfus gemacht wird, wie neulich in Berlin, so hilft das um so besser. Sollte der Versuch, das „Recht auf Arbeit" in Mode zu bringen1901, wiederholt werden, so würde ich auch etwas darüber in den „Sozialdemokrat]" schreiben. Ich habe darüber mit K[autsk]y verhandelt2; ich möchte gern, daß G[eiser] und Konsorten sich erst etwas engagierten, etwas Greifbares von sich gäben, damit man eine Handhabe hat, aber K[autsky] meint, das täten sie nicht. Diese verbummelten Studenten, Kommis etc. sind der Fluch der Bewegung. Sie wissen weniger als nichts und wollen eben deshalb platterdings nichts lernen; ihr sog. Sozialismus ist reine spießbürgerliche Phrase. Ob Ihr den Belagerungsparagraphen11351 loswerdet, weiß ich nicht, der Vorwand wird immer der sein, nur so könne die Person des alten Wilhelm geschützt werden, und vor der Phrase fällt das ganze Philisterium auf den Bauch. Besten Dank für Dein Buch: „Die Frau".11301 Ich habe es mit großem Interesse gelesen, es sind viele sehr gute Sachen darin. Besonders klar und schön ist das, was Du über die Entwicklung der Industrie in Deutschland sagst. Ich habe diesen Punkt in der letzten Zeit auch wieder etwas studiert und würde, wenn ich Zeit hätte, etwas darüber in den ,,S[ozialdemokrat]" schreiben. Sonderbar, daß die Philister nicht einsehn, wie die so bejammerte „Vagabundenplage" das notwendigste Produkt des Aufschwungs der großen Industrie ist unter den in Deutschland vorgefundnen Bedingungen von Ackerbau und Handwerk; und wie die Entwicklung eben dieser großen Industrie in Deutschland - weil es überall zuletzt kommt - nur vor sich gehn kann unter fortwährendem Druck schlechter Geschäftslage. Denn die Deutschen können nur Konkurrenz halten durch wohlfeileren, aufs Hungerniveau gedrückten Arbeitslohn und stets größten Ausbeutung der Hausindustrie im Hintergrund der Fabrikindustrie. Verwandlung des Handwerks in Hausindustrie und allmähliche Verwandlung der Hausindustriesoweit sich das bezahlt - in Fabrik- und Maschinenindustrie - das ist der Gang in Deutschland. Eine wirklich große Industrie haben wir bis jetzt bloß in Eisen, in der Textilindustrie herrscht der Handwebstuhl noch immer vor - dank den Hungerlöhnen und dem Besitz von Kartoffelgärten bei den Webern. Auch hier hat die Industrie einen andern Charakter angenommen. Der 10jährige Zyklus scheint durchbrochen, seit die amerikanische und deutsche
Konkurrenz, seit 1870, dem englischen Weltmarktsmonopol ein Ende machen. Seit 1868 herrscht in den Hauptzweigen gedrückte Geschäftslage bei langsam wachsender Produktion; und jetzt scheinen wir in Amerika und hier vor einer neuen Krise zu stehn, ohne daß hier in England eine Prosperitätsperiode vorausgegangen. Dies ist das Geheimnis der plötzlich - wenn auch seit 3 Jahren langsam vorbereiteten - aber jetzt plötzlich hervorbrechenden sozialistischen Bewegung hier. Die organisierten Arbeiter Trade Unions - stehn ihr bis jetzt noch ganz fern; die Bewegung geht vor unter „gebildeten", der Bourgeoisie entsprungnen Elementen, die hie und da mit den Massen Fühlung suchen und stellenweise finden. Diese Elemente sind moralisch und intellektuell sehr verschiedenwertig, und es wird einige Zeit dauern, bis sie sich assortieren und Klarheit in die Sache kommt. Aber sie wird schwerlich ganz wieder einschlafen. Henry George mit seiner Landverstaat Ii chung[1361 wird wohl eine meteorartige Rolle spielen, weil dieser Punkt hier eine traditionelle Bedeutung hat und auch eine wirkliche von wegen dem kolossalen Großgrundbesitz. Aber auf die Dauer zieht das allein nicht im ersten Industrieland der Welt. Dabei ist George echter Bourgeois und sein Plan: alle Staatsausgaben aus der Grundrente zu bestreiten, nur eine Wiederholung des Plans der Ricardoscheri Schule, also rein bürgerlich. Wenn Du ein Muster von Staatssozialismus studieren willst, dann: Java. Hier hat die holländische Regierung die ganze Produktion auf Grundlage der alten kommunistischen Dorfgemeinden so schön sozialistisch organisiert und den Verkauf aller Produkte so hübsch in die Hand genommen, daß außer ca. 100 Mill. Mark Gehälter für Beamte und Armee noch ein Reinertrag von ca. 70 Mill. Mark jährlich abfällt zur Zahlung von Zinsen für die unglücklichen holländischen Staatsgläubiger.3 Dagegen ist Bismarck doch ein pures Kind! Die russische Konstitution wird nun so oder so doch wohl im Lauf dieses Jahrs kommen, und dann kann's losgehn. Dein F.E.
48
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig
London, 23. Jan. 84
Lieber Bebel, In meinem Brief von Samstag1 vergaß ich, Dir zu sagen, daß Ihr, Du und Liebk[necht], doch ja kein Ex. der 3.Aufl. des „Kapital" bestellen sollt, da wir Euch jedem eins zuschicken werden, sobald wir welche erhalten. Ein drittes geht ans Parteiarchiv nach Zürich'1371. Wegen Übersetzung der „Frau"11381 wird Tussy Dir geschrieben haben. An Honorar für Dich wird dabei schwerlich etwas herauszuschlagen sein, doch könnte es versucht werden - höchstens 3 Pence = 0,25 M. pro verkauftes Ex.; das ist hier die gewöhnliche Form. Das Buch selbst könnte hier nur zu 2 ä2 2,50 M. verkauft werden, glaub* ich, wovon 30% für die Sortimenter wenigstens abgehn. Die in dieser Art Bücher arbeitenden Verleger sind noch sehr dünn gesät und pauvre3. Wir selbst werden bei der englischen Ausgabe des „Kapital" wohl an £ 200 bar einschießen und vielleicht auch die Zahlung des Übersetzers vorschießen müssen, und dann auf halbe Rechnung arbeiten; anders wird's wohl nicht zu machen sein. Besten Gruß an Liebk[necht] und Dich selbst von Deinem F.E.
49
Engels an Charles Fitzgerald in London11391 (Entwurf)
[London, zwischen dem 26. und 28. Januar 1884] Inl. sende ich Ihnen Postanweisung über [sh.] 10/10 für mein Jahresabonnement der „Justice". Ich bin nicht nur in unmittelbarer Zukunft, sondern für eine erheblich längere Zeitspanne so mit Arbeit überlastet, daß es töricht von mir wäre, Ihnen Beiträge für Ihre Zeitung zu versprechen. Während der letzten sechs Monate war ich völlig arbeitsunfähig und komme erst jetzt wieder langsam zu Kräften, die ich brauche, um meine dringendste Aufgabe zu erfüllen: die von meinem verstorbenen Freund Marx hinterlassenen Manuskripte für den Druck vorzubereiten. Dem muß ich meine ganze Zeit widmen. Ich habe „To-Day" einen Artikel versprochen, aber das war in besseren Tagen, und ich befürchte, auch sie werden warten müssen.
Aus dem Englischen.
50
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 28. Jan. 1884
Lieber Bernstein, Meinen Brief vom 1. werden Sie erhalten haben. Ditto Kautsky den vom 9.1 Wegen letzteren etwas unsicher wegen zweifelhafter Hausnummer (38?), ich sandte ihm auch die gewünschten Photographien2. Heute Anfrage wegen folgendem: Unter M[arx']s Nachlaß wird sich Diverses fürs Parteiarchiv1137] eignen; ich bin grade am Sortieren der Bücher etc. und bin froh, daß ich wieder dazu imstande. Daneben aber findet sich manches hier Überflüssige, was für eine Redaktionsbibliothek des Parteiorgans3 sehr brauchbar wäre und hier überflüssig ist, weil in duplo vorhanden. Zunächst Wörterbücher: 1. der große französisch-deutsche Mozin-Peschier, 5 Bände Quart, Einband sehr delabriert, 2. der alte italienische Jagemann, ebenfalls sehr gut, 3. spanische, holländische, dänische, vielleicht noch mehr. Ich weiß noch nicht genau, ob Tussy nicht dies oder jenes zu behalten wünscht, wenn nicht, soll ich sie nach Zürich schicken mit dem Rest? Daneben wird sich auch noch dies und jenes finden, was man Ihnen offeneren könnte, sobald ich weiß, daß Sie darauf eingehn. Ferner wegen „Justice". Dies Blatt ist ohne hinreichende finanzielle und ohne jede literarische Vorbereitung plötzlich durch Hyndman in die Welt geschleudert worden. „To-Day" konnte sich halten, und nach 6-12 Monaten einem Wochenblatt den Weg bahnen. So aber müssen die beiden sich die Kräfte entziehn. Aber H[yndman] kann nicht warten und wird sich wahrscheinlich noch einmal die Finger verbrennen. Man hat mich zur Mitarbeiterschaft aufgefordert, ich habe aus Zeitmangel abgelehnt. An „To-Day" kann man sich ohne weiteres beteiligen, mit einem als Parteiorgan auftretenden Wochenblatt geht das nicht, ehe man weiß, wo und wie. Die beiden ersten Nummern zeigen durch ihren kompletten Ideenmangel, daß die Leute schon am End ihres Lateins sind und das
Weitere von neuen Mitarbeitern erwarten. Kurz, es ist ein Fehlschuß, nur unverhofft günstige Wendungen können ihm auf die Beine helfen. Für den Fall, daß Herr v[on] d[er] Mark oder sonst jemand noch von „Konzessionen" unsrerseits an die Anarchisten sprechen sollte'1201, beweisen folgende Stellen, daß wir das Aufhören des Staats proklamierten, ehe es Anarchisten überhaupt gab: „Misere de la Philosophie", pag. 177: „La classe laborieuse substituera, dans son developpement, ä l'ancienne societe civile une association qui excluera les classes et leur antagonisme, et il n'y aura plus de pouvoir politique proprement dit, puisque le pouvoir politique est precisement le resume officiel de /'antagonisme dans la societe civile." 4 „Manifest", Schluß des II. Abschnitts: „Sind im Lauf der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden ... so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern."5 Die letzte Nr. des „Sozialdemokrat]"6 war wieder sehr gut. Lustig und viel Stoff, Letzteres hängt allerdings nicht immer von der Redaktion ab. Ihre Bearbeitung von Laf[argue] ist allerliebst11111, die deutschen Substitutionen haben mich enorm aufgeheitert. Gruß an Kfautsky], Ihr F.E.
4 „Die arbeitende Klasse wird in der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Ausdruck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist." (Vgl. Band 4 unserer Ausgabe, S. 182) - 5 vgl. Band 4 unserer Ausgabe, S.482 - 8 vom 24. Januar
51 • Engels an Ludwik Krzywicki • 28. Januar 1884 93
51
Engels an Ludwik Krzywicki in Borsdorf bei Leipzig11401 (Entwurf)
122, Regent's Park Road, N.W. London, 28. Januar 1884
Geehrter Parteigenosse! In Beantwortung Ihrer freundlichen Zeilen vom 23. ds. können wir das Erscheinen einer polnischen Übersetzung des „Kapital" von Karl Marx nur mit Freude begrüßen, und sind gern bereit, jedes der Veröffentlichung einer solchen im Wege stehende Hindernis beseitigen zu helfen, soweit dies in unsern Kräften steht. In unsrer Eigenschaft als literarische Testamentsvollstrecker des Verfassers geben wir Ihnen also hiermit unsre ausdrückliche Einwilligung zur Herausgabe dieser Übersetzung1 und wünschen Ihnen besten Erfolg.
1 In der Handschrift folgt der gestrichene Passus: soweit wir eine solche Einwilligung überhaupt zu geben befugt sind
52
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris
122, Regent's Park Road, N.W. London, den 28. Januar 1884
Mein lieber Lawrow, Vor etwa drei Wochen habe ich Ihnen einen „Standard" geschickt mit einem Artikel, der Sie interessieren könnte; ich hoffe, daß Sie ihn erhalten haben.1 Ich bin dabei - meine Gesundheit läßt es endlich zu -, unter den von Marx hinterlassenen Büchern usw. Ordnung zu schaffen. Darunter gibt es diese ganze russische Bibliothek, die er D[anielson] verdankt und die sehr wichtige Materialien über die gegenwärtige soziale Lage in Rußland enthält; es ist fast alles dabei, was erschienen ist. In meinem Alter und bei der Arbeitsüberlastung ist es mir unmöglich, a novo2 die gründlichen Studien über Rußland aufzunehmen, worin der Tod unseren Freund unglücklicherweise unterbrochen hat. Da habe ich gedacht, und Tussy ist derselben Meinung wie ich, daß es unsere Pflicht ist, Ihnen diese Bücher zur Verfügung zu stellen. Sie, als anerkannter Vertreter der russischen revolutionären Emigration wie auch als alter Freund des Verstorbenen, haben sicher mehr als jeder andere das Recht auf eine Kollektion von Büchern, die dank der Ergebenheit Ihrer und unserer Freunde in Rußland zustande gekommen ist, sei es zu Ihrer persönlichen Benutzimg, sei es, um daraus den Kern einer Bibliothek der russischen revolutionären Emigration zu bilden. Wenn Sie einverstanden sind, könnte ich sie Ihnen - an Ihre oder an jede andere von Ihnen angegebene Adresse - im Laufe des Februars schicken. Ich werde nur die Bücher hierbehalten, aus denen sich M[arx] Exzerpte gemacht hat, und einige andere, die ich für den 2. Band des „Kapitals"121 brauchen könnte; es werden, nach Abzug dieser Bücher, nicht mehr als etwa hundert Bände bleiben. Hinsichtlich dieses 2. Bandes beginne ich endlich klarzusehen. Für das 2. Buch, die Zirkulation des Kapitals, haben wir für die wichtigsten Teile,
das heißt für den Anfang und für den Schluß, eine Fassung von 1875 und später. Hier sind nur Zitate nach vorhandenen Angaben einzufügen. Für den Mittelteil gibt es nicht weniger als 4 Fassungen von vor 1870; das ist die einzige Schwierigkeit. Das 3. Buch, die kapitalistische Produktion in ihrer Gesamtheit betrachtet, ist in zwei Fassungen von vor 1869 vorhanden, aus späterer Zeit stammen nur einige Notizen und ein ganzes Heft mit Gleichungen, um die verschiedenen Faktoren zu berechnen, die zur Verwandlung der Mehrwertsrate in die Profitrate führen3. Aber die Auszüge aus Büchern sowohl über Rußland147' als auch über die Vereinigten Staaten enthalten eine Menge Material und Bemerkungen über die Grundrente, andere beziehen sich auf das Geldkapital, den Kredit, das Papiergeld als Kreditmittel usw. Ich weiß noch nicht, wie ich sie für das 3. Buch verwenden könnte; vielleicht wird es besser sein, sie in einer gesonderten Veröffentlichung zusammenzufassen, was ich bestimmt tun werde, wenn die Schwierigkeit zu groß wird, sie ins „Kapital" einzugliedern. Worauf es mir vor allem ankommt, ist, daß das Buch so bald wie möglich erscheint, und dann iesonders, daß es wirklich ein Werk von Marx ist, das ich veröffentliche. Wir erwarten täglich Exemplare der 3. Auflage des 1. Bandes4, und wir werden Ihnen, sobald wir sie erhalten haben, eines zuschicken. Die russischen Übersetzungen aus Genf - das „Manifest" usw.11091 haben mir viel Freude bereitet. Ich erhielt einen Brief von zwei Polen, Krzywicki und Sosnowski, mit der Bitte um unsere Zustimmung zu einer polnischen Übersetzung des „Kapitals" - wir haben sie natürlich gegeben. S[osnowski] ist in Paris; kennen Sie zufällig diese Bürger?[141] Freundschaftlichst Ihr F. Engels
Aus dem Französischen.
3 vgl. Band 25 unserer Ausgabe, S. 11/12 - 4 des „Kapitals" in deutscher Sprache
53
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 4. Febr. 84
Lieber Kautsky, Vor Postschluß rasch 2 Zeilen. Bitte mir umgehend zu sagen, wie Sie den Deville verarbeiten wollen'142' - wörtlich mit all den Titeln oder abgekürzt, wie ich vorgeschlagen?1 Sobald ich dies weiß, kann ich bei M[eißner] anfragen; ich muß ihm doch was Bestimmtes sagen. Ein Ex. für Mfeißner] ist in Paris bestellt, bis das kommt, kann auch Ihre Antwort hier sein. Den theoretischen Teil will ich gern durchsehn, obwohl ich es kaum nötig halte. Den beschreibenden durchzusehn, hat keinen Sinn, Devilles Fehler werden Sie schon vermeiden. Der hauptsächlichste ist, daß er M[arx]sche Sätze als absolut hinstellt, die bei M[arx] nur unter (bei D[eville] weggelassenen) Bedingungen gelten und daher falsch erscheinen. Über alles andre in ein paar Tagen. Ihr F. E.
54
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 5. Febr. 84
Lieber Bernstein, Über eins können Sie ruhig sein: ich wünsche mir gar keinen besseren Übersetzer als grade.Sie.[143] Im ersten Bogen hatten Sie, im Bestreben den Sinn richtig und genau wiederzugeben, die Satzfügung etwas vernachlässigt, - voilä tout1. Dazu kommt, daß ich Marx's eigentümliche, Ihnen ungewohnte, Satzfügung hinein wünschte, daher die vielen Änderungen. Wenn Sie, den Sinn einmal verdeutscht, das Ms. nochmals durchlesen mit Bezug auf lesbare Satzfügung, und dabei sich erinnern, daß wo irgend möglich die schleppende Schulmeistersatzfügung zu vermeiden ist, die das Zeitwort des abhängigen Satzes stets ganz ans Ende setzt - und die uns allen eingepaukt worden -, so werden Sie wenig Schwierigkeit finden und schon alles selbst in Ordnung bringen. Das Ms. schicken Sie mir am besten abschnittweise, jedes Stück rb2 em Ganzes, 1, IVa oder 2 Druckbogen auf einmal. Dann mache ich auch gleich die Anmerkungen dazu. Revision säh' ich auch gern, gedruckt nimmt sich manches anders aus. Den Artikel aus dem alten „S[ociaI]-D[emokrat]" über Prfoudhon][144J bitte mir zu schicken, ich hatte das übersehn, er wird vielleicht ganz in die Vorrede zu setzen sein. Sie erhalten ihn natürlich zurück. Wegen v[on] d[er] M[ark] und „Volkszeitung" ganz Ihrer Ansicht.'1291 Beim Tode von Mfarx] fälschte Schewitsch mein Telegramm an Sorge und druckte es als an die „V.Z." gesandt. Ich protestierte.3 Er deckte die Fälschung mit der Lüge, das erste Wort sei unleserlich gewesen - er druckte es aber richtig ab! und das andre habe er „im Interesse des Blatts für nötig gehalten"! Zudem sei die Reklame meinerseits „kleinlich". Allerdings war es nicht „kleinlich", sondern eher großlich, wie die Herren den Tod von Mfarx] zur Reklame für sich ausbeuteten und zur Proklamierung ihrer halben Allianz mit Most. Aber Schfewitsch] ist der letzte
1 das ist alles - 2 mehr oder weniger - 3 siehe vorl. Band, S. 13
7 Marx/Endels, Werke, Bd. 36
sozialistische russische Aristokrat, und die müssen immer „am weitsten gehn" und sind gewohnt, die ganze Welt als Mittel für ihre Zwecke zu benutzen. Der Toleranzartikel war einfach albern. Die Russen haben sich untereinander gekeilt con amore4, und die Irländer auch.11451 Ich weiß nicht, ob Sie „Travailleur" etc. bekommen, ich erhalte von Zeit zu Zeit einige Nrn. und schicke sie an Sie. Dazu 2 „Soz[ial]dem[okrat]" mit Strichen von Marx, die Sie vielleicht interessieren. Das Pfund von Sch[orlemmer] behalte ich also hier, bitte mir es zu belasten, Sch[orlemmer] dafür sein Jahresabonnement gutzuschreiben und (den Rest desselben dem Wahlfonds) unter Anzeige im „Sfozialdemokrat]" zuzuwenden. Ebenso bitte mein und Tussys Abonnement mir zu belasten, falls Tussy nicht im Tausch gegen „To-Day" geht. Dann bitte ich die Adresse für Tussy zu ändern und zu schicken an Miss Marx, 32 Great Coram st. W. C. London. Was mit den Marx-Denkmalgeldern zu tun, weiß ich absolut nicht.5 Wieviel ist es zusammen? Wenn Sie wünschen, will ich Ihnen für die 14,-März-Nr. einen Artikel schreiben, sagen Sie mir nur ungefähr worüber, damit es in Ihren Rahmen paßt.[146) Meißner wird also wohl noch Ex. vom „18.Brumaire"6 haben; daß er das Ding nicht poussiert, ist wohl Ängstlichkeit geschuldet. Da Mfarx] ihm die Auflage ganz verkauft, können wir nichts machen. Von den Büchern hat Tussy die besten Wörterbücher - französisch und italienisch - weggenommen, es bleibt aber noch immer genug, und ein ganz besonders schönes Stück hab' ich Ihnen gesichert - das Redaktionsexemplar der „Neuen Rheinischen] Zeit[un]g". Im Lauf des Monats geht die Sendung ab. Gedichte kenn* ich keine - etwa den „König Dampf" aus meiner „Lage der arbeitenden Klasse"?11471 Man sucht jetzt hier nach dem englischen Original, aber das scheint so verschollen wie das serbische von Goethes Klaggesang der edlen Frau des Hassan Aga, noch mehr so, denn letzteres existiert doch noch schriftlich. Was gäb der Bismarck dafür, wenn er „die Wiener in Berlin" hätte, nämlich die Anarchisten! Reine Karikatur der Russen - aber offenbar Von der Polizei gezüchtet![1481 Ihr F.E. 1 liebevoll gekeilt - 6 siehe vorl. Band, S. 22 - 6 Karl Marx: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte"
55
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris
. London, den 5. Febr. 1884 Mein lieber Lawrow, Also abgemacht, ich schicke Ihnen die Bücher.11491 Ach - dieser 2. Band!121 Wenn Sie wüßten, mein alter Freund, wie mich der bedrückt! Aber ich habe sechs Monate verloren wegen meiner verwünschten Krankheit. Und vor Mitte März kann ich auch jetzt noch nicht ernsthaft daran gehen, bis dahin muß ich all diese Bücher, Papiere, Zeitschriften usw. ordnen - und ich kann das nur einige Stunden am Tage tun, ohne zu sehr zu ermüden. Das bedrückt mich um so mehr, als ich der einzige Lebende bin, der diese Schrift und diese Wort- und Satzkürzungen entziffern kann. Was die Veröffentlichung in einzelnen Lieferungen angeht, so hängt das zum Teil vom Verleger und von den Gesetzen in Deutschland ab11501; bis jetzt glaube ich, daß dies für ein Buch dieser Art nicht sehr vorteilhaft wäre. Mit den Korrekturbogen werde ich versuchen, so zu verfahren, wie JI[onaTHH] es wünscht. Aber vor etwa zwei Monaten hat mir Bepa 3[acyjinq] geschrieben, ich möchte ihr die Übersetzung überlassen. Ich habe ihr erwidert, daß ich JI[onaTHH] das Vorrecht einräume und daß es noch zu früh sei, darüber zu verhandeln1; aber was man schon heute diskutieren könnte, ist die Möglichkeit, die Übersetzung in Rußland herauszubringen. Glauben Sie, daß man das machen könnte? Das 2.Buch ist rein wissenschaftlich, es behandelt nur Probleme von Bourgeois zu Bourgeois; aber das 3. wird Passagen haben, die sogar mich an der Möglichkeit zweifeln lassen, sie unter dem Ausnahmegesetz1331 in Deutschland zu veröffentlichen. Für die Veröffentlichung der gesamten Werke von M[arx] - dieselbe Schwierigkeit, und das ist nur eine der zahlreichen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind. Ich habe etwa 60 Bogen (ä 16 Druckseiten) alte Manuskripte von M[arx] und von mir aus den Jahren 1845 bis 48. Von alledem könnte man nur Auszüge bringen, aber ich kann erst daran gehen, wenn das Manuskript des 2.Bandes des „Kapitals" beendet ist. Es bleibt also nichts anderes übrig als zu warten.
Der Artikel, von dem Sie sprechen und den wir nicht mehr hier haben, wird etwa 3 bis 5 Druckbogen umfassen.'1511 Es ist eine kritische Darlegung der politischen Entwicklung Frankreichs vom 24. Febr. 48 bis 1851; eine Zusammenfassung davon findet sich im ,,18.Brumaire", aber er ist es trotzdem wert, übersetzt zu werden. Ich bin selber auf der Suche nach einem vollständigen Exemplar der „Revue der Nfeuen] Rhfeinischen] Z[eitung]", von der ich nur 2/5 habe. Deville hat mir sein Manuskript geschickt, damit ich es durchsehe.'1281 Da ich krank war, habe ich mich auf den theoretischen Teil beschränkt, worin ich nur wenig zu berichtigen fand. Aber der beschreibende Teil ist in zu großer Eile gemacht; zunächst ist er für den, der das Original nicht gelesen hat, manchmal unverständlich, und dann gibt er sehr oft Schlußfolgerungen von M[arx], verschweigt aber völlig die Bedingungen, unter denen allein diese Schlußfolgerungen zutreffen. Dadurch gewinnt man manchmal einen mehr oder weniger falschen Eindruck. Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, aber man hatte es zu eilig, das Buch zu veröffentlichen. Freundschaftlichst Ihr F. Engels
Aus dem Französischen.
56
Engels an Laura Lafargue in Paris
... ... . London, 5. Febr. 84 Meine liebe Laura, Ich wußte, daß er1 wieder auftauchen würde. Den „Travailleur" erhalten. War sehr amüsiert darüber, daß Paul und Guesde „manque train"2 hatten.'1521 Hoffe, bald gute Nachrichten über die Kinder3 zu hören, Tussy ist sehr besorgt um sie; und hoffentlich hast Du Deine Erkältung überwunden. Nim hat sich auch ganz schön erkältet, genauso wie Du. Ich wollte, daß sie gestern abend einen heißen Whisky-Schlummertrunk zu sich nimmt, aber wie Du Dir denken kannst, lehnte sie ab. Pumps ist unten, kam gestern mit Elsa her, die so unansehnlich wie immer (und dabei genauso eckig) aussieht; sie trafen hier Tussy und Aveling, die geschäftlich vorbeigekommen waren. Bradlaugh und Mrs. Besant sind wütend über die neue „Begeisterung" für den Sozialismus in London, die ihre Verdienstquellen zu beschneiden droht, und haben daher einige Attacken gegen Tussy und Aveling unternommen.'1531 Bradlaugh wirft mit den mysteriösesten Andeutungen um sich, Mohr habe Mord und Brandstiftung gepredigt und in geheimer Verbindung mit kontinentalen Regierungen gestanden - aber nichts Greifbares. Ich möchte, daß er erst ein bißchen mehr herauskommt, ehe ich meine Geschütze auffahre. Nim und ich haben jetzt mit den Büchern in Maitland Park'1541 zu tun. Sehr viele sind darunter, die es gar keinen Zweck hat, bei mir oder bei Tussy aufzustapeln, denn für mehr als die Hälfte wird hier wirklich kein Platz sein. Es gibt einen ganzen Haufen gute und wertvolle französische Bücher, die - so dachten wir - bei Dir und Paul besser aufgehoben wären als bei jemand anders, so zum Beispiel: Mably. CEuvres completes. Adam Smith in Französisch (gebundene Prachtausgabe). Malthus do. Guizot. Histoire de la civilisation en France. 1 Pai4 Lafargue - 2 „Zugverspätung" - 3 Jean-Laurent-Fredericfe, Edgar, Marcel und Jenny Longuet
Alle Bücher über die Französische Revolution (Loustallot, „Deux amis de la liberte"11551 usw. usw.). Wenn Ihr sie also haben wollt, schicken wir sie Euch und bezahlen das Porto. Ich kann keine komplette Liste aufstellen. Auch wenn Paul noch irgendwelche amerikanischen offiziellen Publikationen haben möchte, es ist eine Menge vorhanden11561 - ich brauche nur ein paar. Es sind auch einige andere Bücher von Dir hier (alte englische Dramatiker usw.), die mitgeschickt werden können. Gebt bald Bescheid, denn die Zeit drängt, und wir sind schrecklich embarras de richesse4. Die russischen Bücher haben wir Lawrow versprochen; ich denke, er hat vor allen ein Recht darauf, ist er doch außerhalb Rußlands Danielsons engster Freund. Eine Masse Dubletten usw. wollen wir nach Zürich schicken, teils für das Partei-Archiv511371, teils für eine bibliotheque de redaction. Die Blaubücher11571 hauptsächlich an Sam Moore zur Benutzung bei der Übersetzung6. Und einige „populäre" Sachen für den hiesigen Arbeiterverein711581. Falls Du oder Paul außerdem noch irgendwelche besonderen Bücher haben wollt, dann sagt es bitte, und wir werden alles schicken, was hier nicht unbedingt gebraucht wird. Gestern habe ich einen Brief von einem gewissen Nonne, Kandidat der Philologie8, erhalten, der vor einiger Zeit hier war und jetzt in Paris, 56 Boul'd de Port Royal wohnt. Er ist ein führender Mann unter den deutschen Arbeitern in Paris, die sich, wie Du Dich erinnern wirst, vor einigen Jahren von Malons Süßholzraspeln einseifen ließen und die durch einige dumme Schnitzer des „Citoyen" noch weiter in jene Richtung getrieben wurden. Sie sind jetzt seit der „internationalen Konferenz"11031 wütende Anti-Broussisten, aber immer noch dick befreundet mit Adh. Leclere und seinem Cercle international11591. Ich habe Paul mehrmals gebeten, mit den Pariser Deutschen Verbindung aufzunehmen. Sie sind nicht viel wert, aber sie beeinflussen die deutsche Partei hinsichtlich der Pariser Angelegenheiten. Seit dem Sozialistengesetz1331 haben diese Gesellschaften im Ausland natürlich wieder einen ihre Verdienste weit übersteigenden Einfluß erlangt, da sie die einzigen Vereinigungen, die weiter im Besitz einer legalen Organisation sind. Für den „Soz[ial]demokrat" wird es schwer sein, bei der Beurteilung der internen Pariser Streitigkeiten direkt gegen sie
4 in Verlegenheit (wegen der vielen Bücher) - 6 in der Handschrift deutsch: Partei-Archiv 6 die englische Übersetzung des ersten Bandes des „Kapitals" - 7 in der Handschrift deutsch:
vorzugehen. Darum lohnt es sich, sie ein bißchen zu bereden, was nicht schwerfallen wird; und da der Mann Euer Nachbar ist, hielt ich es für das beste, ihm meine Karte zu schicken „pour introduire M.Nonne aupres de M. et Mme Lafargue"9. Ob etwas dabei herauskommen wird, weiß ich nicht, aber ich hoffe, Ihr werdet mir verzeihen, daß ich mir diese Freiheit genommen habe. Schade, daß ich von citoyen10 Robelet nicht viel gemerkt habe - er kam, ward gesehen und verschwand wieder. Wird Paul uns die Freude machen, ein paar Worte über seine mysteriösen Abenteuer in la Province zu schreiben?11601 Was ist aus der citoyenne Paule Mink geworden ? Die letzten Nachrichten besagten, „qu'elle se multipliait dans le midi"u, und, was danach nicht allzu verwunderlich ist, „qu'elle deüeloppait son su/ef"12.11611 Das Ergebnis? In Zuneigung Dein F. Engels
Würdest Du bitte so schnell wie möglich noch ein Exemplar von Devilles „Capital" schicken? Kautsky soll es übersetzen, aber Meißners Erlaubnis ist erforderlich, und ich kann nicht darauf rechnen, sie zu bekommen, wenn ich ihm nicht das Original schicke.13 Wie steht es mit der neuen Ausgabe der „Misere de la philosophie"P Man bedrängt mich weiterhin deswegen. Ist irgend etwas gemacht worden?11621
Aus dem Englischen.
9 „um Herrn Nonne bei Herrn und Frau Lafargue einzuführen" ~10 Bürger -11 „daß sie sich im Süden stark produzierte" -12 „daß sie ihr Thema entwickelte" -13 siehe vorl. Band, S. 81 /82
57
Engels an Heinrich Nonne in Paris11631 (Entwurf)
[London, zwischen dem 9. und 2I.Februar 1884] Über den von Ihnen angedeuteten Plan kann ich mich nicht mit Entschiedenheit aussprechen, solange ich nicht weiß, um welche Personen es sich handelt und was beabsichtigt wird. Nur soviel kann ich sagen, daß ich mich mit Leuten, die nicht ganz und gar auf revolutionär-kommunistischem Standpunkt stehn, unter Umständen und wenn sie der Mühe wert sind, zwar auf ein Cartel einlassen könnte, keineswegs aber auf eine Allianz. Meine Zeit ist außerdem vollauf in Anspruch genommen durch Arbeiten, die absolut gemacht werden müssen, und meine internationale Korrespondenz ohnehin schon ausgedehnt genug. Clemenceau müßte allerdings noch bedeutend weiter getrieben werden, ehe wir uns mit ihm alliieren könnten; ob er, der nächste Ministerkandidat der äußersten Linken, mehr als gewöhnliche „gute Beziehungen" zu uns wünschen kann, scheint mir fraglich. Solche guten Beziehungen kann man mit Sozialisten der verschiedensten Couleuren erhalten, solange bis ein prinzipieller oder taktischer Zwiespalt eintritt, wo sich dann das Wohlgefallen in Mißfallen auflöst. Hiernach entscheiden Sie nun selber, ob ich ein Mann bin, der in Ihren Rahmen paßt.
58
Engels an Johann Philipp Becker in Genf11641
122, Regent's Park Road, N.W. London, 14. Febr. 84
Lieber Alter, Von wegen meiner Gesundheit brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, die Sache war langwierig, aber ganz ungefährlich, und zieht sich immer mehr zurück. Der Laura hab' ich die Zeilen von wegen des Neujahrswunsches abschriftlich mitgeteilt. Auch habe ich soeben wieder eine Postanweisung für Dich für fünf Pfund herausgenommen, damit Du Alter Dich selbst und Deine Frau etwas pflegen kannst. Ich hoffe, der verhältnismäßig milde Winter und die heranrückende bessere Jahreszeit werden Euch beide wieder auf die Beine bringen. Ich habe einige von Dir herrührende Sachen gefunden, kann aber noch nicht sagen, ob es alles ist, es ist noch ein ganzer großer Korb Briefe etc. durchzüsehn. Sobald ich damit im reinen bin, schick' ich Dir alles, was sich vorgefunden.11151 Was nun Deinen Plan angeht11651, so sind vor allem die in Deutschland jetzt herrschenden Verhältnisse zu berücksichtigen. Ich habe darüber von Zeit zu Zeit direkte Mitteilungen aus Deutschland selbst, und danach ist die Polizeiwillkür unbeschränkt und die Regierung entschlossen, jeder öffentlichen Agitation von Seiten unsrer Partei ein Ende zu machen, unter was für Namen und Vorwand auch immer diese Agitation auftritt. Es genügt, daß die Sache von den Sozialdemokraten ausgeht, so wird jede Versammlung aufgelöst, jeder Versuch, in der Presse aufzutreten, erstickt, und in den Belagerungszustandsorten jeder Beteiligte ausgewiesen. Die Erfahrung der letzten sechs Jahre kann uns darüber keinen Zweifel lassen. Da ist es nun meine Ansicht, daß über die Angemessenheit, den Zeitpunkt und den Gegenstand einer neu zu versuchenden Massenagitation wir im Ausland absolut außerstand sind zu entscheiden, und daß dies einzig den Leuten in Deutschland überlassen werden muß, die den Druck durch
zumachen haben und die am besten wissen, was möglich und was unmöglich ist. Wenn Du Dich also an Bebel oder Liebknecht wendest, und die dort die Sache beraten, so würde ich der Ansicht sein, daß sie auf Ja oder Nein entscheiden, und wir uns dem fügen. Übrigens steht es mit der Agitation in Deutschland gar nicht so schlecht, wenn auch die Bourgeoispresse das meiste unterdrückt und nur von Zeit zu Zeit ein unwillkürliches Angstgestöhn losläßt, daß die Partei Boden reißend gewinnt, statt ihn zu verlieren. Die Polizei hat unsern Leuten ein ganz famoses Feld eröffnet: den allgegenwärtigen und ununterbrochnen Kampf mit der Polizei selbst. Der wird überall und immer geführt, mit großem Erfolg und, was das Beste ist, mit großem Humor. Die Polizei wird besiegt und - ausgelacht obendrein. Und diesen Kampf halte ich unter den Umständen für den nützlichsten. Er erhält bei unsren Jungen vor allen Dingen frisch die Verachtung gegen den Feind. Schlechtere Truppen kann man gar nicht gegen uns ins Feld schicken, als die der deutschen Polizei; selbst wo sie übermächtig ist, erleidet sie eine moralische Niederlage, und die Siegesgewißheit unsrer Jungen wächst von Tag zu Tag. Dieser Kampf bringt es fertig, daß, sobald der Druck endlich nachläßt (und das geschieht am Tag, wo der Tanz in Rußland losgeht), wir nicht mehr nach Hunderttausenden zählen, sondern nach Millionen. Unter den sog. Führern ist viel faules Zeug, aber in unsre Massen hab' ich unbedingtes Vertrauen, und was ihnen an revolutionärer Tradition fehlte, das bringt ihnen der kleine Krieg mit der Polizei mehr und mehr bei. Und Du magst sagen, was Du willst, noch nie haben wir ein Proletariat gesehn, was in so kurzer Zeit gelernt hat, kollektiv zu agieren und gemeinsam zu marschieren. Darum, wenn auch nichts auf der Oberfläche erscheint, können wir, glaub' ich, dem Augenblick ganz ruhig entgegensehn, wo Appell geblasen wird, Du wirst sehn, wie sie antreten!
Brudergruß Dein alter F. Engels
59
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris
... ... r London, den 14. Febr. 1884 Mein lieber Lawrow, Ich merke mir vor, was Sie mir über die russische Übersetzung des 2.Bandes des „Kapitals" sagen'1661; zu gegebener Zeit werde ich noch einmal darauf zurückkommen. Was die deutsche Ausgabe betrifft, so wissen Sie, daß wir dort drüben1 der absolutesten Willkür ausgesetzt sind und daß man dort alles verbieten kann. Marx hat sich nie von den bestehenden Gesetzen stören lassen, er hat immer offen gesprochen, und es wäre wirklich ein Wunder, wenn der 2. Band nicht genügend Stoff enthielte, daß man ihn laut Gesetz von ] 373133] nicht beschlagnahmen und verbieten könnte. Aber man muß es riskieren, und ich werde bestimmt nichts abschwächen. Als r. JI[onaTHH] hier war2, sagte er mir, daß N. Dfanielson] von mir ein Buch mit dem Titel „Tpy^H KoMMiiccin TJJIH HSC-RKFLOBAMII X.T66HOÜ NPOMHNINEHHOCTH BT> Poccin " zurückhaben möchte; nun finde ich jedoch mehrere Bücher über Handel und Getreideproduktion. Das Buch, dessen Titel dem genannten am meisten ähnelt, heißt „Tpy^ti 3KCneflHii,iT-i CHapHJKeHHOH HMnepaTOpCKHMH BOJIBHHMT BKOHOMHTOCKHMT» H pyCCK[HMI] reorpa$HiecK[HM,L] oßnjecTBaMH ^JIH; HBCJrkßOBaHiH XJRÄÖHOÄ T0PR0BJIH H HP0MHMJIEHH0CTH BT> Poccin", 2 tom. 1870. Ist das wohl das Buch, um das es sich handelt? Wenn ja, so werde ich es an MofiKa, 27, St.Peterburg zurücksenden, sobald ich Ihre Bestätigung erhalten habe. Ich hoffe, ich kann Ihre Bücher3 nächste Woche abschicken; einige habe ich zurückbehalten, sollte ich sie für den 2. Band nicht brauchen, so werde ich sie Ihnen später schicken. Freundschaftlichst Ihr F. Engels
Aus dem Französischen.
1 in Deutschland -2 siehe vorl. Band, S.63 -3 siehe vorl. Band, S.94
60
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 16. Febr. 84
Lieber Kautsky, Ich habe grade ein paar Stunden frei heute, antworte also sofort. Bei Deville ist nicht nur der historische Teil, sondern auch der deskriptive (Arbeitstag, Kooperation, Manufaktur, große Industrie etc.) neu zu bearbeiten, wie Sie sich überzeugen können, wenn Sie ein paar Kapitel durchnehmen. Vorderhand schreib' ich nichts an Mfeißner], außer, daß ich ihm das französische Buch schicke und ihn benachrichtige, daß eine Bearbeitung im Werk ist11291, und ich ihm seinerzeit Näheres mitteilen werde. Von der „Misere" erscheint auch eine neue französische Ausgabe in Paris.11621 Ich schreibe eine Vorrede dazu [16?I; in der zur deutschen Ausgabe1 werde ich den Mythus von Rodbertus auflösen. Dieser rührt von R. Meyer her1188', und ist so sehr in Deutschland und hier, selbst in Amerika kolportiert worden, daß dem Ding ein Ende gemacht werden muß. Ich werde nachweisen 1. daß wir 1850 nicht im Falle waren, von Herrn Rodbertus] irgend etwas zu lernen, 2. daß wir ihn gar nicht kannten, 3. daß seine großen Entdeckungen bereits 1848 Gemeinplätze waren, 4. daß seine spezifischen Heilmittel zur sozialistischen Kur bereits in der „Misere" kritisiert sind, ehe Rjodbertus] sie entdeckt hatte.11691 Sie werden sehn, daß Ihnen da immer noch genug zu tun bleibt; diese obigen Sachen kann aber nur ich machen, weil ich sie erlebt und auch allein das Material dazu von 1840-50 besitze. R[odbertus'] Rententheorie ist Blödsinn, im ersten Manuskript des „Kapital" von 1861-63 findet sich eine ausführliche ziemlich, ironische Kritik von M[arx] darüber, in einem sehr dicken Abschnitt: „Theorien über den Mehrwert", den ich wahrscheinlich am Schluß des 2.Bandes oder als 3. Band abdrucken lasse.'1701
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx* Schrift ,Das Elend der Philosophie'"
Was ich aber zu meiner Vorrede brauche, ist R[odbertu]s' „Offener Brief an das Comite des Deutschen Arbeitervereins", Leipzig 1863. Können Sie oder Ede mir das Ding für ein paar Tage auftreiben, sobald ich die Auszüge gemacht, erfolgt es zurück. Den von Ede versprochnen Proudhon-Artikel des alten ,,Soc[iaI]Demjokrat]"11441 hab' ich noch nicht erhalten, kommt vielleicht heut abend. Wahrscheinlich übersetze ich ihn für die französische Ausgabe. Wenn Ede hier plötzlich einspränge, sollte es mich ungeheuer freuen, ich kann jetzt auch wieder ein ganz Bescheidenes mittrinken. Nun zurück zu Ihrem vorletzten Brief.11711 „Lage der arbeitenden Klasse" wollte Dietz längst haben, ich habe quasi zugesagt, sobald ich weiß, wie ich mit dem alten Verleger Wigand stehe. Seit 15 Jahren hat Liebkniecht] versprochen, dies durch Freytag in Erfahrung zu bringen (d.h. was meine juristische Stellung W[igand] gegenüber ist), und ich bin noch im dunkeln2. Jedenfalls hat Dietz das erste Anrecht, und ich werde endlich selbst Schritte tun, um zu erfahren, was zu tun ich berechtigt bin. Es wäre gut, wenn jemand sich die Mühe geben wollte, den grassierenden Staatssozialismus an einem Exempel klarzulegen, das in voller praktischer Blüte steht in Java. Alles Material findet sich in: „Java, how to manage a colony", by J. W. B. Money, Barrister at Law, London 1861, 2 vol. Hier sieht man, wie die Holländer auf Grundlage des alten Gemeindekommunismus die Produktion von Staats wegen organisiert und den Leuten eine nach ihren Vorstellungen ganz komfortable Existenz gesichert haben; Resultat: Erhaltung des Volks auf der Stufe naturwüchsiger Dummheit und Einkassierung von 70 Millionen Mark jährlich (jetzt wohl mehr) für die holländische Staatskasse. Der Fall ist höchst interessant, und die Nutzanwendungen leicht zu ziehn. Nebenbei Beweis, wie der Urkommunismus dort wie in Indien und Rußland heute die schönste breiteste Grundlage der Ausbeutung und des Despotismus liefert (solange kein modern-kommunistisches Element ihn aufrüttelt), und sich in der Mitte der modernen Gesellschaft ebensosehr als schreiender (zu beseitigender oder aber fast zurückentwickelnder) Anachronismus bewährt wie die unabhängige Markgenossenschaft der Urkantone11721. Über die Urzustände der Gesellschaft existiert ein entscheidendes Buch, so entscheidend wie Darwin für die Biologie, es ist natürlich wieder von Marx entdeckt worden: Morgan, „Ancient Society", 1877. Mjarx] sprach davon, aber ich hatte damals andre Sachen im Kopf, und er kam nicht
wieder darauf zurück, was ihm gewiß angenehm war, da er selbst das Buch bei den Deutschen einführen wollte, wie ich aus seinen sehr ausführlichen Auszügen sehe. Morgan hat die Marxsche materialistische Geschichtsanschauung in den durch seinen Gegenstand gebotenen Grenzen selbständig neu entdeckt und schließt für die heutige Gesellschaft mit direkt kommunistischen Postulaten ab. Die römische und griechische Gens wird zum ersten Mal aus der der Wilden, namentlich amerikanischen Indianer, vollständig aufgeklärt und damit eine feste Basis für die Urgeschichte gefunden. Hätte ich die Zeit, ich würde den Stoff, mit Marx' Noten, für's Feuilleton des „Sozialdemokrat]" oder die „Neue Zeit" bearbeiten, aber daran ist nicht zu denken. All der Schwindel von Tylor, Lubbock und Co. ist definitiv kaputtgemacht, Endogamie, Exogamie und wie all der Blödsinn heißt.[173] Diese Herren unterdrücken das Buch hier, soviel sie können, es ist in Amerika gedruckt, ich hab's seit 5 Wochen bestellt, kann's aber nicht bekommen! trotzdem eine Londoner Firma als Mitverleger auf dem Titel steht. Besten Gruß. Ihr F.E.
