SEGUNDA PARTE TOMO 16

FRIEDRICHENGELS
[Konspekt über] Das Kapital" von Karl Marx Erster Band1'701
Geschrieben im Jahre 1868. Nach der Handschrift.
ERSTES BUCH Der Produktionsprozeß des Kapitals
ERSTES KAPITEL
Ware und Geld1,7,1
I. Ware an sich1
Der Reichtum der Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktion herrscht, besteht in Waren. Die Ware ist ein Ding, das Gebrauchswert hat; dieser existiert in allen Gesellschaftsformen, in der kapitalistischen Gesellschaft aber ist der Gebrauchswert zugleich der stoffliche Träger des TauschWerts. Der Tauschwert setzt ein tertium comparationis2 voraus, woran er gemessen wird: die Arbeit, die gemeinsame gesellschaftliche Substanz der Tauschwerte, und zwar die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die in ihm vergegenständlicht ist. Wie die Ware ein Zwieschlächtiges: Gebrauchswert und Tauschwert, so die in ihr enthaltene Arbeit doppelt bestimmt: einerseits als bestimmte produktive Tätigkeit, Weber-, Schneiderarbeit etc. etc., „nützliche Arbeit", andrerseits als einfache Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, niedergeschlagene abstrakte Arbeit. Erstere produziert Gebrauchswert, letztere Tauschwert, nur sie ist quantitativ vergleichbar (die Unterscheidungen von skilled3 und unskilled4, zusammengesetzter und einfacher Arbeit bestätigen dies). Substanz des Tauschwerts also die abstrakte Arbeit, Größe desselben deren Zeitmaß. Nun noch die Form des Tauschwerts zu betrachten. 1. x Ware a = y Ware b, der Wert einer Ware ausgedrückt im Gebrauchswert einer andern ist ihr relativer Wert. Der Ausdruck der Äqui
1 Siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 49-98 -2 zum Vergleich herangezogenes Drittes 3 qualifizierter - 4 unqualifizierter
valenz zweier Waren ist die einfache Form des relativen Werts. In obiger Gleichung ist y Ware b das Äquivalent. In ihm erhält x Ware a seine Wertform im Gegensatz zu ihrer Naturalform, während y Ware b zugleich die Eigenschaft der unmittelbaren Austauschbarkeit erhält, selbst in seiner Naturalform. Der Tauschwert ist der Ware durch bestimmte historische Verhältnisse auf ihren Gebrauchswert aufgedrückt. Sie kann ihn daher nicht in ihrem eignen Gebrauchswert, sondern nur im Gebrauchswert einer andern Ware ausdrücken. Nur in der Gleichsetzung zweier konkreter Arbeitsprodukte tritt die Eigenschaft der in beiden enthaltenen konkreten Arbeit als abstrakt-menschliche Arbeit zutage, d.h. eine Ware kann sich nicht zu der in ihr selbst, wohl aber zu der in andren Warenarten enthaltenen konkreten Arbeit als bloßer Verwirklichungsform abstrakter Arbeit verhalten. Die Gleichung x Ware a = y Ware b schließt notwendig in sich, daß x Ware a auch in andern Waren ausgedrückt werden kann, also 2. x Ware a = y Ware b = z Ware c = v Ware d = u Ware e = etc. etc. etc. Dies ist die entfaltete relative Wertform. Hier bezieht sich x Ware a nicht mehr auf eine, sondern auf alle Waren als bloße Erscheinungsformen der in ihr selbst dargestellten Arbeit. Sie führt aber durch bloße Umkehrung auf 3. die rückbezo^ene zweite Form des rel flhvön Werts: y Ware b = x Ware a u Ware d = x Ware a v Ware c = x Ware a t Ware e = x Ware a etc. etc. Hier erhalten die Waren die allgemeine relative Wertform, in der sie als Waren von ihrem Gebrauchswerte abstrahieren und sich als Materiatur abstrakter Arbeit in x Ware a gleichsetzen, x Ware a ist die Gattungsform des Äquivalents für alle andern Waren, sie ist ihr allgemeines Äquivalent, die in ihr materialisierte Arbeit gilt ohne weiteres als Realisation der abstrakten Arbeit, als allgemeine Arbeit. Nun kann aber 4. jede Ware der Reihe die allgemeine Äquivalent-Rolle übernehmen, aber gleichzeitig nur immer eine derselben, da wenn alle Waren allgemeine Äquivalente wären, jede die andern davon wieder ausschlösse. Form 3 ist nicht durch x Ware a hergestellt, sondern durch die andern Waren, objektiv. Also eine bestimmte Ware muß die Rolle übernehmen - zur Zeit, sie kann wechseln und erst dadurch wird die Ware vollständig Ware. Diese besondre Ware, mit deren Naturalform die allgemeine Äquivalentform verwächst, ist Geld.
Die Schwierigkeit in der Ware liegt darin, daß sie, wie alle Kategorien der kapitalistischen Produktionsweise, ein persönliches Verhältnis unter sachlicher Hülle darstellt. Die Produzenten beziehen ihre verschiedenen Arbeiten aufeinander als allgemein menschliche Arbeit, indem sie ihre Produkte aufeinander beziehen als Waren - ohne diese Vermittlung der Sache bringen sie es nicht fertig. Das Verhältnis der Personen erscheint also als Verhältnis der Sachen. Für eine Gesellschaft, worin die Warenproduktion vorherrscht, das Christentum, speziell der Protestantismus, die passende Religion.
II. Austauschprozeß der Ware1
Daß die Ware Ware ist, beweist sie im Austausch. Die Eigner zweier Waren müssen den Willen haben, ihre resp. Waren auszutauschen, und sich also gegenseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag, ist nur das Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt desselben ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben, p.45. Die Ware ist Gebrauchswert für ihren Nichtbesitzer, Nichtgebrauchswert für ihren Besitzer. Daher das Bedürfnis des Austausches. Aber jeder Wareneigner will spezifische, für ihn nötige Gebrauchswerte eintauschen soweit ist der Tausch ein individueller Prozeß. Andrerseits will er seine Ware als Wert realisieren, also in jeder beliebigen Ware, ob nun seine Ware für den Besitzer der andern Ware Gebrauchswert sei oder nicht. Soweit ist der Tausch für ihn ein allgemein gesellschaftlicher Prozeß. Aber derselbe Prozeß kann nicht für alle Wareneigner zugleich individuell und allgemein gesellschaftlich sein. Jedem Wareneigner gilt seine Ware als allgemeines Äquivalent, alle andren Waren aber als soviel besondre Äquivalente derselben. Da alle Warenbesitzer dasselbe tun, ist feine Ware allgemeines Äquivalent, und daher hat ferne Ware auch allgemeine relative Wertform, worin sie sich als Werte gleichsetzen und als Wertgrößen vergleichen. Sie stehn sich daher überhaupt nicht als Waren gegenüber, sondern nur als Produkte, p.47. Die Waren können sich nur als Werte und daher als Waren aufeinander beziehen, indem sie sich gegensätzlich auf irgendeine andre Ware als allgemeines Äquivalent beziehn. Aber nur die gesellschaftliche Tat kann eine bestimmte Ware zum allgemeinen Äquivalent machen: Geld.
Der immanente Widerspruch der Ware als unmittelbare Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert, als Produkt nützlicher Privatarbeit... und als unmittelbare gesellschaftliche Materiatur abstrakter menschlicher Arbeit, dieser Widerspruch ruht und rastet nicht, bis er sich zur Verdopplung der Ware in Wäre und Geld gestaltet hat. p.48. Da alle andren Waren nur besondre Äquivalente des Geldes und Geld inr allgemeines Äquivalent, so verhalten sie sich als besondre Waren zum Geld als der allgemeinen Ware, p.51. Der Austauschprozeß gibt der Ware, die er in Geld verwandelt, nicht ihren Wert, aber ihre Wertform. p.51. Fetischismus: eine Ware scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andern Waren allseitig ihre Werte in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt ihre Werte in ihr darzustellen, weil sie Geld ist.
III. Das Geld oder die Warenzirkulation1
A. Maß der Werte (Gold — Geld supponiert)
Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des immanenten Wertmaßes der Waren, der Arbeitszeit. Der einfache relative Wertausdruck der Waren in Geld x Ware a = y Geld ist ihr Preis, p.55. Der Preis der Ware, ihre Geldform, wird in vorgestelltem Geld ausgedrückt; Maß der Werte ist das Geld also nur als ideelles, p.57. Die Verwandlung von Wert in Preis einmal vollbracht, wird es technisch notwendig, das Maß der Werte weiter zu entwickeln zum Maßstab der Preise; d.h. ein Goldquantum wird fixiert, woran verschiedne Goldqüanta gemessen werden. Dies ganz verschieden vom Maß der Werte, das selbst vom Wert des Goldes abhängt, dieser aber ist für den Maßstab der Preise gleichgültig. p.59. Die Preise in Rechennamen des Golds dargestellt, dient das Geld als Rechengeld. Wenn der Preis als Exponent der Wertgröße der Ware Exponent ihres Austauschverhältnisses mit Geld ist, so folgt umgekehrt nicht, daß der Exponent ihres Austauschverhältnisses mit Geld notwendig der Exponent ihrer Wertgröße sei. Gesetzt, Umstände erlauben oder zwingen eine Ware über oder unter ihrem Wert zu verkaufen, so sind diese Verkaufspreise nicht ihrem Wert entsprechend, aber doch Preise der Ware, denn sie sind 1. ihre Wertform, Geld, und 2. Exponenten ihres Austauschverhältnisses mit Geld.
Die Möglichkeit quantitativer Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße ist also in der Preisform selbst gegeben. Es ist dies kein Mangel dieser Form, sondern macht sie umgekehrt zur adäquaten Form einer Produktionsweise, worin sich die Regel nur als blindwirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann. Die Preisform kann aber auch . .. einen qualitativen Widerspruch beherbergen, so daß der Preis überhaupt aufhört, Wertausdruck zu sein ... Gewissen, Ehre etc. können ... durch ihren Preis die Warenform erhalten. p.6f. Die Messung der Werte in Geld, die Preisform, schließt die Notwendigkeit der Veräußerung ein, die ideelle Preisgebung die wirkliche. Daher Zirkulation.
B.Zirkulationsmittel
a) Die Metamorphose der Waren
Einfache Form: W - G - W, deren stofflicher Inhalt = W - W. Tauschwert wird weggegeben und Gebrauchswert angeeignet. a) Erste Phase: W - G = Verkauf, wozu zwei gehören, also die Möglichkeit des Nichtgelingens, resp. des Verkaufs unter dem Wert oder auch unter den Produktionskosten, wenn der gesellschaftliche Wert der Ware sich ändert. „Die Teilung der Arbeit verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware und macht dadurch seine Verwandlung in Geld notwendig. Sie macht es zugleich zufällig, ob diese Transsubstantiation gelingt." p.67. Doch, hier das Phänomen rein zu betrachten. W - G setzt bei dem Inhaber des G (falls er nicht Goldproduzent ist) voraus, daß er sein G gegen andre W vorher eingetauscht hat: es ist also für den Käufer nicht nur umgekehrt = G - W, sondern setzt bei ihm einen früheren Verkauf voraus, usw., so daß wir in einer unendlichen Reihe von Käufen und Verkäufen stehen. ß) Dasselbe findet statt bei der zweiten Phase, G - W, Kauf, der zugleich für den andern Beteiligten Verkauf ist. y) Der Gesamtprozeß also ein Kreislauf von Käufen und Verkäufen. Warenzirkulation. Diese ganz verschieden vom unmittelbaren Produktenaustausch; erstens werden die individuellen und lokalen Schranken des unmittelbaren Produktenaustauschs durchbrochen und der Stoffwechsel der menschlichen Arbeit vermittelt, andrerseits zeigt sich hier schon, daß der ganze Proz;eß von gesellschaftlichen Naturzusammenhängen bedingt ist, die von den Handelnden unabhängig sind. p.72. Der einfache Austausch
erlosch in dem einen Austauschakt, wo jeder den Nichtgebrauchswert gegen Gebrauchswert austauscht, die Zirkulation geht unendlich voran. p.73. Hier das falsche ökonomische Dogma: die Warenzirkulation bedinge ein notwendiges Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe, weil jeder Kauf auch Verkauf und vice versa - womit gesagt werden soll, jeder Verkäufer bringe auch seinen Käufer mit zu Markt. 1. Kauf und Verkauf sind einerseits ein identischer Akt zweier polarisch entgegengesetzter Personen, andrerseits zwei polarisch entgegengesetzte Akte einer Person. Die Identität von Kauf und Verkauf schließt daher ein, daß die Ware nutzlos ist, wenn sie nicht verkauft wird, und ebenso, daß dieser Fall eintreten kann. 2. W -Gals Teilprozeß ist zugleich ein selbständiger Prozeß und schließt ein, daß der Erwerber des G den Zeitpunkt wählen kann, wo er dies G wieder in W verwandelt. Er kann warten. Die innere Einheit der selbständigen Prozesse W-G und G - W bewegt sich eben wegen Selbständigkeit dieser Prozesse in äußeren Gegensätzen, und wenn die Verselbständigung dieser abhängigen Prozesse eine gewisse Grenze erreicht, macht sich die Einheit geltend durch eine Krise. Deren Möglichkeit also schon hier gegeben. Als Vermittler der Warenzirkulation ist das Geld Zirkulationsmittel.
b) Umlauf des Geldes
Das Geld vermittelt für jede individuelle Ware den Eintritt in und den Austritt aus der Zirkulation; es selbst bleibt immer drin. Obwohl daher bloßer Ausdruck der Warenzirkulation, erscheint doch die Warenzirkulation als Resultat der Geldzirkulation. Da das Geld stets in der ZirkulationsSphäre bleibt, ist die Frage, wieviel Geld in ihr vorhanden ist. Die Masse des zirkulierenden Geldes ist bestimmt durch die Preissumme der Waren (bei gleichbleibendem Geldwert), und diese durch die in der Zirkulation begriffne Warenmasse. Diese Warenmasse als gegeben gesetzt. fluktuiert die zirkulierende Geldmasse mit den Preis Schwankungen der Waren. Da nun stets ein und dasselbe Geldstück eine Anzahl Geschäfte nacheinander vermittelt in einer gegebnen Zeit, so ist für einen gegebnen „ . , . . Preissumme der Waren »» j i -7- i i • Zeitabschnitt 77-;—7————; — = Masse des als ZirkulationsUmlauisanzanl eines Geldstücks mittel funktionierenden Geldes, p.80. Daher kann Papiergeld Goldgeld verdrängen, wenn es in eine gesättigte Zirkulation geworfen wird. Da im Geldumlauf nur der Zirkulationsprozeß der Waren erscheint, so auch in seiner Geschwindigkeit die ihres Formwechsels, in seiner Stockung
die Trennung des Kaufs vom Verkauf, die Stockung des gesellschaftlichen Stoffwechsels. Woher diese Stockung entspringt, ist natürlich der Zirkulation nicht anzusehen, sie zeigt nur das Phänomen selbst. Der Philister erklärt es sich aus mangelnder Quantität der Zirkulationsmittel, p.81. Ergo: 1. Bei gleichbleibenden Warenpreisen steigt die zirkulierende Geldmasse, wenn die zirkulierende Warenmasse steigt oder der Geldumlauf langsamer wird; und fällt vice versa. 2. Bei allgemein steigenden Warenpreisen bleibt die zirkulierende Geldmasse gleich, wenn die Warenmasse abnimmt oder die Zirkulationsgeschwindigkeit zunimmt im selben Verhältnis. 3. Bei allgemein fallenden Warenpreisen umgekehrt von 2. Im allgemeinen ergibt sich ein ziemlich konstanter Durchschnitt, der fast nur durch Krisen bedeutende Abweichungen erfährt.
c) Münze -Wertzeichen
Der Maßstab der Preise wird durch den Staat festgestellt; so auch die Bezeichnung des Namens für das bestimmte Goldstück - die Münze, und seine Anfertigung. Auf dem Weltmarkt wird die resp. Nationaluniform wieder ausgezogen (vom Schlagschatz wird hier abstrahiert), so daß Münze und Barren sich nur durch die Form unterscheiden. - Aber die Münze verschleißt im Umlauf, Gold als Zirkulationsmittel differiert von Gold als Maßstab der Preise, die Münze wird mehr und mehr Symbol ihres offiziellen Gehalts. Hiermit die Möglichkeit latent gegeben, das Metallgeld durch Marken oder Symbole zu ersetzen. Daher 1. Scheidemünze aus Kupfer- oder Silbermarken, deren Festsetzung gegenüber dem reellen Goldgeld durch Beschränkung der Quantität, in der sie legal tender1 sind, verhindert wird. Ihr Gehalt rein willkürlich durchs Gesetz bestimmt und ihre Münzfunktion wird dadurch unabhängig von ihrem Wert. Daher der Fortschritt möglich zu ganz wertlosen Zeichen. - 2. Papiergeld, d.h. Staatspapiergeld mit Zwangskurs (Kreditgeld hier noch nicht zu behandeln). Soweit dies Papiergeld anstatt Goldgeld wirklich zirkuliert, ist es den Gesetzen der Goldzirkulation unterworfen. Nur das Verhältnis, in dem Papier Gold ersetzt, kann Gegenstand eines besondren Gesetzes sein, und dies ist: daß die Ausgabe des Papiergeldes auf die Quantität zu beschränken, in der das von ihr dargestellte Gold wirklich zirkulieren müßte. Zwar schwankt der Sättigungs
grad der Zirkulation, aber überall stellt sich ein erfahrungsmäßiges Minimum heraus, unter das er nie fällt. Dies Minimum kann ausgegeben werden. Darüber hinaus wird beim Sinken des Sättigungsgrads aufs Minimum ein Teil sofort überschüssig. In solchem Fall stellt das gesamte Papierquantum innerhalb der Warenwelt dennoch nur die durch ihre immanenten Gesetze bestimmte, also auch allein repräsentierbare Goldquantität vor. Ist also die Papiermasse das Doppelte der absorbierten Goldmasse, so depreziiert sich jedes Papierstück auf den halben Nominalwert. Grade wie wenn das Gold in seiner Funktion als Maß der Preise, in seinem Wert, verändert wäre. p.89.
C. Geld
a) Schatzbildung
Mit der ersten Entwicklung der Warenzirkulation selbst entwickelt sich die Notwendigkeit und die Leidenschaft, das Produkt von W - G == das G festzuhalten; aus bloßer Vermittlung des Stoffwechsels wird ihr Formwechsel Selbstzweck. Geld versteinert zum Schatz, der Warenverkäufer wird Schatzbildner, p.91. Diese Form vorherrschend grade in den Anfängen der Warenzirkulation. Asien. Mit weitrer Entwicklung der Warenzirkulation muß jeder Warenproduzent sich den nervus rerum, das gesellschaftliche Faustpfand G sichern. So entstehn überall hoards1. Die Entwicklung der Warenzirkulation vermehrt die Macht des Geldes, der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichtums, p.92. Der Trieb der Schatzbildung ist von Natur schrankenlos. Qualitativ oder seiner Form nach ist das Geld schrankenlos, d.h. allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums, weil in jede Ware unmittelbar umsetzbar. Quantitativ ist jede wirkliche Geldsumme aber beschränkt, daher auch nur Kauf mittel von beschränkter Wirkung. Dieser Widerspruch treibt die Schatzbildung stets von neuem zurück zur Sisyphusarbeit der Akkumulation. Daneben die Akkumulation von Gold und Silber in plate2, zugleich neuer Markt für diese Metalle, zugleich latente Geldquelle. Die Schatzbildung dient als Ab- und Zufuhrkanal des zirkulierenden Geldes bei den steten Schwankungen des Sättigungsgrades der Zirkulation. p.95.
b) Zahlungsmittel Mit der Ausbildung der Warenzirkulation treten neue Verhältnisse ein: die Veräußerung der Ware kann von der Realisierung ihres Preises zeitlich getrennt sein. Die Waren erfordern verschiedne Zeitdauer zu ihrer Produktion, werden in verschiedner Jahreszeit produziert, manche müssen nach entfernten Märkten versandt werden usw. A kann daher Verkäufer sein, ehe B, der Käufer, zahlungsfähig ist. - Die Praxis regelt so die Zahlungsbedingungen, A wird Gläubiger, B Schuldner, Geld wird Zahlungsmittel. Das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner wird also schon antagonistischer. (Es kann auch unabhängig von der Warenzirkulation auftreten, z.B. im Altertum und Mittelalter.) p.97. In diesem Verhältnis fungiert Geld 1. als Wertmaß in der Preisbestimmung der verkauften Ware, 2. als ideelles Kaufmittel. Beim Schatz wurde G der Zirkulation entzogen, hier beim Zahlungsmittel tritt G in die Zirkulation, aber erst nachdem W aus ihr ausgetreten ist. Der schuldige Käufer verkauft, um zahlen zu können, oder er wird subhastiert. G wird also jetzt Selbstzweck des Verkaufs, durch eine den Verhältnissen des Zirkulationsprozesses selbst entspringende gesellschaftliche Notwendigkeit, p.97, 98. Die Ungleichzeitigkeit der Käufe und Verkäufe, die die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel hervorrufen, bringen gleichzeitig eine Ökonomie der Zirkulationsmittel zustande, die Konzentration der Zahlungen an einem bestimmten Ort. Virements in Lyon im Mittelalter eine Art von Clearing house, wo nur der Saldo der gegenseitigen Forderungen gezahlt, p.98. Soweit sich die Zahlungen ausgleichen, funktioniert das Geld nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Soweit wirkliche Zahlungen zu verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, als selbständiges Dasein des Tauschwerts, als absolute Ware. Dieser unvermittelte Widerspruch eklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt. Sie ereignet sich nur, wo die prozessierende Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung völlig entwickelt sind. Mit allgemeineren Störungen dieses Mechanismus, woher sie immer entspringen mögen, springt das Geld plötzlich und unvermittelt aus der nur ideellen Gestalt des Rechengeldes in hartes Geld um, es wird unersetzlich durch profane Waren, p.99. Das Kreditgeld entspringt aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, die Schuldzertifikate zirkulieren selbst wieder zur Übertragung der Schuldforderungen. Mit dem Kreditwesen dehnt sich wieder die Funktion
des Geldes als Zahlungsmittel aus, als solches erhält es eigene Existenzformen, in denen es die Sphäre der großen Handelstransaktionen behaust, während die Münze hauptsächlich in die Sphäre des Kleinhandels zurückgedrängt wird. p. 101. Bei gewisser Höhe und Umfang der Warenproduktion greift die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel über die Sphäre der Warenzirkulation hinaus, es wird allgemeine Ware der Kontrakte. Renten, Steuern etc. verwandeln sich aus Naturallieferung in Geldzahlungen. Vgl. Frankreich unter Ludwig XIV. (Boisguillebert und Vauban), dagegen Asien, Türkei, Japan etc. p. 102. Die Entwicklung des Geldes zum Zahlungsmittel ernötigt Geldakkumulation für die Verfalltage - die als selbständige Bereicherungsform in der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung verschwindende Schatzbildung taucht wieder auf als Reservefonds der Zahlungsmittel, p. 103.
c) Weltgeld
Im Weltverkehr werden die lokalen Formen von Münze, Scheidemünze, Wertzeichen abgestreift, und hur die Barrenform des Geldes gilt als Weltgeld. Erst auf dem Weltmarkt funktioniert das Geld in vollem Umfang als die 117 7 KT . Jf .1 . T ... II 77 7 t.l. 7 T7 .7 1. wäre, aeren ivaiuraijorm zugieicn unmuieioar geseuscnajuicne verwirkp.chungsform der menschlichen Arbeit in abstracto ist. Seine Daseinsweise wird seinem Begriff adäquat, p. 104 (Details 105).
ZWEITES KAPITEL
Verwandlung von Geld in Kapital
1. Allgemeine Formel des Kapitals1
Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals, Warenproduktion, Warenzirkulation und deren Entwicklung, Handel sind daher überall die historischen Voraussetzungen, unter denen das Kapital entsteht. Von der Schöpfung des modernen Welthandels und Weltmarktes im 16. Jahrhundert datiert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals, p. 106. Nur die ökonomischen Formen betrachtet, die die Warenzirkulation erzeugt, ist ihr letztes Produkt das Geld, und dies ist die erste Erscheinungsform des Kapitals. Historisch tritt das Kapital dem Grundeigentum stets zuerst als Geldvermögen entgegen, Kaufmannskapital oder Wucherkapital, und noch jetzt betritt jedes neue Kapital die Bühne in der Gestalt von Geld, das sich durch bestimmte Prozesse in Kapital verwandeln soll. Geld als Geld und Geld als Kapital unterscheiden sich zuerst nur durch ihre verschiedene ZirkulationsfoTm. Neben W - G - W kommt auch die Form G - W - G vor, kaufen, um zu verkaufen. Geld, das in seiner Bewegung diese Zirkulationsform beschreibt, wird Kapital, ist an sich (d.h. seiner Bestimmung nach) schon Kapital. Das Resultat von G - W - G ist G - G, indirekter Austausch von Geld gegen Geld. Ich kaufe für 100Pfd.St. Baumwolle und verkaufe sie für 110Pfd.St. und habe schließlich 100Pfd.St. gegen 110Pfd.St. ausgetauscht, Geld gegen Geld. Wenn dieser Prozeß in seinem Resultat denselben Geldwert herausbringt, der ursprünglich hineingeworfen, 100Pfd.St. aus 100Pfd.St., so wäre es absurd. Aber ob der Kaufmann aus seinen 100 Pfd.St. 100 Pfd.St.,
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110, oder bloß 50Pfd.St. realisiert, so hat sein Geld doch eine eigentümliche, von der der Warenzirkulation W - G - W ganz verschiedne Bewegung beschrieben. Aus der Betrachtung der Formunterschiede dieser Bewegung von W - G - W wird sich auch der inhaltliche Unterschied ergeben. Die beiden Phasen des Prozesses sind iede dieselbe wie bei W - G - W. Aber im Gesamtverlauf ist ein großer Unterschied. In W - G - W bildet das Geld den Vermittler, Ware Ausgang und Schluß; hier ist W Vermittler, G Ausgang und Schluß. In W - G - W wird das Geld definitiv ausgegeben, in G - W - G nur vorgeschossen, es soll wiedererlangt werden. Es fließt zu seinem Atisgangspunkt zurück ~ also hier schon ein sinnlich wahrnehmbarer Unterschied der Zirkulation von Geld als Geld und der von Geld als Kapital. In W - G - W kann das Geld nur durch die Wiederholung des Gesamtprozesses zu seinem Ausgangspunkt zurückfließen, durch den Verkauf frischer Waren; der Rückfluß ist also vom Prozeß selbst unabhängig. Dagegen bei G - W - G ist er von vornherein bedingt durch die Anlage des Prozesses, der unkomplett ist, falls er nicht gelingt, p. 110. W - G - W hat zum Endzweck Gebrauchswert, G - W - G den Tauschwert selbst. In W G W haben beide Extreme dieselbe ökonomische Formbestimmtheit. Sie sind beide Waren und von gleicher Wertgröße. Aber sie sind zugleich qualitativ verschiedne Gebrauchswerte, und der Prozeß hat zu seinem Inhalt den gesellschaftlichen Stoffwechsel. - Bei G - W - G scheint die Operation auf den ersten Blick tautologisch, inhaltslos. 100Pfd. St. gegen 100 Pfd.St. austauschen und noch auf einem Umweg scheint absurd. Eine Geldsumme kann sich von einer andern nur durch ihre Größe unterscheiden ; G - W - G erhält seinen Inhalt daher nur durch die quantitative Verschiedenheit der Extreme. Der Zirkulation wird mehr Geld entzogen, als man in sie geworfen hatte. Die für 100 Pfd. St. gekaufte Baumwolle wird verkauft z.B. zu 100Pfd.St. + 10Pfd.St., der Prozeß erhält also die Formel G - W - G', wo G' = G + A G. Dies A G, dies Inkxement ist Mehrwert. Der ursprünglich vorgeschoßne Wert erhält sich nicht nur in der Zirkulation, sondern er setzt sich einen Mehrwert zu, er verwertet sich, und diese Bewegung verwandelt Geld in Kapital. Bei W - G - W kann zwar auch Wertverschiedenheit der Extreme bestehn, aber diese ist für diese Zirkulationsform rein zufällig, und W - G W wird nicht absurd, wenn die Extreme wertgleich sind - im Gegenteil, dies ist vielmehr Bedingung des normalen Verlaufs.
Die Wiederholung von W - G - W findet Maß und Ziel an einem außer ihm liegenden Endzweck, der Konsumtion, der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse. In G - W - G dagegen sind Anfang und Ende dasselbe, Geld, und dadurch schon die Bewegung endlos. Allerdings ist G -+• A G verschiedne Quantität von G, aber doch auch bloß eine beschränkte Geldsumme; würde sie verausgabt, so hörte sie auf Kapital zu sein; würde sie der Zirkulation entzogen, so bliebe sie als Schatz stationär. Ist das Bedürfnis der Verwertung des Werts einmal gegeben, so existiert es so gut für G' wie für G, und die Bewegung des Kapitals ist maßlos, weil ihr Ziel am Ende des Prozesses ebenso unerreicht ist wie am Anfang, p. 111-113. Als Träger dieses Prozesses wird der Geldbesitzer Kapitalist. Wenn der Tauschwert in der Warenzirkulation höchstens zur selbständigen Form gegenüber dem Gebrauchswert der Ware heranreift, so stellt er sich hier plötzlich dar als eine prozessierende, sich selbst bewegende Substanz, für welche Ware und Geld bloße Formen. Ja, er unterscheidet sich als ursprünglicher Wert von sich selbst als Mehrwert. Er wird prozessierendes Geld und als solches Kapital, p. 116. G - W - G' scheint zwar nur dem Kaufmannskapital eigne Form. Aber auch das industrielle Kapital ist Geld, das sich in Ware verwandelt und durch deren Verkauf in mehr Geld rückverwandelt. Akte, die etwa zwischen Kauf und Verkauf, außerhalb der Zirkulationssphäre vorgehn, ändern hieran nichts. Im zinstragenden Kapital endlich stellt sich der Prozeß unvermittelt G - G' dar, Wert, der gleichsam größer ist als er selbst, p. 117.
II. Widersprüche der allgemeinen Formel1
Die Zirkulationsform, wodurch Geld zum Kapital wird, widerspricht allen bisherigen Gesetzen über die Natur der Ware, des Werts, des Geldes und der Zirkulation selbst. Kann der rein formelle Unterschied der umgekehrten Reihenfolge dies bewirken? Noch mehr. Diese Umkehrung existiert nur für eine der drei handelnden Personen. Ich kaufe als Kapitalist Ware von A und verkaufe sie wieder an B, A und B treten nur als einfache Käufer und Verkäufer von Waren auf. In jedem der zwei Fälle stehe ich ihnen nur als einfacher Geldbesitzer oder Warenbesitzer gegenüber, dem einen als Käufer oder Geld, dem andern als Verkäufer oder Ware, aber keinem gegenüber als Kapitalist, oder als
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17 Marx/Engels. Werke, Bd. 16
Repräsentant von etwas, das mehr als Geld oder Ware ist. Für A begann das Geschäft mit einem Verkauf, für B endigte es mit einem Kauf, also ganz wie in der Warenzirkulation. Auch könnte, wenn ich das Recht auf Mehrwert auf die umgekehrte Reihenfolge stütze, A an B direkt verkaufen, und die Chance des Mehrwerts fällt weg. Angenommen A und B kaufen voneinander Waren direkt. Was Gebrauchswert angeht, können beide gewinnen, A kann sogar mehr von seiner Ware produzieren als B in derselben Zeit produzieren könnte und vice versa, wobei wieder beide gewinnen. Aber anders mit dem Tauschwert Hier werden gleiche Wertgrößen gegeneinander ausgetauscht, auch wenn das Geld als Zirkulationsmittel dazwischentritt, p. 119. Abstrakt betrachtet geht in der einfachen Warenzirkulation außer dem Ersatz eines Gebrauchswerts durch einen andern, nur ein Formwechsel der Ware vor. Sofern sie nur einen Formwechsel ihres Tauschwerts bedingt, bedingt sie, wenn das Phänomen rein vorgeht, Austausch von Äquivalenten. Waren können zwar zu Preisen verkauft werden, die von ihren Werten abweichen, aber nur wenn das Gesetz des Warenaustausches verletzt wird. In seiner reinen Gestalt ist er ein Austausch von Äquivalenten, also kein Mittel sich zu bereichern, p. 120. Daher der Irrtum aller Versuche, den Mehrwert aus der Warenzirkulation abzuleiten. Cond lllar n, 121- Newman TD= 122= Nehmen wir aber an, daß der Austausch nicht rein vorgeht, daß NichtÄquivalente ausgetauscht werden. Nehmen wir an, daß jeder Verkäufer seine Waren 10% über dem Wert verkauft. Bleibt alles gleich, was jeder als Verkäufer verdient, verliert er als Käufer wieder. Ganz als ob der Geldwert sich um 10% verändert hätte. - Ebenso wenn die Käufer alles 10% unter dem Wert kauften, p. 123 (Torrens). Die Annahme, daß der Mehrwert aus einem Aufschlag auf die Preise entsteht, setzt voraus, daß eine Klasse besteht, die kauft ohne zu verkaufen, d.h. konsumiert ohne zu produzieren, der beständig umsonst Geld zufließt. Dieser Klasse die Waren über dem Wert verkaufen, heißt nur, umsonst weggegebenes Geld sich zum Teil zurückschwindeln. (Kleinasien und Rom.) Dabei bleibt der Verkäufer doch stets geprellt und kann dabei nicht reicher werden, Mehrwert bilden. Nehmen wir den Fall der Prellerei an. A verkauft an B Wein - Wert 40 Pfd.St. gegen Getreide Wert 50. A hat 10 verdient. Aber A + B haben doch nur zusammen 90, A hat 50 und B nur noch 40. Wert ist übertragen, aber nicht geschaffen. Die Gesamtheit der Kapitalistenklasse eines Landes kann sich nicht selbst übervorteilen, p. 126.
Also, werden Äquivalente ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Warenzirkulation schafft keinen neuen Wert. Daher bleiben die ältesten und populärsten Formen des Kapitals, Handels« und Wucherkapital, hier unberücksichtigt. Soll die Verwertung des Handelskapitals nicht aus bloßer Prellerei erklärt werden, so gehören dazu viele, hier noch fehlende Mittelglieder. Noch mehr bei Wucher- und zinstragendem Kapital. Später werden sich beide als abgeleitete Formen zeigen sowie auch, warum sie historisch vor dem modernen Kapital auftreten. Der Mehrwert kann also nicht aus der Zirkulation entspringen. Aber außer ihr? Außer ihr ist der Warenbesitzer einfacher Produzent seiner Ware, deren Wert von der nach einem bestimmten gesellschaftlichen Gesetz gemessenen Größe seiner darin enthaltenen eignen Arbeit abhängt; dieser Wert wird in Rechengeld ausgedrückt, z.B. in einem Preis von 10. Aber dieser Wert ist nicht zugleich ein Wert von 11 Pfd.St.; seine Arbeit schafft Werte, aber keine sich verwertenden Werte. Sie kann vorhandenem Wert mehr Wert zusetzen, aber dies geschieht nur durch Zusatz von mehr Arbeit. Also kann der Warenproduzent, außerhalb der Zirkulationssphäre, ohne mit andren Warenbesitzern in Berührung zu kommen, feinen Mehr~ Wert produzieren. Kapital muß daher in der Warenzirkulation und zugleich nicht in ihr entspringen, p. 128. Also: Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage der dem Warenaustausch immanenten Gesetze zu entwickeln, so daß der Austausch von Äquivalenten als Ausgangspunkt gilt. Unser nur noch als Kapitalistenraupe vorhandner Geldbesitzer muß die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesses mehr Wert hinausziehen, als er hineinwarf. Seine Schmetterlingsentfaltung muß in der Zirkulationssphäre und muß nicht in ihr vorgehn. Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodus, hic salta![1721 p. 129.
III. Kauf und Verkauf der Arbeitskraft1
Die Wertveränderung des Geldes, das sich in Kapital verwandeln soll, kann nicht am Geld selbst vorgehn, da es im Kauf nur den Preis der Ware realisiert, und andrerseits, solange es Geld bleibt, seine Wertgröße nicht
ändert, und im Verkauf ebenfalls die Ware bloß aus ihrer Naturalform in ihre Geldform verwandelt. Die Veränderung muß also vorgehn an der Ware des G - W - G; aber nicht mit ihrem Tauschwert, da Äquivalente ausgetauscht werden, sondern sie kann erst entspringen aus ihrem Gebrauchswert als solchem, d.h. aus ihrem Verbrauch. Dazu ist eine Ware erforderlich, deren Gebrauchswert die Eigenschaft hat, Quelle von Tauschwert zu sein - und diese existiert: die Arbeitskraft, p. 130. Damit der Geldbesitzer aber die Arbeitskraft als Ware auf dem Markt vorfinde, muß sie von ihrem eignen Besitzer verkauft, also als freie Arbeitskraft sein. Da beide, Käufer und Verkäufer, als Kontrahenten juristisch gleiche Personen sind, muß die Arbeitskraft nur zeitweilig verkauft werden, da bei Verkauf en bloc der Verkäufer kein Verkäufer mehr bleibt, sondern selbst Ware wird. Dann aber muß der Besitzer, statt Waren verkaufen zu können, in denen seine Arbeit vergegenständlicht ist, vielmehr in der Lage sein, seine Arbeitskraft selbst als Ware verkaufen zu müssen, p. 131. Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft verfügt als seine Ware, und daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen, p. 132. Beiläufig ist das Verhältnis von Geldbesitzer und Arbeitskraftbesitzer nicht ein natürliches oder allen Zeiten gemeinsames gesellschaftliches, sondern ein historisches, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen. So haben auch die bisher betrachteten ökonomischen Kategorien ihren geschichtlichen Stempel. Um Ware zu werden, darf das Produkt nicht mehr als unmittelbares Subsistenzmittel produziert werden. Die Masse der Produkte kann Warenform erst annehmen innerhalb einer bestimmten, der kapitalistischen Produktionsweise, obwohl Warenproduktion und Zirkulation schon stattfinden können, wo die Masse der Produkte nie Ware wird. Geld ditto kann zu allen Perioden existieren, die eine gewisse Höhe der Warenzirkulation erreicht haben; die besondren Geldformen, vom bloßen Äquivalent zum Weltgeld, setzen verschiedne Stufen der Entwicklung voraus, trotzdem kann eine sehr schwach entwickelte Warenzirkulation sie alle hervorbringen. Dagegen Kapital entsteht nur unter obiger Bedingung, und diese eine Bedingung schließt eine Weltgeschichte ein. p. 133. Die Arbeitskraft hat einen Tauschwert, der bestimmt wird wie der aller andren Waren: durch die zu ihrer Produktion, also auch Reproduktion, nötige Arbeitszeit. Der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers nötigen Lebensmittel, und zwar zu seiner Erhaltung in
normaler Arbeitsfähigkeit. Diese richtet sich nach Klima, nach Naturbedingungen etc. wie nach dem historisch in jedem Land gegebenen Standard of life1. Sie wechseln, sind aber für ein bestimmtes Land und für eine bestimmte Epoche gegeben. Ferner schließt sie die Lebensmittel der Ersatzmänner, d.h. der Kinder, ein, so daß die Race dieser eigentümlichen Warenbesitzer sich verewigt. Ferner, bei geschickter Arbeit, die Bildungskosten, p. 135. Minimalgrenze des Werts der Arbeitskraft ist der Wert der physisch unentbehrlichen Lebensmittel. Sinkt der Preis der Arbeitskraft auf dies Minimum, so sinkt er unter ihren Wert, da dieser normale Güte der Arbeitskraft, nicht verkümmerte, voraussetzt, p. 136. Die Natur der Arbeit schließt ein, daß die Arbeitskraft erst nach Abschluß des Kontrakts verbraucht wird, und da bei solchen Waren das Geld meist Zahlungsmittel ist, wird sie in allen Ländern kapitalistischer Produktionsweise erst gezahlt, nachdem sie geleistet ist. Überall also kreditiert der Arbeiter dem Kapitalisten, p. 137, 138. Der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft ist zugleich der Produktionsprozeß von Ware und von Mehrwert, und diese Konsumtion geschieht außerhalb der Sphäre der Zirkulation, p. 140.
1 Lebensstandard
DRITTES KAPITEL
Produktion des absoluten Mehrwerts
1 . Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß1
Der Käufer der Arbeitskraft konsumiert sie, indem er den Verkäufer arbeiten läßt. Diese Arbeit, um Ware darzustellen, stellt zunächst Gebrauchswerte dar und ist in dieser Eigenschaft unabhängig von dem spezifischen Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter. S. Beschreibung des Arbeitsprozesses als solchen, p. 141-149. Der Arbeitsprozeß, auf kapitalistischer Grundlage, hat zwei Eigentümlichkeiten: 1. der Arbeiter arbeitet unter Kontrolle des Kapitalisten, 2. das Produkt ist Eigentum des Kapitalisten, da der Arbeitsprozeß jetzt nur ein Prozeß zweier vom Kapitalisten gekauften Dinge ist: der Arbeitskraft und der Produktionsmittel, p. 150. Der Kapitalist verlangt aber nicht den Gebrauchswert produziert für sich, sondern nur als Träger des Tauschwerts und speziell Mehrwerts. Die Arbeit unter dieser Bedingung - wo die Ware Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert war - wird Einheit von Produktionsprozeß und Wertbildungsprozeß. p.151. Also die im Produkt vergegenständlichte Quantität Arbeit zu untersuchen. Z.B. Garn. Zu dessen Herstellung sei 10 Pfund Baumwolle nötig, sage 10 sh., und für Arbeitsmittel, deren durch die Verspinnung nötiger Verschleiß, hier als Spindelteil kurz bezeichnet, 2 sh. für Spindel repräsentiert. So stecken im Produkt 12 sh. für Produktionsmittel, d.h. sobald das Produkt 1. ein wirklicher Gebrauchswert, hier Garn, geworden und 2. sobald nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in diesen Arbeitsmitteln repräsentiert war. Wieviel wird ihr zugesetzt durch die Spinnarbeit?
Hier also der Arbeitsprozeß von einer ganz andren Seite angesehn. In dem Wert des Produkts sind die Arbeit des Baumwollpflanzens, Spindelmachens und Spinnens pp. als kommensurable Teile - qualitativ gleichgesetzt als allgemein menschlich notwendige wertbildende Arbeit - also bloß quantitativ zu unterscheiden und eben deswegen quantitativ vergleichbar durch die Zeitdauer. Vorausgesetzt, daß sie gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist, denn nur diese ist wertbildend. Gesetzt der Tages wert der Arbeitskraft = 3 sh. und daß dieser 6 Arbeitsstunden repräsentiere, daß 12/3 Pfund Garn per Stunde gemacht werde, also in 6 Stunden - 10 Pfund Garn aus 10 Pfund Baumwolle (wie oben), so ist 3 sh. Wert in 6 Stunden zugesetzt, und das Produkt ist 15 sh. wert (10 sh. -f- 2 sh. -H 3 sh.) oder 1 sh. 6 d. per Pfund Garn. Hier aber kein Mehrwert. Dies kann den Kapitalisten nicht dienen. (Vulgärökonomische Flausen, p. 157.) Wir nahmen an, der Tageswert der Arbeitskraft betrug 3 sh. - weil 1/2 Arbeitstag oder 6 Stunden darin vergegenständlicht. Aber daß 1/2 Arbeitstag nötig, um den Arbeiter während 24 Stunden zu erhalten, hindert ihn keineswegs, Vi Tag zu arbeiten. Der Wert der Arbeitskraft und ihre Verwertung sind zwei verschiedne Größen. Ihre nützliche Eigenschaft war nur eine Conditio sine qua non, was aber entschied, war der spezifische Gebrauchswert der Arbeitskraft, Quelle von mehr Tauschwert zu sein als sie selbst hat. p. 159. Der Arbeiter arbeitet also 12 Stunden, verspinnt 20 Pfund Baumwolle = 20 sh. und 4 sh. Spindeln, und seine Arbeit kostet 3 sh. = 27 sh. Aber im Produkt sind vergegenständlicht 4 Arbeitstage Spindeln und Baumwolle und 1 Arbeitstag des Spinners = 5 Tage a 6 sh. = 30 sh. Wert des Produkts. Mehrwert von 3 sh. ist da: Geld ist in Kapital verwandelt, p. 160. Alle Bedingungen des Problems sind erfüllt. (Details p. 160.) Verwertungsprozeß ist der Arbeitsprozeß als Wertbildungsprozeß, sobald er über den Punkt verlängert wird, wo er ein einfaches Äquivalent für den gezahlten Wert der Arbeitskraft liefert. Wertbildungsprozeß unterscheidet sich vom einfachen Arbeitsprozeß dadurch, daß der letztere qualitativ, der erstere quantitativ betrachtet wird, und zwar nur soweit er gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit enthält, p. 161. Detail p. 162. Als Einheit von Arbeitsprozeß und Wertbildungsprozeß ist der Produktionsprozeß Produktion von Waren, als Einheit von Arbeitsprozeß und VerWertungsprozeß ist er kapitalistischer Warenproduktionsprozeß, p. 163. Reduktion der zusammengesetzten Arbeit auf einfache, p. 163-165.
II. Konstantes und variables Kapital1
Der Arbeitsprozeß setzt dem Arbeitsgegenstand neuen Wert zu und überträgt aber gleichzeitig den Wert des Arbeitsgegenstands auf das Produkt, erhält ihn also durch bloßes Zusetzen von neuem Wert. Dies doppelte Resultat wird so erreicht; der spezifisch nützliche, qualitative Charakter der Arbeit verwandelt einen Gebrauchswert in einen andern Gebrauchswert und erhält dadurch den Wert; der wertbildende, abstrakt allgemeine quantitative Charakter der Arbeit aber setzt Wert zu. p. 166. Z. B. die Produktivität der Spinnarbeit versechsfache sich. Als nützliche (qualitative) Arbeit erhält sie in derselben Zeit sechsmal soviel Arbeitsmittel. Aber sie setzt nur denselben neuen Wert zu wie bisher, d.h. in jedem Pfund Garn ist nur 1j6 von dem früher zugesetzten neuen Wert. Als wertbildende Arbeit leistet sie nicht mehr als früher auch. p. 167. Umgekehrt, wenn die Produktivität der Spinnarbeit gleich bleibt, aber der Wert des Arbeitsmittels steigt, p. 168. Das Arbeitsmittel gibt nur den Wert ans Produkt ab, den es selbst verliert. p. 169. Dies ist in verschiednem Grad der Fall. Kohle, lubricants2 pp. werden ganz verzehrt. Rohstoffe nehmen eine neue F®rm an. Instrumente, Maschinen etc. geben nur langsam und teilweise Wert ab, und der Verschleiß wird erfahrungsmäßig berechnet, p. 169, 170. Hierbei bleibt das Instrument doch fortwährend ganz im Arbeitsprozeß. Hier also dasselbe Instrument zählt im Arbeitsprozeß ganz und im Verwertungsprozeß nur teilweise, so daß der Unterschied beider Prozesse hier an gegenständlichen Faktoren sich reflektiert, p.171. Umgekehrt, der Rohstoff, der Abfall bildet, geht ganz in den Verwertungsprozeß ein und in den Arbeitsprozeß, da er minus des Abfalls im Produkt erscheint, p. 171. In keinem Fall kann das Arbeitsmittel aber mehr Tauschwert abgeben, als es selbst besaß - es dient im Arbeitsprozeß nur als Gebrauchswert und kann daher nur den Tauschwert abgeben, den es vorher schon besaß, p. 172. Diese Werterhaltung dem Kapitalisten viel wert, kostet ihm nichts. p. 173, 174. Indes erscheint der erhaltne Wert nur wieder, er war vorher, und nur der Arbeitsprozeß setzt neuen Wert zu. Und zwar in der kapitalistischen Produktion Mehrwert, Überschuß des Produktenwerts über den Wert der verzehrten Produktbildner (Produktionsmittel und Arbeitskraft), p. 175, 176.
Hiermit sind die Existenzformen geschildert, die der ursprüngliche Kapitalwert bei Abstreifung seiner Geldform annimmt, indem er sich in die Faktoren des Arbeitsprozesses verwandelt: 1. im Ankauf von Arbeitsmitteln und 2. im Ankauf von Arbeitskraft. Das in Arbeitsmitteln angelegte Kapital verändert also seine Wertgröße nicht im Produktionsprozeß, wir nennen es konstantes Kapital. Der in Arbeits kraft angelegte Teil verändert seinen Wert, produziert 1. seinen eignen Wert und 2. Mehrwert, - variables Kapital, p. 176. (Konstant ist das Kapital nur in Beziehung auf den speziell vorliegenden Produktionsprozeß, worin es sich nicht verändert, es kann aus bald mehr, bald weniger Arbeitsmitteln bestehen, und die gekauften Arbeitsmittel können im Wert steigen oder fallen, aber das affiziert ihr Verhältnis zum Produktionsprozeß nicht, p. 177. Ebenso kann der Prozentsatz wechseln, in dem ein gegebnes Kapital in konstantes und variables zerfällt, aber in jedem gegebnen Fall bleibt das c konstant und das v variabel, p. 178.)
III. Die Rate des Mehrwerts1
C V C = 500Pfd.St. = 410 + 90. Am Ende des Arbeitsprozesses, worin c v m v einmal in Arbeitskraft umgeschlagen wird, ergebe sich 410 +90 +90 = 590. Nehmen wir an, c bestehe aus 312 Rohstoffen, 44 Hilfsstoffen und 54 Verschleiß von Maschinen = 410. Der Wert der ganzen Maschinerie soll aber 1054 betragen. Werden diese ganz berechnet, so ergäbe sich für c 1410 auf beiden Seiten, der Mehrwert bliebe nach wie vor 90. p. 179. Da der Wert von c im Produkt nur wiedererscheint, so ist der erhaltne Produktenwert verschieden von dem im Prozeß erhaltnen Wertprodukt, dies also nicht = c + v + m, sondern = v + m. Für den Verwertungsprozeß ist also die Größe von c gleichgültig, das heißt c == 0. p. 180. Dies geschieht auch praktisch, sowie von der kaufmännischen Rechnungsweise abgesehn wird, z.B. in der Berechnung des Gewinns eines Landes aus seiner Industrie, wo sein importiertes Rohmaterial abgezogen wird, p.181. Über das Verhältnis des Mehrwerts zum Gesamtkapital im III. Buch das Nötige. Also: Rate des Mehrwerts = m: v, oben 90: 90 = 100%. Die Arbeitszeit, worin der Arbeiter den Wert seiner Arbeitskraft reproduziert - in kapitalistischen oder andren Verhältnissen - ist notwendige
Arbeit, die darüber hinaus, welche Mehrwert für den Kapitalisten bildet, Mehrarbeit, p. 183, 184. Mehrwert ist geronnene Mehrarbeit, und nur die Form der Erpressung derselben unterscheidet die verschiednen gesellschaftlichen Formationen. Exempel der Falschheit, c mit einzurechnen, p. 185-196. (Senior.) Die Summe der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit — dem .Arbeitstag.
IV. Der Arbeitstag1
Die notwendige Arbeitszeit ist gegeben. Die Mehrarbeit variabel, doch innerhalb gewisser Grenzen. Sie kann nie = 0 sein, da sonst die kapitalistische Produktion aufhört. Sie kann nie 24 Stunden erreichen aus physischen Ursachen, und die Maximalgrenze ist zudem stets noch durch moralische Ursachen affiziert. Diese Schranken aber sehr elastisch. - Die ökonomische Forderung ist, daß der Arbeitstag nicht länger sei, als daß er den Arbeiter nur normal verschleißt. Aber was ist normal? Es findet eine Antinomie statt, und nur die Gewalt kann entscheiden. Daher der Kampf zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse über den Normalarbeitstag. P. 198-202. Mehrarbeit in früheren gesellschaftlichen Epochen. Solange der Tauschwert nicht wichtiger als Gebrauchswert, die Mehrarbeit gelinder z.B. bei den Alten: nur da, wo direkt Tauschwert - Gold und Silber produziert wurde, scheußliche Mehrarbeit, p.203. Ditto in den Sklavenstaaten von Amerika bis zur Produktion von Baumwollmassen zum Export. Ditto Fronarbeit z.B. in Rumänien. Fronarbeit bestes Vergleichsmittel mit kapitalistischer Exploitation, weil jene die Mehrarbeit als besonders zu leistende Arbeitszeit fixiert und aufzeigt. Reglement organique[173] der Walachei, p.204-206. Wie dies ein positiver Ausdruck des Heißhungers nach Mehrarbeit, so die englischen Factory-Acts negative Ausdrücke. Die Factory-Acts. Der von 1850 - p.207. 101/2 Stunden und 71/2 am Samstag = 60 Stunden per Woche. Profit der Fabrikanten durch Umgehung . p. 208-211. Exploitation in nicht beschränkten oder erst später beschränkten Zweigen: Spitzenindustrie p.212, Potteries p.213, Schwefelhölzer p.215, Tapeten p.215-217, Bäckerei p.217-222, Eisenbahnbeamte p.223, Nähterinnen
p. 223-225, Schmiede p.226, Tag- und Nachtarbeiter inShifts1: a) Metallurgie und Metallindustrie p.227-236. Diese Tatsachen beweisen, daß das Kapital den Arbeiter für nichts als Arbeitskraft ansieht, dessen ganze Zeit Arbeitszeit ist, soweit dies selbst momentan nur irgend möglich, daß die Lebensdauer der Arbeitskraft den Kapitalisten gleichgültig, p.236-238. Aber ist dies nicht selbst gegen das Interesse des Kapitalisten? Wie stehts mit dem Ersatz der rasch Verschlissenen? - Der organisierte Sklavenhandel im Innern der Vereinigten Staaten hat den raschen Verschleiß der Sklaven zum ökonomischen Prinzip erhoben, grade so in Europa die Zufuhr von Arbeitern aus den Landdistrikten etc. p.239. Poorhouse-supply2 p.240. Der Kapitalist sieht nur die stets disponible Überbevölkerung und verschleißt sie. Ob die Race zugrunde geht - apres lui le deluge3. Das Kapital ist rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rück~ sieht gezwungen wird ... und die freie Konkurrenz macht die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion dem einzelnen Kapitalisten gegenüber als äußerliches Zwangsgesetz geltend, p.243. Die Festsetzung eines Normalarbeitstages Resultat eines vielhundertjährigen Kampfes zwischen Kapitalist und Arbeiter. Anfangs die Gesetze gemacht, um die Arbeitszeit zu erhöhen, jetzt sie zu erniedrigen, p.244. Das erste „Statute of Labourers" 4 23 Edward III., 1349, unter dem Vorwand, daß die Pest die Bevölkerung so dezimiert, daß jeder mehr arbeiten müsse. Daher Maximum des Lohns und Grenze des Arbeitstags gesetzlich festgestellt. 1496 unter Henry VII. der Arbeitstag der Ackerbauarbeiter und aller Handwerker (artificers) im Sommer - März bis September - von 5 a.m. bis zwischen 7 und 8 p.m. mit 1 Stunde, l1^ Stunde und 112 Stunde = 3 Stunden Zwischenzeit. Im Winter von 5 a.m. bis Dunkeln. Dies Statut nie streng durchgeführt. - Noch im 18. Jahrhundert die ganze Wochenarbeit noch nicht dem Kapital verfügbar (die Ackerbauarbeiter ausgenommen). Siehe Polemik der Zeit. p.248-251 . Erst mit der großen Industrie gelang dies und mehr, sie brach alle Schranken nieder und exploitierte den Arbeiter aufs schamloseste. Das Proletariat widerstand, sobald es wieder zur Besinnung kam. Die 5 Akte von 1802-1833 nominell, da keine Inspektoren. Erst der Akt von 1833 kreierte in den 4 Textilindustrien einen Normalarbeitstag: von 5.30 a.m. bis 8.30 p.m., während welcher Zeit young persons5, 13-18 Jahre, nur 12 Stunden beschäftigt
1 im Schichtsystem - 2 Armenhaus-Nachschub - 3 nach ihr die Sündflut - 4 „Arbeitsgesetz" - 5 Jugendliche
werden durften und mit 11/2 Zwischenstunden. Kinder von 9-13 Jahren nur 8 Stunden, und Nachtarbeit der Kinder und young persons verboten, p. 253-255. Relaissystem und dessen Mißbrauch zur Umgehung, p.256. Endlich Akt 1844, der die Weiber aller Alter den young persons gleichsetzt, Kinder auf ö1/« Stunden gesetzt, dem Relaissystem Zügel angelegt* Dagegen aber jetzt Kinder von 8 Jahren zugelassen. - 1847 endlich die Zehnstundenbill aufgesetzt für Weiber und young persons. p.259. Versuche der Kapitalisten dagegen. p.260-268. Ein flaw1 im Akt von 1847 veranlaßte dann den Kompromißakt von 1850, p.269. der den Arbeitstag der young persons und women2 5 Tage ä 101/2, 1 Tag ä 71/2 = 60 Stunden pro Woche festsetzte, und zwar zwischen 6 und 6 Uhr. Sonst der Akt von 1847 für Kinder in Kraft. - Die Ausnahme der Seidenindustrie s. p.270. - 1853 auch die Arbeitszeit für Kinder zwischen 6 und 6 Uhr beschränkt, p.272. Printworks Akt3 - 1845, beschränkt fast gar nicht. Kinder und Weiber können 16 Stunden arbeiten! Bleichereien und Färbereien 1860, Spitzenfabriken 1861, Töpfereien und viele andre Zweige 1863 (unter dem Fabrikakt, für Bleicherei in offner Luft und Bäckerei besondre Akte erlassen im selben Jahr), p.274. Die große Industrie schafft also zuerst das Bedürfnis der Beschränkung J—. AJL.:.- UI J.ß T"TI UCI ni uciisicii, auci uacimei miuci ÜIUI, uau uieseiue uueitti ueuuiig siCu allmählich auch aller andren Zweige bemächtigt hat. p.277, Ferner zeigt die Geschichte, daß speziell mit Einführung der Weiberund Kinderarbeit der einzelne „freie" Arbeiter dem Kapitalisten gegenüber wehrlos ist und unterliegt, so daß hieran der Klassenkampf zwischen Arbeiter und Kapitalisten sich entspinnt, p.277. In Frankreich erst 1848 das 12-Stunden-Gesetz für alle Alter und Arbeitszweige. (Siehe jedoch p.253 Note über französisches Gesetz über Kinderarbeit 1841, das erst 1853 und auch nur im Departement du Nord wirklich ausgeführt.) In Belgien vollständige „Freiheit der Arbeit"! In Amerika die Achtstundenbewegung, p.279. Der Arbeiter kommt also ganz anders aus dem Produktionsprozeß heraus, als er hineinging. Der Arbeitskontrakt war kein Akt eines freien Agenten, die Zeit, wofür es ihm freisteht, seine Arbeit zu verkaufen, ist die, wozu er gezwungen ist, sie zu verkaufen, und nur die Massenopposition der Arbeiter erobert ihnen ein Staatsgesetz, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihre Generation in Tod und
Sklaverei zu verkaufen. An die Stelle des prunkvollen Katalogs der unveräußerlichen Menschenrechte tritt die bescheidene Magna Charta11741 des Fabrikakts. p. 280-281.
V. Rate und Masse des Mehrwerts1
Mit der Rate ist auch zugleich seine Masse gegeben. Ist der Tages wert einer Arbeitskraft 3 sh. - und Rate des Mehrwerts = 100%, so seine tägliche Masse = 3 sh. für einen Arbeiter. 1. Da das variable Kapital der Geldausdruck des Werts aller gleichzeitig von einem Kapitalisten verwandten Arbeitskräfte, so ist die Masse des durch sie produzierten Mehrwerts = dem variablen Kapital multipliziert mit der Rate des Mehrwerts. Beide Faktoren können wechseln und daraus verschiedne Kombinationen entstehen. Die Masse des Mehrwerts kann wachsen, selbst bei abnehmendem variablen Kapital, wenn die Rate steigt, also der Arbeitstag verlängert wird, p.282. 2. Diese Steigerung der Rate des Mehrwerts hat ihre absolute Schranke daran, daß der Arbeitstag nie auf volle 24 Stunden verlängert werden kann, der Gesamtwert der Tagesproduktion eines Arbeiters also nie — dem Wert von 24 Arbeitsstunden sein kann. Um gleiche Masse von Mehrwert zu erhalten, kann also variables Kapital nur innerhalb dieser Grenzen durch erhöhte Arbeitsexploitation ersetzt werden. Dies wichtig, um verschiedne Erscheinungen zu erklären, die aus der widersprechenden Tendenz des Kapitals entstehen: 1. das variable Kapital und die beschäftigte Arbeiteranzahl zu reduzieren, und 2. doch die größtmögliche Masse Mehrwert zu produzieren. p.283, 284. 3. Die von verschiednen Kapitalien produzierten Massen von Wert und Mehrwert, bei gegebnem Wert und gleich großem Exploitationsgrad der Arbeitskraft, verhalten sich direkt wie die Größen der variablen Bestandteile dieser Kapitale, p. 285. Dies scheinbar gegen alle Tatsachen. Für eine gegebne Gesellschaft und gegebnen Arbeitstag kann der Mehrwert nur vermehrt werden durch Vermehrung der Arbeiterzahl, d.h. der Bevölkerung, bei gegebner Arbeiterzahl nur durch Verlängerung des Arbeitstags. Dies jedoch bloß für den absoluten Mehrwert wichtig. Es zeigt sich jetzt, daß nicht jede Summe Geld in Kapital verwandelt werden kann, daß ein Minimum existiert: der Kostpreis einer einzigen Arbeitskraft und der nötigen Arbeitsmittel. Um selbst als Arbeiter leben zu
können, müßte er bei 50% Mehrwertrate schon 2 Arbeiter haben und sparte noch nichts. Selbst bei 8 ist er immer noch ein kleiner Meister. Daher im Mittelalter die Leute gewaltsam von der Verwandlung aus Handwerkern in Kapitalisten verhindert durch Beschränkung der von einem Meister zu haltenden Gesellenzahi. Das Minimum des Reichtums, der erforderlich ist, um einen wirklichen Kapitalisten zu bilden, wechselt in verschiednen Perioden und Geschäftszweigen, p.288. Das Kapital hat sich entwickelt zum Kommando über die Arbeit und sorgt dafür, daß ordentlich und intensiv gearbeitet wird. Es zwingt die Arbeiter ferner, mehr Arbeit zu verrichten, als für ihren Unterhalt nötig und ist im Auspumpen von Mehrwert allen früheren auf direkter Zwangsarbeit beruhenden Produktionssystemen überlegen. Das Kapital übernahm die Arbeit mit den gegebnen technischen Bedingungen und ändert sie zunächst nicht. Den Produktionsprozeß daher als Arbeitsprozeß betrachtet, so verhält der Arbeiter sich zu den Produktionsmitteln nicht als zu Kapital, sondern als Mittel seiner eignen zweckmäßigen Tätigkeit. Aber als Verwertungsprozeß betrachtet, anders. Die Produktionsmittel werden Mittel zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, sondern die Produktionsmittel wenden den Arbeiter an. p.289. Statt von ihm ... verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen Lebensprozesses, und der Lebensprozeß des Kapitals besteht nur in seiner Bewegung als sich selbst verwertender Wert... Die bloße Verwandlung des Geldes in Produktionsmittel verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf fremde Arbeit und Mehrarbeit.
VIERTES KAPITEL
Produktion des relativen Mehrwerts
I. Begriff des relativen Mehrwerts1
Bei gegebnem Arbeitstag kann die Mehrarbeit nur vergrößert werden durch Abnahme der notwendigen Arbeit, diese aber nur - von Lohndrücken unter den Wert abgesehn - durch Reduktion des Werts der Arbeit[skraft], also durch Reduktion des Preises der notwendigen Lebensmittel zu erreichen. p.291-293. Diese wieder nur zu erreichen durch Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit, durch eine Umwälzung der Produktionsweise selbst. Durch Verlängerung des Arbeitstags produzierter Mehrwert ist absoluter, durch Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit produzierter ist relativer Mehrwert, p.295. Um den Wert der Arbeitskraft] zu senken, muß die Steigerung der Produktivkraft Industriezweige ergreifen, deren Produkte den Wert der Arbeitskraft bestimmen - gewohnheitsmäßige Lebensmittel und Ersatzmittel dafür und deren Rohstoffe etc. Nachweis, wie die Konkurrenz die erhöhte Produktivkraft in niedrigerem Warenpreis zur Erscheinung bringt, p. 296-299. Der Wert der Ware steht im umgekehrten Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit und so auch, weil durch Warenwerte bestimmt, der Wert der Arbeitskraft. Dagegen steht der relative Mehrwert im direkten Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit, p.299. Den Kapitalisten interessiert nicht der absolute Wert der Ware, sondern nur der in ihm steckende Mehrwert. Realisierung von Mehrwert schließt Ersatz des vorgeschoßnen Werts ein. Da nach p.299 derselbe Prozeß der Steigerung der Produktivkraft den Wert der Waren senkt und den in ihr enthaltnen Mehrwert steigert, erklärt sich, wie der Kapitalist, dem es nur
1 Siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 331 -340
um Produktion von Tauschwert zu tun ist, den Tauschwert der Ware beständig zu senken strebt. Vgl. Quesnay. p.300. Ökonomie der Arbeit durch Entwicklung der Produktivkraft bezweckt in der kapitalistischen Produktion daher durchaus nicht Verkürzung des Arbeitstags - dieser kann sogar verlängert werden. Man kann daher bei Ökonomen vom Schlag eines MacCulloch, Ure, Senior und tutti quanti auf einer Seite lesen, daß der Arbeiter dem Kapital für die Entwicklung der Produktivkräfte Dank schuldet und auf der nächsten, daß er diesen Dank beweisen muß, indem er statt 10 künftig 15 Stunden arbeitet. Diese Entwicklung der Produktivkräfte bezweckt nur, die notwendige Arbeit zu verkürzen und die Arbeit für den Kapitalisten zu verlängern, p.301.
II. Kooperation1
Nach p.288 gehört zur kapitalistischen Produktion ein individuelles Kapital, groß genug, eine größere Anzahl von Arbeitern gleichzeitig zu beschäftigen; erst wo er selbst von der Arbeit ganz entbunden ist, wird der Arbeitsanwender vollbürtiger Kapitalist. Das Wirken einer größeren Arbeiterzahl zur selben Zeit, auf demselben Arbeitsfeld, zur Produktion derc-lkor. W* foneAfto nntor /^om I^Amman/^A /^AccolUon or\itolipI-ÄT-» IMI/IA^ aJV&WVAA »f UlVHÖVt WVJ MAAVVA UVU* 4 WlläaälUälVAV U^dd^iUVtA A MAJJ A IUI ÄO 1 9 l^liUbl historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion. p.302. Zunächst also nur ein quantitativer Unterschied gegen früher, wo weniger Arbeiter von einem Arbeitgeber beschäftigt. Aber doch gleich eine Modifikation. Schon die Vielzahl der Arbeiter garantiert, daß der Anwender wirklich Durchschnittsarbeit erhält, was beim Kleinmeister nicht der Fall ist, der darum doch den Durchschnittswert der Arbeit[skraft] zahlen muß; für die Kleinbetriebe kompensieren sich die Ungleichheiten für die Gesellschaft. nicht für den einzelnen Meister. Das Gesetz der Verwertung überhaupt realisiert sich also für den einzelnen Produzenten erst vollständig, sobald er als Kapitalist produziert, viele Arbeiter gleichzeitig, also von vornherein gesellschaftliche Durchschnittsarbeit in Bewegung setzt, p.303, 304. Ferner aber: Ökonomie der Produktionsmittel durch den Großbetrieb allein, geringere Wertabgabe konstanter Kapitalteile an das Produkt, die nur entspringt aus ihrem gemeinsamen Konsum im Arbeitsprozeß vieler. So erwerben die Arbeitsmittel einen gesellschaftlichen Charakter, ehe ihn
der Arbeitsprozeß selbst erwirbt (bisher bloßes Nebeneinander gleichartiger Prozesse), p.305. Hier die Ökonomie der Produktionsmittel nur insoweit zu betrachten, wie sie Waren verwohlfeilert und dadurch den Wert der Arbeit]straft] senkt. Inwiefern sie das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschoßnen Gesamtkapital verändert (c + v), erst im III. Buch zu betrachten. Diese Zerreißung ganz im Geist der kapitalistischen Produktion; da sie die Arbeitsbedingungen dem Arbeiter selbständig gegenübertreten läßt, erscheint auch ihre Ökonomie als eine besondere Operation, die ihn nichts angeht und daher getrennt ist von den Methoden, wodurch die Produktivität der vom Kapital konsumierten Arbeitskraft erhöht wird. Die Form der Arbeit vieler, die in demselben Produktionsprozeß oder in zusammenhängenden Produktionsprozessen planmäßig neben- und miteinander arbeiten, heißt Kooperation, p.306. (Concours de forces. Destutt de Tracy.) Die mechanische Kraftsumme einzelner Arbeiter ist wesentlich ver-: schieden von der mechanischen Kraftpotenz, welche sich entwickelt, wenn viele Hände gleichzeitig in derselben ungeteilten Operation zusammenwirken (Heben einer Last etc.). Die Kooperation schafft von vornherein eine Produktivkraft, die an und für sich Massenkraft ist. Ferner erzeugt bei den meisten produktiven Arbeitern der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer, der die individuelle Leistungskraft der einzelnen erhöht, so daß 12 Arbeiter in einem gemeinsamen Arbeitstag von 144 Stunden ein größeres Produkt liefern als 12 Arbeiter in 12 getrennten oder ein Arbeiter in 12 sukzessiven Arbeitstagen, p.307. Obgleich viele dasselbe oder Gleichartiges tun, kann die individuelle Arbeit eines jeden doch eine verschiedene Phase des Arbeitsprozesses darstellen (Kette von Leuten, die sich etwas zureichen), wobei die Kooperation wieder Arbeit spart. Ebenso, wenn ein Bau von verschiednen Seiten zugleich begonnen wird. Der kombinierte Arbeiter oder Gesamtarbeiter hat vorn und hinten Hände und Augen und besitzt in gewissem Grade Allgegenwart. p.308. Bei komplizierten Arbeitsprozessen erlaubt die Kooperation, die Sonderprozesse zu verteilen, gleichzeitig zu tun, und dadurch die Arbeitszeit für Herstellung des Gesamtprodukts zu verkürzen, p.308. In vielen Produktionssphären sind kritische Momente, wo viele Arbeiter nötig (die Ernten, Heringsfang etc.). Hier hilft nur Kooperation, p.309. Die Kooperation erweitert einerseits das Produktionsfeld und wird daher für Arbeiten, wo große räumliche Kontinuität des Arbeitsfelds vorliegt,
18 Marx/Engels, Werke. Bd. 16
Bedürfnis (Trockenlegung, Straßenbau etc., Dammbau), andrerseits kontrahiert sie es bei Konzentration der Arbeiter in einem Lokal und spart dadurch Kosten, p.310. In allen diesen Formen ist die Kooperation, die spezifische Produktivkraft des kombinierten Arbeitstags, gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit. Sie entspringt aus der Kooperation selbst. Im planmäßigen Zusammenwirken mit andern streift der Arbeiter seine individuellen Schranken ab und entwickelt sein Gattungsvermögen. Nun können Lohnarbeiter nicht zusammenwirken, ohne daß derselbe Kapitalist sie gleichzeitig anwendet, sie zahlt und mit Arbeitsmitteln versieht. Der Maßstab der Kooperation hängt also davon ab, wieviel Kapital ein Kapitalist hat. Die Bedingung, daß eine gewisse Höhe des Kapitals Vorhemden sei, um den Eigner zum Kapitalisten zu machen - wird jetzt materielle Bedingung zur Verwandlung der vielen zersplitterten und unabhängigen individuellen Arbeiten in einen kombinierten gesellschaftlichen Arbeitsprozeß. Grade so das Kommando des Kapitals über die Arbeit, bisher nur formelle Folge des Verhältnisses von Kapitalisten und Arbeiter, jetzt notwendige Bedingung für den Arbeitsprozeß selbst; der Kapitalist repräsentiert eben die Kombination im Arbeitsprozeß. Die Leitung des Arbeitsprozesses wird in der Kooperation Funktion des Kapitals, und als solche erhält sie spezifische Charaktermale. p. 312. Gemäß dem Zweck der kapitalistischen Produktion (möglichste Selbstverwertung des Kapitals) ist diese Leitung zugleich Funktion der größtmöglichen Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten. Ferner die Kontrolle über richtige Verwendung der Arbeitsmittel. Endlich liegt der Zusammenhang der Funktionen der einzelnen Arbeiter außer ihnen, im Kapital, so daß ihre eigne Einheit ihnen als Autorität des Kapitalisten, als fremder Wille gegenübertritt. So ist die kapitalistische Leitung zwieschlächtig (1. gesellschaftlicher Arbeitsprozeß zur Herstellung eines Produkts, 2. Verwertungsprozeß eines Kapitals) und in ihrer Form despotisch. Dieser Despotismus entwickelt jetzt seine eigentümlichen Formen: der Kapitalist, eben erst von der Arbeit selbst entbunden, tritt jetzt die Unteraufsicht an eine organisierte Bande von Offizieren und Unteroffizieren [ab], die selbst Lohnarbeiter des Kapitals sind. Die Ökonomen rechnen bei der Sklaverei diese Aufsichtskosten zu den faux frais, bei der kapitalistischen Produktion identifizieren sie die Leitung, soweit sie durch Ausbeutung bedingt, gradezu mit derselben Funktion,
soweit sie aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringt. p.313,314. Der Oberbefehl in der Industrie wird Attribut des Kapitals wie zur Feudalzeit der Oberbefehl in Krieg und Gericht Attribut des Grundbesitzes war. p. 314. Der Kapitalist kauft 100 einzelne Arbeitskräfte und erhält dafür eine kombinierte Arbeitskraft von 100. Die kombinierte Arbeitskraft der 100 zahlt er nicht. Mit dem Eintritt der Arbeiter in den kombinierten Arbeitsprozeß haben die Arbeiter schon aufgehört, sich selbst zu gehören, sie sind dem Kapital einverleibt. So erscheint die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit als immanente Produktivkraft des Kapitals, p.315. Exempel der Kooperation bei den alten Ägyptern etc. p. 316. Die naturwüchsige Kooperation in den Kulturanfängen bei Jägervölkern, Nomaden oder indischen Gemeinwesen beruht 1. auf Gemeineigentum an den Produktionsbedingungen, 2. auf dem naturwüchsigen Festkleben der einzelnen am Stamm und ursprünglichen Gemeinwesen. - Die sporadische Kooperation im Altertum, Mittelalter und den modernen Kolonien beruht auf direkter Herrschaft und Gewalt, meist Sklaverei. - Die kapitalistische Kooperation dagegen setzt den freien Lohnarbeiter voraus. Historisch erscheint sie in direktem Gegensatz gegen Bauernwirtschaft und unabhängigen Handwerksbetrieb (zünftig oder nicht) und dabei als eine dem kapitalistischen Produktionsprozeß eigentümliche und ihn unterscheidende historische Form. Sie ist die erste Änderung, die der Arbeitsprozeß durch seine Subsumtion unter das Kapital erfährt. So tritt hier gleich 1. die kapitalistische Produktionsweise auf als historische Notwendigkeit zur Verwandlung des Arbeitsprozesses in einen gesellschaftlichen Prozeß, aber auch 2. diese gesellschaftliche Form des Arbeitsprozesses als eine Methode des Kapitals, um ihn durch Steigerung seiner Produktivkräfte profitlicher auszubeuten, p.317. Die Kooperation, soweit bisher betrachtet, in ihrer einfachen Form, fällt zusammen mit der Produktion auf größrem Maßstab, bildet aber keine feste, charakteristische Form einer besondern Epoche der kapitalistischen Produktion, und sie besteht noch heute da, wo das Kapital auf großer Stufenleiter operiert, ohne daß Teilung der Arbeit oder Maschinerie eine bedeutende Rolle dabei spielt. So, obwohl die Kooperation Grundform der ganzen kapitalistischen Produktion, tritt ihre einfache Form selbst oder als besondre Form neben ihren weiter entwickelten Formen auf. p.318.
III. Teilung der Arbeit und Manufaktur1
Die Manufaktur, die klassische Form der auf Teilung der Arbeit beruhenden Kooperation, herrscht vor von ca. 1550-1770, Sie entsteht 1. entweder durch Zusammenwerfen verschiedner Handwerke, deren jedes eine Teiloperation macht (z.B. ^^agenmanufaktur), wobei sehr bald der betreffende Einzelhandwerker seine Fähigkeit verliert, sein ganzes Handwerk zu betreiben, und dafür sein Teilhandwerk desto fertiger; also wobei der Prozeß verwandelt wird in eine Teilung der Gesamtoperation in ihre einzelnen Teile, p.318, 319, 2. oder viele Handwerker, die dasselbe oder Gleichartiges tun, werden in derselben Fabrik vereinigt, und allmählich die einzelnen Operationen, statt von einem Arbeiter sukzessiv gemacht zu werden, werden getrennt und von verschiedenen Arbeitern gleichzeitig gemacht (Nadeln etc.). Statt das Werk eines Handwerkers, ist das Produkt jetzt Werk eines Vereins von Handwerkern, von denen jeder nur eine Teiloperation tut. p.319, 320. In beiden Fällen ist ihr Resultat: ein Produktionsmechanismus, dessen Organe Menschen sind. Die Verrichtung bleibt handwerksmäßig; jeder Teilprozeß, den das Produkt durchmacht, muß durch Handarbeit ausführbar sein, also jede wirklich wissenschaf tliche Analyse des Produktionsprozesses ausgeschlossen. Grade wegen der handwerksmäßigen Natur wird jeder einzelne Arbeiter so komplett an eine Teilfunktion gekettet, p.321. Hierdurch Arbeit gespart gegenüber dem Handwerker, und dies durch Übertragung an folgende Generation noch mehr gesteigert. Hierdurch entspricht die manufakturmäßige Teilung der Arbeit der Tendenz früherer Gesellschaften, die Gewerbe erblich zu machen - Kasten, Zünfte, p.322. Subdivision der Werkzeuge durch Anpassung an die verschiedenen Teilarbeiten - 500 Arten Hämmer in Birmingham, p.323, 324. Vom Gesichtspunkt des Gesamtmechanismus der Manufaktur betrachtet hat sie zwei Seiten: entweder bloß mechanische Zusammensetzung selbständiger Teilprodükte (Uhr) oder Reihe zusammenhängender Prozesse in einer Werkstatt (Nadel). In der Manufaktur liefert jede Arbeitergruppe der anderen ihr Rohmaterial. Daher Grundbedingung, daß jede Gruppe in der gegebnen Zeit ein gegebnes Quantum erzeugt, also eine ganz andere Kontinuität, Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit und Intensität der Arbeit erzeugt wird als selbst in der Kooperation. Hier also schon zum technologischen Gesetz des
Produktionsprozesses: daß die Arbeit gesellschaftlich notwendige Arbeit sei. p.329. Die Ungleichheit der für die einzelnen Operationen erforderlichen Zeit bedingt, daß die verschiednen Gruppen von Arbeitern von verschiedner Stärke und Zahl sind (beim Typenguß 4 Gießer und 2 Abbrecher auf 1 Frottierer). Die Manufaktur schafft also ein mathematisch festes Verhältnis für den quantitativen Umfang der einzelnen Organe des Gesamtarbeiters, und die Produktion kann nur ausgedehnt werden, indem ein Multipel der Gesamtgruppe neu eingestellt wird. Dazu noch, daß Verselbständigung gewisser Funktionen - Aufsicht, Transport der Produkte von Lokal zu Lokal etc. - erst lohnend wird, sobald eine gewisse Höhe der Produktion erreicht. p.329, 330. Verbindung verschiedner Manufakturen zu einer Gesamtmanufaktur kommt auch vor, ermangelt aber stets noch der wirklich technologischen Einheit, die erst mit der Maschinerie entsteht, p.331. Schon früh kommen in der Manufaktur Maschinen vor - sporadisch Korn-, Pochmühle etc., aber nur als Nebensache. Die Hauptmaschinerie der Manufaktur ist der kombinierte Gesamtarbeiter, der eine weit höhere Vollkommenheit besitzt als der alte handwerksmäßige Einzelarbeiter und in dem alle Unvollkommenheiten, wie sie im Teilarbeiter oft notwendig entwickelt werden, als Vollkommenheit erscheinen, p.333. Die Manufaktur entwickelt Unterschiede unter diesen Teilarbeitern, skilled1 und unskilled2, ja selbst eine vollkommene Hierarchie der Arbeiter, p.334. Die Teilung der Arbeit 1. allgemeine (in Agrikultur, Industrie, Schifffahrt etc.), 2. besondre (in Arten und Unterarten), 3. einzelne (in der Werkstatt). Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit entwickelt sich auch von verschiednen Ausgangspunkten. 1. Innerhalb der Familie und des Stammes die naturwüchsige Teilung nach Geschlecht und Alter, wozu Sklaverei durch Gewalt gegen Nachbarn, die sie erweitert, p.335. - 2. Verschiedne Gemeinwesen bringen nach Lage, Klima, Kulturstufe verschiedne Produkte hervor, und diese werden ausgetauscht, wo diese Gemeinwesen in Kontakt kommen, p.493. Der Austausch mit fremden Gemeinwesen ist dann eines der Hauptmittel zur Sprengung des naturwüchsigen Zusammenhangs des eignen Gemeinwesens durch Weiterbildung der naturwüchsigen Teilung der Arbeit, p.336. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit setzt also einerseits einen gewissen Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit vor
1 gelernte - 2 ungelernte - 3 siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. i 02
aus, andrerseits entwickelt sie diese weiter - dies die territoriale Teilung der Arbeit, p.337, 338. Indes zwischen der gesellschaftlichen und manufakturmäßigen Teilung der Arbeit stets der Unterschied, daß die erstere notwendig Waren produziert, während in der letztren der Teilarbeiter keine Waren produziert. Daher bei dieser Konzentration und Organisation, bei jener Zersplitterung ITT 1 1 . V 1 1")fl TAI una <unoranung aer ivonicurrenz. p.jjy-jn. Von früherer Organisation der indischen Gemeinwesen, p.341/342. Die Zunft, p.343/344. Während bei allen diesen Teilung der Arbeit in der Gesellschaft besteht, ist die manufakturmäßige Teilung der Arbeit eine spezifische Schöpfung der kapitalistischen Produktionsweise. Wie in der Kooperation ist auch in der Manufaktur der funktionierende Arbeitskörper eine Existenzform des Kapitals. Die aus der Kombination der Arbeiten entspringende Produktivkraft erscheint daher als Produktivkraft des Kapitals. Aber während die Kooperation die Arbeitsweise der einzelnen im ganzen unverändert läßt, revolutioniert die Manufaktur sie, verkrüppelt den Arbeiter; unfähig, ein selbständiges Produkt zu machen, ist er nur noch ein Zubehör zur Werkstatt des Kapitalisten. Die geistigen Potenzen der Arbeit verschwinden auf Seiten der vielen, um auf Seiten des einen ihren Maßstab zu erweitern. Es ist ein Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, den Arbeitern die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses als fremdes Eigentum und sie beherrschende Macht entgegenzustellen. Dieser Scheidungsprozeß, der schon in der Kooperation beginnt, in der Manufaktur sich entwickelt, vollendet sich in der großen Industrie, welche die Wissenschaft als selbständige Produktionspotenz von der Arbeit trennt und in den Dienst des Kapitals preßt, p.346. Belegstellen p.347. Die Manufaktur, nach einer Seite eine bestimmte Organisation von gesellschaftlicher Arbeitest nach der andern nur eine besondre Methode zur Erzeugung von relativem Mehrwert, p. 350. Historische Bedeutung ebendaselbst. Hindernisse der Entwicklung der Manufaktur selbst während ihrer klassischen Periode: Beschränkung der Zahl der ungeschickten Arbeiter durch Überwiegen von geschickten, der Arbeit von Kindern und Weibern durch Widerstand der Männer, Pochen auf die laws of apprenticeship1 bis zuletzt, selbst wo überflüssig, fortwährende Insubordination der Arbeiter, da der Gesamtarbeiter noch kein von den Arbeitern unabhängiges Skelett hat - Auswandrung der Arbeiter, p.353/354.
Dazu war sie selbst nicht imstande, die ganze gesellschaftliche Produktion umzuwälzen oder nur zu beherrschen. Ihre enge technische Basis trat in Widerspruch mit den von ihr selbst geschaffnen Produktionsbedürfnissen. Die Maschine wird nötig, und die Manufaktur hatte auch schon gelernt, sie zu verfertigen, p.355.
IV. Maschinerie und große Industrie1
a) Maschinerie an sich
Die Umwälzung in der Produktionsweise, in der Manufaktur von der Arbeitskraft ausgehend, geht hier vom Arbeitsmittel aus. Alle entwickelte Maschinerie besteht aus 1. der Bewegungsmaschine, 2. dem Transmissionsgetriebe, 3. der Werkzeugmaschine, p.357. Die industrielle Revolution des 18.Jahrhunderts geht von der Werkzeugmaschine aus. Ihr Charakteristisches ist, daß das Werkzeug - in mehr oder weniger veränderter Gestalt - vom Menschen auf die Maschine übertragen und von ihr durch seine Funktion getrieben wird. Ob dabei die Triebkraft die menschliche oder eine natürliche, ist vorderhand gleich. Der spezifische Unterschied ist der, daß der Mensch nur seine eignen Organe anwenden, die Maschine aber innerhalb gewisser Grenzen soviel Werkzeuge anwenden kann, wie verlangt wird. (Spinnrad 1, Jenny2 12-18 Spindeln.) Sofern beim Spinnrad nicht das Tretbrett, die Kraft, sondern die Spindel von der Revolution ergriffen - im Anfang überall noch der Mensch zugleich Triebkraft und Uberwacher. Die Revolution der Werkzeugmaschinen im Gegenteil machte die Vollendung der Dampfmaschinen erst zum Bedürfnis und vollführte sie dann auch. p.359/360, ferner p.361/362. Zweierlei Maschinerie in der großen Industrie: entweder 1. Kooperation gleichartiger Maschinen (powerloom3, envelope-machine4, die die Arbeit von einer ganzen Reihe Teilarbeitern resümiert durch Kombination verschiedner Werkzeuge, hier schon die technologische Einheit durch das Getriebe und die Bewegkraft - oder 2. Maschinensystem, Kombination verschiedner Teilarbeitsmaschinen (Spinnerei). Diese findet ihre naturwüchsige Grundlage in der Arbeitsteilung der Manufaktur. Aber sofort ein wesentlicher Unterschied. In der Manufaktur mußte jeder Teilprozeß dem Arbeiter angepaßt werden, hier nicht mehr nötig, der Arbeitsprozeß
1 Siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 391-530 -aeine Spinnmaschine -3 Dampf Webstuhl4 Maschine zur Herstellung von Briefumschlägen
kann objektiv in seine Bestandteile zerlegt werden, die dann der Wissenschaft resp. auf ihr basierten Erfahrung anheimfallen zur Bewältigung durch Maschinen. - Hier das quantitative Verhältnis der einzelnen Arbeitergruppen wiederholt als Verhältnis der einzelnen Maschinengruppen, p. 363-366. In beiden Fällen bildet die Fabrik einen großen Automaten (der übrigens erst neuerdings dahin vervollkommnet) und dies seine adäquate Gestalt, p.367, und seine vollendetste Gestalt ist der maschinenbauende Automat, der die handwerks- und manufakturmäßige Unterlage der großen Industrie aufhob und damit erst die vollendete Gestalt der Maschinerie lieferte, p.369-372. Konnex der Revolutionierung der einzelnen Zweige bis zu den Kommunikationsmitteln. p.370. In der Manufaktur ist die Kombination der Arbeiter subjektiv, hier ist ein objektiver mechanischer Produktionsorganismus, den der Arbeiter fertig vorfindet und der nur in der Hand von gemeinsamen Arbeitern funktionieren kann, der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses ist jetzt technologische Notwendigkeit, p.372. Die aus Kooperation und Teilung der Arbeit entspringenden Produktivkräfte kosten dem Kapital nichts; die Naturkräfte, Dampf, Wasser auch nichts. Ebensowenig die durch die Wissenschaft entdeckten Kräfte. Aber diese können nur realisiert werden durch einen entsprechenden Apparat, der nur mit großen Kosten hergestellt ist, und ebenso kosten die Werkzeugmaschinen weit mehr als die alten Werkzeuge. Diese Maschinen haben aber eine weit längere Lebensdauer und ein weit größeres Produktionsfeld als das Werkzeug und geben daher verhältnismäßig einen weit geringem Wertteil ab ans Produkt als ein Werkzeug, und daher ist der unentgeltliche Dienst, den die Maschine leistet (und der im Wert des Produkts nicht wiedererscheint), viel größer als bei dem Werkzeug, p.374, 375/376. Verwohlfeilerung durch Konzentration der Produktion bei der großen Industrie weit größer als bei der Manufaktur, p.375. Die Preise der fertigen Waren beweisen, wie sehr die Maschine die Produktion verwohlfeilert hat und daß der dem Arbeitsmittel geschuldete Wertteil relativ zunimmt, aber absolut abnimmt. Die Produktivität der Maschine mißt sich an dem Grad, worin sie menschliche Arbeitskraft ersetzt. Beispiel p. 377-379. Gesetzt, ein Dampfpflug ersetze 150 Arbeiter mit einem Jahreslohn von 3000 Pfd. St. - so repräsentiert dieser Jahreslohn nicht alle von ihnen geleistete Arbeit, sondern nur die notwendige Arbeit - sie leisten aber außer
dem noch die Mehrarbeit. Kostet der Dampfpflug dagegen 3000Pfd.St., so ist dies der Geldausdruck aller in ihm enthaltnen Arbeit, und kostet die Maschine also ebensoviel wie die von ihr ersetzte Arbeitskraft, so ist die in ihr dargestellte menschliche Arbeit stets viel feiner als die von ihr ersetzte. p. 380. Als Mittel zur Verwohlfeilerung der Produktion muß die Maschine weniger Arbeit kosten als sie ersetzt. Aber fürs Kapital muß ihr Wert geringer sein als der der von ihr ersetzten Arbeitskraft. Daher können Maschinen sich in Amerika zahlen, die in England sich nicht zahlen (z.B. zum Steinklopfen). Daher können infolge von gewissen gesetzlichen Beschränkungen plötzlich Maschinen aufkommen, die sich dem Kapital früher nicht zahlten, p. 380/381. b) Aneignung der Arbeitskraft durch die Maschinerie
Da die Maschinerie die Kraft selbst enthält, die sie treibt, fällt Muskelkraft im Wert. - Weiber- und Kinderarbeit, sofortige Vermehrung der Zahl der Lohnarbeiter durch Einrollierung der bisher nicht lohnarbeitenden Familienglieder. Damit der Wert der Arbeit[skjaft] des Mannes über die Arbeitskraft der ganzen Familie verteilt, also entwertet. - Vier müssen jetzt nicht nur Arbeit, sondern auch Mehrarbeit fürs Kapital liefern, damit eine Familie lebe, wo früher nur einer. So wird sogleich mit dem Exploitationsmaterial auch der Exploitation^ .^racZ erweitert, p.383. Früher der Verkauf und Kauf der Arbeitskraft ein Verhältnis freier Personen, jetzt werden Unmündige oder Halbmündige gekauft, der Arbeiter verkauft jetzt Weib und Kind, wird Sklavenhändler. Beispiele p. 384/385. Physischer Verderb - Sterblichkeit von Arbeiterkindern p.386, auch bei industriellem Betrieb des Ackerbaus (Gangsystem), p.387. Moralischer Verderb p.389. Erziehungsklauseln und Widerstand der Fabrikanten dagegen p.390. Der Eintritt von Weibern und Kindern in die Fabrik bricht endlich den Widerstand des männlichen Arbeiters gegen die kapitalistische Despotie, p.391. Wenn die Maschine die zur Produktion eines Gegenstandes nötige Arbeitszeit verkürzt, so wird sie in den Händen des Kapitals das kräftigste Mittel, den Arbeitstag weit über seine normale Schranke zu verlängern. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, die das Kapital dazu befähigen, andrerseits neue Motive dafür. Die Maschine ist einer perpetuierlichen Bewegung fähig und nur beschränkt durch die Schwäche und Beschränktheit der menschlichen, assistierenden Arbeitskraft. Die Maschine, die sich bei 20 Stunden Arbeit in
71l2 Jahren verschleißt, schluckt für den Kapitalisten grade soviel Mehrarbeit, aber in der halben Zeit ein, wie die, die bei 10 Stunden Arbeitszeit in 15 Jahren verschleißt, p.393. Der moralische Verschleiß der Maschine - by superseding1 - wird dabei noch weniger riskiert, p.394. Ferner wird eine größere Arbeitsquantität eingesogen ohne Vermehrung der Anlagen in Gebäude undMaschinen, also nicht nur der Mehrwert wächst mit verlängertem Arbeitstag, sondern auch die zu seiner Erzielung nötigen Auslagen nehmen relativ ab. Dies in dem Maß wichtiger, als der fixe Kapitalteil sehr vorwiegend ist, wie bei der großen Industrie der Fall, p.395. In der ersten Periode der Maschine, wo sie einen Monopo/charakter hat, die Profite enorm, und daher Durst nach mehr, nach maßloser Verlängerung des Arbeitstags. Mit der allgemeinen Einführung der Maschine schwindet dieser Monopolgewinn, und das Gesetz macht sich geltend, daß der Mehrwert entspringt nicht aus der von der Maschine ersetzten, sondern aus der von ihr angewandten Arbeit, also aus dem variablen Kapital— dies aber bei Maschinenbetrieb durch die großen Auslagen notwendig verringert. In der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie liegt also ein immanenter Widerspruch: bei gegebner Kapitalmasse vergrößert sie den einen Faktor des Mehrwerts, die Rate desselben, dadurch, daß sie den andren, die Arbeiteranzahl, verkleinert. Sobald der Maschinenfabrikwert der Ware zum regelnden gesellschaftlichen Wert dieser Ware wird, tritt dieser Widerspruch hervor und treibt auch wieder zur Verlängerung des Arbeitstags, p.397. Zugleich aber produziert die Maschine durch Freisetzung verdrängter Arbeiter wie durch Einrollierung der Weiber und Kinder eine überzählige Arbeiterbevölkerung, die sich das Gesetz vom Kapital diktieren lassen muß. Daher wirft sie alle sittlichen und natürlichen Schranken des Arbeitstags nieder. Daher das Paradoxon, daß das gewaltigste Arbeitszeitverkürzungsmittel das unfehlbarste Mittel wird, die ganze Lebenszeit des Arbeiters und seiner Familie in disponible Arbeitszeit für die Verwertung des Kapitals zu verwandeln, p.398. Wir sahen bereits, wie hier die gesellschaftliche Reaktion eintritt durch Fixierung des Normalarbeitstags; und auf dieser Grundlage entwickelt sich jetzt die Intensifikation der Arbeit, p.399. Anfangs nahm mit Beschleunigung der Maschinen die Intensität der Arbeit gleichzeitig zu mit der Verlängerung der Zeit. Aber bald der Punkt
erreicht, wo beide sich ausschließen. Mit der Beschränkung aber anders. Die Intensität kann nun wachsen, in 10 Stunden soviel Arbeit geliefert werden, wie sonst in 12, oder mehr, und nun zählt der intensivere Arbeitstag als potenzierter, und die Arbeit wird gemessen nicht bloß nach der Zeitlänge, sondern nach ihrer Intensität, p.400. So kann also in 5 Stunden notwendiger und 5 Stunden Mehrarbeit derselbe Mehrwert erzielt werden,wie bei geringerer Intensität in 6 Stunden notwendiger und 6 Stunden Mehrarbeit. p.400. Wie wird die Arbeit intensifiziert? In Manufaktur ist bewiesen (Note 159), Z.B.Töpferei etc.,daß bloße Verkürzung des Arbeitstags hinreichend, die Produktivität enorm erhöht wurde. Bei der Maschineriearbeit war dies weit zweifelhafter. Aber Beweis R. Gardner. p. 401/402. Sobald Verkürzung des Arbeitstags Gesetz, wird die Maschine das Mittel , intensivere Arbeit aus dem Arbeiter zu pressen, entweder durch greater speed1 oder less hands in relation to machine2. Beispiele p.403-407. Daß gleichzeitig damit die Bereicherung und Ausdehnung der Fabrik steigen, belegt p.407-409.