61
Engels an Laura Lafargue in Paris
Ä/r . ... j London, 16. Febr. 1884 Meine hebe Laura, Morgen ist Sonntag, und Montag müssen wir wieder in Maitland Park'1541 herumkramen; wenn ich Dir also nicht heute schreibe, so ist es ungewiß, auf wie lange es sich verzögern kann. Wir haben nun endlich den alten „Speicher"1 entrümpelt, dabei eine Masse Dinge gefunden, die aufgehoben werden müssen, aber auch ungefähr eine halbe Tonne alter Zeitungen, die unmöglich sortiert werden können. Nächste Woche, denke ich, können wir mit dem Ausräumen beginnen und die Woche darauf den Rest verkaufen für das, was wir herausholen können. Einmal hatte ich schon Angst, ich müßte wieder aufhören, aber glücklicherweise geht es mir mit jedem Tag besser, ich kann schon eine halbe Stunde lang so schnell wie ehedem gehen und bewältige alle 24 Stunden mit Nims Hilfe zwei Flaschen Pilsener sowie ein angemessenes Quantum Ciaret. Unter den Manuskripten ist die erste Fassung des „Kapitals" (1861 bis 63)[170]; und darunter finde ich einige hundert Seiten: „Theorien über den Mehrwert", die teilweise in den Text der späteren Fassungen verarbeitet wurden, aber es wird genug übriggeblieben sein, um den 2. Band auf einen 2ten und einen 3ten zu erweitern.'21 Bernstein wird mir einen Artikel von Mohr „Über Proudhon" schicken, der im Berliner „Social-Demokrat" von 1865 veröffentlicht war.[144] Es ist sehr wahrscheinlich, daß das Ganze für die französische Ausgabe der „Misere" übersetzt werden muß.'1621 Apropos, Bernstein wird morgen in Lyon sein; er kommt wahrscheinlich, wenn er schon einmal auf dem Weg ist, auch nach Paris und wird seine Reise vielleicht bis nach London ausdehnen. Falls er nach Paris kommt, veranlasse ihn bitte, auch hierher zu kommen, ich möchte ihn wegen vieler Dinge sprechen; er weiß, daß hier ein Bett auf ihn wartet, und wenn er etwas knapp bei Kasse ist, so sollte ihn das nicht hindern, wir werden das schon arrangieren. 1 In der Handschrift deutsch: „Speicher"
Paul sagte mir, ich könne mir mit dem Vorwort zur „Misere"[167] Zeit lassen, aber daran glaube ich nicht, dazu habe ich zu viel Erfahrung mit Verlegern. Ich möchte gerne wissen, wann Oriol es brauchen wird, obwohl ich mich nicht darauf einlassen werde, es auf den Tag genau oder sogar auf die Woche genau abzuliefern; aber ich müßte eine ungefähre Vorstellung haben. Das Haus in Maitland Park muß am 25. März übergeben werden, und ich habe noch eine Menge anderer Sachen zu erledigen; ich muß meine Pläne wenigstens bis zu einem gewissen Grad vorher machen können. Was Paul für einen Artikel von Mohr über Proudhons la propriete c'est le vol2 hält, ist in der „Heiligen Familie", die ich habe.tl74] Ich kann Pauls Begeisterung über die Londoner „Justice" nicht teilen1175', ich finde das Blatt schrecklich öde. Aber was kann man schon von einer Gesellschaft von Leuten erwarten, die es sich zur Aufgabe machen, die Welt über Dinge zu unterrichten, von denen sie selbst keine Ahnung haben? Es gibt nicht eine einzige brennende Frage, die sie anzupacken verstehen. Hyndman verbindet internationalistische Phraseologie mit chauvinistischen Bestrebungen, Joynes ist ein verworrener Ignorant (ich habe ihn vor vierzehn Tagen gesehen), Morris ist, wenn er etwas anpackt, ganz in Ordnung, aber er tut es eben nicht oft, und der arme Bax verstrickt sich in deutscher Philosophie von ziemlich antiquiertem Charakter - all das mag für eine Monatsschrift angehen, bei der man Zeit hat, sich ins Zeug zu legen, aber für ein Wochenblatt, in dem man auf alle möglichen questions d'actualite3 eingehen muß, ist das blamabel. Immerhin verläuft die neue „respektable" Sozialistenbewegung recht erfreulich, sie wird Mode, aber die arbeitenden Klassen reagieren noch nicht darauf. Davon hängt aber alles ab. Und deshalb war es so dumm, sich mit der Herausgabe der „Justice" so zu überstürzen. Derartige Artikel werden die Massen niemals aufrütteln. Sechs Monate lang Fühlungnahme mit Arbeitern hätte einen Leserkreis vorbereitet und die Verfasser gelehrt, wie man für ihn zu schreiben hat. Aber was nützt das Klagen? Les petits grands hommes veulent absolument faire leur petit bonhomme de chemin!4 Hoffentlich geht es den Kindern5 besser. Nim ist sehr besorgt um sie. Laß uns doch bitte wissen, wie es ihnen geht. Beste Grüße von Nim. . _ . ^ . In Zuneigung Dein F. Engels Aus dem Englischen.
2 Eigentum ist Diebstahl - 3 Tagesfragen -4 Die kleinen großen Männer wollen absolut ihren eigenen kleinen Weg gehen! -6 Jean-Laurent-Frederick, Edgar, Marcel und Jenny Longuet
62
Engels an John Darbyshire in Manchester11761 (Entwarf)
[London, nach dem 17. Februar 1884] Kann in dieser Sache gar nichts tun. Soll ich Ihre Prinzipien der Dem[ocratic] Federation187', „Justice" oder „To-Day" übergeben?
Aus dem Englischen.
8 Marx/Engels,Werke, Bd. 36
63
Engels an Laura Lafargue in Paris
....... London, 21. Febr. 1884 Meine hebe Laura, Deine Nachrichten über den Gesundheitszustand der Kinder1 sind mehr oder weniger beruhigend - bis auf den armen Wolf2, der doch der kräftigste von allen zu sein scheint und hoffentlich das Schlimmste überstanden haben wird, wenn Du uns nächstes Mal schreibst. Was zu tun ist, wenn Longuet irgend etwas passiert, wird dann zu überlegen sein, wenn dieser Fall eintreten sollte; ich weiß nicht, was es einbringen könnte, jetzt darüber zu „spekulieren" - ich meine spekulieren im philosophischen Sinn -, jedenfalls weiß ich auch nicht, was wir unter den gegenwärtigen Umständen mit einem so besorgten Vater wie L[onguet] tun können, aber wenn Du Dir Gedanken darüber gemacht hast, werde ich mich sehr freuen, sie von Dir zu erfahren. Wir haben das Packen und den Versand der Bücher usw. für Euch und Lawrow3 mit Gittens arrangiert, und da sie in den letzten zwei Tagen nicht gekommen sind, ist Nim hingegangen, um sie in Bewegung zu setzen. Anbei das Vorwort zur „Misere" von - Mohr selbst!11441 Bernstein hat diesen alten Artikel wiederentdeckt, den ich sofort übersetzt habe. Ich bitte Euch, Dich und Paul, meine Übersetzung in vernünftiges Französisch zu übertragen und sie zusammen mit dem Original, das dem „ParteiArchiv"4 in Zürich11371 gehört, zurückzuschicken. Es werden nur ein paar Worte hinzuzufügen sein. Aber was werden die Franzosen zu der ziemlich unzeremoniellen Art sagen, in der Mohr von ihnen spricht? Und ob es angebracht ist, dieses wahre und unparteiische Urteil drinnen zu lassen auf das Risiko hin, daß die Broussisten sagen: voila le Prussien5? Auf jeden Fall würde es mir sehr widerstreben, den Artikel zu mildern, um ihn le goüt parisien6 anzupassen, aber es lohnt sich, die Sache zu überlegen. Es ist nicht zu leugnen, daß das bas-empire11771 seit 18 Jahren existiert.
1 Jean-Laurent-Frederick, Edgar, Marcel und Jenny Longuet - 2 Edgar Longuet - 3 siehe vorl. Band, S. 101/102 -4in der Handschrift deutsch: „Partei-Archiv" -5 da, seht den Preußen - 6 dem Pariser Geschmack
Pauls bon dieu7 sowie die Einleitung zu seiner conference11781 sind reizend.11791 Auch das Expose ist für sein Publikum sehr geeignet, und sein Erfolg verwundert mich nicht. Aber dann und wann könnte er eine neue Illustration aus dem „Kapital" bringen, außer dem alten Zitat von Liebig über das Körpermaß der Rekruten8; und nicht 1. la concurrence und 2. l'offre et la demande9 behandeln, was im Grunde wieder nur la concurrence ist. Wenn ich es mit ihm so genau nehme, dann nur, weil ich sehe, daß es ihm guttut, und er beträchtlich davon profitiert, wenn man ihm hin und wieder etwas zusetzt; seine letzten Ausführungen zeigen wirklich große Fortschritte, und wenn er nur gewissen theoretischen Punkten etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte (meistens kleine Details), würde er ein großes Licht in Paris, der Ville Lumiere10 sein. Ich muß jetzt schließen. Nim ist zurückgekommen, und wir müssen die Bücherpakete für Rußland und Amerika fertigmachen, um sie rechtzeitig aufzugeben. Sie sagt, Gittens könne nicht vor Dienstag oder Mittwoch kommen. Sie sendet Dir einen Kuß, ich gleichfalls. Paul une bonne poignee de main11 in Zuneigung Dein F. Engels
Aus dem Englischen;
7 Allmächtiger - 8 siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 253/254, Fußnote 46 - 9 1. die Konkurrenz und 2. Angebot und Nachfrage -10 Stadt des Lichts -11 Mit einem kräftigen Händedruck für Paul
64
Engels an Heinrich Nonne in Paris (Entwurf)
(London, um den 26. Februar 1884] Was ich Ihnen über Malon schrieb'351, sind einfache Tatsachen, die mir bewiesen worden sind und an denen Pariser Klatsch nichts ändert. Malon ist tatsächlich mit Bakunin aus dem Friedenskongreß mit 15 andern ausgetreten und hat die geheime Allianz mitgestiftet.11801 Das Dokument vom März 7011811 habe ich in der Hand gehabt. Was M[alon] jetzt über die Internationale neuerdings zusammenlügt, ist mir gleichgültig, ich werde es schwerlich ansehn. Daß er Autodidakt, gibt ihm in meinen Augen nicht das Recht, Geschichte zu fälschen. Wenn er geeignet ist, unter den Franzosen eine Führerrolle zu spielen, so tut mir das französische Proletariat leid. Was nun Ihre Propagierung internationaler Beziehungen angeht, so sind 1. die Zwecke so unbestimmt, daß ich wirklich auf diese allgemeinen Aussichten hin nicht imstande bin, Zeit zu verwenden; 2. sind mir fast alle der Genannten unbekannt (der einzige mir näher bekannte ist grade nicht genannt). Man kann aber nicht 40 Jahre in der internationalen Bewegung tätig sein, ohne überall alte Freunde und Bundesgenossen zu haben, an die man politisch und moralisch gebunden ist. Bei diesen müßte ich also erst Erkundigungen über manche Ihrer Leute einziehn, und über die gegenseitige Stellung beider. Das kann ich aber auch nicht gut, ohne Ihr Projekt durchscheinen zu lassen; 3. aber kann ich mich unmöglich auf eine Allianz einlassen, von der ich gar nicht weiß, wohin und in welche ferneren Verbindungen sie mich führt. Es würde sich doch eine Art Centralcomite in Paris bilden, das über die Aufnahme neuer Mitglieder beschließt und über etwaige Aktion, und da könnte es mir passieren, mich in derselben Verbindung zu befinden mit Leuten, die ich entschieden bekämpfen müßte, oder verantwortlich zu werden für eine Aktion, die ich mißbillige. Dieser Möglichkeit kann ich mich unbedingt nicht aussetzen. Indes, lassen Sie sich dadurch nicht abhalten. Wenn Sie etwas Ordentliches zustande bringen, soll es mich bei alledem freuen. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und bleibe etc.
65
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 3. März 1884
Lieber Kautsky, Bernstein Ede hat die Verantwortung übernommen, in Deinem Namen und für Deine Rechnung mit mir zu schmollieren1. Ich erlaube mir dies hiermit sofort in Kraft zu setzen in der Hoffnung, daß Du ihn nicht desavouieren wirst. Im übrigen ist er heut abend nach Paris, wo er morgen bleiben, abends abreisen und wohl gleichzeitig mit diesem Brief nach Zürich gelangen wird. Inl. der Verkauf Rußlands an Bismarck für Bismarcks Verwendung bei Bleichröder um ein neues russisches Anlehen.11821 Ferry und Gladstone sind zunächst geleimt, gibt Bleichröder aber das Geld, so kann Bismarck es auch werden, und sobald der Tanz in Rußland losgeht, sind sie es alle.
Dein F. Engels
1 Brüderschaft zu trinken
66
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris111831
Mein lieber Lawrow, Am letzten Freitag habe ich an Sie durch Vermittlung der Gebr. Flageollet, 27 rue Paul Lelong, Paris, eine Kiste mit den bewußten Büchern1 abgeschickt. Die Transportkosten sind hier schon bezahlt worden; wenn man sie von Ihnen verlangt, lassen Sie mich das sofort wissen. Falls die Kiste nicht eintreffen sollte, reklamieren Sie bitte bei der angegebenen Adresse. Die Sendung geht hier ab über Gittens & Cie.
Freundschaftlichst Ihr F. Engels
122, Regent's Park Road [London] 3. März 84
Aus dem Französischen.
67
Engels an Vera Iwanowna Sassulitsch in Genf
122, Regent's Park Road, N.W. » • , T> .. • , London, den 6. März 1884 Liebe Bürgerin! Es wird sowohl für mich als auch für die Töchter von Marx ein schöner Tag sein, an dem die russische Übersetzung des „Elends der Philosophie" erscheint.11841 Selbstredend werde ich Ihnen mit Vergnügen alles Material zur Verfügung stellen, das Ihnen dabei nützlich sein kann. In folgendem meine Absichten. Außer der deutschen Übersetzung wird gegenwärtig in Paris eine neue französische Ausgabe gedruckt.11621 Für diese beiden Ausgaben schreibe ich einige erläuternde Bemerkungen, deren Text ich Ihnen zuschicken werde. Zur Verwendung als Vorwort existiert ein Artikel von Marx über Proudhon1 im Berliner „Social-Demokrat" (1865), der fast ausreichen wird. Er wird am Anfang der beiden neuen Ausgaben, der französischen und der deutschen, stehen.'1441 Es gibt nur ein Exemplar davon, das in unserem Züricher Parteiarchiv11371 ist; wenn sich kein zweites unter Mfarx'] oder meinen Papieren findet (ich werde es in einigen Wochen wissen), dann können Sie ohne weiteres eine Abschrift durch Bernstein erhalten. Für die deutsche Ausgabe werde ich ein spezielles Vorwort2 machen müssen, um die absurde Behauptung der reaktionären Sozialisten zurückzuweisen, daß Marx im „Kapital" Rodbertus plagiiert hätte, und um zu beweisen, daß im Gegenteil Mfarx] bereits im „Elend" Rfodbertus] kritisiert hat, bevor Rfodbertus] seine „Socialen Briefe" geschrieben hatte. Dies scheint mir für das russische Publikum, bei dem unsere Pseudosozialisten noch nicht Fuß gefaßt haben, ohne Interesse zu sein. Aber Sie werden darüber entscheiden; die Sache steht zu Ihrer Verfügung, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen. Was Sie mir über das zunehmende Studium der Werke der sozialistischen Theorie in Rußland mitteilen, hat mir viel Freude bereitet. Der theoretische 1 Karl Marx: „Über P.-J. Proudhon" - 2 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'"
und kritische Geist, der fast völlig aus unseren deutschen Schulen verschwunden ist, scheint in der Tat in Rußland Zuflucht gefunden zu haben. Sie bitten mich, Ihnen Bücher zum Übersetzen anzugeben. Aber Sie haben schon fast alle Werke von Marx übersetzt oder zu übersetzen versprochen; Sie haben auch von mir die besten übersetzt; der Rest unserer deutschen Bücher ist entweder theoretisch schwach oder er behandelt Fragen, die mehr oder weniger auf Deutschland beschränkt sind. In letzter Zeit haben die Franzosen recht gute Sachen herausgebracht, aber hier handelt es sich erst um Anfänge. Der von Deville veröffentlichte Auszug aus dem „Kapital" ist im theoretischen Teil gut, dagegen ist der beschreibende Teil viel zu flüchtig gemacht, so daß er für den, der das Original nicht kennt, fast unverständlich ist. Außerdem ist das Ganze für einen Auszug zu umfangreich. Immerhin glaube ich, daß man durch eine Überarbeitung etwas Gutes daraus machen könnte; und ein Auszug aus dem „Kapital" dürfte immer von Nutzen sein in einem Lande, wo allein schon das Buch zu beschaffen auf Schwierigkeiten stößt. Als ich von der Lage in Rußland sprach3, dachte ich natürlich unter anderem auch und speziell an die Finanzen - aber nicht ausschließlich. Für eine Regierung, die nicht aus noch ein weiß, wie die von Petersburg, und für einen Zaren4, der ein Gefangener ist, wie der Einsiedler von Gatschina'1851, kann die Situation in Zukunft nur noch gespannter werden. Die Adligen und Bauern, die einen wie die anderen ruiniert, die Armee in ihren chauvinistischen Gefühlen gekränkt und über das tägliche Schauspiel eines sich verbergenden rocy^apt5 entrüstet; die Notwendigkeit eines Krieges nach außen, um den „schlechten Leidenschaften" und der allgemeinen Unzufriedenheit ein Ventil zu öffnen; zugleich die Unmöglichkeit, sich in ihn zu stürzen, aus Mangel an Geld und günstigen politischen Aussichten; eine starke nationale Intelligenz, die darauf brennt, die Ketten zu zerbrechen, die sie fesseln; zu alledem völliger Mangel an Geld und das Messer der ReHTejiH6 an der Gurgel der Staatsmacht - es scheint mir, daß jeder Monat die Lage verschlimmern muß und daß, wenn man einen konstitutionellen und beherzten Großfürsten fände, die russische „Gesellschaft" von selbst in einer Palastrevolution den besten Ausweg aus dieser Sackgasse sehen müßte. Werden jetzt Bismarck und Bleichröder ihre neuen Freunde retten? Ich zweifle daran und frage mich vielmehr, welcher der beiden Vertragspartner von dem anderen bestohlen werden wird.»821
Inliegend ein Manuskript von Marx (Abschrift), von dem Sie nach Gutdünken Gebrauch machen können. Ich weiß nicht mehr, ob es das „CJIOBO" oder die ,,OTGTI[GCTBGHHBIK] 3anncKn" waren, worin er den Artikel ,,K[arl] M[arx] vor dem Tribunal des Herrn Shukowski"[186] fand. Er verfaßte diese Antwort so, daß sie die Prägung einer für die Veröffentlichung in Rußland bestimmten Schrift trägt; aber er hat sie nie nach Petersburg geschickt, da er befürchtete, allein durch seinen Namen die Existenz der Zeitschrift zu gefährden, die seine Antwort gedruckt hätte. Ihr sehr ergebener F. Engels
Ihre Übersetzung meiner Broschüre7 scheint mir ausgezeichnet. Was für eine schöne Sprache ist doch das Russische! Es besitzt alle Vorzüge des Deutschen ohne dessen schreckliche Derbheit.
Aus dem Französischen.
' „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft"
68
Engels an Friedrich Adolph Sorge in Hoboken
London, 7. März 1884
Lieber Sorge, Nachdem ich den ganzen Herbst und Winter chronisch, doch unbedeutend, wenn auch sehr störend, unwohl war und 2 Monate der Ruhe halber im Bett zubringen mußte, bin ich endlich wieder soweit, daß ich ordentlich arbeiten und meine Briefschulden abmachen kann. Hoffentlich wirst auch Du und Deine Frau allmählich über die Nachwehen Eurer weit schwereren Krankheit wegkommen und dann allmählich alles wieder ins alte Gleise geraten. Da ich noch nicht ganz frei-bewegungsfähig bin und meine Exkursionen sich auf die nächste Umgebung beschränken, ich auch keine Leute habe, die ich herumschicken kann, so habe ich Deinen Auftrag etwas anders ausgeführt. Dein Exemplar „Kapital" III. Aufl. sowie ein Deville „Le Capital" gingen in 2 Paketen Book Post1 an Dich ab, die Photographien schick' ich auf demselben Wege, da ich sie jetzt verpacken gelernt. Die 2 andern Ex. „Kapital" wirst Du ja wohl dort leicht erhalten können. Für „To-Day" habe ich ein Jahresabonnement für Dich genommen und wirst Du es wohl regelmäßig erhalten. Die Leute haben alle viel guten Willen, aber verdammt wenig Kenntnisse, für „To-Day" geht das noch, aber jetzt gibt die Democratic Federation1871 ein Wochenblatt: „Justice" heraus, das sich durch große Öde des stets wiederholten Inhalts und durch absolute Unfähigkeit, auch nur eine Tagesfrage beim rechten Ende anzufassen auszeichnet. Ich schicke Dir ein paar Nrn., es ist nicht der Mühe wert, es zu halten. Überhaupt ist die Democratic Federation nicht so ohne weiteres auf Treu und Glauben zu akzeptieren, es sind da allerhand zweifelhafte Elemente. Hyndman, der sich als Parteichef in partibus infidelium11261 aufspielt, ist ein ziemlich unskrupulöser Streber und noch vor wenigen Jahren durchgefallner konservativer Parlamentskandidat, hat sich auch schofel gegen Marx benommen - ich halte mich der ganzen Democratic
Federation fern, Zeitmangel ist mir nützliche Entschuldigung, und steh nur mit „To-Day", namentlich Bax, näher, dieser ist ein sehr braver Kerl, der nur sehr zur Unzeit jetzt Kant ochst. Wenn Du nichts dagegen hast, lasse ich Marx' Brief an Dich wegen H.George'241 englisch in „To-Day" abdrucken, Ihr könnt's denn dort weiter vernutzen. Auf eine Debatte mit Stiebeling mich einzulassen, werde ich schwerlich Zeit haben.11871 Solche kleine Götterchen kann man ruhig sich selbst überlassen. Das Sektenwesen wird ohnehin in Amerika auf Jahre hinaus nicht zu verhindern sein. So wird auch der große Most wohl schließlich als K.Heinzen II. endigen. Die „Wochen-Volkszeitung"2 erhalte ich, steht aber nicht viel drin. Wie es mit Bebels, Liebknechts oder sonst jemandes Reise nach Amerika steht, weiß ich nicht.1231 Ich habe den Leuten auf Befragen meine Ansicht dahin mitgeteilt, daß es wohl nicht angehn werde, Amerika alle 3 Jahre für die Wahlen anzuzapfen. In Deutschland steht's übrigens sehr gut. Unsre Jungen halten sich ganz famos. Das Sozialistengesetz'331 verwickelt sie überall in einen Lokalkampf mit der Polizei, der mit allerhand Witz und Schindluder verbunden ist und meist für uns siegreich ausfällt und das beste Propagandamittel von der Welt abgibt. Alle Bourgeoisblätter lassen von Zeit zu Zeit Seufzer entwischen über die enormen Fortschritte unsrer Leute, und vor den Neuwahlen haben sie alle Angst. Vor 14 Tagen hatte ich einen Neffen aus Barmen hier - Freikonservativen, dem sagte ich: Wir sind jetzt in Deutschland soweit, daß wir die Hände in den Schoß legen können und unsre Feinde für uns arbeiten lassen. Ob Ihr das Sozialistengesetz abschafft, verlängert, verschärft oder mildert, ist einerlei, was Ihr auch tut, es arbeitet uns in die Hände. - Ja, sagte er, die Umstände arbeiten merkwürdig für Euch. - Allerdings, sagte ich, aber das täten sie auch nicht, wenn wir sie nicht schon vor 40 Jahren richtig erkannt und danach gehandelt hätten. - Keine Antwort. In Frankreich geht's auch besser, seit Laf[argue], Guesde und Dormoy wieder aus dem Gefängnis'61. Sie sind sehr tätig, besuchen viel die Provinz, wo glücklicherweise ihre Hauptstärke, haben in Reims und St.Pierre-lesCalais Blättchen3, Kongreß in Roubaix in 4 Wochen'1881. Dazu halten sie alle Sonntag in Paris eine stark besuchte Vorlesung, Laf[argue] über die materialistische Geschichtsauffassung, Deville über das „Kapital".11781 Ich werde schreiben, daß sie Dir die Sachen, die alle gedruckt werden, zuschicken. Es ist ein Glück, daß sie augenblicklich in Paris kein Tageblatt
2 „Wochenblatt der N. Y. Volkszeitung" — 3 „La Defense de travailleurs", „Le Travailleur"
haben, dazu ist's noch viel zu früh. Von der „Misere de la Philosophie" erscheint in Paris eine neue Auflage.'162' Ditto deutsch in Zürich, russisch in Genf. Von meiner „Entwicklung"4 habe ich Dir, glaub' ich, noch kein Ex. zugeschickt, weil ich selbst nur immer eins oder zwei erhielt. (Knoten!) Jetzt ist das Ding in 3. Auflage erschienen, dazu französisch, italienisch, russisch und polnisch. Aveling will es englisch übersetzen'1891, auch dieser junge Mann ist sehr gut, hat aber too many irons in the fire6 und jetzt einen zeitraubenden Kampf mit seinem Exfreund Bradlaugh; diesem entschwindet durch die hiesige sozialistische Bewegung der Boden unter den Füßen und damit die - Lebensmittel. Da heißt's sich wehren, leicht ist's aber nicht für den bornierten und schuftigen Burschen. Tussy geht's soweit gut, sie kommt meist sonntags her. Lenchen, wie Du wissen wirst, führt mir die Haushaltung. In 14 Tagen werde ich ernstlich an den 2.Band des „Kapitals" '2] gehn können - das ist auch noch eine Heidenarbeit, aber ich freue mich darauf. Lies Morgan (Lewis H.), „Ancient Society", 1877 in Amerika erschienen. Enthüllt die Urzeit und ihren Kommunismus meisterhaft. Hat Marx Geschichtstheorie naturwüchsig neu entdeckt und schließt mit kommunistischefn] Folgerungen für heute. Grüße Adolph6 herzlich. Dein F.E.
4 „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" - 6 zu viele Eisen im Feuer - 6 Adolph Sorge jun.
69
Engels an Paul Lafargue in Paris11901
[London] 11.März 84
Mein lieber Lafargue, Vollkommen einverstanden mit fast allen Ihren Änderungen bis auf folgende: S.6 über ... den Tauschwert im unklaren bleibt - man kann nicht mit „und" fortfahren; das folgende, seine utopistische Auslegung, wird durch dieses im unklaren bleiben verursacht; diese Ursächlichkeit muß angezeigt werden. 5.6 unten: es betäubt uns usw., das ist zu verkürzt; die falsche oder angebliche Wissenschaft fehlt dort. Man müßte versuchen, sich mehr an das Original zu halten. 5.7 dieselben Einwände; und dann: „der jedoch seine Prätentionen auf Originalität herunterschrauben mußte" - das verfälscht den Text. Marx sagt: „Dazu das unbeholfen-widrige Gelehrttun des Autodidakten, dessen naturwüchsiger Stolz auf originelles Selbstdenken bereits gebrochen ist"1; in Wirklichkeit ist er ein origineller Denker gewesen und war stolz darauf, er ist es nicht mehr, da er gefunden hat, daß das, was für ihn originell und neu war, von anderen vor ihm bereits gesagt worden war; und nun geht er zur falschen Wissenschaft über usw. Ihr Text leugnet die Originalität Proudhons. ibid. Cabet. Sie haben nicht das Recht, M[arx] mehr sagen zu lassen als er gesagt hat: „Cabet, respektabel wegen seiner praktischen Stellung zum französischen Proletariat".2 M[arx] sagt nichts von Aufopferung3, ein Wort, das er, wie Sie wissen werden, haßte - man könnte sagen: resp. wegen der Rolle, die er im französischen Proletariat gespielt hat - (oder in der politischen Bewegung des französischen Proletariats) usw., oder etwas Ähnliches. ib. Kann man sagen: während 3 Bänden predigen?
1 In der Handschrift das Marx-Zitat deutsch - 2 in der Handschrift das Marx-Zitat deutsch 3 in der Handschrift: d^vouement
ib. unten, Thiers: Wenn man schon abkürzt, wie Sie es tun, so müßte man hinzufügen, was das Original sagt: „Thfiers'] Gegenrede gegen Prfoudhonls Vorschläge, die dann als besondere Schrift veröffentlicht ward"4. Das ist, glaube ich, das berühmte Buch „De la propriete"; doch ich bin nicht sicher. 5.8 das Kreditwesen ... beschleunigen könnte - nicht das Kreditwesen, sondern seine Anwendung; es muß also heißen: könnte zur Beschleunigung dienen oder eine ähnliche Wendung. 5.9 entfaltet einen kretinartigen Zynismus zu Ehren des Zaren? „Dem Zaren zu Ehren kretinartigen Zynismus treibt."5 Der Zynismus, mit dem P[roudhon] die Leiden Polens überschüttet, ist eine Schmeichelei für die Politik des Zaren. Das ist es, was dabei herauskommen muß.11911 ib. unten Einerseits usw. - Die zwei entgegengesetzten Strömungen, die die Interessen des Kleinbürgers beherrschen, dürfen nicht fehlen; Ihr Text scheint sie zu unterdrücken. S. 10 geräuschvoller ist besser als skandalös.
15. März Das wär's! Versuchen Sie, dem Original gegenüber genauer zu sein; Marx ist nicht der Mann, den man leichthin übersetzen kann. Ich hoffe, daß Laura auf eine gute und genaue Textwiedergabe bestehen wird. Beiliegend die £ 10. Wir haben alle Bücher und auch die book-cases6 hier, und seit 3 Tagen sind wir dabei, die beiden Bibliotheken zu verschmelzen und zu ordnen. Das ist eine Teufelsarbeit, Nim und ich, wir sind beide ganz erschöpft, darum with love to Laura from Nim and myself. No more at present.
From yours truly7 F.E.
Aus dem Französischen.
4 in der Handschrift deutsch: „Gegenrede ... ward" - 5 in der Handschrift deutsch: „Dem Zaren... treibt."-6 die Bücherschränke (von Marx)-7 mit den herzlichsten Grüßen an Laura von Nim und mir. Für heute alles. Ihr treuer
70
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 24. März 84
Lieber Ede, In aller Eile einigen Klatsch. Wir sind heute endlich in Maitland Park fertig geworden, und das alte Haus ist dem Besitzer zurückgegeben'1541, dagegen stecke ich noch mit den Büchern und Papieren in der dicksten Arbeit und kann nichts Ordentliches anfangen bis das geordnet. Die Demonstration vom 16.11921 hat zwei Blamagen herbeigeführt: Hyndmans und Frohmes. Hyndman war, ohne direkt zugesagt zu haben, zum Redner ernannt worden - wie es heißt, durch Rackow. Da er dem Erfolg nicht traute, erklärte er in „Justice", „ein Arbeiter" müsse sprechen, er werde bloß zuhören. In derselben „Justice" war eine höchst schnoddrige Anzeige der letzten Nummer von „To-Day" - fast eine halbe Kriegserklärung.11931 Dann intrigierte Hyndman gegen Absendung von Delegierten zum Roubaixer Kongreß11881: Die Leute seien eine Minorität, und man dürfe sich nicht in französische innere Streitigkeiten mischen. Aber nächsten Dienstag, Comitesitzung der Democratic Federation, wurde er total geschlagen: seine sichersten Leute traten gegen ihn auf; er konnte die wirklichen Motive seines Auftretens nicht aussprechen; Beteiligung an der Demonstration und am Kongreß wurde enthusiastisch beschlossen; und Hyndman, der jetzt gern in Highgate gesprochen hätte, hatte sich selbst den Rückzug abgeschnitten, und Aveling hatte die ihm gewordene Einladung zu sprechen mit Freuden akzeptiert. So geht es diesen klugen kleinen Klünglern immer, ihre eigne Pfiffigkeit macht sie zuschanden. Frohme soll in Highgate recht gut gesprochen haben, dagegen im Verein11581 schauerlich. Ich schicke Euch die ,,D[eutsche] Londjoner] Ztg.", worin der Philister-Berichterstatter seine Freude naiv durchschimmern läßt darüber, daß Frohme ihm ganz aus der Seele gesprochen mit seinen schauerlichen Gemeinplätzen. Es soll nachher großen Krakeel im Verein gesetzt haben, das war doch zuviel, sie machten Fr[ohme] herunter, und dieser soll erklärt haben: er habe in London keinen einzigen Sozialisten
gesehn, geschweige einen Menschen. Der kommt sobald nicht wieder. Mich hat er glücklicherweise verschont. Besten Dank für das ,,D[eutsche] Tageblatt", es erfolgt ebenfalls zurück. Auf den Blödsinn des B. Becker zurückzukommen, wäre viel zuviel Ehre. Was der Expräsident der Menschheit0941 schreibt und das „Tageblatt" druckt, ist ganz gleichgültig und selbst in Berlin jetzt längst vergessen. Solch ohnmächtige Bosheit erstickt an sich selbst. Was ist das aber für eine Presse, die solches Zeug druckt. Die Pariser Figaristen'1951 logen doch besser, und dann auch nur gleich nach der Kommune, in der Zeit der allgemeinen Angst. Der Märzartikel war trotz alledem sehr gut, die wesentlichen Punkte ganz richtig hervorgehoben. Auch der in der folgenden Nr. über die Bauernpredigt des Volksparteilers, wo nur die Berufung auf den „Begriff" Demokratie faul.'1961 Dieser Begriff wechselt mit dem jedesmaligen Demos, und hilft uns daher keinen Schritt weiter. Was zu sagen war, ist nach meiner Ansicht dies: auch das Proletariat braucht zur Besitzergreifung der politischen Gewalt demokratische Formen, sie sind ihm aber, wie alle politischen Formen, nur Mittel. Will man aber heute die Demokratie als Zweck., so muß man sich auf Bauern und Kleinbürger] stützen, d.h. auf Klassen, die am Untergehn und gegenüber dem Proletariat, sobald sie sich künstlich erhalten wollen, reaktionär sind. Ferner ist nicht zu vergessen, daß die konsequente Form der Bourgeoisherrschaft eben die demokratische Republik ist, die aber nur durch die bereits erreichte Entwicklung des Proletariats zu gefährlich geworden ist, - aber, wie Frankreich und Amerika zeigen, noch immer möglich ist als bloße Bourgeoisherrschaft. Das „Prinzip" des Liberalismus als „bestimmtes, geschichtlich Gewordenes", ist also eigentlich nur eine Inkonsequenz; die liberale konstitutionelle Monarchie ist adäquate Form der Bourgeoisherrschaft 1. im Anfang, wo die Bourgeoisie noch nicht mit der absoluten Monarchie ganz fertig, und 2. am Ende, wo das Proletariat die demokratische Republik schon zu gefährlich macht. Und doch bleibt die demokratische Republik immer die letzte Form der Bourgeoisherrschaft: die, in der sie kaputtgeht. Hiermit schließe ich diesen Senf. Nim läßt grüßen, Tussy sah ich gestern nicht. Dein F.E.
71
Engels an Karl Kautsky in Zürich11971
London, 24. März 84
Lieber Kautsky, Morgans Buch wird am besten in Amerika bestellt, die wenigen für England mit MacMillans Firma gedruckten Ex. scheinen aufgekauft oder vergriffen - ich habe nur mit Mühe und antiquarisch das meinige erhalten. Des amerikanischen Verleger kenne ich nicht. Meines kostet mich 13 sh. 4d. Wenn ich die Zeit finden kann, mach ich's Dir für die „N[eue] Zeit" zurecht, vorausgesetzt, daß Ihr Separatabzug als Broschüre machen wollt (ca. 3 Bogen würd's werden), ich bin es eigentlich M[arx] schuldig, und kann seine Noten aufnehmen.11731 Mit Meißner bin ich jetzt einig, das 2. Buch des „Kapitals" zuerst separat herauszugeben, das 3. und die „Theorien über den Mehrwert"[170i folgen dann nach, als 2. Hälfte des 2. Bandes. Dadurch kommt die Sache rascher in Zug. Postschluß. Dein F.E.
Die Sache mit Morris hat nichts zu bedeuten, die Leute sind konfus genug.11981
9 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
72
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 3I.März 1884
Meine liebe Laura, Selbst wenn heute früh Pauls Brief nicht gekommen wäre, so war der heutige Nachmittag für einen Brief an Dich vorgesehen. Augenblicklich werde ich so viel gestört und belästigt, daß nicht nur meine Zeit, sondern sogar auch mein Zimmer und mein Schreibtisch nicht mehr mir gehören. Vergangenen Montag1 haben wir mit 41, Maitland Park Road reinen Tisch gemacht, Willis bezahlt und ihm den Schlüssel gegeben.11541 WEIS an Möbeln übrigblieb, ist in Händen von Gittens; sie boten £ 12.10, rieten jedoch zum Verkauf - wir werden versuchen, £ 15 aus ihnen herauszuschlagen, um die Sache los zu sein; das wird noch in dieser Woche erledigt. Dann habe ich mich mit den Büchern beschäftigt und war schon bald fertig - zwei Teige noch und die schwere Arbeit wäre getan gewesen als, stell Dir das vor! - der Hauswirt die Maler schickt, das Haus außen zu streichen; und da sitzen wir nun, haben drei Kerle im Hause, die herumtrödeln, alle Fenster offen, zu den unmöglichsten Zeiten stürzen plötzlich Leute in die Zimmer, und zur Krönung des ganzen ein rauher Ostwind, der nicht nur außen, sondern auch innen bläst. Kein Wunder, daß ich einen regelrechten Rheumatismus bekam. Wenn auch diese herumtrödelnden Kerle noch das Haus besetzt halten, so hat uns doch glücklicherweise der Ostwind verlassen und mehr oder weniger auch der Rheumatismus; für heute hat man mir zugesagt, daß ich in meinem Zimmer bleiben darf unter der Bedingung, daß ich es morgen räume. So laßt uns denn das Heute genießen, solange es geht! Nim sagt, ihr sei jetzt, da mit dem alten Haus reiner Tisch gemacht worden ist, ein Stein vom Herzen gefallen, nun könne sie endlich wieder ruhig schlafen; für sie war es ein Alpdruck, den nicht einmal ein gelegentlicher „Irish"-Schlummertrunk verscheuchen konnte. Unser Heim hat sich sehr verändert; zwei meiner Bücherschränke sind nach unten gekommen,
das Klavier steht in der Ecke zwischen Kamin und Flügeltür (im vorderen Zimmer), die andere Ecke ist durch einen Bücherschrank von Mohr ausgefüllt, während sein großer Bücherschrank (früher hinter seinem Sofa) jetzt den Platz im hinteren Zimmer einnimmt, wo das Klavier stand. Sobald die Maler weg sind, werde ich den letzten Haufen Bücher zu Ende sortieren und dann versuchen, die letzte Bücherkiste an Euch abzuschicken; es ist eine ganze Menge netter Sachen dabei über die Französische Revolution, Loustallot, „Feuille Villageoise", „Prisons de Paris pendant la Revolution]"1199', usw. usw. Ich habe mit Meißner vereinbart, daß das 2. Buch (Zirkulationsprozeß des Kapitals2) zuerst und gesondert veröffentlicht werden soll; sobald die grobe Arbeit beendet ist, kann ich anfangen. Dann wird das 3. Buch folgen, zusammen mit den „Theorien über den Mehrwert"3, eine jetzt von mir aufgefundene umfangreiche kritische Arbeit, die einen Teil des ersten Manuskripts des „Kapitals" (1862) darstellt.'1701 Die englische Ubersetzung4 geht langsam voran, Sam hat zuviel mit Gerichtssachen zu tun und ist zu gewissenhaft, um „ohne Rücksicht auf Qualität" weiterzuhasten. Die Bewegung hier zeigt mit jeder Woche immer mehr ihre Hohlheit. „Justice" treibt mich zur Verzweiflung mit ihrer totalen Unfähigkeit, auch nur eine einzige Frage richtig anzupacken. „To-Day" wird nächsten Monat nur von Davitt und Paul existieren, der, wie Du sicher mit Freuden aus der „Justice" erfahren hast, die führende lebende Autorität auf dem Gebiet des bäuerlichen Eigentums in Frankreich ist.'2001 Diese Kerle können nicht einmal einem Manne Gerechtigkeit widerfahren lassen, ohne den Versuch, ihn lächerlich zu machen. Soweit ich es im Augenblick beurteilen kann, sind Bax und Aveling die einzigen, aus denen etwas zu machen ist; doch Bax hat nur Kant im Kopf, und Aveling muß, um leben zu können, viele Eisen im Feuer haben und ist in allem, was politische Ökonomie betrifft, ein ausgesprochener Neuling. Paul wird Bax sicher in Roubaix'188' sehen; er und ein Arbeiter8 sind von der Democratic Federation'871 sehr gegen Hyndmans Willen delegiert worden, der in letzter Zeit mehrmals versucht hat, ihnen seine persönlichen Pläne und Schliche aufzuzwingen, dabei aber schmachvolle Niederlage erlitten hat: so war er dagegen, Delegierte nach Roubaix zu entsenden, weil er die Möglichkeit einer Verbindung mit Brousse und Co. offenhalten wollte. Der Kerl wird nicht weit kommen: er ist zu voreilig.
s in der Handschrift deutsch: Zirkulationsprozeß des Kapitals -s in der Handschrift deutsch: „Theorien über den Mehrwert"des ersten Bandes des „Kapitals" -5 Harry Queich
Ich fürchte, Paul wird wegen des deutschen Delegierten nach Roubaix enttäuscht sein, es sei denn, Liebkn[echt] käme; aber wenn er auch versprochen hat zu kommen, so ist es doch nicht wahrscheinlich. Die anderen sprechen nicht Französisch, außer vielleicht Bernstein, und den werden die Abgeordneten bestimmt nicht schicken, da ihn die meisten hassen und, wenn sie könnten und den Mut dazu hätten, ihn in Zürich ablösen würden. Dank der großen Zunahme an petit bourgeois - gebildete Schafsköpfe6, sind unsere „Führer" in Deutschland ein trauriger Haufen geworden. Immerhin hoffe ich, daß Roubaix devant le public7 ein großer Erfolg wird, es wird enorm weiterhelfen; einstweilen lege ich einen Scheck von £ 10 bei und sende Dir eine Unmenge Küsse von Nim und Deinem Dir zugeneigten alten Krüppel F. Engels
Aus dem Englischen.
5 in der Handschrift deutsch: gebildete Schafsköpfe - ' in der Öffentlichkeit
73
Engels an Karl Kautsky in Zürich
..... , London, 11. April 84 Lieber K.autsky, Deinen und Edes Brief erhalten.12011 Morgan wird hoffentlich nächste Woche fertig11731; kann jetzt nicht viel machen, Schorl[emmer] und Moore sind hier. Dies ist meine letzte Arbeit für einige Zeit, und es ist keine Kleinigkeit, ein so inhaltreiches und schlecht geschriebnes Buch zu resümieren. Wenn Tussy den Brief12021 findet, so kommt auch ein Urteil von Marx über Richard Wagner hinein, wie das zusammenhängt, mögt Ihr selbst ausfinden. Nachher geht's unaufhaltsam an den II.Band1, daneben folgende Revisionen: 1. Eure „Misere"[2031, 2. Noten und Vorrede zur französischen ditto[1671, 3. Revision der englischen Übersetzung2, die jetzt mit Macht voranrücken soll. Dazu 4. nun noch „Dühring"[2041, und was mir sonst noch von französischer Seite zur Revision zukommen mag. Der Fabian verfolgt mich mit einer Hartnäckigkeit, die er einstecken würde, wenn er wüßte, welchen Spaß er uns hier damit macht.12051 Vor Jahren sollten wir an einer von ihm und einem andern großen Denker3 zu gründenden Zeitschrift arbeiten und zwar auf Grund eines von jenen bereits fix und fertig festgestellten philosophischen Programms, das aus einem mißverstandenen und sauer gewordnen Kantianismus vierter Generation bestand. Dann verfolgte er meine dialektische Behandlung der Mathematik und beklagte sich bei Marx, ich hätte die y — I verleumdet.12061 Und jetzt geht's also wieder los. Arm in Arm mit von der Marek wird er von mir ungelesen durch die Welt wandern. „Lage der arbeitenden Klasse". Die letzten Nachrichten, die ich von Liebknecht] darüber hatte, war, daß Freytag erklärt habe, ich sei doch noch an den Kontrakt mit Wfigand] gebunden. Auf was L[iebknecht] sagt, ist gar nicht zu gehn, und tun in der Sache tut er nichts.4 Ich werde an Freytag selbst schreiben, das wird das einzige sein. 1 des „Kapitals" - 2 des ersten Bandes des „Kapitals" - 3 Wilhelm Ludwig Rosenberg — 4 siehe vorl. Band, S. 24
Geiser mag noch so sehr auf die Atheisten schimpfen12071, der Bismarck tut ihm doch nicht den Gefallen, das Sozialistengesetz abzuschaffen. Wer bisher noch in diesem Punkt Illusionen hatte, wird sie wohl jetzt los sein, nachdem Bismarck] seine letzte Reserve, den alten Esel Lehmann5, eingesetzt hat, um es zu retten.12081 Daß die Fraktion dem L[iebknecht] verbietet, an einem Blatt6 zu arbeiten, ist kostbar. Das geht über die alte preußische Zensur. Nun, wenn Liebknecht] sich das gefallen läßt, ist's weit gekommen. Rodbfertus] etc. erhalten12091, besten Dank, erfolgt nächste Woche zurück. Die betreffende Note im „Kapital" steht 2. Aufl., S.552, und wird in der 3. Auflage durch einen Zusatz von mir bedeutend qualifiziert; bitte nachzusehn.12101 Hiermit mußt Du vorliebnehmen, da ich noch an Ede schreiben muß.
Dein F.E.
74
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 11. April 84
Lieber Ede, Ich glaube auch, es wird besser sein, das dicke Buch von Frohme eines natürlichen Todes sterben zu lassen.12111 Delegation nach Roubaix wäre sehr schädlich gewesen im Moment der Verhandlung über das Sozialistengesetz. Die Heuler'1121 hätten gesagt, dadurch allein sei die Verlängerung provoziert worden, die doch kommt;, das mußte vermieden werden. Kongresse sind Demonstrationen und nützliche persönliche Zusammenkünfte, und als solche von untergeordneter Bedeutung, wichtigere Rücksichten dürfen ihnen nicht zum Opfer gebracht werden. Ich werde das den Parisern klarzumachen suchen. Die Adresse war unter den Umständen das einzig mögliche und hinreichend.1188' Vor einem internationalen Kongreß in London graut mir, ich geh' dann fort. Mit den Rodb[ertus-] Sachen wartet Ihr am besten, bis Ihr meine Vorrede zur „Misere"1 habt, die Hauptsachen könnt Ihr dort gar nicht kennen, nämlich die englischen („Misere" p[.,.]'2121 angedeutet), aus denen hervorgeht, daß die sozialistische Nutzanwendung der Ric[ardo]schen Werttheorie - das große Steckenpferd Rodberti - in England seit 1820 ökonomischer und seit 1830 sozialistischer weltbekannter Gemeinplatz war. Ich habe Euch, glaub' ich, schon geschrieben2, daß ich ebendaselbst nachweisen werde, daß Mfarx], weit entfernt, dem Rodbertus das Geringste abzustibitzen, vielmehr bereits in der „Misere" die sowohl schon geschriebnen wie die sämtlichen noch ungeschriebnen Werke besagten Rodberti im voraus und ohne es zu wissen kritisiert hat. Ich glaube, wir warten mit dem Angriff am besten, bis die „Misere" deutsch heraus ist, und dann dicke drauf (d.h. ich meine den Hauptangriff, Plänkeleien, um die Rodbertianer zum Feuern zu verlocken, sind immer gut). Dem Ms. sehe ich entgegen.'2031 Notabene, wenn Euch im 2. Abschnitt die Hegeischen Ausdrücke Schwierigkeiten machen, so laßt einfach Platz 1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx* Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - a siehe vorl. Band, S. 108/109
im Ms., ich fülle sie hinein; es muß im Deutschen die richtige Schulterminologie sein, sonst wird's unverständlich. Von der 3. Aufl.3 waren's 3 Exemplare. Der beigelegte „Dühring" machte mir einiges Kopfbrechen, worauf ich ihn ruhig beiseite legte, denkend, er sei durch Versehn hineingekommen. Daß das ein Wink für 2te Aufl. sei, kam mir nicht in den Sinn. Daß dem so ist, macht mir besondern Spaß, um so mehr, als ich jetzt von verschiednen Seiten erfahre, daß das Ding besonders auch in Rußland eine mir ganz unerwartete Wirkung ausgeübt hat. Die Langweiligkeit der Polemik mit einem unbedeutenden Gegner hat also doch nicht verhindert, daß der Versuch, eine enzyklopädistische Übersicht unsrer Auffassung der philosophischen, naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Probleme zu geben, gewirkt hat. Ich werde fast nur stilistische Änderungen und vielleicht im naturwissenschaftlichen Teil Zusätze machen. - Die frühere Herausgabe in 2 Teilen war begründet in der Art, wie das Ding herauskam (als Separatdruck), sonst war sie rein unsinnig.12041 Die qufästionierten] Karten für Nim sind noch nicht eingesprungen.'2131 Dein F. E.
75
Engels an Laura Lafargue in Paris
... ... . London, 18. April 1884 Meine hebe Laura, Besten Dank für Deine Nachricht über die Kinder1, die uns alle sehr erfreut hat. Hoffen wir, daß sich die neue Regelung wenigstens für einige Zeit und ohne zu viele Reibereien bewährt, obwohl sie2, nach allem, was Du erzählt hast, Manns genug zu sein scheint, reichlich davon aufkommen zu lassen.12141 Was unsere „Sozialisten"-Gruppe hier angeht, so bin ich auch der Meinung, und sagte es bereits, daß Bax und Aveling die einzigen sind, um die es sich zu kümmern lohnt, sie haben wenigstens den guten Willen zu lernen, wenn auch manches zerfahren ist. Aber das schlimmste ist, daß diese kleine Clique von Leuten, die sich öffentlich „gegenseitig bewundern" und sich auch mehr oder minder im geheimen „gegenseitig verleumden" (besonders Hyndman), durch ihr boshaftes Geschwätz zu einem regelrechten Ärgernis wird. Zuerst erfahren wir von S.Moore, er hätte in Manchester gehört, Hyndman sei damit beschäftigt, das „Kapital" zu übersetzen. Uns ist es bisher noch nicht gelungen, dieses Mysterium zu enträtseln, aber es wird sich wahrscheinlich als canard3 erweisen. Und nun, bevor wir das überhaupt geklärt haben, verbreiten diese beiden Wichtigtuer4 in Paris das Gerücht, daß Aveling daran sitze!12151 Kurz gesagt, die Geschichte ist die: Aveling, der den deutschen Text studiert, hat einige Seiten für sich, zum eigenen Gebrauch, übersetzt. Zur gleichen Zeit, da Hyndman als möglicher Mitbewerber dafür genannt wurde, erklärte Sam, daß er mit seiner Übersetzung sehr langsam vorankäme und über etwas Hilfe froh wäre. So kam die Rede auf Aveling; ich sah mir seine Arbeit an und fand sie völlig unbrauchbar. Er war jedoch sehr erpicht darauf, und so wurde vorige Woche, als er Sam Moore hier traf, vereinbart, daß er es mit dem Kapitel „Der Arbeitstag" 5 versuchen solle, da dieses 1 Jean-Laurent-Frederick, Edgar, Marcel und Jenny Longuet - 2 die neue Haushälterin der Familie Longuet - 3 Ente — 4 Ernest Beifort Bax und James Leigh Joynes — 5 in der Handschrift deutsch: „Der Arbeitstag"
hauptsächlich beschreibend und relativ frei von schwierigen theoretischen Passagen ist, denen A[veling] vorläufig absolut nicht gewachsen ist, das heißt, solange er nicht das ganze Buch durchgearbeitet und verstanden hat. Gleichzeitig aber sagte ich Sam, daß ich dabei eine Bedingung stelle: daß man Dir vorschlägt, mitzuarbeiten, worüber Sam sehr froh war, und deshalb möchte ich Dich bitten, Deine Wahl zu treffen. Die Sache steht gegenwärtig folgendermaßen: Sam macht jetzt den 1. Abschnitt12161 von Anfang an; wir sind Teile des 1. Kapitels durchgegangen, und es ist sehr gut, obwohl wir es noch einmal durchsehen werden. Er will ihn zu Ende machen, d.h. bis zu Seite 127 (2. Ausgabe)12171, und die schwierigsten Teile (S.22-44) werden wir beide unabhängig voneinander machen und dann vergleichen. - Von Seite 128 bis 221 (2. Abschnitt und 3. Abschnitt, Kapitel 5, 6 und 7) sind fertig. Kapitel 8 wollen wir Aveling versuchen lassen. Alles andere steht Dir zur Auswahl frei. Ich glaube nicht, daß Du den nächsten, den 4. Abschnitt, Kooperation, Teilung der Arbeit,... Maschinerie usw. auf den S.318-529 gern übernehmen möchtest, da dies ziemlich speziell ist, ebenso der 6. Abschnitt: der Arbeitslohn. Der 7., die Akkumulation, würde Dir vermutlich am besten zusagen. Aber entscheide selbst. Bei den Fachausdrücken, für die es schwer sein wird, das englische Äquivalent in Paris zu finden, könntest Du Platz lassen, wir könnten sie hier oder in Manchester ausfindig machen und einsetzen. Da alle Teile der Übersetzung durch meine Hände gehen, kann ich die Begriffe leicht vereinheitlichen (d. h. im ganzen Buch die gleichen Fachausdrücke verwenden). Wenn Du unseren Vorschlag annimmst, was ich hoffe, und Dir einen Abschnitt aussuchst, werden wir wenigstens zum Teil Möhrs Wunsch erfüllt und Deinen Namen und Deine Arbeit mit dieser Übersetzung verbunden haben, die - wie ich mich täglich immer mehr überzeuge - eine absolute Notwendigkeit ist, wenn man nicht will, daß der gegenwärtigen Bewegung hier an ihrer eigenen Hohlheit die Luft ausgeht, wie einem Ballon, der ein Loch hat; und wir werden auch die Veröffentlichung etwas beschleunigen können. Tussy hat es übernommen, alle Zitate aus den Blaubüchern'1571 herauszusuchen und die Stellen in der Originalfassung herzustellen, um eine Rückübersetzung und Fehler auszuschalten, die dabei unvermeidlich wären. Auch wird sie Kegan Paul so bald wie möglich aufsuchen, vielleicht heute (wegen der Osterfeiertage konnten wir in dieser Richtung nichts unternehmen), und für mich eine Unterredung mit ihm vereinbaren, bei der wir dann hoffentlich die geschäftlichen Angelegenheiten regeln können; wir werden dann auch schon wissen, ob an der Geschichte mit Hyndman etwas Wahres ist.
Wenn Du also ja sagst, so wird wenigstens etwas Gutes bei dem Geschwätz von Bax und Joynes herausgekommen sein; denn offen gesagt, ich habe kein großes Vertrauen zu Avelings gegenwärtigen Versuchen. Von Möhrs Photographien gibt es ungefähr 450 kleine (cartes) zu sh. 24/- per 100 und 250 große (cabinets) zu sh. 50/- per 100. Wenn Du willst, schicke ich Dir einen ganzen Packen davon, sobald ich Zeit habe, ihn fertigzumachen. Augenblicklich habe ich immer noch einen Haufen Bücher zu packen. Sam ist Mittwoch abgefahren, Schorlemmer bleibt noch bis Montag hier. Er läßt Dir eine Million herzlichste Grüße bestellen. Das Exemplar der 3. Auflage6 habe ich am 5. April per Einschreiben direkt an Danielson geschickt, und es v/äre mir angenehm, wenn Paul das in seinem nächsten Brief an ihn erwähnte. Lopfatin] hatte mich gebeten, es zu schicken und mir die Adresse gegeben. Jetzt muß ich noch an Paul schreiben. Ich verbleibe also, bis zum nächsten Mal, in herzlicher Zuneigung Dein F. Engels
Aus dem Englischen.
6 des ersten Bandes des „Kapitals" in deutscher Sprache
76
Engels an Paul Lafargue in Paris
London, den 18. April 84
Mein lieber Paul, Es ist dreiviertel 5: also schnell! Meine Glückwünsche zum Erfolg Ihres Kongresses11881. „Le Journal de Roubaix" beweist ihn durch den Unterschied seiner Berichte über die ersten und die letzten Sitzungen.1218' Die Deutschen taten gut daran, keinen Delegierten zu schicken. Die Verlängerung des Ausnahmegesetzes wäre der Regierung und den Bourgeois zu leicht gemacht worden.'2191 Die Gemäßigten in unserer Partei (sehr zahlreich unter den Führern, doch sehr wenig gegenüber der Masse, die ausgezeichnet ist) hätten das ausgenutzt. Das wäre ein Fehler gewesen, den man sich nicht erlauben konnte. Die Kundgebungen, selbst die internationalen, müssen in einem solchen Fall geopfert werden. Bis wann die Rückgabe des Übersetzungsmanuskripts1? Ich bitte Sie, geben Sie sich diesmal wirklich Mühe. Die Sache muß in jeder Beziehung gut gemacht werden oder überhaupt nicht. Und wann wird man mit dem Druck beginnen können? Es ist wegen der paar Anmerkungen und eines kurzen Vorworts, um mich einrichten zu können - wenn Sie wollen, machen Sie ein Vorwort und schicken Sie es mir. Sie baten darum, Ihnen den Vortritt2 vor der deutschen Ausgabe zu gewähren; aber von dieser habe ich das vollständige Manuskript des ersten Teils, und die Leute dort in Zürich drucken, sobald das Manuskript in ihren Händen ist. Mit der Durchsicht dieses deutschen Textes und des englischen „Kapitals" habe ich alle Hände voll zu tun und möchte deshalb gern wissen, wie ich mich einrichten muß, um nicht unnütz Zeit zu verlieren. Denn ich muß endlich an den 2. Band3 kommen, und schon kündigt man mir von Zürich die Notwendigkeit einer 2. Auflage meines „Dühring"12041 an und einer 4. meines „Bauernkrieges"12201 - das bedeutet neue Revisionen
1 die französische Übersetzung von Marx' Artikel: „Über P.-J. Proudhon" - 2 für die zweite französische Ausgabe des „Elends der Philosophie" - 3 des „Kapitals"
und Vorworte machen! Da sieht man, was - Herrn Bismarck und mir - das Verbot meiner Bücher in Deutschland eingebracht hat! Der alte Wilhelm liegt mehr oder weniger in extremis. Er erkennt die Leute, die zu ihm kommen nicht mehr und kann auch nicht mehr die Worte wiederholen, die man ihm beigebracht hat, damit er den Deputationen antworten kann. Nim kommt eben von einer Besorgung zurück, sie sendet Euch ihre „Grüße" (loves) in gewünschten Mengen. Freundschaftlichst Ihr F.E. 5 Uhr 20 Min.
Aus dem Französischen.
77
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 26. April 84
Lieber Kautsky, Ich hatte mir vorgenommen und allgemein hier erzählt, ich würde dem Bismarck einen Streich spielen und etwas schreiben (Morgan), was er platterdings nicht verbieten könne. Aber beim besten Willen - es geht nicht. Das Kapitel über die Monogamie und das Schlußkapitel über das Privateigentum als Quelle der Klassengegensätze sowie als Hebel der Sprengung der alten Gemeinwesen, kann ich platterdings nicht so abfassen, daß sie unter das Sozialistengesetz sich fügen. Wie Luther sagt: Hol mich der Teufel, ich kann nicht anders.11731 Die Sache hätte auch keinen Sinn, wenn ich nur „objektiv" referieren, M[organ] nicht kritisch behandeln, die neugewonnenen Resultate nicht verwerten, nicht im Zusammenhang mit unseren Anschauungen und den bereits gewonnenen Ergebnissen darstellen wollte. Davon hätten unsre Arbeiter nichts. Also - gut und notwendig verboten, oder - erlaubt und hundsföttisch. Letzteres kann ich nicht. Ich werde nächste Woche (Schorl[emmer] ist wieder hier bis Montag) wohl fertig. Es werden reichlich 4 Bogen oder mehr. Wollt Ihr's dann riskieren - nachdem Ihr's gelesen - es in der „N[euen] Z[eit]" abzudrucken, so komme das zu vergießende Blut auf Euer Haupt und klagt dann nicht mich an. Seid Ihr aber verständig und riskiert nicht die ganze Zeitschrift wegen des einen Artikels - dann laßt die Sache als Broschüre drucken, sei es in Zürich, sei es wie die „Frau"11301. Das ist dann Eure Sache. Für unsre Gesamtanschauung wird das Ding, denke ich, besondere Wichtigkeit haben. M[organ] erlaubt uns, ganz neue Gesichtspunkte aufzustellen, indem er uns mit der Vorgeschichte eine bisher fehlende tatsächliche Grundlage gibt. Was Du auch vielleicht noch für Zweifel über einzelne Urgeschichtliche und „Wilde" haben magst, mit der Gens ist der casus in seiner Hauptsache erledigt, und die Urgeschichte aufgeklärt. Und daher will das Ding ernstlich bearbeitet, wohl erwogen, in alle seine
Zusammenhänge gebracht - aber auch ohne Rücksicht auf das Sozialistengesetz behandelt sein. Ein Hauptpunkt ist noch: ich muß nachweisen, wie genial Fourier in so vielen Sachen den Mforgan] antizipiert hat. Fouriers Kritik der Zivilisation tritt erst durch M[organ] in ihrer ganzen Genialität hervor. Und das kostet Arbeit.12211 Meinen Brief von Montag1351 wegen der Neuauflagen hast Du hoffentlich erhalten. Ich bitte Dich, dafür zu sorgen, daß gar nichts gesetzt wird, bis mein Ms. da. Der „Bauernkrieg"12201 wird ganz umgearbeitet. Bei „Dühring" müssen u.a. die in der „Entwicklung des Sozialismus" eingefügten Änderungen gleich im Anfang zugesetzt werden, und vieles ist zu bessern und Zusätze zu machen.12041 Apropos. Ich habe hier ca. 50 Ex. „Dühring" liegen, wenn Ihr sie brauchen könnt, schick' ich sie sofort, sagt aber, auf welchem Weg, damit sie nicht durch Deutschland gehn und abgefaßt werden. Das wird man ja dort wissen. Bitte um möglichst genaue Auskunft. Dein F.E.
78
Engels an Ludwig Kugelmann in Hannover
122, Regent's Park Road, N.W. London, 4. Mai 1884
Lieber Kugelmann, Mit meiner Gesundheit stehts all right, die Geschichte war langwierig und genant, sonst nicht ernsthaft in irgendeiner Art, aber sie zu beschreiben, würde Seiten erfordern. Deine Karte erhielt ich, ebenso mit Dank die Leibniziade12221; leider kann ich auf dergleichen Nebenstudien nicht eingehn, da ich alle Hände voll zu tun habe mit Besorgung des 2. Bandes1, und Revision von Übersetzungen M[arx]scher Sachen ins Deutsche, Englische2 und Französische11621. Dazu neue Auflagen zweier meiner Arbeiten.3 Das II.Buch wird wahrscheinlich separat erscheinen; da ich aber im Herbst und Winter soviel Zeit verloren, bin ich mit allem sehr zurück und werde von soviel Seiten um Zusagen angesprochen, daß ich mir vorgenommen habe, gar keine mehr zu machen. Dein F. Engels
1 des „Kapitals" - 2 die deutsche Ausgabe des „Elends der Philosophie" und die englische Ausgabe des ersten Bandes des „Kapitals" - 3 siehe vorl. Band, S. 140/141
79
Engels an Paul Lafargue in Paris
,, . , T , London, den 10. Mai 84 Mein lieber Lafargue, Inliegend Scheck über £ 14. Ich bekomme keine Pariser Zeitung zu Gesicht - ich weiß also nur aus dem „Standard" und durch Sie, was vor sich geht. - Ihre Wahltaktik hätte ich auch empfohlen.12231- Diese Leute bringen sich selbst um, wenn man sie gewähren läßt; give them plenty of rope and they are sure to hang themselves1. Inzwischen hatte mir Bernst[ein] geschrieben'2241, Sie hätten einen Gegenkandidaten zu Joffrin aufgestellt, was er für ungünstig halte2; sagen Sie mir, was daran wahr ist, damit ich ihm antworten kann. Vielen Dank für den Artikel, das ist nur der erste, und ich erinnere mich nicht mehr, ob ich auch die Fortsetzung geschrieben habe.'22®1 Von Vaillants Übersetzung habe ich nur die erste Nummer gesehen. Sie ist gut und genau, wenn man davon absieht, daß er nicht immer die militärischen Ausdrücke kennt. Ihre und Devilles Vorlesungen sind ausgezeichnet'1781, aber Sie sollten, zumindest für die gedruckte Ausgabe, die Schlußfolgerungen der zweiten über den Darwinismus breiter entwickeln. Dieser Teil scheint von der Masse des vorangehenden Materials für die Schlußfolgerung erdrückt zu werden. Die Schlußfolgerung springt jedoch nicht genug in die Augen, sie ist auch in ihren Einzelheiten nicht entwickelt. Den dritten habe ich noch nicht gelesen. Sobald man in Zürich mit der Übersetzung von „Misere de la philosophie"12031 fertig ist, werde ich ihnen vorschlagen, die Vorlesungen in deutsch herauszubringen. Ich mache jetzt Schluß, ich habe eine sehr wichtige Arbeit zu beenden: „Ursprung der Familie, des Eigentums und des Staats" - ich hoffe, Ende nächster Woche damit fertig zu sein - bis dahin muß ich tüchtig arbeiten. Grüßen Sie Laura recht herzlich von mir und Nim, die Ihnen auch herzliche Grüße sendet. , . r.. . TI freundschaftlichst ihr F.E. Aus dem Französischen. 1 gebt ihnen genügend Stricke und sie hängen sich sicherlich selber auf - 2 vgl. vorl. Band, S. 152
10 Man/Engels, Werke, Bd. 36
80
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
[London] 17. Mai 84
Lieber Ede, Das Ms. wird heute fertig, folgt noch die Durchsicht und Nachfeile, die ein paar Tage wegnehmen wird. Dann bekommt Ihr's. Ich denke, Kautsky läßt das Kapitel über die Familie (minus Monogamie1) als Probe in der ,,N[euen] Z[eit]" drucken, und das Ganze wird selbständig gedruckt. Wo und wie, darüber werdet Ihr mir Vorschläge machen können, wenn Ihr es habt. Wegen der Pariser Wahlen2 und andrer Sachen, sobald ich irgend Zeit habe. Jetzt brennt mir das Ms. auf den Fingern, ich lasse alles andre liegen, auch das Dringendste. Es wird lang - ca. 130 eng geschriebne Oktavseiten und heißt: „Die Entstehung der Familie, des Privateigentums und des Staats". Post- und Essenszeit. Grüße Kautsky. Dein F. E.
Unter andern Störungen auch Pumps' kleiner Junge sehr gefährlich krank, ich fürchte sehr für ihn.
81 • Engels an Eduard Bernstein und Karl Kautsky • 22. Mai 1884 147
81
Engels an Eduard Bernstein und Karl Kautsky in Zürich
London, 22. Mai 84
Liebe Jungens, Hier das Ms.1 mit Ausnahme des Schlußkapitels, das noch revisionsbedürftig. Ihr werdet finden, daß es nicht für den offnen deutschen Markt paßt, überlegt Euch, ob's in Stuttgart unter falscher Firma oder gleich in Zürich gedruckt werden soll, und schreibt mir darüber. Verboten wird, seit dem preußischen Schnaps12261, alles, was meinen Namen trägt. Wenn's nach Stuttgart geht, dann möchte ich nicht, daß es vorher den Weisen Männern, die dort ihr Reich habent227], preisgegeben wird. Revision muß ich in allen Fällen selbst lesen, und bitte um doppelte Abzüge auf gutem Papier mit breitem Rand, da sonst keine ordentliche Korrektur möglich. Seid so gut, mir Empfang per Postkarte anzuzeigen. Heut abend oder morgen antworte ich auf Eure Briefe, ich habe alles liegenlassen, um hiermit fertig zu werden, und muß gleich zum Begräbnis von Pumps' kleinem Jungen, der am Sonntag gestorben ist. Euer alter F.E.
82
Engels an Karl Kautsky in Zürich
[London] 23. Mai 84
Lieber Kautsky, Das Ms. Kapitel 1-81 wirst Du hoffentlich erhalten haben, es ging gestern eingeschrieben an Dich ab. Wie ich Dir schon vorgeschlagen, glaube ich, daß es am besten, wenn Du etwas davon für die „N[eue] Z[eit]" haben willst, das Kapitel über die Familie mit Ausschluß der Monogamie zu nehmen.2 Die letztere ist darin so weit antizipiert, wie nötig ist, um eine gewisse Abrundung hervorzubringen. Was das Verbieten angeht, so schrieb ich Dir schon, daß von mir aus Prinzip alles verboten wird, der „preußische Schnaps"12261 war eine persönliche Beleidigung Bismarcks, und seitdem Richter sich daraus die Schnapspolitik zurechtgemacht12281, schenkt mir der Mann von Schnaps und Kuvertpapier absolut nichts mehr. Alle Deine Argumente12291 fallen ohnehin mit der erfolgten Annahme des Sozialistengesetzes12301 und mit dem sofort gefolgten Verbot der „Süddeutschen] Post"1231 Und die Regierung kann scharf Iosgehn mit Verboten, die liberale Presse beweist es, sie schreit förmlich nach kräftigem Einschreiten gegen uns. Du als Östreicher kannst den Gedankengang gar nicht verfolgen, der sich in Köpfen wie Bismarck, Puttkamer & Co. abwickelt: dazu muß man die preußische Polizeistaatlichkeit von vor 48 kennen; diese vermittelst des Sozialistengesetzes wieder florieren zu machen, ist das treibende Motiv dieser Junkerbürokraten. Alles andre - im Innern - ist sekundär. Wegen der hier lagernden „Dühringe" habe ich noch nichts weiter gehört.'2321 „Kapital" von Rodb[ertus] habe ich. Scheint nichts drinzustehn. Der Mann ist eine ewige Wiederholung dürftigsten Inhalts. Die Archivsachen sind bei mir gut aufgehoben und erfolgen gewissenhaft zurück.12331 Sobald ich das Schlußkapitel abgestoßen und noch verschiedne Sachen - Bücher etc. im Hause geordnet, wird der 2. Band
1„Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" - a siehe vorl. Band, S. 146
„Kapital" in Angriff genommen - für den Tag, und abends zunächst Eure „Misere de la Philosophie"[2031 revidiert, sowie Noten und Vorrede3 dazu gemacht. Diese Teilung ist nicht nur nützlich, sondern absolut notwendig, da die Handschrift von M[arx] bei Licht auf die Dauer nicht zu studieren ist, wenn man nicht mutwillig blind werden will. Meine Kritik des Rodb[ertus] wird sich übrigens in der Hauptsache ja bloß auf den Plagiatsvorwurf12341 beschränken, und alles andre - seine sozialen Rettungsutopien, Grundrente, Bodenkreditgrundadelsschuldentlastung etc. nur eben erwähnt werden. Du wirst also Stoff genug haben, diesen kleinen pommerschen Häuslerexploiteur, der vielleicht ein Ökonom 2ten Rangs geworden wäre, wenn er kein Pommer gewesen, gehörig zu vermöbeln. Seitdem die sich an uns einerseits und an die Kathedersozialisten1291 andrerseits hängenden und sich nach beiden Seiten sicherstellen wollenden Schlappes ä la Freiarsch Thüringer4 den „graußen Rodbertus" gegen Marx ausspielen, und nun gar die Adolph Wagner und andre Bismärcker denselben zum Propheten des Strebersozialismus erheben12351, haben wir absolut keinen Grund, diese von Rodbertus selbst erfundne und von Meyer5 (der von Ökonomie nichts weiß und in ihm sein heimliches Orakel hatte) ausposaunte Größe zu schonen. Der Mann hat ökonomisch absolut nichts geleistet, er hatte viel Talent, blieb aber stets Dilettant, und vor allem unwissender Pommer und arroganter Preuß. Das höchste, wozu er's gebracht, sind allerhand nette und richtige Gesichtspunkte, aber er hat nie etwas draus zu machen gewußt. Wie kann das einem ordentlichen Kerl überhaupt passieren, als Evangelium der Streber des Bismarckschen Sozialismus zu gelten? Das ist die Rache der Geschichte an dieser künstlich aufgedunsenen „Größe". Deine Nachrichten über Interna aus Deutschland sind immer sehr willkommen. Aber jetzt muß ich Ede schreiben. Dein F.E.
8 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 4 Freiwald Thüringer (Max Quarck) - 5 Rudolph Hermann Meyer
83
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 23. Mai 84
Lieber Ede, Hoffentlich ist Deine Geschäftsreise doch schließlich von Erfolg gekrönt worden. Es handelt sich, glaub* ich, zunächst nur darum, die Herren von der alten Fährte abzuleiten; gelingt das, wird auch der alte Weg wieder stellenweise brauchbar. Die Dummheit der Polizei tut den Rest.'2361 Den Rodb[ertus]schen „Normal-Arbeitstag" hatte ich mir bestellt, er ist aber vergriffen. Wenn Du mir das Ding schicken kannst - pumpweise natürlich - so wäre es mir lieb, da er darin die einzig authentische Redaktion seiner Reformvorschläge für die Arbeiter gibt. - Die Nrn. des alten ,,Soc[ial]Demfokrat]" schicke ich Dir jetzt registered1 zurück, da ich entdeckt, daß Leßner sie besitzt. Die mit Lafargue zu vereinbarende Übersetzung schwebt noch2, und da mußte ich das Original hierbehalten; jetzt kann's natürlich zurückgehn. Singer war hier, ich habe ihm u.a. meine Ansicht wegen der Taktik bei Stichwahlen gesagt. Ich halte es nämlich für Unsinn, dafür eine für alle Fälle gültige Regel aufstellen zu wollen, die ja auch in Wirklichkeit nie eingehalten wird. Wir haben da eine große Macht in der Hand, die total unbenutzt bleibt, wenn Wahlenthaltung in allen Fällen proklamiert wird, wo keiner der Unsrigen in der Stichwahl. In Wirklichkeit haben sich ja auch immer in solchen Fällen Wahlverträge, z.B. mit dem Zentrum'2371, von selbst gemacht: wir stimmen da für Euch, wenn Ihr dort für uns stimmt, und haben uns manchen Sitz verschafft. Dummheiten passieren dabei natürlich, aber die passieren immer, und das ist kein Grund, eine noch größere zu begehn. Ich sagte ihm sogar, daß z.B. in Orten wie Berlin, wo der Wahlkampf fast ganz zwischen uns und dem Fortschritt1801 liegt, Verträge vor der Hauptwahl nicht ausgeschlossen seien: ihr tretet uns diese Wahlbezirke ab, dafür wir Euch jene - natürlich nur, wenn man auch darauf rechnen kann, daß es eingehalten wird. Was mir ungeschickt
erscheint, ist nur dies: auf Kongressen im voraus allgemeingültige Regeln aufstellen wollen für taktische Fälle, die der Zukunft angehören. Au fond3 bin ich froh, daß das Sozialistengesetz verlängert'2301 und nicht daraufhin aufgelöst worden. Der liberale Philister würde bei den Wahlen für die Konservativen'2381 einen großen Sieg erfochten haben; um das Sozialistengesetz zu erhalten, geht er nicht nur durch Feuer und Wasser, sondern auch durch die tiefste Mistgrube. Und dann wäre ein neues verschärftes Gesetz die Folge gewesen. Wie es jetzt steht, ist es wahrscheinlich zum letzten Mal verlängert, und wenn der alte Wilm4 an seiner Nierenkolik draufgeht, hört es bald praktisch auf zu bestehn. Und die gründliche Blamage der Deutschfreisinnigen'2391 und des Zentrums bei der Abstimmung12401 ist auch was wert, noch mehr aber das Bismarcksche Recht auf Arbeit'2411. Seitdem dieser Konfusionarius dies aufgegriffen, haben wir Aussicht, die Heulmeier ä la Geiser'1121 loszuwerden. Man muß übrigens Bismarck sein, um so eine Dummheit zu begehn, angesichts einer selbst mit Ausnahmsgesetzen nicht niederzuhaltenden Arbeiterbewegung. Vorderhand haben unsre Leute recht, ihn möglichst tief hereinzureiten mit Drängen auf Verwirklichung, sobald der Mann sich etwas mehr engagiert hat (was er aber sicher so bald nicht tut), wird sich die ganze Flunkerei in - preußische Polizeiwirtschaft auflösen. Als Wahlprogramm wird ihm die bloße Phrase verdammt wenig helfen. Das Recht auf Arbeit ist von Fourier erfunden, bei ihm verwirklicht es sich aber nur im Phalanstere12421, setzt also dessen Annahme voraus. Die Fourieristen - friedliebende Philister der „Democratie pacifique", wie ihr Blatt hieß -, verbreiteten die Phrase eben ihres ungefährlichen Klangs wegen. Die Pariser Arbeiter 1848 ließen sie sich - bei ihrer absoluten theoretischen Unklarheit - aufhängen, weil sie so praktisch, so wenig utopistisch, so ohne weiteres realisierbar aussah. Die Regierung realisierte sie - in der einzigen Weise, wie die kapitalistische Gesellschaft sie realisieren konnte - in den sinnlosen Nationalwerkstätten.12431 Genauso wurde das Recht auf Arbeit während der Baumwollkrise 1861-64 hier in Lancashire durch Munizipalwerkstätten realisiert. Und in Deutschland realisiert man es ebenfalls in den Hunger- und Prügel-Arbeiterkolonien, für die der Philister jetzt schwärmt. Als separate Forderung gestellt, kann das Recht auf Arbeit gar nicht anders verwirklicht werden. Man verlangt von der kapitalistischen Gesellschaft, es zu realisieren, sie kann das nur innerhalb ihrer Existenzbedingungen, und wenn man das Recht auf Arbeit
3 Im Grunde-4 Wilhelm I.
vön ihr verlangt, so verlangt man es unter diesen bestimmten Bedingungen, man verlangt also Nationalwerkstätten, Arbeitshäuser und Kolonien. Soll aber die Forderung des Rechts auf Arbeit indirekt die Forderung der Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise einschließen, so ist sie gegenüber dem heutigen Stand der Bewegung ein feiger Rückschritt, eine Konzession ans Sozialistengesetz, eine Phrase, die keinen Zweck haben kann, als die Arbeiter konfus und unklar zu machen über die Ziele, die sie zu verfolgen haben, und über die Bedingungen, unter denen allein sie sie erreichen können. In Paris haben die Unsern bei den Stadtratswahlen die von Dir verlangte Taktik in der Tat befolgt, und Dereure nur gegen Joffrfin] aufgestellt, weil anfangs kein Opportunist'2445 gegen ihn stand, hier also Opposition fast geboten war. Erst nachher trat Simoneau auf; und da verlangte Guesde sofort, Dereure solle zurücktreten, dazu hatte man auch nicht die Courage, und so fiel D[ereure] glänzend durch. Dagegen hat Vaillant gegen den Possibilisten'2451 in seinem Arrondissement gesiegt, der Reties war ein Süffer (poivrard) schlechtsten Renommes und fiel verdientermaßen durch. Und wenn Joffrin bei der Stichwahl durchfiel, so ist das nicht die Schuld der Unsrigen, sondern der Seinigen. Übrigens wird es nötig sein, den Possibilisten stets entgegenzutreten, bis sie sich zu Verständigung mit den Unsern bei Wahlen herbeilassen; solange sie ohne weiters sich als Parti ouvrier par excellence5 aufspielen, zwingen sie die Unsern zur direkten Opposition. Also, entweder - oder. Die Herren haben das in ihrer eignen Hand. Was speziell Joffrin angeht, so war sein Programm so lau und lausig, daß selbst die Radikalen auf Aufstellung eines Gegenkandidaten verzichteten, weil Joffrins Programm in den Hauptsachen das ihrige sei! „Justice" hier wird wöchentlich miserabler. Dein F. E.
Den „Dühring" werde ich auch in die Arbeit nehmen.'2041 Wann ungefähr wünscht Ihr mit dem Druck anzufangen? Bin ich einmal dran, so kann ich auch gleich eine 6-8 Bogen abstoßen, obgleich grade im Anfang viel zu revidieren. „Bauernkrieg" wird ganz neu, mit Ausnahme der militärischen Geschichtserzählung'2201. Hierfür habe ich in den letzten Jahren sehr viel gelernt, es wird ein gutes Stück deutscher Geschichte hineinkommen. Das, sobald ,,D[ühring]" fertig!
84
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 26. Mail 884
Meine liebe Laura, Nach Erhalt Deines Briefes vom 15. haben wir sorgenvolle Tage gehabt. Am 18. ist Pumps' kleiner Junge gestorben und am 22. beerdigt worden. Das Kind hatte Keuchhusten, Bronchitis, Krämpfe und Kehlkopfdiphtherie; schon eine Woche vor seinem Tode war kaum noch Hoffnung. Ich nahm an, Pumps oder Percy hätten Dir geschrieben, sie haben sich jedoch scheinbar darauf verlassen, daß ich Dich benachrichtige; aber ich war damit beschäftigt, meine Schrift1 zu Ende zu bringen, derentwegen ich sogar die dringendsten Briefe aufgeschoben - und die ich, wie Du Dir denken kannst, unter sehr schwierigen Umständen abgeschlossen habe. Nun, es ist geschafft, die letzten Seiten gehen morgen weg. Wieviel Zeit bis zum Druck vergehen wird, weiß ich nicht. Ich bedaure sehr, daß Du den Akkumulationsprozeß des Kapitals2 nicht übernehmen willst.3 Überlege es Dir noch einmal. Ich fürchte, wir werden es ohne Hilfe von anderer Seite nicht schaffen, und, um Dir die Wahrheit zu sagen, ich habe verdammt wenig Vertrauen in jene Unterstützung, die ich hier bekommen mag. Aveling hat den besten Willen4, aber er soll fremden Stoff übersetzen aus einem ihm unbekannten Deutsch in ein ihm unbekanntes Englisch6; wenn es Naturwissenschaft wäre, wäre es leicht genug, aber politische Ökonomie und industrielle Fakten, wo er nicht einmal mit den allgemeinsten Begriffen vertraut ist. Und Sam, der das erste Kapitel weit besser macht, als ich dachte, braucht so viel Zeit dazu. Und dabei wird die Notwendigkeit, es herauszubringen, täglich größer, und K. P[aul] und Co., mit denen ich mich bald zu einigen hoffe, drängen; aber wenn ich nicht das ganze Manuskript, sagen wir für November, versprechen kann, werde ich schwerlich etwas abschließen können. Vielleicht versuchst Du es
1 „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" - 2 in der Handschrift deutsch: Akkumulationsprozeß des Kapitals - 3 siehe vorl. Band, S. 138 - 4 in der Handschrift deutsch: den besten Willen - 5 in der Handschrift deutsch: aus einem ihm unbekannten Deutsch in ein ihm unbekanntes Englisch
mal mit einigen Seiten und siehst, wie Du damit zurechtkommst. Ein Deutsch-Englisches Wörterbuch wäre zwecklos; die Wörter, die Du nachsehen müßtest, würdest Du nicht darin finden; Du könntest sie auslassen, und ich könnte sie einsetzen, es werden meist Fachausdrücke oder philosophische Termini sein. Pauls conferences11781 sind ein großer Erfolg, die „New Yorker Volkszeitung" druckt sie regelmäßig ab, in eigener Übersetzung, glaube ich. Wenn die Franzosen zwei oder drei Leute hätten, die in der gleichen Weise deutsche Publikationen aufnehmen könnten und würden, würde es ihnen enorm weiterhelfen. Ich ahne schon, daß Paul, wenn mein „Ursprung der Familie etc." herauskommt, ganz verrückt danach sein wird, ihn zu übersetzen; er enthält Dinge, die direkt auf seinem Gebiet liegen. Aber wenn er es unternimmt, dann wird er die deutschen Wörter in der ihnen eigenen Bedeutung übernehmen müssen und nicht in der Bedeutung, die er ihnen zu geben beliebt, weil ich gar keine Zeit haben werde, daran zu arbeiten. Ich werde jetzt mit dem 2.Band des „Kapitals" anfangen und bei Tageslicht daran arbeiten, die Abende sind für die Durchsicht der verschiedenen in Arbeit befindlichen und angekündigten Übersetzungen vorgesehen. Diese Schrift, mit der ich gerade fertig geworden bin, wird für eine ganze Weile die letzte selbständige Arbeit sein. Würdest Du bitte Deville sagen, daß ich bisher noch nicht Zeit gehabt habe, seine letzte conference zu lesen, es aber noch im Laufe dieser Woche tun werde und hoffe, daß sie genausogut wie die vorangegangenen ist.'2461 Nun muß ich schließen, es ist schon nach elf Uhr und Nim will schlafen gehen, sie hat „überall Schmerzen", id est leichten Gelenkrheumatismus als Folge einer Erkältung, und sie muß an der Tür stehen, während ich diesen Brief einstecke, weil Annie schon zu Bett ist. Um Nim nun nicht länger von ihrer so notwendigen Ruhe abzuhalten (sie hat schon ein bißchen in ihrem Lehnsessel geschlummert), wirst Du hoffentlich den freien Platz hier unten entschuldigen. Übrigens scheint Liebknecht in Paris gewesen zu sein; die deutschen Zeitungen berichten die erstaunlichsten Dinge über seine mysteriösen Handlungen, so auch, daß er auf einem Bankett zusammen mit Leclere, diesem Dummkopf, aufgetreten sei.12471 Küsse von Nim und Deinem Dir herzlich geneigten F. Engels
Aus dem Englischen.