c) Das Fabrikganze in seiner klassischen Gestalt
In der Fabrik besorgt die Maschine die zweckgemäße Führung des Werkzeugs, also die qualitativen Unterschiede der Arbeit, die in der Manufaktur entwickelt wurden, hier beseitigt, die Arbeit mehr und mehr nivelliert, Unterschied höchstens des Alters und Geschlechts. Die Teilung der Arbeit ist hier Verteilung der Arbeiter unter die spezifischen Maschinen. Hier nur Teilung zwischen Hauptarbeitern, die wirklich an der Werkzeugmaschine beschäftigt sind, und /eeJers3 (dies nur vom selfactor4, kaum von dem throstle5, noch weniger vom powerloom corrected6); dazu Aufseher, engineers und stokers, mechanies, joiners7 etc., eine nur äußerlich der Fabrik aggregierte Klasse, p.411/412. Die Notwendigkeit der Anpassung des Arbeiters an die kontinuierliche Bewegung eines Automaten erfordert Anlernen von Jugend auf, aber durchaus nicht mehr wie in der Manufaktur, daß ein Arbeiter einer Teilfunktion lebenslänglich attachiert werde. Es kann Personenwechsel stattfinden an derselben Maschine (relay-system), und es können wegen der geringen
1 größere Geschwindigkeit - 2 weniger Arbeiter im Verhältnis zur Maschine - 3 Materialzuführern - 4 Spinnmaschine - 5 Spinnmaschine mit Dampfantrieb - 6 verbesserter Dampfwebstuhl - 7 Techniker und Heizer, Mechaniker, Schreiner
Erlernungsmühe die Arbeiter von einer Sorte Maschinen zu einer andern versetzt werden; die Handlangerarbeit ist entweder sehr einfach oder fällt mehr und mehr der Maschine zu. Trotzdem schleppt sich die manufakturmäßige Teilung der Arbeit anfangs traditionell fort und wird selbst ein größeres Exploitationsmittel des Kapitals. Der Arbeiter wird lebenslang Teil einer Teilmaschine, p. 413. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Arbeitsprozeß, sondern auch Verwertungsprozeß des Kapitals ist, ist es gemeinsam, daß nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst durch die Maschinerie erhält diese Verkehrung technologische handgreifliche Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Automaten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als tote Arbeit, welche die lebendige Arbeitskraft beherrscht und aussaugt. Ditto die geistigen Potenzen des Produktionsprozesses als Mächte des Kapitals über die Arbeit ... Das Detailgeschick des individuellen, entleerten Maschinenarbeiters verschwindet als ein winzig Nebending vor der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind. p. 414,415. Kasernenmäßige Disziplin der Fabrik, Fabrikkodex, p. 416. Physische Bedingungen der Fabrik, p. 417/418.
c oder d) Kampf der Arbeiter gegen das Fabriksystem and die Maschine
Dieser Kampf, seit das kapitalistische Verhältnis stehend, tritt hier zuerst auf als Revolte gegen die Maschine als die materielle Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise. Bandmühle, p. 419. Ludditen[175]. p. 420. Erst später unterscheiden die Arbeiter zwischen dem materiellen Produktionsmittel und dessen gesellschaftlicher Exploitationsform. Während der Manufaktur die verbesserte Teilung der Arbeit mehr Mittel, Arbeiter virtuell zu ersetzen, p. 421. (Excours über Agrikultur, Verdrängung. p. 422.) In der Maschinerie aber der Arbeiter aktuell verdrängt, die Maschine konkurriert direkt mit ihm. Hand loom weavers1. p. 423. Ditto Indien, p. 424. Diese Wirkung permanent, da die Maschine stets neue Produktionsfelder ergreift. Die verselbständigte und entfremdete Gestalt, welche die kapitalistische Produktion dem Arbeitsmittel gegenüber dem Arbeiter gibt, entwickelt sich durch die Maschine zum vollkommnen Gegen
satz - daher zuerst jetzt Revolte des Arbeiters gegen das Arbeitsinstrument. p. 424. Details der Verdrängung der Arbeiter durch Maschine, p.425, 426. Die Maschine Mittel, den Arbeiterwiderstand gegen das Kapital durch Verdrängung zu brechen, p.427, 428. Die liberale Ökonomie behauptet, die Maschine, die Arbeiter verdränge, setze gleichzeitig ein Kapital frei, das diese Arbeiter beschäftigen kann. Aber im Gegenteil: eine jede Einführung von Maschinen bindet Kapital, verringert dessen Variablen, vermehrt seinen konstanten Teil, kann also nur die Beschäftigungsfähigkeit des Kapitals beschränken. In der Tat - und das meinen jene Apologeten auch - wird nicht Kapital in dieser Art freigesetzt, sondern die Lebensmittel der deplacierten Arbeiter werden freigesetzt, der Arbeiter von den Lebensmitteln freigesetzt, was der Apologet so ausdrückt, daß die Maschine Lebensmittel für den Arbeiter freisetzt, p.429, 430. Dies weiterentwickelt (sehr gut für „Fortnightly'll). p. 431 /432. Die von der kapitalistischen Anwendung der Maschine untrennbaren Antagonismen existieren für den Apologeten nicht, weil sie nicht aus der Maschine selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung, p.432. Ausdehnung der Produktion durch Maschinen direkt und indirekt, und damit mögliche Vermehrung der bisherigen Arbeiterzahl: Bergarbeiter, Sklaven in Cotton states2 etc. Dagegen durch die Wollfabrik Verdrängung von Schotten und Iren durch Schafe, p. 433/434. Der Maschinenbetrieb steigert die gesellschaftliche Teilung der Arbeit weit mehr, als die Manufaktur [es] tat. p.435.
c" oder e) Maschine und Mehrwert
Das erste Resultat der Maschine - Steigerung des Mehrwerts und zugleich der Produktenmasse, worin er sich darstellt, und wovon die Kapitalistenklasse und ihr Anhang zehrt - also Steigerung der Anzahl von Kapitalisten; neues Luxusbedürfnis und zugleich Mittel seiner Befriedigung. Die Luxusproduktion wächst, ebenso die Verkehrsmittel (die aber wenig Arbeitskräfte in entwickelten Ländern absorbieren) (Beleg p.436), endlich wächst die dienende Klasse, die modernen Haussklaven, deren Material die Freisetzung liefert, p.437. Statistik. Ökonomische Widersprüche, p.437.
Möglichkeit der absoluten Zunahme der Arbeit in einem Geschäftszweig infolge der Maschine und Modalitäten dieses Prozesses, p.439/440. Enorme Elastizität, Fähigkeit plötzlicher sprungweiser Ausdehnung der großen Industrie auf einen hohen Entwicklungsgrad, p.441. Rückwirkung auf die Produktionsländer der Rohstoffe. Auswandrung infolge der Freisetzung von Arbeitern. Internationale Teilung der Arbeit von Industrie- und Ackerbauländern - Periodizität von Krisen und Prosperität, p. 442. Hin- und Herwerfen der Arbeiter in diesem Ausdehnungsprozeß, p.444. Historisches hierüber p.445-449. Da über Verdrängung der Kooperation und Manufaktur durch die Maschine (und die Zwischenstufen p.450/451) Veränderung auch der nichtfabrikmäßig betriebenen Industriezweige im Geist der großen Industrie Hausarbeit auswärtiges Departement der Fabrik, p.452. In der Hausarbeit und modernen Manufaktur die Exploitation noch schamloser als in der eigentlichen Fabrik, p.453. Beispiele: Londoner Druckereien, p.453. Buchbinderei, Lumpensortieren, p.454. Ziegelbrennerei, p.455. Moderne Manufaktur im allgemeinen, p.456. Hausarbeit: Spitzenklöppeln, p.457-459. Strohflechten, p.460. Umschlag in Fabrikbetrieb bei erreichter äußerster Grenze der Exploitabilität: Wearing Apparel1 durch die Nähmaschine. p. 462-466. Beschleunigung dieses Umschlags durch Ausdehnung der Fabrikzwangsgesetze, die den bisherigen auf nicht begrenzter Exploitation basierenden Schlendrian aufheben, p.466. Beispiele: Töpferei, p.467. Schwefelhölzer, p.468. Ferner Wirkung der Fabrikgesetze auf unregelmäßige Arbeit, durch Luderei der Arbeiter wie durch Saisons und Moden. p.470. Überarbeit neben Faulenzen infolge der Saisons bei der Hausarbeit und Manufaktur, p.471. Gesundheitsklauseln der Fabrikgesetze, p.473. Erziehungsklauseln. p.476. Freisetzung der Arbeiter durchs bloße Alter, sowie sie erwachsen sind und nicht mehr zu der Arbeit passen und nicht mehr von Kinderlohn leben können, und zugleich keine neue Arbeit gelernt haben, p.477. Auflösung der mysteries3 und der traditionellen Verknöcherung der Manufaktur und des Handwerks durch die große Industrie, die den Produktionsprozeß in eine bewußte Anwendung der Naturkräfte verwandelt. Sie allein gegenüber allen früheren Formen ist daher revolutionär, p.479» Aber als kapitalistische Form läßt sie für den Arbeiter die verknöcherte Teilung der Arbeit bestehn, und da sie die Basis derselben täglich umwälzt,
1 Zur Bekleidung gehörige Artikel - 2 besonderen Gewerke mit Berufsgeheimnissen
geht der Arbeiter daran zugrunde. Andrerseits grade hierin, in diesem notwendigen Wechsel der Tätigkeiten desselben Arbeiters, die Forderung möglichster Vielseitigkeit desselben und die Möglichkeiten der sozialen Revolution, p.480/481. Notwendigkeit, die Fabrikgesetzgebung auf alle auch nicht fabrikmäßig betriebenen Zweige auszudehnen, p. 482 ff. Akt von 1867. p.485. Minen, Note 486 ff. Konzentrierende Wirkung der Fabrikgesetze, Verallgemeinerung des Fabrikbetriebs und damit der klassischen Form der kapitalistischen Produktion, Zuspitzung ihrer inhärenten Widersprüche, Reifmachung der Umwälzungselemente der alten und der Bildungselemente der neuen Gesellschaft, p. 488-493. Ackerbau. Hier die Freisetzung durch Maschinen noch akuter. Ersetzung des Bauers durch den Lohnarbeiter. Vernichtung der ländlichen Hausmanufaktur. Zuspitzung der Gegensätze von Stadt und Land. Zersplitterung und Schwächung der Landarbeiter, während die städtischen Arbeiter konzentriert werden, daher Lohn der Ackerbauarbeiter auf dem Minimum. Zugleich ßoJenberaubung: Krone der kapitalistischen Produktionsweise die Untergrabung der Quelle alles Reichtums: der Erde und des Arbeiters. p. 493-496.
V. Weitere Untersuchungen über die Produktion des Mehrwerts1
Friedrich Engels
[Rezension des Ersten Bandes „Das Kapital" für die „Fortnightly Review"11761]
Karl Marx über das Kapital*
Herr Thomas Tooke weist in seinen Untersuchungen über Umlaufsmittel auf die Tatsache hin, daß das Geld in seiner Funktion als Kapital zu «einem Ausgangspunkt zurückfließt, während dies bei Geld, das die Funktion bloßer Zirkulationsmittel ausübt, nicht der Fall ist. Diese Unterscheidung (die jedoch lange zuvor von Sir James Steuart getroffen wurde) dient Herrn Tooke bloß als ein Glied in seiner Argumentation gegen die „Currency-Leute"[177] und ihre Behauptungen über den Einfluß der Ausgabe von Papiergeld auf die Warenpreise. Unser Verfasser dagegen macht diese Unterscheidung zum Ausgangspunkt für seine Untersuchung über die Natur des Kapitals selbst und besonders für die Frage: Wie wird Geld, diese selbständige Form des Wertes, in Kapital verwandelt? Alle Sorten von Geschäftsleuten, sagt Turgot, haben das gemein, daß sie kaufen, um zu verkaufen; ihre Käufe sind ein Vorschuß, der ihnen später wieder zurückfließt. Kaufen, um zu verkaufen - dies ist in der Tat die Transaktion, worin Geld als Kapital funktioniert und die seinen Rückfluß zu seinem Ausgangspunkt bedingt, im Gegensatz zum Verkaufen, um zu kaufen, worin Geld nur als Umiaufsmittei zu funktionieren braucht. So wird ersichtlich, daß die verschiedene Reihenfolge, worin die Akte von Verkauf und Kauf aufeinanderfolgen, dem Geld zwei verschiedene Zirkulationsbewegungen aufdrückt. Um diese beiden Prozesse zu veranschaulichen, gibt unser Verfasser folgende Formel: Verkaufen, um zu kaufen: eine Ware W wird gegen Geld G getauscht, das wieder gegen eine andere Ware W getauscht wird; oder W - G - W.
* Das Kapital. Von Karl Marx. Erster Band. Hamburg, Meißner, 1867.
Kaufen, um zu verkaufen: Geld wird gegen eine Ware getauscht und diese wieder gegen Geld: G - W - G. Die Formel W - G - W stellt die einfache Warenzirkulation dar, in welcher Geld als Zirkulationsmittel, als Geld funktioniert. Diese Formel wird im ersten Kapitel dieses Buches analysiert[1783, das eine neue Und sehr einfache Wert- und Geldtheorie enthält, die wissenschaftlich äußerst interessant ist, welche wir jedoch hier außer Betracht lassen, da sie im ganzen für das, was wir für das Wesentliche in den Ansichten des Herrn Marx über Kapital halten, nebensächlich ist. Die Formel G - W - G andererseits stellt jene Form der Zirkulation dar, in welcher sich Geld in Kapital verwandelt. Der Prozeß des Kaufs für den Verkauf G - W - G kann offensichtlich in G - G aufgelöst v/erden; er ist indirekter Austausch von Geld gegen Geld. Angenommen, ich kaufe für 1000 Pfd.St. Baumwolle und verkaufe sie für 1100 Pfd.St., so habe ich schließlich 1000 Pfd.St. gegen 1100 Pfd.St. ausgetauscht, Geld gegen Geld. Wenn dieser Prozeß nun immer den Rückfluß der gleichen Summe Geldes zur Folge hätte, die ich vorgeschossen habe, so wäre es absurd. Aber, ob der Kaufmann, der 1000 Pfd. St. vorgeschossen hat, 1100 Pfd.St., 1000 Pfd.St. oder gar nur 900 Pfd.St. realisiert, sein Geld hat doch eine von der Formel W - G - W ganz verschiedene Bewegung beschrieben; einer Formel, die bedeutet, verkaufen, um zu kaufen, etwas verkaufen, was man nicht braucht, um das kaufen zu können, was man braucht. Vergleichen wir die beiden Formeln. Jeder Prozeß besteht aus zwei Phasen oder Akten, und diese zwei Akte sind in beiden Formeln die gleichen; doch zwischen den beiden Prozessen selbst besteht ein großer Unterschied. In W G - W bildet das Geld nur den Vermittler; die Ware, der Gebrauchswert, den Ausgangs- und Schlußpunkt. In G ~ W - G bildet die Ware das Zwischenglied, Während Geld Anfang und Ende bildet. In W-G-W wird das Geld definitiv ausgegeben; in G - W - G wird es nur vorgeschossen, es soll wiedererlangt werden. Es fließt zu seinem Ausgangspunkt zurück, und hier haben wir den ersten sinnlich wahrnehmbaren Unterschied der Zirkulation von Geld als Geld und der von Geld als Kapital. Im Prozeß des Verkaufs für den Kauf W - G - W kann das Geld nur durch die Wiederholung des Gesamtprozesses zu seinem Ausgangspunkt zurückfließen, durch den Verkauf frischer Waren. Der Rückfluß ist also vom Prozeß selbst unabhängig. In G - W - G dagegen ist dieser Rückfluß eine Notwendigkeit und von vornherein beabsichtigt; wenn er nicht statt
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findet, ist irgendwo eine Stockung eingetreten, und der Prozeß bleibt unvollständig. Der Verkauf für den Kauf hat den Erwerb von Gebrauchswert zum Ziel; der Kauf für den Verkauf den Erwerb von Tauschwert. In der Formel W - G - W sind die beiden Extreme, ökonomisch ausgedrückt, identisch. Sie sind beide Waren; sie sind darüber hinaus von gleicher Wertgröße, denn die ganze Werttheorie setzt voraus, daß normalerweise nur Äquivalente ausgetauscht werden. Gleichzeitig sind diese zwei Extreme W - W qualitativ verschiedene Gebrauchswerte, und gerade deshalb werden sie getauscht. Im Prozeß G - W - G scheint die ganze Operation auf den ersten Bück sinnlos. 100 Pfd. St. gegen 100 Pfd. St. austauschen, und noch auf einem Umweg, scheint absurd. Eine Geldsumme kann sich von einer anderen Geldsumme nur durch ihre Größe unterscheiden. G W - G kann daher nur durch die quantitative Verschiedenheit seiner Extreme einen Sinn erhalten. Der Zirkulation muß mehr Geld entzogen werden, als man in sie hineingeworfen hatte. Die für 1000Pfd.St. gekaufte Baumwolle wird verkauft zu 1100 Pfd.St. = 1000 Pfd.St. + 100 Pfd.St.; die diesen Prozeß darstellende Formel verwandelt sich also in G - W - G', wo G' = G + A G, G plus einem Inkrement, ist. Dieses A G, dies Inkrement, nennt Herr Marx Mehrwert*. Der ursprünglich vorgeschossene Wert erhält sich nicht nur, sondern er setzt sich ein Inkrement zu, er verwertet sich, und dieser Prozeß verwandelt Geld in Kapital. In der Zirkulationsform W - G - W kann zwar auch Wertverschiedenheit der Extreme bestehen, doch solcher Umstand ist hier völlig unwesentlich, die Formel wird nicht absurd, wenn beide Extreme Äquivalente sind. Im Gegenteil, dies ist eine Bedingung ihres normalen Charakters. Die Wiederholung von W - G - W wird durch Umstände eingeschränkt, die gänzlich außerhalb des Tauschprozesses liegen: durch die Bedürfnisse der Konsumtion. In G - W - G dagegen sind Anfang und Ende, qualitativ betrachtet, dasselbe, und eben dadurch ist oder kann die Bewegung endlos sein. Zweifellos ist G + Ä G verschiedene Quantität von G; aber doch auch bloß eine beschränkte Geldsumme. Würde sie verausgabt, so hörte sie auf Kapital zu sein; würde sie der Zirkulation entzogen, so bliebe sie als Schatz stationär. Ist das Bedürfnis der Verwertung des Werts einmal gegeben, so existiert dieses Bedürfnis so gut für G' wie für G; die Bewegung des Kapitals wird eine ständige und endlose, weil ihr Ziel am Ende jedes einzelnen
* Wo „ Wert" hier ohne nähere Bestimmung gebraucht wird, bedeutet er immer Tauschwert.
Prozesses ebenso unerreicht ist wie zuvor. Die Durchführung dieses endlosen Prozesses verwandelt den Geldbesitzer in einen Kapitalisten. Die Formel G - W - G scheint nur auf das Kaufmannskapital anwendbar. Aber auch das industrielle Kapital ist Geld, das gegen Waren getauscht und gegen mehr Geld wieder eingetauscht wird. Zweifellos tritt in diesem Falle eine Anzahl von Operationen zwischen Kauf und Verkauf, Operationen, die außerhalb der reinen Zirkulationssphäre liegen; doch sie ändern nichts am Wesen des Prozesses. Andererseits stellt sich der gleiche Prozeß im zinstragenden Kapital in seiner abgekürztesten Form dar. Hier schrumpft die Formel auf G - G' zusammen, Wert, der gleichsam größer ist als er selbst. Doch woher stammt dies Inkrement von G, dieser Mehrwert? Unsere vorangegangenen Untersuchungen über die Natur der Waren, des Werts, des Geldes und der Zirkulation selbst lassen diese Frage nicht nur ungeklärt, sondern scheinen sogar jede Zirkulationsform auszuschließen, die im Ergebnis zu so etwas wie einem Mehrwert führt. Der ganze Unterschied zwischen der Warenzirkulation (W - G - W) und der Zirkulation von Geld als Kapital (G - W - G) scheint in einer einfachen Umkehrung des Prozesses zu bestehen. Wie sollte diese Umkehrung ein so seltsames Ergebnis bewirken können? Noch mehr. Diese Umkehrung existiert nur für einen der drei an dem Prozeß Beteiligten. Als Kapitalist kaufe ich Ware von A und verkaufe sie wieder an B. A und B treten nur als einfache Verkäufer und Käufer von Waren auf. Ich selbst trete bei dem Kauf von A nur als Geldbesitzer auf und bei dem Verkauf an B nur als Warenbesitzer; doch in keiner dieser Transaktionen trete ich als Kapitalist auf, als Repräsentant von etwas, das mehr als Geld oder Ware ist. Für A begann die Transaktion mit einem Verkauf, für B mit einem Kauf. Wenn von meinem Standpunkt eine Umkehrung der Formel W - G - W eintritt, so ist dies von ihrem Standpunkt nicht der Fall. Überdies kann nichts A daran hindern, seine Ware ohne meine Vermittlung an B zu verkaufen, und dann bestünde keine Aussicht auf irgendeinen Mehrwert. Angenommen, A und B kaufen das, was sie brauchen, direkt voneinander. Was Gebrauchswert angeht, können beide gewinnen. A kann sogar mehr von seiner speziellen Ware produzieren, als B in derselben Zeit produzieren könnte, und umgekehrt, wobei beide gewinnen würden. Doch mit dem Tauschwert ist das anders. In diesem Falle werden gleiche Wertgrößen ausgetauscht, ob nun Geld als Mittler dient oder nicht. Abstrakt betrachtet, das heißt abgesehen von allen Umständen, die nicht aus den immanenten Gesetzen der einfachen Warenzirkulation abzuleiten
sind, geht in dieser einfachen Zirkulation außer dem Ersatz eines Gebrauchswerts durch einen anderen nur ein Formwechsel der Ware vor sich. Derselbe Tauschwert, dasselbe Quantum vergegenständlichter gesellschaftlicher Arbeit bleibt in der Hand des Warenbesitzers, sei es in Gestalt dieser Ware selbst oder des Geldes, wofür sie verkauft wird, oder in Gestalt der für das Geld gekauften zweiten Ware. Dieser Formwechsel schließt ebensowenig eine Änderung der Wertgröße ein, wie das Auswechseln einer Fünfpfundnote gegen fünf Sovereigns. Sofern es sich nur um einen Formwechsel des Tauschwerts handelt, müssen Äquivalente ausgetauscht wei den, zumindest wenn der Prozeß in seiner reinen Gestalt und unter normalen Bedingungen vor sich geht. Waren können zu Preisen verkauft werden, die über oder unter ihren Werten liegen, aber nur, wenn das Gesetz des Warenaustausches verletzt wird. In seiner reinen und normalen Gestalt ist der Warenaustausch daher kein Mittel zur Bildung von Mehrwert. Daher entspringt der Irrtum aller Ökonomen, die versuchen, den Mehrwert aus dem Warenaustausch abzuleiten, wie z.B. Condillac. Nehmen wir aber an, daß der Prozeß nicht unter normalen Bedingungen vor sich geht und daß Nicht-Äquivalente ausgetauscht werden. Nehmen wir an, daß z.B. jeder Verkäufer seine Ware zehn Prozent über ihrem Wert verkauft. Ceteris paribus1 verliert jeder als Käufer wieder, was er als Verkäufer gewonnen hat. Es wäre genau das gleiche, als wenn der Geldwert um 10 Prozent gesunken wäre. Das Gegenteil, doch mit dem gleichen Ergebnis, träte ein, wenn alle Käufer ihre Waren 10 Prozent unter deren Wert kauften. Wir kommen der Lösung um keinen Deut näher, wenn wir annehmen, daß jeder Warenbesitzer als Produzent die Waren über ihrem Wert verkauft und sie als Konsument über ihrem Wert kauft. Die konsequenten Vertreter der Illusion, daß der Mehrwert aus einem nominellen Preiszuschlag auf die Waren entspringt, unterstellen immer die Existenz einer Klasse, die kauft, ohne je zu verkaufen, die konsumiert, ohne zu produzieren. In diesem Stadium unserer Untersuchung ist die Existenz einer solchen Kiasse noch unerklärlich. Doch nehmen wir an, es gibt sie. Woher erhält diese Klasse das Geld, um beständig zu kaufen? Offensichtlich von den Warenproduzenten auf Grund beliebiger Rechts- oder Gewaltstitel, ohne Austausch. Einer solchen Klasse Waren über ihrem Wert verkaufen, heißt nichts anderes, als umsonst weggegebenes Geld zum Teil wieder zurückbekommen. Auf diese Weise haben die Städte Kleinasiens, als sie an die Römer Tribut zahlten, einen Teil des Geldes zurück
bekommen, indem sie die Römer beim Handel prellten; aber dennoch waren diese Städte die Geprellten. Dies ist also keine Methode der Bildung von Mehrwert. Nehmen wir den Fall der Prellerei an. A verkauften B Wein zum Wert von 40 Pfd. St. gegen Getreide zum Wert von 50 Pfd. St. A hat 10 Pfd. St. verdient und B hat 10 Pfd. St. verloren, doch haben beide zusammen nur 90 Pfd. St. wie vorher. Wert wurde übertragen, aber nicht geschaffen. Die ganze Kapitalistenklasse eines Landes kann ihren gesamten Reichtum nicht vergrößern, indem sie sich gegenseitig prellt. Folglich: Werden Äquivalente ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Warenzirkulation schafft keinen neuen Wert. Das ist der Grund, weshalb die beiden ältesten und populärsten Formen des Kapitals, Handelskapital und zinstragendes Kapital, hier gänzlich unberücksichtigt bleiben. Um den durch diese beiden Kapitalformen angeeigneten Mehrwert nicht als das Ergebnis bloßer Prellerei zu erklären, bedarf es einer Anzahl Zwischenglieder, die in diesem Stadium der Untersuchung noch fehlen. Später werden wir sehen, daß beide nur abgeleitete Formen sind, und werden auch feststellen, warum beide historisch lange vor dem modernen Kapital erscheinen. Der Mehrwert kann also nicht aus der Warenzirkulation entspringen. Aber kann er außerhalb derselben entspringen? Außerhalb der Warenzirkulation ist der Warenbesitzer einfacher Produzent dieser Ware, deren Wert von der nach einem bestimmten gesellschaftlichen Gesetz gemessenen Größe seiner darin enthaltenen eigenen Arbeit bestimmt wird. Dieser Wert wird in Rechengeld ausgedrückt, sagen wir, in einem Preis von 10 Pfd.St. Doch dieser Preis von 10 Pfd. St. ist nicht zugleich ein Preis von 11 Pfd.St.; diese in der Ware enthaltene Arbeit schafft Wert, doch keinen sich verwertenden Wert; sie kann vorhandenem Wert neuen Wert zusetzen, doch nur durch Zusatz von neuer Arbeit. Wie sollte nun der Warenbesitzer außerhalb der Zirkulationssphäre, ohne mit anderen Warenbesitzern in Berührung zu kommen, wie sollte er imstande sein, Mehrwert zu produzieren oder, mit anderen Worten, Ware oder Geld in Kapital zu verwandeln? „Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann, ebensowenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muß zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen... Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage dem Warenaustausch immanenter Gesetze zu entwikkeln, so daß der Austausch von Äquivalenten als Ausgangspunkt gilt. Unser
nur noch als Kapitalistenraupe vorhandner Geldbesitzer muß die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesses mehr Wert herausziehn als er hineinwarf. Seine Schmetterlingsentfaltung muß in der Zirkulationssphäre und muß nicht in der Zirkulationssphäre vorgehn. Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodus, hic salta!"[172] Und nun zur Lösung: „Die Wertveränderung des Geldes, das sich in Kapital verwandeln soll, kann nicht an diesem Geld selbst vorgehn, denn als Kauf mittel und als Zahlungsmittel realisiert es nur den Preis der Ware, die es kauft oder zahlt, während es, in seiner eignen Form verharrend, zum Petrefakt von gleichbleibender Wertgröße erstarrt. Ebensowenig kann die Veränderung aus dem zweiten Zirkulationsakt, dem Wiederverkauf der Ware, entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Ware bloß aus der Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung muß sich also zutragen mit der Ware, die im ersten Akt G - W gekauft wird, aber nicht mit ihrem Wert, denn es werden Äquivalente ausgetauscht, die Ware wird zu ihrem Werte bezahlt. Die Ver~ änderung kann also nur entspringen aus ihrem Gebrauchswert als solchem, d.h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehn, müßte unser Geldbesitzer so glücklich sein, innerhalb der Zirkulationssphäre, auf dem Markte, eine Ware zu entdecken, deren Ge~ brauchswert selbst die eigentümliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein, deren wirklicher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Wertschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markte eine solche spezifische Ware vor - das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft. Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgendeiner Art produziert. Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als Ware auf dem Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der Warenaustausch schließt an und für sich keine andren Abhängigkeitsverhältnisse ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter dieser Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Ware nur auf dem Markt erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer, der Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Ware feilgeboten oder verkauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Ware verkaufe, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein. Er und der Geldbesitzer begegnen
sich auf dem Markt und treten in Verhältnis zueinander als ebenbürtige Warenbesitzer, nur dadurch unterschieden, daß der eine Käufer, der andre Verkäufer ist. Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit verkaufe, denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven, aus einem Warenbesitzer in eine Ware... Die zweite wesentliche Bedingung, damit der Geldbesitzer die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware vorfinde, ist die, daß ihr Besitzer, statt Waren verkaufen zu können, worin sich seine Arbeit vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeitskraft selbst, die nur in seiner lebendigen Leiblichkeit existiert, als Ware feilbieten muß. Damit jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waren verkaufe, muß er natürlich Produktionsmittel besitzen, z.B. Rohstoffe, Arbeitsinstrumente usw. Er kann keine Stiefel machen ohne Leder. Er bedarf außerdem Lebensmittel. Niemand kann von Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerten, deren Produktion noch unfertig, und wie am ersten Tage seiner Erscheinung auf der Erdbühne, muß der Mensch noch jeden Tag konsumieren, bevor und während er produziert. Werden die Produkte als Waren produziert, so müssen sie verkauft werden, nachdem sie produziert sind, und können die Bedürfnisse des Produzenten erst nach dem Verkauf befriedigen. Zur Produktionszeit kommt die für den Verkauf nötige Zeit hinzu. Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen. Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm in der Zirkulationssphäre gegenübertritt, interessiert den Geldbesitzer nicht, der den Arbeitsmarkt als eine besondre Abteilung des Warenmarkts vorfindet. Und einstweilen interessiert sie uns ebensowenig. Wir halten theoretisch an der Tatsache fest, wie der Geldbesitzer praktisch. Eins jedoch ist klar. Die Natur produziert nicht auf der einen Seite Geld- oder Warenbesitzer und auf der andren bloße Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Dies Verhältnis ist kein naturgeschichtliches und ebensowenig ein gesellschaftliches, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangenen historischen Entwicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Untergangs einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Produktion.
Auch die ökonomischen Kategorien, die wir früher betrachtet, tragen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts als Ware sind bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Ware zu werden, darf das Produkt nicht als unmittelbares Subsistenzmittel für den Produzenten selbst produziert werden. Hätten wir weiter geforscht: unter welchen Umständen nehmen alle oder nimmt auch nur die Mehrzahl der Produkte die Form der Ware an, so hätte sich gefunden, daß dies nur auf Grundlage einer ganz spezifischen, der kapitalistischen Produktionsweise, geschieht. Eine solche Untersuchung lag jedoch der Analyse der Ware fern. Warenproduktion und Warenzirkulation können stattfinden, obgleich die weit überwiegende Produktenmasse, unmittelbar auf den Selbstbedarf gerichtet, sich nicht in Ware verwandelt, der gesellschaftliche Produktionsprozeß also noch lange nicht in seiner ganzen Breite und Tiefe vom Tauschwert beherrscht ist ... Oder betrachten wir das Geld, so setzt es eine gewisse Höhe des Warenaustausches voraus. Die besondren Geldformen, bloßes Warenäquivalent, oder Zirkulationsmittel, oder Zahlungsmittel, Schatz und Weltgeld, deuten je nach dem verschiednen Umfang und dem relativen Vorwiegen einer oder der andren Funktion auf sehr verschiedne Stufen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Dennoch genügt erfahrungsmäßig eine relativ schwach entwickelte Warenzirkulation zur Bildung aller dieser Formen. Anders mit dem Kapital, Seine historischen Existenzbedingungen sind durchaus nicht da mit der Waren- und Geldzirkulation. Es entsteht nur, wo der Besitzer von Produktions- und Lebensmitteln den freien Arbeiter als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt vorfindet, und diese eine historische Bedingung umschließt eine Weltgeschichte. Das Kapital kündigt daher von vornherein eine neue Epoche des gesellschaftlichen Produktionsprozesses an."1 Diese eigentümliche Ware, die Arbeitskraft, ist nun zu untersuchen. Gleich allen anderen Waren besitzt sie einen Tauschwert; dieser Wert wird bestimmt wie der aller anderen Waren: durch die zu ihrer Produktion, also auch Reproduktion, notwendige Arbeitszeit. Der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers in normaler Arbeitsfähigkeit nötigen Lebensmittel. Diese Lebensmittel richten sich nach dem Klima und anderen Naturbedingungen sowie nach einem historisch in jedem Land gegebenen Stand der Lebenshaltung. Sie wechseln, sind aber für ein bestimmtes Land und für eine bestimmte Epoche gegeben. Ferner schließen sie die Lebensmittel für die Ersatzmänner der verbrauchten Arbeiter
ein, d.h. für ihre Kinder, so daß diese eigentümliche Art von Warenbesitzern sich verewigen kann. Sie schließen außerdem bei geschickter Arbeit die Bildungskosten ein. Die Minimalgrenze des Werts der Arbeitskraft ist der Wert der physisch unentbehrlichen Lebensmittel. Sinkt ihr Preis auf dies Minimum, so sinkt er unter ihren Wert, da letzterer eine normale Güte der Arbeitskraft, nicht eine verkümmerte, voraussetzt. Aus der Natur der Arbeit ergibt sich, daß die Arbeitskraft erst nach Abschluß des Verkaufs verbraucht wird; und in allen Ländern kapitalistischer Produktionsweise wird die Arbeit bezahlt, nachdem sie geleistet ist» Uberall also kreditiert der Arbeiter dem Kapitalisten. Zu den praktischen Folgen dieses durch den Arbeiter gewährten Kredits führt Herr Marx einige interessante Beispiele aus Parlamentsdokumenten an; bezüglich dieser Beispiele verweisen wir auf das Buch selbst. Mit der Konsumtion von Arbeitskraft produziert ihr Käufer zugleich Waren und Mehrwert; um dies zu untersuchen, müssen wir die Sphäre der Zirkulation verlassen und uns in die Sphäre der Produktion begeben. Hier stellen wir sofort fest, daß der Arbeitsprozeß Doppelcharakter besitzt. Einerseits ist er der einfache Prozeß zur Herstellung von Gebrauchswert; als solcher kann und muß ereilen historischen Formen der Existenz der Gesellschaft gemeinsam sein; andererseits geht dieser Prozeß, wie bereits erwähnt, unter den spezifischen Bedingungen der kapitalistischen Produktion vor sich. Sie müssen wir jetzt untersuchen. Der Arbeitsprozeß auf kapitalistischer Grundlage hat zwei Eigentümlichkeiten. Erstens arbeitet der Arbeiter unter der Kontrolle des Kapitalisten, der aufpaßt, daß nichts vergeudet wird und nicht mehr als das gesellschaftlich notwendige Quantum Arbeit für jedes einzelne Produkt aufgewandt wird. Zweitens ist das Produkt Eigentum des Kapitalisten, da der Prozeß selbst zwischen zwei ihm gehörigen Dingen vor sich geht: der Arbeitskraft und den Arbeitsmitteln. Den Kapitalisten interessiert der Gebrauchswert nur, insofern er die Verkörperung von Tauschwert und vor allem von Mehrwert ist. Sein Ziel besteht darin, eine Ware zu produzieren, deren Wert höher ist als die in ihre Produktion investierte Wertsumme. Wie kann das geschehen? Nehmen wir eine beliebige Ware, z.B. Baumwollgarn, und analysieren wir das darin vergegenständlichte Quantum Arbeit. Nehmen wir an, daß zur Herstellung von 10 Pfund Garn 10 Pfund Baumwolle im Wert von 10 sh. nötig sind (wobei wir den Abfall außer Betracht lassen). Ferner sind bestimmte Arbeitsmittel erforderlich: eine Dampfmaschine, Kamm
maschinen und andere Maschinerie, Kohle, Schmiermittel etc. Der Einfachheit halber bezeichnen wir das alles als „Spindeln" und nehmen an, daß der Verschleiß, Kohle etc., die nötig sind zur Verspinnung von 10 Pfund Garn, 2 sh. repräsentieren. So haben wir 10 sh. für Baumwolle und 2 sh. für Spindel = 12 sh. Wenn 12 sh. das Produkt von 24 Arbeitsstunden oder zwei Arbeitstagen repräsentieren, dann vergegenständlichen Baumwolle und Spindel im Garn zwei Arbeitstage. Wieviel wird nun durch das Spinnen zugesetzt? Nehmen wir an, daß der Wert der Arbeitskraft per diem1 3 sh. beträgt und daß diese 3 sh. die Arbeit von sechs Stunden repräsentieren. Ferner, daß ein Arbeiter sechs Stunden benötigt, um 10 Pfund Garn zu spinnen. In diesem Falle sind dem Produkt durch Arbeit 3 sh. zugesetzt worden; der Wert der 10 Pfund Garn beträgt 15 sh. oder 1 sh. 6 d. per Pfund. Dieser Prozeß ist sehr einfach, doch ihm entspringt kein Mehrwert. Das kann auch nicht sein, da in der kapitalistischen Produktion die Dinge nicht so einfach vor sich gehen. „Sehn wir näher zu. Der Tageswert der Arbeitskraft betrug 3 sh., weil in ihr selbst ein halber Arbeitstag vergegenständlicht ist. Daß ein halber Arbeitstag nötig, um ihn während 24 Stunden am Leben zu erhalten, hindert den Arbeiter keineswegs, einen ganzen Tag zu arbeiten. Der Wert der Arbeitskraft und ihre Verwertung im Arbeitsprozeß sind also zwei verschiedne Größen. Diese Wertdifferenz hatte der Kapitalist im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft, Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine Conditio sine qua non, weil Arbeit in nützlicher Form verausgabt werden muß, um Wert zu bilden. Was aber entschied, war der spezifische Gebrauchswert dieser Ware, Quelle von Wert zu sein und von mehr Wert, als sie selbst hat. Dies ist der spezifische Dienst, den der Kapitalist von ihr erwartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Warenaustausches gemäß. In der Tat, der Verkäufer der Arbeitskraft, wie der Verkäufer jeder andren Ware, realisiert ihren Tauschwert und veräußert ihren Gebrauchswert. Er kann den einen nicht erhalten, ohne den andren wegzugeben. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft, die Arbeit selbst, gehört ebensowenig ihrem Verkäufer, wie der Gebrauchswert des verkauften Öls dem Ölhändler. Der Geldbesitzer hat den Tages wert der Arbeitskraft gezahlt; ihm gehört daher ihr Gebrauch während des Tages, die tagelange Arbeit. Der Umstand, daß die tägliche Erhaltung der Arbeitskraft nur einen halben Arbeitstag kostet, obgleich die Arbeitskraft einen ganzen Tag
wirken, arbeiten kann, daß daher der Wert, den ihr Gebrauch während eines Tags schafft, doppelt so groß ist als ihr eigner Tageswert, ist ein besondres Glück für den Käufer, aber durchaus kein Unrecht gegen den Verkäufer." Der Arbeiter arbeitet also 12 Stunden, spinnt 20 Pfund Garn, das 20 sh. Baumwolle und 4 sh. Spindeln etc. repräsentiert, und seine Arbeit kostet 3 sh., insgesamt 27 sh. Saugten 10 Pfund Baumwolle 6 Arbeitsstunden ein, so haben 20 Pfund Baumwolle 12 Arbeitsstunden eingesaugt, gleich 6 sh. „ In den 20 Pfund Garn sind jetzt 5 Arbeitstage vergegenständlicht, 4 in der verzehrten Baumwoll- und Spindelmasse, 1 von der Baumwolle eingesaugt während des Spinnprozesses. Der Goldausdruck von 5 Arbeitstagen ist aber 30 sh. Dies also der Preis der 20 Pfund Garn. Das Pfund Garn kostet nach wie vor 1 sh. 6 d. Aber die Wertsumme der in den Prozeß geworfenen Waren betrug 27 sh. Der Wert des Produkts ist um 1/9 gewachsen über den zu seiner Produktion vorgeschoßnen Wert. So haben sich 27 sh. in 30 sh. verwandelt. Sie haben einen Mehrwert von 3 sh. gesetzt. Das Kunststück ist endlich gelungen. Geld ist in Kapital verwandelt. Alle Bedingungen des Problems sind gelöst und die Gesetze des Warenaustausches in keiner Weise verletzt. Äquivalent wurde gegen Äquivalent ausgetauscht. Der Kapitalist zahlte als Käufer jede Ware zü ihrem Wert, Baumwolle, Spindelmasse, Arbeitskraft. Er tat dann, was jeder andre Käufer von Waren tut. Er konsumierte ihren Gebrauchswert. Der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft, der zugleich Produktionsprozeß der Ware, ergab ein Produkt von 20 Pfund Garn mit einem Wert von 30 sh. Der Kapitalist kehrt nun zum Markt zurück und verkauft Ware, nachdem er Ware gekauft hat. Er verkauft das Pfund Garn zu 1 sh. 6 d., keinen Deut über oder unter seinem Wert. Und doch zieht er 3 sh. mehr aus der Zirkulation heraus, als er ursprünglich in sie hineinwarf. Dieser ganze Verlauf, die Verwandlung seines Geldes in Kapital, geht in der Zirkulationssphäre vor und geht nicht in ihr vor. Durch die Vermittlung der Zirkulation, weil bedingt durch den Kauf der Arbeitskraft auf dem Warenmarkt. Nicht in der Zirkulation, denn sie leitet nur den Verwertungsprozeß ein, der sich in der Produktionssphäre zuträgt. Und so ist ,tout pour le mieux dans le meilleur des mondes possibles'11791."1 Von der Darlegung der Art und Weise der Produktion des Mehrwerts geht Herr Marx über zu dessen Analyse. Aus dem Vorangegangenen geht hervor, daß nur ein Teil des in einem produktiven Unternehmen angelegten
Kapitals direkt zur Produktion von Mehrwert beiträgt, und das ist das für den Ankauf von Arbeitskraft vorgeschossene Kapital. Nur dieser Teil produziert neuen Wert; das in Maschinerie, Rohmaterial, Kohle etc. angelegte Kapital erscheint zwar im Wert des Produkts pro tanto1 wieder, es wird erhalten und reproduziert, doch es kann sich kein Mehrwert aus ihm bilden. Dies veranlaßt Herrn Marx, eine neue Unterteilung des Kapitals vorzuschlagen: in konstantes Kapital, das nur reproduziert wird - der in Maschinerie, Rohmaterial und allen anderen zum Arbeitsprozeß notwendigen Mitteln angelegte Teil; und in variables Kapital, das nicht bloß reproduziert wird, sondern zugleich direkte Quelle von Mehrwert ist - der im Ankauf von Arbeitskraft und in Löhnen angelegte Teil. Daraus wird klar, daß das konstante Kapital nicht direkt zur Produktion von Mehrwert beiträgt, wie notwendig es auch dafür sein mag; und außerdem hat die in einem Produktionszweig angelegte Masse konstanten Kapitals nicht den geringsten Einfluß auf die in diesem Zweig produzierte Mehrwertmasse.* Daher kann das konstante Kapital bei der Bestimmung der Rate des Mehrwerts nicht berücksichtigt werden. Diese kann nur bestimmt werden durch den Vergleich der Größe des Mehrwerts mit der Größe des Kapitals, das direkt zur Bildung des Mehrwerts beiträgt, d.h. mit der Größe des variablen Kapitals. Herr Marx bestimmt deshalb die Rate des Mehrwerts als Verhältnis des Mehrwerts lediglich zum variablen Kapital: beträgt der tägliche Preis der Arbeit 3 sh. und der täglich geschaffene Mehrwert ebenfalls 3 sh., so beträgt die Rate des Mehrwerts 100 Prozent. Zu welchen Kuriosa es führen kann, wenn man, wie das gewöhnlich getan wird, konstantes Kapital als aktiven Faktor bei der Produktion von Mehrwert betrachtet, kann man am Beispiel des Herrn N.W. Senior sehen, „als der wegen seiner ökonomischen Wissenschaft und seines schönen Stils berufene Professor von Oxford im Jahre 1836 nach Manchester zitiert wurde, um hier politische Ökonomie zu lernen (von den Baumwollspinnern), statt sie in Oxford zu lehren".2 Die Arbeitszeit, während der der Arbeiter den Wert seiner Arbeitskraft reproduziert, nennt Herr Marx „notwendige Arbeit"; die darüber hinaus gearbeitete Zeit, während der Mehrwert produziert wird, nennt er „Mehrarbeit". Notwendige Arbeit und Mehrarbeit bilden zusammen den „Arbeitstag".
* Wir müssen hier bemerken, daß Mehrwert keinesfalls mit Profit identisch ist.