85
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 5. Juni 84
Lieber Ede, War 8 Tage an der See.'2481 Habe mir dabei den rechten Zeigefinger arg verschnitten, kann also nur wenig und schlecht schreiben. Kfautsky] muß also warten, da der „Sozialdemokrat]" wichtiger ist als die „N[eue] Zfeit]", und bei letztrer die Sache ohnehin so liegt, daß es nichts macht, ob ich meinen Senf dazu gebe oder nicht. Im übrigen halte ich alle Schritte K[autsky]s, soweit er sie mir mitgeteilt und soweit ich die Sachlage beurteilen kann, für vollkommen korrekt.12491 Mit dem „Sfozialdemokrat]" ist es etwas andres. Seitdem die Herren Heuler'1121 sich förmlich zu einer Partei zusammengetan und in der Fraktion die Majorität haben, seitdem sie diese ihre durch das Sozialistengesetz geschaffene Macht erkannt haben und benutzen, halte ich es für unsre doppelte Pflicht, jeden Machtposten, den wir halten, festzuhalten bis aufs äußerste; vor allem den Machtposten am ,,S[ozialdemokrat]", der der wichtigste. Diese Leute leben vom Sozialistengesetz. Wäre morgen freie Debatte, so wäre ich für sofortiges Losschlagen, und dann wären sie bald kaputt. Solange aber keine freie Debatte herrscht, sie die ganze in Deutschland gedruckte Presse beherrschen, und ihre Zahl (als Majorität der „Führer") ihnen die Möglichkeit gibt, Klatsch, Intrige, stille Verlästerung vollauf auszubeuten, müssen wir, glaublich alles vermeiden, was einen Bruch, d. h. die Schuld des Bruchs uns zuschöbe. Es ist das allgemeine Regel im Kampf innerhalb der eignen Partei, jetzt mehr geboten als je. Der Bruch muß so eingerichtet werden, daß wir die alte Partei fortführen, sie austreten oder hinausgeworfen werden. Ferner die Zeit. Jetzt ist ihnen alles günstig. Wir können sie nicht verhindern, nach dem Bruch auf uns in Deutschland zu lästern und zu verleumden, sich als Repräsentanten der Massen hinzustellen (da die Massen sie ja wählen!). Wir haben nur den „Sfozialdemokrat]" und die Auslandspresse. Sie können sich Gehör verschaffen, wir nur unter Schwierigkeiten. Veranlassen wir nun gar den Bruch, so sagt die ganze Parteimasse nicht
ohne Recht, daß wir die Zwietracht hineingeworfen, die Partei desorganisiert zu einer Zeit, wo sie sich eben erst mühsam und unter Gefahren reorganisiert. Können wir's vermeiden, dann wäre der Bruch - das ist noch meine Ansicht - aufzuschieben, bis irgendeine Veränderung in Deutschland uns etwas mehr Ellenbogenraum gibt. Wird trotzdem der Bruch unvermeidlich, so darf's kein persönlicher sein, kein einzelner Krakeel (oder was sich als solcher darstellen läßt) zwischen Dir und den Stuttgartern z. B., sondern er muß erfolgen auf einen ganz bestimmten prinzipiellen Punkt hin, d. h. also hier auf einer Programmverletzung. So faul das Programm12501, so wirst Du doch bei einigem Studium desselben finden, daß darin Stützpunkte genug für Dich sind. Über das Programm aber hat die Fraktion keine Gerichtsbarkeit. Ferner muß der Bruch soweit vorbereitet sein, daß wenigstens Bebel damit einverstanden ist, und gleich mitgeht. Und drittens mußt Du wissen, was Du machen willst und kannst, wenn der Bruch da ist. Den „Sozialdemokrat]" in die Hände dieser Leute übergehn zu lassen, wäre die Blamage der deutschen Partei vor der ganzen Welt. Ungeduld ist hier das Schlimmste, was es gibt; Entschlüsse des ersten Augenblicks, diktiert von der Leidenschaft, kommen sich selbst stets ungeheuer edel und heroisch vor, führen aber regelmäßig zu Dummheiten, wie ich aus hundertmaliger eigner Praxis nur zu gut weiß. Also: 1. den Bruch hinausschleppen wo möglich, 2. wird er unvermeidlich, ihn von jenen ausgehn lassen, 3. inzwischen alles präparieren, 4. nichts tun, ohne wenigstens Bebel und wo möglich auch Liebknecht, der wieder ganz gut (vielleicht zu gut) wird, sobald er sieht, daß die Sache unvermeidlich, und 5. den Machtposten am „Sfozialdemokrat]" festhalten envers et contre tous1 bis auf die letzte Kartusche. Das ist meine Ansicht. Die „Herablassung" der Herren könntet Ihr ihnen doch wahrhaftig lOOOfach zurückgeben. Ihr seid doch sonst nicht aufs Maul gefallen und werdet doch wahrlich diesen Eseln gegenüber Hochmut wie Ironie genug entwickeln können, um ihnen dies Auftreten zu verleiden. Mit solchen unwissenden und auf ihre Unwissenheit eingebildeten Leuten muß man nicht ernsthaft diskutieren, sondern sie verhöhnen, mit ihren eignen Worten auf den Pott setzen usw. Vergiß auch nicht, daß, wenn's zum Klappen kommt, mir die Hände durch kolossale Arbeitsengagements sehr gebunden sind, und ich nicht Zeit haben werde, so mit draufzuschlagen, wie ich wohl möchte.
Auch wäre mir lieb, wenn Du mir statt der allgemeinen Klagen über die Biedermänner einige Details angeben wolltest, was sie auszusetzen haben und was sie verlangen. Notabene, je länger Du mit ihnen verhandelst, desto mehr Material zu ihrer eigenen Verurteilung müssen sie Dir ja liefern! Schreibe mir, inwieweit ich auf diese Sachen in meiner Korrespondenz mit Bebel einzugehn habe, ich werde ihm dieser Tage schreiben müssen, und will es bis Montag 9. er. aufschieben, bis wohin ich Deine Antwort haben kann. Grüße Kautsky. Dein F.E.
86
Engels an August Bebel in Borsdorf bei Leipzig
London, 6. Juni 84
Lieber Bebel, Deinen Brief vom 4. er. erhalten und werde Beilage besorgen. Du sagst nicht, ob Du meinen eingeschriebnen Brief vom 2I.April1351 erhalten, womit ich Dir das erbrochne Kuvert Deines Briefs vom 18. dessfelben] Monats zurückschickte. Sollte er unterschlagen worden sein, so wäre die Briefstieberei doppelt erwiesen. Wenn alles nach den Wünschen der Konservativen'2381 und Liberalen12511 und nach den geheimen Gelüsten auch des fortschrittlichen1801 Philisters ginge, so wäre das Sozialistengesetz allerdings längst eine ewige Institution in Deutschland und würde es bleiben. Das kann aber nur sich ereignen, wenn sich sonst in der Welt nichts ereignet, und alles bleibt wie es jetzt ist. Trotz aller dieser Phihsterwünsche war das Gesetz drauf und dran durchzufallen, wenn nicht Freund Bismarck seine beiden letzten und stärksten Hebel ansetzte: die direkte Intervention Lehmanns112081 und die Drohung der Auflösung12521. Es gehört also nicht einmal eine sehr starke Erschütterung des jetzt momentanen so ruhigen Status quo dazu, um dem ganzen Ding ein Ende zu machen. Und diese kommt meiner Ansicht nach sicher, ehe die zwei Jahre vorüber. Zwar hat Bismarck uns zum ersten Mal einen wirklich schlimmen Streich gespielt, indem er den Russen 300 Mill. Mark Geld verschafft hat.'1821 Das hilft dem Zaren auf ein paar Jahre gegen die akute Finanznot und beseitigt damit für die nächste Zeit die dringendste Gefahr, die: in die Notwendigkeit zu kommen, Stände zur Geldbewilligung zu berufen wie 1789 in Frankreich und 1846 in Preußen. Soll die Revolution in Rußland nicht ein paar Jahre verschoben werden, so müssen entweder unvorherzusehende Verwicklungen kommen, oder aber ein paar nihilistische Donnerschläge. Bei beiden ist keine Vorausberechnung möglich. Sicher ist nur, daß dies letzte Pumpmanöver nicht wiederholt werden kann.
Im Innern dagegen steht uns, wie Du ja selbst sagst, der Thronwechsel bevor, und der muß alles ins Wackeln bringen. Es ist wieder ähnlich wie 1840, vor dem Tod des alten Ffriedrich] W[ilhelm] III. Die alte eingelebte politische Stagnation hat so viel Interessen an sich gekettet, daß der Gesamtphilister nichts inniger ersehnt, als ihre Verewigung. Aber mit dem alten Monarchen2 verschwindet der Schlußstein, und das ganze künstliche Gewölbe bricht zusammen; dieselben Interessen, vor eine ganz neue Lage gestellt, finden plötzlich, daß die Welt ganz anders aussieht heute als gestern, und müssen sich nach neuen Stützen umsehn. Der neue Monarch3 und seine neue Umgebung haben lang zurückgedrängte Pläne; das ganze regierende und regierungsfähige Personal bekommt Zuwachs und ändert sich; die Beamten werden irre unter den neuen Verhältnissen, die Unsicherheit der Zukunft, die Ungewißheit darüber, wer morgen oder übermorgen ans Ruder kommt, bringt die Aktion der ganzen Regierungsmaschine ins Schwanken. Das aber ist alles, was wir brauchen. Aber wir bekommen mehr. Denn erstens ist es gewiß, daß die neue Regierung anfangs liberalisierende Gelüste haben, dann aber bald Angst vor sich selbst bekommen, hin und her schwanken und endlich hin und her tappen, von der Hand in den Mund lebend, von Fall zu Fall widersprechende Beschlüsse fassen wird. Abgesehn von den allgemeinen Wirkungen solcher Wackelei, was wird aus dem Sozialistengesetz, wenn es unter diesen Verhältnissen ausgeführt wird? Der geringste Versuch, es „ehrlich" auszuführen, reicht allein hin, es unwirksam zu machen. Entweder muß es gehandhabt werden wie jetzt, nach reiner Polizeiwillkür, oder es wird überall durchbrochen. - Das ist das eine. Das andre aber ist, daß dann endlich wieder Leben in die bürgerliche politische Bude kommt, daß die offiziellen Parteien aufhören, die eine reaktionäre Masse Zu sein, die sie jetzt sind (was kein Gewinn für uns, sondern purer Schaden), daß sie wieder anfangen, sich untereinander ernsthaft zu bekämpfen und auch um die politische Herrschaft zu kämpfen. Es ist ein ungeheurer Unterschied für uns, ob nicht nur die Nationalliberalen, sondern auch die Kronprinzenfreisinnigen die Chance, ans Ruder zu kommen, oder ob, wie jetzt, die Regierungsfähigkeit bei den Freikonservativen aufhört. Wir können nie die Massen den liberalen Parteien abspenstig machen, solange diese nicht die Gelegenheit haben, sich in Praxis zu blamieren, ans Ruder zu kommen und zu zeigen, daß sie nichts können. Wir sind noch immer, wie 1848, die Opposition der Zukunft, und müssen also die extremste der jetzigen Parteien am Ruder haben, ehe wir ihr gegenüber gegen
2 Wilhelm I. - 3 Kronprinz Friedrich Wilhelm
wärtige Opposition werden können. Politische Stagnation, d. h. zweck- und zielloser Kampf der offiziellen Parteien, wie jetzt, kann uns auf die Dauer nicht dienen. Wohl aber ein progressiver Kampf dieser Parteien mit allmählicher Linksschiebung des Schwerpunkts. Das ist, was jetzt in Frankreich geschieht, wo der politische Kampf sich wie immer in klassischer Form bewegt. Die einander folgenden Regierungen gehen immer mehr nach links, das Ministerium Clemenceau ist schon in Sicht; es wird nicht das äußerste bürgerliche sein. Mit jeder Verschiebung nach links fallen Konzessionen an die Arbeiter ab (vgl. den letzten Strike in Denain[253), wo zum ersten Mal das Militär nicht einschritt), und was wichtiger, wird das Feld mehr und mehr gefegt für den Entscheidungskampf, die Parteistellung klarer und reiner. Ich halte diese langsame, aber unaufhaltsame Entwicklung der französischen Republik zu ihrer notwendigen Endfolge: Gegensatz von radikalen, sozialistisch tuenden Bourgeois und wirklich revolutionären Arbeitern für eins der wichtigsten Ereignisse und hoffe, daß es nicht unterbrochen werde; und ich bin froh, daß unsere Leute noch nicht stark genug in Paris sind (dafür um so stärker in der Provinz), um durch die Macht der revolutionären Phrase zu Putschen verleitet zu werden. - So klassisch rein, wie in Frankreich, geht die Entwicklung im konfusen Deutschland natürlich nicht; dafür sind wir viel zu weit zurück und erleben alles erst, wenn es sich anderswo überlebt hat. Aber trotz aller Lausigkeit unsrer offiziellen Parteien ist politisches Leben irgendeiner Art uns viel günstiger als der jetzige politische Tod, wo nichts spielt als der Intrigenklüngel der auswärtigen Politik. Rascher als ich dachte hat Freund Bismarck die Hosen heruntergenommen und dem versammelten Volk den Hintern seines Rechts auf Arbeit'2111 gezeigt: das englische Armengesetz des 43. Regierungsjahrs der Elisabeth mitsamt Bastillenverbesserung von 1834![2541 Welche Freude für Bios, Geiser und Co., die ja seit längerer Zeit auf dem Recht der Arbeit herumreiten und sich schon einzubilden schienen, sie hätten den Bismarck] eingefangen! Und da ich einmal auf diesem Thema bin, so kann ich Dir nicht verschweigen, daß mich das Auftreten dieser Herren im Reichstag - soweit die schlechten Zeitungsberichte beurteilen lassen - und in ihrer eignen Presse mehr und mehr überzeugt, daß wenigstens ich nicht im entferntesten mit ihnen auf gleichem Boden stehe und nichts mit ihnen gemein habe. Diese angeblich „gebildeten", in Wirklichkeit absolut unwissenden und mit Gewalt nichts lernen wollenden Philanthropen, die man gegen Marx und meine langjährigen Warnungen nicht nur zugelassen, sondern in Reichstagssitze hineinprotegiert hat, scheinen mir mehr und mehr zu merken, daß
sie in der Fraktion die Mehrzahl haben, und daß grade sie mit ihrer Liebedienerei gegen jeden staatssozialistischen Brocken, den ihnen Bismarck vor die Füße wirft, am allermeisten dabei interessiert sind, daß das Sozialistengesetz bestehn bleibt, und höchstens gegen solche wohlmeinende Leute wie sie mild gehandhabt wird; woran wiederum nur Leute wie Du und ich die Regierung verhindern, denn wären sie uns los, so könnten sie ja leicht nachweisen, daß ihnen gegenüber kein Sozialistengesetz nötig ist. Die Enthaltung und das ganze Auftreten bei dem Dynamitgesetz'2551 war auch bezeichnend. Wie soll das aber gehn bei den nächsten Wahlen'2561, wenn diesen Leuten, wie es scheint, die sichersten Wahlkreise zufallen? Es ist sehr schade, daß Du während der nächsten kritischen Monate so weit weg bist, wo die Wahlen heranrücken, hätten wir uns doch gewiß allerlei von Zeit zu Zeit mitzuteilen. Kannst Du mir nicht eine Adresse angeben, von wo aus Dir meine Briefe zugeschickt werden; auch hoffe ich, Du wirst mir ab und zu auch von der Reise aus Interessantes mitteilen. Abgesehn von dem wie mir scheint stetigen Fortschreiten und festeren Zusammenschließen der bürgerlich-jebildeten Elemente der Partei, ist mir gar nicht bange für den Gang der Dinge. Ich möchte auch noch eine Spaltung, wenn es geht, vermieden sehn, solange wir kein freies Feld haben. Wenn es aber sein muß - und darüber müßt Ihr entscheiden dann auch so! Von mir erscheint eine Arbeit über den „Ursprung der Familie, des Eigentums und des Staats", ich schick* sie Dir zu, sobald heraus.
Dein alter F. Engels
11 Marx/Engels, Werke, Bd. 3S
87
Engels an Johann Philipp Becker in Genf
London, 20. Juni 84
Lieber Alter, Hiermit zeige ich Dir an, daß ich heute eine Postanweisung für fünf Pfund für Dich herausgenommen habe, und hoffe, Du wirst bei Ankunft dieses, das eine Post später geht, schon Empfangsanzeige von der Post haben. Ich hatte schon längere Zeit auf den Moment gelauert, wo ich das Betreffende flüssigmachen könnte und freue mich, daß er jetzt eingetroffen. Einen langen Brief kann ich Dir aber leider nicht schreiben, da das viele Sitzen am Pult in meinem speziellen Zustand mir schädlich und deshalb verboten ist. Ich habe mich damit leider wieder etwas wackelig gemacht; ich habe sehr viel arbeiten müssen; aber Ruhe in liegender Stellung, die ich seit ein paar Tagen wieder stark betreibe, wird das bald wieder in Ordnung bringen. Ich diktiere jetzt den 2ten Band des „Kapitals" und komme soweit rasch damit voran, es ist aber eine Heidenarbeit und wird viel Zeit und stellenweise Kopfbrechen erfordern. Glücklicherweise ist mein Kopf in ganz guter Ordnung und vollständig arbeitsfähig, wie Dir ein wohl bald im Druck erscheinendes Büchel über den „Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" hoffentlich beweisen wird. Bis Ende dieses Jahrs, denke ich, erscheint auch das zweite Buch des „Kapitals", das dritte im folgenden Jahr. Pfingsten war ich 8 Tage bei Borkheim'2481, er liegt noch da mit seiner Halbseitenlähmung, steht dreimal tags zu Mahlzeiten und etwas Schreiben auf, schreibt seine Biographie12571, ist so lustig und wohlgemut, wie es bei der Lage ein Wunder ist, langweilt sich aber doch stellenweise arg. Dazu kann er nichts sehr Anstrengendes lesen, hat das freilich früher auch nicht getan. Ich schicke ihm ab und zu Bücher und dergleichen. Er erkundigte sich sehr nach Dir, wir haben viel von Dir und alten Zeiten überhaupt gesprochen. Unter den Papieren von Marx habe ich einige militärische Marschjournale und dgl. über deutsche Kolonnen in der Schweiz gefunden, die wohl zu den von Dir erwähnten Papieren gehören.11151 Vielleicht findet sich
noch mehr. Es ist alles hier in Sicherheit, aber noch in vollständiger Unordnung. Vorderhand muß ich die sämtlichen Briefschaften etc. in eine große Kiste verschließen, bis ich Zeit bekomme zum Sortieren und Ordnen. Es ist jetzt absolut nötig, daß die Schlußbände vom „Kapital" in einem druckbaren Text und in einer leserlichen Handschrift hergestellt werden. Beides kann nur ich von allen Lebenden. Sollte ich vorher abkratzen, so wäre es jedem andern unmöglich, die Sachen zu entziffern, die Marx selbst oft nicht mehr lesen konnte, wohl aber seine Frau und ich. Die Briefe dagegen sind so geschrieben, daß auch andre sie lesen können. In drei bis vier Monaten werden wir Wahlen in Deutschland haben.12561 Ich habe die besten Hoffnungen. Unter den Führern ist mancher Schlappes, aber auf die Massen bau' ich felsenfest. Dein alter F. Engels
88
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 21. Juni 84
Lieber Kautsky, Ich hoffe, Du bist von Deiner Salzburger Reise[2B8) jetzt zurückgekehrt, und wirst mir bald etwas über den Ausgang der Stuckerter Neckarstrandaffäre wegen der ,,N[euen] Z[eit]"12491 mitteilen können; nach dem, was Ede und auch August mir schreiben, ist den Herrn Weisen Männern12271 inzwischen doch einiger Dämpfer aufgesetzt. Auch wäre es wohl Zeit, daß ich etwas Definitives über das Schicksal meines Ms.1 erführe. Ede schrieb ein paar Bleistiftzeilen, versprach mehr, hielt = 0. Euer Ms.t2031 ruht noch hier, und wurde bisher nicht besorgt, aus folgendem Grund. Nach Beendigung des Ms.1 saß ich wie auf Kohlen, bis ich den II.Band des „Kapital" in Arbeit genommen. Dies geschah. Ich hatte nun vor, die Revisionen Eurer, sowie der englischen Übersetzung (des I.Band „Kapital") abends vorzunehmen. Aber ich hatte ohne den Wirt gerechnet. Ich hatte seit Ostern scharf geschanzt, 8-10 Stunden oft am Pult, und infolge der damit verbundnen Körperhaltung kam wieder ein Stück meines alten Übels - chronisch diesmal, nicht in früherer, subakuter Form - zum Vorschein. Pultsitzen also wieder verboten, sauf quelques exceptions2. Also heroisches Mittel: ich engagierte Eisengarten, um ihm das Ms. zu diktieren, und schanze mit ihm seit Anfang der Woche von 10-5 täglich, wobei ich auf dem Sofa liegend mich sichtlich (dummes Wort, es ist nichts zu sehn, bloß zu fühlen) erhole, aber natürlich langsam. Die Sache geht über Erwarten gut. E[isengarten] ist intelligent und fleißig und tut die Sache mit Lust, besonders, da er grade die II I.Auflage I.Band durchochst. Nun aber sind die Ms. großenteils derart, daß ich jeden Abend das Diktierte durcharbeiten muß, um nur eine provisorisch haltbareRedaktion herzustellen. Das nimmt mir augenblicklich alle disponible Zeit. Ich glaube aber, daß es bald besser wird, da wir jetzt an das Urevangelium von
1 „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" - a abgesehen von einigen Ausnahmen
vor 1870 kommen, und dabei weniger nachzuredigieren sein wird. Zudem könnte ich Euer Ms. nicht gut liegend revidieren. Aber wenn Ihr Eile habt, so nehm* ich mir die Zeit dazu und mach's hintereinander ab. Das könnte aber doch bloß erfolgen, resp. nötig sein, wenn Ihr mit dem Ganzen bald fertig wärt. Dann erfolgt auch - wo nicht vorher schon - die Vorrede über Rodbertum3. Im übrigen komme ich auf Deine Klagen über die Jebildeten nicht im einzelnen zurück, ich kenne diese Biedermänner seit 40 Jahren unter verschiednen Formen und habe bereits an Ede darüber meine Meinung des breiteren entwickelt.4 Hauptsache ist, sich nichts bieten zu lassen, aber dabei in aller Gemütsruhe zu bleiben. Die Dynamiter haben jetzt endlich das Richtige entdeckt. Es handelt sich darum, die alte Gesellschaft bei der Wurzel auszurotten und da findet sich, daß diese Wurzel eigentlich der Schwanz ist. Voll dieser tiefen Wahrheit, haben sie endlich dadurch entdeckt, wo die Sache am rechten Ende anzufassen ist und - einen Schiffwinkel in die Luft gesprengt.12591 Dabei fällt mir ein, daß hinter der Genf-Carouger „Explosion" niemand steckte als der italienische Mouchard5 Carlo Terzaghi, der bereits in der „Alliance de la Democratie Socialiste" von uns enthüllt wurde!12601 Hier tun sich die ausgewiesenen östreichischen Anarchisten'2611 mit den ordinären, längst bestehenden deutschen Bettelbüros zusammen. Einer hat mich um eine Unterstützung geprellt, wurde aber entlarvt und heute bei Wiederkehr schleunigst herausgeschmissen. Das 2. Buch des „Kapitals" wird noch mehr Kopfbrechens machen, wenigstens im Anfang, als das erste. Es sind aber wunderschöne Untersuchungen, die den Leuten erst klarmachen werden, was Geld und was Kapital ist und manches andre. Jetzt heißt's aber wieder hinlegen. Im übrigen bin ich, abgesehn von dem lokalen Übel, kreuzwohl und mein Kopf vortrefflich in Ordnung. Gruß an Ede. Dein F.E. Sonntag 22. Nachträglich: Hyndman denkt hier die ganze kleine Bewegung aufzukaufen. Er hat alles mögliche getan, um „To-Day" zu ruinieren. Bax, der das Geld dazu vorschoß, hat sich verrechnet und ist bald ausgebeutelt.
3 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philoso
Hyndman, der reich ist und über des sehr reichen Kunstenthusiasten, aber politisch unfähigen Morris Mittel mitdisponiert, wird dann „To-Day" entweder unter seine Fittiche nehmen oder aber eingehn lassen. In beiden Fällen denkt er das Reich allein zu haben. Ich bin froh, daß ich mich gegen den ganzen Kram kühl verhalten habe. Hyndman ist gescheit und guter Geschäftsmann, aber flach und Stock-John-Bull, und hat einen Ehrgeiz, der weit über sein Talent und seine Leistungen geht. Bax und Aveling haben den besten Willen, lernen auch was, aber alles ist zerfahren, und diese Literaten allein können nichts ausrichten. Die Massen gehn eben noch nicht mit. Wenn die Leute sich erst etwas aussortiert, wird's besser.
89
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 26. Juni 84
Lieber Kautsky, Das Ms. Anti-Rodb[ertus]t262) geht morgen rekommandiert zurück. Ich finde nur wenig zu bemerken, habe einige Bleistiftglossen gemacht. Sonst folgendes noch: 1. das Römische Recht vollendetes Recht der einfachen Warenproduktion, d.h. also der vorkapitalistischen, die aber auch die Rechtsverhältnisse der kapitalistischen Periode meist einschließt. Also grade, was unsre Städtebürger bei ihrem Aufkommen brauchten und im heimischen Gewohnheitsrecht nicht fanden. S. 10 hätte ich mehreres auszusetzen. 1. Mehraier/ ist nur Ausnahme bei Produktion durch Sklaven und Hörige; es muß heißen Mehrprodukt, das meist direkt verzehrt, aber nicht verwertet wird. 2. Die Geschichte mit den Produktionsmitteln ist nicht ganz so. In allen auf naturwüchsige Teilung der Arbeit gegründeten Gesellschaftenbeherrscht das Produkt, also auch in gewissem Grad das Produktionsmittel - wenigstens stellenweise - den Produzenten: der Boden im Mittelalter den Bauer, der nur Zubehör des Bodens, das Handwerkszeug den Zunfthandwerker. Teilung der Arbeit ist direkt Herrschaft des Arbeitsmittels über den Arbeiter, wenn auch nicht im kapitalistischen Sinn. Ähnliches passiert Dir mit den Produktionsmitteln am Schluß. 1. Du darfst den Ackerbau nicht so von der politischen Ökonomie trennen, und ebensowenig die Technik, wie es S.21 und 22 geschieht. Wechselwirtschaft, Kunstdünger, Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl sind nicht von der kapitalistischen Produktion] zu trennen, ebensowenig wie die Werkzeuge des Wilden und Barbaren von seiner Produktion. Die Werkzeuge des Wilden bedingen seine Gesellschaft grade so gut wie die neueren die kapitalistische Gesellschaft. Deine Ansicht läuft darauf hinaus, daß die Produktion zwar jetzt die gesellschaftliche Institution bestimmt, aber vor der kapitalistischen Produktion dies nicht getan, weil die Werkzeuge noch keinen Sündenfall begangen.
Sowie Du Produktionsmittel sagst, so sagst Du Gesellschaft, und durch diese Produktionsmittel mitbestimmte Gesellschaft. Es gibt ebensowenig Produktionsmittel an sich, außer der Gesellschaft, und ohne Einfluß auf sie, wie ein Kapital an sich. Wie aber die Produktionsmittel, die in den frühern Perioden, inklusive einfache Warenproduktion, nur eine sehr gelinde Herrschaft ausübten, verglichen mit der jetzigen, dahin kamen, die jetzige despotische Herrschaft auszuüben, das ist nachzuweisen, und Dein Nachweis scheint mir ungenügend, weil er den einen Pol nicht erwähnt: die Herstellung einer Klasse, die selbst keine Produktionsmittel mehr hatte, also auch keine Lebensmittel, also sich selbst stückweis verkaufen mußte. Bei den positiven Vorschlägen des Rodbfertus] ist sein Proudhonismus hervorzuheben - er erklärt sich ja selbst für Proudhon I, der den französischen Proudhon antizipiert habe. Der konstituierte Wert, den R[odbertus] 1842 schon entdeckte, soll hergestellt werden.12635 Die Vorschläge dabei jammervoll zurück gegen Bray und Proudhons Tauschbank. Nur 1/i des Produkts soll der Arbeiter haben, das aber sicher! Darüber können wir später sprechen. Die Ruhe (körperliche) bekommt mir vortrefflich, ich beßre mich jeden Tag und kuriere mich diesmal aus. Das Diktieren des II.Buchs „Kapital" geht vortrefflich. Wir sind schon am II.Abschnitt - da sind aber starke Lücken. Die Redaktion ist natürlich nur provisorisch, das wird aber auch gemacht werden. Ich sehe meinen Weg vor mir, cela suffit1. Edes Brief dankend erhalten.12641 Ihr müßt Geduld mit meiner Briefschreiberei haben, ich darf mich nicht wieder verderben, und es häuft sich schauerlich viel Arbeits- und Korrespondenzstoff zusammen. Grüße Euer F. E.
„Kapital und Lohnarbeit" 12655 erfolgt, sobald verglichen, vielleicht morgen.
1 das genügt
90
Engels an Jewgenija Eduardowna Papritz in London
122, Regent's Park Road, N.W [London] 26. Juni 1884
Madame, Die lithographierte Zeitung, von der Sie mir freundlicherweise berichtet haben, ist mir dem Namen nach schon bekannt, doch habe ich noch keine Gelegenheit gehabt, ein Exemplar zu sehen.12661 Tun Sie nicht Ihren Landsleuten ein wenig unrecht? Wir beide, Marx und ich, hatten keine Ursache, uns über sie zu beklagen. Wenn es gewisse Schulen gegeben hat, die mehr durch ihren revolutionären Eifer als durch ihre wissenschaftlichen Studien bemerkenswert sind, wenn es hie und da ein Herumtappen gegeben hat und noch gibt, so hat es andererseits einen kritischen Geist und eine Hingabe an die Forschungen sogar auf rein theoretischem Gebiet gegeben, die der Nation würdig sind, die einen DobroIjubow und einen Tschernyschewski hervorgebracht hat. Ich spreche nicht nur von den aktiven revolutionären Sozialisten, sondern auch von der historischen und kritischen Schule in der russischen Literatur, die allem, was Deutschland und Frankreich in dieser Art auf dem Gebiet der offiziellen Geschichtswissenschaft hervorgebracht haben, haushoch überlegen ist. Und selbst unter den aktiven Revolutionären haben unsere Ideen und die von Marx umgestaltete ökonomische Wissenschaft immer Verständnis und Sympathien gefunden. Sie wissen sicherlich, daß erst vor kurzem mehrere unserer Arbeiten ins Russische übersetzt und veröffentlicht worden sind, und daß weitere, namentlich „Misere de la philosophie" von Marx, folgen werden. Marx' kleine, vor 1848 erschienene Schrift „Lohnarbeit und Kapital"1 („HaeMHHÜ Tpyai, h KanHTajit")[267] gehört auch zu der Serie und ist unter diesem Titel herausgebracht worden. Ich fühle mich außerordentlich geschmeichelt, daß Sie es für nützlich halten, meine „Umrisse usw."2 zu übersetzen. Obwohl ich noch immer ein
1 In der Handschrift deutsch; „Lohnarbeit und Kapital" - 2 „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie"
bißchen stolz bin auf diese meine erste gesellschaftswissenschaftliche Arbeit, weiß ich doch nur zu gut, daß sie heute ganz und gar überholt und nicht nur voller Mängel, sondern auch voller „Böcke" ist. Ich fürchte, sie wird mehr Mißverständnisse verursachen als Nutzen bringen. Ich schicke Ihnen per Post ein Exemplar von „Dührings Umwälzung « 3 USW. ZU. Was unsere alten Zeitungsartikel betrifft, so wird es schwierig sein, sie jetzt zu finden. Die meisten von ihnen entbehren heute der Aktualität, doch sobald mir die Herausgabe der von Marx hinterlassenen Manuskripte genügend Zeit läßt, gedenke ich sie in einem Sammelband mit Anmerkungen usw. zu veröffentlichen. Aber das liegt noch in weiter Ferne. Ich weiß nicht recht, von welcher Adresse an die englischen Arbeiter Sie sprechen. Sollte es „The Civil War in France"4 sein, die Adresse der Internationale über die Pariser Kommune? Diese könnte ich Ihnen schicken. Wenn meine Gesundheit es zuließe, würde ich darum bitten, Sie besuchen zu dürfen; leider sind mir, obwohl ich mich zu Hause recht wohl fühle, Gänge in die Stadt verboten. - Wenn Sie mir die große Ehre erweisen würden, bei mir vorbeizukommen, werden Sie mich immer gegen sieben oder acht Uhr abends zu Ihrer Verfügung finden. Indem ich Sie, Madame, meiner vorzüglichsten Hochachtung versichere, verbleibe ich F. Engels
Aus dem Französischen.
3 „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" -4 „Der Bürgerkrieg in Frankreich"
91
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 29. Juni 84
Lieber Ede, 1. Hierbei „Kapital und Lohnarbeit" zurück. Der schlesische Abdruck bedurfte allerdings sehr der Revision.12651 Ich habe allerdings nicht die Zeit gehabt, durchweg mit dem Original zu vergleichen, sondern nur an den störendsten Stellen, Ihr habt's aber da und könnt's bei der Korrektur besorgen. 2. Porträt von Marx werde ich bei demselben Mann, der das meinige gemacht, noch eins machen lassen und schicken. Es ist keine Kreidezeichnung, sondern vergrößerte Photographie. Wie aber wird der Farbendruck ausfallen, wenn der Mann den Mohr und seine eigentümlich dunkle Farbe nie gesehn?12681 3. Paket mit 40 „Umwälzung"1 ging vorgestern adressiert: Volksbuchhandlung, 3, Kasinostr., Hottingen-Zürich, Switzerland, „Books, Value £ 3 Carriage forward" (d. h. unfrankiert) von hier ab per Continental Parcels Expreß, die Korrespondentin der deutschen Reichspost und schweizerischen Post, auch der französischen Paketanstalten. Die Vereinssachen von Zürich kommen hier auch auf diesem Wege an. Paketpost zwischen England und Kontinent existiert nicht, daher auch, wenigstens für hier, keine „Postpakete k 5 Kilo"; Teilung würde hier doppelte Kosten machen, Nichtteilung in 2 Pakete sicher die Sendung dort nicht so sehr verteuern wie hier die Teilung. 4. Schorl[emmer] schreibt, daß sein Bruder Ludwig in Darmstadt trotz Abonnementsbescheinigung im „Sozialdemokrat]" noch immer nicht eine einzige Nr. erhalten hat. Ist das allgemeines oder spezielles Pech? Bitte nachsehn zu lassen. 5. Sozialistische Gedichte speziell von Weerth kann ich keine besorgen. Im alten Moses Heßschen „ Gesellschaftsspiegel" von 1845 stehn welche, ich glaube, Du kennst sie aber schon. Von einer Sammlung seiner Gedichte
habe ich einmal was gehört, aber sie nie gesehn. Jedenfalls hat er ebensowenig wie wir eine solche herausgegeben.12691 6. Archivar muß warten, ich habe nicht die Zeit, meine eignen Sachen in Ordnung zu bringen, komme ich daran, wird seiner reichlich gedacht werden.'2701 Aber jetzt muß vor allem der 2.Band „Kapital" fertig werden. Die Sache geht flott voran, die vorläufige Redaktion von ca.1/3 ist fertig und schreitet fort im Maß von 1/2- Druckbogen ca. per Tag, oder etwas weniger. Sobald wir an den letzten Abschnitt kommen (die Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals), kann Eisengarten das hierfür existierende Ms. von 1878 abschreiben, mit meiner Hülfe; während ich dann Schlußredaktion vornehme mit dem schon Fertigen. So werden wir in nicht gar zu langer Zeit fertig, und dann geht's ans 3. Buch, das wichtigste. Erst dann kann daran gedacht werden, die alten Ms. von vor 48 zu ordnen und druckfertig zu machen - im Auszug. An Lust fehlt mir's nicht, aber hier ist Arbeit nötig, d. h. Zeit. Also Du kommst doch schließlich auch zu der Ansicht, daß man mit den „weisen Männern"12271 am Ende doch noch ganz gut fertig wird. Ich habe mir ein paar Nrn. „Neue Welt" kommen lassen, um die Herren mal chez eux2 kennenzulernen. Bis jetzt bloß die Redaktionsbriefkasten gelesen, deutsche Schuljungenschnoddrigkeit, wo ein sehr zahmes Korrespondenzpublikum voraussetzt. Im übrigen laß Dich nicht durch Nadelstiche reizen, das ist erste Regel im Kampf, und bedenke, daß Nichts Schönres gibt es auf der Welt als seine Feinde zu beißen, als über all die plumpen Geselln seine schlechten Witze zu reißen.
Gruß an Kautsky.
Dein F.E.
2 unter sich
92
Engels an Sarah Allen in London12711 (Entwurf)
[London, nach dem 6. Juli 1884]
Madam, Auf Ihre Anfrage vom 5., die ich gestern erhielt und nicht sofort beantworten konnte, weil ich nicht zu Hause war, gestatte ich mir, Ihnen mitzuteilen, daß ich Herrn E.A[veling] für einen durchaus geeigneten Mieter halte und Sie es bestimmt nicht bereuen werden, Ihre Wohnräume an ihn vermietet zu haben, Ihr usw.
Aus dem Englischen.
93
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 11. Juli 1884
Lieber Kautsky, Hoffentlich kommt Ede an der Fiebergeschichte noch vorbei, grüß ihn von mir, ich will auch auf seine Gesundheit was trinken. Daß die Hamburger Sache an Auer gegeben, ist mir ganz recht. Ich gab Bebel und Dietz nur an, weil ich dem Mann doch sagen mußte, Wem ich seinen Namen nennen wollte; es versteht sich, daß das keineswegs hindert, daß Ihr freie Hand habt. Die Sache mit Dietz wird langweilig. Wenn er nicht ja oder nein sagt, so kann man nicht länger auf ihn warten. Woran mir liegt, ist, daß das Ding1 erscheint und 2. daß es nicht gleich massenhaft konfisziert wird. Also zwei Dinge, die nur in der Schweiz zusammen zu haben sind. Auf Druck in Ostreich wäre nur im Notfall einzugehn; 1. kostet das neuen Aufschub und Verhandlungen, und 2. wird das Ding doch verboten, darüber braucht Ihr Euch keine Illusionen zu machen2; und 3. kann es in Ostreich nicht nur auch verboten, sondern sogar abgefaßt werden (erinnre Dich an die Wiener Geschichte, die Du mir vorigen Herbst erzähltest). Also kommt mal endlich zu etwas Positivem. In der „Nfeuen] Z[eit]" muß es noch merkwürdig hergehn, sonst hätte man dem weisen Schippel sicher nicht erlaubt, von einer „RodbertusMarxschen-Theorie" und von Dingen zu sprechen, die „man seit Rodbertus erkannt hat"I2721; und das ohne Redaktionsnote. Die Deutschen sind in der Tat arg heruntergekommen, wenn sie noch immer nicht entdecken, daß alles, was Marx mit Rodbertus gemein hat, nichts ist als die application egalitaire de la theorie ricardienne3, wovon M[arx] S.49 der „Misere"4 spricht und die schon seit 1827 unter den englischen Sozialisten Gemeinplatz ist! Das ist aber noch lange nicht der Mehrwert, wie er von M[arx]
1 Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" 2 vgl. vorl. Band, S. 142 - 3 egalitäre Anwendung der Ricardoschen Theorie - 1 siehe Band 4 unserer Ausgabe, S.98
bestimmt und durch die ganze ökonomische Wissenschaft hindurch entwickelt ist. Die Herren Engländer und ebenso Rodb[ertus] haben daher mit ihrer Abschreiberei aus Ricardo auch gar nichts Ökonomisches anzufangen gewußt; erst Marx macht den Fortschritt und wirft die ganze alte Ökonomie um. Beiläufig. Ich muß, um Rodb[ertus] gründlich zu fassen, seine Schrift von 18425 „Zur Erkenntniß unsrer Zustände", oder wie es heißt, haben. Du hast es zitiert. Kannst Du es mir auf ein paar Tage - oder besser noch käuflich - verschaffen? Nach einigen Zitaten scheint es das Beste zu sein, weil erste, was er geschrieben, das Spätere immer abgeschwächtere Wiederkäuung. Dein F.E.
94
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 19. Juli 1884
Lieber Kautsky, Deinen und Edes Brief erst heut morgen erhalten, obgleich Zürich 17.7. Poststempel. Mit Deinen Vorschlägen bin ich einverstanden, vorausgesetzt, daß es nun vorangeht. Wenn unsre Arbeiter Antiqua ebensogut lesen können wie deutsche Schrift, so ist mir natürlich Antiqua lieber. Format ca. wie „Entwicklung" [18] - Bebels „Frau"[130' war zu groß. Wenn Ihr glaubt, 5000 absetzen zu können, kann mir's recht sein. Also nur zu, und laßt mich bald Korrektur haben. Die Einrichtung wegen Schab[elitz] ist ebenfalls ganz gut.'273' Also das haben wir von all der Rücksichtnahme auf Dietz, daß er uns alle für seine Feinde hält! Daß die „Neue Zeit" aufhören soll12741, ist für die Partei kein Unglück. Es stellt sich immer mehr heraus, daß die große Mehrzahl der schriftstellernden Parteileute in Deutschland zu den Opportunisten und Leisetretern gehören, die sich unter dem Sozialistengesetz - so unangenehm es ihnen pekuniär sein mag - literarisch ganz in der richtigen Atmosphäre befinden; sie können sich ganz ungehindert aussprechen, wir sind verhindert, ihnen was aufs Dach zu geben. Daher erfordert schon die monatliche Füllung einer solchen Revue eine gewaltige Nachsicht und bringt mit sich ein allmähliches Überwuchern von Philanthropie, Humanismus, Sentimentalität und wie die antirevolutionären Untugenden der Freiwald, Quarck, Schippel, Rosus1 usw. alle heißen. Die Leute, die prinzipiell nichts lernen wollen und nur Literatur über Literatur und ä propos von Literatur machen (9/10 der deutschen heutigen Schreiberei ist Schreiberei über andre Schreiberei), leisten natürlich mehr Druckbogen per Jahr als die, die was ochsen und erst dann über andre Bücher schreiben wollen, wenn sie diese andern Bücher 1. bemeistert haben und 2., wenn überhaupt etwas drin steht, das
1 Robert Schweichel
der Mühe wert. Dies durch das Sozialistengesetz geschaffne Uberwiegen dieser Herren in der in Deutschland gedruckten Literatur ist für die Dauer dieses Gesetzes unvermeidlich. Dagegen haben wir die ganz anders dreinfahrende Waffe der im Ausland erscheinenden Literatur. Es wäre sehr hübsch, wenn Du herkämst. Ob aber auf die New-Yorker so sicher zu rechnen, weiß ich nicht. Aveling ist vor über 3 Monaten als Londoner Korrespondent2 engagiert, hat regelmäßig geschrieben, aber noch kein Geld erhalten. Hier am Platz ist nichts zu verdienen. „Justice" wie „To-Day" zahlen nicht, und wo an irgendeinem andern Blatt was zu ergattern, stürzt gleich eine ganze Meute drauf hin. Die Hellseherei in der „Neuen Welt"[275] ist das Beste, was passieren konnte. Diese Art „Wissenschaft" verläuft sich regelmäßig in derlei Absurdität. Je greller, desto besser; desto eher hat's ein Ende. Ich habe sehr lachen müssen, als ich Deine Postkarte erhielt. Noch ein paar so kühne Geiseriaden, und der Mann muß einpacken. Hyndmans Buch'2761 ist, wie der ganze Kerl, ein prätentiöses schnoddriges Machwerk, worin auch er in einem fort versucht, an Marx herumzuklaubern (weil er kein Engländer ist, der H[yndman] ist der chauvinistischste John Bull, den's gibt) und dabei so wenig englische Geschichte kennt, daß alles, was er nicht von Deutschen gelernt hat, falsch ist. H[yndman] ist aber hier am Fallen, er hat zwar pekuniär jetzt mit seinem und Morris' Geld die ganze Bewegung aufgekauft (auch „To-Day", das Bax wegen Geldressourcenerschöpfung nicht weiterführen kann und jetzt ganz an H[yndman] übergegangen ist), aber seine Ungeduld, Diktator zu spielen, sein Neid gegen alle möglichen Rivalen, sein hartnäckiges Sich-Poussieren haben ihn auch seinen sichersten Freunden verdächtig gemacht, und seine Position in der Democratic Federation[87] wird wacklig. Cet homme n'ira pas loin, il ne sait pas attendre.3 Dabei wird die „Justice" immer dummer, ich hoffe, es geht recht bald mit dieser ersten Phase der Bewegung hier zu Ende4, sie wird schrecklich unerquicklich. Mit dem bacillum hast Du dem Geiser eine Blöße gegeben'2771, die er aber hoffentlich zu dumm ist zu benutzen. Beide Formen baculus und baculum sind üblich, also auch beide Genera für die Ableitung. Aber in der Biologie ist bacillus längst ausschließlich adoptiert. Da ich Ende dieses oder Anfang nächsten Monats wohl etwas an die See gehn werde, wäre mir der R[odbertus] „zur Erkenntniß"5 jetzt lieb, wenn ich ihn haben kann. Ich schicke ihn, nebst dem „Normal-Arbeitstag"6 etc., 2 der „New Yorker Volkszeitung" - 3 Dieser Mann macht nicht lange, er kann nicht warten. 4 siehe vorl. Band, S. 256 -258 - 6 siehe vorl. Band, S. 175 - 6 siehe vorl. Band, S. 150
12 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
sofort zurück, ich muß aber das Ding gesehn haben, weil er seilst 1879 behauptet hat, MJarx] habe das benutzt, ohne ihn zu zitieren7. Diese ganze Anklage gegen Marx ist nur möglich bei Leuten, die gar nicht wissen, welche horrende Unwissenheit dazu gehört, so etwas nur zu behaupten. Wer den Ricardo gelesen hat - und es sind schon in A. Smith Stellen genug, die dasselbe sagen, - muß doch wissen, woher der Mehrwert „entspringt", ohne daß man dazu erst den graußen Rodbertus zu lesen braucht.
Dein F.E.
' siehe Band 21 unserer Ausgabe, S. 175-187 und Band 24, S. 13—26
95
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
[London, nach dem 21. Juli 1884]
Lieber Ede, Nebiges kannst Du, wenn Du willst, an Auer schicken, ich hab's deswegen so eingerichtet. Was die Verteilung der Wahlkreise angeht'2781, so hab' ich mich äuch schon oft drüber geärgert, aber das kommt davon, daß man in rein taktischen Fragen nach allgemeinen Prinzipien verfahren will, und das geschieht immer auf Kongressen: dann ist die Sache doch so schön ins klare gebracht. Doppelkandidaturen sind allerdings in der Regel nichts nutz; wenn man aber darauf rechnet, daß die besten Leute in .unsichern Wahlkreisen eher durchkommen als andre, und sie deshalb dahin stellt, so muß man entweder Doppelkandidaturen für sie zulassen oder riskieren, daß sie gar nicht gewählt werden. Wenn man also absolut keine Doppelkandidaturen will, so muß man auch die besten Leute in die sichersten Wahlkreise stellen. Nun ist es aber sonderbar, daß dies Verweisen in unsichre Wahlkreise dem Liebkn[echt] nie passiert, sondern nur dem Bebel, und daß z.B. bei der vorigen Wahl, wenn ich nicht irre, Lfiebknecht] zwei ganz gute Wahlkreise hatte. Enfin1, das sind die Unvermeidlichkeiten. Man muß auch nicht vergessen, daß es im Kampf immer auf und ab geht, und deswegen sich nicht zuviel daraus machen, wenn's mal etwas abwärts geht. Jedenfalls ist soviel sicher, solange wir den „Sfozialdemokrat]" haben, können die Herren Opportunisten machen, was sie wollen; und selbst, wenn sie die Herrschaft in der Fraktion bekämen (was doch nur möglich, wenn Bebel nicht wieder gewählt), hätten sie damit noch lange nicht gewonnen Spiel. Was wollen sie machen gegen die Massen? Die drängen sie selbst doch immer weiter, sie mögen wollen oder nicht. Und wenn es den Weisen Männern'2271 gelänge, auch über den „Sozialdemokrat]" Herr zu werden, so würde das nicht so lange dauern wie die erste schlappe Periode des „Sozialdemokrat]", die ja auch anfangs selbst bei den Bessern unter
1 Nun
12*
den „Führern" Unterstützung fand, aber von den Massen über den Haufen geworfen wurde. Was die Große Wissenschaft des berühmten Nicht-Atheisten angehtt279], so wird es sehr erfreulich sein, wenn sie möglichst Gelegenheit findet, sich breitzumachen. In Paul de Kock's „Amant de la Lüne" kommt auch so ein mysteriöser Gelehrter2 vor; als man endlich nach der größten Mühe und Arbeit hinter seine Wissenschaft kam, fand man, daß sie in ein paar Kunststücken mit Flaschenkorken bestand. Was hat es bis jetzt schon für Mühe gekostet, bis der berühmte Mann sich dazu verstand, uns nur einige Proben seiner Wissenschaft zu geben! Und so schön! Und ist bereits beim Hellsehen angekommen.t276) Was wollen wir noch mehr - cela marche!3 Gruß an K. K[autsky], auch von Schorl[emmer]. Dein F.E.
Sag dem Manz, der mir geschrieben, ein Porträt ganz wie meins, sei für ihn in Arbeit4, er soll's haben, sobald es fertig; ich kann aber den Sachen in dem weitläufigen London nicht persönlich nachlaufen und hänge daher von andern Leuten ab.
1 Saucissard - 3 die Sache geht voran! - 4 siehe vorl. Band, S. 171
96
Engels an Laura Lafargue in Paris
. ,. . x London, 22. Juli 1884 , Meine höbe Laura, „La suite a demain!" ... mais je l'attends encore, cette suite1, die mir die vielen, sonst unbegreiflichen Dinge aus Deinem letzten Brief erklären sollte. Allerdings dachte ich, Du wohntest in einem der schönsten, luftigsten, gesündesten usw. Viertel von Paris, in genügender Höhe, um Dich über alle irdischen Dinge zu erheben. Und nun auf einmal ziehst Du um, noch dazu in dieser verdammt heißen Jahreszeit, und Paul geht nach Bordeaux, und alle Welt steht Kopf, und was dabei herauskommt, ist, daß Du nicht kommst12801, sondern die heiße Jahreszeit in Paris verbringen mußt, und Paris erst in der Jahreszeit verlassen willst, in der Heine es am meisten bewunderte: c die Sterne sind am schönsten in Paris, wenn sie eines Winterabends dort im Straßenkot sich spiegeln.2 '2811 Also, Nim und Jollymeier, der am Freitag kam, und ich haben uns die Sache ernsthaft durch den Kopf gehen lassen und sind zu der einmütigen, wenn auch nicht sehr befriedigenden Schlußfolgerung gekommen1: daß etwas irgendwo nicht stimmt. Wie dem auch sei, wenn schon La Saite nicht kommen will, so wirst Du doch hoffentlich noch selbst kommen und all diese Erwägungen in den Wind schlagen. Wenn Du wartest, bis Paul nach Bordeaux geht, um eine Zeitung herauszugeben, so können darüber die nächsten 100 Jahre vergehen, wenn überhaupt etwas daraus wird. Fährt er nicht, und ist es absolut nötig, daß Ihr von 66, B[oulevar]d de P[ort]-R[oyal] wegzieht, gut, dann laß ihn doch auf Wohnungssuche gehen und den Umzug machen. Ich sehe also nicht ein, was Dich abhalten sollte herüberzukommen - wenn auch nur, sagen wir, für 3 Wochen -, und sobald Du mir schreibst, daß Du kommst, werden wir Dir den Weg dazu ebnen, so gut wir können. Tussy und Edward sind, wenn nicht schon wieder zurück, auf ihrer
1 „Die Fortsetzung morgen!" .. .aber noch immer warte ich auf sie, diese Fortsetzung - 2 die Verszeilen in der Handschrift deutsch
Hochzeitsreise Nr. I, die große Hochzeitsreise soll erst nächsten Donnerstag losgehen. Natürlich wußten Nim, Joljymeier und ich schon ziemlich lange, was da vor sich ging, und haben herzlich gelacht über diese armen Unschuldslämmer, die die ganze.Zeit glaubten, wir hätten keine Augen, und die sich dem quart d'heure de Rabelais3 nicht ohne einen gewissen Bammel näherten. Wir haben ihnen das jedoch bald ausgeredet. Hätte Tussy mich vor diesem Sprung um Rat gefragt, so hätte ich es wahrscheinlich für meine Pflicht gehalten, mich über die diversen möglichen und unvermeidlichen Konsequenzen ihres Schrittes auszulassen - aber nachdem bereits alles abgemacht war, war es das Beste für sie, es sofort bekannt werden zu lassen, ehe andere Leute aus der Geheimnistuerei Profit schlagen konnten. Und das war einer der Gründe, weshalb ich froh war, daß wir alle davon wußten wenn irgendwelche klugen Leute es gemerkt hätten und mit der großen Neuigkeit zu uns gekommen wären, wir wären vorbereitet gewesen. Hoffentlich bleiben sie weiter so glücklich, wie sie es jetzt zu sein scheinen; ich mag Edward sehr gern und glaube, es wird ihm guttun, auch mit anderen Leuten in Berührung zu kommen, als nur mit Literaten und Lektoren, unter denen er sich bewegte; er hat ein solides Studium als Grundlage und fühlte sich selbst nicht am richtigen Platz in dem schrecklich oberflächlichen Milieu, in das ihn das Schicksal verschlagen hatte. Jollymeier fühlt sich jetzt sehr wohl und munter - während ich arbeite, macht er lange Spaziergänge - und ist gerade jetzt wieder unterwegs. Pumps ist endlich ihre Bronchitis usw. los und wird heute in ihr neues Haus in Kilburn - Pardon, „West Hampstead", ziehen (ich habe gar nicht gewußt, daß Hampstead bis zur Edgware Road reicht, aber es scheint so). Nim fühlt sich sehr wohl und munter - nächste Woche werden wir voraussichtlich an die See fahren, aber wohin? Diese große Frage muß rioch gelöst werden. Was mich betrifft, so geht es mir ganz gut, wenn ich was Bewegung, Arbeit und Vergnügen angeht - wenigstens vorläufig - sehr vorsichtig bin; ich hoffe, daß die Luftveränderung mich wieder endgültig auf die Beine bringen wird. Und nun warte ich auf „la suite", aber laß es eine ordentliche werden, eine „suite", die Dich zu uns bringt! Pauls „Ble" ist heute früh angekommen. Wie schade, daß er die weisen Ratschläge der redaction du „][ournal\ des Econ[omistes]" nicht befolgt!12821 In herzlicher Zuneigung Dein Aus dem Englischen. F. E. 3 Augenblick, wo man bekennen muß
97
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 26. Juli 1884
Meine liebe Laura, La suite, la suite de la suite et la conclusion par P. L[afargue]1 sind angekommen. Ich habe gerade meinen amanuensis2 nach Hause geschickt, und es bleiben mir einige Minuten, um Dir zu sagen, daß ich nicht nur sehr gern Pauls Artikel durchsehen, sondern ihm auch gern Vorschläge machen würde, welche Punkte anzugreifen sind3.12831 Aber dazu muß ich das Buch haben, und um es zu bekommen, muß ich den genauen Titel wissen schicke ihn mir doch bitte sofort, damit ich es bestellen kann. Es sieht also so aus, als ob wir ohne Dich an der See sein werden.'2801 Wenn das Wetter so bleibt, fragt es sich, ob Frankreich nicht vorzuziehen wäre. Jetzt, um 5 Uhr nachmittags, haben wir kaum 17° Celsius und so einen Regen, daß der arme Jollymeier nicht einmal seinen Spaziergang machen konnte. Pumps und Percy kommen gerade zum Essen, darum muß ich schließen. Grüße von allen. In Zuneigung Dein F.E.
Aus dem Englischen.
1 Die Fortsetzung, die Fortsetzung der Fortsetzung und der Schluß von P. L[afargue] (siehe vorl. Band, S. 181) — 2 Sekretär (Oskar Eisengarten) - 3 siehe vorl. Band, S. 194-198
98
Engels an Hermann Schlüter in Hottingen-Zürich
Werter Herr Schlüter, Anbei Korrektur1 zurück. Wird immer umgehend zurückerfolgen. Bitte aber meine Orthographie etwas zu schonen, ich habe keinen Grund, mich auf meine alten Tage noch Zivilisieren, Zentralisieren oder gar Zitieren zu lassen. Die angeblich „konsequenten" Orthographien sind meist noch viel inkonsequenter und unhistorischer als der alte schlechte Schlendrian. Mit Ihren Vorschlägen bin ich vollkommen einverstanden. Das sind aber Dinge, die Sie besser verstehn als ich. Ich bitte nun um gefl. Einsendung der Aushängebogen und nach Vollendung um 25 Exemplare der Luxusausgabe und 5 der andern, mit weniger werde ich sicher nicht fertig.12731 Das Ms. kann zur Portoersparnis mit den Druckbogen unter steifem festem Streifband versandt werden, Ms. und Korrektur kosten hier gleichmäßig Buchporto. Müssen aber voll frankiert sein, sonst kommen sie hier nicht an. Achtungsvoll F. Engels
[London] 28. Juli 1884
1Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats"
99
Engels an James Leigh Joynes in London12841 (Entwarf)
[London] 30./7./84
Werter Herr, Leider kann ich gegenwärtig meine Zustimmung zu einer Übersetzung meiner „Entwicklung usw."1 für „To-Day" nicht geben, da ich durch eine frühere Vereinbarung mit einem anderen Herrn2 gebunden bin. Was mein Versprechen hinsichtlich eines Artikels für „To-Day" betrifft, so wurde dieses Versprechen Herrn Bax gegeben, und soweit mir bekannt ist, gehört Herr Bax nicht mehr zu den Redakteuren des „To-Day"3.
Ihr ergebener F.E.
Aus dem Englischen.
1 „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" - 2 Edward Aveling "siehe vorl. Band, S.191
100
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
[London, Juli 1884] [ J1 Ich habe mich geopfert, indem ich einige Hefte der „N[euen] Welt" durchsah. Das ist so ertötend langweilig, daß es nicht lange ging. Was den Herrn Geiser angeht, so ist seine „Wissenschaft" [da\2 unangreifbar. Wer sich in einem solchen Pfennigmagazin mit Wissenschaft brüsten tut, beweist schon damit, daß er wirklich auch nichts gelernt hat. Selbst wenn er nicht fortwährend Cholera-Baccillus druckte3 statt bacillus, als ob das Wort von bacca herkomme und nicht von baculus. Es steht zudem in jedem lateinischen Wörterbuch. Die Redensart, daß der Materialismus wie Idealismus beide einseitig seien und zu einer höhern Einheit zusammengefaßt werden müßten12791, ist uralt und sollte Dich nicht grämen, und daß Atheismus nur eine Negation ausdrückt, haben wir selbst schon vor 40 Jahren gegen die Philosophen gesagt, nur mit dem Zusatz, daß der Atheismus, als bloße Negation der Religion und stets sich auf Religion beziehend, ohne sie selbst nichts, und daher selbst noch eine Religion ist. Die übrige Wissenschaft wird charakterisiert in einem Artikel von Bios über griechische und deutsche Götter12851, worin allein mir folgende grobe Schnitzer aufgefallen: 1. die „Epistolae obscurorum virorum" sollen von Reuchlin sein. Sie entstanden in seiner Umgebung, aber er hat weit weniger Teil daran als U. v. Hutten. 2. die griechischen Götter „schmausen Nektar und zechen Ambrosia"! 3. „Met", alias Meth, wird in Klammern durch „Bier" erläutert, wo jedes Kind weiß, daß das nicht aus Malz, sondern aus Honig bis heute gemacht wird. 4. Bios kennt nicht einmal die Namen der deutschen Götter, [er]4 gibt bald altnordische, bald deutsche. Neben dem altnordischen Odin, dessen deutsche Namen (altsächsisch Wodan, althochdeutsch Wuotan) er nicht kennt, steht der althochdeutsche Ziu. Odin soll auch eine Frau Freia haben, sie heißt aber altnordisch Fngg, althochdeutsch Fricka, weis sogar Richard
1 Der Anfang des Briefes fehlt - 2 schwer lesbar - 3 siehe vorl. Band, S. 177 - 4 Tintenklecks
Wagner besser wußte. Das eine kurze oberflächliche Blumenlese in 10 Minuten! Vor der Wissenschaft wird nicht der kleinste Köter bange! Laß sie sich doch in ihrem Pfennigmagazin brüsten wie die Pfauen, guckt man hinter den Pfauenschweif, so entdeckt man nur den Ort, woher die Exkremente kommen! Dein F. E. Gruß an K.K[autsky].
101
Engels an Laura Lafargue in Paris
,, . ,. , , London, I.Aug. 84 Meine liebe Laura, Leroy-B[eaulieu] prompt eingetroffen.12831 Danke. Habe noch nicht viel Zeit gehabt hineinzusehen, werde es aber jetzt tun1; Schorl[emmer] ist gestern nach Deutschland abgereist. Wir werden wahrscheinlich Montag2 nach Worthing, in der Nähe von Brighton, fahren - es ist Percys Wahl, und nach all dem, was man erzählt, ein schrecklich langweiliger Ort.'2861 Mir ist es egal, aber wenn es Pumps dort nicht gefällt, so muß sie das mit ihrem Herzensgatten abmachen. Die genaue Adresse werde ich Dir so bald wie möglich schicken. Durch die Hitze und weil ich Zug bekommen habe, hatte ich mir eine böse Erkältung geholt - fast eine Woche habe ich nicht geraucht und auch kein Bier getrunken - seit gestern aber kann ich beidem wieder zusprechen. Da Pauls Artikel über das „ble" noch nicht abgeschlossen ist und sicherlich zwischen diesem und dem Angriff auf L[eroy]-B[eaulieu] ein Monat vergehen wird, so daß dieser letzte Artikel erst in der O^fofcernummer3 erscheinen kann, werden wir sicher - so hoffe ich wenigstens - eine kleine Atempause haben. Ich brauche wirklich etwas Ruhe und werde während meines Aufenthalts an der See außer dieser Sache noch eine Menge Übersetzungen durchzusehen haben. Das Entscheidende wird für Paul sein: Kürze, strikte Begrenzung der Frage nur auf L[eroy]-B[eaulieu\s Kritik an Mohr, wobei er Lassalle usw. ganz beiseite lassen muß - es sei denn, daß L[eroy]-B[eaulieu] vielleicht Gelegenheit gibt, ihm seine schreiende Unwissenheit nachzuweisen. Jedoch werde ich das besser beurteilen können, wenn ich das Buch durchgesehen habe. Auf jeden Fall aber wird, da das Buch dick und der Platz zur Erwiderung gering ist, die Begrenzung auf das unbedingt Notwendige unvermeidlich sein. Jetzt muß ich Schluß machen - es ist eine Gluthitze; ich habe schon fünf Briefe geschrieben und muß noch an „Mrs. Aveling" und nach Zürich schreiben. 1 Siehe vorl. Band. S. 194-198 - 2 4. August - * des »Journal des ficonoraistes"
Nim hustet auch etwas, und es kommt mir zuweilen fast wie Keuchhusten vor - aber es ist nicht schlimm. Du weiß doch, daß Tussy sich von der kleinen Lilian Rosher einen regelrechten Keuchhusten geholt hatte! Das ist wirklich wahr! Sage Paul, er soll Dir von Nim und von mir einen Kuß geben. In herzlicher Zuneigung Dein F.E.
Aus dem Englischen.
102
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, I.Aug. 1884
Lieber Kautsky, Heute registriert Rodb[ertus] „Zur Erkenntniß" zurückgeschickt, hoffe, es kommt richtig an. Schickt nach Empfang dieses keine Briefe mehr hieher, ich geh' Montag1 an die See12861 und werde vielleicht schon morgen die neue Adresse (pro tempore) schicken können. Das Buch von Rfodbertus] ist in der Tat bei weitem das beste, was er geschrieben - Jugendarbeit nach guten wie schlechten Seiten - Originalausgabe der spätem Verwässerungen - beweist, wie nah er der Sache war, hätte er sie verfolgt, statt auf Utopien auszugehn. Es ist mir sehr lieb, daß ich's gesehn. Postschluß und Mittagessen! Dein F.E. Grüß Ede, den Ex-Epididymitiker.
14. August
103
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
48, Marine Parade Worthing, Aug. 6./S4
Lieber Ede, Hier bin ich nach allerlei Irrfahrten endlich gelandet und hoffentlich für gute 3 Wochen festgenagelt, an der Südküste, den breiten Kanal vor der Tür, der aber bei Ebbe gute 300 Schritt in die Ferne rückt; im übrigen ein stilles langweiliges Plätzchen'2861, wo sich mir zwischen dem Faulenzen wohl auch die Muße finden wird, Eure Übersetzung der „Misere" durchzusehn12031. Willst Du so gut sein, dafür zu sorgen, daß mir die Korrekturbogen1 bis auf weiteres hieher gesandt werden. Für Einsendung des „Sozialdemokrat]" von London sorgt Eisengarten. Es ist brillant heißes Wetter, und ich habe meine neue Adresse noch an x Leute zu schreiben. Also von weiteren Neuigkeiten (die übrigens verdammt selten) nur die, daß Hyndman jetzt glücklich auch „To-Day" angekauft hat. Bax, der sein bißchen Geld hineingesteckt - ich warnte ihn schon im Oktober, es werde nicht reichen -, ist au bout de ses finances2, und da hat Hyndman seinen abhängigen Knappen Champion vorgeschoben und durch ihn neues Geld offeriert, wenn Ch[ampion] in die Redaktion trete statt Bax. Dieser, so am Kragen genommen, trat denn auch zurück, und das Resultat ist, daß H[yndman] jetzt die ganze sog. sozialistische Presse beherrscht. Aber bei allen diesen kleinen Männchen, deren Talent und Charakter nicht im Verhältnis zu ihrem Ehrgeiz, ist der Moment des Siegs zugleich stets der der Niederlage. Dem äußern Erfolg entspricht der Mißerfolg innerhalb der eignen Fraktion. H[yndman]s Gefolge reduziert sich mehr und mehr auf direkt von ihm gekaufte resp. pekuniär von ihm abhängige Leute, er verliert in der Democratic Federation täglich Terrain. Vorgestern war Delegiertenkonferenz12871, ich weiß nicht, was dort
1 Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" a finanziell am Ende
geschehn, Aveling war dort, aber ist jetzt in Derbyshire. Er und Tussy haben sich nämlich ohne Zuziehn von Standesbeamten etc. verheiratet und schwelgen jetzt ineinander in den Bergen von Derbyshire. Notabene darüber darf ja kein öffentlicher Lärm geschlagen werden, vielleicht setzt irgendein Reaktionär was in die Presse, dann ist's Zeit genug. Der Casus ist der, daß A[veling] eine legitime Frau hat, die er nicht loswerden kann de jure, obwohl er sie seit Jahren de facto los ist. Die Sache ist hier ziemlich bekannt geworden und selbst bei literarischen Philistern im ganzen gut aufgenommen worden. Mein London ist beinah ein Klein-Paris und bildet seine Leute. Hiermit aber genug. Grüße K.K[autsky]. Dein F. E.
104
Engels an Laura Lafargue in Paris
48, Marine Parade, Worthing Aug. 6V84
Meine liebe Laura, Da wären wir also angelangt'2861, und hier auch unsere Adresse des so primitiven Logis, wie man es in einem englischen Seebad schlimmer nicht finden kann -, die ersten Zimmer, die wir gemietet hatten, mußten wir wieder räumen, weil die alte Dame das Rauchen untersagte!! Bisher noch kein Lagerbier, aber Percy treibt in Brighton welches auf sowie es da ist, werde ich versuchen, Leroy-B[eaulieu][2831 zu verdauen1,- es ist eine Gluthitze, aber eine schöne kontinentale Hitze mit einer Brise vom Meer; der Kanal ist direkt vor unserer Nase, aber bei Ebbe rückt er ungefähr V4 Meile in die Ferne. Pumps und Nim kommen gerade wegen Bier herein: sie sagen, es sei so heiß, daß sie es draußen nicht länger aushalten können, und im Haus ist es tatsächlich kühler. Nun werden nach alldem ces pauvres parisiens2 am Ende doch von der Cholera verschont bleiben! Welche Schmach nach all ihren Vorbereitungen. Nim sagt eben, sie hoffe, am 31. Juli bei der großen Ziehung in Paris ein Vermögen gewonnen zu haben. Wenn das wahr ist, dann mußt Du sofort an die Baronin de Demuth unter obiger Adresse telegraphieren, sie möchte dann nämlich mit einem großartigen Schmaus aufwarten. Ich bin faul und habe doch so viele Briefe zu schreiben! Daher erwarte ich gute Nachricht von Paul, mit anderen Worten, daß der große LeroyBfeaulieu] es nicht so eilig hat, seine Prügel einzustecken. Jedenfalls muß ich beneficium caloris3 genießen und schließe. Die ganze Gesellschaft sendet Dir jede Menge Grüße und ich ditto.
In Zuneigung Dein F. E.
Aus dem Englischen.
1 Siehe vorl. Band, S. 188 und 194-198 - 2 diese armen Pariser - 3 die wohltuende Wärme
13 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
105
Engels an Paul Lafargue in Paris12881
[Worthing, 1 I.August 1884] S. 1: B[eaulieu] schreibt immer Schoeffle, dieser Herr heißt Schäffle. S.3: Entstehendes kapitalistisches System -? um 1780-1800? Die Entstehung dieses Systems geht auf das 15. Jahrhundert zurück, die aufkommende große Industrie leitete nur seinen Höhepunkt ein. S. 1 u. 4: Maine verdient es keineswegs, neben Maurer zitiert zu werden; er hat nichts entdeckt, er ist nur Schüler der Schüler Maurers. Das Gemeineigentum an Boden in Indien wurde längst vor ihm bekannt und von Campbell beschrieben usw.; das auf Java von Money usw.; und das in Rußland von Haxthausen.12891 Sein einziges Verdienst besteht darin, der erste Engländer zu sein, der die Entdeckungen Maurers übernommen und gemeinverständlich gemacht hat. S.5: Muß vollständig überarbeitet werden. Ihre Beispiele beziehen sich nicht auf erörterten Punkt. Der zu Kapital werdende Bodenfetzen des Bauern würde das Bodenkapital sein, eine sehr komplizierte Angelegenheit, die Mfarx] nur im 3.Buch erörtert. Ihr Sklavenhalter, der für den Markt von New Orleans produziert, ist ebensowenig ein Kapitalist, wie der rumänische Bojar, der Fronbauern ausbeutet. Kapitalist ist nur der Besitzer von Arbeitsmitteln, der den freien Arbeiter ausbeutet! Sagen Sie lieber: Der Webstuhl des kleinen Bauern vor der Revolution, der dazu diente, Kleidung für die Familie zu weben, war kein Kapital; er ist auch noch kein Kapital, wenn der Bauer die Stoffe, die er während der langen Winterabende anfertigen konnte, dem Händler verkauft; wenn er jedoch einen Lohnarbeiter mit dem Weben von Waren für den Händler beschäftigt und die Differenz zwischen Produktionskosten und Verkaufspreis der Stoffe in die Tasche steckt, dann hat sich der Webstuhl in Kapital verwandelt. - Das Ziel der Produktion - Waren zu produzieren - drückt dem Instrument nicht den Charakter des Kapitals auf. Die Warenproduktion ist eine der Vorbedingungen für die Existenz des Kapitals; aber solange der Produzent nur sein eigenes Produkt verkauft, ist er kein Kapitalist; er wird es
erst in dem Augenblick, wo er sein Instrument dazu verwendet, um die Lohnarbeit anderer auszubeuten. Dieses gilt auch für Seite 6. Wie ist es möglich, daß Sie diesen Unterschied nicht gemacht haben? An Stelle Ihres unmöglichen Sklavenhalters (seien Sie doch nicht so ReacheI290!!) könnten Sie sagen: Der Feudalherr, der seine Felder durch Leibeigene bearbeiten läßt, und überdies ihre Abgaben an Eiern, Geflügel, Früchten, Vieh usw. zusammenrafft, ist kein Kapitalist. Er lebt von der Mehrarbeit anderer, aber er verwandelt das Produkt dieser Mehrarbeit nicht in Mehrwert; er verkauft es nicht, er verbraucht es, gibt es aus, vergeudet es. Aber wenn dieser Feudalherr, wie er es im 18. Jahrhundert in vielen Fällen tat, sich eines Teils seiner Leibeigenen entledigt, wenn er ihre Bodenfetzen zu einem großen Gut zusammenfaßt und es jenem, bei den Physiokraten so beliebten großen Pächter verpachtet; wenn dieser große Pächter die Ex-Leibeigenen als entlohnte Landarbeiter zur Bearbeitung seines Guts einstellt, dann hat sich die Landwirtschaft von einer feudalistischen in eine kapitalistische verwandelt und der Pächter in einen Kapitalisten. S. 6: Die unmittelbare Form der Warenzirkulation ist wohl ihre ursprüngliche Form1; sie muß also existieren, bevor die Form 2 entstehen kann. Sie ist nicht ursprünglich, wenn man sie mit dem einfachen Tauschhandel vergleicht; aber die Warenzirkulation setzt die Existenz von Geld voraus; der Tauschhandel bewirkt nur gelegentlichen Austausch, keine Warenzirkulation. S. 7: Die kapitalistische Produktion ist nicht diese oder jene, mittelbare oder unmittelbare Form der Warenzirkulation. Produktion und Zirkulation sind zwei verschiedene Dinge. Jede kapitalistische Produktion setzt die Warenzirkulation voraus und bewegt sich in ihr, aber sie ist ebensowenig Zirkulation wie die Verdauung Zirkulation des Blutes ist. Sie können diesen ganzen Satz, der nichts weiter aussagt, wegstreichen. S. 11: Die unterstrichene Passage ist mir unverständlich und in jeder Beziehung falsch. Durchschnittlich verkauft und kenn der Kapitalist das Produkt von 10 fr. für mehr als 10 fr. verkatifen. - Was Sie beiseite lassen, sind „die Produktionskosten". Aber die Produktionskosten schließen in der Vorstellung der Ökonomen den Profit ein; sie setzen sich zusammen: 1. aus der Summe, die das Produkt den Kapitalisten gekostet hat, und 2. aus dem Profit; anders ausgedrückt: 1. aus der Summe, die das ausgegebene konstante Kapital ersetzt; 2. aus der, die den bezahlten Lohn ersetzt; 3. aus dem ganzen Mehrwert oder einem Teil, den die Mehrarbeit der Lohn
1 Siehe Band 23 unserer Ausgäbe, S. 162 ff. 13*
arbeiter geschaffen hat. Man muß den Satz von B[eaulieu], seine Definition des Wertes (S.9, Ende) nehmen und ihr die beiden unterschiedlichen Wertausdrücke gegenüberstellen: entweder schließt der Selbstkostenpreis den Profit ein, und dann werden die Waren „nach der in ihnen enthaltenen gesellschaftlichen Arbeit bezahlt" - dann schließt der Preis (der Wert) einen Mehrwert ein, der durch die lebendige Arbeit über den gezahlten Lohn hinaus geschaffen und von dem Kapital angeeignet wurde. Oder der Selbstkostenpreis deckt den Profit nicht; dann ist der Wert nicht durch die im Gegenstand enthaltene gesellschaftliche Arbeit bestimmt, sondern durch den hohen oder niedrigen Lohn, der für diese Arbeit gezahlt wird - eine alte Geschichte, die lang und breit von Ricardo widerlegt worden ist. S. 12. 13: Die Maschine und die Baumwolle übertragen ihren ganzen Wert, selbst den des Abfalls, auf das Produkt; und dort liegt der wahre Kern Ihres Arguments. Wenn 115 Pfund Baumwolle nur 100 Pfund gesponnenes Garn ergeben, so wird der Wert dieser 100 Pfund mit dem Preis der 115 Pfund Rohbaumwolle belastet. Vielleicht nennt Herr B[eaulieu] das: den Wert der in dem Material verschwundenen 15 Pfund, die aber im Wert wiedererscheinen, einen Mehrwert? S. 13: Wenn der Kapitalist dem Arbeiter seine Maschine leihen würde usw., so würde das Produkt dem Arbeiter gehören - so ist es aber keineswegs. S. 13. 14: „Erzeugt einen Vorteil, der Profit genannt wird": vergleichen Sie den ersten Absatz S.270, wo Herr B[eaulieu] beweist, daß nicht der Kapitalist, sondern der Verbraucher von technischen Fortschritten profitiert. Er wirft Marx vor, die Konkurrenz zu vergessen; und M[arx] hat in dem ganzen Kapitel über die Manufaktur und die große Industrie bewiesen, daß die Maschinerie nur dazu dient, den Preis der Produkte zu senken, und daß die Konkurrenz diese Wirkung hervorbringt; das bedeutet, daß der Vorteil darin besteht, in der gleichen Zeit mehr Produkte zu erzeugen, so daß die in jedem Produkt verkörperte Arbeit um so geringer ist und der Wert jedes Produktes im Verhältnis dazu sinkt. Herr BJeaulieu] vergißt, uns zu sagen, in welcher Beziehung der Lohnarbeiter einen Vorteil davon hat, seine Produktivität wachsen zu sehen, wenn das Ergebnis dieser angewachsenen Produktivität ihm nicht gehört und wenn sein Lohn nicht durch die Produktivität des Instruments bestimmt wird. S. 14. 15: Die hier von B[eaulieu] durchgeführte Rechtfertigung des Profits, enthält die Quintessenz der Vulgärökonomie, ihre Rechtfertigung der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten. Der Schöpfer des Kapitals fordert eine „legitime" Entschädigung für diese Schöpfung (das
heißt den „Lohn der Abstinenz", siehe Marx2) und diese Entschädigung muß von dem ausgebeuteten Arbeiter in Form von unbezahlter Arbeit gezahlt werden. Sie stimmen dem bei, indem Sie sagen, daß „der Profit der legitime Sohn der lebendigen Arbeit sei"! „Der Lohn der Leitung" wird dargestellt und gemessen nach dem Lohn, den ein bezahlter Manager erhält-, ein Lohn, mit dem sich kein Kapitalist zufriedengeben würde. Sehen Sie dazu „Kapital", 3. deutsche Ausgabe, Seite 171. 172® (ich habe die französische Ausgabe nicht hier), Sie finden dort alle diese Phrasen in wenigen Worten widerlegt. Die Versicherungsprämie gegen das „Risiko" wird tatsächlich aus dem Mehrwert gedeckt, wird aber zum Profit hinzugerechnet: der Kapitalist hält jedes Jahr eine Summe von ... in Reserve, für das, was er das „ducroire" nennt (italienisch del credere, d.h. um ihn gegen unredliche Kredite oder Bürgschaften zu decken). Schließlich erfolgt die Belohnung jiir besonders geschickte Geschäftstransaktionen, für noch nicht verbreitete Erfindungen nur in Ausnahmefällen und kann dann einen Extraprofit ergeben; aber es handelt sich hier um den gewöhnlichen Durchschnittsprofit, der allen Industriellen gemeinsam ist. Übrigens finden Sie diese Art Profit behandelt im „Kapital", 3. deutsche Ausg., S.314-174. Indem Sie diese Sätze von Bfeaulieu] ernst nehmen, indem Sie erklären, daß sie „den Profit zum legitimen Sohn der lebendigen Arbeit" machen (nicht der Arbeit des Arbeiters, sondern der Arbeit des Kapitalisten!), nehmen Sie - für Marx und im Namen von Marx — diese Lehren der Vulgärökonomie an, die er immer und überall bekämpft hat, Sie müssen also unbedingt Ihre Ausführungen so abändern, daß sie nicht einmal den Anschein einer solchen Bedeutung haben können. Andernfalls würden Sie in die Falle gehen. Ihre Behauptung auf S. 16, daß, „wenn die Produkte ... ist der kapitalistische Profit Null oder fast Null" widerspricht den Tatsachen. Wo ist in diesem Fall die Ausbeutung der Arbeiter? Worüber beklagen Sie sich denn da? Und wovon leben, prassen und bereichern sich die Kapitalisten? Wo zum Teufel haben Sie diese Idee her, die sogar die Vulgärökonomen niemals ausgesprochen haben und die sich auch bei B[eaulieu] nicht findet? Und Sie nennen das ein allgemeines Gesetz! Daran ist nur wahr, daß der Kapitalist bei einer Maschine, die 100 m Stoff mit demselben. Arbeitsaufwand erzeugt, für den die Handarbeit 1 Meter benötigt, seinen Profit auf die 100 m verteilen kann, anstatt ihn auf einen einzigen zu konzen
2 siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 617-625 -3 siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 205 -2084 siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 335-340
trieren; daraus ergibt sich, daß jeder Meter nur mit Vioo des Profits belastet ist, aber der Profit für die Summe der aufgebrachten Arbeit kann derselbe bleiben und sogar anwachsen. S. 16: Marx würde gegen „das politische und gesellschaftliche Ideal" protestieren, das Sie ihm unterstellen. Wenn schon von einem „Mann der Wissenschaft", der ökonomischen Wissenschaft die Rede ist, so darf man kein Ideal haben, man erarbeitet wissenschaftliche Ergebnisse, und wenn man darüber hinaus noch ein Mann der Partei ist, so kämpft man dafür, sie in die Praxis umzusetzen. Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, denn man hat eine vorgefaßte Meinung. Mit einem Wort, der Artikel wird seine Wirkung haben, wenn Sie die Hauptfehler beseitigen, die ich Ihnen genannt habe. Aber für Ihre Replik12911, die noch weitaus ernster sein sollte, bin ich entschieden der Meinung, daß Sie „Das Kapital" mit Bfeaulieus] Buch daneben von Anfang bis Ende noch einmal durchlesen und dabei alle Stellen anstreichen müssen, die auf die Vulgärökonomie Bezug nehmen. Ich sage „Das Kapital" und keineswegs Devilles Buch11281, das wegen der ernsthaften Fehler im beschreibenden Teil auf keinen Fall genügt. Und dann: vergessen Sie nicht, daß diese Herren B[eaulieu] und andere viel mehr als Sie die einschlägige ökonomische Literatur bis ins Detail beherrschen, und daß dies ein Gebiet ist, auf dem Sie sie nicht mit gleichen Waffen bekämpfen; es ist ihr Metier, das alles zu kennen, nicht das Ihre. Riskieren Sie also nicht zu viel auf diesem Gebiet. Ich habe offen gesprochen, und ich hoffe, daß Sie es mir nicht verübeln werden. Der Fall ist zu ernst; wenn Sie übers Ziel schießen, würde die ganze Partei darunter leiden. Hier kommt man um vor Hitze, aber trotzdem fühlt man sich ganz gut. Alle senden Ihnen, Laura und Ihnen, tausend Grüße. Leider geht unser Vorrat an Pilsener zu Ende und es dauert zwei Tage, bis von Brighton neues kommt! Man lebt hier in der reinsten Wildnis.
Ganz der Ihre F.E.
Aus dem Französischen.
106
Engels an Georg Heinrich von Vollmar in München
48, Marine Parade Worthing, England, 13. Aug. 84
Geehrter Genosse, Ihre werten Zeilen wurden mir von London erst gestern zugesandt, daher die Verzögerung meiner Antwort. Die Frage, die Sie mir stellen12921, ist schwer oder gar nur negativ zu beantworten. Keine Wissenschaft wird heutzutage auf allen Universitäten der Welt mehr verhunzt als die ökonomische. Nicht nur, daß nirgendwo ein Mann existiert, der die alte klassische Ökonomie im Sinn Ricardos und seiner Schule vortrüge; es würde sogar schwerfallen, einen zu finden, der den vulgären Freihandel, die sog. Manchesterei & la Bastiat, in reiner Gestalt vortrüge. In England und Amerika, wie in Frankreich und Deutschland, hat der Druck der proletarischen Bewegung die bürgerlichen Ökonomen fast durchweg kathedersozialistisch-philanthropisch gefärbt, und ein kritikloser, wohlmeinender Eklektizismus herrscht überall: eine weiche, dehnbare, gallertartige Gelatine, die sich in jede Form beliebig pressen läßt und eben deswegen eine ausgezeichnete Nährflüssigkeit zur Züchtung von Strebern abgibt, ganz wie die wirkliche Gelatine zur Züchtung von Bakterien. Die Wirkung dieses entnervenden, haltlosen Gedankenbreis macht sich, wenigstens in Deutschland und stellenweise bei Deutschamerikanern, bis in unsre Partei hinein fühlbar und wuchert üppig an ihren Grenzen. Unter diesen Umständen wüßte ich zwischen den verschiednen Hochschulen keinen wesentlichen Unterschied zu entdecken. Tüchtiges eignes Studium der klassischen Ökonomie von den Physiokraten und Smith bis Ricardo und seiner Schule, sowie der Utopisten Saint-Simon, Fourier und Owen, endlich von Marx, nebst fortwährender Anwendung des eignen Urteils, wird das meiste tun müssen. Ich setze voraus, daß Ihre Freundin die Quellen selbst studiert und sich nicht von Kompendien und andern Quellen zweiter Hand in die Irre führen läßt. Für die Kenntnisnahme der ökonomischen Zustände selbst hat Marx im „Kapital" die wesentlichsten Quellen angegeben. Wie die offizielle Statistik der verschiednen Länder zu
verwerten, was davon brauchbar ist und was nicht, lernt sich am besten durch das Studium und die Vergleichung selbst. Wie denn überhaupt das eigne Studium, je weiter man darin vordringt, die beste Anleitung gibt für die Art und Weise des weiteren Lernens, vorausgesetzt, daß man mit wirklich klassischen Büchern angefangen hat und nicht mit den verwerflichsten von allen: den deutschen Kompendien der Ökonomie, resp. den Vorlesungen ihrer Verfasser. Das ist so ziemlich alles, was ich in der Sache sagen kann. Und es soll mich freuen, wenn Frl. Kjellberg etwas darin findet, wovon sie Nutzen ziehn kann. Im übrigen freue ich mich auf die Reichstagswahlen[2561 und verbleibe mit aufrichtiger Hochachtung Ihr F. Engels
107
Engels an Maria Jankowska-Mendelsonowa (S. Leonowicz) in Genf12931 (Entwurf)
[Worthing, Mitte August 1884] Einverstanden. - Die einzige Bedingung, die ich - und das unbedingt Ihnen zu stellen verpflichtet bin, ist die, daß Sie nichts in Polnisch veröffentlichen, bevor die deutsche Veröffentlichung abgeschlossen ist. Die Arbeit würde sofort in Deutschland verboten werden, und die geringste Indiskretion oder vorzeitige Andeutung könnte die Aufmerksamkeit der deutschen Polizei erregen und die Verbreitung des Originals hemmen, vielleicht sogar die Beschlagnahme eines großen Teils der Ausgabe zur Folge haben. Sie wollen daher bitte die Güte haben, mir den Empfang dieses Briefes zu bestätigen und mir die Zusicherung zu geben, daß Sie sich an diese leider unerläßliche Bedingung halten werden.
Aus dem Französischen.
108
Engels an Karl Kautsky in Zürich
(bitte Brighton auf der Adresse wegzulassen, verursacht hier Posteseleien)
48, Marine Parade Worthing, England, 22. Aug. 84
Lieber Kautsky, Soeben Eure Briefe erhalten12941, die sich etwas verspätet, da die Hausnummer nicht drauf und unsre Postklepper hier von den primitivsten Verstandeskräften sind. „Misäre".t203) Das hier befindliche Manuskript ist fertig revidiert. Außer einigen leichten Mißverständnissen französischer Feinheiten, die man eben nur in Frankreich selbst richtig lernt, war nicht viel zu ändern. Statt „Beziehungen" für rapports setze ich meist Verhältnis, weil ersteres zu unbestimmt und weil M[arx] selbst das deutsche Verhältnis stets durch rapport wiedergab und umgekehrt. Dazu ist z.B. in rapport de proportionnalite der rapport quantitativ, was nur durch Verhältnis wiederzugeben, weil Beziehung vorwiegend qualitativen Sinn hat. Einige Noten dazu muß ich noch machen. Euer ferneres Manuskript erwarte ich. Die auf Hegel und Hegelei bezüglichen Stellen kann ich erst in London durchsehn, da ich den Hegel dazu brauche. Ich will mein möglichstes tun, es rasch zu beendigen. Aber um dieselbe Zeit soll „Kapital" II.Buch auch fertig werden, und da ist noch verdammt viel zu machen; und das geht, in diesem Kollisionsfall, doch vor! Indes, ich werde mein möglichstes tun. Wann aber müßt Ihr denn die Vorrede1 haben? Ich werde die Replik auf Rodbertus teilen, ein Stück in die Vorrede zum II.Buch „Kapital"2, das andre in die zur „Misere" setzen. Es geht nicht anders, da die Sachen so gleichzeitig kommen und die Anklage so formell von Rfodbertus] selbst gemacht. Im „Kapital" muß ich würdevoll tun, in der Vorrede zur „Misere" kann ich freier von der Leber weg sprechen.