In einem Arbeitstag ist die notwendige Arbeitszeit gegeben; doch die für die Mehrarbeit verwandte Zeit wird durch kein ökonomisches Gesetz festgesetzt, sie kann innerhalb gewisser Schranken länger oder kürzer sein. Sie kann nie gleich null sein, da dann für den Kapitalisten der Anreiz wegfiele, Arbeit zu gebrauchen. Gleichzeitig kann die Gesamtlänge des Arbeitstages aus physiologischen Gründen nie 24 Stunden erreichen. Zwischen einem Arbeitstag von sage 6 und einem von 24 Stunden gibt es jedoch viele Zwischenstufen. Die Gesetze des Warenaustausches verlangen, daß der Arbeitstag nicht länger sei, als mit dem normalen Verschleiß des Arbeiters vereinbar ist. Doch was ist normaler Verschleiß? Wieviel Stunden täglicher Arbeit sind damit vereinbar? In diesem Punkt gehen die Meinungen des Kapitalisten und des Arbeiters weit auseinander, und da es keine höhere Autorität gibt, wird die Frage durch Gewalt entschieden. Die Geschichte der Normierung des Arbeitstages ist die Geschichte eines Kampfes um dessen Schranken - eines Kampfes zwischen dem Gesamtkapitalisten und dem Gesamtarbeiter, zwischen der Klasse der Kapitalisten und der Arbeiterklasse. „Das Kapital, wie bereits bemerkt, hat die Mehrarbeit nicht erfunden. Überall, wo ein Teil der Gesellschaft das Monopol der Produktionsmittel besitzt, muß der Arbeiter, frei oder unfrei, der zu seiner Selbsterhaltung notwendigen Arbeitszeit überschüssige Arbeitszeit zusetzen, um die Lebensmittel für den Eigner der Produktionsmittel zu produzieren, sei dieser Eigentümer nun atheniensischer «aAög xäytxftoQ1^ etruskischer Theokrat, civis romanus2, normännischer Baron, amerikanischer Sklavenhalter, walachischer Bojar, moderner Landlord oder Kapitalist." 3 Indes ist klar, daß in jeder Gesellschaftsformation, in der der Gebrauchswert des Produkts wichtiger als sein Tauschwert ist, die Mehrarbeit durch einen engeren oder weiteren Kreis von gesellschaftlichen Bedürfnissen beschränkt ist; und daß unter diesen Umständen nicht unbedingt der Wunsch nach Mehrarbeit um ihrer selbst willen besteht. So stellen wir fest, daß im klassischen Altertum Mehrarbeit in ihrer krassesten Form, das Zu-Tode-Arbeiten des Arbeiters, fast ausschließlich in Goldund Silberbergwerken existierte, wo der Tauschwert in seiner selbständigen Form, als Geld produziert wurde. „Sobald aber Völker, deren Produktion sich noch in den niedrigren Formen der Sklavenarbeit, Fronarbeit usw. bewegt, hineingezogen werden in einen durch die kapitalistische Produktionsweise beherrschten Weli
markt, der den Verkauf ihrer Produkte ins Ausland zum vorwiegenden Interesse entwickelt, wird den barbarischen Greueln der Sklaverei, Leibeigenschaft usw. der zivilisierte Greuel der Uberarbeit aufgepfropft. Daher bewahrte die Negerarbeit in den südlichen Staaten der amerikanischen Union einen gemäßigt patriarchalischen Charakter, solange die Produktion hauptsächlich auf den unmittelbaren Selbstbedarf gerichtet war. In dem Grade aber wie der Baumwollexport zum Lebensinteresse jener Staaten, ward die Überarbeitung des Negers, hier und da die Konsumtion seines Lebens in sieben Arbeitsjahren, Faktor eines berechneten und berechnenden Systems... Ahnlich mit der Fronarbeit, z.B. in den Donaufürstentümern."1 Hier wird der Vergleich mit der kapitalistischen Produktion besonders interessant, weil die Mehrarbeit in der Fronarbeit eine selbständige, sinnlich wahrnehmbare Form besitzt. „Gesetzt der Arbeitstag zähle 6 Stunden notwendiger Arbeit und 6 Stunden Mehrarbeit. So liefert der freie Arbeiter dem Kapitalisten wöchentlich 36 Stunden Mehrarbeit. Es ist dasselbe, als arbeite er 3 Tage in der Woche für sich und 3 Tage in der Woche umsonst für den Kapitalisten. Aber dies ist nicht sichtbar. Mehrarbeit und notwendige Arbeit verschwimmen ineinander. Ich kann daher dasselbe Verhältnis z.B. auch so ausdrücken, daß der Arbeiter in jeder Minute 30 Sekunden für sich und 30 Sekunden für den Kapitalisten arbeitet usw. Anders mit der Fronarbeit. Die notwendige Arbeit, die z.B. der walachische Bauer zu seiner Selbsterhaltung verrichtet, ist räumlich getrennt von seiner Mehrarbeit für den Bojaren. Die eine verrichtet er auf seinem eignen Felde, die andre auf dem herrschaftlichen Gut. Beide Teile der Arbeitszeit existieren daher selbständig nebeneinander. In der Form der Fronarbeit ist die Mehrarbeit genau abgeschieden von der notwendigen Arbeit."3 Wir müssen davon absehen, weitere interessante Beispiele der modernen Sozialgeschichte der Donaufürstentümer zu zitieren, durch die Herr Marx beweist, daß die Bojaren, unterstützt durch die russische Intervention, es ebenso gut verstehen, Mehrarbeit auszusaugen, wie jeder kapitalistische Unternehmer. Doch was das Reglement organique[173], durch das der russische General Kisselew den Bojaren fast unbeschränkte Macht über die Arbeit der Bauern gab, positiv ausdrückt, drücken die englischen Fabrikgesetze negativ aus. „Diese Gesetze zügeln den Drang des Kapitals nach maßloser Aus
saugung der Arbeitskraft durch gewaltsame Beschränkung des Arbeitstags von Staats wegen, und zwar von Seiten eines Staats, den Kapitalist und Landlord beherrschen. Von einer täglich bedrohlicher anschwellenden Arbeiterbewegung abgesehn, war die Beschränkung der Fabrikarbeit diktiert durch dieselbe Notwendigkeit, welche den Guano auf die englischen Felder ausgoß. Dieselbe blinde Raubgier, die in dem einen Fall die Erde erschöpft, hatte in dem andren die Lebenskraft der Nation an der Wurzel ergriffen. Periodische Epidemien sprachen hier ebenso deutlich als das abnehmende Soldatenmaß in Deutschland und Frankreich."1 Um die Tendenz des Kapitals nach Verlängerung des Arbeitstages über jedes vernünftige Maß hinaus zu beweisen, zitiert Herr Marx ausführlich aus den Berichten der Fabrikinspektoren, der Kommission zur Untersuchung der Kinderarbeit, aus den Berichten über öffentliche Gesundheit und anderen Parlamentsdokumenten und resümiert in folgenden Schlußfolgerungen: „,Was ist ein Arbeitstag?' Wie groß ist die Zeit, während deren das Kapital die Arbeitskraft, deren Tageswert es zahlt, konsumieren darf? Wie weit kann der Arbeitstag verlängert werden über die zur Reproduktion der Arbeitskraft selbst notwendige Arbeitszeit? Auf diese Fragen, man hat es gesehn, antwortet das Kapital: Der Arbeitstag zählt täglich volle 24 Stunden nach Abzug der wenigen Ruhestunden, ohne welche die Arbeitskraft ihren erneuerten Dienst absolut versagt. Es versteht sich zunächst von selbst, daß der Arbeiter seinen ganzen Lebenstag durch nichts ist außer Arbeitskraft, daß daher alle seine disponible Zeit von Natur und Rechts wegen Arbeitszeit ist, also der Selbstverwertung des Kapitals angehört... Aber in seinem maßlos blinden Trieb nach Mehrarbeit überrennt das Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein physischen Maximalschranken des Arbeitstags ... Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Arbeitskraft ... Die kapitalistische Produktion produziert die vorzeitige Erschöpfung und Abtötung der Arbeitskraft selbst. Sie verlängert die Produktionszeit des Arbeiters während eines gegebenen Termins durch Verkürzung seiner Lebenszeit."2 Aber ist dies nicht selbst gegen das Interesse des Kapitals? Muß das Kapital nicht im Laufe der Zeit die Kosten dieses unmäßigen Verschleißes ersetzen? Das mag theoretisch der Fall sein. In der Praxis hat der organisierte Sklavenhandel im Innern der Südstaaten den Verschleiß der Arbeitskraft des Sklaven in sieben Jahren zu einem anerkannten ökonomischen
Prinzip erhoben; in der Praxis verläßt sich der englische Kapitalist auf die Zufuhr von Arbeitern aus den Landdistrikten. „Was die Erfahrung dem Kapitalisten im allgemeinen zeigt, ist eine beständige Übervölkerung, d.h. Übervölkerung im Verhältnis zum augenblicklichen Verwertungsbedürfnis des Kapitals, obgleich sie aus verkümmerten, schnell hinlebenden, sich rasch verdrängenden, sozusagen unreif gepflückten Menschengenerationen ihren Strom bildet. Allerdings zeigt die Erfahrung dem verständigen Beobachter auf der andren Seite, wie rasch und tief die kapitalistische Produktion, die, geschichtlich gesprochen, kaum von gestern datiert, die Volkskraft an der Lebenswurzel ergriffen hat, wie die Degeneration, der industriellen bevölkrung nur durch beständige Absorption naturwüchsiger Lebenselemente vom Lande verlangsamt wird, und wie selbst die ländlichen Arbeiter, trotz freier Luft und des unter ihnen so allmächtig waltenden Prinzips der natürlichen Auslese, das nur die kräftigsten Individuen aufkommen läßt, schon abzuleben beginnen. Das Kapital, das so ,gute Gründe' hat, die Leiden der es umgebenden Arbeitergeneration zu leugnen, wird in seiner praktischen Bewegung durch die Aussicht auf zukünftige Verfaulung der Menschheit und schließlich doch unaufhaltsame Entvölkerung so wenig und so viel bestimmt als durch den möglichen Fall der Erde in die Sonne. In jeder Aktienschwindelei weiß jeder, daß das Unwetter einmal einschlagen muß, aber jeder hofft, daß es das Haupt seines Nächsten trifft, nachdem er selbst den Goldregen aufgefangen und in Sicherheit gebracht hat. Apres moi le deluge!1 ist der Wahlruf jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation. Das Kapital ist daher rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird. Im großen und ganzen hängt dies aber auch nicht vom guten oder bösen Willen des einzelnen Kapitalisten ab. Die freie Konkurrenz macht die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion dem einzelnen Kapitalisten gegenüber als äußerliches Zwangsgesetz geltend."2 Die Festsetzung des normalen Arbeitstages ist das Resultat eines vielhundertjährigen Kampfes zwischen Unternehmer und Arbeiter. Und es ist interessant, die zwei entgegengesetzten Strömungen in diesem Kampf zu beobachten. Anfangs haben die Gesetze zum Ziel, die Arbeiter zu zwingen, länger zu arbeiten; vom ersten Arbeitergesetz, im 23. Jahr der Regierung Edward III. (1349) erlassen, bis zum 18. Jahrhundert gelang es den herrschenden Klassen niemals, aus den Arbeitern das volle Quantum mög
licher Arbeit herauszupressen. Doch mit der Einführung von Dampf- und moderner Maschinerie wendete sich das Blatt. Die Einführung der Frauenund Kinderarbeit warf so schnell alle traditionellen Schranken der Arbeitszeit um, daß das 19. Jahrhundert mit einem System der Überarbeitung begann, das in der Weltgeschichte ohne Beispiel dasteht und das bereits 1802 die Gesetzgebung zwang, Beschränkungen der Arbeitszeit festzulegen. Herr Marx gibt einen umfassenden Bericht über die Geschichte der englischen Fabrikgesetzgebung bis zum Fabrikgesetz von 1867 und gelangt zu diesen Schlußfolgerungen: 1. Maschinerie und Dampf führen zu einer Überarbeitung zuerst in den Industriezweigen, in denen sie angewandt werden, und gesetzliche Beschränkungen werden deshalb zuerst in diesen Zweigen eingeführt. In der Folgezeit stellen wir jedoch fest, daß dieses System der Überarbeitung sich auf fast alle Zweige ausgedehnt hat, selbst auf jene, in denen keine Maschinerie angewandt wird oder in denen die primitivsten Produktionsweisen fortbestehen {siehe die Berichte der Kommission zur Untersuchung der Kinderarbeit). 2. Mit der Einführung der Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken verliert der vereinzelte „freie" Arbeiter seine Widerstandskraft gegenüber den Übergriffen des Kapitals und muß sich bedingungslos ergeben. Das zwingt ihn zum gemeinsamen Widerstand; der Kampf Klasse gegen Klasse, Gesamtarbeiter gegen Gesamtkapitalisten beginnt. Wenn wir jetzt zu dem Moment zurückkehren, wo wir annahmen, daß unser „freier" und „gleicher" Arbeiter einen Kontrakt mit dem Kapitalisten eingeht, stellen wir fest, daß sich im Produktionsprozeß vieles wesentlich geändert hat. Dieser Kontrakt ist seitens des Arbeiters kein freier Kontrakt. Die tägliche Zeit, wofür es ihm freisteht, seine Arbeitskraft zu verkaufen, ist die Zeit, wofür er gezwungen ist, sie zu verkaufen; und nur die Massenopposition der Arbeiter erzwingt die Einführung eines Staatsgesetzes, um sie selbst zu verhindern, sich und ihre Kinder durch „freiwilligen" Kontrakt in Tod und Sklaverei zu verkaufen. „An die Stelle des prunkvollen Katalogs der .unveräußerlichen Menschenrechte' tritt die bescheidne Magna Charta11™1 eines gesetzlich beschränkten Arbeitstags."1 Als nächstes haben wir die Rate des Mehrwerts und ihr Verhältnis zur Masse des produzierten Mehrwerts zu analysieren. Wie bisher, unterstellen wir in dieser Untersuchung, daß der Wert der Arbeitskraft eine gegebene, konstante Größe ist.
1 Siehe Band 23 unserer Ausgabe, S.320
20 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Unter dieser Voraussetzung bestimmt die Rate zugleich die Masse des Mehrwerts, die der einzelne Arbeiter in einer bestimmten Zeit dem Kapitalisten liefert. Beträgt der Tages wert unserer Arbeitskraft 3 sh., die 6 Arbeitsstunden verkörpern, und die Rate des Mehrwerts 100 Prozent, so produziert das variable Kapital von 3 sh. täglich einen Mehrwert von 3 sh., oder der Arbeiter liefert täglich 6 Stunden Mehrarbeit. Da das variable Kapital der Geldausdruck des "Werts aller gleichzeitig von einem Kapitalisten verwandten Arbeitskräfte ist, so erhält man die Masse des durch die Arbeitskräfte produzierten Mehrwerts, indem man das variable Kapital mit der Rate des Mehrwerts multipliziert; mit anderen Worten, sie wird bestimmt durch das Verhältnis zwischen der Anzahl der gleichzeitig beschäftigten Arbeitskräfte und dem Exploitationsgrad. Beide Faktoren können sich verändern, so daß die Abnahme des einen durch Zunahme des anderen ersetzt werden kann. Ein variables Kapital, das zur Verwendung von 100 Arbeitern bei einer Rate des Mehrwerts von 50 Prozent (sage 3 Stunden täglicher Mehrarbeit) erforderlich ist, wird keinen höheren Mehrwert produzieren als die Hälfte dieses variablen Kapitals, das 50 Arbeiter bei einer Rate des Mehrwerts von 100 Prozent (sage 6 Stunden täglicher Mehrarbeit) verwendet. So kann unter gewissen Umständen und innerhalb gewisser Grenzen die dem Kapital zur Verfügung stehende Zufuhr der Arbeit unabhängig von der jeweiligen Arbeiterzufuhr werden. Diese Steigerung des Mehrwerts durch Steigerung seiner Rate hat jedoch ihre absoluten Schranken. Welches immer der Wert der Arbeitskraft sein mag, ob er nun zwei oder zehn Stunden notwendiger Arbeitszeit verkörpern werde, der Gesamtwert, den ein Arbeiter Tag für Tag produziert, kann nie den Wert erreichen, worin sich 24 Arbeitsstunden vergegenständlichen. Um eine gleiche Masse von Mehrwert zu erhalten, kann das variable Kapital nur innerhalb dieser Grenzen durch Verlängerung des Arbeitstages ersetzt werden. Dies wird später wichtig sein, um verschiedene Erscheinungen zu erklären, die aus den zwei widersprechenden Tendenzen des Kapitals entstehen: 1. die beschäftigte Arbeiteranzahl zu reduzieren, d.h. die Größe des variablen Kapitals, und 2. doch die größtmögliche Masse Mehrarbeit zu produzieren. Ferner: „Die von verschiednen Kapitalen produzierten Massen von Wert und Mehrwert verhalten sich bei gegebnem Wert und gleich großem Exploitationsgrad der Arbeitskraft direkt wie die Größen der variablen Bestandteile dieser Kapitale. Dies Gesetz widerpricht offenbar aller auf den Augenschein gegründeten Erfahrung. Jedermann weiß, daß ein Baumwollspinner, der relativ viel konstantes und wenig variables Kapital anwendet,
deswegen keinen kleinren Gewinn oder Mehrwert erbeutet als ein Bäcker, der relativ viel variables und wenig konstantes Kapital in Bewegung setzt. Zur Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs bedarf es noch vieler Mittelglieder, wie es vom Standpunkt der elementaren Algebra vieler Mittelglieder bedarf, um zu verstehn, daß -jj- eine wirkliche Größe darstellen kann."1 Für ein gegebenes Land und eine gegebene Länge des Arbeitstages kann der Mehrwert nur vermehrt werden durch Vermehrung der Arbeiteranzahl, d.h. der Bevölkerung; diese Vermehrung bildet die mathematische Grenze für die Produktion des Mehrwerts durch das Gesamtkapital dieses Landes. Wenn andererseits die Arbeiteranzahl gegeben ist, wird diese Grenze gebildet durch die mögliche Verlängerung des Arbeitstages. Später wird man sehen, daß dieses Gesetz nur für die bisher analysierte Form des Mehrwerts gilt. In diesem Stadium unserer Untersuchung stellen wir fest, daß nicht jede Geldsumme in Kapital verwandelt werden kann; daß dafür ein bestimmtes Minimum existiert: die Kosten einer einzigen Arbeitskraft und der Arbeitsmittel, die notwendig sind, um sie in Bewegung zu setzen. Angenommen, die Rate des Mehrwerts betrage 50 Prozent, dann müßte unser werdender Kapitalist zwei Arbeiter beschäftigen, um selbst wie ein Arbeiter leben zu können. Dabei könnte er jedoch nichts sparen, aber Zweck der kapitalistischen Produktion ist nicht nur Erhaltung, sondern auch und in erster Linie Vermehrung des Reichtums. „Damit er nur doppelt so gut lebe wie ein gewöhnlicher Arbeiter und die Hälfte des produzierten Mehrwerts in Kapital zurückverwandle, müßte er zugleich mit der Arbeiterzahl das Minimum des vorgeschoßnen Kapitals um das Achtfache steigern. Allerdings kann er selbst, gleich seinem Arbeiter, unmittelbar Hand im Produktionsprozesse anlegen, aber ist dann auch nur ein Mittelding zwischen Kapitalist und Arbeiter, ein .kleiner Meister*. Ein gewisser Höhegrad der kapitalistischen Produktion bedingt, daß der Kapitalist die ganze Zeit, während deren er als Kapitalist, d.h. als personifiziertes Kapital funktioniert, zur Aneignung und daher Kontrolle fremder Arbeit und zum Verkauf der Produkte dieser Arbeit verwenden könne. Die Verwandlung des Handwerksmeisters in den Kapitalisten suchte das Zunftwesen des Mittelalters dadurch gewaltsam zu verhindern, daß es die Arbeiteranzahl, die ein einzelner Meister beschäftigen durfte, auf ein sehr geringes Maximum beschränkte. Der Geld- oder
Warenbesitzer verwandelt sich erst wirklich in einen Kapitalisten, wo die für die Produktion vorgeschoßne Minimalsumme weit über dem mittelaltrigen Maximum steht. Hier, wie in der Naturwissenschaft, bewährt sich die Richtigkeit des von Hegel in seiner ,Logik* entdeckten Gesetzes, daß bloß quantitative Verändrungen auf einem gewissen Punkt in qualitative Unterschiede umschlagen."1 Das Minimum der Wertsumme, das erforderlich ist, um einen Geldoder Warenbesitzer in einen Kapitalisten zu verwandeln, wechselt auf verschiedenen Entwicklungsstufen der kapitalistischen Produktion und bei einer gegebenen Entwicklungsstufe für verschiedene Geschäftszweige. Während des oben ausführlich behandelten Produktionsprozesses hat sich das Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter wesentlich verändert. In erster Linie hat sich das Kapital zum Kommando über die Arbeit, d.h. über den Arbeiter selbst entwickelt. Das personifizierte Kapital, der Kapitalist, paßt auf, daß der Arbeiter seine Arbeit regelmäßig, sorgfältig und mit dem gehörigen Grad von Intensität verrichte. „Das Kapital entwickelte sich ferner zu einem Zwangsverhältnis, welches die Arbeiterklasse nötigt, mehr Arbeit zu verrichten, als der enge Umkreis ihrer eignen Lebensbedürfnisse vorschrieb. Und als Produzent fremder Arbeitsamkeit, als Auspumper von Mehrarbeit und Exploiteur von Arbeitskraft übergipfelt es an Energie, Maßlosigkeit und Wirksamkeit alle frühern auf direkter Zwangsarbeit beruhenden Produktionssysteme. Das Kapital ordnet sich zunächst die Arbeit unter mit den technischen Bedingungen, worin es sie historisch vorfindet. Es verändert daher nicht unmittelbar die Produktionsweise. Die Produktion von Mehrwert in der bisher betrachteten Form, durch einfache Verlängrung des Arbeitstags, erschien daher von jedem Wechsel der Produktionsweise selbst unabhängig. Sie war in der altmodischen Bäckerei nicht minder wirksam als in der modernen Baumwollspinnerei. Betrachten wir den Produktionsprozeß unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsprozesses, so verhielt sich der Arbeiter zu den Produktionsmitteln nicht als Kapital, sondern als bloßem Mittel und Material seiner zweckmäßigen produktiven Tätigkeit. In einer Gerberei z.B. behandelt er die Felle als seinen bloßen Arbeitsgegenstand. Es ist nicht der Kapitalist, dem er das Fell gerbt. Anders, sobald wir den Produktionsprozeß unter dem Gesichtspunkt des Verwertungsprozesses betrachteten. Die Produktionsmittel verwandelten sich sofort in Mittel zur Einsaugung fremder Arbeit.
Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, sondern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter anwenden. Statt Von ihm als stoffliche Elemente seiner produktiven Tätigkeit verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen Lebensprozesses, und der Lebensprozeß des Kapitals besteht nur in seiner Bewegung als sich selbst verwertender Wert. Schmelzöfen und Arbeitsgebäude, die des Nachts ruhn und keine lebendige Arbeit einsaugen, sind,reiner Verlust' für den Kapitalisten. Darum konstituieren Schmelzöfen und Arbeitsgebäude einen »Anspruch auf die Nachtarbeit' der Arbeitskräfte." (Siehe „Berichte der Kommission zur Untersuchung der Kinderarbeit." 4. Bericht, 1865, Seite 79 bis 85.) „Die bloße Verwandlung des Geldes in Produktionsmittel verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf fremde Arbeit und Mehrarbeit."1 Es gibt jedoch noch eine andere Form des Mehrwerts. Wenn die äußerste Grenze des Arbeitstages erreicht ist, bleibt dem Kapitalisten noch ein anderes Mittel zur Erhöhung der Mehrarbeit: durch Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, durch daraus folgende Senkung des Werts der Arbeitskraft und Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit. Diese Form des Mehrwerts wird in einem zweiten Artikel untersucht werden.
Geschrieben zwischen dem 22.Mai und I.Juli 1868. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Resolution über die Verlegung des Tagungsortes des Kongresses der Internationale 1868t180]]
In Erwägung, 1. daß das belgische Parlament soeben das Gesetz, wonach jeder Ausländer durch die belgische Exekutivgewalt des Landes verwiesen werden kann, um drei Jahre verlängert hat; 2. daß es unvereinbar ist mit der Würde der Internationalen Arbeiterassoziation, den Kongreß an einem Ort einzuberufen, wo er sich in der Gewalt der örtlichen Polizei befände; 3. daß Artikel 3 der Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation festlegt, der Generalrat könne im Notfall den Ort der Zusammenkunft des Kongresses verlegen; beschließt der Generalrat, den Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation zum 5. September 1868 nach London einzuberufen.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Resolution des Generalrats zum Auftreten Felix Pyats[1813j
Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation weist jede Verantwortung für die Rede von sich, die Felix Pyat, der keinerlei Verbindung zur Assoziation hat, auf der öffentlichen Versammlung in Cleveland Hall gehalten hat.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
Karl Marx
Mein Plagiat an F. Bastiat[182]
In 1 entdeckt ein Bastiatit, daß ich die Bestimmung der Wertgröße der Waren durch die zu ihrer Produktion „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" dem F. Bastiat abstibitzt habe, und noch dazu in verballhornter Form. Ich könnte mir dies Quiproquo schon gefallen lassen. Wenn nämlich dieser Bastiatit Nr. I Bastiats und meine Wertbestimmungen der Sache nach identisch findet, erklärt ein Bastiatit Nr. II ziemlich gleichzeitig in dem Leipziger „Literarischen Centralblatt" vom ...
....... "2 n, lrrfi Aririitmri vnn Ractiatit Nr I 711 Ractiatit Nr TT profäKp sicli alert das Fazit, daß das ganze Heer der Bastiatiten jetzt in mein Lager übergehn und meine Entwicklungen über das Kapital in Bausch und Bogen annehmen müßte. Man begreift, daß ich nur nach hartem Seelenkampf auf solche Annexationsfreuden verzichte. Die in meiner Schrift „Das Kapital", 1867, enthaltene Wertbestimmung findet sich schon 2 Dezennien früher in meiner Schrift gegen Proudhon: „Misere de la Philosophie", Paris 1847. (p.49 seqq.3) Bastiats Wertweisheit kam erst einige Jahre später auf die Welt.[183] Ich konnte daher nicht den Bastiat abschreiben, wohl aber der Bastiat mich. Jedoch gibt Bastiat in der Tat gar keine Analyse des Werts. Er tritt nur begriffslose Vorstellungen breit, zum tröstlichen Nachweis, daß „die Welt voll großer, trefflicher, täglicher Dienst'"[184] ist. Die deutschen
1 In der Handschrift freigelassener Platz für den Titel „Vierteljahrschrift für Volkswirthschaft und Kulturgeschichte" - 2 in der Handschrift freigelassener Platz für das Datum - 4. Juli 1868 - und folgendes Zitat: „Die Zurückweisung der Werttheorie ist die einzige Aufgabe desjenigen, der Marx bekämpft; denn wenn dies Axiom zugegeben ist, muß man Marx die mit strengster Logik gezogenen Konsequenzen fast alle zugestehen," 3 sieh? p§ncl 4 Ausgabe, S,98ff.
Bastiatiten sind bekanntlich alle nationalliberal. Ich leiste ihnen also auch „großen, trefflichen Dienst" durch einen Fingerzeig auf den spezifisch preußischen Ursprung des Bastiatschen Weisheitsfundes. Der alte Schmalz war nämlich preußischer Regierungsrat, wenn ich nicht irre, sogar geh. pr. Regierungsrat. Er war außerdem Demagogenriecher[185]. Dieser alte Schmalz also veröffentlichte 1818 zu Berlin ein „Handbuch der Staatswirthschaftslehre". Die französische Ubersetzung seines Handbuchs erschien 1826 zu Paris unter dem Titel: „Economie Politique". Der Übersetzer, Henri Jouffroy, figurierte auf dem Titel als „Conseiller au Service de Prusse"1. In folgendem Zitat wird man die Bastiatsche Wertvorstellung nicht nur dem Inhalt, sondern selbst dem Wortlaut nach quintessenzlich vorfinden: „Le travail d'autrui en general ne produit jamais pour nous qu'une economie de temps, et [que] cette economie de temps est tout ce qui constitue sa valeur et son prix. Le menuisier, par exemple, qui me fait une table, et le domestique qui porte mes lettres ä la poste, qui bat mes habits, ou qui cherche pour moi les choses qui me sont necessaires, me rendent l'un et l'autreun service absolumentdememe nature; Tun et l'autre mepargne et le temps que je serais oblige d'employer moi-meme ä ces occupations, et celui qu'il m'aurait fallu consacrer ä acquerir l'aptitude et les talents qu'elles exigent." 2 (Schmalz, I.e. t.I, p.304.) Man weiß also jetzt, wo Bastiat sein Fett, ich wollte sagen, sein Schmalz hergeholt hat.
Geschrieben um den 11. Juli 1868. Nach der Handschrift.
1 „Preußischer Regierungsrat" - 2 „Die Arbeit anderer bringt uns überhaupt nur eine Zeitersparnis, und diese Zeitersparnis ist alles, was ihren Wert und ihren Preis ausmacht. Der Tischler, welcher mir einen Tisch verfertigt, und der Bediente, welcher mir Briefe auf die Post trägt, meine Kleider reinigt und die mir nötigen Dinge holt, beide tun mir ganz gleichen Dienst; sie ersparen mir die Zeit, und zwar zwiefache Zeit; die erste die, welche ich jetzt aufwenden müßte, um das selbst zu tun; die zweite die, welche ich hätte anwenden müssen, uro mir die Geschicklichkeit dazu zu erwerben."
Karl Marx rü-Uv r* [i^i Kiai ung aes oenerairats über die Stellung der britischen Regierung zum zaristischen Rußland11861]
Der Rat der Internationalen Arbeiterassoziation verurteilt die Unterwürfigkeit, die die britische Regierung neuerlich gegenüber Rußland bekundet hat, indem sie einen Monat nach dem Ukas der russischen Regierung, durch den die Bezeichnung Polen abgeschafft wurde, im Budget das Adjektiv polnische vor dem Wort Emigranten strich.
Karl Marx
[Resolutionsentwurf über die Folgen der Anwendung von Maschinen durch die Kapitalisten, dem Brüsseler Kongreß vom Generalrat vorgeschlagenC187J]
Einerseits hat sich die Maschinerie als eines der mächtigsten Instrumente des Despotismus und der Aussaugung in den Händen der Kapitalistenklasse erwiesen; andererseits schafft die Entwicklung der Maschinerie die notwendigen materiellen Bedingungen zur Verdrängung des Systems der Lohnarbeit durch ein wahrhaft soziales System der Produktion.
Karl Marx
An den Präsidenten und Vorstand des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins11881
[„Social-Demokrat" Nr. 100 vom 28. August 1868] London, 18. August 1868 Zum Abschluß der Vorarbeiten für den Brüßler Kongreß ist eine Sitzung der Exekutivkommission des Generalrats der Internationalen Arbeiter-As soziation[189] auf den 22. August anberaumt und eine Plenarsitzung des Generalrats auf den 25.August. Da ich für beide Tage mit Berichterstattung beauftragt bin, finde ich mich außerstand, der ehrenvollen Einladung zur Teilnahme an dem Kongreß des Allgemeinen] Deutschen] Arb[eiter]Vereins in Hamburg nachzukommen. Ich sehe mit Freude, daß das Programm Ihres Kongresses die Punkte festgesetzt hat, welche in der Tat die Ausgangspunkte aller ernsten Arbeiterbewegung bilden müssen: Agitation für volle politische Freiheit, Reglung des Arbeitstags und planmäßige, internationale Kooperation der Arbeiterklasse in der großen, weltgeschichtlichen Aufgabe, welche sie für die ganze Gesellschaft zu lösen hat. Glückauf zum Werk!
Mit demokratischem Gruße Karl Marx
Karl Marx
[Resolutionsentwurf über die Beschränkung des Arbeitstages, dem Brüsseler Kongreß vom Generalrat vorgeschlagen11901]
Nachdem der Genfer Kongreß von 1866 einstimmig folgende Resolution angenommen hat, wonach „die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages eine Vorbedingung ist, ohne welche alle weiteren sozialen Verbesserungen unmöglich sind", ist der Rat der Auffassung, daß nun die Zeit gekommen ist, praktische Folgerungen aus dieser Resolution zu ziehen, und daß es Pflicht aller Sektionen ist, dies als praktische Frage für die verschiedenen Länder zu beraten, in denen Organisationen der Internationalen Arbeiterassoziation bestehen.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
Karl Marx
Vierter jährlicher Bericht des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation11911
Das Jahr 1867/1868 macht Epoche in der Internationalen Arbeiterassoziation. Nach einer Periode ruhigen Fortschritts schwoll ihr Wirkungskreis mächtig genug, um bittre Denunziation von seiten der herrschenden Klassen und RegierungsVerfolgungen1 hervorzurufen. Sie trat in das Stadium des Kampfes. Die französische Regierung ging natürlich voran in der Reaktion gegen die Arbeiterklasse. Schon im vorigen Jahre hatten wir einzelne feindliche Manöver derselben zu denunzieren - Unterschlagung von Briefen, Konfiskation unsrer Statuten, Abfangung der Dokumente des Genfer Kongresses an der französischen Grenze2. Letztere, lange vergeblich zu Paris herausverlangt, wurden uns endlich nur zurückerstattet unter dem offiziellen Druck von Lord Stanley, dem englischen Minister des Auswärtigen. In diesem Jahr jedoch hat das Kaisertum die Maske ganz weggeworfen. Es hat offen die Internationale Arbeiterassoziation durch seine Polizei3 und seine Gerichte zu vernichten gesucht. Die Dezemberdynastie schuldet ihre Existenz dem Klassenkampf, dessen großartigste Erscheinung die JuniInsurrektion von 1848 war. Sie spielte daher notwendig abwechselnd die Rollen des Retters der Bourgeoisie und des patriarchalischen Gönners des Proletariats. Sobald die wachsende Macht der Internationalen Arbeiterassoziation in den Strikes von Amiens, Roubaix, Paris, Genf usw.[192] deutlich hervortrat, war der selbsternannte Arbeiterpatron auf die Alternative beschränkt, sich unsrer Gesellschaft zu bemächtigen oder sie zu unterdrücken. Im Anfang verlangte man nicht viel. Ein Manifest, welches die Pariser Abgeordneten auf dem Kongreß zu Genf (1866) verlesen und im
1 In der „Times": und feindselige Schritte der Regierungen- 2 siehe vorl. Band, S.532 3 in der „Times": durch polizeiliche Überfälle
folgenden Jahre zu Brüssel veröffentlicht hatten11931, war an der französischen Grenze konfisziert worden. Auf Anfrage unsres Pariser Komitees über die Gründe dieses Gewaltschritts lud der Minister Rouher ein Komiteemitglied zu persönlicher Besprechung ein. Während der darauffolgenden Zusammenkunft verlangte er zunächst Milderung und Änderung einiger Stellen des Manifests. Auf die abschlägige Antwort erwiderte er: „Dennoch konnte man sich verständigen, wenn Sie nur einige Worte des Danks an den Kaiser einfließen ließen, der so sehr viel für die Arbeiterklasse getan hat." t1B4l Dieser zarte Wink Rouhers, des Unterkaisers, fand nicht das erwartete Verständnis. Von diesem Augenblick lauerte das Dezemberregime auf irgendeinen Vor wand zur gewaltsamen Beseitigung der Assoziation. Sein Ärger wuchs infolge der antichauvinistischen Agitation unsrer französischen Mitglieder nach dem Preußisch-Ostreichischen Krieg. Kurz darauf, als der fenische panic seinen Höhepunkt in England erreicht, richtete der Generalrat der I.A.A. eine Petition an die britische Regierung, worin die bevorstehende Hinrichtung der drei Manchester Märtyrer als gerichtlicher Mord bezeichnet war1. Gleichzeitig hielten wir öffentliche Meetings in London zur Verteidigung der Rechte Irlands. Stets ängstlich um Englands Gunst buhlend, hielt die französische Regierung jetzt die Umstände reif zu einem Schlag gegen die I.A.A. auf beiden Seiten des Kanals. Während der Nacht brach ihre Polizei in die Wohnungen unsrer Pariser Komiteemitglieder ein, durchstöberte ihre Privatbriefe und verkündete geräuschvoll in der englischen Presse, man habe das Zentrum der fenischen Verschwörung endlich entdeckt. Eins ihrer Hauptorgane sei die I. A. A.[195] Viel Lärm um Nichts! Die gerichtliche Untersuchung fand trotz besten Willens nicht den Schatten eines Corpus delicti.2 Nachdem der Versuch, die I.A.A. in eine geheime Verschwörungsgesellschaft zu verwandeln, so schmählich gescheitert war, griff man zur nächsten besten Ausflucht. Man verfolgte das Pariser Komitee als eine unautorisierte Gesellschaft von mehr als 20 Mitgliedern.11961 Die französischen Richter, eingedrillt in die kaiserliche Disziplin, erklärten natürlich ohne weiteres die Gesellschaft für aufgelöst und verurteilten die Komiteemitglieder zu Geldstrafe und
1 In der „Times" lautet der letzte Teil des Satzes: „worin die Milderung des Urteils über die drei Manchester Märtyrer gefordert und ihre Verurteilung zum Tode durch den Strang als politischer Racheakt bezeichnet war" (den Text der Petition siehe vorl. Band, S. 219). - 2 in der „Times" an Stelle dieses Satzes: „All ihre mühseligen Untersuchungen führten jedoch zu nichts. Der öffentliche Ankläger selbst ließ seine Anklage voller Abscheu fallen."
Gefängnis1. Jedoch beging das Gericht die Naivetät, in den Erwägungsgründen seines Urteilsspruchs zweierlei zu proklamieren, einerseits die wachsende Macht der I.A.A., andrerseits die Unverträglichkeit des Dezemberreichs mit der Existenz einer Arbeitergesellschaft, welche Wahrheit, Recht und Moral ernsthaft als leitende Prinzipien behandeln. Die Folgen dieser Vorgänge machten sich bald fühlbar in den Departements, wo kleinliche Präfekturhetzereien den Fariser Verurteilungen auf dem Fuß nachfolgten. Statt jedoch vor diesen Regierungschikanen zu fallen, saugte die I. A. A. nur neue Lebenskraft daraus. Nichts hat ihren Einfluß in Frankreich mehr gefördert, als daß sie das Dezemberregime endlich zum offenen Bruch mit der Arbeiterklasse zwang. In Belgien rühmt sich unsere Gesellschaft großer Fortschritte. Die Minenbesitzer im Becken von Charleroi trieben ihre Kohlenarbeiter durch unausgesetzte Plackereien zur Erneute, um hinterher die bewaffnete Gewalt auf die unbewaffnete Menge loszulassen. In Mitte dieser hervorgerufenen Panik nahm der belgische Zweig der I.A.A. die Sache der Kohlenarbeiter in die Hand, enthüllte durch die Presse und auf öffentlichen Meetings ihre elende ökonomische Lage, unterstützte die Familien der Gefallenen und Verwundeten und verschaffte gerichtlichen Beistand für die Gefangenen. Sie alle wurden schließlich durch die Jury freigesprochen.t1971 Seit den Ereignissen in Charleroi war unser Erfolg in Belgien gesichert. Unterdes denunzierte der Justizminister Jules Bara in der belgischen Deputiertenkammer die I.A.A. und machte ihre Existenz zum Hauptvorwand für die Erneuerung des Fremdengesetzes. Er drohte sogar mit Verbot des Brüßler Kongresses. Die belgische Regierung sollte endlich einsehn, daß kleine Staaten nur noch den einen Existenzgrund in Europa haben, die Asyle der Freiheit zu sein. In Italien ward die Assoziation gelähmt durch die Reaktion im Gefolge der Metzelei von Mentanat1981. Eine der nächsten Folgen Waren polizeiliche Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts. Dennoch beweist unsre ausgedehnte Korrespondenz, daß die italienische Arbeiterklasse sich mehr und mehr eine von allen alten Parteien unabhängige Individualität erringt. In Preußen kann die I.A.A. nicht gesetzlich bestehn, weil ein Gesetz[199] jeden Zusammenhang preußischer Arbeitervereine mit auswärtigen Gesell
1 In der „Times" lautet dieser Satz: „Die französischen Richter, eingedrillt in die kaiserliche Disziplin, beeilten sich natürlich, die Auflösung der Gesellschaft und die Verhaftung ihres Pariser Komitees anzuordnen."
schaften untersagt. Zudem wiederholt die prjeußische] Regierung auf kleinlichem Maßstab die bonapartistische Politik, z.B. in ihren Quengeleien mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. Stets auf dem Sprung, sich in die Haare zu fallen, sind die Militärregierungen stets einig, wenn es einen Kreuzzug gegen ihren gemeinschaftlichen Feind, die Arbeiterklasse, gilt. Trotz allem gesetzlichen Hindernis jedoch haben sich seit langem kleine, über ganz Deutschland zerstreute Zweige um unser Komitee zu Genf gruppiert.c200] Auf seinem letzten Kongreß zu Hamburg beschloß der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, der besonders in Norddeutschland verbreitet ist, im Einklang mit der I.A.A. zu handeln[201], wenn auch gesetzlich außerstande, sich ihr offiziell anzuschließen. Der bevorstehende Nürnberger Kongreß, Repräsentant von ungefähr 100 Arbeitervereinen, die namentlich Mittel- und Süddeutschland angehören, hat den direkten Anschluß an die I.A.A. auf seine Tagesordnung gesetzt. Auf den Wunsch seines leitenden Komitees haben wir einen Delegierten nach Nürnberg geschickt.[202J In Ostreich gewinnt die Arbeiterbewegung einen mehr und mehr ausgeprägten1 Charakter. Für Anfang September wurde von Wien aus ein Kongreß anberaumt zur Verbrüderung der Arbeiter der verschiedenen Völkerschaften des Kaiserreichs. Man veröffentlichte zugleich ein Einladungsschreiben an Engländer und Franzosen, worin die Prinzipien der I.A.A. proklamiert sind. Euer Generalrat hatte bereits einen Delegierten für Wien ernannt[203], als das gegenwärtige liberale östreichische Kabinett, auf dem Punkt, der Feudalreaktion zu erliegen, so hellsichtig war, auch um die Feindschaft der Arbeiter durch das Verbot ihres Kongresses zu werben. In den Kämpfen der Bauarbeiter zu Genf handelte es sich gewissermaßen um die Existenz der I.A.A. in der Schweiz. Die Bauherrn machten nämlich den Austritt der Arbeiter aus der I.A.A. zur vorläufigen Bedingung jeden Kompromisses. Die Arbeiter wiesen diese Anmaßung entschieden zurück. Dank der Hülfe, die ihnen in der Schweiz selbst ward, als auch vermittelst der I.A.A. von Frankreich, England, Deutschland und Belgien, haben sie schließlich eine Verkürzung des Arbeitstags2 und eine Erhöhung des Arbeitslohns3 erobert. Bereits tief gewurzelt im Schweizerboden, griff die I.A.A. nun rasch um sich. Unter anderem beschlossen 50 deutsche
1 In der „Times": revolutionären -2 in der „Times" eingefügt: um eine Stunde -3 in der „Times" eingefügt: um 10 Prozent
21 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Arbeiterbildungsvereine, vielleicht die ältesten in Europa, vorigen Herbst auf ihrem Kongreß zu Neuenburg einstimmig den Anschluß an die I.A.A.12041 In England hat die politische Bewegung1, die Auflösung der alten Parteien und die Vorbereitung für den kommenden Wahlkampf viele unsrer besten Kräfte in Anspruch genommen und unsre Propaganda daher verlangsamt. Nichtsdestoweniger eröffneten wir eine lebhafte Korrespondenz mit den provinzialen Trades Unions. Ein Teil derselben hat bereits seinen Zutritt erklärt. Unter den neugewonnenen Verzweigungen in London behaupten die Trades Unions der Lederarbeiter und City-Schuhmacher, der Zahl ihrer Mitglieder nach, den ersten Rang. Euer Generalrat unterhielt eine beständige Verbindung mit der Nationalen Arbeiterunion der Vereinigten Staaten. Auf ihrem letzten Kongreß August 1867 hatte die amerikanische Union die Absendung eines Vertreters zum diesjährigen Brüßler Kongreß votiert, versäumte aus Zeitmangel jedoch, die nötigen Maßregeln zur Ausführung des Beschlusses zu treffen;2051 Die latente Macht der nordamerikanischen Arbeiterklasse leuchtet hervor aus der gesetzlichen Einführung eines 8stündigen Arbeitstags in den öffentlichen Werkstätten der Föderalregierung und aus der Erlassung eines allgemeinen 8-Stunden-Gesetzes in 8 bis 9 Einzelstaaten der Föderation. Dennoch untergeht die amerikanische Arbeiterklasse augenblicklich, in New York z.B., einen verzweifelten Kampf gegen das rebellische Kapital, welches die Ausführung des 8-Stunden-Gesetzes mit allen großen ihm zu Gebot stehenden Mitteln zu vereiteln sucht. Diese Tatsache beweist, daß selbst unter den günstigsten politischen Verhältnissen jeder ernsthafte Erfolg der Arbeite] kl isse von der Reife der Organisation abhängt, welche ihre Kräfte schult und konzentriert. Und selbst ihre nationale Organisation scheitert leicht an dem Mangel ihrer Organisation jenseits der Landesgrenzen, da alle Länder auf dem Weltmarkt konkurrieren und einander daher wechselseitig beeinflussen. Nur ein internationales Band der Arbeiterklasse kann ihren definitiven Sieg sichern. Es war dies Bedürfnis, welches die Internationale Arbeiterassoziation schuf. Sie ist nicht die Treibhauspflanze einer Sekte oder einer Theorie. Sie ist ein naturwüchsiges Gebild der proletarischen Bewegung, die ihrerseits aus den normalen und unwiderstehlichen Tendenzen der modernen Gesellschaft entspringt. Tief durchdrungen von der Größe ihres Berufs,
läßt sich die I.A.A. weder einschüchtern noch mißleiten. Ihr Geschick ist von nun an unzertrennbar verschlungen mit dem geschichtlichen Fortschritt der Klasse, die in ihrem Schoß die Wiedergeburt der Menschheit birgt. Für den General rat: Robert Shaw, Vorsitzender J.George Eccarius, Generalsekretär
London, 1. September 1868
Nach der handschriftlichen Kopie von Jenny Marx.
Friedrich Engels
An das Direktorium der Schiller-Anstalt12061
Manchester, 16. September 1868 Wie mir Herr Davisson mitteilt, hat das Direktorium in seiner Sitzung vom 7. Sept. den Beschluß gefaßt, Herrn Karl Vogt einzuladen, eine Vorlesung in der Anstalt zu halten. So sehr ich dies bedaure, so versetzt mich dieser Beschluß doch in die Notwendigkeit, meine Stelle als Vorsitzender wie als Mitglied des Direktoriums niederzulegen. Auf die sachlichen Gründe, aus denen ich, wäre ich gegenwärtig gewesen, gegen diesen Beschluß gestimmt haben würde, brauche ich hier nicht einzugehen. Diese Gründe sind es nicht, welche mir meinen Entschluß zur Pflicht machen. Mein Austritt erfolgt lediglich aus Gründen, die die Anstalt nicht berühren. In den Jahren 1859 und 1860 haben meine politischen Freunde und ich gegen Herrn Vogt unter Beibringung von Beweisen schwere Beschuldigungen politischer Art erhoben. (Siehe die Schrift „Herr Vogt" von Karl Marx, London 1860.1) Herr Vogt hat auf diese, seitdem von andren Seiten wiederholten Anklagen bis jetzt geschwiegen. Diese ganze Angelegenheit sowie die damals darüber geführte Polemik ist wahrscheinlich den übrigen Mitgliedern des Direktoriums unbekannt oder von ihnen vergessen. Sie haben das volle Recht, von Herrn Vogts politischem Charakter abzusehn und ihn als den mehr oder weniger angenehmen Popularisierer der naturwissenschaftlichen Entdeckungen anderer zu betrachten. Mir ist das nicht gestattet. Bliebe ich, nach obigem Beschluß, noch im Direktorium, so würde ich dadurch meine ganze politische Vergangenheit und meine politischen Freunde verleugnen. Ich würde damit
einem Manne ein Vertrauensvotum geben, von dem ich es für bewiesen halte, daß er im Jahre 1859 ein bezahlter bonapartistischer Agent gewesen. Nur eine solche zwingende Notwendigkeit konnte mich bewegen, aus einer Stellung zu scheiden, in der ich unter jetzt glücklich überwundenen Schwierigkeitenta071 auszuharren für meine Schuldigkeit hielt. Ich danke den Herren Mitgliedern des Direktjpriumsl herzlich für das Vertrauen, das sie mir in so reichem Maße geschenkt haben, und scheide von ihnen mit der Bitte, mir dieselben freundschaftlichen Gesinnungen zu bewahren, welche ich stets für sie hegen werde. Hochachtungsvoll F. E.
Nach dem handschriftlichen Entwurf.
Friedrich Engels
Zur Auflösung des Lassalleanischen Arbeitervereins12081
[„Demokratisches Wochenblatt" Nr. 40 vom 3. Oktober 1868] „Die Regierung weiß, und die Bourgeoisie weiß auch, daß die ganze jetzige deutsche Arbeiterbewegung nur geduldet ist, nur so lange lebt, wie es der Regierung beliebt. Solange der Regierung damit gedient ist, daß diese Bewegung besteht, daß der bürgerlichen Opposition neue, unabhängige Gegner erwachsen, solange wird sie diese Bewegung dulden. Von dem Augenblick an, wo diese Bewegung die Arbeiter zu einer selbständigen Macht entwickelt, wo sie dadurch der Regierung gefährlich wird, hört die Sache sofort auf. Die Art und Weise, wie den Fortschrittlern die Agitation in Presse, Vereinen und Versammlungen gelegt worden ist, möge den Arbeitern zur Warnung dienen. Dieselben Gesetze, Verordnungen und Maßregeln, welche da in Anwendung gebracht worden sind, können jeden Tag gegen sie angewendet werden und ihrer Agitation den Garaus machen; sie werden es, sobald diese Agitation gefährlich wird. Es ist von der höchsten Wichtigkeit, daß die Arbeiter in diesem Punkte klarsehen, daß sie nicht derselben Täuschung verfallen wie die Bourgeoisie unter der Neuen Ära, wo sie ebenfalls nur geduldet war, aber bereits im Sattel zu sein glaubte. Und wenn jemand sich einbilden sollte, die jetzige Regierung würde die Presse, das Vereins- und Versammlungsrecht von den jetzigen bessein befreien, so gehört er eben zu den Leuten, mit denen nicht mehr zu sprechen ist. Und ohne Preßfreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht ist keine Arbeiterbewegung möglich." Diese Worte stehen auf S. 50 und 51 einer Broschüre: „Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei", von Friedrich Engels, Hamburg 1865.1 Damals wurde der Versuch gemacht, den Allgemeinen Deut
sehen Arbeiterverein - seinerzeit die einzige organisierte Vereinigung sozialdemokratischer Arbeiter in Deutschland - unter die Fittiche des Ministeriums Bismarck zu bringen, indem man den Arbeitern Aussicht machte, die Regierung werde das allgemeine Stimmrecht bewilligen. Das „allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht" war ja von Lassalle als das einzige und unfehlbare Mittel zur Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse gepredigt worden; was Wunder, daß da auf so untergeordnete Dinge wie Preßfreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht, für die ja auch die Bourgeoisie einstand oder wenigstens einzustehen behauptete, herabgesehen wurde? Wenn sich die Bourgeoisie dafür interessierte, war das nicht gerade ein Grund für die Arbeiter, sich von der Agitation für solche Dinge fernzuhalten? Gegen diese Auffassung wandte sich das genannte Schriftchen. Die Leiter des Allgem. Deutschen Arbeitervereins wußten das besser, und der Verfasser hatte nur die Satisfaktion, daß die Lassalleaner seiner Vaterstadt Barmen ihn und seine Freunde in Acht und Bann erklärten. Und wie stehen die Sachen heute? Das „allgemeine, direkte, gleiche Wahlrecht" existiert seit zwei Jahren. Zwei Reichstage sind bereits durchgewählt. Die Arbeiter, statt am Staatsruder zu sitzen und „Staatshilfe" nach Lassalles Vorschrift zu dekretieren, bringen mit Ach und Krach ein halbes Dutzend Abgeordnete in den Reichstag. Bismarck ist Bundeskanzler, und der Allgem. Deutsche Arbeiterverein ist aufgelöst. Warum aber das allgemeine Wahlrecht den Arbeitern nicht das versprochene Tausendjährige Reich gebracht hat, darüber konnten sie sich auch bereits bei Engels Rats erholen. Es heißt in obiger Broschüre, S.48: „Und was selbst das allgemeine, direkte Wahlrecht angeht, so braucht man nur nach Frankreich zu gehen, um sich zu überzeugen, welche zahme Wahlen man damit zustande bringen kann, sobald man eine zahlreiche stupide Landbevölkerung, eine wohlorganisierte Bürokratie, eine gut gemaßregelte Presse, durch Polizei hinreichend niedergehaltene Vereine und gar keine politischen Versammlungen hat. Wieviel Vertreter der Arbeiter bringt denn das allgemeine Stimmrecht in die französische Kammer? Und doch hat das französische Proletariat vor dem deutschen eine viel größere Konzentration und eine längere Erfahrung im Kampf und in der Organisation voraus. Dies bringt uns noch auf einen andern Punkt. In Deutschland ist die Landbevölkerung doppelt so stark wie die Städtebevölkerung, d.h. es leben 2/3 vom Ackerbau, von der Industrie. Und da der große Grundbesitz in Deutschland die Regel, der kleine Parzellenbauer die Ausnahme ist, so heißt das mit andern Worten: wenn der Arbeiter unter dem Kommando
der Kapitalisten steht, so stehen 2/3 unter dem Kommando der Feudal" herren. Die Leute, welche in einem fort über die Kapitalisten herhacken, aber gegen die Feudalen kein Wörtchen des Zorns haben, mögen sich das zu Gemüte führen. Die Feudalen beuten in Deutschland doppelt soviel Arbeiter aus wie die Bourgeois. Das ist aber noch lange nicht alles. Die patriarchalische Wirtschaft auf den alten Feudalgütern bringt eine angestammte Abhängigkeit des ländlichen Taglöhners oder Häuslers von seinem »gnädigen Herrn' zuwege, die dem Ackerbauproletarier den Eintritt in die Bewegung der städtischen Arbeiter sehr erschwert. Die Pfaffen, die systematische Verdummung auf dem Lande, der schlechte Schulunterricht, die Abgeschlossenheit der Leute von aller Welt tun den Rest. Das Ackerbauproletariat ist derjenige Teil der Arbeiterklasse, dem seine eignen Interessen, seine eigne gesellschaftliche Stellung am schwersten und am letzten klarwerden, mit andern Worten, derjenige Teil, der am längsten ein bewußtloses Werkzeug in der Hand der ihn ausbeutenden, bevorzugten Klasse bleibt. Und welche Klasse ist dies? In Deutschland nicht die Bourgeoisie, sondern der Feudaladel. Nun hat selbst in Frankreich, wo doch fast nur freie grundbesitzende Bauern existieren, wo der Feudaladel aller politischen Macht längst beraubt ist, das allgemeine Stimmrecht die Arbeiter nicht in die Kammer gebracht, sondern sie fast ganz davon ausgeschlossen. Was würde das Resultat des allgemeinen Stimmrechts in Deutschland sein, wo der Feudaladel noch eine wirkliche soziale und politische Macht ist und wo zwei ländliche Tagelöhner auf einen industriellen Arbeiter kommen? Die Bekämpfung der feudalen und bürokratischen Reaktion - denn beide sind bei uns jetzt unzertrennbar - ist in Deutschland gleichbedeutend mit dem Kampf für geistige und politische Emanzipation des Landproletariatsund solange das Landproletariat nicht in die Bewegung mit hineingerissen wird, solange kann und wird das städtische Proletariat in Deutschland nicht das geringste ausrichten, solange ist das allgemeine Wahlrecht für das Proletariat nicht eine Waffe, sondern ein Fallstrick. Vielleicht wird diese sehr offenherzige, aber nötige Auseinandersetzung die Feudalen ermutigen, für das allgemeine, direkte Wahlrecht aufzutreten. Um so besser."1 Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ist aufgelöst worden nicht nur unter der Herrschaft des allgemeinen Stimmrechts, sondern auch gerade weil das allgemeine Stimmrecht herrscht. Engels hatte ihm vorhergesagt, er werde unterdrückt werden, sobald er gefährlich werde. In seiner
letzten Generalversammlung[209] hatte der Verein beschlossen: 1. für die Eroberung voller politischer Freiheit einzutreten und 2. mit der Internationalen Arbeiterassoziation zusammenzuwirken. Diese beiden Beschlüsse fassen einen vollständigen Bruch mit der ganzen Vergangenheit des Vereins in sich. Mit ihnen trat der Verein aus seiner bisherigen Sektenstellung heraus auf das breite Gebiet der großen Arbeiterbewegung. Aber höheren Orts scheint man sich eingebildet zu haben, dies sei gewissermaßen gegen die Absprache. Zu andern Zeiten hätte das soviel nicht verschlagen; aber seit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts, wo man sein ländliches und kleinstädtisches Proletariat vor solchen Umsturzbestrebungen sorgsam zu hüten hat! Das allgemeine Stimmrecht war der letzte Nagel am Sarge des Allgem. Deutschen Arbeitervereins. Es gereicht dem Verein zur Ehre, daß er gerade an diesem Bruch mit dem bornierten Lassalleanismus zugrunde gegangen ist. Was auch an seine Stelle treten möge, wird demzufolge auf einer weit allgemeineren, prinzipiellen Grundlage erbaut sein, als die paar ewig wiederholten Lassalleschen Redensarten von Staatshülfe bieten konnten. Von dem Augenblicke, wo die Mitglieder des aufgelösten Vereines anfingen zu denken, statt zu glauben, schwand das letzte Hindernis, das einer Verschmelzung aller deutschen sozialdemokratischen Arbeiter zu einer großen Partei im Wege stand.
Geschrieben Ende September 1868.
Friedrich Engels
ÜJUI nuiiv/oung des Lassalleanischen Arbeitervereins [Nachtrag12101]
[„Demokratisches Wochenblatt" Nr. 41 vom 10. Oktober 1868] Dem unter obiger Uberschrift erschienenen Aufsatz (in der vorigen Nummer) ist am Schluß des Zitats aus der Engelsschen Broschüre über das allgemeine Stimmrecht folgende Note beizufügen: Der von Lassalle dem Verein vererbte „Präsident der Menschheit", Bernhard Becker, überhäufte damals „die Partei Marx'", d.h. Marx, Engels und Liebknecht, mit den infamsten Beschimpfungen.* Jetzt, in seiner Schmutzschrift „Enthüllungen über das tragische Lebensende Ferdinand Lassalle's", welche seine eigene Jammerseele bloßlegt und nur durch die darin abgedruckten unterschlagenen Dokumente Interesse hat, verballhornt derselbe Becker den Engels wie folgt: „Allein, warum wird nicht für unbedingte Vereins-, Versammlungs- und Preßfreiheit agitiert? Warum suchen sich die Arbeiter nicht der ihnen in der Reaktionszeit angelegten Fesseln zu entledigen?" (S. 133.) „.. .Nur durch Weiterentwickelung der demokratischen Basis kann der Lassalleanismus aufgefrischt und in lauteren Sozialismus hinübergeleitet werden. Hierzu ist unter anderm nötig, daß die Interessen der Junker oder vermöglichen Gutsbesitzer nicht mehr geschont, sondern daß die sozialistische Theorie durch Anwendung an die große Masse der Landarbeiter, die in Preußen die Bevölkerung der Städte "bei weitem überragt, ergänzt und vervollständigt werde." (S. 134.) Man sieht, der Verfasser jener Broschüre (F. Engels) kann mit der Wirkung auf seine Gegner zufrieden sein.
Geschrieben Anfang Oktober 1868.
* Das saubere Geschäft wird jetzt von der Gräfin Hatzfeldt, der „Mutter" der Försterling-Mendeschen Karikatur des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, fortgesetzt.L2Ul
Karl Marx
[Die Verbindungen der Internationalen Arbeiterassoziation mit den englischen Arbeiterorganisationen12121]
[„Demokratisches Wochenblatt" Nr. 42 vom 17. Oktober 1868] Der außergewöhnliche Ernst, womit die englische und speziell die Londoner Presse die Internationale Arbeiterassoziation und ihren Brüsseler Kongreß behandelt (die „Times" allein hat darüber 4 Leitartikel gebracht), rief einen wahren Veitstanz in der deutschen Bourgeoispresse hervor. Sie, die deutsche Presse, belehrt die englische Presse über deren Irrtum, an die Bedeutung der Internationalen Arbeiterassoziation in England zu glauben! Sie entdeckt, daß die englischen Trades Unions, welche vermittelst der Internationalen Arbeiterassoziation den Pariser, Genfer und belgischen Arbeitern bedeutende Geldunterstützungen im Kampf gegen das Kapital zuschickten12131, ganz und gar nicht in Verbindung stehn mit derselben Internationalen Arbeiterassoziation! „Angeblich stützt sich all das", schreibt man uns aus London, „auf die Versicherung eines gewissen M. Hirsch*, den Schulze-Delitzsch eigens zum Behuf solchen Skandals nach England schickte. M. Hirsch sagt's und M. Hirsch ist ein ehrenwerter Mann! Ehren-Hirsch flößte den Unionisten (Mitgliedern der Trades Unions, Gewerksgenossenschaften) in London Verdacht ein, weil [er] £em Einführungsschreiben von seiten der Internationalen Arbeiterassoziation besaß. Er wurde einfach gefoppt. Kein Wunder daher, daß der Hirsch Böcke schießt! Hatte man ihn auch nur ernsthaft genommen, so konnte man ihm ohne besondere Vertrauensgeneigtheit mitteilen, was alle Welt in London weiß, nämlich daß der Allgemeine Rat der
* Dr. Max Hirsch, der „berühmte" Nationalökonom der Dunckerschen „VolksZeitung" l214l, ist damit gemeint. In London scheint man vor seiner Entdeckungsreise in die ihm unbekannten Regionen Englands keine Ahnung von der Existenz dieses neuesten Gesellschaftsretters gehabt zu haben.
Trades Unions[215J, der zu London residiert, aus 6 bis 7 Personen besteht, wovon drei, Odger (Sekretär des Allgemeinen Rats und Delegierter der Schuhmacher), R.Applegarth (Delegierter der vereinigten Zimmerleute und Tischler) und Howell (Delegierter der Maurer und Sekretär der Reformligue 1139 J) zugleich Mitglieder des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation sind. Er hätte ferner erfahren, daß die übrigen affiliierten Trades Unions (in London allein ungefähr 50, abgesehen von den provinzialen Trades Unions) durch weitere fünf Mitglieder, nämlich durch R. Shaw, Buckley, Cohn, Haies und Maurice, im Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation vertreten sind, außerdem aber jede Union das Recht und die Gewohnheit hat, für besondere Angelegenheiten Delegierte an den Generalrat zu schicken. Es sind ferner von englischer Seite im Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation vertreten: Kooperativgesellschaften, welche 3 Delegierte zum Brüsseler Kongreß schickten, durch Wim. Weston1 und Williams; die Reformligue durch Dell, Cowell Stepney und Lucraft, alle drei auch Mitglieder der Exekutivkommission der Reformligue; die National-Reform-Assoziation[216], eine Stiftung des verstorbenen Agitators Bronterre O'Brien, durch ihren Präsidenten A.E. Walton und Milner; endlich die atheistische Volksagitation durch ihre berühmte Rednerin Mrs. Harriet Law und Herrn Copeland. Man sieht, es existiert keine irgendwie bedeutende Bewegungspartei des britischen Proletariats, die nicht direkt, durch ihre eigenen Führer, im Schöße des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation vertreten wäre. Endlich ist der ,Bee-Hive' unter George Potters Leitung, das offizielle Organ der englischen Trades' Unions, zugleich das offizielle Organ des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation, über dessen Sitzungen er wöchentlich Bericht abstattet. Die Entdeckungen von Ehren-Hirsch und die darauf folgenden Jubelauslassungen der deutschen Bourgeoispresse lieferten ihrerseits erwünschtes Futter für den Londoner Korrespondenten der ,Weser-Zeitung* und den Londoner A Korrespondenten der ,Augsburgerin'[217]. Diese Person das doppelte Geschäft wird nämlich von einer und derselben Person verrichtet - haust aus ihr selbst am besten bekannten Gründen mehrere Stunden von London entfernt in einem abgelegenen Winkel. Hier macht sie ihre verschämten Auszüge aus ,Times', ,Morning Star' und ,Saturday
Review'[2185 mit einer ästhetischen Fischsauce für den Geschmack ihres Publikums zurecht. Von Zeit zu Zeit, wie im vorliegenden Fall, kaut sie auch den Kohl der deutschen Zeitungen unter dem falschen Datum in der ,Weser-Zeitung' und , Augsburger in' wieder. Besagter Korrespondent der »Weser-Zeitung' und ,Augsburgerin' ist niemand anders als der berüchtigte literarische Lumpenproletarier - Elard Biscamp. Seit lange von jedem anständigen Umgang ausgeschlossen, sucht der Unglückliche in gebranntem Wasser Stillung der Herzwunden, die Preußen ihm schlug durch die Annexion seines Vaterlandes Kurhessen und seines Freundes Edgar Bauer[al95."
Geschrieben am 4. Oktober 1868.
Karl Marx
Wie der Brief des Herrn Gladstone von 1866 an die Bank von England Rußland eine Anleihe von sechs Millionen verschaffte12201
[„The Diplomatie Review" vom 2. Dezember 1868] Herrn Gladstones Brief vom 11. Mai 1866 suspendierte den Bankakt von 1844 unter folgenden Bedingungen: 1. Der Mindestdiskontsatz sollte auf 10 Prozent erhöht werden. 2. Wenn die Bank die gesetzlich festgelegte Beschränkung ihrer Notenemission überschreitet, sollte der Gewinn aus einer solchen Mehremission von der Bank an die Regierung überwiesen werden.12211 Demzufolge erhöhte die Bank ihren Mindestdiskontsatz auf 10 Prozent (d.h. auf 15 bis 20 Prozent für die gewöhnlichen Kaufleute und Fabrikanten) und verletzte nicht den Buchstaben des Gesetzes von 1844, soweit es die Notenemission anbelangt. Abends wurden Noten von ihren Gönnern und anderen Kunden in der City eingesammelt, die am nächsten Morgen wieder ausgegeben wurden. Verletzt wurde jedoch der Geist des Gesetzes, indem man entsprechend dem Brief der Regierung zuließ, daß ihre Reserve auf den Nullpunkt zurückging, nach den Absichten des Gesetzes von 1844 bildet diese Reserve jedoch die einzigen disponiblen Aktiva der Bank gegenüber den Passiva ihres Banking-Departments. Herrn Gladstones Brief suspendierte daher den Peelschen Bankakt in solcher Weise, daß dessen schlimmste Folgen beibehalten, ja sogar künstlich verstärkt wurden. Ähnliches kann man weder dem Brief von Sir G.G. Lewis aus dem Jahre 1857 noch dem Brief Lord John Russells von 1847 nachsagen.12221 Die Bank hielt den Mindestdiskontsatz von 10 Prozent mehr als 3 Monate aufrecht. In Europa betrachtete man diesen Satz als ein gefährliches Anzeichen. Nachdem Herr Gladstone auf diese Weise eine höchst ungesunde Atmosphäre des Mißtrauens gegenüber der englischen Zahlungsfähigkeit
geschaffen hat, tritt Lord Ciarendon, der Held des Pariser Kongresses[223], auf den Plan und veröffentlicht in der „Times" einen erläuternden Brief an die englischen Botschaften auf dem Kontinent. Er teilte dem Kontinent mit sehr vielen Worten mit, daß nicht die Bank Von England bankrott sei (obwohl nach dem Gesetz von 1844 in Wirklichkeit gerade das der Fall war), wohl aber bis zu einem gewissen Grade Englands Industrie und Handel. Die unmittelbare Wirkung seines Briefes war nicht ein „Run" der Cockneys auf die Bank, sondern ein „Run* (nach Geld), den Europa auf England unternahm. (Diesen Ausdruck gebrauchte seinerzeit Herr Watkin im Unterhaus.) So etwas hatte es in der Geschichte des englischen Handels noch nicht gegeben. Gold wurde von London nach Frankreich transportiert, während gleichzeitig der offizielle Mindestdiskontsatz in London 10 Prozent und in Paris 31l% bis 3 Prozent betrug. Das beweist, daß der Goldabfluß keine normale kommerzielle Transaktion war. Er war ausschließlich das Ergebnis des Briefes von Lord Clarendon. Nachdem also der Mindestdiskontsatz von 10 Prozent mehr als drei Monate gehalten worden war, folgte die unvermeidliche Reaktion. Von 10 Prozent ging der Mindestsatz rapide auf 2 Prozent zurück, und dies ist auch vor wenigen Tagen noch der offizielle Banksatz gewesen. Unterdes waren alle englischen Wertpapiere, Eisenbahnaktien, Bankaktien, Bergwerksaktien, alle Arten inländischer Investments außerordentlich im Wert gesunken und wurden sorgsam gemieden. Sogar die Konsols fielen. (Einmal, während der Panik, verweigerte die Bank die Zahlung von Darlehen auf Konsols.) Da war die Stunde für Auslandsinvestments gekommen. Auf dem Londoner Markt wurden ausländische Regierungsanleihen zu den günstigsten Bedingungen abgeschlossen. An erster Stelle stand eine russische Anleihe von 6 Millionen Pfund Sterling. Diese russische Anleihe, die einige Monate zuvor an der Pariser Börse jämmerlich gescheitert war, wurde jetzt an der Londoner Börse als Gottesgabe begrüßt. Vergangene Woche erst hat Rußland eine neue Anleihe von 4 Millionen Pfund Sterling aufgelegt. Im Jahre 1866 brach Rußland, genau wie jetzt (9. November 1868), fast unter der Last finanzieller Schwierigkeiten zusammen, die infolge der Agrarrevolution, welche es jetzt durchmacht, einen höchst erschreckenden Charakter angenommen haben. Daß Rußland auf dem englischen Geldmarkt Tür und Tor geöffnet werden, ist noch das wenigste, was der Peelsche Bankakt für Rußland tut. Dieses Gesetz liefert England, das reichste Land der Welt, buchstäblich der Gnade der Moskowiter Regierung aus, der zahlungsunfähigsten Regierung -Europas.
Gesetzt, die russische Regierung hätte Anfang Mai 1866 im Namen einer privaten deutschen oder griechischen Firma ein bis anderthalb Millionen Pfund Sterling im Banking-Department der Bank von England deponiert. Durch den plötzlichen und unerwarteten Abzug dieser Summe hätte sie das Banking-Department zwingen können, die Zahlungen sofort einzustellen, auch wenn mehr als dreizehn Millionen Pfund Sterling an Gold im Emissions-Department gelegen hätten. Der Bankrott der Bank von England hätte folglich durch ein Telegramm aus St. Petersburg erzwungen werden können. Worauf Rußland 1866 nicht vorbereitet war, dazu wird es vielleicht 1876 in der Lage sein, falls der Peelsche Bankakt nicht aufgehoben wird.
Geschrieben am 9. November 1868. Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Erklärung an den Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London[224]]
23. November 1868 I, Modena Villas, Maitland Park, Haverstock Hill, London Herrn C. Speyer, Sekretär des Deutschen Arbeiterbildungsvereins Werter Freund, es ist mir mitgeteilt worden, daß der Verein ein Sendschreiben an die deutschen Arbeiter zu erlassen beschlossen hat, dessen Motiv „die Massenvereinigung der deutschen Arbeiter von Süd und Nord als Folge des Berliner Kongresses vom 26. September"[2251 sein soll. Unter diesen Umständen bin ich gezwungen, hiermit meinen Austritt aus dem Arbeiterverein zu erklären. Ein solches Sendschreiben bezweckt offenbar, oder schließt ein, eine öffentliche Parteiergreifung des Londoner Deutschen Arbeiterbildungsvereins für Schweitzer und seine Organisation gegen die Organisation des Nürnberger Kongresses, die den größten Teil von Süddeutschland nebst verschiednen Teilen Norddeutschlands umfaßt. Da ich in Deutschland als Mitglied, in der Tat ältestes Mitglied des Vereins bekannt bin, würde man mich, trotz aller möglichen Gegenversicherung, für diesen Schritt verantwortlich machen. Sie müssen aber einsehn, daß ich keine solche Verantwortlichkeit übernehmen kann. Erstens: Während der Streitigkeiten zwischen der Nürnberger Organisation, repräsentiert durch Liebkhecht, Bebel usw., und der Berliner Organisation, repräsentiert durch Schweitzer, haben sich beide Parteien schriftlich an mich gewandt. Ich habe geantwortet, daß ich als Sekretär des Generalrats der Intern. Arbeiterassoz. für Deutschland die Stellung des Unparteiischen behaupten muß. Ich habe beiden Teilen geraten, wenn sie
22 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
sich nicht amalgamieren können und wollen, Mittel und Wege zu suchen, um friedlich nebeneinander für den gemeinsamen Zweck zu wirken. Zweitens: Auf einen Brief des Herrn v. Schweitzer an mich habe ich ihm ausführlich auseinandergesetzt, warum ich weder die Art und Weise, worin der Berliner Kongreß bewerkstelligt worden, noch die von ihm anU,— [226] geiHJllllliciici i ULaiuign umigui »unn. Drittens: Der Nürnberger Kongreß hat sich direkt an die Intern. Arbeiterassoziation angeschlossen. Der Hamburger Kongreß - wovon der Berliner Kongreß eine Fortsetzung war - hat sich nur indirekt durch SympathieHin/lovnteeö /Iia vkvTA-«i-ftiQj-»l'k.ol C 1 Kialuilg ailgUO^uiv/OOWi Wvjgvi& vivi x »H^I »lioovj Wvaviiw utv J/i ^ui/io^liuj Gesetzgebung in den Weg stelle. Trotz dieser Hindernisse hat jedoch der neugebildete Berliner Demokratische Arbeitervereint227], der zur Nürnberger Organisation gehört, sich öffentlich und offiziell an die Internat. Arbeiterass. angeschlossen. Ich wiederhole, daß der Beschluß des Vereins mir unter diesen Umständen keine andre Wahl läßt, als meinen Austritt aus demselben zu erklären. Sie sind wohl so gütig, diese meine Zeilen dem Verein mitzuteilen.
Ihr ergebener Karl Marx
Nach der Handschrift.
Karl Marx
Die Internationale Arbeiterassoziation und die Allianz der sozialistischen Demokratie12281
Vor ungefähr einem Monat haben sich in Genf einige Bürger als Zentrales Initiativkomitee einer neuen internationalen Gesellschaft konstituiert, genannt „die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie", die sich „als spezielle Mission das Studium politischer und philosophischer Fragen auf der Grundlage dieses großen Prinzips der Gleichheit etc. gestellt hat". Das von diesem Initiativkomitee gedruckte Programm und Reglement ist dem Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation erst in seiner Sitzung vom 15. Dezember mitgeteilt worden/Nach diesen Dokumenten ist die genannte „Internationale Allianz völlig in der Internationalen Arbeiterassoziation aufgegangen" und zugleich völlig außerhalb dieser Assoziation gegründet. Neben dem von den Arbeiterkongressen in Genf, Lausanne und Brüssel gewählten Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation soll nach dem Reglement des Initiativkomitees ein weiterer, ein selbsternannter Zentralrat in Genf bestehen. Neben den lokalen Gruppen der Internationalen Assoziation sollen die lokalen Gruppen der Internationalen Allianz bestehen, die „durch ihre nationalen Büros", welche außerhalb der nationalen Büros der Internationalen Assoziation tätig sind, „beim Zentralbüro der Allianz ihre Aufnahme in die Internationale Arbeiterassoziation beantragen werden". Das Zentralkomitee der Allianz maßt sich somit also das Recht der Aufnahme in die Internationale Assoziation an. Schließlich soll auch der allgemeine Kongreß der Internationalen Assoziation noch sein Doppelstück im allgemeinen Kongreß der Internationalen Allianz finden, denn das Reglement des Initiativkomitees besagt: „Die Delegation der Allianz der sozialistischen Demokratie wird beim alljährlichen Arbeiterkongreß als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation ihre öffentlichen Sitzungen an einem getrennten Ort abhalten."
In Erwägung, daß das Vorhandensein einer zweiten internationalen Organisation, die innerhalb und außerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation tätig ist, das unfehlbarste Mittel wäre, diese zu desorganisieren; daß jede andere Gruppe von Personen an beliebigem Orte das Recht hätte, die Initiativgruppe von Genf nachzuahmen und unter mehr oder weniger plausiblen Vorwänden der Internationalen Arbeiterassoziation andere internationale Assoziationen mit anderen „speziellen Missionen" aufzupfropfen; daß die Internationale Arbeiterassoziation auf diese Weise bald zum Spielball der Intriganten aller Racen und Nationalitäten würde; daß zudem die Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation in ihrem Rahmen nur lokale und nationale Zweiggesellschaften zulassen (siehe Art. 1 und 6 der Statuten); daß es den Sektionen der Internationalen Assoziation verboten ist, sich Statuten und Verwaltungsverordnungen zu geben, die den Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Assoziation zuwiderlaufen (siehe Art. 12 der Verwaltungsverordnungen[229]); daß die Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Assoziation nur von einem allgemeinen Kongreß revidiert werden können, g-uf dem zwei Drittel der anwesenden Delegierten für eine solche Revision stimmen (siehe Art. 13 der Verwaltungsverordnungen);1 hat der Generalrai der Internationalen Assoziation in seiner Sitzung vom 22. Dezember 1868 einstimmig beschlossen: 1. Alle Artikel des Reglements der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie, die ihre Beziehungen zur Internationalen Arbeiterassoziation bestimmen, sind für null und nichtig erklärt; 2. Die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie wird nicht als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation zugelassen;
1 Bei der Beratung des Resolutionsentwurfs in der Sitzung des Generalrats vom 22. Dezember 1868 wurde in die Erwägungsgründe der Resolution auf Vorschlag Duponts folgender Zusäte aufgenommen, dessen endgültige Fassung vermutlich von Marx stammt: „daß die Frage durch die auf dem allgemeinen Kongreß zu Brüssel einstimmig angenommene Resolution gegen die Friedensligat230] präjudiziert ist; daß der Kongreß in dieser Resolution erklärt hat, die Friedensliga habe keinerlei Existenzberechtigung, da nach ihren jüngsten Erklärungen ihr Ziel und ihre Prinzipien mit denen der Internationalen Arbeiterassoziation identisch seien; daß mehrere Mitglieder der Genfer Initiativgruppe in ihrer Eigenschaft als Delegierte des Brüsseler Kongresses für diese Resolution gestimmt haben;"
3. Diese Resolution wird in allen Ländern veröffentlicht, wo die Internationale Arbeiterassoziation besteht.1 Im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
London, den 22. Dezember 1868
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Friedrich Engels
Bericht über die Knappschaftsvereine der Bergarbeiter in den Kohlen werken Sachsens[2311
[„Demokratisches Wochenblatt" Nr. 12 vom 20. März 1869] Die erste beste Lohnordnung, z.B. die der Niederwiirschnitzer Kompanie, zeigt uns die allgemeine Lage der Bergarbeiter in den Kohlenwerken des Erzgebirges. Der Wochenlohn beträgt für erwachsene Bergarbeiter 2 Tlr. bis 3 Tlr. 12 Sgr. 6 Pf., für Jungen 1 Tlr. 10 Sgr. bis 1 Tlr. 20 Sgr. Der Wochenlohn des Durchschnittsbergarbeiters beträgt ungefähr 22/3 Tlr. Auf Verlangen müssen sich die Arbeiter auf Stücklohn verdingen. Daß der Stücklohn den gewöhnlichen Taglohn kaum übersteigen kann, dafür sorgt die Lohnordnung. Jeder Arbeiter muß nämlich seine Kündigungsfrist monatlich geben, und zwar am ersten Tage jeden Monats. Weigert er sich also, unter den angebotenen Bedingungen auf Stücklohn zu arbeiten, so wird er dazu gezwungen, für 4-8 Wochen wenigstens. Es ist einfach lächerlich, unter solchen Umständen von Regelung des Stücklohns durch wechselseitige Ubereinkunft zu schwatzen, von freiem Kontrakt zwischen Arbeiter und Kapitalist! Die Löhne werden in zwei Stücken gezahlt, am 22. des Monats eine Abschlagssumme, am 8. des folgenden Monats der Lohnrest des verflossenen Monats. Der Kapitalist behält also seinen Arbeitern den geschuldeten Lohn im Durchschnitt für 3 volle Wochen vor - eine herrschaftliche Zwangsanleihe, um so wohltuender, als Geld damit gemacht, aber kein Zins dafür gezahlt wird. Die Ablösungen der Leute sind in der Regel zwölfstündig, und die oben angegebenen Wochenlöhne gelten für 6 zwölfstündige Arbeitstage. Der zwölfstündige Arbeitstag enthält 2 Stunden (2 halbe Stunden und 1 ganze Stunde) für Mahlzeiten oder sogenannte Aufsetzzeit. Bei dringender Arbeit sind die Ablösungen achtstündig (d.h. 3 Ablösungen in 48 Stunden per
Mann) mit einer halben Stunde Mahlzeit - und sogar sechsstündig. In letzterm Fall wird „gar keine Aufsetzzeit gestattet". Das Vorstehende liefert bereits ein trübes Bild von der Lage dieser Bergarbeiter. Zum Verständnis ihrer leibeigenschaftlichen Zustände bedarf es jedoch einer Durchmusterung der Statuten der Knappschaftsvereine. Nehmen wir diese Statuten für die Kohlen werke: I. des hohen und mächtigen Prinzen Schönburg, II. der Niederwürschnitzer Kompanie, III. der Niederwärschnitz-Kirchberger Kompanie und IV. der Vereinigten Lugauer Kompanien. Die Einnahmen der Knappschaftsvereine bestehen: 1. aus den Eintrittsgeldern und Beiträgen der Arbeiter, Strafgeldern, nicht reklamierten Löhnen usw. und 2. aus den Beiträgen der Kapitalisten. Die Arbeiter zahlen 3 oder 4 Prozent von ihren Löhnen, die Meister zahlen in I 7 Gr. 5 Pf. monatlich für jeden Beitrag zahlenden Bergarbeiter, in II 1 Pfennig von jedem Scheffel verkaufter Kohle, in III als erste Einlage und zur Begründung der Knappschaftskasse 500 Tlr., im übrigen dieselben Beiträge wie die Arbeiter, endlich in IV wie in II, aber mit einem Begründungseinschuß von 100 Tlr. für jede der Vereinigten Kompanien. Überheimelt uns hier nicht ein Stück freundlichster Harmonie zwischen Kapital und Arbeit? Wer wagt da noch von einem Gegensatz ihrer Interessen zu faseln? Aber, wie der große deutsche Denker Hansemann gesagt hat, in Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf.[232] Es fragt sich also: Was kostet dem Arbeiter die Großmut der „hohen Werkseigentümer"? Sehen wir zu. Die Kapitalisten tragen in einem Fall (III) soviel bei wie die Arbeiter, in allen anderen beträchtlich weniger. Dafür verlangen sie folgende Rechte, was das Eigentum an der Knappschaftskasse betrifft: I. „An der Knappschaftskasse steht den Knappschaftsmitgliedern ein Eigentumsrecht nicht zu, auch können die Mitglieder ein Mehreres als die Gewährungen, worauf sie eintretendenfalls statutengemäß Anspruch erlangen, aus der Kasse nicht begehren, insonderheit nicht auf Teilung derselben und der Bestände antragen, selbst dann nicht, im Fall der Betrieb des einen oder andern Werks aufhören sollte. Sollte der Betrieb Fürstlich-Schönburgischer Steinkohlenwerke in Oelsnitz ganz aufhören", so - nach Abfindung vorhandener Ansprüche - „steht wegen des übrigen dem fürstlichen Werkbesitzer die Verfügung zu
II. „Sollte der Fall eintreten, daß der Niederwürschnitzer Steinkohlenbau-Verein sich auflöste, so muß auch der Knappschaftskassenverband gleichzeitig mit zur Auflösung gebracht werden. Über den noch bleibenden Bestand steht dem Direktorium die Verfügung zu*
Die Mitglieder der Knappschaftskasse haben fein Eigentum an der Knappschaftsfesse. III. wie in II. IV. „Die Knappschaftskasse wird als ein unveräußerliches Eigentum der jetzt lebenden und künftig noch eintretenden Mitglieder des Vereins betrachtet. Nur wenn der unerwartete Fall eintreten sollte, daß die Auflösung sämtlicher beteiligter Steinkohlenbau-Vereine vor sich ginge und daher auch der Knappschaftsverband seiner Auflösung entgegenzuführen wäre" - nun, in diesem unerwarteten Fall erwartet man, daß die Arbeiter den etwa vorhandenen Uberschuß unter sich teilen werden. Beileibe nicht! In diesem Fall „haben die Direktoren der zuletzt sich auflösenden Vereine der Königl. Kreisdirektion Vorschläge einzureichen. Die letztgenannte Behörde hat über jene Verwendung zu entscheiden." In andern Worten: Die Arbeiter zahlen den größten Teil der Beiträge zur Knappschaftskasse, aber die Kapitalisten maßen sich das Eigentum dieser Kassen an. Die Kapitalisten scheinen ihren Arbeitern ein Geschenk zu machen. In der Tat werden die Arbeiter zu einem Geschenk an ihre Kapitalisten gezwungen. Diesen fällt mit dem Eigentumsrecht von selbst auch die Kontrolle über die Kasse zu. Vorsteher des Kassenvorstands ist der Geschäftsführer des Kohlenwerkes. Er hat die Hauptverwaltung der Kasse, entscheidet in allen zweifelhaften Fällen, bestimmt die Höhe der Geldstrafen usw. Ihm auf dem Fuß folgt der Knappschaftsschreiber, der zugleich der Kassierer ist. Er wird entweder vom Kapitalisten ernannt oder bedarf dessen Bestätigung, wenn er von den Arbeitern gewählt wird. Dann kommen die gewöhnlichen Mitglieder des Vorstandes. Sie werden im allgemeinen von den Arbeitern gewählt, aber in einem Fall (III) ernennt der Kapitalist drei dieser Vorstandsmitglieder. Was es überhaupt mit diesem „Vorstand" auf sich hat, zeigt die Bestimmung, daß „er mindestens einmal im Jahr eine Sitzung halten" soll. Tatsächlich gebietet der Vorsteher. Die Vorstandsmitglieder dienen ihm als Handlanger. Dieser Herr Vorsteher, der Geschäftsführer des Werks, ist auch sonst ein mächtiger Herr. Er kann die Prüfungszeit neuer Mitglieder abkürzen, Extra-Unterstützungen verleihen, sogar (III) Arbeiter, deren Ruf ihm anstößig dünkt, verjagen, stets aber an den Kapitalherrn appellieren» dessen Entscheidung in allen Anliegenheiten der Knappschaft schlußgültig ist. So können Prinz Schönburg und die Direktoren der Aktiengesellschaften die Vereinsstatuten ändern, die Arbeiterbeiträge erhöhen, Krankenunterstützungen und Pensionen schmälern, Ansprüche auf die Kasse mit neuen Hindernissen und Formalitäten umgeben, kurz, was ihnen beliebt, mit dem
Geld der Arbeiter tun, unter dem einzigen Vorbehalt der Bestätigung von Regierungsbehörden, welche bisher niemals gezeigt haben, daß sie die Lage und Bedürfnisse der Arbeiter auch nur kennenlernen wollen. In den Kohlenwerken III behalten sich die Direktoren sogar vor, jeden Arbeiter aus der Knappschaft zu verjagen, der von ihnen gerichtlich verfolgt, aber - von dem Gerichte freigesprochen Würde! Und für welche Vorteile unterwerfen die Bergarbeiter ihre eigenen Angelegenheiten so blindlings dem fremden Machtgebot? Man höre. 1, In Krankheitsfällen erhalten sie ärztliche Behandlung und eine wöchentliche Unterstützung, in den Kohlenwerken I zum Dritteil ihres Lohnesj in III zur Hälfte des Lohnes, in II und IV zur Hälfte resp. a/3 und 3/4 des Lohnes, wenn die Krankheit durch Unfälle während der Arbeit verschuldet ist. 2. Invaliden erhalten eine Pension, je nach der Dauer des Dienstalters, also auch ihrer Beiträge zur Knappschaftskasse, von 1/2o bis 1/2 der letztverdienten Löhne. 3. Bei dem Todesfall eines Mitglieds erhält seine Witwe eine Unterstützung von 1/5 bis 1/3 der Pension, wozu ihr Ehemann berechtigt war, und ein winziges wöchentliches Almosen für jedes Kind. 4. Begräbnisgelder bei Todesfällen in der Familie. Der erlauchte Prinz und die erleuchteten Kapitalisten, welche diese Statuten entwarfen, und die väterliche Regierung, welche sie bestätigte, schulden der Welt die Lösung einer Aufgabe: Wenn ein Bergarbeiter bei dem vollen Durchschnittslohn von 22/3 Tlr. per Woche halb verhungert, wie kann er leben mit einer Pension von z.B. 1/2Q dieses Lohnes, sage 4 Sgr. per Woche? Die zarte Rücksicht der Statuten für das Kapitalinteresse leuchtet hell aus der Behandlung der Minenunfälle. Mit Ausnahme der Werke II und IV wird keine Extra-Unterstützung gewährt, wenn Krankheit oder Tod durch Unfälle „im Dienst" verursacht wird. In keinem einzigen Fall wird die Pension erhöht, wenn die Invalidität Folge von Minenunfällen ist. Der Grund ist sehr einfach. Dieser Posten würde die Kassenausgabe bedenklich schwellen und sehr bald auch dem blödesten Auge die Natur der kapitalherrlichen Geschenke verraten. Die von den sächsischen Kapitalisten oktroyierten Statuten unterscheiden sich von Louis Bonapartes oktroyierter Konstitution dadurch, daß die letztere stets noch auf den krönenden Abschluß harrt, während die ersteren ihn bereits besitzen, und zwar in folgendem, allen gemeinsamen Artikel: „Jeder Arbeiter, der die Dienste des Vereins, sei es freiwillig, sei es gezwungen, verläßt, tritt dadurch aus der Knappschaft aus und verliert alle Rechte und Anspräche sowohl an die Kasse derselben als an das von ihm selbst eingezahlte Geld."
Also ein Mann, der 30 Jahre in einem Kohlenwerke gearbeitet und zur Knappschaftskasse beigesteuert hat, verliert alle so teuer erkauften Pensionsansprüche, sobald ihn der Kapitalist zu entlassen beliebt! Dieser Artikel verwandelt den Lohnarbeiter in einen Leibeigenen, bindet ihn an die Scholle, setzt ihn der schnödesten Mißhandlung aus. Wenn er kein Liebhaber von Fußtritten ist, wenn er sich wehrt gegen Herabdrückung des Lohnes auf den Hungerpunkt, wenn er willkürliche tieldstrafen zu zahlen [sich] weigert, wenn er gar auf amtliche Prüfung der Maße und Gewichte dringt - er erhält stets dieselbe eintönige Antwort: Packe dich, aber die Kassenbeiträge und deine Kassenansprüche gehen nicht mit auf die Reise! Es scheint paradox, von Leuten in so verworfener Lage männliche Unabhängigkeit und Selbstachtung zu erwarten. Dennoch zählen diese Bergarbeiter, zu ihrer Ehre sei es gesagt, unter den Vorkämpfern der deutschen Arbeiterklasse. Ihre Meister beginnen daher eine große Unruhe zu fühlen, trotz des ungeheuren Halts, den ihnen die jetzige Organisation der Knappschaftsvereine bietet. Das jüngste und gemeinste ihrer Statuten (III, es datiert von 1862) enthält folgenden grotesken Vorbehalt gegen Strikes und Koalition: „Jedes Knappschaftsmitglied hat mit dem ihm nach der Lohnordnung zu stellenden Lohne stets zufrieden zu sein, zu gemeinschaftlichen, die Erzwingung einer Erhöhung seines Einkommens bezweckenden Handlungen sich niemals herzugeben, geschweige dergleichen durch Verführung seiner Kameraden zu veranlassen, vielmehr usw." Warum haben die Lykurge des Niederwürscknitz-Kirchberger Steinkohlenbau-Aktienvereins, die Herrn B. Krüger, F. W. Schwamkrug und F. W.Richter, nicht auch zu beschließen geruht, daß von nun an jeder Kohlenkäufer mit ihren höchsteigenhändig festgesetzten Kohlenpreisen „stets zufrieden zu sein hat"P Dies schlägt denn doch den „beschränkten Untertanenverstand" des Herrn von Rochow[a33]. Infolge der Agitation unter den Bergarbeitern ist neulich ein provisorischer Statutenentwurf zur Vereinigung der Knappschaften aller sächsischen Kohiertwerke veröffentlicht worden (Zwickau 1869). Er ist das Werk eines Arbeiterkomitees unter dem Vorsitz des Herrn J.G. Dinter. Die Hauptpunkte sind: 1. Alle Knappschaften sind in eine gemeinsame Knappschaft zu vereinen. 2. Mitglieder bewahren ihre Ansprüche, solange sie in Deutschland wohnen und ihre Beiträge bezahlen. 3. Eine Generalversammlung aller erwachsenen Mitglieder bildet die höchste Autorität. Sie ernennt einen vollziehenden Ausschuß usw. 4. Die Beiträge der Meister zur Knappschaftskasse sollen die Hälfte der von ihren Arbeitern gezahlten Beiträge erreichen.
Dieser Entwurf drückt keineswegs die Ansicht der intelligentesten sächsischen Bergarbeiter aus. Er kommt vielmehr von einer Sektion, welche reformieren möchte mit Erlaubnis des Kapitals. Er trägt den Stempel des Unpraktischen auf der Stirne. Welche naive Unterstellung in der Tat, daß die Kapitalisten, bisher unbeschränkte Herrscher über die Knappschaftsvereine, ihre Gewalt an eine demokratische Generalversammlung von Arbeitern abtreten und trotzdem Beiträge zahlen werden! Das Grundübel besteht gerade darin, daß die Kapitalisten überhaupt beitragen. Solang dies dauert, ist ihnen die Leitung des Knappschaftsvereins und der Knappschaftskasse nicht zu entziehen. Um wirkliche Arbeitergesellschaften zu sein, müssen die Knappschaftsvereine ausschließlich auf Arbeiterbeiträgen beruhn. So nur können sie sich in Trades Unions verwandeln, welche individuelle Arbeiter vor der Willkür individueller Meister schützen. Die unbedeutenden und zweideutigen Vorteile, welche die Kapitalistenbeiträge bieten - können sie je den Zustand der Leibeigenschaft aufwiegen, wozu sie den Arbeiter zurückdrängen? Mögen die sächsischen Bergleute stets bedenken: Was er immer zur Knappschaftskasse zahle, der Kapitalist erspart ebensoviel und mehr am Arbeitslohn. Gesellschaften dieser Art haben die eigentümliche Wirkung, das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr zum ausschließlichen Vorteil des Kapitalisten zu suspendieren. In andern Worten: Durch den ungewöhnlichen Halt, den sie dem Kapital auf individuelle Arbeiter geben, drücken sie die Löhne selbst unter ihre gewöhnliche Durchschnittshöhe herab. Aber sollen die Arbeiter denn die restierenden Kassen - versteht sich nach Abfindung erworbener Rechte - den Kapitalisten schenken? Diese Frage kann nur gerichtlich gelöst werden. Trotz königlich obrigkeitlicher Bestätigung schlagen gewisse Artikel der Statuten den allgemeingültigen zivilrechtlichen Prinzipien über Verträge ins Gesicht. Unter allen Umständen jedoch bleibt die Scheidung des Geldes der Arbeiter vom Geld der Kapitalisten die unerläßliche Vorbedingung zu jeder Reform der Knappschaf tsvereine. Die Beiträge der sächsischen Kohlenwerkbesitzer zu den Knappschaftskassen enthalten das unfreiwillige Eingeständnis, daß das Kapital bis zu einem gewissen Punkt haftbar ist für die Unfälle, die den Lohnarbeiter während seiner Arbeitsfunktion, in der Arbeitsstätte, an Leib oder Leben gefährden. Statt aber, wie es jetzt geschieht, diese Haftbarkeit zum Vorwand eines erweiterten Kapitaldespotismus machen zu lassen, geziemt es den Arbeitern, für die gesetzliche Regelung der Haftbarkeit zu agitieren. Geschrieben zwischen dem 17. und 21. Februar 1869.