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 2 siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 13-26
Wenn Du Zürich verlassest, ist es in der Tat besser, Du kommst her, als daß Du anderswohin gehst, Paris etwa ausgenommen. Die materielle Frage spricht freilich mit, besonders, da Du als wohlbestallter Ehemann nicht mehr Junggesellen-Risiko auf Dich nehmen kannst. Im übrigen soll es in Paris mindestens ebenso teuer leben sein wie hier. Und zum Studieren ist das British Museum doch unvergleichlich das Beste; die Pariser Bibliothek ist nichts dagegen für unsereinen, auch wegen der Benutzungsschwierigkeiten, Mangel an Katalogen pp. Hoffentlich läßt sich die Sache einrichten. Was Ihr betreffs meiner Broschüre tun wollt, müßt Ihr besser beurteilen können als ich; tut also, was Ihr für zweckmäßig haltet.[29S] Daß aber das Ding verboten wird, darauf möchte ich wetten. Ich glaube mit Ede, daß Du wegen Bebel Dich zu sehr vom ersten Eindruck hast beherrschen lassen. Allerdings zeigte auch sein letzter Brief eine gewisse Mattigkeit und Wunsch nach Ruhe.12961 Wenn's nicht anders geht, wäre sie ihm für einige Zeit zu gönnen; aber selbst wenn er dem Reichstag momentan fernbliebe, hätte er sie? Soviel ist sicher, er ist in Deutschland unersetzlich und muß erhalten werden, muß sich, wenn nötig, schonen, um im entscheidenden Moment schlagfähig zu sein. Auch die Leute in Deutschland scheinst Du mir zu hart zu beurteilen -, d.h. die Massen. Mit dem Nachwuchs ist es von jeher verdammt langsam gegangen, der meiste war a la Geiser und Viereck. Daß das Sozialistengesetz1331 da mehr schadet als nützt, ist allerdings sicher. Indes, solange noch soviel verbotne Literatur ins Land kommt, wird der Boden doch auch präpariert, und wenn die Luft wieder frei wird, muß auch da rasch nachzuhelfen sein, vielleicht rascher, als wäre die Unterbrechung nicht gewesen. Jetzt aber noch an Ede schreiben.3 I Uhr, und Post geht 2 Uhr ab!
Dein F.E.
109
Engels an Eduard Bernstein in Zürich1297'
[Worthing, 22. August 1884] [..J1 Register zum „Kapital" sehr wünschenswert.'298' Aber warum nicht gleich für das ganze, wenn's fertig? Das wird aber im nächsten Jahr sicher geschehn, wenn ich nicht zusammenbreche, worauf vorderhand keine Aussicht. Auch die „Geschichte der Theorie" ist, unter uns, in der Hauptsache geschrieben. Das Ms. „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" von 1860 bis 6211701 enthält, wie ich Dir hier gezeigt zu haben glaube, ca. 500 Quartseiten „Theorien über den Mehrwert", worin allerdings sehr viel zu streichen, weil seitdem anders verarbeitet, aber doch noch genug. Lassalle hat in seinem „Sch[ulze]-Bastiat" den Rfodbertus] bei einer Gelegenheit zitiert, die ihm von einem andern dicke Feindschaft eingetragen hätte. Nämlich als Autorität resp. Entdecker einer Lumperei. Die Briefel299] mögen allerdings zum Rodbfertus]-Kultus beigetragen haben. Das meiste tat der Wunsch bei Nichtkommunisten, einen ebenfalls nichtkommunistischen Rivalen neben Marx zu stellen, und die unwissenschaftliche Konfusion der Leute. Für alle die Leute, die an der staatssozialistischen Grenze unsrer Partei herumlungern, sympathische Reden vorführen, aber doch die Polizeiwidrigkeit vermeiden wollen, ist die Exzellenz Rodbertus ein gefunden Fressen. Die Verlegung der „Nfeuen] Zfeit]" nach Hamburg'2741 ist doch vielleicht nur Vorläufer ihres Untergangs. Ich weiß allerdings nichts über die jetzige Leitung des Hamburger Geschäfts. Vorigen Dienstag2 hatten wir hier in Worthing Revolution. Ein einem Heilsarmee-Fanatiker gehöriger Laden wurde gestürmt und demoliert, der Mann feuerte Revolver und verwundete drei. Nächsten Tag Fenstereinwerfen des Polizeigefängnisses, abends Einrücken von 40 Dragonern, 50 Polizisten (das Örtchen hat ca. 10 000 Einwohner), Säuberung der Straßen, wobei der brave Bürger, der im Bewußtsein seiner Ungefährlichkeit stehnblieb, mehrfach heillos verhauen wurde, jetzt Ruhe. Was man nicht alles für Dummheiten erlebt. Beide Parteien sind von Bourgeois im stillen bezahlt, Salvationists3 und Anti-Salvationists. n .
1 Der Anfang des Briefes fehlt-2 19.August -s die Anhänger der Heilsarmee
110
Engels an Karl Kautsky in Zürich13001
[Worthing, 30. August 1884] Briefe erhalten. Das G. Adlersche Broschürli bestellt, werde es wohl' in London vorfinden. Dank für die Angabe.13011 Dem Mann soll gedient werden. Bin mit der „Misere"12031 beschäftigt, hoffe hier noch damit fertig zu werden. Im philosophischen Teil manches in den richtigen Hegeljargon zu übersetzen. Mit Bach[ofen] „AntiquarischeBriefe" hat es keine Eile. Auch im „Mutterrecht" spielt schon Meleager eine Rolle; mir ist der Punkt hier nur wichtig, unter dem von mir angegebnen Gesichtspunkt.1 Hier machen 4 Musikanten für Bismarck Propaganda mit falscher Musik, indem sie die Engländer in total selbst mir unverständlichem Rheinfränkisch belehren, daß sie sich ergeben mit Herz und mit Hand nur dir allein zu leben etc. etc., und daß Straßburg eine wunderschöne Stadt ist. Grüß Ede. Dein F.E.
Schicht nur noch nach London. Wir reisen Dienstag zurück.12861
III
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 13. Sept. 84
Lieber Ede, Seit 14 Tagen (beinah) wieder hier.12881 Eisengarten, der während meiner Abwesenheit den fertigen Teil des Ms. II. Teil1 ins reine schreiben sollte, hat bei der Hitze teils gebummelt, teils so schön, aber so langsam und so wenig geschrieben, daß ich nicht wagen darf, das Fertige an Meißner zu schicken, weil ich nicht rasch genug nachliefern könnte. So wird aus der raschen Veröffentlichung zunächst nichts; was M[eißner] nun machen wird, weiß ich nicht. Mir ist's teilweis doch lieb so, ich bin um so sichrer, daß nichts übers Knie gebrochen zu werden braucht. Was Du von Übersetzung meiner Broschüre2 sagst, ist sehr schön und gut. Aber wie übersetzt Lafargue? Er fragt weder seine Frau noch das Wörterbuch; er mächt alles allein, dekretiert: dies deutsche Wort heißt auf französisch so, und schickt mir dann das Ms. ein, stolz auf sein Meisterstück. Grad so gut mach ich's selber. Er will natürlich gleich dran - doch nous verrons ce que nous verrons3. Was eine englische angeht, so hat Ameling] genug zu tun vorderhand und wollte auch meine „Entwicklung" übersetzen. Aber zahlende Verleger? Und ohne Zahlung kann er bei seiner Lage nicht mehr arbeiten als schon geschieht. Auch hat das keine solche Eile. Vorab müssen wir das „Kapital"4 englisch haben, und das wird noch Mühe und Arbeit genug kosten. Sehr amüsiert hat mich die Abfertigung von Bahr und Fabian, ditto von Freund Gumbel wegen der Börsensteuert302) (diesen erkenne ich jedesmal, ob er Heilbronner Philister verteidigt, mit denen er biedermännisch stammkneipt, oder sonst was). An Bahr und Fabian habt Ihr zwei schöne Exempel der deutschen „Wissenschaft", und es macht mir immer Freude, die recht derb abgeführt zu sehn. Man schlägt den Bahr und meint den Geiser.
1 zweiter Band des „Kapitals" - 2 offensichtlich „Der Ursprung der Familie, des Privateigen" tum» und des Staats" - 3 wir werden ja sehen, was kommt - 4 den ersten Band
Besonders gefreut hat mich aber auch die Manier Deines Zuschlagens, das Hervorheben der wesentlichen Punkte und die Schneid. Jetzt muß ich unterbrechen, ich kann immer noch nur kurze Zeit am Pult sitzen. Ich habe kalte Bäder an der See genommen, die haben mir mehr geschadet als genützt. Also bis morgen. 14. Sept. Ms. „Misere" <2031 hab' ich vorige Woche, 4. Sept., an Dich rekommandiert geschickt, nebst Anmerkungen, Du hast's wohl erhalten. Bei Vergleichung meiner Änderungen mit dem Original werdet Ihr finden, daß doch verschiedne Wendungen nicht richtig aufgefaßt waren (bei einigen hab* ich Glossen gemacht), das ist aber unvermeidlich, wenn man nicht länger im Land selbst gelebt. Dem Künstler, ich hab' seinen Namen vergessen und seinen Brief verlegt, der Marx farbendrucken will, hab' ich endlich eine Kopie meiner vergrößerten Photographie besorgen können.5 Ich schicke sie an Dich, morgen oder übermorgen. Da es sich bei den diesmaligen Wahlen12561 um einen großen Effekt handelt, so müssen wir uns alle anstrengen, und so lege ich Dir für den Wahlfonds eine Anweisung für £ 25 bei. Sorge schickt mir Gronlund, „The Cooperative Commonwealth" - die Darstellung der Theorie nach M[arx] ziemlich flach, aber dem Philister faßbar; Hauptzweck scheint, seine Zukunftskonstruktion, die mir zum Lesen zu langweilig, als echten German Socialism ausgeben zu können. Marx wird nicht zitiert, sondern nur gesagt: such noble Jews as Marx and Lassalle/6 Au weih! „To-Day" wird unter Hyndman immer schlechter. Um es interessanter zu machen, wird alles mögliche genommen: die Redaktion schreibt mir, in der Oktobernummer käme eine Kritik des „Kapital"!!13031, und fordert mich auf zu antworten - was ich mit Dank ablehnte. Also aus einem sozialistischen Organ ein Organ, worin Krethi und Plethi Sozialismus diskutiert, pro und kontra. Ich schicke Dir eine „Kölnische", woraus Du sehn kannst, wie selbst die humane zivilisatorische Association Internationale des Stanley-Leopold von Belgien in Afrika operiert.13041 Was mögen da erst die Portugiesen und Franzosen machen - und erst unsre Prügel- und Erschieß-Preußen, wenn die anfangen! Übrigens hat Bismarck mit dem Kolonialschwindel13051 einen famosen Wahlcoup gemacht. Darauf fällt der Philister hinein, ohne Gnade und massenhaft. Es wird ihm wohl wieder gelingen, eine Doppelmajorität zur
gefälligen Auswahl zu bekommen: Konservative + Nationalliberale, oder wenn letztere doch mal wieder mucken sollten, Konservative + Zentrum. Uns macht das nichts aus. Wenn ich noch Zeit bekomme, lege ich ein paar Zeilen an K. K[autsky] bei. Dein F. E. 15. Sept. Keine Zeit, K. K[autsky] muß etwas warten.
112
Engels am Karl Kautsky in Zürich
London, 20. Sept. 84
Lieber Kautsky, Hierbei die Ms.[30el registriert zurück. Dein Artikel über Rfodbertus] war, was das ökonomische angeht, sehr gut; was ich wieder daran auszusetzen, sind apodiktische Behauptungen auf Gebieten, wo Du Dich selbst nicht sicher weißt und wo Du auch dem Sfchramm] Blößen gibst, die er geschickt genug war aufzugreifen. Dies besonders bei der „Abstraktion", die Du allerdings viel zu sehr im allgemeinen heruntergerissen. Der Unterschied ist in diesem Fall der: Marx faßt den in den Dingen und Verhältnissen vorliegenden gemeinsamen Inhalt auf ihren allgemeinsten Gedankenausdruck zusammen, seine Abstraktion gibt also nur in Gedankenform den schon in den Dingen liegenden Inhalt wieder. Rfodbertus] dagegen macht sich einen solchen mehr oder weniger unvollkommnen Gedankenausdruck und mißt die Dinge an diesem Begriff, nach dem sie sich richten sollen. Er sucht den wahren, ewigen Inhalt der Dinge und der gesellschaftlichen Verhältnisse, deren Inhalt aber wesentlich ein vergänglicher ist. Also das wahre Kapital. Dies ist nicht das gegenwärtige, das nur eine unvollkommne Realisierung des Begriffs. Statt aus dem gegenwärtigen, einzig ja wirklich existierenden Kapital den Kapitalbegriff abzuleiten, nimmt er, um vom heutigen Kapital zum wahren Kapital zu kommen, den isolierten Menschen zu Hülfe und fragt, was in dessen Produktion wohl als Kapital figurieren könne. Nämlich das einfache Produktionsmittel. Dadurch wird das wahre Kapital ohne weitres zusammengeworfen mit dem Produktionsmittel, das je nach Umständen Kapital ist oder aüch nicht. Dadurch sind alle schlechten Eigenschaften, nämlich alle wirklichen Kapitaleigenschaften, aus dem Kapital beseitigt. Nun kann er fordern, das wirkliche Kapital solle sich nach diesem Begriff richten, nämlich nur noch als einfaches gesellschaftliches Produktionsmittel fungieren, alles abstreifen, was es zum Kapital macht, und doch Kapital bleiben, ja grade dadurch erst wahres Kapital werden.
14 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
Ähnlich machst Du es mit dem Wert. Der jetzige Wert ist der der Warenproduktion, aber mit Abschaffung der Warenproduktion „ändert" sich auch der Wert, d. h. der Wert an sich bleibt, wechselt nur die Form. In der Tat aber ist der ökonomische Wert eine der Warenproduktion angehörige Kategorie und verschwindet mit ihr (s. „Dühring", S.252-621), wie er vor ihr nicht bestand. Das Verhältnis von Arbeit zu Produkt drückt sich vor der Warenproduktion und nach ihr nicht mehr in der Form von Wert aus. Glücklicherweise ist S[chramm] in philosophicis auch nicht sattelfest und gibt sich Blößen, die Du ganz gut aufgefaßt und dargelegt hast. Ferner: 1. Schr[amm] kennt materielle Interessen, die nicht - direkt oder indirekt - aus der Produktionsweise herstammen. Vgl. hierzu Marx „Zur Kritik", Vorrede2, wo die Sache kurz und bündig dargestellt in 20 Zeilen. 2. Rodb[ertus]' Kritik der bestehenden Gesellschaft ist längst vor ihm von den englischen und französischen Utopisten ebensogut und besser gemacht, ditto von der nachricardoschen, auf Ricardos] Werttheorie basierenden sozialistischen Ökonomenschule, wovon M[arx] in der „Misere", S.49, 503 einige zitiert. 3. Der Robinson bei Marx4 ist der echte, des ursprünglichen Robinson von Daniel Defoe, aus dem auch die Nebenumstände kopiert - die aus dem Schiffbruch geretteten Stücke etc. Er hat später auch seinen Freitag (Friday) und war ein schiffbrüchiger Kaufmann, der, wenn ich nicht irre, auch zuzeiten Sklavenhandel trieb. Also ein echter „Bürger". 4. Von der marxistischen] historischen Schule zu sprechen, war allerdings stark antizipiert. Ich würde den Passus Deiner Replik abkürzen und vor allem auf M[arx] selbst hinweisen. Obige Stelle aus „Zur Kritik", dann das „Kapital" selbst, besonders die primitive Akkumulation5, wo S[chramm] sich auch erkundigen kann wegen dem Huhn und dem Ei. Sonst ist es ein wahres Glück, daß alle bürgerlichen Elemente sich jetzt um Rodb[ertus] gruppieren. Besser können wir's nicht verlangen. Euer Ms. „Misere"t203J werdet Ihr erhalten haben. Ditto Ede meinen Brief6 mit Beitrag zum Wahlfonds von vorigem Sonntag.
1 Friedrieb Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" (vgl. Band 20 unserer Ausgabe, S.280—291) - 2 „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" (vgl. Band 13 unserer Ausgabe, S.7-11) - 3 „Das Elend der Philosophie" (vgl. Band 4 unserer Ausgabe, S. 98) - 4 „Das Kapital", erster Band (vgl. Band 23 unserer Ausgabe, S.90-93) -5 „Das Kapital", erster Band (vgl. Band 23 unserer Ausgabe, S. 741 - 791) - 6 siehe vorl. Band, S. 206 -208
Tussy bittet, in Zukunft ihr den „Sozialdemokrat]" etc. zu schicken unter Adresse: Mrs. Aveling 55, Great Russell st. W.C. London Dein F.E. Bebels Brief inl. zurück. Also im Jan.-Febr. erwarten wir Dich hier. „To-Day" ist ein reines „Symposium" geworden, d.h. eine Revue, worin jeder pro und contra über Sozialismus schreiben kann. Nächste Nr. eine Kritik des „Kapital"!1303' ich sollte antworten auf diesen Anonymus, habe mich aber bedankt. Auch Dr. Drysdale hat drin geschrieben, beruft sich auf Dich[307), es gibt eine Antwort von Burrows, der sich wegen Deiner erkundigen ließ. Ich habe das Nötige besorgt, aber etwas vorsichtig, da ich nicht weiß, ob Dr[ysdale] Dein Buch nicht hat.

113
Engels an Hermann Schlüter in Hottingen-Zürich13081
[London, I.Oktober 1884]
Werter Herr Schlüter, Korrektur1 dankend erhalten und rückgesandt. Ich erwarte jetzt nur noch Aushängebogen 8-9. Enthalten sie keine wesentlichen Fehler, so ist Druckfehlerverzeichnis überflüssig. Rodb[ertus'] „Erkenntniß" etc. wird ä M. 4,20 angezeigt von Fock in Leipzig. Zu diesem Preise oder billiger nehme ich ein Exemplar gern. Von M[arx] existiert eine französische Rede über Freihandel2, keine über Schutzzoll, soviel ich weiß. Zum Übersetzen als Separatabdruck eignet sie sich kaum, wenn aber Ede sie der deutschen „Misere" [2031 anhängen will, wäre das nicht übel, und kann ich mein Exemplar schicken.
Achtungsvoll Ihr F.E.
1 Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" 2 „Rede über die Frage des Freihandels"
114
Engels an Hermann Schlüter in Hottingen-Zürich[3091
Werter Herr Schl[üter], Alles dankend erhalten.1 Nur folgende Druckfehler: S. 134 Z. 8 von oben Gesellschaft für Lesellschaft Z.9 „ „ Lebensbedingungen für Gebensbedingungen S. I44Z.2 „ „ platte für glatte.
Meine Postkarte werden Sie erhalten haben. Eiligst Ihr ergebner F.E. [London] 3./10./84
115
Engels an August Bebel in Plauen bei Dresden
... „ . , London, 1 l.Okt. 84 Lieber Bebel, Ich muß mich sehr bei Dir entschuldigen, daß ich erst heute dazu komme, Deine beiden Briefe vom 8. Juni und 3. er. zu beantworten. Aber ich habe seit Anfang Juni nur unter Schmerzen und gegen ärztliches Verbot am Pult sitzen und schreiben können. Seit fast 18 Monaten bin ich durch ein sonderbares, den Doktoren ziemlich unklares Leiden in meinen Bewegungen gehemmt, meiner ganzen alten, mit viel Bewegung verbundnen Lebensweise entfremdet und namentlich am Schreiben verhindert worden. Erst seit ca. 10 Tagen bin ich durch mechanische Vorrichtungen wieder einigermaßen in den Stand gesetzt, mich freier zu bewegen, und wenn diese Vorrichtungen erst ordentlich angepaßt, denke ich, bald wieder so ziemlich der alte zu sein; abgesehn von der Unbequemlichkeit, die ich durchmachen mußte, hat die Sache sonst nicht viel zu bedeuten und wird sich hoffentlich allmählich ganz verlieren. Indessen, wenn ich nicht schreiben konnte, so konnte ich doch diktieren ich habe das ganze II.Buch des „Kapital" aus dem Ms. diktiert und fast ganz druckfertig gemacht, dazu die fertigen ersten 3/8 der englischen Übersetzung1 revidiert, daneben noch allerhand andre Sachen durchgesehn, so daß ich ein ganz hübsches Häufchen Arbeit hinter mich gebracht. Von meiner neu erschienenen Arbeit2 erhältst Du gleichzeitig hiermit ein Ex.; ich bring's noch fertig, es zu schicken. Die Wahlagitation12561 geht mir den ganzen Tag im Kopf herum. Unsre dreijährige große Probe ist ein Ereignis von europäischer Wichtigkeit, wogegen die Angstreisen sämtlicher Kaiser13101 verschwinden. Ich weiß noch zu gut, wie 1875 die Wahlsiege der Unsern13111 in Europa einschlugen und den bakunistischen Anarchismus in Italien, Frankreich, der Schweiz und Spanien von der Bühne vertrieben. Und grade jetzt ist ein solcher Effekt wieder sehr nötig. Die Karikatur-Anarchisten ä la Most, die von Rinaldo Rinaldini bereits auf und unter den Schinderhannes3 heruntergekommen,
1 des ersten Bandes des „Kapitals" — 2 „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" - 3 Johann Bückler
würden wenigstens für Europa einen gleichen Keulenschlag bekommen und uns viel Mühe und Arbeit sparen. In Amerika, wo sich Sekten verewigen, könnten sie dann ruhig langsam absterben - hielt sich dort ja auch noch Karl Heinzen 25 Jahre lebendig, nachdem er in Europa tot und begraben war. Die Provinzialfranzosen, die sich sehr brav entwickeln, würden bedeutend ermutigt und die Pariser Massen erhielten neuen Anstoß, sich von ihrer Stellung als Schwanz der äußersten Linken zu emanzipieren. Hier in England, wo die Reformbill13121 den Arbeitern neue Macht gibt, käme der Anstoß grade gelegen zur nächsten Wahl 1885 und könnte der - bloß aus Literaten einerseits, alten Sektenresten andrerseits und sentimentalem Publikum dritterseits bestehenden - Social Democratic Federation13131 Gelegenheit bieten, wirklich eine Partei zu werden. In Amerika fehlt nur noch ein solches Ereignis, um den englisch sprechenden Arbeitern endlich klarzumachen, welche Macht in ihren Händen liegt, wenn sie sie nur benutzen wollen. Und in Italien und Spanien wäre es ein neuer Schlag für die doktrinär noch immer fortwuchernde anarchistische Phrase. Mit einem Wort, die Siege, die Ihr erringt, wirken nach von Sibirien bis Kalifornien und von Sizilien bis Schweden. Wie aber wird die neue „Fraktion" ausfallen? Von den aussichtsvollen neuen Kandidaten sind mir manche ganz unbekannt, die meisten „Gebildeten" nicht zu vorteilhaft bekannt. Unter dem Sozialistengesetz'331 ist es den bürgerlichen und bürgerlich angehauchten Sozialisten nur zu leicht gemacht, die Wähler zu befriedigen und ihrem Trieb der Sichs'elbstvordrängung nachzukommen. Auch ist es ganz in der Ordnung, daß solche Leute in verhältnismäßig unentwickelten Wahlkreisen aufgestellt und gewählt werden. Aber sie drängen sich auch in die alten Wahlkreise, die beßre Vertreter verdienen, und finden dabei Unterstützung von Leuten, die es besser wissen sollten. Wie da die Fraktion ausfallen wird, ist mir nicht klar; noch weniger, was sie machen wird. Die Teilung ins proletarische und ins bürgerliche Lager wird immer ausgesprochner, und wenn die Bürgerlichen sich einmal dazu ermannt haben, die Proletarischen zu überstimmen, kann der Bruch provoziert werden. Diese Möglichkeit muß, glaub' ich, im Auge gehalten werden. Provozieren sie den Bruch - wozu sie sich aber noch etwas Courage antrinken müßten - so ist's nicht so schlimm. Ich bin stets der Ansicht, daß, solange das Sozialistengesetz besteht, wir ihn nicht provozieren dürfen; kommt er aber, nun dann drauf los, und dann geh' ich mit Dir ins Geschirr. Daß der Kolonialschwindel[305] nicht zieht, freut mich. Es war die geschickteste Karte, die Bismarck ausgespielt, recht auf den Philister
berechnet, überfließend von illusorischen Hoffnungen und mit nur langsam sich realisierenden, aber auch horrend schweren Unkosten. Bismarck mit Kolonien erinnert mich an den verrückten (wirklich idiotischen) letzten Herzog v[on] Bernburg4, der Anfang der vierziger Jahre sagte: Ich will auch eine Eisenbahn haben, und wenn sie mich tausend Taler kostet. Was 1000Taler im Vergleich zu den Kosten einer Eisenbahn, das sind die Vorstellungen des Bismarck und seiner Mitphilister von einem Kolonialbudget im Vergleich zu den wirklichen Kosten. Denn in diesem Fall halte ich Bfismarck] für dumm genug zu glauben, Lüderitz und Woermann würden die Kosten tragen. Apropos Bismarck. Ein Freund von uns traf Bismarcks Associe in der Varziner Papierfabrik (Behrens) auf einer Ingenieurversammlung, und erzählte ihm dieser sehr viel von dem knotenhaften Betragen des Bismarck. Der echte preußische Junker, der sich höchstens im Salon ausnahmsweise erträgliche Manieren anquälen kann, sonst aber seiner Brutalität freien Lauf läßt. Doch das kennt Ihr ja. Einem Fabrikinspektor, der ihm auf Befragen sagte, sein Gehalt sei 1000 Taler, antwortete er: „nun, dann sind Sie auf Bestechung angewiesen". Das Interessante aber war, daß Bismarck diesem Behrens gesagt hatte, der einzige Redner im Reichstag, der diesen Namen verdiene und dem stets alles zuhöre, sei August Bebel. Je öfter Du mir über die Lage in Deutschland schreibst, namentlich auch die industrielle Entwicklung, desto lieber ist's mir. Ich antworte nicht stets ausführlich darauf, da ich hier nur Unterricht nehme und um so lieber, als Deine Nachrichten die einzigen sind, die ich unbedingt als zuverlässig annehmen kann. Im ganzen bleibt die deutsche Industrie, was sie war: sie macht die Artikel, die den Engländern zu kleinlich, den Franzosen zu ordinär sind, aber endlich auf großem Maßstab; ihre Lebensquellen bleiben 1. das Musterstehlen vom Ausland und 2. die Wegschenkung des eigentlichen Mehrwerts an den Käufer, wodurch allein sie konkurrenzfähig wird, und die Herauspressung eines mißbräuchlichen Mehrwerts durch Druck auf den Arbeitslohn, wovon allein sie lebt. Dadurch aber wird der Kampf zwischen Arbeiter und Kapitalist zwar an einzelnen Stellen stagnant (wo der abnorme Arbeitslohn schon gewohnheitsmäßig), an den meisten aber akuter, weil der Druck sich immer steigert. Jedenfalls aber datiert von 1848 eine industrielle Revolution in Deutschland, an die die Herren Bürger noch denken werden. Nun leb wohl. Dein alter F.E.
116
Engels an Karl Kautsky in Zürich13001
In aller Eile. Die Bogen an Dietz retourniert nach Herstellung der h, tz und der verschmierten Fremdwörter.13141 An D[ietz] geschrieben: Ihr1 hättet protestiert, ich schlösse mich dem an, und habe obige Restitution im Einverständnis mit Euch vorgenommen. Ich ließe mir eine Orthographie ebensowenig aufoktroyieren als eine Frau, daher, falls nicht Korrektur gemacht wie ich's verlange, ich 1. verlange, daß alle meine Noten gestrichen werden, und 2. keine Vorrede2 liefre; ich könne unmöglich zweierlei Orthographie für meine Sachen haben. Wollt Ihr Euch denn nicht auf dem Titel als Übersetzer nennen? Der Titel ist jedenfalls so zu machen, daß ich nur als Verfasser der Noten und Vorrede erscheine, wenn Ihr nicht ausdrücklich drauf besteht, daß die Revision konstatiert wird, was ich für ganz überflüssig halte. Mit dieser Eselei ist mir wieder ein ganzer Tag verlorengegangen. Und das mitten in der Wahlzeit.12561 Euer F.E. [London] 13./10./84
1 Karl Kautsky und Eduard Bernstein - 2 Friedrich Engels: „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'"
117
Engels an Johann Philipp Becker in Genf
London, 15. Okt. 84
Lieber Alter, Ich habe Dir gestern mein Büchel über den Ursprung der Familie etc. geschickt und heute eine Postanweisung für fünf Pfund herausgenommen. Beides erhältst Du hoffentlich gleich. Daß Bebel im Sommer bei Dir war, hab' ich mit Freude von Dir gehört. Dein Urteil über ihn ist ganz das meinige.13151 Er ist der klarste Kopf in der ganzen deutschen Partei und dabei durch und durch zuverlässig und nicht zu beirren. Was man selten findet, ist, daß sein großes Rednertalent - alle Philister erkennen es, und zwar willig, an, und Bismarck hat seinem Papier» fabriksassocie Behrens gesagt, Bebel sei der einzige Redner imganzen Reichstag - ihn in keiner Weise verflacht. Das ist seit Demosthenes nicht mehr vorgekommen. Alle andern Redner sind flache Köpfe gewesen. Wegen meiner Gesundheit mach Dir keine Sorgen, ich habe ein lokales, manchmal störendes, aber keineswegs allgemein nachwirkendes und nicht einmal unbedingt unheilbares Leiden, das mich schlimmstenfalls kriegsdienstuntauglich macht, vielleicht kann ich aber doch wieder in einigen Jahren zu Pferd steigen. Ich habe nicht schreiben können seit 4 Monaten, aber diktieren, und bin mit dem II. Buch des „Kapitals" so ziemlich fertig; auch die englische Übersetzung des I.Buchs (soweit sie fertig, 3/8 des ganzen) durchgesehn. Auch habe ich jetzt Mittel gefunden, vermöge deren ich wieder einigermaßen auf den Beinen bin und bald noch weiter zu kommen hoffe. Das Pech ist vielmehr, daß ich, seit wir Marx verloren, ihn vertreten soll. Ich habe mein Leben lang das getan, wozu ich gemacht war, nämlich zweite Violine spielen, und glaube auch, meine Sache ganz passabel gemacht zu haben. Und ich war froh, so eine famose erste Violine zu haben wie Marx. Wenn ich nun aber plötzlich in Sachen der Theorie Marx' Stelle vertreten und erste Violine spielen soll, so kann das nicht ohne Böcke abgehn, und niemand spürt das mehr als ich. Und wenn erst die Zeiten etwas bewegter werden, dann wird uns erst recht fühlbar werden, was wir an Marx verloren haben. Den Überblick, mit dem er im gegebnen Moment,
wo rasch gehandelt werden mußte, stets das Richtige traf, und sofort auf den entscheidenden Punkt losging, den hat keiner von uns. In ruhigen Zeiten kam es wohl vor, daß die Ereignisse mir, ihm gegenüber, dann und wann Recht gaben, aber in revolutionären Momenten war sein Urteil fast unfehlbar. Marx' jüngste Tochter1 hat einen recht braven Irländer, Dr. Aveling, geheiratet, sie kommen jeden Sonntag zu mir. Die andre Tochter2, die Du kennst, ist auch augenblicklich bei mir und läßt Dich aufs herzlichste grüßen. Sie spricht noch sehr viel und gern von dem mit Dir in Genf verlebten Tag. Ich hoffe, es geht mit Deiner Gesundheit noch immer gut voran, sollte Dir aber ja wieder etwas zustoßen, so laß mich's gleich wissen, das vorige Mal war ich lange Zeit, ohne das Geringste zu ahnen, und das darfst Du Dir nicht wieder zuschulden kommen lassen. Deinen Briefen etc. forsche ich nach13161, sobald ich überhaupt an die Papiere gehn kann. Seit Mai war ich dazu körperlich nicht imstande und jetzt sind so viel dringende Arbeiten abzustoßen, daß ich nicht dran denken kann. Es sind über 6 große Kisten voll zu ordnen, selbst die Bücher sind noch nicht so geordnet, daß ich vollen und freien Gebrauch davon machen kann. Also nun halt Dich wohl, tapfer hältst Du Dich von selbst, und sei herzlich gegrüßt von Deinem alten F. Engels
Borkheim läßt grüßen, er schrieb mir vor 8 Tagen, es ist immer die alte Geschichte mit ihm. Keine Änderung.
118
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 15. Oktober1 84
Lieber Kautsky, Meine Postkarte2 wirst Du erhalten haben. Ich setze mich womöglich morgen an die Vorrede3, es kommen mir alle Tage Störungen, heute z.B. den ganzen Tag Korrespondenz, und ich darf noch immer nicht zu lange am Pult sitzen. Bin ich einmal dran, so bin ich in ein paar Tagen fertig. Also Geiser ist der Erfinder dieser famosen Orthographie!1314' Neues Verdienst. Ich gestehe, daß die Scheu vor diesem Prokrustesbett einiges dazu beigetragen hat, mich nicht mit Beiträgen für die ,,N[eue] Z[eit]" zu beeilen. Sage mir doch, ob dies schöne System auch bei den andern, bei Dietz gedruckten Büchern obligatorisch war - bei Bebels „Frau" '1301 war es nicht; es ist mir zu wissen wichtig für meine etwaige Rückantwort an Dietz. Da ich an D[ietz] so kategorisch gegen den Geiserianismus protestiert, kann ich mich nun in der „N[euen] Zfeit]" - auch nicht für Abdruck der Vorrede - demselben unterwerfen. Sonst hab' ich natürlich nichts dagegen. Für Ede: Wehner schreibt, die Person habe nicht das Geld verlangt im Namen unsrer Leute, er habe es freiwillig geschickt, sie sagt aber, sie hätten es angenommen. Es kommt aufs selbe hinaus. Die „Creditnoth" von Rodb[ertus] '317] habe ich auch nicht gelesen, es kann aber nur das drinstehn, was sonst bekannt: daß Hypotheken nicht kündbar, nicht in Kapital rückzahlbar sein, sondern nur einen Anspruch auf eine „Rente", d.h. regelmäßige Zinszahlung begründen sollen; wird diese Zahlung nicht geleistet, so kann das Gut subhastiert werden; weiteren Anspruch hat der Hypothekargläubiger nicht. Dies ist das R[odbertus]sche „Rentenprinzip", das den Junkern möglich machen soll, bürgerlich 5000 Taler jährlich zu produzieren und adlig 10 000 Taler auszugeben und sich doch nicht zu ruinieren. Das Wie bleibt ein Geheimnis. Ich habe lachen müssen, als ich las, wie Schramm darin was Großes sehn wollte.'31SI
1 In der Handschrift: Aug. - 2 siehe vorl. Band, S.217 - 3 „Vorwort Zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift .Das Elend der Philosophie'"
Die Photographie von Marx ist heute an Manz abgegangen.4 Er will wissen, welche Farbe? Da kannst Du ihm ja helfen. So braun wie nur für einen Südeuropäer möglich, ohne viel Röte auf den Backen (als Du Mfarx] sahst, war er schon sehr kränklich-gelb, das war nicht normal), Schnurrbart pechschwarz mit weißen Härchen, aber ohne die geringste Beimischung von Braun, ausgenommen verschoßne Haare, sonst Haar und Bart schneeweiß. Das Bild - retouchierte vergrößerte Photographie - ist sprechend ähnlich, er erhält's per Schweizer Post. Außer der polnischen Übersetzung des „Ursprungs" hat sich V.Sassulitsch fürs Russische gemeldet und ein Stud. jur. Anderfuhren (aus Meiringen) in Bern fürs ItaIienische.[319]'Wißt Ihr etwas von dem Mann? Sein italienischer und sozialistischer Lehrer Dr. Cerioli will die Übersetzung revidieren. Dir und Ede habe ich gestern Ex. geschickt. Über 30 sind schon in alle Weltteile. An „To-Day" und „Justice" habe ich geschickt, die andern Rezensionsexemplare werdet Ihr wohl besorgen. Dir und Ede meinen besten Dank für die viele Mühe, die Ihr mit dem Ding gehabt. Dein F. E.
Wie steht's mit Deinem Herkommen? Ich meine nicht origo5, sondern adventus6.
119
Engels an Karl Kautsky in Zürich13001
D[ietz] schreibt, die Orthographie sei geändert13141: „Durch eine kleine Bemerkung Kautskys beim Übersenden des Ms. wäre Ihnen und mir die Arbeit der Änderung erspart geblieben." Davon, daß die Sache stillgehalten, bis volle 3 Bogen gesetzt (was vielleicht nicht D[ietz]s Schuld), wird nichts gesagt. Lebt der alte Bachofen noch, und ist er noch in Basel? Ich möchte ihm ein Ex. dedizieren. Die Vorrede1 in Vorarbeit, d. h. ich ochse erst das ganze „Zur Erkenntniß"13201 nochmals durch. Es ist der Mühe wert, erst bei ganz genauer Untersuchung kommt man hinter die Erstaunlichkeit des hier gepredigten Unsinns, der die paar zwar nicht neuen, aber doch richtigen und für Deutschland verdienstvollen Lichtblicke förmlich verschüttet. Das II.Buch „Kapital" wird da sehr aufklären. Grüß Ede. Dein F.E. [London] 17. Okt. 84
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'"
120
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 20. Okt. 84
Lieber Kautsky, Registriert an Dich gesandt: Korrektur und Ms. S. 49-96 „Misere"I208]. Ich habe sie nur rasch durchlesen und nicht mit dem Ms. vergleichen können, bitte dies dort rasch zu besorgen. Dietz bitte ich, den Rest an Euch zu schicken, und an mich nur die Abzüge der Vorrede1, die ich heute angefangen hätte, wenn mich nicht eben wieder diese Korrektur um die besten Arbeitsstunden gebracht. Morgen geht's aber los; ich denke, zuerst kommt meine Vorrede, dann der Artikel von M[arx] aus dem alten „Sfocial]Dfemokrat]"2 als locum tenens3 seiner Vorrede. Ich wollte grade wegen Nonne bei Euch anfragen, da Frau Laffargue] gern Bescheid wissen wollte über diesen ihnen verdächtigen Nachbar. Da kommt die „Exekution" in der Pariser Presse.13211 Man wundert sich allgemein, daß die Preußen ein so unbeholfnes Vieh anstellen und bezahlen (?) konnten. Eben war Joynes von „To-Day" bei mir. Sie wollen seit einiger Zeit die „Entwicklung"4 englisch herausgeben, und ich habe Aveling das Übersetzungsrecht längst gegeben.6 Den wollen sie aber nicht, da er und Hyndman ±6 Gegner, und so sollte mir Shaw aufoktroyiert werden, der kein Deutsch kann und aus dem Französischen übersetzen wollte. Das hab' ich mir aber verbeten und ihn an Aveling gewiesen, der mir überhaupt jeden Tag besser gefällt. Diese kleinen Literatenränke machen den größten Teil der innern Geschichte der hiesigen Bewegung aus. Sonst passiert ihnen auch Pech. Dienstag vor 8 Tagen war Frau Laffargue] mit in der Sitzung des Gjuncil der Social Democratic Federation13131, und da zankten sie sich um irgendeinen Dreck, aber so, daß die damned liars7 zu Dutzenden in der Luft herumflogen. Es soll schön gewesen sein. Die einzigen Leute, in die
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 2 „Uber P.-J.Proudhon" - 3 Ersatz - 4 „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" - 8 siehe vorl. Band, S.185 -s mehr oder weniger - ' verdammten Lügner
ich Vertrauen habe, sind Bax und Aveling, beide durchaus brav, intelligent und aufrichtig, wenn auch starker Nachhülfe bedürftig; auf die andern, soweit ich Gelegenheit hatte, sie zu beurteilen, gebe ich sehr wenig. Herrn Mommsen habe ich jetzt auch schön fest. Er hat wegen enuptio gentis8 eine Masse Blödsinn in den „Römischen Forschungen" verübt, ich habe die Sache verfolgt und jetzt alle Stellen beisammen.[322) Sollte mir von Seite der Mommsenschen Schule etwas angehängt werden über römische Geschichte (was formell sehr möglich, inhaltlich nicht), so kann ich dienen. Hirsch schickt mir „Frankfurter] Ztg." mit Feuilleton über Lippert „Geschichte der Familie".'3231 Das Buch ist offenbar schamloses Plagiat aus Morgan und Bachofen, mit einigen Verbrämungen aus andern, leicht aufzutreibenden Quellen. Besten Gruß an Ede. Dein F.E.
Dein Feuilleton in der „ Frankfurter]"1324' habe ich auch noch nicht gesehn, hast Du's noch? ich retourniere's.
8 des Heiratens außerhalb der Gens
121
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 22. Okt. 84
Lieber Ede, Ich unterbreche meine Vorrede1, um Dir mitzuteilen, 1. daß ich den „Discours sur le libre echange"2 von M[arx] hiermit registriert an Dich abschicke. Ich muß das mühsam antiquarisch aufgetriebne und unersetzliche Ex. nach Gebrauch zurückhaben. 2. daß ich finde, daß es nötig ist, am Schluß der „Misere" als Anhang abzudrucken die Stelle aus dem: „Zur Kritik der politischen Oekonomie" über John Gray, den ersten Vorgänger Proudhons und Rodbertus', von Seite 61: „die Lehre von der Arbeitszeit" etc. bis Schluß des Abschnitts S.64.[3ffi! Seid so gut, sie sofort nach Stuttgart zu schicken, ich beziehe mich in der Vorrede auf diesen Anhang. Dann haben wir diese ganze Seite des kleinbürgerlichen Sozialismus komplett zusammen abgetakelt und damit auch die Antwort auf Rodbertus' Utopie erledigt; denn was noch fehlt, ergänze ich in der Vorrede. Ob Ihr den „libre echange" anhängen wollt, überlasse ich Euch, ich wüßte sonst nicht gut, wo es unterbringen, und glaube kaum, daß es als Broschüre allein wirkt - das müßt Ihr besser beurteilen können als ich. Sollte D[ietz] Schwierigkeiten machen wegen dem Gray-Anhang, so könnte er auch hinter der Vorrede und dem Artikel über Proudhon aus dem „Soc[ial]-Demokrat" (alten) folgen. Aber hinein muß es, das werdet Ihr selbst finden. Euer F.E.
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie " - 3 „Rede über die Frage des Freihandels"
15 Marx/Engels, Werte, Bd. 36
122 Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 23. Okt. 84
Lieber Ede, Hierbei die Vorrede1. Setzt Ihr den „libre echange"2 noch zu, dann fügt das auf der letzten Seite Angehängte ein, sonst ändert es.3 Gleichzeitig habe ich Postanweisung für ein Pfd. St. auf Dich herausgenommen, Beitrag von Schorl[emmer] zum Wahlfonds. Ihr wißt vielleicht schon, daß Schforlemmer] in Darmstadt gemaßregelt wurde. Bei der Abfassung bei Haug in Freiburg fand man auch das an seinen Bruder4 adressierte Exemplar des „Sozialdemokrat]" - ergo Haussuchung, ergab Briefe von Schforlemmer] mit schlechten Witzen über Bismarck - ergab neue Nachforschung nach ihm bei seiner Mutter und in Höchst, wo er grade war. Um seiner Mutter Scherereien zu ersparen, reiste er ab. Hat in Darmstadt großen Skandal gesetzt.13261 Auf Bebels Veranlassung habe ich an Schumacher einige Aufklärung über Rittinghausen 1848 geschickt. Mit dieser leider sehr lang gewordnen Vorrede ist Herr Rodbfertus] noch nicht abgetan, in der Vorrede zum II.Buch „Kapital"6 geht's nochmals auf seine Mehrwerts„entdeckungen" los. Es ist komisch, wie in Deutschland der Ricardo so ganz vergessen ist! Grüß K. Kfautsky], Dein F.E.
Falls Dietz Korrektur der Vorrede mit Manuskript nach dort schicken sollte, bitte sie mir herzuschicken.
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - a Karl Marx: „Rede über die Frage des Freihandels" - 8 siehe vorl. Band, S.225 4 Ludwig Schorlemmer - s siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 13-26
- • 123
Engels an August Bebel in Leipzig
London, 29,Okt. 84
Lieber Bebel, Dein Telegramm kam ein paar Minuten nach sechs hier an und wurde mit Jubel begrüßt.13271 Ich habe den Inhalt sofort per Postkarte hier und in der Provinz verbreitet und ebenfalls nach Paris mitgeteilt, wohin zunächst doch nur konfuse und widersprechende Nachrichten kommen. Dir meinen besten Dank, daß Du meiner mitten im Wahltrubel gedacht hast. Dem Verein11581 hab' ich's gleichfalls mitgeteilt. Das ist mehr als ich erwartet. Es ist für mich jetzt von geringerer Bedeutung, wieviel schließliche Sitze erobert werden; die obligaten fünfzehn13281 sind sicher, und die Hauptsache ist der Beweis, daß die Bewegung mit ebenso raschen wie sichern Schritten voranmarschiert und Wahlkreis nach Wahlkreis davon ergriffen und den übrigen Parteien unsicher gemacht wird. Es ist aber auch famos, wie unsre Arbeiter die Sache führen, die Zähigkeit, Entschlossenheit und vor allem der Humor, womit sie Posten auf Posten erobern und alle Kniffe, Drohungen, Vergewaltigungen der Regierung und der Bourgeoisie zuschanden machen. Deutschland hätte eine Wiedereinsetzung in die Achtung der Welt verdammt nötig; Bismarck und Moltke konnten es gefürchtet machen; Respekt, wirkliche Achtung, wie sie nur freien, sich selbst disziplinierenden Männern geboten wird - diesen Respekt erzwingen sich nur unsere Proletarier. Die Wirkung auf Europa und Amerika wird enorm sein. In Frankreich verspreche ich mir davon einen neuen Aufschwung unsrer Partei. Dort laborieren die Leute noch immer an den Nachwehen der Kommune. So sehr diese auf Europa gewirkt, so sehr hat sie das französische Proletariat zurückgeworfen. Drei Monate an der Herrschaft gewesen zu sein - und das noch obendrein in Paris - und nicht die Welt aus den Angeln gehoben zu haben, sondern untergegangen zu sein an der eignen Unfähigkeit (und in dieser einseitigen Weise wird die Sache heute gefaßt) -, das beweist, daß die Partei nicht lebensfähig ist. Das ist die allgemeine Redensart der Leute, die nicht einsehn, daß die Kommune das Grab des alten spezifisch 15*
französischen Sozialismus war, aber auch zugleich die Wiege des neuen internationalen Kommunismus für Frankreich. Und diesem letzteren werden die deutschen Siege gehörig auf die Beine helfen. Auch Frau Lafargue, die hier ist und Dich herzlich grüßen läßt, ist dieser Ansicht. Ebenso wird die Nachricht in Amerika in das englisch sprechende Proletariat einschlagen. Meinen eingeschriebnen Brief wie meine Postkarte13291 von vorgestern wirst Du erhalten haben. Das, was mich jetzt am meisten noch beunruhigt, ist, ob Du selbst in Deinen unsichern Wahlkreisen durchgedrungen.13301 Bei den vielen neuen Elementen, die jedenfalls in die Fraktion kommen, bist Du grade im Anfang dringend nötig, damit Du nicht später fertige Tatsachen vorfindest, bei denen Du nicht mitgewirkt. Ich weiß, mit Deiner Gesundheit steht's auch nicht zum besten, und Du mußt Dich unbedingt der Partei für kritischere Zeiten erhalten. Aber das wird sich auch so wohl machen lassen. Ich wollte Dir noch über den Rodbertusschwindel schreiben, aber das geht heut abend nicht mehr. Schramm wird schon von K.Kfautsky], was seine Person angeht, genug gedeckelt.1 In der Vorrede zur „Misere"2 stelle ich Rfodbertus'] Stellung uns gegenüber schon soweit klar, daß es, glaub' ich, hinreicht, bis ich ihn in der Vorrede zum „Kapital" II.Buch noch gründlicher verarbeiten kann.3 Wird es inzwischen nötig, so kann ich nochmals dazwischenfahren. Hierüber dieser Tage mehr. Dein F.E.
1 Siehe vorl. Band, S. 209/210 -a „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 3 siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 13 -26
124
Engels an Karl Kautsky in Zürich
London, 8. Nov. 84
Lieber Kautsky, Zwischen Deinem letzten Brief und heute liegen die Wahlen - d.h. fünf Jahre.13311 Ich komme also nur kurz darauf zurück. Inl. L[iebknecht]s Brief - charakteristisch. Warum Du die „Nfeue] Z[eit]" nicht von London sollst ebensogut redigieren können wie von Zürich, ist unerfindlich. Warum Du in London für die deutsche Partei verloren sein sollst, ebenfalls. Indes ist dieser Brief kein Beweis, daß Liebknecht] nicht nächstens - unter dem Einfluß andrer Umgebung und andrer Stimmung - ganz anders schreibt und denkt. Sein nur halber Erfolg in Offenbach - wie die Stichwahl ausgefallen, wissen wir hier noch nicht'3321 gibt ihm vielleicht zu denken. Kostbar ist die Stelle über die „uneinnehmbare" Position in Stukkert1. Wie der Unteroffizier der französischen Revolutionsarmee seiner barfußen Korporalschaft die Rede des Volksrepräsentanten erzählt: Le representant a dit: Avec du fer et du pain on va jusqu'en Chine. II n'a pas parle de chaussures.2 Uneinnehmbar - wenn die Polizei nicht wäre! Ich schreibe an Dietz, er soll mir Korrekturder Vorrede3 wwmgebrochen einsenden, einigeÄnderungen werden nötig sein. Bei einer solchen Geschichte kann man nicht zu vorsichtig in den Ausdrücken sein, wenn man nicht an einem etwas schiefen oder verdrehbaren Wort festgenagelt sein will. Die Wahlen werden in ganz Europa und Amerika nachhallen. Das war aber auch ein Triumphtag. Die „Kölnische"4 gesteht uns 3/4 Million Stimmen zu und kriecht auf dem Bauch vor den 4000, die in Köln für Bebel gestimmt, um sie für die Stichwahl zu erbetteln.13331 Die „Kölnische" ist mir wichtiger als andre Blätter, weil der rheinische Bourgeois immer noch der entwickeltste Bourgeois Deutschlands ist und sie ihn reflektiert. Und
1 Redaktion der „Neuen Zeit" in Stuttgart - 2 Der Repräsentant hat gesagt: Mit Eisen und Brot kommt man bis nach China. Er hat aber nichts von Stiefeln gesagt. - 8 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift .Das Elend der Philosophie'" - 4 „Kölnische Zeitung"
da ist dieser komplette Umschwung, dieser plötzliche Respekt vor der neuen Macht um so bezeichnender. Es ist aber auch famos. Zum erstenmal in der Geschichte steht eine solid geschlossene Arbeiterpartei als wirkliche politische Macht da, entwickelt und großgewachsen unter den härtesten Verfolgungen, unaufhaltsam einen Posten nach dem andern erobernd, frei von allem Philistertum im philiströsesten, frei von allem Chauvinismus im siegestrunkensten Land Europas - eine Macht, deren Dasein und Anschwellen den Regierungen und den alten herrschenden Klassen ebenso unbegreiflich und geheimnisvoll ist, wie das Anschwellen der christlichen Flut den Gewalten des untergehenden Römertums, die aber ebenso sicher und unaufhaltsam sich emporarbeitet, wie damals das Christentum, so sicher, daß die Gleichung ihrer wachsenden Geschwindigkeit und damit der Zeitpunkt ihres schließlichen Siegs sich schon jetzt mathematisch berechnen läßt. Das Sozialistengesetz1331 hat ihr vorangeholfen, statt sie zu erdrücken, die Bismarcksche Sozialreform[334! ist von ihr nur eines Fußtritts gewürdigt worden, und das letzte Mittel, sie momentan zu erdrücken - die Verleitung zu vorzeitigem Putsch -, würde nichts hervorrufen als unsterbliches Gelächter. Sonderbar. Was uns am meisten voranhilft, ist grade die zurückgebliebne industrielle Lage Deutschlands. In England und Frankreich ist der Übergang zur großen Industrie so ziemlich vollendet. Die Verhältnisse, in denen sich das Proletariat befindet, sind schon stabil geworden; Ackerbaubezirke und Industriebezirke, große Industrie und Hausindustrie geschieden und soweit befestigt, wie es die moderne Industrie überhaupt zuläßt. Selbst die Schwankungen, die der zehnjährige Krisenzyklus mit sich bringt, sind gewohnheitsmäßige Bedingungen des Daseins geworden. Die während der Umwälzungsperiode der Industrie entstandnen politischen oder direkt sozialistischen Bewegungen - unreif, wie sie waren - sind gescheitert und haben eher Entmutigung hinterlassen als Aufmunterung: die bürgerliche kapitalistische Entwicklung hat sich stärker bewiesen als der revolutionäre Gegendruck; zu neuer Erhebung gegen die kapitalistische Produktion bedarf es eines neüen, gewaltigeren Anstoßes, etwa der Entthronung Englands von der bisherigen Weltmarktsherrschaft, oder einer besondern revolutionären Gelegenheit in Frankreich. Dagegen in Deutschland datiert die große Industrie erst von 1848 und ist das größte Vermächtnis dieses Jahres. Die industrielle Umwälzung geht noch immer voran und unter den ungünstigsten Bedingungen. Die auf kleinen, freien oder gepachteten Grundbesitz gestützte Hausindustrie kämpft noch fortwährend an gegen die Maschinen und den Dampf; der
untergehende Kleinbauer wirft sich auf Hausindustrie als letzten Rettungsanker; aber kaum industriell geworden, wird er schon wieder von Dampf und Maschine erdrückt. Der ländliche Nebenverdienst, die selbstgebaute Kartoffel wird das kräftigste Mittel zum Herabdrücken des Lohns für den Kapitalisten, der den ganzen normalen Mehrwert jetzt dem auswärtigen Kunden schenken kann als einziges Mittel, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, und der seinen ganzen Profit macht durch Abzug am normalen Arbeitslohn. Daneben die direkte Umwälzung aller Lebensverhältnisse in den industriellen Zentren durch die mächtig fortschreitende Großindustrie. So wird ganz Deutschland - mit Ausnahme des verjunkerten Nordostens etwa - in die gesellschaftliche Revolution gerissen, der Kleinbauer in die Industrie gezogen, die patriarchalischsten Bezirke in die Bewegung geschleudert und damit viel gründlicher revolutioniert als England oder Frankreich, Diese gesellschaftliche Revolution, die schließlich auf Enteignung des kleinen Bauern und Handwerkers hinausläuft, vollzieht sich aber zu einer Zeit, wo es grade einem Deutschen, Marx, vergönnt war, die Resultate der englischen und französischen praktischen und theoretischen Entwicklungsgeschichte theoretisch zu verarbeiten, die ganze Natur und damit das geschichtliche Endschicksal der kapitalistischen Produktion klarzulegen; und damit dem deutschen Proletariat ein Programm zu geben, wie es die Engländer und Franzosen, seine Vorgänger, nie besessen. Gründlichere Umwälzung der Gesellschaft einerseits, größere Klarheit in den Köpfen andrerseits - das ist das Geheimnis des unaufhaltsamen Fortschritts der deutschen Arbeiterbewegung. Ich wollte noch an Ede schreiben, aber es ist zu spät geworden - dazu Pumps mit der Kleinen gekommen, und da muß ich mit der spielen. Um 5 kommt Aveling und Tussy, und um 7 will Morris mit mir einen großen Rat halten. Also einstweilen muß Ede sich mit meinem Gruß begnügen. Dein F.E.
125
Engels an Pasquale Martignetti in Benevento[335)
122, Regent's Park Road, N. W. London, den 8. November 1884
Geehrter Herr, Nach Empfang Ihres freundlichen Schreibens vom letzten 27. habe ich Ihnen ein Exemplar meiner Broschüre: „Der Ursprung"1 usw. geschickt, und hätte es noch früher getan, wenn ich genau gewußt hätte, ob die letzte Adresse noch in Ordnung ist. Ich beglückwünsche Sie zu dem glänzenden Fortschritt, den Sie beim Studium der deutschen Sprache gemacht haben. Ich vertraue Ihnen gerne die Übersetzung des „Ursprungs" ins Italienische an. Mir war jedoch schon vorher von anderer Seite eine ähnliche Bitte zugegangen2, der ich noch nicht zugestimmt hatte. Um endgültig ablehnen zu können, müßte ich erfahren, ob Sie einen Verleger zur Verfügung haben, der Ihre Übersetzung unverzüglich drucken würde.[336] Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebenster F. Engels
Au6 dem Italienischen.
1 „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" -2 siehe vorl. Band, S. 221
126 Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 11. Nov. 84
Lieber Ede, Die Anfrage in Deinem Brief wegen des Marx-Artikels über Proudhon1 erledigte sich durch meine Vorrede2, worin ich direkt Bezug darauf nahm. Laßt mich nun wissen, wie Ihr das Ganze zu arrangieren gedenkt, ich kann täglich Korrektur der Vorrede erhalten und mich danach richten in der Bezugnahme auf obigen Artikel, den Auszug aus „Zur Kritik"3 und event. den „Discours"4.13261 Mit Recht hast Du im „Sfozialdemokrat]" hervorgehoben, daß wir die einzigen ernsthaften Gegner des Zentrums sind.13371 Nur unser Vordringen in den Festungen des Zentrums, München, Mainz, Köln, Aachen, Düsseldorf, Essen etc., kann dies künstlich zusammengehaltne Sammelsurium von entgegengesetzten Richtungen sprengen und sie zwingen, jeder einzeln Farbe zu bekennen. Und dann wird sich finden, daß die wirklich katholische Fraktion nur der katholische Flügel der Reaktion, wie in Belgien und Frankreich die ganze Reaktion ist. Und niemandem wäre diese Sprengung des Zentrums fataler als Herrn Bismarck, der so eine Allerweltspartei verdammt gut brauchen kann. Über den Verlauf der Stichwahlen erfahre ich nur wenig und das verspätet.13381 Ich hoffe jetzt, daß recht viele gut ausfallen, weil jetzt, je mehr neue Elemente in die Fraktion, desto besser. Die schlechtesten (Jebildeten) sind schon gewählt, was noch zukommt, sind meist Arbeiter, und die können die Gesellschaft nur verbessern. Das Sozialistengesetz1331 ist gerichtet. Staat und Bourgeoisie haben sich uns gegenüber tödlich blamiert. Aber sie leben drum doch lustig fort, und wer da meinte, das Gesetz müßte deshalb fallen, der könnte sich arg schneiden. Der alte John Russell hier war noch 20 Jahr, nachdem er politisch tot
1 „Uber P.-J.Proudhon" -2 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx* Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 8 Karl Marx: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" * Karl Marx: „Rede über die Frage des Freihandels"
war, immerfort Premierminister. Zur Abschaffung des Gesetzes gehört immer ein Entschluß, und zu dem wird man sich schwerlich aufraffen. Im besten Fall gibt's Strafparagraphen, die uns größere Opfer kosten als das Sozialistengesetz. Wir werden jetzt positive Gesetzvorschläge machen müssen. Werden sie entschieden, d.h. ohne Rücksicht auf kleinbürgerliche Vorurteile, formuliert, dann sind sie sehr gut. Gibt's aber Geisersche Vierecke, dann ist's schlimm. Normalarbeitstag (10 Stunden, allmählich sinkend auf 8 etwa), innere und internationale Fabrikgesetzgebung (wobei die innere weitergehn kann als die internationale), radikale Umarbeitungen von Haftpflicht-, Unfall- und Krankengesetzgebung, Arbeitsinvaliden etc. geben Stoff und Gelegenheit genug. Nous verrons.5 Die Wahlen 1884 sind für uns, was 1866 für den deutschen Philister. Damals wurde er auf einmal, ohne sein Zutun, ja gegen seinen Willen, „große Nation". Jetzt sind wir, aber durch eigne harte Arbeit und schwere Opfer, „große Partei". Noblesse oblige.6 Wir können nicht die Masse der Nation zu uns herüberziehn, ohne daß diese Masse sich allmählig entwickelt. Frankfurt, München, Königsberg können nicht plötzlich so ausgesprochen proletarisch werden wie Sachsen, Berlin, die bergischen Industriebezirke. Die kleinbürgerlichen Elemente unter den Führern werden momentan in den Massen hier und da den Hintergrund finden, der ihnen bisher fehlte. Was bisher reaktionäre Strömung bei einzelnen, kann sich jetzt als notwendiges Entwicklungsmoment - lokal - bei den Massen reproduzieren. Das würde eine veränderte Taktik nötig machen, um die Massen weiterzuführen, ohne deshalb die schlechten Führer obenauf kommen zu lassen. Auch das bleibt abzuwarten. Morgen geht's an die sehr verzwickte Schlußredaktion des 3. Abschnitts, II.Buch „Kapital"7. Sobald ich damit fertig, hoffe ich die Zeit zu finden zur Umarbeitung des „Bauernkriegs" [220!, der diesmal als Wendepunkt der ganzen deutschen Geschichte erscheint, also vorne und hinten bedeutende historische Zusätze erhalten muß. Nur die Erzählung des Kampfs selbst bleibt ungefähr wie sie ist. Ich glaube, es ist wichtiger, den „Bauernkrieg" zuerst zu drucken als den „Dühring" 8, an dem ich wenig ändern, nur Noten oder Anhänge machen werde. Wie denkt Ihr Euch mit dem Druck einzurichten? Wie es auch mit dem Sozialistengesetz gehn mag, das Blatt9 und die Druckerei in Zürich werden meiner Ansicht nach fortbestehn müssen. Die s Wir werden sehen. - 6 Adel verpflichtet. - 7 siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 351—518 — 8 „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" - 9 „Der Sozialdemokrat"
Freiheit, selbst wie sie vor 1878 war, gibt man uns nicht wieder. Den Geisern und Vierecken wird man volle Freiheit lassen und dabei den schönen Entschuldigungsgrund, sie gingen so weit, wie sie könnten. Für uns aber wird die nötige Preßfreiheit nur im Ausland zu haben sein. Übrigens ist's auch möglich, daß Versuche gemacht werden, das allgemeine Stimmrecht zu beschneiden, die Feigheit macht dumm, und der Philister ist capable de tout10. Zunächst freilich wird man uns Komplimente machen rechts und links, und die werden nicht bei allen auf steinigen Boden fallen. Namentlich könnte Freund Singer Lust haben, den Leuten zu beweisen, daß er trotz oder wegen seines Bauchs kein Menschenfresser ist. K. K[autsky] wird meinen gestrigen Brief erhalten haben. Dein F.E.
10 zu allem fähig
236 127 • Engels an Hermann Engels • 1 I.November 1884
127
Engels an Hermann Engels in Engelskirchen13391
London, 11. Nov. 1884
Lieber Hermann, Die traurigen Nachrichten über Emils1 Krankheit, die mir Dein Brief vom 25. Sept. brachte, kamen mir nicht ganz unerwartet. Er selbst hatte mir von Zeit zu Zeit über seinen Gesundheitsstand geschrieben und über die Notwendigkeit, in der er sei, den Winter im Süden zubringen zu müssen, auch Deine früheren Briefe enthielten manche Andeutungen, die mich besorgt machten. Wenn sich nun schließlich Tuberkeln eingestellt haben - in unserm Alter sonst nicht eben häufig -, so ist das allerdings ein sehr schlimmes Zeichen, ich hoffe aber, er wird trotzdem noch einige Zeit unter uns bleiben können und in einem Zustand, der ihm das Leben nicht ganz zur Last macht. Eine Freude hat er immer noch erlebt, wie ich neulich aus der Zeitung sah: die Eröffnung der Aggertalbahn, für die er so lange Jahre unaufhörlich gearbeitet hat. Ist auch diese kleine Nebenbahn keineswegs das, was er erstrebte, so ist sie doch besser als nichts und wird ein ganz andres Leben in das Tal und nach Engelskirchen bringen als bisher. Ich hätte Dir früher geschrieben, aber da kam Hermanns2 Hochzeit dazwischen, wo ich nicht recht wußte, wo Du warst, und seitdem bin ich oft unterbrochen und sehr mit Arbeit überhäuft gewesen. Dazu bin ich selbst seit 18 Monaten stark an die Gebrechlichkeit des menschlichen Körpers in eigner Person erinnert worden. Was es eigentlich war, werde ich wohl nie erfahren, genug, die Sache scheint jetzt in Ordnung zu kommen und sich in einen bruchartigen Fehler zu verlaufen (wobei es nicht ein Stück Darm ist, wäs sich senkt, sondern Bauchwasser). Ich bin dabei an einen sehr tüchtigen Bandagisten gekommen, der von den sonst ziemlich seltnen Fällen dieser Art manchen behandelt und eine sehr praktische, gar nicht genierende Maschine dafür konstruiert hat; nach längerem Probieren bin ich jetzt damit so ziemlich in Ordnung und kann mich endlich wieder bewegen und, was mir fast ganz unmöglich war, am Pult arbeiten. Wenn die Sache so voran
geht, will ich froh sein; außer Erschlaffung der Muskel und Bänder, die nach so langem bewegungslosen Liegen auf dem Sofa natürlich ist, spüre ich jetzt nichts mehr und werde allgemach wieder der alte. Hoffentlich geht es Euch allen sonst gut. Rudolf3 scheint auch wieder auf den Damm zu kommen. Er scheint in mancher Beziehung mehr von der Konstitution unsres Vaters geerbt zu haben, der auch bis in die Vierzig immer mit dem Magen zu tun hatte, dann aber ganz gesund wurde und wohl noch lebte, wenn nicht der Typhus ihn weggerafft hätte. Bitte laß mich bald mal wieder hören, wie es Emil geht und Euch andern, und was Hedwig4 macht. Hermann wird wohl bald von seiner Hochzeitsreise zurückkommen. Herzliche Grüße an alle Geschwister, Emma6, Deine Kinder und Dich selbst Dein Friedrich
3 Rudolf Engels - 4 Hedwig Boelling, geb. Engels - 6 Emma Engels
128
Engels an August Bebel in Plauen bei Dresden
... D . . London, 18. Nov. 1884 Lieber Jeebel, Ich wollte Dir über den Rodbertusschwindel schreiben, aber nun erscheint meine Vorrede zur „Misere de la Philosophie"1 in der „Neuen Zeit"[3401, und da findest Du das Nötigste besser entwickelt, als ich es in einem Brief tun könnte. Das Weitere folgt dann in der Vorrede zum „Kapital" II.Buch.2 Es ist aber ein andrer Punkt, über den ich Dir sagen möchte, wie ich davon denke, und der mir dringender scheint. Das ganze liberale Philisterium hat einen solchen Respekt vor uns bekommen, daß es einstimmig schreit: Ja, wenn die Sozialdemokraten sich auf den gesetzlichen Boden stellen wollen, die Revolution abschwören, dann sind wir dafür, daß das Sozialistengesetz1331 sofort aufgehoben wird. Es ist also kein Zweifel, daß man Euch diese Zumutung sofort im Reichstag machen wird. Die Antwort darauf, die Ihr gebt, ist wichtig - nicht sowohl für Deutschland, wo unsre braven Jungens sie in den Wahlen gegeben, als für das Ausland.12561 Eine zahme Antwort würde den kolossalen Eindruck, den die Wahlen gemacht, sofort vernichten. Meiner Ansicht nach liegt der Fall so: Der bestehende politische Zustand in ganz Europa ist das Ergebnis von Revolutionen. Der Rechtsboden, das historische Recht, die Legitimität, ist überall tausendmal durchlöchert oder ganz umgestoßen worden. Es ist aber die Natur aller durch Revolutionen zur Herrschaft gekommenen Parteien resp. Klassen, zu verlangen, daß nun aber auch der neue, durch die Revolution geschaffne Rechtsboden unbedingt anerkannt, heilig gehalten werde. Das Recht zur Revolution hat existiert - sonst wären ja die jetzt Herrschenden unberechtigt -, aber es soll von nun an nicht mehr existieren. In Deutschland beruht der bestehende Zustand auf der Revolution, die mit 1848 anfing und mit 1866 abschloß. 1866 war eine vollständige
1 „Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von Karl Marx' Schrift ,Das Elend der Philosophie'" - 2 siehe Band 24 unserer Ausgabe, S. 13-26
Revolution. Wie Preußen, nur durch Verrat und Krieg gegen das deutsche Reich, im Bunde mit dem Ausland (1740, 1756, 1795[3411) zu etwas geworden, so hat es das deutsch-preußische Reich nur zustande gebracht durch gewaltsamen Umsturz des Deutschen Bundes und Bürgerkrieg. Daß es behauptet, die andern hätten den Bundesvertrag gebrochen, tut nichts zur Sache. Die andern sagen das Gegenteil. Noch nie hat eine Revolution des Vorwands der Gesetzlichkeit entbehrt - vide 1830 Frankreich, wo König3 und Bourgeoisie jeder Recht zu haben behauptete. Genug, es provozierte den Bürgerkrieg und damit die Revolution. Nach dem Sieg stürzte es drei Throne „von Gottes Gnaden" um und annexierte die Gebiete nebst dem der ex-freien Stadt Frankfurt.13425 Wenn das nicht revolutionär war, so weiß ich nicht, was das Wort bedeutet. Damit nicht genug, konfiszierte es das Privateigentum der verjagten Fürsten. Daß das nicht gesetzlich, also revolutionär, gab es zu, indem es den Akt nachträglich von einer Versammlung gutheißen ließ - vom Reichsteig -, der ebensowenig Recht hatte, über diese Fonds zu verfügen, wie die Regierung. Das deutsch-preußische Reich, als Vollendung des durch 1866 gewaltsam geschaffnen Norddeutschen Bundes, ist eine durchaus revolutionäre Schöpfung. Ich beklage mich nicht darüber. Was ich den Leuten vorwerfe; die es gemacht haben, ist, daß sie nur armselige Revolutionäre waren, nicht viel weiter gingen und gleich ganz Deutschland an Preußen annexierten. Aber wer mit Blut und Eisen operiert, Throne umstürzt, ganze Staaten verschluckt und Privateigentum konfisziert, der soll nicht andre Leute als Revolutionäre verdammen. Wenn die Partei nur das Recht behält, nicht mehr und nicht minder revolutionär zu sein als die Reichsregierung gewesen, so hat sie alles, was sie braucht. Vor kurzem hieß es offiziös: die Reichsverfassung sei kein Vertrag der Fürsten mit dem Volk, sie sei nur einer zwischen den Fürsten und freien Städten, die ihn jederzeit durch einen neuen ersetzen könnten. Die Regierungsorgane, die dies lehrten, verlangten also für die Regierungen das Recht, die Reichsverfassung umzustoßen. Man hat kein Ausnahmegesetz gegen sie gemacht, sie nicht verfolgt. Nun gut, mehr verlangen wir auch nicht für uns im alleräußersten Fall, als hier für die Regierungen verlangt wird. Der Herzog von Cumberland ist der legitime unbestrittene Erbe des Braunschweigschen Throns. Der König von Preußen sitzt mit keinem andern Recht in Berlin, als der C[umberland] in Braunschweig beansprucht.
* Karl X.
Was man sonst von ihm will, kann man erst beanspruchen, nachdem der C[umberland] von seinem rechtlichen legitimen Thron Besitz ergriffen. Die revolutionäre deutsche Reichsregierung aber verhindert ihn mit Gewalt daran. Neuer revolutionärer Akt. Wie steht's mit den Parteien? Die konservative hat den im März 1848 geschaffnen neuen Rechtsboden im Nov. 1848 ohne Zaudern durchbrochen.1343' Sie erkennt den konstitutionellen Zustand ohnehin nur als provisorisch an und würde jedem absolutistisch-feudalen Staatsstreich zujubeln. Die liberale Partei aller Schattierungen hat an der Revolution von 1848 bis 1866 mitgewirkt und würde sich auch heute nicht das Recht absprechen lassen, einem gewaltsamem Verfassungsumsturz mit Gewalt entgegenzutreten. Das Zentrum'2371 erkennt über dem Staat die Kirche als höchste Macht, also eine Macht, die ihm gegebnenfalls die Revolution zur Pflicht machen kann. Und das sind die Parteien, die von uns verlangen, wir sollen, wir allein von allen, erklären, daß wir unter keinen Umständen zur Gewalt greifen, uns jedem Druck, jeder Gewalttat unterwerfen wollen, nicht nur, sobald sie nur formell gesetzlich - nach dem Urteil unsrer Gegner gesetzlich ist -, sondern auch wenn sie direkt ungesetzlich? Keine Partei hat je das Recht auf bewaffneten Widerstand unter gewissen Umständen verleugnet, ohne zu lügen. Keine hat auf dies äußerste Recht je verzichten können. Kommt es aber erst darauf an, die Umstände zu diskutieren, für die eine Partei sich dies Recht vorbehält, so hat man gewonnen Spiel. Da geht's vom Hundertsten ins Tausendste. Und namentlich eine rechtlos erklärte, also von Oben herab auf die Revolution direkt angewiesene Partei. Solche Rechtloserklärung kann sich täglich wiederholen, wie sie schon einmal gekommen. Einer solchen Partei eine solche bedingungslose Erklärung abverlangen, ist rein widersinnig. Übrigens können die Herren ruhig sein. Wie die militärischen Verhältnisse jetzt liegen, schlagen wir nicht los, solange noch eine bewaffnete Macht gegen uns ist. Wir können warten, bis die bewaffnete Macht selbst aufhört, eine Macht gegen uns zu sein. Jede frühere, selbst siegreiche Revolution brächte nicht uns an die Herrschaft, sondern die radikalsten der Bourgeois resp. Kleinbürger. Im übrigen haben die Wahlen gezeigt, daß wir von Nachgiebigkeit nichts zu erwarten haben, d.h. von Konzessionen an unsre Gegner. Nur durch
trotzigen Widerstand haben wir uns in Respekt gesetzt und sind eine Macht geworden. Nur die Macht wird respektiert, und nur solange wir eine sind, respektiert uns der Philister. Wer ihm Konzessionen macht, den verachtet er, der ist schon keine Macht mehr. Man kann die eiserne Faust im sammtnen Handschuh fühlen lassen, aber fühlen lassen muß man sie. Das deutsche Proletariat ist eine mächtige Partei geworden, mögen seine Repräsentanten seiner würdig sein! Dein (Postschluß) F. E.
16 Marx/Engels, Werke. B(3.36
129
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 23. Nov. 1884
Meine liebe Laura, Ich freue mich, daß Du wohlbehalten angekommen bist und Paul der Kuchen geschmeckt hat13441 -, aber Nim kann sich nicht beruhigen, daß er darauf bestand, ihn mit Käse zu essen. Nim hatte starke Zahnschmerzen; der Zahn war gesund, wackelte aber. Gestern nahm sie eine alte, kleine Zange, die sie aus Maitland Park mitgebracht hatte, zog ihn damit heraus, belohnte ihren Mut mit einem Schluck Brandy und ist jetzt wieder ganz munter. Am letzten Freitag1 hatte die Social Democratic Federation'3131 einen Benefizabend. Tussy und Edward spielten in einem Stück mit - ich bin nicht hingegangen, da ich es noch nicht aushalte, drei Stunden hintereinander auf einem harten Stuhl zu sitzen. Nim sagt, sie hätten sehr gut gespielt - das Stück, so sagt sie, sei mehr oder weniger ihre eigene Geschichte gewesen. Mutter Wright las vor - sehr gut. Bax spielte Klavier ziemlich lange. Morris, der neulich abend herkam und ganz begeistert war, die ältere nordische Edda auf meinem Tisch zu sehen - er ist ein Islandenthusiast - las aus eigener Dichtung vor (eine „refonte"2 von Helreidh Brynhildars3) aus der alten Edda - (die Schilderung von Brünhildens Selbstverbrennung mit Sigurds Leiche) usw. usw. Es verlief alles sehr gut - ihre Kunst scheint besser zu sein als ihre Literatur, und ihre Poesie besser als ihre Prosa. Pauls Replik an Block ist ausgezeichnet, nicht nur der Stil, sondern auch der Inhalt.13451 Die Menschen lernen auf verschiedene Art, und wenn er politische Ökonomie im Kampf erlernt, so ist das sehr gut; die Hauptsache ist, daß er sie lernt. Es war sehr richtig, die Frage des gleichen Preises für Korn, das mit unterschiedlichem Arbeitsaufwand produziert wird, wegzulassen - das ist zu kompliziert und wird erst im III.Buch des „Kapitals"
1 21. November - 2 „Umgestaltung" - 3 Brünhildens Fahrt in die Unterwelt
gelöst. Worauf er jedoch zurückkommen könnte, wenn er dazu Gelegenheit hat, ist Blocks stupide Verleumdung auf Seite 131, Anmerkung: daß Mohr insiste surtout sur le capital employe dans le commerce tant, sous la forme argent (especes) que sous la forme marchandises4. Das ist eine direkte Lüge oder ein Beweis dafür, daß er nicht weiß, was er schreibt. Mohr erwähnt Wucherkapital und Kaufmannskapital nur als historische Fakten, schließt sie jedoch ausdrücklich von der ganzen ökonomischen Erörterung in Buch I aas, wo Kapital nur in seiner einfachsten Form als Industriekapital betrachtet wird. Ein Schreibfehler ist Paul auf S.285 unterlaufen: la grandeur de la plusvalue est en rapport direct avec la longueur de la journee de travail, mais en rapport inverse avec le taux du salaire5. Du weißt doch, daß mein einziger Einwand gegen Pauls Replik an Bl[ock] meine Befürchtung war, er könnte dadurch seine letzte Antwort an Leroy-Bjeaulieu]13461 „blockieren". Wenn er Molinari so eingeseift6 hat, daß dieser Paul gestattet, jedem alles zu erwidern, um so besser. Der Bericht im „Sozialdemokrat" über das Meeting zugunsten der Deutschen sowie die Auszüge aus dem „Lyon Soc[ialiste]", die dort gegeben wurden, werden in Deutschland und überall eine ungeheure Wirkung haben.13471 Nichts überrascht den Philister und auch die Arbeiter anderer Länder mehr als diese Herzlichkeit und dieses Hand-in-Hand-Arbeiten der Proletarier der beiden „erbfeindlichen Nationen"7. Dies sollte soviel und so oft wie möglich mis en avant8 werden. Was den armen Brousse, den Mann ohne Programm, anbetrifft, den der Zweifel plagt, auf Grund welchen Programms unsere Leute gewählt worden sind, so wird ihm die Erklärung von Müller in Darmstadt13481, die Guesde zu meiner Freude im ,,C[ri] du P[euple]" verwandt hat, eine Antwort gewesen sein. Noch besser ist das hannoversche Programm in der Ausgabe des „Soz[ial]dem[okrat]" von dieser Woche, Nr.47.[349] Ich wünschte, Guesde würde davon Gebrauch machen. Diese beiden Erklärungen und die Tatsache, daß sie in neuen Kreisen - Darmstadt und Hannover - herausgebracht worden sind, wo man von unseren Leuten erwartet hätte, daß sie sich Stimmen erbetteln müßten, haben mir genausoviel Freude gemacht wie die Wahlen selber. Sie zeigen, wie gründlich der revolutionäre Geist
4 besonderes Gewicht auf das im Handel angewandte Kapital, sowohl in der Form des Geldes (Bargeld) als auch in der Warenform gelegt hätte - 6 die Größe des Mehrwerts steht in direktem Verhältnis zur Länge des Arbeitstages, aber in timgekehrtem Verhältnis zum Arbeitslohn - 6 in der Handschrift deutsch: eingeseift — 7 in der Handschrift: of the two „erbfeindliche Nationen" - 8 hervorgehoben
durch Bismarcks Verfolgungen wachgerüttelt worden ist. Ich hatte beinahe erwartet, daß die neuen Kreise „gemäßigte" Männer schicken könnten, aber jetzt befürchte ich das nicht mehr. Auch Sabor, der jüdische Schulmeister aus Frankfurt, gehört zum ßeie/-Flügel der Partei. Bernsteins Brief an Paul über Lassalle13501 findet seine Erklärung darin, daß in Paris wie in London und New York die alte Lassalle-Clique unter den Deutschen noch stark vertreten ist. Sie sind zum größten Teil ausgewandert, Deutschland ist ihnen zu heiß geworden und will nicht auf sie hören. Aber da sie im Ausland verhältnismäßig harmlos sind und einen nützlichen internationalen Baustein bilden und außerdem Fonds für die Deutschen zu Hause schaffen, on les menage un peu9. Loria tut gut daran, mir seine Erzeugnisse nicht zu schicken. Als richtiger „Kathedersozialistischer Streber"10 beraubt er uns rechts und links. Übrigens, was gedenkt Paul zu tun, wenn er ihm antworten sollte: donne de cote11.13511 Loria weiß genausogut wie wir, warum die Kapitalisten in den einen so gut wie in den anderen Industriezweig gehen. Aber die eigentliche Frage ist die, auf die ich schon hingewiesen habe, und die ist gar nicht so einfach; tatsächlich war sie es, die zum Zusammenbruch der klassischen Ökonomie, die sie nicht lösen konnte, geführt hat. Die deroute12 der Ricardoschen Schule - wie Mohr es in seinem Manuskript nennt13 - gerade in dieser Frage, öffnete der Vulgärökonomie die Tore. Meine Spaziergänge mit Dir haben mir sehr gut getan - ich dehne sie täglich weiter aus, und meine Muskeln werden wieder straffer. Herzliche Grüße an Paul. Alles Gute von Nim! In Zuneigung F.E.
Arme alte Mutter Heß! „Wir waben, wir waben!"14 Ich hoffe, sie hat endlich, was sie braucht. Ehe ich schließe, möchte ich Dich noch bitten, mir einen Gefallen zu tun. Paul hat von mir: 1. Darwins „Origin of Species". 2. Thierry: „Histoire da Tiers Etat". 3. Paquet: „Institutions provinciales et communales de la France". 4. Buonarroti's „Conspiracy of Babeuf". Weiter: Jenny hatte von mir 1. „Die Edda", poetische und prosaische15 und 2. „Beowulf", beides in
9 gebt man mit ibnen etwas behutsam um - 10 in der Handschrift deutsch: „Kathedersozialistischer Streber" - 11 laß mich in Ruh -12 Auflösung -13 siehe Band 26 unserer Ausgabe, 3. Teil, S.64 - 14 in der Handschrift deutsch: „Wir waben, wir waben!" - 15 in der Handschrift deutsch: „Die Edda", poetische und prosaische
Simrocks neuhochdeutscher Übertragung. Die beiden letzten Bücher und Darwin brauche ich dringend. Könntest Du sie, wenn sie aufzufinden sind, zusammenpacken (Thierry und Paquet brauche ich auch, und Buonarroti ist jetzt nicht zu haben) und mir als Paket schicken? Die Vertreter des Continental Parcels Express (agence Continentale) sind E. d'Odiardi, 18, rue Bergere und P.Bigeault, 23, rue de Dunkerque, gegenüber dem Gare du Nord. Die Fracht bezahle nicht, denn so kommt es sicherer an; und, denke dran, ich brauche sie nicht so eilig, daß Du nun sofort kopfüber nach Argenteuil fahren sollst, um die Bücher zusammenzusuchen. Clemenceau scheint moralisch herunterzukommen, während er politisch aufsteigt - das ist in der französischen Bourgeois-Politik wohl unvermeidlich. Sein Besuch bei Gladstone und der Unsinn, den er dort gesagt hat, sind ein Symptom dafür; das andere Symptom ist sein Schweigen in der Kammer zur Sozialistenhetze16 und zu den grausamen Urteilen von Lyon, Montlufon usw. Was Pauls Wunsch anlangt, eine irische Zeitung zu bekommen, so ist keine zu empfehlen. Nebenbei gesagt, wenn die „Egalite" jede Gewalttat, mag sie noch so stupid sein, als execution bezeichnet, so genügen die Havas-Telegramme durchaus. Für die anderen Dinge reichen die irischen Korrespondenzen der „Daily News". Wenn Paul darauf achtet, daß die „Egalite" regelmäßig an den ,,Soz[ial]dem[okrat]" nach Zürich abgeht, dann wird er diese Zeitung pünktlich dafür erhalten, aber ich werde Bernstein bitten, sie an Deine Adresse zu schicken, damit Da sie bekommst und nicht Leute, die sie nicht verstehen. Herzliche Grüße an Paul. In herzlicher Zuneigung F.E.
Aus dem Englischen.
16 in der Handschrift deutsch: Sozialistenhetze
246 130 • Engels an John Lincoln Mahon • 28. November 1884
130
Engels an John Lincoln Mahon in London13521
122, Regent's Park Road, N.W. 28. Nov. 1884
Werter Herr, Ich erhielt Ihre Zeilen erst heute morgen, da die auf der Adresse angegebene Nummer falsch war (132 statt 122). Wenn Sie so liebenswürdig sein wollen, mich morgen, Freitag abend zwischen 7 und 8 zu besuchen, werde ich mir gern anhören, was Sie mir mitzuteilen haben. Ihr ergebener F. Engels
Herrn J.L. Mahon
Aus dem Englischen.
131
Engels ein Charlotte Engels in Engelskirchen
London, 1. Dezember 1884
Liebes Lottchen, Heute morgen, etwas vor 10, erhielt ich Dein Telegramm. Ich war seit einiger Zeit auf diese Nachricht vorbereitet, seit Hermann1 mir über Emils2 Zustand Näheres geschrieben3 und besonders seit Dein Schwager Colsman mich vorletzte Woche besucht hatte. Wir haben viel von Emil gesprochen, Colsman war über den medizinischen Sachverhalt vollständig unterrichtet, Hoffnung war nicht mehr, die Entscheidung war gefallen, die Vollendung nur noch eine Frage von Wochen. Und doch hatte ich so rasch sie nicht erwartet. Sie ist erfolgt, und wir haben uns darin zu finden. Es ist ein Abschnitt in Deinem Leben, liebes Lottchen, wie Du ihn nie wieder erleben wirst; ein Strich durch eine ganze Summe von Lebensglück, dem unwiederbringlich ein Ende gemacht ist. Ich weiß, wie öde und leer Dir die Welt in diesem Augenblick erscheinen muß, ich weiß, im Innersten Deines Herzens wünschest Du, es möge sich so fügen, daß Du gleich an der Seite Deines Emil mit zur Ruhe gehen könntest. Das ist natürlich, das ist der Wunsch eines jeden, der an der Bahre eines geliebten Gatten Steht. Aber bedenke, daß auch meine Mutter das hat durchmachen müssen. 41 Jahre war sie glücklich, da wurde sie Witwe. Und wenig Frauen-haben ihre Männer inniger geliebt als sie meinen Vater. Und doch an ihren Kindern und unter ihren Kindern und Kindeskindern lebte sie wieder auf und lebte noch 14 Jahre unter uns wenigstens nicht unglücklich. Und sie war älter als Du und ihre Kinder alle erwachsen und versorgt, während Du noch mehrere hast, bei denen Pflichten zu erfüllen sind, die nur eine Mutter wirklich erfüllen kann und die um so schwerer wiegen, als sie jetzt vaterlos sind. Ich war mit Emil von jeher in einem besonders innigen Verhältnis, und weit, wie unsere Anschauungen auseinander gingen, hatten wir doch das gemein, daß wir uns beide mit wissenschaftlichen Dingen beschäftigten,
1 Hermann Engels - 2 Emil Engels sen. - 3 siehe vorl. Band, S. 236/237
auch ohne Rücksicht auf direkten praktischen Nutzen. Eins aber werde ich nie vergessen. Als ich nach dem Tode des Vaters hier die schwierigsten Verhältnisse durchzumachen hatte, in einem körperlich so krankhaften Zustand, daß ich unfähig war, einen einzigen notwendigen Entschluß bei gesundem Verstand und freiem Denkvermögen zu fassen, da war es Emil, der mit klarem Blick, festem Entschluß und voller Beherrschung der Sache mich herausriß und die Verhandlung in Manchester, von der meine ganze Zukunft abhing, glücklich zu Ende führte. Wenn ich jetzt hier in London sitze, ein unabhängiger Mann, so habe ich das nicht am wenigsten Emil zu verdanken. Mein noch unsicherer Gesundheitszustand würde mich nicht abhalten, heute abend hinüberzugehen, um meinem teuren Bruder die letzte Ehre zu erweisen. Aber die Möglichkeit liegt vor und selbst die Wahrscheinlichkeit, daß meine Anwesenheit polizeiliche Schikanen hervorrufen könnte, und dem möchte ich Dich und Euch alle gerade in diesem Augenblick nicht um alles in der Welt aussetzen. Hat man doch vor einigen Monaten einen weltbewährten Chemiker, naturalisierten Engländer, Mitglied der hiesigen Akademie der Wissenschaften, in seiner Vaterstadt Darmstadt schikaniert, bloß weil er bei Marx' Begräbnis gewesen, und so schikaniert, daß er gleich abreiste.13261 Was muß ich erwarten? Ich werde mich wohl wieder einstweilen als politischer Flüchtling ansehen müssen. Nun, liebes Lottchen, eins weiß ich, Ihr Frauen seid mutiger und stärker als wir Männer. Was Ihr durchmacht, wenn es sein muß, machen wir Euch nicht nach. Du mit Deiner wunderbaren Selbstbeherrschung, um die ich Dich oft beneidet, Du wirst auch dies Schwerste überwinden, den Schmerz, den wir alle mit Dir teilen, und von dem Du doch das größte Teil zu tragen hast. Küsse alle Deine Kinder für mich. In herzlicher Liebe Dein treuer alter Friedrich
Nach: „Deutsche Revue", Jg. 46, Bd. 3, Stuttgart, Leipzig 1921.