Karl Marx
Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation an das Zentralbüro der Allianz der sozialistischen Demokratie12345
London, den 9. März 1869
Bürger! Nach Artikel I unserer Statuten läßt die Internationale Arbeiterassoziation „alle Arbeitergesellschaften zu, welche dasselbe Ziel verfolgen, nämlich: den Schutz, den Fortschritt und die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse Da die Bedingungen für die Arbeitersektionen in jedem Lande und für die Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern sowie auch ihre gegenwärtigen Entwicklungsstufen sehr verschieden sind, so folgt daraus notwendig, daß ihre theoretischen Ansichten, welche die reelle Bewegung widerspiegeln, ebenso verschieden sind. Die Gemeinsamkeit der Aktion, welche die Internationale Arbeiterassoziation ins Leben ruft, der durch die Organe der verschiedenen nationalen Sektionen erleichterte Ideenaustausch und die unmittelbare Debatte auf den allgemeinen Kongressen werden indes nicht verfehlen, nach und nach ein gemeinsames theoretisches Programm zu schaffen. Es gehört daher nicht zu den Funktionen des Generalrats, das Programm der Allianz kritisch zu prüfen. Wir haben nicht zu untersuchen, ob es ein adäquater Ausdruck der proletarischen Bewegung ist oder nicht. Für uns ist nur wichtig zu wissen, ob es nichts enthält, was der allgemeinen Tendenz unserer Assoziation, d.h. der vollständigen Befreiung der Arbeiterklasse, zuwiderläuft. Es gibt eine Phrase in Eurem Programm, die von diesem Gesichtspunkt aus fehlerhaft ist. Im Artikel 2 liest man: „Sie (die Allianz) will vor allem die politische, ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen.1'
Der Generalrat der I.A.A. an das Zentralbüro der Allianz 349 $ ___ , Die Gleichmachung der Klassen, wörtlich interpretiert, läuft auf die Harmonie von Kapital und Arbeit hinaus, welche die Bourgeoissozialisten so aufdringlich predigen. Nicht die Gleichmachung der Klassen - ein logischer Widersinn, unmöglich zu realisieren -.sondern vielmehr die Abschaffung der Klassen, dieses wahre Geheimnis der proletarischen Bewegung, bildet das große Ziel der Internationalen Arbeiterassoziation. Betrachtet man jedoch den Zusammenhang, worin sich diese Phrase „Gleichmachung der Klassen" findet, so erscheint sie wie ein einfacher Schreibfehler, der sich dort eingeschlichen hat, und der Generalrat zweifelt nicht daran, daß Ihr gerne eine Phrase, die zu so bedenklichen Mißverständnissen führen kann, aus Eurem Programm entfernen werdet. Mit Ausnahme der Fälle, in denen der allgemeinen Tendenz der Internationalen Arbeiterassoziation widersprochen würde, entspricht es ihren Prinzipien, jeder Sektion zu überlassen, ihr theoretisches Programm frei zu formulieren. Es steht also nichts der Verwandlung der Sektionen der Allianz in Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation entgegen. Wenn die Auflösung der Allianz und der Eintritt ihrer Sektionen in die Internationale endgültig beschlossen sein werden, so wird es nach unseren Verwaltungsverordnungen notwendig werden, den Generalrat von dem Ort und der zahlenmäßigen Stärke jeder neuen Sektion zu unterrichten.
Im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx
Die belgischen Metzeleien12361
An die Arbeiter von Europa und den Vereinigten Staaten In England vergeht kaum eine Woche ohne Strikes - und Strikes von einem großartigen Umfange. Ließe die Regierung bei solchen Gelegenheiten ihre Soldaten gegen die Arbeiterklasse los, so würde dieses Land der Strikes bald zum Land der Metzeleien werden - aber nicht für lange. Nach einigen derartigen Probestücken physischer Gewalt würde die derzeitige Macht verschwinden. In den Vereinigten Staaten nahmen während der letzten Jahre ebenfalls die Strikes beständig an Zahl und Umfang zu und haben zuweilen sogar den Charakter von Unruhen angenommen. Aber kein Blut ward vergossen. In einigen der großen Militärstaaten des europäischen Kontinents kann die Ära der Strikes vom Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs datiert werden. Aber auch hier ward kein Blut vergossen. Es gibt nur ein Land in der zivilisierten Welt, wo jeder Strike begierig und nur zu gern als Vorwand ergriffen wird, um die Arbeiterklasse offiziell niederzumetzeln. Das so einzig beglückte Land ist Belgien, der Musterstaat des kontinentalen Konstitutionalismus, das behagliche, wohlumzäunte kleine Paradies des Grundbesitzers, des Kapitalisten und des Pfaffen. Die Erde vollendet ihre jährliche Umwälzung nicht sicherer, als die belgische Regierung ihre jährliche Arbeitermetzelei. Die diesjährige Metzelei unterscheidet sich von der vorjährigen[237] nur durch die greulichere Anzahl der Schlachtopfer, die scheußlicheren Greueltaten einer sonst lächerlichen Armee, das lärmendere Frohlocken der Pfaffen- und Kapitalistenpresse und die unverschämtere Nichtigkeit des Vorwands, den die Regierungsschlächter vorbringen. Es ist jetzt erwiesen, selbst durch die unbedachtsamerweise veröffentlichten Berichte der Kapitalistenpresse, daß der durchaus rechtmäßige Strike der Puddler der Cockerillschen Eisenwerke zu Seraing nur in eine Erneute verwandelt wurde durch eine starke Abteilung Kavallerie und Gendarmerie, die plötzlich auf den Platz geworfen wurde, um das Volk zu provozieren. Vom 9. bis zum 12. April fielen diese mutigen Krieger nicht
allein mit Säbeln und Bajonetten über wehrlose Arbeiter her - sie töteten und verwundeten ohne Unterschied friedliche Fußgänger, brachen gewaltsam in Privathäuser ein und belustigten sich sogar damit, wiederholt rasende Angriffe auf die in der Serainger Bahnstation eingesperrten Reisenden zu machen. Als diese Schreckenstage vorüber waren, verbreitete sich das Gerücht, daß Herr Kamp, der Bürgermeister von Seraing, ein Agent der Cockerillschen Aktiengesellschaft war, daß der belgische Minister des Innern, ein gewisser Herr Pirmez, der größte Aktionär einer benachbarten Kohlenmine ist, die ebenfalls im Strike stand, und daß Seine Königliche Hoheit der Prinz von Flandern12381 1 500 000 Francs in den Cockerillschen Werken angelegt hat. Daher der wahrhaft befremdende Schluß, die Metzelei von Seraing sei eine Art von Coup d'etat der Aktiengesellschaften, im stillen ausgeheckt zwischen der Firma Cockerill und dem belgischen Minister des Innern zu dem einfachen Zwecke, ihre unzufriedenen Untergebenen mit Schrecken zu erfüllen. Diese Verleumdung ward indessen bald schlagend widerlegt durch die später sich ereignenden Vorfälle in der Borinage, einem Kohlendistrikt, wo der belgische Minister des Innern, besagter Herr Pirmez, nicht führender Kapitalist zu sein scheint. Als in diesem Distrikt ein Strike fast alle Knappen erfaßte, wurden zahlreiche Truppen zusammengezogen, die zu Frameries ihren Feldzug mit einem Gewehrfeuer eröffneten, das neun Knappen tötete und zwanzig schwer verwundete. Nach diesem kleinen heldenmütigen Vorspiel ward das Aufruhrgesetz, komischerweise französisch „les sommations prealables"12391 genannt, verkündet und dann mit der Metzelei fortgefahren. Verschiedene Politiker schreiben diese unglaublichen Tatsachen den Motiven eines hohen Patriotismus zu. Sie sagen, während die belgische Regierung mit dem französischen Nachbar über gewisse heikle Fragen unterhandelt habe[240], sei es die Pflicht der Regierung gewesen, den Heldenmut ihrer Armee zu demonstrieren. Daher jene pfiffige Verteilung der Streitkräfte, die zuerst das unwiderstehlich ungestüme Vordringen der belgischen Kavallerie zu Seraing und dann die unerschütterliche Stärke der belgischen Infanterie zu Frameries demonstrierte. Dem Fremden Furcht einzuflößen, welch Mittel unfehlbarer als solche heimischen Schlachten,die man unmöglich verlieren kann, und solche häuslichen Schlachtfelder, auf denen die Hunderte von erschlagenen, verstümmelten und gefangengenommenen Arbeiter einen so glorreichen Schein auf diese unverletzlichen Krieger werfen, die bis auf den letzten Mann mit heiler Haut davonkommen. Andere Politiker dagegen haben die belgischen Minister im Verdacht, an die Tuilerien verkauft zu sein, und daß sie periodisch diese schrecklichen
Schauspiele eines Spottbürgerkriegs aufführen, um Louis Bonaparte einen Vorwand zu geben, in Belgien die Gesellschaft zu retten, so wie er sie in Frankreich rettete. Aber hat man den Exgouverneur Eyre je angeklagt, die Negermetzelei auf Jamaika organisiert zu haben, um England jene Insel zu entreißen und sie in die Hände der Vereinigten Staaten zu spielen?1-2413 Ohne Zweifel sind die belgischen Minister vortreffliche Patrioten nach Eyres Muster. Wie er das gewissenlose Werkzeug der westindischen Pflanzer, so sind sie die gewissenlosen Werkzeuge der belgischen Kapitalisten. Der belgische Kapitalist hat sich einen guten Ruf in der Welt erworben durch seine exzentrische Leidenschaft für das, was er die Freiheit der Arbeit (la liberte du travail) nennt. Er ist so eingenommen für die Freiheit seiner Arbeiter, ohne Unterschied von Alter und Geschlecht, alle Stunden ihres Lebens für ihn zu arbeiten, daß er stets jedes Fabrikgesetz, das diese Freiheit beeinträchtigt, mit der größten Entrüstung zurückgewiesen hat. Schon die Idee, daß ein gemeiner Arbeiter so verrucht sein sollte, ein höheres Ziel zu erstreben, als das, seinen Herrn und Meister, den natürlichen Vorgesetzten, zu bereichern, macht ihn schaudern. Er will nicht allein, daß sein Arbeiter ein elender Knecht bleibt, überarbeitet und unterbezahlt, sondern wie jeder Sklavenhalter will er, daß sein Arbeiter ein kriechender, untertäniger, moralisch geknechteter, religiös demütiger Knecht ist mit zerknirschtem Herzen. Daher seine wahnwitzige Wut gegen die Strikes= Ein Strike ist ihm eine Gotteslästerung, eine Sklavenrevolte, das Signal einer sozialen Sündflut. Bekleidet nun solche Menschen - die aus Feigheit grausam sind - mit der ungeteilten, unkontrollierten, also absoluten Staatsgewalt, wie es tatsächlich in Belgien der Fall ist, und ihr braucht euch nicht mehr zu wundern, daß in einem solchen Lande der Säbel, das Bajonett und der Schießprügel als rechtmäßige und normale Instrumente angewandt werden, um den Lohn hinab- und die Profite hinaufzuschrauben. Aber welch anderen Zwecken könnte die belgische Armee wirklich dienen? Als auf das Geheiß des offiziellen Europas Belgien für ein neutrales Land erklärt wurde12421, hätte man diesem selbstverständlich auch den kostspieligen Luxus einer Armee untersagen sollen, ausgenommen vielleicht eine Handvoll dem königlichen Marionettenspiel unentbehrliche Paradesoldaten. Dennoch birgt Belgien innerhalb seiner 536 Quadratmeilen Erdoberfläche ein größeres stehendes Heer als das Vereinigte Königreich oder die Vereinigten Staaten. Der Felddienst dieser neutralisierten Armee wird fatalerweise nach ihren Razzien auf die Arbeiterklasse berechnet. Es ist leicht begreiflich, daß die Internationale Arbeiterassoziation kein willkommener Gast in Belgien war. Von der Priesterschaft exkommuniziert,
von der ehrbaren Presse verleumdet, geriet sie bald in Streit mit der Regierung. Diese bot alles auf, um sie loszuwerden, indem man sie verantwortlich zu machen suchte für die Strikes in den Kohlenbergwerken von Charleroi 1867 bis 1868, Strikes, die nach der unveränderlichen belgischen Regel mit offiziellen Metzeleien und gerichtlicher Verfolgung der Opfer endeten. Nicht allein ward diese Kabale der Regierung vereitelt, sondern durch die tätigen Schritte der Assoziation wurden sämtliche angeklagten Arbeiter von Charleroi für unschuldig und mithin die belgische Regierung für schuldig befunden. Ergrimmt über diese Niederlage machten die belgischen Minister ihren beklommenen Herzen Luft durch heftige Denunziationen von der Tribüne der Deputiertenkammer gegen die Internationale Arbeiterassoziation und erklärten hochtrabend, daß sie es nimmer zugeben würden, daß sich der allgemeine Kongreß der Internationale in Brüssel versammle. Der Kongreß ward trotz dieser Drohung in Brüssel abgehalten. Aber endlich soll die Internationale doch der belgischen Allmacht von 536 Quadratmeilen unterliegen. Ihre straffällige Mitschuld an den jüngsten Ereignissen liegt klar zutage. Die Emissäre des Brüsseler Zentralkomitees für Belgien und andere lokale Ausschüsse sind verschiedener abscheulicher Taten überführt worden. Sie haben versucht, die strikenden Arbeiter zu beschwichtigen und sie vor den Regierungsschiingen zu warnen. In einigen Lokalitäten ist es ihnen sogar gelungen, Blutvergießen zu verhüten. Endlich haben die übelverheißenden Emissäre an Ort und Stelle Beobachtungen angestellt, sie durch Augenzeugen beglaubigen lassen, sorgfältig protokolliert und die blutdürstigen Grillen der Verteidiger der Ordnung öffentlich denunziert. Durch das einfache Verfahren der Einkerkerung wurden die Emissäre aus Anklägern in Angeklagte verwandelt. Sodann wurden die Wohnungen der Mitglieder des Brüsseler Komitees auf brutale Weise überfallen, ihre Papiere in Beschlag genommen und einige von ihnen auf die Anschuldigung festgesetzt, einer Gesellschaft anzugehören, „die zu dem Zwecke gegründet worden sei, Anschläge auf das Leben und Eigentum von Personen zu machen". Mit anderen Worten: Sie wurden angeschuldigt, einer Gesellschaft von Thugs^], benannt Internationale Arbeiterassoziation, anzugehören. Gehetzt durch die Kapuzinaden der Klerikalen und das wilde Geheul der Kapitalistenpresse, ist diese großprahlerische Zwergregierung ängstlich bemüht, nachdem sie sich in einem Blutbad gewälzt, in einem Meer von Lächerlichkeiten zu ersaufen. Das belgische Zentralkomitee zu Brüssel hat bereits seine Absicht angezeigt, eine vollständige Untersuchung der Metzeleien zu Seraing und in der Borinage einzuleiten und das Resultat zu veröffentlichen. Wir wollen
23 Marx/Engels, Werke, Bd. 16 '
seine Enthüllungen in verschiedenen Sprachen über die ganze Welt verbreiten, um der Welt die Augen zu öffnen über die Lieblingsaufschneiderei des belgischen Kapitalisten: La liberte, pour faire le tour du monde, n'a pas besoin de passer par ici (la Belgique)t244J. Die belgische Regierung, die nach den Revolutionen von 1848/49 eine Lebensfrist erlangte dadurch, daß sie zum politischen Polizeiagenten der reaktionären Regierungen des Kontinents geworden, schmeichelt sich vielleicht, daß sie heute die drohende Gefahr wiederum abwenden kann, indem sie auffällig den Gendarmen des Kapitals gegen die Arbeit spielt. Dieses ist jedoch ein großer Irrtum. Anstatt die Katastrophe aufzuhalten, wird sie diese nur beschleunigen. Dadurch, daß sie Belgien bei den Volksmassen der gesamten Welt zum Stichwort und Spottbild macht, verschwindet das letzte Hindernis, welches den Gelüsten der Despoten, die seinen Namen von der Karte Europas verwischen möchten, noch entgegensteht. Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation ruft die Arbeiter von Europa und den Vereinigten Staaten auf, Geldsammlungen zu veranstalten, um die Leiden der Witwen, Weiber und Kinder der belgischen Opfer zu lindern, die Verteidigungskosten der angeklagten Arbeiter zu bestreiten und die vom Brüsseler Komitee beabsichtigte Untersuchung zu fördern. Im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation:
London, den 4. Mai 1869
R.Applegarth, Vorsitzender R.Shaw, Sekretär für Amerika Bernard, Sekretär für Belgien Eugkne Dupont, Sekretär für Frankreich Karl Marx, Sekretär für Deutschland Jules Johannard, Sekretär für Italien A.Zabicki, Sekretär für Polen H. Jung, Sekretär für die Schweiz Cowell Stepney, Kassierer J.G.Eccarius, Sekretär des Generalrats
Alle Spenden für die Opfer der belgischen Metzeleien sind an das Büro des Generalrats zu senden: 256, High Holborn, London, W.C.
Karl Marx
Adresse an die Nationale Arbeiterunion der Vereinigten Staaten[24:>1
Arbeiter! In dem Gründungsprogramm unserer Assoziation erklärten wir: „Nicht die Weisheit der herrschenden Klassen, sondern der heroische Widerstand der englischen Arbeiterklasse gegen ihre verbrecherische Torheit bewahrte den Westen Europas vor einer transatlantischen Kreuzfahrt für die Verewigung und Propaganda der Sklaverei."1 Die Reihe ist jetzt an Euch, einem Krieg vorzubeugen, dessen klarstes Resultat sein würde, für eine unbestimmte Zeitperiode die emporsteigende Arbeiterbewegung auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans zurückzuschleudern. Wir brauchen Euch kaum zu sagen, daß europäische Mächte existieren, die eifrig bemüht sind, einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und England zu schüren. Ein Blick auf die Handelsstatistik zeigt, daß die russische Ausfuhr von Rohprodukten - und Rußland hat nichts anderes auszuführen - rapide vor der amerikanischen Konkurrenz wich, als der Bürgerkrieg die Waagschalen plötzlich drehte. Die amerikanischen Pflüge in Schwerter verwandeln, hieße gerade jetzt jene despotische Macht, die Eure republikanischen Staatsmänner in ihrer Weisheit zu ihrem vertrauten Ratgeber erkoren haben, vor dem bevorstehenden Bankerott retten. Aber ganz abgesehen von den Sonderinteressen dieser oder jener Regierung, ist es nicht das allgemeine Interesse unserer Unterdrücker, unser rasch um sich greifendes internationales Zusammenwirken in einen zerstörenden Krieg zu verwandeln? In unserer Glückwunschadresse an Herrn Lincoln bei seiner Wiederwahl als Präsident drückten wir unsere Uberzeugung aus, daß sich der
Amerikanische Bürgerkrieg als ebenso wichtig erweisen werde für den Fortschritt der Arbeiterklasse, wie sich der amerikanische Unabhängigkeitskrieg für den Fortschritt der Bourgeoisie erwiesen habe.1 Und tatsächlich hat die siegreiche Beendigung des Krieges gegen die Sklaverei eine neue Epoche in den Annalen der Arbeiterklasse eröffnet. In den Vereinigten Staaten selbst ist seitdem eine selbständige Arbeiterbewegung ins Leben getreten, die von den alten Parteien und ihren professionellen Politikern mit üblen Augen angesehen wird. Um fruchtbar zu werden, braucht sie Jahre des Friedens. Um sie zu erdrücken, will man einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und England. Die nächste handgreifliche Wirkung des Bürgerkrieges war natürlich die, daß sich die Stellung des amerikanischen Arbeiters verschlechterte. In den Vereinigten Staaten wie in Europa wurde der Riesenalp einer Nationalschuld von Hand zu Hand geschoben, um ihn auf die Schultern der Arbeiterklasse niederzulassen. Die Preise der Lebensmittel, sagt einer Eurer Staatsmänner, sind seit 1860 um 78 Prozent gestiegen, während der Lohn des ungelernten Arbeiters nur um 50 Prozent und der des gelernten Arbeiters um 60 Prozent stieg. „Der Pauperismus", klagt er, „wächst jetzt in Amerika rascher als die Bevölkerung." Überdies stechen die Leiden der Arbeiterklasse ab gegen den auffallenden Luxus von Finanzaristokraten, Shoddy-Aristokraten [246] und ähnlichem durch Kriege erzeugten Ungeziefer. Dennoch entschädigte der Bürgerkrieg für all dies durch die Befreiung der Sklaven und den daraus entspringenden moralischen Impuls, den sie Eurer eigenen Klassenbewegung gab. Ein zweiter Krieg, der nicht durch einen erhabenen Zweck und eine große soziale Notwendigkeit geheiligt, sondern nach dem Muster der Alten Welt wäre, würde Ketten für den freien Arbeiter schmieden, statt die des Sklaven zu sprengen. Das aufgehäufte Elend, welches in seinen Spuren zurückbliebe, gäbe Luern Kapitalisten zugleich die Motive und die Mittel, die Arbeiterklasse von ihren kühnen und gerechten Bestrebungen zu trennen durch das seelenlose Schwert eines stehenden Heeres. Euch denn fällt die glorreiche Aufgabe anheim, der Welt zu beweisen, daß jetzt endlich die Arbeiterklasse den Schauplatz der Geschichte nicht länger als serviles Gefolge betritt, sondern als selbständige Macht, die sich
ihrer eigenen Verantwortlichkeit bewußt und imstande ist, Frieden zu gebieten, wo diejenigen, die ihre Herren sein wollen, Krieg schreien.
Im Namen des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation: Engländer: R.Applegarth, Zimmermann; M.J.Boon, Mechaniker; J.Buckley, Maler; J.Haies, Gummiweber; Harriet Law; B.Lucraft, Stuhlmacher; G.Milner, Schneider; G.Odger, Schuhmacher; J.Ross, Stiefelschaftmacher; R.Shaw, Maler; Cowell Stepney; J. Warren, Reisetaschenmacher; J. Weston, Treppengeländermacher Franzosen: E.Dupont, Instrumentenmacher; Jules Johannard, Lithograph; Paul Lajargue Deutsche: G.Eccarius, Schneider; F.Leßner, Schneider; W. Limburg, Schuhmacher; Karl Marx Schweizer: H.Jung, Uhrmacher; A. Müller, Uhrmacher Belgier: P.Bernard, Maler Dänen: J.Cohn, Zigarrenmacher Polen: A.Zabicki, Schriftsetzer B.Lucraft, Vorsitzender Cowell Stepney, Schatzmeister J. Georg Eccarius, Generalsekretär London, 12. Mai 1869
Nach dem Flugblatt. Aus dem Englischen.
Karl Marx
Vorwort [zur Zweiten Ausgabe (1869) „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte"] 12471
Mein zu früh verstorbener Freund Joseph Weydemeyer * beabsichtigte, vom 1 .Januar 1852 an eine politische Wochenschrift in New York herauszugeben. Er forderte mich auf, für dieselbe die Geschichte des Coup d'etat zu liefern. Ich schrieb ihm daher wöchentlich bis Mitte Februar Artikel unter dem Titel: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte". Unterdes war Weydemeyers ursprünglicher Plan gescheitert. Dagegen veröffentlichte er im Frühling 1852 eine Monatsschrift: „Die Revolution", deren erstes Heft aus meinem „Achtzehnten Brumaire" besteht.[248J Einige hundert Exemplare davon fanden damals den Weg nach Deutschland, ohne jedoch in den eigentlichen Buchhandel zu kommen. Ein äußerst radikal tuender deutscher Buchhändler, dem ich den Vertrieb anbot, antwortete mit wahrhaft sittlichem Entsetzen über solch „zeitwidrige Zumutung". Man ersieht aus diesen Angaben, daß die vorliegende Schrift unter dem unmittelbaren Druck der Ereignisse entstand und ihr historisches Material nicht über den Monat Februar (1852) hinausreicht. Ihre jetzige Wiederveröffentlichung ist teils buchhändlerischer Nachfrage, teils dem Andringen meiner Freunde in Deutschland geschuldet. Von den Schriften, welche ungefähr gleichzeitig mit der meinigen denselben Gegenstand behandelten, sind nur zwei bemerkenswert: Victor Hugos „Napoleon le petit" und Proudhons „Coup d'etat". Victor Hugo beschränkt sich auf bittere und geistreiche Invektive gegen den verantwortlichen Herausgeber des Staatsstreichs. Das Ereignis selbst erscheint bei ihm wie ein Blitz aus heitrer Luft. Er sieht darin nur die
* Während des Amerikanischen Bürgerkriegs Militärkommandant des Distrikts von St. Louis.
Gewalttat eines einzelnen Individuums. Er merkt nicht, daß er dies Individuum groß statt klein macht, indem er ihm eine persönliche Gewalt der Initiative zuschreibt, wie sie beispiellos in der Weltgeschichte dastehen würde. Proudhon seinerseits sucht den Staatsstreich als Resultat einer vorhergegangenen geschichtlichen Entwicklung darzustellen. Unter der Hand verwandelt sich ihm jedoch die geschichtliche Konstruktion des Staatsstreichs in eine geschichtliche Apologie des Staatsstreichshelden. Er verfällt so in den Fehler unserer sogenannten objektiven Geschichtsschreiber. Ich weise dagegen nach, wie der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage das Spiel der Heldenrolle ermöglichten. Eine Umarbeitung der vorliegenden Schrift hätte sie ihrer eigentümlichen Färbung beraubt. Ich habe mich daher auf bloße Korrektur von Druckfehlern beschränkt und auf Wegstreichung jetzt nicht mehr verständlicher Anspielungen. Der Schlußsatz meiner Schrift: „Aber wenn der Kaiser man tel endlich auf die Schultern Louis Bonapartes fällt, wird das eherne Standbild Napoleons von der Höhe der Vendome-Säule[249] herabstürzen"1, hat sich bereits erfüllt. Oberst Charras eröffnete den Angriff auf den Napoleon-Kultus in seinem Werke über den Feldzug von 1815. Seitdem, und namentlich in den letzten Jahren, hat die französische Literatur mit den Waffen der Geschichtsforschung, der Kritik, der Satire und des Witzes der NapoleonLegende den Garaus gemacht. Außerhalb Frankreichs ward dieser gewaltsame Bruch mit dem traditionellen Volksglauben, diese ungeheure geistige Revolution, wenig beachtet und noch weniger begriffen. Schließlich hoffe ich, daß meine Schrift zur Beseitigung der jetzt namentlich in Deutschland landläufigen Schulphrase vom sogenannten Cäsarismus beitragen wird. Bei dieser oberflächlichen geschichtlichen Analogie vergißt man die Hauptsache, daß nämlich im Alten Rom der Klassenkampf nur innerhalb einer privilegierten Minorität spielte, zwischen den freien Reichen und den freien Armen, während die große produktive Masse der Bevölkerung, die Sklaven, das bloß passive Piedestal für jene Kämpfer bildete. Man vergißt Sismondis bedeutenden Ausspruch: Das römische Proletariat lebte auf Kosten der Gesellschaft, während die moderne Gesellschaft auf Kosten des Proletariats lebt.[250] Bei so gänzlicher Verschiedenheit zwischen den materiellen, ökonomischen Bedingungen
des antiken und des modernen Klassenkampfs können auch seine politischen Ausgeburten nicht mehr miteinander gemein haben als der Erzbischof von Canterbury mit dem Hohenpriester Samuel. Karl Marx London, 23. Juni 1869
Nach: Karl Marx, „Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte", Zweite Ausgabe, Hamburg 1869.
Friedrich Engels
Karl Marx[251]
[„Die Zukunft" Nr. 185 vom 1 I.August 1869] Man hat sich in Deutschland daran gewöhnt, in Ferdinand Lassalle den Urheber der deutschen Arbeiterbewegung zu sehen. Und doch ist nichts unrichtiger. Wenn ihm vor sechs, sieben Jahren in allen Fabrikdistrikten, in allen großen Städten, den Zentren der arbeitenden Bevölkerung, das Proletariat in Massen zuströmte, wenn seine Reisen Triumphzüge waren, um die ihn die Landesfürsten beneiden konnten - war da der Boden nicht vorher etwa schon im stillen gedüngt worden, der so rasch aufschießende Frucht trug? Wenn die Arbeiter seinen Lehren Beifall zujauchzten, geschah dies, weil diese Lehren ihnen neu oder weil sie den Denkenden unter ihnen schon längst mehr oder weniger bekannt waren? Die heutige Generation lebt rasch und vergißt rasch. Die Bewegung der vierziger Jahre, die in der Revolution von 1848 gipfelte und in der Reaktion von 1849 bis 1852 ihren Abschluß fand, ist bereits verschollen mitsamt ihrer politischen und sozialistischen Literatur. Es muß daher daran erinnert werden, daß vor und während der Revolution von 1848 unter den Arbeitern namentlich Westdeutschlands eine wohlorganisierte sozialistische Partei bestand12525, welche zwar nach dem Kölner Kommunistenprozeß auseinanderfiel, deren einzelne Mitglieder aber im stillen fortfuhren, den Boden vorzubereiten, dessen Lassalle sich nachher bemächtigte. Es muß ferner daran erinnert werden, daß ein Mann existierte, der, neben der Organisation dieser Partei, das wissenschaftliche Studium der sog. sozialen Frage, d.h. die Kritik der politischen Ökonomie, zu seiner Lebensaufgabe gemacht und bereits vor 1860 bedeutende Resultate seiner Forschungen veröffentlicht hatte12533. Lassalle war ein höchst talentvoller, vielseitig gebildeter Kopf, ein Mann von großer Energie und fast un
begrenzter Versatilität; er war ganz dazu gemacht, unter allen Umständen eine politische Rolle zu spielen. Aber weder war er der ursprüngliche Initiator der deutschen Arbeiterbewegung, noch war er ein origineller Denker. Der ganze Inhalt seiner Schriften war entlehnt, selbst nicht ohne Mißverständnisse entlehnt, er hatte einen Vorgänger und einen intellektuellen Vorgesetzten, dessen Dasein er freilich verschwieg, während er seine Schriften vulgarisierte, und dieser intellektuelle Vorgesetzte heißt Karl Marx. Karl Marx ist geboren am 5. Mai 1818 zu Trier, wo er seine Gymnasialbildung erhielt. Er studierte Rechtswissenschaften in Bonn und später in Berlin, wo ihn indes die Beschäftigung mit der Philosophie dem Jus bald abwendig machte. Nach fünfjährigem Aufenthalt in der „Metropole der Intelligenz" kehrte er 1841 nach Bonn zurück mit der Absicht, sich dort zu habilitieren. Damals herrschte in Preußen die erste „Neue Ara".[2541 Friedrich Wilhelm IV. hatte erklärt, er liebe eine gesinnungstüchtige Opposition, und an verschiedenen Stellen wurde der Versuch gemacht, eine solche zu organisieren. So wurde in Köln die „Rheinische Zeitung" gestiftet; Marx kritisierte in ihr mit damals unerhörter Kühnheit die Verhandlungen des rheinischen Provinziallandtages in Artikeln, die großes Aufsehen machten.12551 Ende 1842 übernahm er selbst die Redaktion und machte der Zensur so viel zu schaffen, daß man ihm die Ehre antat, für die „Rhein.Ztg." einen Spezialzensor von Berlin zu schicken. Als auch dies nicht half, mußte die Zeitung doppelte Zensur durchmachen, indem jede Nummer außer der gewöhnlichen noch in zweiter Instanz der Zensur des Kölner Regierungspräsidenten unterworfen wurde. Aber auch dies Mittel half nichts gegen die „verhärtete Böswilligkeit" der „Rhein.Zeitung"; und Anfang 1843 erließ das Ministerium ein Dekret, wonach die „Rhein. Zeitung" Ende des ersten Quartals aufhören mußte. Marx trat sofort ab, da die Aktionäre einen Vermittlungsversuch machen wollten, aber auch dieser schlug fehl, und die Zeitung hörte auf zu erscheinen. Die Kritik der Verhandlungen des rheinischen Landtags nötigte Marx, Fragen des materiellen Interesses zu studieren. Hier traten ihm neue Gesichtspunkte entgegen, Gesichtspunkte, die weder die Juristerei noch die Philosophie vorgesehen hatten. Anknüpfend an Hegels Rechtsphilosophie, kam Marx zu der Einsicht, daß nicht der von Hegel als „Krönung des Gebäudes" dargestellte Staat, sondern vielmehr die von ihm so stiefmütterlich behandelte „bürgerliche Gesellschaft" diejenige Sphäre sei, in der der Schlüssel zum Verständnis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses der Menschheit zu suchen sei. Die Wissenschaft der bürgerlichen Gesellschaft
aber ist die politische Ökonomie, und diese Wissenschaft konnte nicht in Deutschland, sie konnte nur in England oder Frankreich gründlich studiert werden. Nach seiner Verheiratung mit der Tochter des Geh. Regierungsrats v. Westphalen in Trier (Schwester des späteren preußischen Ministers des Innern v. Westphalen) siedelte Marx daher im Sommer 1843nach Paris über, wo er sich hauptsächlich dem Studium der Nationalökonomie und der Geschichte der großen französischen Revolution widmete. Zugleich gab er mit Rüge die „Deutsch-Französischen Jahrbücher"12561 heraus, von denen indes nur ein Band erschien. 1845 von Guizot aus Frankreich ausgewiesen, ging er nach Brüssel und blieb dort, mit gleichen Studien beschäftigt, bis Ausbruch der Februarrevolution. Wie wenig er mit dem, selbst in seiner gelehrttuendsten Form, landläufigen Sozialismus einverstanden war, bewies seine Kritik des großen Proudhonschen Werks „Philosophie de la misere", welche 1847 unter dem Titel „Misere de la philosophie"1, Brüssel und Paris, erschien. In dieser Schrift finden sich bereits viele wesentliche Punkte seiner jetzt ausführlich dargelegten Theorie. Auch das „Manifest der Kommunistischen Partei"2, London 1848, vor der Februarrevolution geschrieben und von einem Arbeiterkongreß in London adoptiert, ist wesentlich sein Werk. Von der belgischen Regierung unter dem Einfluß der Panik der Februarrevolution wieder ausgewiesen, kam Marx auf Aufforderung der französischen provisorischen Regierung nach Paris zurück. Die Sturmflut der Revolution drängte alle wissenschaftlichen Beschäftigungen in den Hintergrund; es hieß jetzt eingreifen in die Bewegung. Nachdem Marx während der ersten aufgeregten Tage dem Unsinn der Agitatoren entgegengearbeitet hatte, welche deutsche Arbeiter von Frankreich aus als Freischaren zur Republikanisierung Deutschlands organisieren wollten, ging er mit seinen Freunden nach Köln und gründete dort die „Neue Rheinische Zeitung", die bis zum Juni 1849 bestand und am Rhein noch in gutem Gedächtnis ist. Die Preßfreiheit von 1848 ist wohl nirgends so erfolgreich ausgebeutet worden als damals, mitten in einer preußischen Festung, von jener Zeitung. Nachdem die Regierung vergeblich versucht hatte, die Zeitung durch gerichtliche Verfolgung totzumachen - Marx stand zweimal vor den Assisen wegen Preßvergehen und wegen Aufforderung zur Steuerverweigerung und wurde beide Male freigesprochen -, wurde sie zur Zeit der Maiaufstände 1849 dadurch zum Fall gebracht, daß Marx unter dem
Vorwande, seine preußische Untertanenschaft verloren zu haben, und die übrigen Redakteure unter ähnlichen Vorwänden ausgewiesen wurden. Marx mußte daher wieder nach Paris, von wo er abermals ausgewiesen wurde und noch im Sommer 1849 nach seinem jetzigen Wohnsitz, London, ging. In London fand sich damals die ganze fine fleur1d er kontinentalen Flüchtlingsschaft aller Nationen zusammen. Es wurden Revolutionskomitees aller Art gebildet, Kombinationen, provisorische Regierungen in partibus infidelium1821, es gab Streitigkeiten und Zänkereien aller Art, und die dabei beteiligt gewesenen Herren blicken jetzt sicher auf diese Periode als auf die mißlungenste ihres Lebens zurück. Marx hielt sich von allen diesen Umtrieben fern. Eine Zeitlang setzte er seine „Neue Rhein.Ztg." in der Form einer Monatsrevue fort (Hamburg 1850)[257], nachher zog er sich ins British Museum zurück und durchforschte die dortige ungeheure, großenteils noch ungekannte Bibliothek nach ihrer nationalökonomischen Seite hin. Gleichzeitig schrieb er regelmäßig in die „New-York Tribüne"[258], er war sozusagen der Redakteur dieses ersten englisch-amerikanischen Blattes für europäische Politik bis zum Ausbruche des Amerikanischen Bürgerkrieges. Der Staatsstreich des 2. Dezember veranlaßte ihn zu einer Broschüre „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte", New York 1852, welche jetzt eben in neuem Abdruck (Hamburg bei Meißner) erscheint und zum Verständnis der haltlosen Lage, in die derselbe Bonaparte gerade jetzt geraten ist, nicht wenig beitragen wird. Der Held des Staatsstreiches wird hier eben in seiner nackten Wirklichkeit dargestellt, wie er erscheint ohne die Glorie, mit der der momentane Erfolg ihn umgeben hat. Der Philister, der seinen Napoleon III. für den größten Mann des Jahrhunderts hält und sich nun nicht erklären kann, wie dieses Wundergenie jetzt plötzlich Böcke über Böcke schießt und einen politischen Fehler über den anderen begeht - besagter Philister kann sich aus der erwähnten Marxschen Arbeit Rats erholen. Sowenig Marx sich während seines ganzen Londoner Aufenthalts vordrängte, so zwang ihn doch Karl Vogt nach der italienischen Kampagne 1859 zu einer Polemik, die in Marx' „Herr Vogt"2, London 1860, ihren Abschluß fand. Um dieselbe Zeit erschien die erste Frucht seiner nationalökonomischen Studien: „Zur Kritik der Politischen Oekonomie"3, Berlin 1859, Erstes Heft. Dies Heft enthält bloß die Geldtheorie, welche von ganz neuen Gesichtspunkten dargestellt ist; die Fortsetzung ließ auf sich
warten, da der Verfasser inzwischen so viel neues Material entdeckte, daß er neue Studien für nötig hielt. 1867 endlich erschien in Hamburg: „Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie", Erster Band. Dies Werk enthält die Resultate des Studiums eines ganzen Lebens. Es ist die politische Ökonomie der arbeitenden Klasse, auf ihren wissenschaftlichen Ausdruck reduziert. Hier handelt es sich1 nicht um agitatorische Phrasen, sondern um streng wissenschaftliche Deduktionen. Mag man sich zum Sozialismus verhalten, wie man will, man wird immerhin anerkennen müssen, daß hier derselbe zuerst wissenschaftlich dargestellt ist und daß es eben Deutschland vorbehalten war, diese Leistung auch auf diesem Gebiet zu verwirklichen. Wer jetzt noch den Sozialismus bekämpfen will, wird mit Marx fertig werden müssen, gelingt ihm dies, dann braucht er freilich die dei minorum gentium2 nicht zu erwähnen. Das Marxsche Buch hat aber auch noch nach anderer Seite hin ein Interesse. Es ist die erste Schrift, in der die tatsächlichen Verhältnisse, die zwischen Kapital und Arbeit bestehen, in ihrer klassischen Form, wie sie solche in England erlangt haben, vollständig und übersichtlich geschildert werden. Die parlamentarischen Untersuchungen lieferten hierzu ein reichliches, einen Zeitraum von fast vierzig Jahren umfassendes und selbst in England so gut wie ungekanntes Material über die Verhältnisse der Arbeiter in fast allen Industriezweigen, über die Arbeit von Weibern und Kindern, über Nachtarbeit usw.t259]; dies alles ist hier zum erstenmal zugänglich gemacht. Daran reiht sich die Geschichte der Fabrikgesetzgebung in England, welche, von den bescheidenen Anfängen der ersten Akte von 1802 an, jetzt dahin gekommen ist, die Arbeitszeit in fast allen fabrikmäßig oder häuslich betriebenen Geschäftszweigen für Weiber und junge Leute unter 18 Jahren auf 60 Stunden wöchentlich, für Kinder unter 13 Jahren auf 39 Stunden wöchentlich zu beschränken. Nach dieser Seite hin ist das Buch von höchstem Interesse für jeden Industriellen. Marx ist lange Jahre unbedingt der „bestverleumdete" deutsche Schriftsteller gewesen, wogegen ihm niemand das Zeugnis verwehren wird, daß er dafür auch tapfer um sich gehauen hat und daß seine Hiebe alle scharf saßen. Aber die Polemik, in der er doch soviel „gemacht" hat, war im Grunde doch nur Sache der Notwehr bei ihm. Sein eigentliches Interesse war schließlich doch immer bei seiner Wissenschaft, die er fünfundzwanzig Jahre mit einer Gewissenhaftigkeit studiert und durchdacht hat,
1 In der Handschrift eingefügt: nicht um politische Propaganda, - 2 Götter aus geringeren Geschlechtern; sinngemäß: zweitrangigen Größen
die ihresgleichen sucht, einer Gewissenhaftigkeit, die ihn verhindert hat, seine Schlußfolgerungen in systematischer Form vor das Publikum zu bringen, ehe sie ihm nach Form und Inhalt selbst genügten, ehe er darüber mit sich klar war, daß er kein Buch ungelesen, keinen Einwurf unerwogen gelassen, daß er jeden Punkt vollständig erschöpft habe. Originelle Denker sind in dieser Zeit der Epigonen sehr rar: wenn aber ein Mann nicht nur ein origineller Denker, sondern auch im Besitz einer in seinem Fache unerreichten Gelehrsamkeit ist, so verdient er doppelte Anerkennung. Außer seinen Studien beschäftigt sich Marx, wie nicht anders zu erwarten, mit der Arbeiterbewegung; er ist einer der Gründer der Internationalen Arbeiter-Assoziation, welche in letzter Zeit soviel von sich reden machte und bereits an mehr als einem Ort Europas bewiesen hat, daß sie eine Macht ist. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir sagen, daß auch in dieser jedenfalls in der Arbeiterbewegung epochemachenden Gesellschaft das deutsche Element - dank namentlich Marx - die ihm gebührende einflußreiche Stellung einnimmt.
Geschrieben um den 28. Juli 1869.
Karl Marx
Bericht des Generalrats über das Erbrecht12601
[„Der Vorbote" Nr. 10 vom Oktober 1869] 1. Das Recht der Erbschaft ist nur insofern von sozialer Wichtigkeit* als es dem Erben die Macht, welche der Verstorbene während seiner Lebenszeit ausübte, hinterläßt, nämlich die Macht, vermittelst seines Eigentums die Früchte fremder Arbeit auf sich zu übertragen, denn das Land gibt dem lebenden Eigentümer die Macht, unter dem Titel von Grundrente die Früchte der Arbeit anderer auf sich zu übertragen, ohne einen Gleichwert zu geben; das Kapital gibt ihm die Macht, dasselbe zu tun unter dem Titel von Zins und Profit; das Eigentum in Staatspapieren gibt ihm die Macht, ohne selbst zu arbeiten, von den Früchten der Arbeit anderer leben zu können usw. Die Erbschaft erzeugt nicht diese Macht der Übertragung der Früchte: der Arbeit des einen in die Tasche des andern, sie bezieht sich nur auf den Wechsel der Personen, welche jene Macht ausüben. Wie jede andere bürgerliche Gesetzgebung sind die Erbschaftsgesetze nicht die Ursache, sondern die Wirkung, die juristische Folge der bestehenden ökonomischen Organisation der Gesellschaft, die auf das Privateigentum in den Mitteln der Produktion begründet ist, d.h. Land,. Rohmaterial, Maschinen usw. Auf dieselbe Weise war das Recht der Erbschaft auf Sklaven nicht die Ursache der Sklaverei, sondern im Gegenteil, die Sklaverei war die Ursache der Erbschaft von Sklaven. 2. Worum es sich hier dreht, ist die Ursache und nicht die Wirkung* die ökonomische Grundlage, nicht der juristische Uberbau. Angenommen, die Produktionsmittel wären umgestaltet vom Privatins Gesamteigentum, so würde das Recht der Erbschaft (sofern es von sozialer Wichtigkeit ist) von selbst verschwinden, weil ein Mann nur das hinterlassen kann, was er während seiner Lebenszeit besaß.
Unser großes Ziel soll deshalb die Aufhebung jener Institutionen sein, die einigen Leuten während ihrer Lebenszeit die ökonomische Macht verleihen, die Früchte der Arbeit von vielen auf sich zu übertragen. Wo der Zustand der Gesellschaft so weit fortgeschritten ist, daß die Arbeiterklassen hinreichend Macht besitzen, solche Institutionen zu beseitigen, müssen sie es auf direktem Wege tun; denn dadurch, daß sie die Staatsschulden beseitigen, werden sie natürlich auch die Erbschaft von Staatspapieren los. Andrerseits, wenn sie nicht die Macht besäßen, die Staatsschuld aufzuheben, so wäre es töricht zu versuchen, das Recht der Erbschaft auf Staatspapier aufzuheben. Das Verschwinden des Erbschaftsrechts wird das natürliche Resultat eines gesellschaftlichen Wechsels sein, der das Privateigentum im Produktionsmittel verdrängt, aber die Abschaffung des Erbrechts kann niemals1 der Ausgangspunkt einer solchen Umgestaltung sein. 3. Es war einer der großen Irrtümer, die vor vierzig Jahren von Aposteln des Saint-Simon begangen wurden, daß sie das Erbschaftsrecht nicht als die legale Wirkung, sondern als die ökonomische Ursache der sozialen Revolution2 behandelten.12611 Dieses verhinderte sie ganz und gar nicht, in ihrem System der Gesellschaft das Privateigentum in Land und in den andern Produktionsmitteln zu verewigen. Allerdings dachten sie, die wählbaren und lebenslänglichen Eigentümer könnten bestehen, wie Wahlkönige bestanden haben. Die Aufhebung des Erbschaftsrechts als den Ausgangspunkt der sozialen Revolution zu proklamieren, würde nur die Arbeiterklasse von dem wahren Punkt der Aufmerksamkeit für3 die heutige Gesellschaft ablenken. Es wäre ein ebenso abgeschmacktes Ding, die Gesetze der Kontrakte zwischen Käufer und Verkäufer aufzuheben, während der heutige Zustand des Austausches von Waren fortbestände; es würde falsch in der Theorie und reaktionär in der Praxis sein. 4. Indem wir über die Erbschaftsgesetze verhandeln, setzen wir notwendigerweise voraus, daß das Privateigentum in den Produktionsmitteln fortbesteht. Existiert es nicht mehr unter den Lebenden, so könnte es nicht von ihnen und durch sie nach ihrem Tode übertragen werden. Alle Maßregeln in betreff des Erbschaftsrechtes können sich daher nur auf einen Zustand des4 Ubergangs beziehen, wo auf der einen Seite die gegenwärtige ökonomische Grundlage der Gesellschaft noch nicht umgestaltet
1 Im „Vorboten" irrtümlich: nur - 2 im englischen Text: heutigen sozialen Organisation (statt: sozialen Revolution) - 3 im englischen Text: des Angriffs gegen (statt: der Aufmerksamkeit für) - 4 im englischen Text eingefügt: gesellschaftlichen
ist, aber auf der andern Seite die arbeitenden Massen Kraft genug gesammelt haben, Ubergangsmaßregeln durchzusetzen, die geeignet sind, schließlich einen radikalen Wechsel der Gesellschaft zuwege zu bringen. Der von diesem Standpunkte betrachtete Wechsel in den Erbschaftsgesetzen bildet nur einen Teil von vielen anderen Ubergangs maßregeln, die zu demselben Ziel führen. Diese Ubergangsmaßregeln in betreff der Erbschaft können nur sein: a) Erweiterung der Erbschaftssteuern, die bereits in vielen Staaten bestehen, und in der Anwendung der dadurch erhaltenen Fonds zu dem Zwecke der sozialen Emanzipation. b) Beschränkung des testamentarischen Erbschaftsrechts, weil es im Unterschied vom untestamentarischen oder Familienerbrecht als willkürliche und abergläubische Übertreibung der Grundsätze des Privateigentums selbst erscheint.
Geschrieben am 2./3. August 1869.
24 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
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Bericht des Generalrats der Internationalen Arbeiter-Assoziation an den IV. allgemeinen Kongreß in Basel12621
Die Delegierten der verschiedenen Sektionen werden Euch ausführliche Berichte abstatten über den Fortschritt unserer Assoziation in ihren resp. Ländern. Der Bericht Eures Generalrates bezieht sich hauptsächlich auf die Guerillagefechte zwischen Kapital und Arbeit, wir meinen die Strikes, welche im vergangenen Jahre den Kontinent von Europa beunruhigt haben und von denen man behauptet, sie seien weder aus dem Elend des Arbeiters entsprungen, noch aus dem Despotismus des Kapitalisten, sondern aus den geheimen Intrigen unserer Assoziation. Einige Wochen nach Abhaltung unseres letzten Kongresses brach unter den Bandwebern und Seidenfärbern in Basel ein denkwürdiger Strike aus. Basel ist ein Platz, der bis auf unsre Tage viele Züge einer mittelalterlichen Stadt mit ihren lokalen Überlieferungen, ihren engen Vorurteilen, ihren börsenstolzen Patriziern und ihrem patriarchalischen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter bewahrt hat. Noch vor wenigen Jahren prahlte ein Basler Fabrikant gegenüber einem englischen Gesandtschaftssekretär» daß „die wechselseitige Stellung von Meister und Leuten hier ungleich günstiger sei als in England", daß „in der Schweiz ein Arbeiter, der einen guten Meister für bessere Löhne verließe, von seinen eigenen Mitarbeitern verachtet werden würde" und daß „unser Vorteil England gegenüber hauptsächlich in der langen Arbeitszeit und den mäßigen Löhnen besteht". Man sieht, das patriarchalische Regime in seiner durch moderne Einflüsse veränderten Gestalt kommt darauf hinaus, daß der Meister gut und sein Arbeitslohn schlecht ist, daß der Arbeiter wie ein mittelalterlicher Vasall fühlt und wie ein moderner Lohnsklave schanzt. Diesen Patriarchalismus mag man ferner beurteilen aus einer offiziellen schweizerischen Untersuchung über den Kinderverbrauch in den Fabriken
und den Zustand der öffentlichen Elementarschulen. Es stellte sich heraus, daß „die Basler Schulatmosphäre die schlechteste in der Welt ist, daß, während in freier Luft die Kohlensaure 4 Teile auf 10 000 bildet und in geschlossenen Räumen 10 Teile nicht überschreiten sollte, sie in den Basler gewöhnlichen Schulen auf 20-81 Teile des Vormittags und auf 53-94 Teile des Nachmittags steigt". Hierauf bemerkte ein Mitglied des Basler Großen Rates, Herr Thurneysen, sehr kühl: „Laßt Euch nicht schrecken. Die Eltern haben in ebenso schlechten Schulräumen gesessen als jetzt die Kinder, und dennoch sind sie mit heiler Haut davongekommen." Man wird nun sofort verstehen, daß eine ökonomische Revolte seitens der Basler Arbeiter Epoche in der sozialen Geschichte der Schweiz macht. Nichts ist charakteristischer als der Ausgangspunkt dieser Bewegung! In Basel haben die Arbeiter nach altem Gebrauch am letzten Tage der Spätjahrmesse 1li Tag Feierstunden. Als nun am 9. November 1868 die Arbeiter der Bandfabrik Debary und Söhne denselben wie gewohnt in Anspruch nahmen, erklärte ihnen einer der Fabrikherren in barschem Ton und mit gebieterischer Miene: „Wer weggehe und nicht fortarbeite, sei sogleich und für immer entlassen." Nach einigen vergeblichen Protestationen verließen 104 von 172 Webern sofort die Fabrik. Sie glaubten jedoch nicht an die definitive Entlassung, weil gegenseitige vierzehntägige Aufkündigungsfrist durch schriftlichen Vertrag bedingt war. Bei ihrer Rückkehr am nächsten Morgen fanden sie die Fabriken mit Gendarmen umstellt, welche die Rebellen ausschlössen. Auch die Weber, welche den Tag nicht gefeiert hatten, wollten nun ebenfalls nicht eintreten. Das allgemeine Losungswort war: „Alle oder keiner." So plötzlich arbeitslos gemacht, wurden die Weber mit ihren Familien zugleich aus den Wohnungen herausgeworfen, welche sie von ihren Fabrikanten gemietet. Letztere sandten zugleich Rundschreiben an Metzger, Bäcker, Krämer, den Aufständigen allen Kredit für Lebensmittel abzuschneiden. Der so eröffnete Kampf währte vom 9. November 1868 bis Frühling 1869. Die Grenzen unseres Berichts erlauben uns nicht, auf weitere Details einzugehen. Genug, die Bewegung entsprang aus einem frivolgehässigen Akt kapitalistischer Despotie, aus einem grausamen Lockout, mündete in Strikes, von Zeit zu Zeit unterbrochen durch Kompromisse, wieder und wieder verletzt durch die Meister, und gipfelte in dem vergeblichen Versuch des hochmächtigen Basler Großen Rates, die Arbeiter 24*
durch militärische Maßregeln und eine Art von Belagerungszustand einzuschüchtern. Während dieses Aufstands wurden die Arbeiter unterstützt durch die Internationale Arbeiter-Assoziation. Diese Gesellschaft hatte nach der Meinung der Meister den modernen Rebellengeist zuerst in die gute alte Reichsstadt Basel eingeschmuggelt. Diesen frechen Eindringling wieder aus Basel herauszuwerfen, wurde nun das Ziel ihres Strebens. Sie versuchten, den Austritt aus der Gesellschaft ihren Untertanen als Friedensbedingung aufzuherrschen. Jedoch umsonst. Als sie überhaupt in dem Krieg mit der Internationalen den kürzeren zogen, machten sie ihrer übeln Laune in possierlichen Sprüngen Luft. Diese Republikaner, welche größere Fabriken in dem Basel nahegelegenen badischen Grenzorte Lörrach besitzen, bewogen den dortigen Amtmann1, unsere dortige Sektion aufzulösen, eine Maßregel, die jedoch bald wieder von der badischen Regierung zurückgenommen wurde. Als die Augsburger „Allgemeine Zeitung" sich herausnahm, unparteiisch über die Basler Ereignisse zu berichten, drohte die „Ehrbarkeit" in närrischen Briefen mit Abonnementskündigung. Nach London sandten sie einen Emissär mit dem phantastischen Auftrag, die Dimensionen der internationalen Generalgeldkiste auszumessen. Hätten diese guten orthodoxen Christen in den ersten Zeiten des Christentums gelebt, sie hätten vor allem des Apostels Paulus Bankkredit zu Rom nachgespäht. Ihr unbeholfen barbarisches Verfahren zog ihnen einige ironische Vorlesungen über Weltweisheit von Seiten der Genfer Kapitalisten zu. Einige Monate später hatten die Basler Pfahlbürger die Genugtuung, mit Wucherzins den Genfer Weltmännern zurückzahlen zu können. Im Monat März brachen in Genf 2 Strikes aus, auf Seite der Bauarbeiter und der Setzer, deren beide Gesellschaften Sektionen der Internationalen bilden. Der Strike der Bauarbeiter wurde provoziert durch die Meister, welche den das vorige Jahr mit ihren Arbeitern feierlich abgeschlossenen Vertrag brachen. Der Setzerstrike war das letzte Wort eines 1 Ojährigen Streits, den die Arbeiter vergeblich durch 5 aufeinanderfolgende Kommissionen zu schlichten versucht hatten. Wie in Basel verwandelten die Meister sofort ihre Privatfehde mit den Arbeitern in einen Kreuzzug der Staatsgewalt gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation. Der Genfer Staatsrat verwandte Polizeidiener, um aus der Ferne durch die Meister importierte Arbeiter an der Eisenbahnstation abzuholen und
von aller Berührung mit den Strikers abzuschließen. Er erlaubte der Genfer Jeunesse doree1, mit Revolvern bewaffnet Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Straßen und anderen öffentlichen Plätzen zu überfallen. Er schleuderte seine eignen Polizeihalunken bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Arbeiter und namentlich am 24. Mai, wo zu Genf, auf kleiner Stufenleiter, die Pariser Szenen aufgeführt wurden, welche Raspail gebrandmarkt hat als „les orgies infernales des casse-tetes"12641. Als die Genfer Arbeiter in öffentlicher Versammlung eine Adresse an den Staatsrat beschlossen, worin eine Untersuchung über diese infernalen Polizeiorgien verlangt wird, wies der Staatsrat ihr Gesuch schnöde zurück. Man beabsichtigte offenbar, die Genfer Arbeiter zu einer Erneute aufzustacheln, die Erneute gewaltsam niederzustampfen, die Internationalen vom Schweizer Boden wegzufegen und die Proletarier einem Dezemberregime zu unterwerfen. Der Plan ward vereitelt durch die energischen Maßregeln und den mäßigenden Einfluß unseres Schweizer Föderalkomitees.12651 Die Meister hatten schließlich nachzugeben. Hört nun einige der Invektiven der Genfer Kapitalisten und ihrer Preßbande gegen die Internationalen ! In öffentlicher Versammlung erließen sie eine Adresse an den Staatsrat, worin es unter anderm heißt: „Man ruiniert den Kanton Genf durch Dekrete von London und Paris, man will hier alle Arbeit und alle Industrie unterdrücken." Und ein Schweizer Blatt druckte, die Leiter der Internationalen seien „Geheimagenten des Kaisers Napoleon, die im gelegenen Augenblick als öffentliche Ankläger gegen unsre kleine Schweiz auftreten werden". Und dies von Seite derselben Herren, die sich ebenso eifrig gezeigt, das Dezemberregime auf den Schweizer Boden zu verpflanzen; von seiten jener Finanzenagenten, welche Genf wie andre Schweizer Städte beherrschen und von denen ganz Europa weiß, daß sie sich seit lange aus Bürgern der Schweizer Republik in Lohnsträger des Credit mobilier1266' und anderer internationaler Schwindelassoziationen verwandelt haben! Die Metzeleien, wodurch die belgische Regierung im Monat April auf die Strikes der Puddlers zu Seraing und der Kohlengräber der Borinage antwortete, wurden ausführlich bloßgelegt in einer Adresse des Generalrats an die Arbeiter Europas und der Vereinigten Staaten2. Wir betrachteten eine solche Adresse um so dringender, als in diesem konstitutionellen
1 Im englischen Text eingefügt: den hoffnungsvollen Nichtstuern der Jeune Suisse^263] — 2 siehe vorl. Band, S.350-354
Musterstaat ein Arbeitermassakre kein Zufall, sondern eine Institution ist. Dem abscheulichen Militärdrama folgte auf dem Fuß die gerichtliche Farce. In seinen Untersuchungen gegen unser belgisches General-Komitee zu Brüssel, dessen Wohnungen brutal von der Polizei überfallen und dessen Mitglieder teilweise arretiert wurden, fand der Untersuchungsrichter den R^f J— Knn t: 7„" _„ UNCI EINES l UUULUO) uu „^UU IIUCIIIUUVKUIC vciouiuciui. JUI SCI1I1C1JL SOfort, man verlange 500 Klopffechter nach dem Kampfplatz. Die „500Internationalen" waren 500 Exemplare der „Internationale", des Wochenorgans des Brüsseler Komitees. Er stiebert dann ein Telegramm nach Paris auf, worin eine gewisse Quantität Pulver verlangt wird. Nach langer Haussuchung wird die gefährliche Substanz in Brüssel entdeckt. Es war Rattenpulver. Schließlich schmeichelt sich die belgische Polizei, das Schatzgespenst gepackt zu haben, welches im Hirn der kontinentalen Kapitalisten spukt, dessen Hauptstock in London lagert und wovon Ableger beständig über die See nach allen Zentralsitzen unserer Gesellschaft spediert werden. Der belgische offizielle Forscher wähnt es versteckt in einer eisernen Kiste in einem finstern Winkel. Seine Schergen stürzen auf die Kiste los, erbrechen sie gewaltsam und finden - ein paar Stücke Kohle. Vielleicht, berührt von Polizeihand, verwandelt sich das reine internationale Gold sofort in Kohle. Von den Strikes, die im Dezember 1868 verschiedene Sitze der französischen Baumwollenindustrie heimsuchten, war der wichtigste der in Sotteville-les-Rouen. Die Fabrikanten des Departements der Somme hatten nicht lange vorher eine Zusammenkunft zu Amiens, um zu beraten, wie sie ihre englischen Rivalen auf dem englischen Markt selbst unterkaufen (undersell) könnten. Man war darüber einig, daß neben den Zöllen die verhältnismäßige Niedrigkeit des Arbeitslohns Frankreich hauptsächlich gegen englische Baumwollwaren geschützt habe. Man schloß natürlich, daß eine noch größere Senkung des Arbeitslohns erlauben würde, England mit französischen Baumwollwaren zu überfallen. Man zweifelte keinen Augenblick, daß die französischen Baumwollarbeiter stolz darauf sein würden, die Kosten eines Eroberungskriegs zu bestreiten, den ihre patriotischen Meister auf der andern Seite des Kanals zu führen beschlossen. Kurz nachher verlautete, daß die Fabrikanten von Rouen und Umgegend in geheimem Konklave ein ähnliches Übereinkommen getroffen. Bald darauf fand plötzlich eine bedeutende Lohnherabsetzung statt in Sotteville-les-Rouen, und nun erhoben sich die normännischen Weber zum ersten Mal gegen die Übergriffe des Kapitals. Sie handelten in der Aufregung des Augenblicks. Sie hatten weder vorher Trade-Unions
gebildet, noch für Widerstandsmittel irgendeiner Art gesorgt. In ihrer Verlegenheit appellierten sie an das International-Komitee zu Rouen, welches ihnen die erste notwendige Hülfe von den Arbeitern Rouens, der Nachbarorte und von Paris verschaffte. Gegen Ende Dezember wandte sich das Rouener Komitee an den Generalrat, in einem Augenblick äußerster Not in den englischen Sitzen der Baumwollindustrie, beispiellosen Elends in London und allgemeinen Drucks in allen Produktionszweigen. Dieser Zustand dauert bis zu diesem Augenblick in England fort. Trotz so durchaus ungünstiger Umstände glaubte der Generalrat, daß der eigentümliche Charakter des Rouener Konflikts die englischen Arbeiter zu besondern Anstrengungen aufstacheln würde. Es war dies eine große Gelegenheit, den Kapitalisten zu beweisen, daß ihr internationaler Industriekrieg, geführt durch Niederschrauben des Arbeitslohns bald in diesem Lande, bald in jenem, sich endlich brechen werde an der internationalen Vereinigung der Arbeiterklassen. Die englischen Arbeiter antworteten unserm Aufruf sofort durch einen ersten Beitrag für Rouen, und der Londoner Generalrat der Trade-Unions beschloß, mit uns zusammen ein Monstremeeting zugunsten der normannischen Brüder zu berufen. Die Nachricht vom plötzlichen Aufhören des Sotteville-Strikes verhinderte weiteres Vorgehen. Für den materiellen Fehlschlag dieser ökonomischen Revolte entschädigten große moralische Resultate. Sie warb die normännischen Baumwollarbeiter für die revolutionäre Armee der Arbeit, gab den Anstoß zur Stiftung von Trade-Unions zu Rouen, Elbeuf, Darnetal usw. und besiegelte von neuem den Bruderbund zwischen englischen und französischen Arbeiterklassen. Während des Winters und Frühlings 1869 blieb unsre Propaganda in Frankreich gelähmt durch die 1868 erfolgte Unterdrückung unsres Pariser Komitees, die Polizeischikanen in den Departements und das überwältigende Interesse der allgemeinen Wahlen. Die Wahlen waren kaum vorüber, als zahlreiche Strikes ausbrachen in den Minendistrikten der Loire, zu Lyon und an vielen andern Plätzen. Die starkgefärbten Phantasiegemälde von der Prosperitat der Arbeiter unter dem Zweiten Kaiserreich verschwammen wie Nebelbilder vor den ökonomischen Tatsachen, welche diese Kämpfe zwischen den Kapitalisten und Arbeitern ans Licht brachten. Die Forderungen der Arbeiter waren so bescheiden und so unabweisbar, daß sie nach einigen oft schamlosen Versuchen des Widerstands alle eingeräumt werden mußten. Es war durchaus nichts Auffallendes an diesen Strikes außer ihrer plötzlichen Explosion nach scheinbarer Windstille und der Geschwindigkeit, womit sie Schlag auf Schlag einander folgten. Dennoch war die Ursache davon handgreif
lieh einfach. Während den Wahlen hatten die Arbeiter sich mit Erfolg aufgelehnt wider ihren öffentlichen Despoten. Was natürlicher, als sich nach den Wahlen aufzulehnen gegen ihre Privat-Despoten? Die Wahlen hatten die Geister in Bewegung gesetzt. Es ist in der Ordnung, daß die Regierungspresse, bezahlt wie sie ist für Verfälschung der m 1 j Q IX j • J 1 • jr j ^ i latsachen, den »Schlüssel tand in den gcncimen ivornnianuowoi"ten aes Londoner Generalrats, der seine Emissäre von Ort zu Ort schicke, um den vorher ganz und gar zufriedengestellten französischen Arbeitern das Geheimnis zu offenbaren, daß ein böses Ding ist, überarbeitet, unterzahlt und brutal behandelt zu werden. Ein französisches Polizeiorgan, welches in London erscheint, „L' International"t267], enthüllt der Welt in seiner Nummer vom 3. August die geheime Triebfeder unsrer heillosen Tätigkeit. „Das Sonderbarste", sagt es, „ist, daß den Strikes verordnet wurde, in solchen Ländern auszubrechen, wo das Elend noch weit davon entfernt ist, sich fühlbar zu machen. Diese unerwarteten Explosionen kamen so außerordentlich gelegen für einen gewissen Nachbar Frankreichs, der gerade Krieg zu befürchten hatte, daß viele Leute sich fragen, ob diese Strikes nicht vorfielen auf Verlangen eines auswärtigen Machiavelli, der sich die Gunst dieser allmächtigen Gesellschaft zu erringen wußte." . Zur selben Zeit, wo dieser französische Polizeiwisch uns anklagte, die französische Regierung zu Haus mit Strikes zu belästigen, um dem Grafen Bismarck die Last eines auswärtigen Kriegs abzuwälzen, deutete ein rheinpreußisches Fabrikantenblatt an, wir erschütterten den Norddeutschen Bund 13681 mit Strikes, um die deutsche Industrie zum Vorteil fremder Fabrikanten lahmzulegen. Die Verhältnisse der Internationalen zu den französischen Strikes werden wir nun beleuchten an zwei Fällen von einem typischen Charakter. In dem einen Fall, dem Strike von Saint-Etienne und dem folgenden Massakre bei Ricamarie, wird die französische Regierung selbst nicht mehr wagen, irgendeine Einmischung der Internationalen zu behaupten. In den Ereignissen zu Lyon war es nicht die Internationale, welche die Arbeiter in Strikes warf, sondern umgekehrt die Strikes, welche die Arbeiter in die Arme der Internationalen warfen. Die Kohlenarbeiter von Saint-Etienne, Rive-de-Gier und Firming hatten ruhig, aber fest von den Direktoren der Minen-Kompanien eine Revision des Lohntarifs und eine Beschränkung des Arbeitstages verlangt, der 12 volle Stunden harter, unterirdischer Arbeit zählte. Erfolglos in ihrem Versuch eines gütlichen Vergleichs, erklärten sie einen Strike am 11.Juni. Es war für sie natürlich eine Lebensfrage, die Kooperation ihrer Kameraden zu sichern, die noch fortarbeiteten. Um dies zu verhindern,
verlangten und erhielten die Direktoren vom Präfekten der Loire einen Wald von Bajonetten. Am 12. Juni fanden die Strikers die Kohlengruben unter starker, militärischer Besetzung. Um sich des Eifers der Soldaten, welche die Regierung ihnen so lieh, zu versichern, zahlten die MinenKompanien jedem Soldaten täglich einen Franken per Kopf. Die Soldaten zahlten den Kompanien zurück durch Einfangung von ungefähr 60 Kohlengräbern, welche zu ihren Kameraden in den Gruben vorzudringen suchten. Diese Gefangenen wurden am Nachmittag desselben Tags nach SaintEtienne eskortiert durch 150 Mann vom vierten Linienregiment. Vor dem Aufbruch der tapfern Krieger verteilte ein Ingenieur der Kompanie, Dorian, 60 Flaschen Kognak unter sie und legte ihnen eindringlich ans Herz, ein scharfes Auge auf die Gefangenen zu haben. Diese Bergleute seien Wilde, Barbaren, entlassene Galeerensträflinge. Durch den Branntwein und die Predigt war eine blutige Kollision eingeleitet. Auf ihrem Marsch, gefolgt von einem Haufen Kohlenarbeiter mit Frauen und Kindern, umringt von denselben in einem Engpaß auf den Höhen des Moncel, Quartier Ricamarie, angegangen, die Gefangenen auszuliefern, auf ihre Weigerung mit einem Steinhagel angegriffen, feuerten die Soldaten ohne vorläufige Warnung mitten in den enggedrängten Haufen, töteten 15Personen, darunter 2 Weiber und einen Säugling, und verwundeten eine große Menge. Die Torturen der Verwundeten waren furchtbar, unter ihnen befand sich ein armes Mädchen von 12 Jahren, Jenny Petit, deren Name unsterblich in der Martyrologie der Arbeiterklasse leben wird. Sie ward von hinten getroffen von zwei Kugeln, wovon die eine in der Lende fest sitzen blieb, die andre den Rükken durchflog, den Arm zerbrach und durch die rechte Schulter herausfuhr. „Les chassepots avaient encore fait merveille."[369Diesmal fand jedoch die Regierung bald aus, daß sie nicht nur ein Verbrechen, sondern einen Fehler begangen. Sie wurde nicht von der Mittelklasse als Gesellschaftsretter begrüßt. Der Munizipalrat von Saint-Etienne gab seine Entlassung in Masse in einem Dokument, worin er die Soldateska der Unmenschlichkeit zieh und die Verlegung des Regiments von der Stadt forderte. Die französische Presse brach in einen Schrei des Entsetzens aus. Selbst solche konservativen Blätter wie der „Moniteur universel"[2701 sammelten für die Opfer. Die Regierung hatte das gehässige Regiment von Saint-Etienne zu entfernen. Unter diesen schwierigen Umständen war es ein lichter Einfall, einen Sündenbock auf dem Altar der öffentlichen Entrüstung zu opfern - die Internationale Arbeiter-Assoziation. Bei den Gerichtsverhandlungen gegen die angeblichen Aufrührer teilte der Anklageakt sie in 10 Kategorien, die
Grade ihrer Schuld sehr kunstreich schattierend. Die erste Klasse, die dunkelste, bestand aus 5 Arbeitern, besonders des Verdachts verdächtig, ihr geheimes Losungswort von außen, von der Internationalen erhalten zu haben. Die Beweise waren natürlich überwältigend, wie der folgende Auszug aus einer französischen Gerichtszeitung zeigt: „Das Zeugenverhör hat nicht erlaubt, die Teilnahme der Internationalen Assoziation genau festzusetzen. Die Zeugen versichern nur, daß sich an der Spitze der Banden Unbekannte befanden, mit weißen Kitteln und Mützen. Aber keiner dieser Unbekannten ist arretiert worden, und keiner sitzt auf der Anklagebank. Auf die Frage: Glauben Sie an die Einmischung der Internationalen Assoziation? antwortete ein Zeuge: Ich glaube daran, aber ich habe durchaus keine Beweise." Kurz nach dem Ricamarie-Massakre ward der Tanz der ökonomischen Revolten zu Lyon eröffnet durch die Seidenhaspier, meist weiblichen Geschlechts. In ihrer Not appellierten sie an die Internationale, die namentlich durch ihre Mitglieder in Frankreich und der Schweiz zum Sieg verhalf. Trotz aller Einschüchterungsversuche der Polizei erklärten sie öffentlich ihren Anschluß an unsre Gesellschaft und traten ihr formell bei durch Zahlung der statutenmäßigen Beiträge an den Generalrat. Zu Lyon wie vorher zu Rouen spielten die Arbeiterinnen eine hochherzige und hervorragende Rolle. Andre Geschäftszweige von Lyon folgten den Seidenhasplern auf dem Fuß nach. So gewann unsre Gesellschaft in wenigen Wochen mehr als 10 000 neue Anhänger in dieser heroischen Bevölkerung, welche vor mehr als 30 Jahren das Losungswort des modernen Proletariats auf ihr Banner schrieb: „Vivre en travaillant ou mourir en combattant!" (Arbeitend leben oder kämpfend sterben!)[371] Unterdes fuhr die französische Regierung fort mit ihren kleinlichen Quengeleien gegen die Internationale. Zu Marseille verbot sie unsern Mitgliedern zusammenzukommen zu der Wahl eines Delegierten für den Basler Kongreß. Derselbe Streich ward in andern Städten wiederholt, aber die Arbeiter des Kontinents, wie anderswo, beginnen endlich einzusehen, daß man seine natürlichen Rechte am sichersten erwirbt, wenn man sie ohne Erlaubnis ausübt, jeder auf seine persönliche Gefahr. 9 Die Arbeiter Ostreichs, besonders Wiens, nehmen bereits den Vordergrund ein, obgleich sie erst nach den Ereignissen von 1866ca721 in die Bewegung eintraten. Sie sammelten sich sofort unter der Fahne des Sozialismus und der Internationalen, in welche sie massenhaft durch ihre Delegierten an dem neulichen Eisenacher Kongreß12731 eintraten. Wenn irgendwo, hat die liberale Mittelklasse in Ostreich ihre selbstischen Instinkte, ihre geistige Inferiorität und ihren kleinlichen Groll gegen die Arbeiterklasse
zur Schau gestellt. Ihr Ministerium, welches das Reich zerrissen und bedroht sieht durch den Racen- und Nationalitätenkampf, verfolgt die Arbeiter, welche allein die Verbrüderung aller Racen und Nationalitäten proklamieren. Die Mittelklasse selbst, welche ihre neue Stellung nicht ihrem eigenen Heroismus, sondern ausschließlich den Unglücksfällen der östreichischen Armee verdankt[274), welche kaum imstande ist, wie sie selbst weiß, ihre neuen Errungenschaften wider die Angriffe der Dynastie, der Aristokratie und des Klerus zu verteidigen, diese Mittelklasse vergeudet nichtsdestoweniger ihre Kräfte in dem elenden Versuch, die Arbeiterklasse auszuschließen vom Recht der Koalition, der öffentlichen Meetings und der Presse. In Ostreich, wie in allen andern kontinentalen Staaten, hat die Internationale das weiland rote Gespenst verdrängt. Als am 13. Juli ein Arbeitermassakre auf kleinem Maßstab zu Brünn, der Baumwollhauptstadt Mährens, aufgeführt wurde, erklärte man das Ereignis durch die geheimen Aufhetzungen der Internationalen, deren Agenten jedoch im Besitz der Nebelkappe sind, die sie unsichtbar macht. Als einige Wiener Volksführer vor Gericht standen, brandmarkte der öffentliche Ankläger sie als Agenten des Auslands. Zum Beweis seiner tiefen Sachkenntnis beging er nur den kleinen Irrtum, die bürgerliche Freiheits- und Friedensligue von Bern mit der proletarischen Internationalen zu verwechseln. Wird die Arbeiterbewegung so in dem zisleithanischen Ostreich[275J verfolgt, so wird sie offen und schamlos gehetzt in Ungarn. Über diesen Punkt liegen dem Generalrat die zuverlässigsten Berichte von Pest und Preßburg vor. Ein Beispiel der Behandlung der ungarischen Arbeiter seitens der Behörden genüge. Herr von Wenckheim, königlicher Minister des Innern in Ungarn, befand sich gerade bei der ungarischen Delegation in Wien. Die Preßburger Arbeiter, welche seit Monaten keine Versammlungen mehr abhalten dürfen und denen sogar untersagt wurde, ein Fest zu veranstalten, dessen Reinertrag dem Gründungsfonds einer Krankenkasse zufallen sollte, sandten vor einigen Tagen mehrere Arbeiter, darunter den bekannten Agitator Niemtzik, nach Wien, um bei dem Herrn Minister des Innern Beschwerde zu führen. Es kostete Mühe, Zutritt zu dem hohen Herrn zu erhalten, und als sich endlich das ministerielle Zimmer öffnete, wurden die Arbeiter von dem Minister in einer allem Anstände widersprechenden Weise empfangen: „Sind Sie Arbeiter? Arbeiten Sie fleißig?" fragte der Minister, indem er die dampfende Zigarre im Mund herumdrehte. „Nun, weiter haben Sie sich um nichts zu bekümmern, Sie brauchen keine Vereine, und wenn Sie Politik treiben, so werden wir Mittel dagegen wissen. Ich werde gar nichts für Sie tun. Mögen die Arbeiter immerhin murren!"
Auf die Frage, ob also alles der Willkür der Behörden überlassen bleibe, antwortete der Minister: „Ja, unter meiner Verantwortung." Nach langen vergeblichen Auseinandersetzungen verließen die Arbeiter endlich den Minister mit der Erklärung: „Da die staatlichen Verhältnisse die Lage der Arbeiter bedingen, so müssen sich die Arbeiter mit Politik beschäftigen, und sie werden es tun." In Preußen und dem übrigen Deutschland zeichnete sich das vergangene Jahr aus durch die Bildung von Trade-Unions über das ganze Land. Auf dem neulichen Kongreß zu Eisenach stifteten die Delegierten von mehr als 150 000 Arbeitern vom eigentlichen Deutschland, Ostreich und der Schweiz eine neue Sozialdemokratische Partei mit einem Programm, dem die leitenden Prinzipien unserer Statuten wörtlich einverleibt sind. Durch das Gesetz verhindert, förmliche Sektionen unserer Assoziation zu bilden, beschlossen sie, individuelle Mitgliedschaftskarten vom Generalrat zu nehmen.1 Neue Zweige der Assoziation haben sich in Neapel, Spanien und Holland gebildet. In Barcelona und Amsterdam werden Wochenorgane ausgegeben^2775 Die Lorbeeren der belgischen Regierung auf den glorreichen Schlachtfeldern von Seraing und Frameries scheinen den Schlaf unserer Großmächte zu stören. Kein Wunder denn, daß auch England dieses Jahr sich seines Arbeitermassakres zu rühmen hat. Den welschen Kohlengräbern bei dem Leeswood Great Pit in der Nähe von Mold in Denbighshire wurde plötzlich Notiz einer Lohnverkürzung gegeben durch den Verwalter des Bergwerks, der ihnen seit lange als ein kleiner und unverbesserlicher Tyrann verhaßt war. Sie sammelten Leute von den benachbarten Werken, verjagten ihn aus seinem Hause, schleppten alle seine Möbel zur nächsten Eisenbahnstation. Diese Unglücklichen wähnten in ihrer kindischen Unwissenheit, auf diese Weise ihn für immer loszuwerden.3® Am 28. Mai wurden 2 Führer zum Gericht nach Mold von der Polizei und unter der Eskorte einer Abteilung des 4. Infanterieregiments, „the King's Own"3,
1 Im englischen Text ist hier folgender Satz eingefügt: „Der Allgemeine DeutscheArbeiterverein versicherte auf seinem Kongreß zu Barmen^276! ebenfalls sein Einverständnis mit den Prinzipien unserer Assoziation, erklärte aber gleichzeitig, daß das preußische Gesetz ihm verbiete, sich uns anzuschließen." - 2 im englischen Text ist hier folgender Satz eingefügt: „Gegen die Aufrührer wurden natürlich gerichtliche Untersuchungen eingeleitet; einer von ihnen wurde jedoch von einer tausendköpfigen Menge befreit und aus der Stadt geleitet." 3 „des Leibregiments des Königs"
transportiert. Unterwegs suchte ein Haufen von Kohlengräbern sie zu befreien . Auf den Widerstand der Polizei und der Soldaten hagelte es Steine auf sie. Ohne vorläufige Warnung erwiderten die Soldaten den Steinhagel mit einem Kugelhagel von ihren Hinterladern1. Fünf Personen, darunter zwei Frauen und ein Kind, wurden getötet und eine große Menge verwundet. Bis hierin existiert große Analogie zwischen den Massakres von Mold und Ricamarie, von da hört sie auf. In Frankreich waren die Soldaten nur ihren Kommandanten verantwortlich, in England hatten sie durch das Fegfeuer einer Coroner's jury2 zu passieren, aber der Coroner war ein tauber, halb versimpelter alter Mann, dem die Zeugenaussagen durch eine Ohrentrompete eingetrichtert werden mußten, und die welsche Jury war eine engherzig vorurteilsvolle Klassenjury. Sie erklärten den Mord für „erlaubten Totschlag". In Frankreich wurden die Aufrührer zu Gefängnisstrafe von 3 bis zu 18 Monaten verurteilt und bald darauf amnestiert, in England wurden sie zu 10 Jahren Zwangsarbeit mit Eisen verurteilt. In der ganzen französischen Presse ein Wutschrei gegen die Truppen. In England hatte die Presse nur Schmunzeln für die Soldaten und nur Runzeln für ihre Opfer. Dennoch haben die englischen Arbeiter viel gewonnen durch den Verlust einer großen und gefährlichen Illusion. Bis jetzt glaubten sie sich mehr oder minder beschützt durch die Formalität der Riot Acts[a781 und die Unterordnung des Militärs unter die Zivilbehörde. Sie sind nun eines Bessern belehrt. Herr Bruce, der liberale Minister des Innern, erklärte im Hause der Gemeinen, jeder Magistrat, der erste beste Fuchsjäger oder Pfaffe, könne ohne vorherige Verlesung der Riot Acts auf ihm aufrührerisch scheinende Haufen feuern lassen. Zweitens aber könnten die Soldaten auch auf eigene Faust feuern unter dem Vorwande der Selbstverteidigung. Der liberale Minister vergaß hinzuzufügen, daß unter so bewandten Umständen jedermann auf Staatskosten mit einem Hinterlader bewaffnet werden müßte zu seiner Selbstverteidigung gegen die Soldaten. Der folgende Beschluß wurde am 30. August auf dem allgemeinen Kongreß der Trade-Unions zu Birmingham verfaßt: „ In Anbetracht, daß die lokale Organisation der Arbeit fast verschwunden ist vor einer Organisation mit nationalem Charakter; daß die Ausdehnung des Prinzips des Freihandels eine solche Konkurrenz der Kapitalisten hervorruft, daß in dieser internationalen Hetzjagd das Interesse des Arbeiters aus dem Gesicht verloren und aufgeopfert wird; daß die Arbeiterorganisation noch weiter ausgedehnt und international gemacht werden muß; in Anbetracht ferner, daß die Internationale Arbeiter-Assoziation die gemeinsame Vertretung der Arbeiterinteressen bezweckt und daß die Interessen
der Arbexterklassen überall identisch sind, empfiehlt dieser Kongreß jene Assoziation herzlich der Unterstützung der Arbeiter des Vereinigten Königreichs und namentlich den organisierten Arbeiterkörpern und geht sie aufs dringendste an, sich mit jener Assoziation zu affiliieren. Der Kongreß ist zugleich überzeugt, daß die Verwirklichung der Prinzipien der Internationalen zum dauernden Frieden unter den Nationen der Erde führen wird." f279l Letzten Mai drohte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und England. Euer Generalrat sandte daher eine Adresse an Herrn Sylvis, den Präsidenten der amerikanischen National Labor Unionf2051, worin er die amerikanische Arbeiterklasse aufrief, gegenüber dem Kriegsgeschrei der herrschenden Klasse Frieden zu kommandieren.1 Der plötzliche Tod des Herrn Sylvis, dieses tapfern Vorkämpfers unsrer Sache, berechtigt, zur Erinnerung an ihn unsern Bericht mit seinem Antwortschreiben zu schließen: „Philadelphia, 26. Mai 1869 Ihre Adresse vom 12. Mai habe ich gestern empfangen. Ich bin sehr glücklich, solche herzliche Worte von unsern Arbeitergenossen jenseits des Ozeans zu erhalten. Unsere Sache ist eine gemeinschaftliche: Es ist der Krieg zwischen Armut und Reichtum. Die Arbeit nimmt überall dieselbe niedrige Stellung ein, und das Kapital ist derselbe Tyrann in allen Teilen der Welt. Darum sage ich: Unsere Sache ist eine gemeinsame. Ich reiche Euch im Namen der Arbeiterklassen der Vereinigten Staaten die Hand der Kameradschaft. Ich reiche sie durch Euch allen denen, die Ihr repräsentiert; und allen niedergetretenen und unterdrückten Söhnen und Töchtern der Mühsal in Europa. Geht voran in dem guten Werk, das Ihr unternommen habt, bis der glorreichste Erfolg Eure Anstrengungen krönt. Das ist auch unser Entschluß. Unser letzter Krieg hat resultiert in dem Aufbau der infamsten Geldaristokratie auf dem Antlitz der Erde. Diese Geldmacht zehrt das Mark des Volkes aus. Wir haben ihr den Krieg erklärt und fühlen uns des Sieges gewiß. Wenn möglich, wollen wir durch Stimmzettel siegen, wenn nicht, müssen wir zu ernstern Mitteln greifen. Ein kleiner Aderlaß ist manchmal notwendig in verzweifelten Fällen." Im Auftrag des Generalrats: Roberi Applegarih, Vorsitzender Cotoell Stepney, Kassierer J. George Eccarius, Generalsekretär London, den 1. September 1869 Office: 256, High Holborn, W.C. Nach der Ausgabe in deutscher Sprache.
Karl Marx
[Resolutionsentwurf des Generalrats über das Verhalten der britischen Regierung in der irischen Amnestiefrage12801]
Es wird erklärt, daß Herr Gladstone in seiner Antwort auf die irischen Forderungen nach Freilassung der eingekerkerten irischen Patrioten - eine Antwort, enthalten in seinem Brief an Herrn O'Shea etc. etc.1 - die irische Nation bewußt beleidigt; daß er die politische Amnestie an Bedingungen knüpft, die gleicherweise erniedrigend für die Opfer der Mißregierung wie für das Volk sind, dem sie angehören; daß er, der trotz seiner verantwortlichen Stellung der Rebellion der amerikanischen Sklavenhalter öffentlich und begeistert Beifall gespendet hat12811, jetzt auftritt, um dem irischen Volk die Doktrin der passiven Unterwerfung zu predigen; daß sein ganzes Verhalten in der irischen Amnestiefrage das wahre und echte Produkt jener „Eroberungspolitik' ist, durch deren leidenschaftliche Brandmarkung Herr Gladstone seine Tory-Rivalen aus dem Amt gedrängt hat'2821; daß der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation seiner Bewunderung Ausdruck gibt für die tapfere, entschlossene und hochherzige Art, in der das irische Volk seine Amnestiebewegung führt; daß diese Resolutionen allen Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation und allen mit ihr in Verbindung stehenden Arbeitergesellschaften in Europa und Amerika zur Kenntnis gebracht werden sollen.
Nach dem handschriftlichen Entwurf. Aus dem Englischen.
1 Im Protokollbuch des Generalrats: in einer Antwort, enthalten in seinen Briefen an Herrn O'Shea vom 18. Oktober 1869 und an Herrn Isaac Butt vom 23. Oktober 1869
Karl Marx
Der Generalrat an den Föderalrat der romanischen Schweiz12833
In seiner außerordentlichen Sitzung vom 1 .Januar 1870 hat der Generalrat beschlossen: 1. Wir lesen in der „Egalite11, vom 11.Dezember 1869: „Es ist sicher, daß er" (der Generalrat) „äußerst wichtige Dinge vernachlässigt ... Wir erinnern ihn an sie" (die Pflichten des Generalrats) „durch den Artikel 1 des Reglements etc.: ,Der Generalrat ist verpflichtet, die Kongreßbeschlüsse auszuführen.' ... Wir hätten genug Fragen an den Generalrat, so daß seine Antworten ein ziemlich langes Dokument ergäben. Sie werden später kommen ... In der Erwartung ... etc." Der Generalrat kennt weder in den Statuten noch im Reglement einen Artikel, der ihn verpflichtete, sich in eine Korrespondenz oder eine Polemik mit der „Egalite" einzulassen oder „Fragen" irgendwelcher Zeitungen zu beantworten ". Allein der Föderalrat der romanischen Schweiz vertritt die Zweiggesellschaften der romanischen Schweiz vor dem Generalrat. Wenn der Romanische Föderalrat Anfragen oder Vorwürfe an uns richtet, und zwar auf dem einzig legitimen Wege, das heißt durch seinen Sekretär, wird der Generalrat immer bereit sein, darauf zu antworten. Aber der Romanische Föderalrat hat weder das Recht, seine Funktionen an die „Egalite" und den „Progres"C384] abzutreten, noch seine Funktionen von diesen Zeitungen usurpieren zu lassen. Allgemein gesprochen: die Korrespondenz des Generalrats mit den nationalen und lokalen Komitees könnte nicht veröffentlicht werden, ohne den Interessen der Assoziation großen Schaden zuzufügen. Wenn also die anderen Organe der Internationale dem „Progres" und der „Egalite" nachahmen würden, sähe sich der Generalrat vor die Alternative gestellt, sich entweder durch sein Schweigen vor der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder seine Pflichten durch eine öffentliche Antwort zu verletzen.*
* [In der Handschrift gestrichen:] Der „Progres", der dem Generalrat nicht zugeschickt wird, obwohl dies entsprechend den Beschlüssen dreier aufeinander folgender
Die „Egalite" hat sich dem „Progres" (einer Zeitung, die dem Generalrat nicht zugeschickt wird) beigesellt, um den „TraVail"12851 (eine Pariser Zeitung, die sich bis jetzt noch nicht zu einem Organ der Internationale erklärt hat und dem Generalrat nicht zugeht) aufzufordern, vom Generalrat Erklärungen zu verlangen.* Das ist beinahe eine Liga für das öffentliche Wohl12861! 2. Angenommen, die von der „Egalite" gestellten Fragen gehen vom Romanischen Föderalrat aus, so wollen wir sie beantworten, aber nur unter der Bedingung, daß solche Fragen an uns nicht wieder in dieser Weise gestellt werden. 3. Die Frage des Bulletins. Die Beschlüsse des Genfer Kongresses, die in das Reglement aufgenommen wurden, schreiben vor, daß die nationalen Komitees dem Generalrat Dokumente über die proletarische Bewegung einzusenden haben und daß der Generalrat dann ein Bulletin in den verschiedenen Sprachen veröffentlichen soll, „sooft seine Mittel es ihm erlauben", („As often as its means permit, the General Council shall publish a report etc.") Die Verpflichtung des Generalrats war demnach an Bedingungen geknüpft, die niemals erfüllt wurden. Selbst die in den Statuten vorgeschriebene statistische Untersuchung, die von mehreren aufeinander folgenden allgemeinen Kongressen beschlossen und Jahr für Jahr vom Generalrat verlangt wurde, ist niemals durchgeführt worden. Dem Generalrat wurde kein einziges Dokument vorgelegt. Was die Mittel anbelangt, so hätte der Generalrat ohne die regionalen Beiträge aus England und ohne die persönlichen Opfer seiner Mitglieder schon längst aufgehört zu existieren. So ist das vom Genfer Kongreß angenommene Reglement ein toter Buchstabe geblieben.** Was den Kongreß zu Basel betrifft, so hat er nicht über die Ausführung
allgemeiner Kongresse geschehen müßte, ergriff die Initiative in der Usurpation der Funktionen des Generalrats. * [In der Handschrift gestrichen:] Wahrlich, es scheint, daß dieselben Personen, die im vergangenen Jahr unmittelbar nach ihrem verspäteten Eintritt in unsere Assoziation das gefährliche Projekt ausheckten, innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation eine andere internationale Assoziation unter ihrer persönlichen Kontrolle und mit dem Sitz in Genf zu gründen, ihr Projekt wieder aufgegriffen haben und noch immer daran glauben, daß ihre besondere Mission die Usurpation der obersten Leitung der Internationalen Assoziation sei. Der Generalrat erinnert den Romanischen Föderalrat daran, daß er für die Leitung der „Egalite" und des „Progres" verantwortlich ist. ** [In der Handschrift gestrichen:] So schätzte es auch der Baseler Kongreß ein.