132
Engels an Karl Kautsky in Wien13531
[London, 9. Dezember 1884]
Lieber K[autsky], Es versteht sich ganz von selbst, daß Du Deine Briefe nach 122, Regent's Park Road adressieren läßt, sooft und solang Du willst. Ich hoffe, dies trifft Dich noch in Wien, ich hatte die Anfrage in der Eile übersehn und litt seit 8 Tagen an Unterbrechungen. Warum Ihr die Sache wegen des „Discours"1 nicht abmacht, wo Ihr doch selbst besser in solchen Fragen entscheiden könnt als ich, ist mir unbegreiflich. Ich schreibe an D[ietz], er soll das selbst erledigen. Dein F.E.
1 Karl Marx: „Rede über die Frage des Freihandels" (siehe vorl. Band, S. 225/226)
133
Engels an August Bebel in Leipzig13541
London, 11. Dez. 1884
Lieber Bebel, Mit meinem letzten Brief1 hing das so zusammen: Unter den Neugewählten waren mir verschiedne bekannt, die nach Bildung und Temperament den rechten, bürgerlichen Flügel der Fraktion verstärken würden. Bei den kolossalen Schmeicheleien, die nach unsren Siegen uns von allen andern Parteien plötzlich gemacht wurden, erschien es mir nicht unmöglich, daß diese Herren sich fangen ließen und bereit wären, eine Erklärung abzugeben, wie z.B. die „Kölnische Zeitung" sie von uns verlangte'3551 als Bedingung der Abschaffung des Sozialistengesetzes - eine Erklärung, die nur um ein Haarbreit weiter rechts, in Wegschwätzung des revolutionären Charakters der Partei, zu gehn braucht als z. B. Geisers Rede bei der Sozialistengesetz-Verhandlung, die Grillenberger mit der Deinigen hat abdrucken lassen.'3561 Die Herren Liberalen sind mürbe, mit wenigem zufrieden, eine kleine Konzession unsrerseits hätte ihnen genügt, und diese kleine Konzession fürchtete ich, weil sie uns vor dem Ausland blamiert, grenzenlos blamiert hätte. Daß Du sie nicht machen würdest, wußte ich natürlich. Aber Du, also wir, hätten überstimmt werden können. Ja, selbst Anzeichen einer Spaltung - in Reden - hätten enorm geschadet. Deshalb, und nur deshalb dachte ich, es sei meine Schuldigkeit, Dich für eine solche Möglichkeit zu unterstützen und Dir einige geschichtliche Argumente an die Hand zu geben, die Dir vielleicht weniger frisch im Gedächtnis wären wie mir. Und damit Du den Brief, wenn Du es für gut hieltst, zeigen könntest, ließ ich alle Anspielungen auf die aus, für die er in letzter Instanz beabsichtigt war. Daß meine Befürchtung ins Wasser gefallen, daß die Macht der Bewegung auch die bürgerlichen Elemente der Partei mit sich fortgerissen und die Fraktion sich auf der Höhe ihrer Wähler halten wird, freut niemand mehr als mich. Und in der Tat, ich finde Singer, der Sonntag einen Augenblick
bei mir war und nächsten Sonntag wiederkommt, ganz verändert. Er fängt wirklich an zu glauben (wörtlich), daß er noch so etwas erleben könne wie eine soziale Umgestaltung. Ich will hoffen, daß es dauert und daß unsre „Jebildeten" der Versuchung auf die Dauer widerstehn, den andern Parteien zu beweisen, daß sie keine Menschenfresser sind. Über unsre proletarischen Massen habe ich mich nie getäuscht. Dieser sichre, siegsgewisse und eben deshalb heitre und humoristische Fortgang ihrer Bewegung ist musterhaft und unübertrefflich. Kein europäisches Proletariat hätte die Probe des Sozialistengesetzes so glänzend bestanden und nach sechsjähriger Unterdrückung mit solchem Beweis von Machtzuwachs und Organisationsbefestigung geantwortet; keins diese Organisation so zustande gebracht, wie es geschehen, ohne allen Konspirationshumbug. Und seitdem ich die Wahlmanifeste von Darmstadt13481 und Hannover13491 gesehn, ist auch meine Befürchtung geschwunden, es könnten in den neuen Plätzen (Wahlkreisen) Konzessionen nötig geworden sein. Wenn man in diesen beiden Städten so echt revolutionär und proletarisch sprechen konnte, dann ist alles gewonnen. Unser großer Vorteil ist, daß bei uns die industrielle Revolution erst in vollem Gang ist, während sie in Frankreich und England der Hauptsache nach abgeschlossen. Dort ist die Teilung in Stadt und Land, Industriegebiet und Ackerbaugebiet so weit abgeschlossen, daß sie sich nur noch langsam verändert. Die Leute wachsen, der großen Masse nach, in den Verhältnissen auf, in denen sie später zu leben haben; sind daran gewöhnt, selbst die Schwankungen und Krisen sind ihnen etwas fast Selbstverständliches geworden. Dazu die Erinnerung an gescheiterte frühere Bewegungsversuche. Bei uns dagegen ist noch alles in vollem Fluß. Reste der alten, den Selbstbedarf befriedigenden industriellen Bauernproduktion werden verdrängt von kapitalistischer Hausindustrie, während an andern Orten der kapitalistische Hausbetrieb schon wieder den Maschinen erliegt. Und. grade die Natur unsrer ganz zuletzt nachhinkenden Industrie macht die Revolution2 um so gründlicher. Da die großen Massenartikel, sowohl Massen- wie Luxusbedarf, bereits von Engländern und Franzosen mit Beschlag belegt, bleibt für unsre Exportindustrie meist nur kleinliches Zeug, was aber doch auch in die Massen geht, und zunächst durch Hausbetrieb, erst später, wenn die Produktion massenhaft, durch Maschinen hergestellt wird. Die Hausindustrie (kapitalistische) wird so in viel weitere Gebiete getragen und räumt um so gründlicher auf. Wenn ich ostelbisch-Preußen, also Ost- und
2 von fremder Hand verändert in: soziale Umwälzung
Westpreußen, Pommern, Posen und den größten Teil von Brandenburg ausnehme, ferner Altbayern, gibt es wenig Gegenden, wo der Bauer nicht mehr und mehr in die Hausindustrie gerissen wird. Das so3 revolutionierte Gebiet wird4 größer bei uns als irgendwo anders. Ferner. Da der hausindustrielle Arbeiter meist sein bißchen Feldbau betreibt, entsteht die Möglichkeit, auf den Lohn in einer Weise zu drücken wie sonst nirgends. Was früher das Glück des kleinen Manns war, Verbindung von Ackerbau und Industrie, wird jetzt stärkstes Mittel der kapitalistischen Ausbeutung. Das Kartoffelstück, die Kuh, das bißchen Ackerbau erlaubt, die Arbeitskraft unter dem Preis zu verkaufen; es zwingt dazu, weil es den Arbeiter an die Scholle fesselt, die ihn doch nur zum Teil ernährt. Daher wird bei uns die Industrie exportfähig dadurch, daß sie meist den ganzen Mehrwert dem Käufer schenkt, während der Profit des Kapitalisten aus einem Abzug am normalen Arbeitslohn besteht. Mehr oder weniger ist das der Fall bei aller ländlichen Hausindustrie, nirgends so sehr wie bei uns. Dazu kommt, daß unsre durch die Revolution von 1848 mit ihren bürgerlichen Fortschritten (so schwach sie waren) in Gang gebrachte industrielle Umwälzung enorm beschleunigt wurde 1. durch die Beseitigung der innern Hindernisse 1866-70 und 2. durch die französischen Milliarden13571, die schließlich kapitalistisch anzulegen waren. So haben wir es denn zu einer industriellen Umwälzung gebracht, die gründlicher und tiefer und räumlich ausgedehnter und umfassender ist als die der andern Länder, und das mit einem ganz frischen, intakten, nicht durch Niederlagen demoralisierten Proletariat, und endlich - dank Marx - mit einer Einsicht in die Ursachen der ökonomischen und politischen Entwicklung und in die Bedingungen der bevorstehenden Revolution, wie sie keine unsrer Vorgänger besaßen. Dafür aber sind wir auch verpflichtet zu siegen. Was die reine Demokratie und ihre Rolle in der Zukunft angeht, so bin ich nicht Deiner Ansicht. Daß sie in Deutschland eine weit untergeordnetere Rolle spielt als in Ländern älterer industrieller Entwicklung, ist selbstverständlich. Aber das verhindert nicht, daß sie im Moment der Revolution, als äußerste bürgerliche Partei, als welche sie sich ja schon in Frankfurt aufgespielt, als letzter Rettungsanker der ganzen bürgerlichen und selbst feudalen Wirtschaft momentan Bedeutung bekommen kann. In einem solchen Moment tritt die ganze reaktionäre Masse hinter sie und verstärkt sie: alles was reaktionär war, gebärdet sich dann demokratisch. So verstärkte die
3 von fremder Hand eingefügt: industriell -1 von fremder Hand eingefügt: daher
gesamte feudal-bürokratische Masse 1848, März bis September, die Liberalen, um die revolutionären Massen niederzuhalten und, als dies gelungen, auch die Liberalen, wie natürlich, mit Fußtritten wegzujagen. So herrschte 1848, Mai bis zur Dezemberwahl Bonapartes5, in Frankreich die rein republikanische Partei des „National"1358die allerschwächste von allen, bloß durch die hinter ihr sich organisierende Gesamtreaktion. So ist es in jeder Revolution gegangen: die zahmste, überhaupt noch regierungsfähige Partei kommt mit ans Ruder, eben weil nur darin die Besiegten die letzte Möglichkeit der Rettung sehn. Nun ist nicht zu erwarten, daß wir im Moment der Krise bereits die Majorität der Wähler, also der Nation, hinter uns haben. Die ganze bürgerliche und der Rest der feudalen besitzenden Klasse, ein großer Teil des Kleinbürgertums wie der Landbevölkerung schart sich dann um die sich in der Phrase dann äußerst revolutionär gebärdende, äußerste bürgerliche Partei, und ich halte es für sehr möglich, daß sie in der provisorischen Regierung vertreten sein wird, ja selbst momentan deren Majorität bildet. Wie man dann, als Minorität, nicht zu handeln hat, hat die soz.-dem. Minorität der Pariser Februarregierung 1848 gezeigt. Indes ist dies letztere vorderhand noch eine akademische Frage. Nun kann die Sache in Deutschland allerdings anders verlaufen, und zwar aus militärischen Gründen. Anstoß von außen kann, wie die Sachen jetzt liegen, kaum anders als von Rußland kommen. Kommt er nicht, geht der Anstoß von Deutschland aus, so kann die Revolution nur von der Armee ausgehn. Ein unbewaffnetes Volk gegen eine heutige Armee ist militärisch eine rein verschwindende Größe. In diesem Fall - wo unsre Reserve von 20-25 Jahren, die nicht stimmt, aber exerziert, in Aktion träte, könnte die reine Demokratie übersprungen werden. Diese Frage ist aber gegenwärtig ebenfalls noch akademisch, obgleich ich als sozusagen Repräsentant des großen Generalstabs der Partei verpflichtet bin, sie ins Auge zu fassen. Jedenfalls ist unser einziger Gegner am Tag der Krise und am Tag nachher - die um die reine Demokratie sich gruppierende Gesamtreaktion, und das, glaube ich, darf nicht aus den Augen verloren werden. Wenn Ihr Anträge im Reichstag stellt, so ist da einer, der nicht vergessen werden sollte. Die Staatsdomänen werden meist an Großpächter verpachtet, kleinstenteils an Bauern verkauft, deren Parzellen aber so klein, daß die neuen Bauern auf Taglohnarbeit bei den großen Wirtschaften angewiesen sind. Zu verlangen wäre Verpachtung großer ungeteilter Domänen an Genossenschaften von Ackerbauarbeitern zur gemeinsamen Bewirtschaftung.
6 Napoleon III.
Das Reich hat keine Domänen, und so wird sich wohl ein Vorwand finden, so etwas als Antrag zu beseitigen. Aber ich glaube, daß dieser Feuerbrand unter die Ackerbautaglöhner geworfen werden muß, was ja bei den vielen staatssozialistischen Debatten geschehn kann. Damit, und damit allein sind die Landarbeiter zu fassen: das ist die beste Methode, sie darauf hinzuweisen, daß sie später bestimmt sind, die großen Güter der jetzigen gnädigen Herren für gemeinschaftliche Rechnung zu bewirtschaften. Und damit wird Freund Bismarck, der positive Vorschläge von Euch verlangt, auf einige Zeit genug haben. Beste Grüße. Dein F.E. 12. Dez. 84
134
Engels an Paul Lafargue in Paris13591 (Auszug)
[London, Mitte Dezember 1884] ... In Deutschland gibt es viel zuviel Soldaten und Unteroffiziere, die der Partei angehören, als daß man auch nur mit der geringsten Aussicht auf Erfolg einen Aufstand predigen könnte. Sie wissen, daß die Demoralisierung (vom bürgerlichen Standpunkt aus) gerade in den Reihen der Armee um sich greifen muß; unter den Bedingungen der modernen Kriegstechnik (Schnellfeuerwaffen usw.) muß die Revolution von der Armee ausgehen. Bei uns wenigstens wird sie so beginnen. Niemand weiß es besser als die Regierung, wie die Zahl der Einberufenen, die Sozialisten sind, von Jahr zu Jahr wächst. Unser allgemeines Wahlrecht kann erst mit 25 Jahren ausgeübt werden; wenn die große Reserve der Leute von 21 bis 25 Jahren nicht abstimmt, so ist sie in der Armee...
Nach: „Lyon-Socialiste", ! vom 21. Dezember 1884. Aus dem Französischen.
135
Engels an Eduard Bernstein in Zürich
London, 29. Dez. 84
Lieber Ede, Von Kautsky erfahre ich, daß Du nicht nur Deine Schwester, sondern noch dazu Deinen Vater verloren hast. Sei meiner herzlichsten Teilnahme versichert. Das sind die ernsthaften Seiten des Exils, die ich auch kennengelernt habe. Das Vaterland als solches entbehrt man leicht, aber Nun zu den hiesigen Vorgängen. Am Samstag ist die Social Democratic Federation'3131 glücklich in die Brüche gegangen. Die Blase ist etwas früher geplatzt, als ich erwartet, aber kommen mußte es. Hyndman, ein politischer Abenteurer und Streber nach parlamentarischer Carrifere, hatte sich der ganzen Sache längst bemächtigt. Als Bax vor einem Jahr mit „To-Day" anfing, waren nicht genug literarische Kräfte vorhanden, dies kleine Ding zu halten, geschweige ein Wochenblatt, aber nur ein Wochenblatt konnte H[yndman] helfen, also wurde „Justice" gegründet - mit dem Geld zweier Enthusiasten, Morris und Carpenter; redigiert von Hyndman mit Hülfe einiger junger Literaten, die auf der Lauer lagen nach irgendeiner neuen zahlungsfähigen Bewegung (Fitzgerald und Champion), und eines wegen mit Henry George unternommener Agitation von Eton geschaßten Lehrers Joynes1, der so ein Mußsozialist geworden war. Diese wurden bezahlt, direkt oder indirekt - Hyndman ist reich, aber sparsam -, die andern mußten gratis mitarbeiten. Alle Papiere der Federation kamen an Hyndman, Fitzgjerald] und Champion, die nur das Konvenierende dem Ausschuß vorlegten, auf eigne Faust im Namen der Federation korrespondierten, kurz, H[yndman] behandelte den Ausschuß wie Bismarck den Reichstag. Laute Klagen, auch zu mir kamen sie. Ich antwortete: Laßt den Mann gewähren, er ist eine kleine Seele, er macht nicht lange, er kann nicht warten.2 Und er hat sich rascher den Hals gebrochen, als ich dachte. Morris, der vor 14 Tagen in Schottland war, kam dort hinter solche Intrigen von H[yndman], daß er sagte, er könne mit diesem Menschen
nicht mehr zusammenarbeiten. Verdacht hatte er längst. Eine Zusammenkunft mit A.Scheu in Edinburgh brachte die Sache zum Klappen, H[yndman] hat den Scheu als Anarchisten und Dynamiter verlästert - Scheu legte M[orris] die Beweise vor nicht nur des Gegenteils, sondern auch, daß Htyndman] dies wisse. Ebenso Klüngel H[yndman]s in Glasgow, wo die Sektion Briefe des Sekretärs Fitzgerald mit dem Stempel der Federation erhalten, die nicht nur nicht auf Auftrag des Ausschusses, sondern im Gegensatz zu dessen Beschlüssen geschrieben. Ferner hatte Hfyndman] bei mehreren behauptet, ein etwas mysteriöser Brief an den Ausschuß aus Paris sei eine von Frau Lafargue und Tussy fabrizierte Fälschung, um ihm eine Falle zu stellen. Den Brief selbst aber hatte er dem Ausschuß unterschlagen. Endlich, außer einer Reihe von Verhetzungen der Ausschußmitglieder gegeneinander, der Beweis, daß er eine Provinzialsektion fabriziert hatte, die gar nicht existierte. Kurz, vorigen Dienstag3 kam's zum Klappen. Hfyndman] wurde von allen Seiten angegriffen, Scheu war selbst da, Dokumente in der Hand, Tussy hatte einen Brief ihrer Schwester wegen der angeblichen Fälschung. Sturm. Vertagung bis Samstag. Vor der Sitzung waren Morris und Aveling bei mir, ich konnte ihnen noch einiges raten. Große Debatte am Samstag. Keine Tatsache konnte geleugnet werden, weder von Hyndman noch seinem zusammengetrommelten Gefolge. Tadelsvotum gegen Hyndman angenommen. Darauf trat die Majorität aus der Federation aus. Die Gründe hierfür 1. daß Hfyndman] auf einem Kongreß vermittelst seiner bogus (Phantasie)-Sektion eine Majorität fabrizieren konnte, während sie die Nichtexistenz dieser Sektionen nicht beweisen konnten, wenigstens nicht rechtzeitig, 2. aber und hauptsächlich, weil die ganze Federation doch nur Schwindel sei. Ausgetreten sind Aveling, Bax und Morris, von den Literaten die einzigen Aufrichtigen, aber auch drei unpraktische Leute - zwei Poeten und ein Philosoph - wie man sie nur mit der Laterne findet. Dazu die besseren unter den bekannteren Arbeitern. Sie wollen in die Londoner Sektionen gehn, hoffen die Mehrzahl zu gewinnen, und dann Hfyndman] mit seinen nicht existierenden Provinzsektionen wirtschaften lassen. Ihr Organ wird ein kleines monatliches Heftchen4 sein. Man wird endlich bescheiden, gemäß den Kräften, operieren, und nicht mehr tun, als wenn das englische Proletariat sofort antreten müßte, wenn einige Literaten zum Sozialismus sich bekehren und Appell blasen. (Ihre ganze Stärke in London war nach
3 23. Dezember -1 „The Commonweal"
17 Marx/Engels, Werke, Bd. 36
M[orris]'s Geständnis nicht 400 Mann, in der Provinz keine 100.) „Justice" hat ca. 3500 Auflage. Hyndman behält „Justice" und „To-Day" mit seinen spekulierenden Literaten Fitzgerald, Champion, Burrows, Shaw, wahrscheinlich auch Sketchley, der als alter Chartist sich für pensionsberechtigt zu halten scheint. Dazu die alten Reste von demokratischen oder sozialistischen Sekten. Wer die übrigen Reste der Federation bekommt, bleibt abzuwarten. Da aber Hfyndman] für seine nicht zahlenden Organe kein Geld mehr bekommt, weder von Morris noch von Carpenter, so wird er entweder selbst zahlen müssen, oder sich, seine Organe und seinen Fraktionsrest verkaufen an die Christian Socialists oder - Lord Randolph Churchill und die Tory Democracy. Er muß rasch machen, wenn er bei der Neuwahl im Herbst kandidieren will. Ich habe die Satisfaktion, diesen ganzen Schwindel von Anfang an durchschaut, die Leute alle richtig beurteilt, und das Ende vorhergesagt zu haben, ebenso, daß dieser Schwindel im Endresultat mehr schaden werde als nützen. Dein F.E.
136 • Engels an Wilhelm Liebknecht • 29.Dezember 1884 259
136
Engels an Wilhelm Liebknecht in Berlin13801 (Auszug)
[London, 29. Dezember 1884] ... Will die Fraktion sich nicht einfach ablehnend verhalten, so kann sie nach meiner Meinung zu dieser Staatshilfe für die Bourgeoisie, die möglicherweise (was freilich erst zu beweisen) den Arbeitern indirekt zugute kommen kann, nur dann ihre Einwilligung gehen, wenn ebensolche Staatshilfe für die Arbeiter zugesichert wird1 „Gebt Ihr uns 4-5 Millionen jährlich für Arbeitergenossenschaften (nicht Vorschuß, sondern Schenkung, wie für die Reeder), dann lassen wir mit uns reden. Gebt Ihr uns Garantien, daß in Preußen die Domänen statt an Großpächter oder an Bauern, die ohne Taglöhnerarbeit existenzunfähig sind, an Arbeitergenossenschaften ausgepachtet werden sollen, daß öffentliche Arbeiten an Arbeitergenossenschaften statt an Kapitalisten verdungen werden, gut, wir wollen ein übriges tun. Wenn nicht, nicht." Wenn die Fraktion solche Vorschläge macht, wofür natürlich die richtige Form gefunden werden muß, dann wird niemand den sozialdemokratischen Abgeordneten vorwerfen können, sie vernachlässigten über der Zur kunft die gegenwärtigen Bedürfnisse der Arbeiter.13611
Nach: „Der Sozialdemokrat", vom S.Januar 1885.
137
Engels an August Bebel in Plauen bei Dresden
... , , London, 30. Dez. 84 Lieber Bebel, Ich beantworte Deinen Brief sofort.'3621 Freund Singer scheint von meinen Äußerungen nur das aufgefaßt zu haben, was mit seinen Ansichten harmonierte -, man lernt dies leicht im Geschäft, wo es manchmal von Vorteil ist, aber in der Politik wie in der Wissenschaft muß man doch lernen, die Sachen objektiv auffassen. Erstens sagte ich zu Sfinger], daß ich mir den Fall noch keineswegs reiflich überlegt (erst abends vorherhatte mich der „Sfozialdemokrat]" darauf gelenkt)'3631 und daß das, was ich ihm sage, keineswegs als meine endgültige Meinung zu fassen sei. Dann aber sagte ich: unter Umständen und Bedingungen könne es allerdings zulässig werden, dafür zu stimmen, d.h. wenn die Regierung sich verpflichte, dieselbe Staatshülfe, die sie jetzt den Bourgeois bewilligen wolle, auch den Arbeitern zu bewilligen. Also namentlich Verpachtung von Domänen an Arbeitergenossenschaften etc. Da ich nun weiß, daß die Regierung dies nicht tun wird, so heißt das mit andern Worten: den Leuten, die dafür stimmen möchten, einen Weg zeigen, wie sie mit Anstand und ohne sich Zwang anzutun, dagegen stimmen können. Auch sagte ich Singer, was ihm neu zu sein schien, daß man im parlamentarischen Leben wohl einmal in den Fall kommen könne,gegen etwas stimmen zu müssen, von dem man im stillen wünsche, daß es doch durchgehe. Nun schrieb ich gestern in andern Angelegenheiten an Liebknecht und nahm die Gelegenheit wahr, ihm meine jetzt durch längere Überlegung mehr gereifte Ansicht darüber darzulegen. Sie stimmt - laß Dir gelegentlich die Stelle vorlesen - in vielen Dingen fast wörtlich mit dem, was Du schreibst, obwohl Dein Brief erst heute morgen ankam. Worin ich abweiche, ist kurz dies: 1. Ihr seid vor allem eine ökonomische Partei. Ihr oder manche unter Euch haben mit der ökonomischen Überlegenheit der Partei seinerzeit enorm geflunkert, aber als die erste ökonomische Frage praktisch vor Euch trat, da fielt Ihr-bei den Schutzzöllen [3641-auseinander. Wenn das bei jeder ökonomischen Frage sich wiederholen soll, wozu dann überhaupt die ganze Fraktion?
• : 2. Prinzipiell sollte dagegen gestimmt werden. Das habe ich Liebknecht] deutlich genug gesagt. Wenn nun aber die Mehrzahl dafür stimmen will? Dann ist das einzige, sie dahin zu bringen, daß sie an ihr Votum solche Bedingungen knüpft, die es soweit entschuldigen, daß wenigstens keine Blamage vor Europa, die sonst unvermeidlich, eintritt. Diese Bedingungen sind aber der Art und können nur der Art sein, daß die Regierung nicht darauf eingehn kann, also die Majorität der Fraktion, wenn sie an diese Bedingungen ihr Votum knüpft, nicht dafür stimmen kann. An ein bedingungsloses Stimmen für diese Schenkung von Arbeitergroschen an die Bourgeoisie habe ich selbstredend nie denken können. Aber ebensowenig konnte doch auch bei dieser Gelegenheit die Kabinettsfrage die Sprengung der Fraktion - in Aussicht genommen'werden. Bei allen solchen Fragen, wo man auf kleinbürgerliche Vorurteile der Wähler Rücksicht nehmen will, ist meiner Ansicht nach der beste Weg zu sagen: Prinzipiell sind wir dagegen. Aber da Ihr positive Vorschläge von uns verlangt und behauptet, diese Dinge kämen auch den Arbeitern zugut, was wir bestreiten, soweit ein mehr als mikroskopischer Vorteil in Frage kommt - nun gut: stellt Arbeiter und Bourgeoisie auf gleichen Fuß. Für jede Million, die Ihr direkt oder indirekt der Bourgeoisie aus dem Sack der Arbeiter schenkt, schenkt Ihr eine Million den Arbeitern; ebenso bei Staatsvorschuß. Also etwa folgendes (nur beispielsweise und ohne mich an die Form zu kehren, die das für Deutschland speziell anzunehmen hätte, dazu kenne'ich die bestehende Detailgesetzgebung zuwenig). . 1. Bewilligung von Subventionen und Vorschüssen an Arbeitergenossenschaften, nicht um und nicht so sehr, um neue Geschäfte zu gründen (was nur der Lassallesche Vorschlag mit allen seinen Mängeln wäre), sondern namentlich, : a), um Dömärien in Pacht zu nehmen und genossenschaftlich zu bewirtschaften (oder auch andre Landgüter), b) um Fabriken etc., deren Eigentümer in Krisenzeit oder auch wegen Fallite den Betrieb einstellen oder die sonst zum Verkauf kommen, für eigne oder Staatsrechnung anzukaufen und genossenschaftlich zu betreiben und so den allmählichen Übergang der gesamten Produktion in genossenschaftlichen einzuleiten. 2. Bevorzugung der Genossenschaften vor den Kapitalisten und deren Assoziationen bei allen öffentlichen Verdingungen, bei gleichen Bedingungen, also überhaupt im Prinzip möglichste Verdingung aller öffentlichen Arbeiten an Genossenschaften. 3. Hinwegräumung aller gesetzlichen Hindernisse und Erschwerungen,
die den freien Genossenschaften noch im Wege stehn, also vor allem Wiedereinsetzung der Arbeiterklasse in das gemeine Recht - so elend dies ist - durch Aufhebung des Sozialistengesetzes1331, das ja alle Fachvereine und Genossenschaften ruiniert. 4. Volle Freiheit für Fachvereine (Trade Unions) und deren Anerkennung als juristische Personen mit allen deren Rechten. Wenn Ihr das verlangt, so verlangt Ihr nur gleiche Berücksichtigung für die Arbeiter wie für die Bourgeois; und wenn die Schenkungen an Bourgeois die Industrie heben sollen, dann tun die an Arbeiter das doch noch viel mehr. Ohne solche Gegenleistung begreife ich absolut nicht, wie eine sozialdemokratische Fraktion für so etwas stimmen könnte. Wenn Ihr solche Forderungen ins Volk werft, so werden die Drängeleien wegen der Staatshülfe für die Industrie in Form von Schenkungen an Bourgeois auch bei den Wählern bald aufhören. Das sind alles Dinge, die von heute auf morgen eingeleitet und in einem Jahr in Gang gebracht werden können, und denen nur die Bourgeoisie und die Regierung im Wege stehn. Und doch sind es für heute große Maßregeln, die die Arbeiter ganz anders packen müssen als Dampfersubvention, Schutzzölle etc. Und die Franzosen verlangen im wesentlichen dasselbe. Nun aber kommt noch eins, was sich erst jetzt herausgestellt: es ist sehr möglich, daß die Sozialdemokraten bei der Abstimmung den Ausschlag geben. Und die unendliche Blamage vor der ganzen Welt, wenn die Sache, Donation an die Bourgeoisie, zustande käme durch Eure Stimmen! und ohne Gegenleistung! Ich weiß wahrhaftig nicht, was ich dann den Franzosen und den hiesigen Leuten sagen sollte. Und welcher Triumph bei den Anarchisten, die jubeln würden: da habt ihr's, es sind reine Spießerl Auf die andern Sachen geh* ich ein andermal ein. Es liegt mir dran, Dich in dieser Seiche keinen Augenblick in Zweifel über meine Ansicht zu lassen. Ich hoffe, daß die Änderung Deiner geschäftlichen Verhältnisse vor allem Deiner Gesundheit zuträglich ist. Und herzlichen Glückwunsch Dir und Deiner Familie zum neuen Jahr p. .
Daß das Geld nicht reichen wird, ist sonnenklar. Auch das habe ich S[inger] gesagt, daß, wer dafür stimmt, konsequent auch für Kolonien stimmen muß. Was hier den Geldpunkt angeht, sieh mein Brief an Liebknecht]1.
138 • Engels an Pasquale Martignetti • 30.Dezember 1884 263
138
Engels an Pasquale Martignetti in Benevento
London, 30. Dezember 1884
Hochverehrter Herr, Zu meinem Bedauern ist Ihr wertes Schreiben vom 18. Nov. noch unbeantwortet. Wollen Sie das bitte entschuldigen: ich bin mit Arbeit und geschäftlichen Angelegenheiten überhäuft. Mein „Bauernkrieg" ist ein kleines Werk, das nur für Deutschland von Interesse ist. Überdies muß ich eine vollkommen überarbeitete Auflage herausbringen, und ich werde nicht vor Februar oder März anfangen können - das Buch würde etwa im Juli veröffentlicht werden (ich weiß, was von unseren Parteidruckereien zu erwarten ist). Schließlich hat sein Gegenstand nichts gemein mit dem des „Ursprungs" usw.13651 Ich glaube also, daß es besser sein wird, das letzte gesondert zu veröffentlichen, und was die Art der Veröffentlichung betrifft, überlasse ich alles Ihrer Entscheidung. Sobald der „Bauernkrieg" veröffentlicht sein wird, werde ich die Ehre haben, Ihnen ein Exemplar zu schicken. Sie werden dann beurteilen können, ob er die Mühe einer Übersetzung verdient; ich zweifle daran. Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebenster F. Engels
Aus dem Italienischen.
139
Engels an Friedrich Adolph Sorge in Hoboken
London, 3I.Dez. 1884
Lieber Sorge, Hoffentlich geht es Dir jetzt besser, wie mir auch, wenn ich auch noch nicht ganz wieder der alte bin, so doch nah daran. • . •. „Kapital" II. Buch (ca. 600 Seiten gedruckt) wird im Januar in die Presse gehn. In ca. 10 Tagen ist die Redaktion fertig, und dann nur noch Revision der Reinschrift zu besorgen. Hat Arbeit genug gekostet - 2 ganze und 6 bruchstückweise Redaktionen lagen vor! Buch III kommt dann an die Reihe, nachdem ich noch einige dringende Zwischenarbeiten besorgt, es sind 2 Redaktionen und ein Heft Gleichungen1, wird auch 6- 700 Seiten stark. Endlich Buch IV, „Theorien über den Mehrwert", aus dem ältesten Manuskript von 1859-61.11701 Das ist noch ganz im dunkeln, kann erst in Hand genommen werden, wenn alles andre fertig vorliegt. Sind ein 1000 enggeschriebne Quartseiten. Meinen „Bauernkrieg" arbeite ich ganz um. Wird Angelpunkt der gan-, zen deutschen Geschichte.13301 Das gibt auch Arbeit. Aber die Vorstudien, sind so gut wie fertig. Die englische Übersetzung des „Kapitals" geht langsam voran, über die Hälfte ist fertig. Tussys Mann, Aveling, hilft mit, macht's aber nicht so gründlich wie Sam Moore, der die Hauptsachen macht. Schorlemmer ist diesen Sommer als der Verbreitung des „Soz[iäl]demokrat" verdächtig in Darmstadt gehaussucht worden.13261 Großer Skandal unter den Philistern, hat uns ca. 500 Stimmen eingebracht. Die Democratic Federation13131 hier ist am Samstag gesprengt worden. Der Abenteurer Hyndman, der sich der ganzen Sache bemächtigt, wurde entlarvt als Verhetzer der Mitglieder untereinander, Unterschläger von Korrespondenz für den Grnncil, und Stifter von bogus branches3 in den Provinzen zur Unterbringung seiner Kreaturen in den Konferenzen und
1 Vgl. Band 25 unserer Ausgabe, S. 11/12 - 2 Phantasiesektionen
Kongressen. Er erhielt ein Mißtrauensvotum, aber die Majorität trat aus, hauptsächlich weil die ganze Organisation doch nur Schwindel sei. Das ist wahr, sie haben keine 400 zahlende Mitglieder und ihr Lesepublikum sind gefühlvolle Bourgeois. Sie wollen nun eine neue Organisation stiften (Morris, Bax, Aveling etc.) und dem Hyndman und seinen Leuten (Fitzgerald, Champion, Burrows etc.) „Justice" und „To-Day" überlassen, selbst aber nur, in endlicher Erkenntnis ihrer schwachen Kräfte, mit einem kleinen monthly3 anfangen. Da die geldzahlenden Kapitalisten mit ausgetreten (sie merkten am meisten, wie H[yndman] sie exploitierte), so wird H[yndman] also seine nicht zahlenden Blätter selbst zahlen oder aber die ganze Partei, soweit sie ihm anhängt (was sich in 8 Tagen zeigen wird), an den Meistbietenden verkaufen müssen. Und da er bei der nächsten Wahl ins Parlament strebt, so muß er sich eilen. Unter den deutschen Deputierten ist allerhand kleinbürgerliches Vorurteil, so z.B. will die Majorität „im Interesse der Industrie" für die Dampfersubvention stinjmen.13611 Das macht mir denn auch Korrespondenz genug. Glücklicherweise ist Bebel da, der immer den entscheidenden Punkt richtig erfaßt, und so hoffe ich, es geht ohne Blamage ab. Seit ich die „offizielle" Korrespondenz mit Bebel statt Liebknfecht] führe, geht alles nicht nur glatt ab, sondern es kommt auch was dabei heraus, und meine Ansicht kommt unverkürzt vor die Leute. Bebel ist ein ganz famoser Kerl, ich hoffe, er ruiniert seine wackelige Gesundheit nicht. Nun aber Prosit Neujahr und bessere Gesundheit - Grüße an Adolph4. Dein F.E.
Dank für die „Volkszeitung"5 mit dem weisen Mann und seinen Bedenklichkeiten wegen Abschaffung des Staats. Wenn ich auf alle solche Zweifel antworten wollte, könnte ich die andern Arbeiten einfach zur Ruhe legen. Apropos. Die „Volkszeitung" schickt mir das Wochenblatt nicht mehr. Wenn also etwas Interessantes darin steht, würdest Du mich verbinden durch gelegentliche Zusendung.
3 Monatsblatt („Commonweal") ~~ 4 Adolph Sorge jun. - 6 „New Yorker Volkszeitüng"
1885
140
Engels an Laura Lafargue in Paris
London, 1. Jan. 85
Meine liebe Laura, In aller Eile einige Zeilen. Moore und Jollymeier sind weg zu Tussy, und so habe ich die Gelegenheit genutzt, mich einer Menge Geschäftsbriefe zu entledigen - bis 5.30 bleiben mir noch einige Minuten. Ich hatte die „Justice" für Euch bis 3I.Dez, bezahlt, da ich aber keine richtige Quittung besaß, konnte ich nicht viel tun - außerdem antwortete die Redaktion auf jeden meiner Briefe mit der Bitte, ihnen einen Artikel zu schicken, so daß ich ihnen wirklich nicht einmal mehr geschäftlich schreiben konnte. Edward sagt jedoch, er zahle an die „Modern Press", also habe ich heute das Geld für uns beide, für Euch und für mich, für 6 Monate „ Justice" und „To-Day" abgesandt und hoffe, Ihr werdet sie bekommen. Was wir an früheren Nummern noch bekommen können, sollt Ihr auch kriegen, aber es steht nicht viel drin, was Euch interessieren könnte. Die Annäherung an die Possibilisten ist neusten Datums und keineswegs ausgeprägt, abgesehn von der letzten Nr., in der ein Brief von Adolphe Smith war.13661 Jetzt aber wird sie sicher Blüten treiben. Gestern abend waren wir bei Pumps, es geht ihr ausgezeichnet, sie übernimmt sich jedoch etwas - das Baby ist gesund. Schade, daß die Krise in der Social Democratic Federation1 nicht etwas hinausgezögert werden konnte; Hyndfman] säße noch tiefer im Schlamassel, und das Persönliche wäre mehr in den Hintergrund getreten. Aber da war nichts zu machen. Der Grund, weshalb die Majorität, statt ihren Sieg zu nutzen, austrat und eine neue Organisation stiftet13671, war, wie mir Morris sagte, hauptsächlich der: daß die alte Organisation nichts wert war. Die Londoner Sektionen sind insgesamt etwa 300 Mann stark, und
die Mehrzahl von ihnen hoffen, sie zu gewinnen, was aber die Provinz angeht, so ist alles Schwindel und Phantasie. Na, wir werden ja sehen, was dabei herauskommt. Eins muß jedenfalls zu ihren Gunsten gesagt werden: drei für eine politische Organisation unpraktischere Menschen als Aveling, Bax und Morris sind in ganz England nicht zu finden. Aber sie sind aufrichtig. Euch beiden und auch den armen Kleinen in Argenteuil noch einmal ein glückliches neues Jahr von Nim und mir. Dein F. E.
Aus dem Englischen.
141
Engels an Hermann Schlüter in Hottingen-Zürich
o w < b c Li«.. London, I.Jan. 1885 Geehrter Herr bchluter, Ich erhielt Ihre werten Zeilen vom 10. sowie auch das Ms. der Frau Kelley-Wischnewetzky'3681, dessen Empfang ich ihr angezeigt und das ich nächste Woche revidieren zu können hoffe. „Die Lage der arbeitenden Klasse" ist noch nicht ganz aus Wigands Händen losgeeist.1361 Nach Aussage des Advokaten Freytag war vor ca. 10 Jahren der alte Kontrakt, in dem eine zweite Auflage vorgesehn, noch nicht verjährt. Seitdem habe ich mehrmals wieder bei Freytag anfragen lassen, was meine Stellung, nach sächsischem Recht, zu W[igand] ist, aber nie Antwort erhalten. Solange ich aber darüber nicht im klaren bin, weiß ich nicht, welche Schritte ich tun kann. Ich habe dies auch Dietz mitgeteilt, dann aber weiter nichts von ihm gehört; er sprach davon, eine neue Auflage zu machen, aber Bestimmtes ist mir nicht bekannt geworden. Eine neue Auflage würde aber nicht ohne verschiedne Anmerkungen meinerseits möglich sein, wozu wieder allerlei Nachschlagen und stellenweise Studien gehören, und das kann ich augenblicklich nicht übernehmen, ich habe mehr als genug zu tun. Gegen Mitte d. J. könnte ich daran denken. Ich glaube also, es wäre am besten, diese Sache bis dahin ruhen zu lassen. Nun aber sprach Ede mir davon, daß mein „Anti-Dühring" wieder aufgelegt werden sollte.'2041 Diesen habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschlossen, unverändert abdrucken zu lassen. Ich bin das meinem Gegner schuldig, und werde nur neue Vorrede1 und zu einigen Kapiteln Anhänge machen, die am Schluß gesammelt stehn können. Dann neue Vorrede. Dazu finde ich auch die Zeit. Wollen Sie also Beschäftigung haben für die Druckerei, so möchte ich Ihnen vorschlagen, hiermit anzufangen. Dazu ist dies ein Ding, was nicht besonders pressiert, also nach Bequemlichkeit gedruckt werden kann. Im Januar denke ich mit Marx' „Kapital" II. Buch fertig zu werden und gehe dann sofort an die Umarbeitung des „Bauernkriegs"'2201. Das wird
141 • Engels an Hermann Schlüter • :!, Januar 1885 '269
mir reichlich 6 Wochen Zeit nehmen. Muß aber abgemacht werden, damit ich ans „Kapital" III.Buch komme. Dies beschäftigt mich zunächst nur den Tag über, so daß ich die Abende teilweis freibekomme, und dann kann ich an die „Lage der arbeitenden Klasse" gehn - wenn nämlich die Revision der diversen Übersetzungen, Korrekturbesorgung etc. mir dazu Zeit lassen. Überlegen Sie nun dort gefälligst den Fall und lassen Sie mich dann wissen, was Sie beschlossen haben. Ich tue dann gern alles, was ich kann, um Sie zu unterstützen. Beste Grüße und. Prosit Neujahr an die ganze Kolonie Ihr F. Engels
142
Engels an Karl Kautsky in Wien
London, 13. Jan. 85
Lieber Kautsky, Ich hoffe, dies trifft Dich noch in Wien. Vor ein paar Tagen erst habe ich das I.Heft ,,N[eue] Z[eit]" erhalten. Kannst Du mir nicht noch ca. 2-3 Ex. verschaffen? Ich habe Rud. Meyer meine Rodbertuskritik13401 versprochen und kann ihm nicht gut ein Ex. schicken, ohne gleichzeitig Frau Lafargue und Tussy zu bedienen, und der arme konservative Sozialkonfusionarius sitzt auf Kohlen. Auch Ex. für dieselben von dem „Elend der Philosophie" möchte ich mir erbitten. Das Ding ist als „erschienen" angezeigt. Der Groß scheint ein Rindvieh, aber ein anständiges. Gegen die Biographie kann ich nichts sagen, willst Du seine Theorie-Konfusion verhauen, so beneide ich Dich nicht um die Arbeit.'3691 Grüß Frankel herzlich von mir. Was er eigentlich treibt, wirst Du mir ja erzählen. Seine und Compagnies Neujahrskarte hat mir viel Freude gemacht. Also alles Weitere, bis Du herkommst! Dein F.E.
Das •1 Redigieren hättest Du keine 14 Tage ausgehalten. Besser, Du kommst her, ohne Dir noch einen Spezialfeind in der Fraktion anzuhängen.[370i
1 Louis Viereck

Comentarios

Entradas populares