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dieses bestehenden Reglements» sondern nur über die Opportunität eines zu schaffenden Bulletins diskutiert und keinen Beschluß darüber gefaßt (siehe den deutschen Bericht, der in Basel unter den Augen des Kongresses gedruckt wurde[287]). Übrigens glaubt der Generalrat, daß der ursprüngliche Zweck des Bulletins zur Zeit vollkommen von den verschiedenen Organen der Internationale erfüllt wird, die in verschiedenen Sprachen erscheinen und auf dem Wege des gegenseitigen Austauschs verbreitet werden. Es wäre absurd, durch kostspielige Bulletins erreichen zu wollen, weis bereits ohne Kosten erreicht wird. Andererseits würde ein Bulletin, das Dinge veröffentlicht, die in den Organen der Internationale nicht gedruckt werden, nur dazu dienen, unsere Feinde hinter die Kulissen sehen zu lassen. 4. Die Frage der Trennung des Generalrats vom Föderalrat für England. Lange vor der Gründung der »Egalite4 wurde dieser Vorschlag wiederholt im Generalrat selbst von einem oder zwei seiner englischen Mitglieder eingebracht. Man hat ihn aber stets fast einstimmig abgelehnt. Obgleich die revolutionäre Initiative wahrscheinlich von Frankreich ausgehen wird, kann allein England als Hebel für eine ernsthafte ökonomische Revolution dienen. Eis ist das einzige Land, wo es keine Bauern mehr gibt und wo der Grundbesitz in wenigen Händen konzentriert ist. Es ist das einzige Land, wo die kapitalistische Form - d.h. die auf großer Stufenleiter kombinierte Arbeit unter kapitalistischen Unternehmern - sich fast der gesamten Produktion bemächtigt hat. Es ist das einzige Land, wo die große Mehrheit der Bevölkerung aus Lohnarbeitern (wages labourers) besteht. Es ist das einzige Land, wo der Klassenkampf und die Organisation der Arbeiterklasse durch die Trade-Unions einen gewissen Grad der Reife und der Universalität erlangt haben. Dank seiner Herrschaft auf dem Weltmarkt ist England das einzige Land, wo jede Revolution in den ökonomischen Verhältnissen unmittelbar auf die ganze Welt zurückwirken muß. Wenn der Landlordismus und der Kapitalismus ihren klassischen Sitz in diesem Lande haben, so sind andererseits die materiellen Bedingungen ihrer Vernichtung dort am meisten herangereift. Der Generalrat ist jetzt in der glücklichen Lage, seine Hand direkt auf diesem großen Hebel der proletarischen Revolution zu haben; welche Torheit, ja, man könnte fast sagen, welches Verbrechen wäre es, ihn englischen Händen allein zu überlassen! Die Engländer verfügen über alle notwendigen materiellen Voraussetzungen für eine soziale Revolution. Woran es ihnen mangelt, ist der Geist der Verallgemeinerung und die revolutionäre Leidenschaft. Dem kann nur der Generalrat abhelfen und somit eine wahrhaft revolutionäre Bewegung in
diesem Land und folglich überall beschleunigen. Die großen Erfolge, die wir bereits in dieser Hinsicht erzielt haben, werden von den klügsten und angesehensten Zeitungen der herrschenden Klassen bezeugt, wie z.B. von der „Pall Mall Gazette", der „Saturday Review", dem „Spectator"[288] und der „Fortnightly Review", ganz abgesehen von den sogenannten radikalen Mitgliedern des Unterhauses und des Oberhauses, die noch vor kurzem einen großen Einfluß auf die Führer der englischen Arbeiter ausübten. Sie klagen uns öffentlich an, wir hätten den englischen Geist der Arbeiterklasse vergiftet und fast erstickt und sie zum revolutionären Sozialismus getrieben. Die einzige Methode, diese Veränderung zu erreichen, besteht darin, daß wir als Generalrat der Internationalen Assoziation handeln. Als Generalrat können wir Maßnahmen veranlassen (wie z.B. die Gründung der Land and Labour League[®9]), die dann später, bei ihrer. Ausführung, vor der Öffentlichkeit als spontane Bewegungen der englischen Arbeiterklasse erscheinen. Würde ein Föderalrat außerhalb des Generalrats gebildet, welche unmittelbaren Auswirkungen hätte dies? Der Föderalrat befände sich zwischen dem Generalrat der Internationale und dem Allgemeinen Rat der TradeUnionsl2L5] und besäße keinerlei Autorität. Andererseits würde der Generalrat diesen großen Hebel aus den Händen lassen. Wenn wir laute Marktschreierei ernster und unsichtbarer Arbeit vorzögen, dann hätten wir vielleicht den Fehler begangen, öffentlich auf die Frage der „Egalite" zu antworten, warum „der Generalrat sich in diese so lästige Häufung von Funktionen fügt". England darf nicht einfach den anderen Ländern gleichgesetzt werden. Man muß es als die Metropole des Kapitals betrachten. 5. Die Frage der Resolution des Generalrats über die irische Amnestie.1 Wenn England das Bollwerk des europäischen Landlordismus und Kapitalismus ist, so ist Irland der einzige Punkt, wo man den großen Schlag gegen das offizielle England führen kann. Erstens ist Irland das Bollwerk des englischen Landlordismus. Wenn er in Irland fiele, so fiele er auch in England. In Irland kann dies hundertmal leichter erreicht werden, weil sich der ökonomische Kampf dort ausschließlich auf den Grundbesitz konzentriert, weil dieser Kampf dort gleichzeitig ein nationaler ist und weil das Volk dort revolutionärer und erbitterter ist als in England. Der Landlordismus in Irland wird ausschließlich durch die
englische Armee aufrechterhalten. In dem Moment, wo die Zwangsunion'2901 zwischen den beiden Ländern aufhört, wird in Irland sofort eine soziale Revolution ausbrechen, wenn auch in veralteten Formen. Der englische Landlordismus wird nicht nur eine bedeutende Quelle seiner Reichtümer verlieren, sondern auch seine größte moralische Kraft - die Kraft, die Herrschaft Englands über Irland zu repräsentieren. Andererseits macht das englische Proletariat seine Landlords in England selbst unverwundbar, solange es ihre Macht in Irland aufrechterhält. Zweitens hat die englische Bourgeoisie das irische Elend nicht nur ausgenutzt, um durch die erzwungene Einwanderung der armen Iren die Lage der Arbeiterklasse in England zu verschlechtern, sondern sie hat überdies das Proletariat in zwei feindliche Lager gespalten. Das revolutionäre Feuer des keltischen Arbeiters vereinigt sich nicht mit der soliden, aber langsamen Natur des angelsächsischen Arbeiters. Im Gegenteil, es herrscht in allen großen Industriezentren Englands ein tiefer Antagonismus zwischen dem irischen und englischen Proletarier. Der gewöhnliche englische Arbeiter haßt den irischen als einen Konkurrenten, der die Löhne und den Standard of life1 herabdrückt. Er empfindet ihm gegenüber nationale und religiöse Antipathien. Er betrachtet ihn fast mit denselben Augen, wie die poor whites2 der Südstaaten Nordamerikas die schwarzen Sklaven betrachteten. Dieser Antagonismus zwischen den Proletariern in England selbst wird von der Bourgeoisie künstlich geschürt und wachgehalten. Sie weiß, daß diese Spaltung das wahre Geheimnis der Erhaltung ihrer Macht ist. Dieser Antagonismus wiederholt sich auch jenseits des Atlantik. Die von ihrem heimatlichen Boden durch Ochsen und Hammel vertriebenen Iren finden sich in Nordamerika wieder, wo sie einen ansehnlichen und ständig wachsenden Teil der Bevölkerung bilden. Ihr einziger Gedanke, ihre einzige Leidenschaft ist der Haß gegen England. Die englische und die amerikanische Regierung (das heißt die Klassen, welche sie repräsentieren) nähren diese Leidenschaften, um den geheimen Kampf zwischen den Vereinigten Staaten und England zu verewigen, und behindern somit eine aufrichtige und ernsthafte Allianz zwischen den Arbeiterklassen zu beiden Seiten des Atlantik und folglich deren gemeinsame Emanzipation. Außerdem ist Irland der einzige Vorwand der englischen Regierung, um eine große stehende Armee zu unterhalten, die im Bedarfsfalle, wie es sich gezeigt hat, auf die englischen Arbeiter losgelassen wird, nachdem sie in Irland zur Soldateska ausgebildet wurde.
Schließlich wiederholt sich im England unserer Tage das, was uns das Alte Rom in ungeheurem Maßstab zeigte. Das Volk, das ein anderes Volk unterjocht, schmiedet seine eigenen Ketten. Der Standpunkt der Internationalen Assoziation in der irischen Frage ist also klar. Ihre erste Aufgabe ist es, die soziale Revolution in England zu beschleunigen. Zu diesem Zwecke muß man den entscheidenden Schlag in Irland führen *. Die Resolution des Generalrats über die irische Amnestie soll nur dazu dienen, andere Resolutionen einzuleiten, in denen zum Ausdruck gebracht werden wird, daß es, abgesehen von jeglicher internationaler Gerechtigkeit, eine Forbedingung für die Emanzipation der englischen Arbeiterklasse ist, die Zwangsunion (das heißt die Versklavung Irlands) in eine gleiche und freie Konföderation umzuwandeln, wenn das möglich ist, oder die völlige Trennung zu erzwingen, wenn es sein muß.** Übrigens sind die naiven Doktrinen der „Egalite" und des „Progres" über den Zusammenhang oder vielmehr über das Nichtvorhandensein eines Zusammenhangs zwischen der sozialen und politischen Bewegung unseres Wissens auf keinem unserer internationalen Kongresse anerkannt worden. Sie stehen im Gegensatz zu unseren Statuten. Dort heißt es: „That the economical emancipation of the working classes is therefore the great end to which eVery political movement ought to be subordinate as a means."1
* [In der Handschrift gestrichen:] und auf jede mögliche Art und Weise den ökonomischen und nationalen Kampf der Iren fördern. ** [In der Handschrift gestrichen:] Die Schwierigkeiten, ja sogar die persönlichen Gefahren, denen sich die Mitglieder des Generalrats aussetzen, indem sie sich auf dieses Terrain begeben, kann man schon aus der einfachen Tatsache ersehen, daß der „Bec-Hiüe" in seinen Berichten über unsere Sitzungen nicht nur unsere Resolutionen unterschlagen, sondern überhaupt die Tatsache nicht erwähnt hat, daß sich der Generalrat mit der irischen Frage beschäftigt. Dadurch war der Generalrat gezwungen, seine Resolutionen drucken zu lassen, um sie an alle Trade-Unions einzeln verschicken zu können. Es steht der „Egalite" frei, zu sagen, daß dies eine „lokale politische Bewegung" sei, daß sie es durchaus einem Föderalrat überlassen würde, sich mit derartigen Bagatellen zu beschäftigen, und daß es nicht nötig sei, „die bestehenden Regierungen zu verbessern". Sie hätte aus demselben Grunde sagen können, daß wir die Absicht hätten, die belgische Regierung zu oerbessern, da wir deren Metzeleien brandmarken.
1 „Daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist." (Siehe vorl. Band, S.14.)
Diese Worte „as a means", „als Mittel", wurden in der französischen Übersetzung, die 1864 vom Pariser Komitee angefertigt wurde[291], weggelassen. Auf die Anfrage des Generalrats hin entschuldigte sich das Pariser Komitee mit den Schwierigkeiten seiner politischen Situation. Eis gibt noch andere Verstümmelungen des authentischen Textes der Statuten. Der erste Erwägungsgrund der Statuten hat folgenden Wortlaut: „The struggle for the emancipation of the working classes means ... a struggle ... for equal rights and duties, and the abolition of all class rule."1 Die Pariser Übersetzung spricht von „den gleichen Rechten und Pflichten", das heißt sie gebraucht die allgemeine Phrase, die man in fast allen demokratischen Manifesten seit einem Jahrhundert findet und die von den verschiedenen Klassen verschieden ausgelegt wird, aber sie läßt die konkrete Forderung „the abolition of all class rule" {„Vernichtung der Klassen") weg. Dann liest man im zweiten Absatz der Erwägungen zu den Statuten: „That the economical subjection of the man of labour to the monopolizer of the means of labour, that is the sources oflife etc"z Die Pariser Ubersetzung setzt „Kapital" an Stelle von „the means of labour, that is the sources of life"3, obwohl der letztere Ausdruck den Grund und Boden ebenso einschließt wie die übrigen Arbeitsmittel. Der ursprüngliche und authentische Text wurde übrigens in der französischen Übersetzung wiederhergestellt, die 1866 in Brüssel von der „Rive Gauche" veröffentlicht wurde.12921 6. Die Frage Liebknecht-Schweitzer. Die „Egalite' sagt: „Diese beiden Gruppen gehören der Internationale an." Das ist falsch. Die Gruppe der Eisenacher (die der „Progres" und die „Egalite" in eine Gruppe des Bürgers Liebknecht zu verwandeln geruhen) gehört zur Internationale. Die Gruppe Schweitzers gehört ihr nicht an. Schweitzer selbst hat in seinem Blatt, dem „Social-Demokratausführlich erklärt, warum die Lassalleanische Organisation sich nicht der Internationale anschließen könne, ohne sich selbst zu vernichten. Er hat die Wahrheit gesagt, ohne es zu wissen. Seine künstliche Se^fenorganisation steht im Gegensatz zur historischen und spontanen Organisation der Arbeiterklasse. Der „Progres" und die „Egalite" haben den Generalrat aufgefordert, öffentlich seine „Meinung" über die persönlichen Differenzen zwischen
1 „Der Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse ist... ein Kampf ... für gleiche Rechte und Pflichten und für die Vernichtung aller Klassenherrschaft." (Siehe vorl. Band, S.U.) - 2 „Daß die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d. h. der Lehensquellen etc." (Siehe vorl. Band, S.14.) - 3 „der Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen"
Liebknecht und Schweitzer zu äußern. Da der Bürger Johann Philipp Bekker (der in dem Blatte Schweitzers ebenso verleumdet wird wie Liebknecht) zu den Mitgliedern des Redaktionskomitees der „Egalite" gehört, erscheint es wirklich recht sonderbar, daß seine Redakteure über die Tatsachen nicht besser unterrichtet sind. Sie mußten wissen, daß Liebknecht im „Demokratischen Wochenblatt" Schweitzer öffentlich aufgefordert hat, den Generalrat als Schiedsrichter ihrer Differenzen anzuerkennen, und daß Schweitzer es nicht weniger öffentlich abgelehnt hat, die Autorität des Generalrats anzuerkennen [2931. Der Generalrat hat von seiner Seite aus nichts unversucht gelassen, um diesem Skandal ein Ende zu machen *. Er hat seinen Sekretär für Deutschland beauftragt, mit Schweitzer in Korrespondenz zu treten, die dann auch zwei Jahre lang geführt wurde, doch alle Versuche des Rats scheiterten an dem festen Entschluß Schweitzers, mit der Sektenorganisation um jeden Preis seine autokratische Macht aufrechtzuerhalten. Es ist Sache des Generalrats, einen günstigen Moment zu bestimmen, wo seine öffentliche Intervention in diesem Streit mehr nützen als schaden wird. 7. Da die Anklagen der „Egalite" öffentlich erhoben werden und man annehmen könnte, daß sie vom Romanischen Föderalrat in Genf herrühren, wird der Generalrat diese Antwort allen mit ihm korrespondierenden Komitees mitteilen. Im Auftrag des Generalrats
Geschrieben um den 1. Januar 1870. Nach der handschriftlichen Kopie von Jenny Marx. Aus dem Französischen.
* [In der Handschrift von Hermann Jung hinzugefügt:], der der proletarischen Partei in Deutschland Schande macht.
Karl Marx Nekrolog12941
[„L'Internationale" Nr.53 vom 16. Januar 1870] Der Bürger Robert Shaw, Korrespondent des Londoner Generalrats für Nordamerika und einer der Begründer der Internationale, ist diese Woche an Lungenschwindsucht gestorben. Er war eines der aktivsten Mitglieder des Rats, reinen Herzens, von mannhaftem Charakter, leidenschaftlichem Temperament, wahrhaft revolutionärem Geist, über jeden kleinlichen Ehrgeiz oder persönliche Interessen erhaben. Selbst ein armer Arbeiter, fand er immer eine Möglichkeit, einem noch ärmeren Arbeiter zu helfen. Im persönlichen Umgang sanft wie ein Kind, verwarf er in seinem öffentlichen Leben voll Verachtung jedweden Kompromiß. Es ist hauptsächlich seinen unaufhörlichen Bemühungen zu danken, daß sich die Trade-Unions um uns geschart haben. Aber gerade dieses Werk schuf ihm viele unversöhnliche Feinde. Die englischen TradeUnions, die alle lokalen Ursprungs sind und ursprünglich ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden waren, die Löhne etc. aufrechtzuerhalten, waren absolut alle mehr oder weniger mit einer Beschränktheit behaftet, wie sie für die Zünfte des Mittelalters charakteristisch war. Es gab eine kleine konservative (Jruppe, die an den ursprünglichen Schranken des TradeUnionismus um jeden Preis festhalten wollte. Als die Internationale gegründet wurde, setzte es sich Shaw zum Ziel, diese selbstgewollten Fesseln zu sprengen und die Trade-Unions in organisierte Zentren der proletarischen Revolution umzuwandeln. Fast immer krönte Erfolg seine Bemühungen, aber gleichzeitig ward sein Leben ein furchtbarer Kampf, dem seine schwache Gesundheit unterliegen mußte. Er war schon sterbenskrank, als er zum Brüsseler Kongreß (September 1868) fuhr. Nach seiner Rückkehr erklärten ihn seine guten bourgeoisen Herren in Acht und Bann und verschlossen ihm die Tore ihrer Werkstätten. Er hinterläßt eine Frau und eine Tochter in Armut, aber die englischen Arbeiter werden sie nicht ohne Hilfe lassen. Geschrieben um den 8. Januar 1870. Aus dem Französischen.
Friedrich Engels
Vorbemerkung [zum Zweiten Abdruck (1870) „Der deutsche Bauernkrieg"]12953
Die nachstehende Arbeit wurde im Sommer 1850, noch unter dem unmittelbaren Eindruck der eben vollendeten Kontrerevolution, in London geschrieben; sie erschien im 5. und 6. Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", redigiert von Karl Marx, Hamburg 1850. - Meine politischen Freunde in Deutschland wünschen ihren Wiederabdruck, und ich komme ihrem Wunsche nach, da sie, zu meinem Leidwesen, auch heute noch zeitgemäß ist. Sie macht keinen Anspruch darauf, selbständig erforschtes Material zu liefern. Im Gegenteil, der gesamte auf die Bauernaufstände und auf Thomas Münzer sich beziehende Stoff ist aus Zimmermann genommen. Sein Buch, obwohl hie und da lückenhaft, ist immer noch die beste Zusammenstellung des Tatsächlichen. Dabei hatte der alte Zimmermann Freude an seinem Gegenstand. Derselbe revolutionäre Instinkt, der hier überall für die unterdrückte Klasse auftritt, machte ihn später zu einem der Besten auf der äußersten Linken in Frankfurt.1 Wenn dagegen der Zimmermannschen Darstellung der innere Zusammenhang fehlt; wenn es ihr nicht gelingt, die religiös-politischen Kontroversen (Streitfragen) jener Epoche als das Spiegelbild der gleichzeitigen Klassenkämpfe nachzuweisen; wenn sie in diesen Klassenkämpfen nur Unterdrücker und Unterdrückte, Böse und Gute und den schließlichen Sieg der Bösen sieht; wenn ihre Einsicht in die gesellschaftlichen Zustände, die sowohl den Ausbruch wie den Ausgang des Kampfes bedingten, höchst mangelhaft ist, so war dies der Fehler der Zeit, in der das Buch entstand. Im Gegenteil, für seine Zeit ist es, eine rühmliche Ausnahme unter den deutschen idealistischen Geschichtswerken, noch sehr realistisch gehalten. Meine Darstellung versuchte, den geschichtlichen Verlauf des Kampfes nur in seinen Umrissen skizzierend, den Ursprung des Bauernkriegs, die
Stellung der verschiedenen darin auftretenden Parteien, die politischen und religiösen Theorien, in denen diese Parteien über ihre Stellung sich klarzuwerden suchen, endlich das Resultat des Kampfes selbst mit Notwendigkeit aus den historisch vorliegenden gesellschaftlichen Lebensbedingungen dieser Klassen zu erklären; also die damalige politische Verfassung Deutschlands, die Auflehnungen gegen sie, die politischen und religiösen Theorien der Zeit nachzuweisen, nicht als Ursachen, sondern als Resultate der Entwicklungsstufe, auf der sich damals in Deutschland Ackerbau, Industrie, Land- und Wasserstraßen, Waren- und Geldhandel befanden. Diese, die einzig materialistische Geschichtsanschauung, geht nicht von mir aus, sondern von Marx und findet sich ebenfalls in seinen Arbeiten über die französische Revolution von 1848/49 in derselben „Revue"12961 und im „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte"1. Die Parallele zwischen der deutschen Revolution von 1525 und der von 1848/49 lag zu nahe, um damals ganz von der Hand gewiesen zu werden. Neben der Gleichförmigkeit des Verlaufs, wo immer ein und dasselbe fürstliche Heer verschiedene Lokalaufstände nacheinander niederschlug, neben der oft lächerlichen Ähnlichkeit des Auftretens der Städtebürger in beiden Fällen, brach indes doch auch der Unterschied klar und deutlich hervor: „Wer profitierte von der Revolution von 1525? Die Fürsten. - Wer profitierte von der Revolution von 1848? Die großen Fürsten, Ostreich und Preußen. Hinter den kleinen Fürsten von 1525 standen, sie an sich kettend durch die Steuer, die kleinen Spießbürger, hinter den großen Fürsten von 1850, hinter Ostreich und Preußen, sie rasch unterjochend durch die Staatsschuld, stehn die modernen großen Bourgeois. Und hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier."2 Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß in diesem Satz der deutschen Bourgeoisie viel zuviel Ehre erwiesen wurde. Die Gelegenheit haben sie gehabt, sowohl in Ostreich wie in Preußen, die Monarchie „rasch durch die »jiääiSsCuuiu z.u uxxieijocncxx , xxic Uxxu iin gctxuS iSt uxcSc vjcicgciuiciL uenutzt worden. Ostreich ist durch den Krieg von 1866 der Bourgeoisie als Geschenk in den Schoß gefallen. Aber sie versteht nicht zu herrschen, sie ist ohnmächtig und unfähig zu allem. Nur eins kann sie; gegen die Arbeiter wüten, sobald diese sich regen. Sie bleibt nur noch am Ruder, weil die Ungarn sie brauchen.
Und in Preußen? Ja, die Staatsschuld hat sich allerdings reißend vermehrt, das Defizit ist in Permanenz erklärt, die Staatsausgaben wachsen von Jahr zu Jahr, die Bourgeois haben in der Kammer die Majorität, ohne sie können weder Steuern erhöht noch Anleihen aufgenommen werden aber wo ist ihre Macht über den Staat? Noch vor ein paar Monaten, als wieder ein Defizit vorlag, hatten sie die beste Position. Sie konnten bei nur einiger Ausdauer hübsche Konzessionen erzwingen. Was tun sie? Sie sehen es als eine genügende Konzession an, daß die Regierung ihnen erlaubt, ihr an 9 Millionen, nicht für ein Jahr, nein jährlich und für alle Folgezeit zu Füßen zu legen. Ich will die armen „Nationalliberalen"[297] in der Kammer nicht mehr tadeln, als sie verdienen. Ich weiß, sie sind von denen, die hinter ihnen stehn, von der Masse der Bourgeoisie im Stich gelassen. Diese Masse will nicht herrschen. Sie hat 1848 noch immer in den Knochen. Weshalb die deutsche Bourgeoisie diese merkwürdige Feigheit entwickelt, darüber unten. Im übrigen hat sich obiger Satz vollständig bestätigt. Seit 1850 immer entschiedeneres Zurücktreten der Kleinstaaten, die nur noch als Hebel für preußische oder östreichische Intrigen dienen, immer heftigere Kämpfe zwischen Ostreich und Preußen um die Alleinherrschaft, endlich die gewaltsame Auseinandersetzung von 1866, wonach Ostreich seine eignen Provinzen behält, Preußen den ganzen Norden direkt oder indirekt unterwirft und die drei Südweststaaten vorläufig an die Luft gesetzt werden. Für die deutsche Arbeiterklasse ist bei dieser ganzen Haupt- und Staatsaktion nur dies von Bedeutung: Erstens, daß die Arbeiter durch das allgemeine Stimmrecht die Macht erlangt haben, in der gesetzgebenden Versammlung sich direkt vertreten zu lassen. Zweitens, daß Preußen mit gutem Beispiel vorangegangen ist und drei andre Kronen von Gottes Gnaden verschluckt hat.taS81 Daß es nach dieser Prozedur noch dieselbe unbefleckte Krone von Gottes Gnaden besitzt, die es sich vorher zuschrieb, das glauben selbst die Nationalliberalen nicht. Drittens, daß es in Deutschland nur noch einen ernsthaften Gegner der Revolution gibt - die preußische Regierung. Und viertens, daß die Deutsch-östreicher sich jetzt endlich einmal die Frage vorlegen müssen, was sie sein wollen: Deutsche oder Ostreicher? Wozu sie lieber halten wollen - zu Deutschland oder zu ihren außerdeutschen transleithanischen Anhängseln? Daß sie eins oder das,andre aufgeben
müssen, war schon lange selbstredend, ist aber immer von der kleinbürgerlichen Demokratie vertuscht worden. Was die sonstigen wichtigen Streitfragen von wegen 1866 betrifft, die seitdem bis zum Überdruß zwischen den „Nationalliberalen" einerseits und der „Volkspartei"[299] andrerseits verhandelt werden, so dürfte die Geschichte der nächsten Jahre beweisen, daß diese beiden Standpunkte sich nur deshalb so heftig befehden, weil sie die entgegengesetzten Pole einer und derselben Borniertheit sind. An den gesellschaftlichen Verhältnissen Deutschlands hat das Jahr 1866 fast nichts geändert. Die paar bürgerlichen Reformen - gleiches Maß und Gewicht, Freizügigkeit, Gewerbefreiheit usw., alles in den der Bürokratie angemessenen Schranken - erreichen noch nicht einmal das, was die Bourgeoisie andrer westeuropäischer Länder längst besitzt, und lassen die Hauptschikane, das bürokratische Konzessionswesen[60J, unberührt. Für das Proletariat werden ohnehin alle Freizügigkeits-, Indigenats-, Paßaufhebungs- und andre Gesetze durch die landläufige Polizeipraxis ganz illusorisch gemacht. Was viel wichtiger ist als die Haupt- und Staatsaktion von 1866, das ist die Hebung der Industrie und des Handels, der Eisenbahnen, Telegraphen und ozeanischen Dampfschiffahrt in Deutschland seit 1848. Soweit dieser Fortschritt auch hinter dem gleichzeitig in England, selbst in Frankreich gemachten zurücksteht, für Deutschland ist er unerhört und hat in zwanzig Jahren mehr geleistet, als sonst ein ganzes Jahrhundert tat. Deutschland ist erst jetzt ernstlich und unwiderruflich in den Welthandel hineingezogen worden. Die Kapitalien der Industriellen haben sich rasch vermehrt, die gesellschaftliche Stellung der Bourgeoisie hat sich dementsprechend gehoben. Das sicherste Kennzeichen industrieller Blüte, der Schwindel, hat sich in reichem Maße eingestellt und Grafen und Herzöge an seinen Triumphwagen gekettet. Deutsches Kapital baut jetzt russische und rumänische Eisenbahnen - möge ihm die Erde leicht sein! -, statt daß noch vor fünfzehn Jahren deutsche Bahnen bei englischen Unternehmern betteln gingen. Wie ist es da möglich, daß die Bourgeoisie sich nicht auch politisch die Herrschaft erobert hat, daß sie sich so feig gegen die Regierung benimmt? Die deutsche Bourgeoisie hat das Unglück, daß sie nach beliebter deutscher Manier zu spät kommt. Ihre Blütezeit fällt in eine Periode, wo die Bourgeoisie der andern westeuropäischen Länder politisch schon im Niedergang begriffen ist. In England hat die Bourgeoisie ihren eigentlichen Repräsentanten, Bright, nicht anders in die Regierung bringen können als durch eine Ausdehnung des Stimmrechts, die in ihren Folgen der ganzen
Bourgeoisherrschaft ein Ende machen muß. In Frankreich, wo die Bourgeoisie als solche, als Gesamtldasse, nur zwei Jahre, 1849 und 1850, unter der Republik geherrscht hat, konnte sie ihre soziale Existenz nur fristen, indem sie ihre politische Herrschaft an Louis Bonaparte und die Armee abtrat. Und bei der so unendlich gesteigerten Wechselwirkung der drei fortgeschrittensten europäischen Länder ist es heutzutage nicht mehr möglich, daß in Deutschland die Bourgeoisie sich die politische Herrschaft gemütlich einrichtet, wenn diese sich in England und Frankreich überlebt hat. Es ist eine Eigentümlichkeit gerade der Bourgeoisie gegenüber allen früheren herrschenden Klassen: in ihrer Entwicklung gibt es einen Wendepunkt, von dem an jede weitere Steigerung ihrer Machtmittel, vorab also ihrer Kapitalien, nur dazu beiträgt, sie zur politischen Herrschaft mehr und mehr unfähig zu machen. „Hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier." In demselben Maß, wie die Bourgeoisie ihre Industrie, ihren Handel und ihre Verkehrsmittel entwickelt, in demselben Maß erzeugt sie Proletariat. Und an einem gewissen Punkt - der nicht überall gleichzeitig oder auf gleicher Entwicklungsstufe einzutreten braucht - beginnt sie zu merken, daß dieser ihr proletarischer Doppelgänger ihr über den Kopf wächst. Von dem Augenblick an verliert sie die Kraft zur ausschließlichen politischen Herrschaft; sie sieht sich um nach Bundesgenossen, mit denen sie, je nach Umständen, ihre Herrschaft teilt oder denen sie sie ganz abtritt. In Deutschland ist dieser Wendepunkt für die Bourgeoisie bereits 1848 eingetreten. Und zwar erschrak die deutsche Bourgeoisie damals nicht so sehr vor dem deutschen wie vor dem französischen Proletariat. Die Pariser Junischlacht 1848 zeigte ihr, was sie zu erwarten habe; das deutsche Proletariat war gerade erregt genug, um ihr zu beweisen, daß auch hier die Saat für dieselbe Ernte schon im Boden stecke; und von dem Tage an war der politischen Aktion der Bourgeoisie die Spitze abgebrochen. Sie suchte Bundesgenossen, sie verhandelte sich an sie um jeden Preis - und sie ist auch heute noch keinen Schritt weiter. Diese Bundesgenossen sind sämtlich reaktionärer Natur. Da ist das Königtum mit seiner Armee und seiner Bürokratie, da ist der große Feudaladel, da sind die kleinen Krautjunker, da sind selbst die Pfaffen. Mit allen diesen hat die Bourgeoisie paktiert und vereinbart, nur um ihre liebe Haut zu wahren, bis ihr endlich nichts mehr zu schachern blieb. Und je mehr das Proletariat sich entwickelte, je mehr es anfing sich als Klasse zu fühlen, als Klasse zu handeln, desto schwachmütiger wurden die Bourgeois. Als die wunderbar schlechte Strategie der Preußen bei Sadowa[134] über die, wunderbarerweise noch schlechtere, der Östreicher siegte, da war es
schwer zu sagen, wer froher aufatmete - der preußische Bourgeois, der bei Sadowa mitgeschlagen war, oder der östreichische. Unsre großen Bürger handeln 1870 noch gradeso, wie die Mittelbürger von 1525 gehandelt haben. Was die Kleinbürger, Handwerksmeister und Krämer betrifft, so werden sie sich immer gleichbleiben. Sie hoffen in das Großbürgertum sich emporzuschwindeln, sie fürchten ins Proletariat hinabgestoßen zu werden. Zwischen Furcht und Hoffnung werden sie während des Kampfes ihre werte Haut salvieren und nach dem Kampf sich dem Sieger anschließen. Das ist ihre Natur. Mit dem Aufschwung der Industrie seit 1848 hat Schritt gehalten die soziale und politische Aktion des Proletariats. Die Rolle, die die deutschen Arbeiter heute in ihren Gewerkvereinen, Genossenschaften, politischen Vereinen und Versammlungen, bei den Wahlen und im sogenannten Reichstag spielen, beweist allein, welche Umwälzung Deutschland in den letzten zwanzig Jahren unvermerkt erlitten hat. Es gereicht den deutschen Arbeitern zur höchsten Ehre, daß sie allein es durchgesetzt haben, Arbeiter und Vertreter der Arbeiter ins Parlament zu schicken, während weder Franzosen noch Engländer dies bis jetzt fertig brachten. Aber auch das Proletariat ist der Parallele mit 1525 noch nicht entwachsen. Die ausschließlich und lebenslänglich auf den Arbeitslohn angewiesene Klasse bildet noch immer bei weitem nicht die Mehrzahl des deutschen Volkes. Sie ist also auch auf Bundesgenossen angewiesen. Und diese können nur gesucht werden unter den Kleinbürgern, unter dem Lumpenproletariat der Städte, unter den kleinen Bauern und den Ackerbautaglöhnern. Von den Kleinbürgern haben wir schon gesprochen. Sie sind höchst unzuverlässig, ausgenommen wenn man gesiegt hat, dann ist ihr Geschrei in den Bierkneipen unermeßlich. Trotzdem gibt es unter ihnen sehr gute Elemente, die sich den Arbeitern von selbst anschließen. Das Lumpenproletariat, dieser Abhub der verkommenen Subjekte aller Klassen, der sein Hauptquartier in den großen Städten aufschlägt, ist von allen möglichen Bundesgenossen der schlimmste. Dies Gesindel ist absolut käuflich und absolut zudringlich. Wenn die französischen Arbeiter bei jeder Revolution an die Häuser schrieben: Mort aux voleurs! Tod den Dieben! und auch manche erschossen, so geschah das nicht aus Begeisterung für das Eigentum, sondern in der richtigen Erkenntnis, daß man vor allem sich diese Bande vom Hals halten müsse. Jeder Arbeiterführer, der diese Lumpen als Garde verwendet oder sich auf sie stützt, beweist sich schon dadurch als Verräter an der Bewegung.
Die ^/eme/z Batlern - denn die größeren gehören zur Bourgeoisie - sind verschiedener Art. Entweder sind sie Feudalbauern und haben dem gnädigen Herrn noch Frondienste zu leisten. Nachdem die Bourgeoisie versäumt hat» was ihre Schuldigkeit war, diese Leute von der Fronknechtschaft zu erlösen, wird es nicht schwer sein, sie zu überzeugen, daß sie nur noch von der Arbeiterklasse Erlösung zu erwarten haben. Oder sie sind Pächter. In diesem Fall existiert meist dasselbe Verhältnis wie in Irland. Die Pacht ist so hoch getrieben, daß der Bauer mit seiner Familie bei Mittelernten nur eben knapp leben kann, bei schlechten Ernten fast verhungert, die Pacht nicht zahlen kann und dadurch ganz von der Gnade des Grundbesitzers abhängig wird. Für solche Leute tut die Bourgeoisie nur dann etwas, wenn sie dazu gezwungen wird. Von wem sollen sie Heil erwarten, außer von den Arbeitern? Bleiben die Bauern, welche ihren eigenen kleinen Grundbesitz bewirtschaften. Diese sind meistens so mit Hypotheken belastet, daß sie vom Wucherer ebenso abhängen wie die Pächter vom Grundherrn. Auch ihnen bleibt nur ein knapper und noch dazu wegen der guten und schlechten Jahre äußerst unsichrer Arbeitslohn. Sie können am allerwenigsten von der Bourgeoisie etwas erwarten, denn sie werden ja grade von den Bourgeois, den wuchernden Kapitalisten ausgesogen. Aber sie hängen meist sehr an ihrem Eigentum, obwohl es in Wirklichkeit nicht ihnen gehört, sondern dem Wucherer. Dennoch wird ihnen beizubringen sein, daß sie nur dann vom Wucherer befreit werden können, wenn eine vom Volk abhängige Regierung die sämtlichen Hypothekenschulden in eine Schuld an den Staat verwandelt und dadurch den Zinsfuß erniedrigt. Und dies kann nur die Arbeiterklasse durchsetzen. Überall wo mittlerer und großer Grundbesitz herrscht, machen die Ackerbautaglöhner die zahlreichste Klasse auf dem Lande aus. Dies ist in ganz Nord- und Ostdeutschland der Fall, und hier finden die Industriearbeiter der Städte ihre zahlreichsten und natürlichsten Bundesgenossen. Wie der Kapitalist dem industriellen Arbeiter, so steht der Grundbesitzer oder Großpächter dem Ackerbautaglöhner gegenüber. Dieselben Maßregeln, die dem einen helfen, müssen auch dem andern helfen. Die industriellen Arbeiter können sich nur befreien, wenn sie das Kapital der Bourgeois, d.h.. die Rohprodukte, Maschinen und Werkzeuge und Lebensmittel, welche zur Produktion erforderlich sind, in das Eigentum der Gesellschaft, d.h. in ihr eignes, von ihnen gemeinsam benutztes verwandeln. Ebenso können die Landarbeiter nur aus ihrem scheußlichen Elend erlöst werden, wenn vor allem ihr Hauptarbeitsgegenstand, das Land selbst, dem Privatbesitz der
großen Bauern und noch größeren Feudalherren entzogen und in gesellschaftliches Eigentum verwandelt und von Genossenschaften von Landarbeitern für ihre gemeinsame Rechnung bebaut wird. Und hier kommen wir auf den berühmten Beschluß des Baseler internationalen Arbeiterkongresses: daß die Gesellschaft das Interesse habe» das Grundeigentum in gemeinsames, nationales Eigentum zu verwandeln.13001 Dieser Beschluß ist gefaßt worden hauptsächlich für die Länder, wo großes Grundeigentum und, damit zusammenhängend, Bewirtschaftung großer Güter besteht und auf diesen großen Gütern ein Herr und viele Taglöhner. Dieser Zustand ist aber im ganzen und großen in Deutschland noch immer vorherrschend, und daher war der Beschluß, nächst England, grade für Deutschland höchst zeitgemäß. Das Ackerbauproletariat, die Landtaglöhner - das ist die Klasse, aus der sich die Armeen der Fürsten der großen Masse nach rekrutieren. Das ist die Klasse, die jetzt die große Menge der Feudalherren und Junker kraft lies allgemeinen Stimmrechts ins Parlament schickt; das ist aber auch die Klasse, die den industriellen Arbeitern der Städte am nächsten steht, die mit ihnen dieselben Lebensbedingungen teilt, die sogar noch tiefer im Elend steckt als sie. Diese Klasse, die ohnmächtig ist, weil sie zersplittert und zerstreut ist» deren verborgene Macht Regierung und Adel so gut kennen, daß sie absichtlich die Schulen verkommen lassen, damit sie nur ja unwissend bleibe, diese Klasse lebendig zu machen und in die Bewegung hineinzuziehen, das ist die nächste, dringendste Aufgabe der deutschen Arbeiterbewegung. Von dem Tage an, wo die Masse der Landtaglöhner ihre eigenen Interessen verstehen gelernt hat, von dem Tage an ist eine reaktionäre» feudale, bürokratische oder bürgerliche Regierung in Deutschland unmöglich.
Geschrieben um den 11. Februar 1870. Nach: Friedrich Engels, „Der Deutsche Bauernkrieg", Zweiter Abdruck; Leipzig 1870=
Nomcro 59. Dmsiräte atiioe«. SV Fevrier 1970. LI\1RR\4TI«\UE ORGANE DES SECTKONS BEIGES DE ^ASSOCIATION INTERNATIONALE DES TMVAIILEÜBS. PABA18SANT LE 8AMEDI.
Karl Marx Die englische Regierung und die eingekerkerten Fenier130'1
I
[,,L'Internationale" Nr. 59 vom 27. Februar 1870] London, den 21. Februar 1870 Das Schweigen, das man in der europäischen Presse über die Gemeinheiten dieser oligarchisch-bourgeoisen Regierung wahrt, ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Vor allem ist die englische Regierung reich und die Presse, wie Sie wissen, unbestechlich. Außerdem ist die englische Regierung eine Musterregierung und als solche von den Grundherren, den Kapitalisten des Kontinents und selbst von Garibaldi (siehe sein Buch[302)) anerkannt; man darf also dieser idealen Regierung nichts Böses nachsagen. Und schließlich sind die französischen Republikaner beschränkt und egoistisch genug, um ihren ganzen Zorn gegen das Kaiserreich aufzusparen. Es wäre ja auch ein Verbrechen an der Freiheit des Wortes, wenn sie ihren Landsleuten mitteilten, daß man in dem Lande der bürgerlichen Freiheit mit 20 Jahren Zwangsarbeit bestraft, was man im Lande der Kasernen mit 6 Monaten Gefängnis bestraft. Nachstehend einige Einzelheiten aus englischen Zeitungen über die Behandlung, der die eingekerkerten Fenier ausgesetzt sind. Mulcahy, den stellvertretenden Redakteur des „Irish People" („Irischen Volks")t303], der wegen der Teilnahme an der Verschwörung der Fenier verurteilt wurde, hat man in Dartmoor mit einer eisernen Kette um den Hals an einen mit Steinen beladenen Karren gespannt. O'Donovan Rossa, Herausgeber des „Irish People", ward 35 Tage lang in eine Dunkelzelle geworfen, die Hände Tag und Nacht hinter dem
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Rücken angekettet. Man befreite ihn nicht einmal von seinen Fesseln, damit er seine Nahrung zu sich nehmen konnte, eine dünne Suppe, die man ihm auf den Fußboden des Gefängnisses stellte. Kickham, einer der Redakteure des „Irish People", wurde, obwohl er seinen rechten Arm wegen eines Abszesses nicht bewegen konnte, gezwungen, sich mit seinen Kerkergenossen auf einen Schutthaufen zu setzen und mitten im Nebel und in der Novemberkälte mit der linken Hand Steine und Ziegel zu zerkleinern. Er kehrte nachts in seine Zelle zurück und bekam als Nahrung nicht mehr als 6 Unzen Brot und eine Pinte warmes Wasser. O'Leary, ein eingekerkerter Greis zwischen 60 und 70 Jahren, wurde 3 Wochen lang auf Wasser und Brot gesetzt, weil er nicht auf sein Heidenium (so bezeichnet ein Kerkermeister offenbar das Freidenkertum) verzichten und weder Anhänger des Papstes noch Protestant, weder Presbyterianer noch gar Quäker werden oder etwa eine der zahlreichen Religionen annehmen wollte, die der Gefängnisdirektor dem irischen Heiden zur Wahl stellte. Martin H.Carey ist in einem Irrenhaus in Millbank eingekerkert. Das Schweigen und die sonstige grausame Behandlung, der er ausgesetzt war, haben ihm den Verstand geraubt. Oberst Rickard Burke ist in keinem besseren Zustande. Einer seiner Freunde schreibt, daß sein Verstand getrübt, sein Gedächtnis geschwunden sei, und daß sein Verhalten, sein Gebaren und seine Sprache deutliche Anzeichen von Geistesgestörtheit erkennen ließen. Die politischen Gefangenen werden von einem Gefängnis ins andere gezerrt, als wären sie wilde Tiere. Man zwingt ihnen die Gesellschaft der übelsten Schurken auf; man zwingt sie, das Geschirr zu reinigen, das diese Elenden benutzt haben, Hemden und Flanellunterwäsche dieser Verbrecher zu tragen, von denen viele mit den abstoßendsten Krankheiten behaftet sind, und sich in dem Wasser zu baden, das diese benutzt haben. Alle diese Kriminellen konnten vor der Ankunft der Ferner in Portland mit den Besuchern sprechen. Für die eingekerkerten Fenier wurde ein Besuchskäfig eingerichtet. Er besteht aus drei durch dicke Eisengitter getrennten Abteilen: der Kerkermeister sitzt im mittleren Abteil, und der Gefangene und seine Freunde können sich nur durch diese doppelte Reihe von Gitterstäben sehen. In den Docks gibt es Gefangene, die alle Arten von Schnecken essen, und Frösche werden in Chatham als Leckerbissen angesehen. General Thomas Burke erklärt, daß er nicht erstaunt war, als er eine tote Maus in
der Suppe fand. Die Verurteilten sagen, daß der Tag, an dem man die Fenier ins Gefängnis warf, für sie ein Unglückstag war (das Regime ist viel härter geworden).
Ich möchte den obenangeführten Auszügen einige Worte hinzufügen: Im vergangenen Jahre interpellierte man Herrn Bruce, den Minister des Innern, den großen Liberalen, den großen Mann der Polizei, den großen Bergwerksbesitzer in Wales, den grausamen Ausbeuter der Arbeit, wegen der schlechten Behandlung der eingekerkerten Fenier und insbesondere O'Donovan Rossas. Zuerst leugnete er alles, dann war er gezwungen zu gestehen. Daraufhin forderte Herr Moore, irisches Mitglied des Unterhauses, eine Untersuchung dieser Dinge. Sie wurde von diesem radikalen Ministerium - dessen Haupt der halb heilige (er ist öffentlich mit Jesus Christus verglichen worden) Herr Gladstone ist und zu dessen einflußreichsten Mitgliedern der alte bürgerliche Demagoge John Bright zählt - glatt verweigert. Da in letzter Zeit die Gerüchte über die schlechte Behandlung erneut aufkamen, baten mehrere Parlamentsmitglieder Minister Bruce um die Genehmigung, die Gefangenen besuchen zu dürfen, um sich von der Unwahrheit dieser Gerüchte überzeugen zu können. Herr Bruce verweigerte diese Genehmigung, weil, wie er sagte, die Gefängnisdirektoren befürchteten, daß sich die Gefangenen durch Besuche dieser Art zu sehr erregen würden. In der vergangenen Woche wurde der Innenminister erneut interpelliert. Man fragte ihn, ob es wahr sei, daß O'Donovan Rossa nach seiner Nominierung als Abgeordneter für Tipperary körperlich (d. h. mit der Peitsche) gezüchtigt worden sei. Der Herr Minister erklärte, daß dies mit O'Donovan Rossa seit 1868 nicht mehr geschehen sei (damit gestand er also ein, daß man zwei bis drei Jahre lang politische Gefangene mit der Peitsche gestraft hatte). Ich schicke Ihnen Auszüge (wir werden sie in unserer nächsten Nummer veröffentlichen), in denen von Michael Terbert die Rede ist, der als Fenier zu Zwangsarbeit verurteilt wurde und seine Strafe im Strafgefängnis von Spike Island in der Grafschaft Cork, Irland, abbüßte. Sie werden sehen, daß selbst der Coroner (Untersuchungsbeamter) seinen Tod auf die erlittenen Foltern zurückführt. Die Untersuchung hat in der vergangenen Woche stattgefunden. Innerhalb von zwei Jahren sind mehr als zwanzig Arbeiter, alles Fenier, gestorben oder wahnsinnig geworden dank der Menschenfreundlichkeit dieser guten Bourgeois, denen die guten Grundherren zur Seite stehen.
Sie wissen wahrscheinlich, daß die englische Presse Entrüstung heuchelt wegen der abscheulichen Gesetze über die allgemeine Sicherheit, die das schöne Frankreich verzieren. Aber die Gesetze über die allgemeine Sicherheit bilden doch - abgesehen von einigen kurzen Unterbrechungen die Charta von Irland. Seit 1793 hebt die englische Regierung bei jeder Gelegenheit regelmäßig und periodisch in Irland die Habeas-Corpus-Bill (Gesetz, das die persönliche Freiheit garantiert)LdUi] auf, in Wirklichkeit aber jedes Gesetz außer dem der brutalen Gewalt. Auf diese Weise sind in Irland Tausende von Männern, lediglich weil man sie des Fenianismus verdächtigte, eingesperrt worden, ohne jemals verurteilt oder vor ein Gericht gestellt, ja ohne auch nur angeklagt worden zu sein. Die englische Regierung begnügte sich jedoch nicht damit, sie ihrer Freiheit zu berauben, sondern ließ sie aufs grausamste foltern. Hierfür ein Beispiel: Eines der Gefängnisse, worin die verdächtigten Fenier lebendig begraben sind, ist das Mountjoy-Gefängnis in Dublin. Der Inspektor dieses Gefängnisses, Murray, ist eine abscheuliche Kanaille. Er mißhandelte die Gefangenen auf eine so barbarische Art, daß mehrere von ihnen den Verstand verloren. Der Gefängnisarzt M'Donnell, ein trefflicher Mann, der auch bei der Untersuchung des Todes von Michael Terbert eine ehrenhafte Rolle gespielt hat, schrieb mehrere Monate lang Protestbriefe, die er zunächst an Murray selbst richtete. Da Murray darauf nicht antwortete, richtete er brieflich Anzeigen an die übergeordneten Behörden; aber Murray als erfahrener Kerkermeister fing diese Briefe ab. Schließlich wandte sich M'Donnell direkt an Lord Mayo, den damaligen Vizekönig von Irland. Das geschah zu der Zeit, als die Tories (DerbyDisraeli) an der Macht waren. Was war das Ergebnis seiner Demarchen? Die Dokumente, die sich auf diese Affäre bezogen, wurden auf Anordnung des Parlaments veröffentlicht, und ... Doktor M'Donnell wurde abgesetzt!!! Murray aber behielt seinen Posten. Dann kommt das sogenannte radikale Ministerium Gladstones, des zartfühlenden, salbungsvollen, hochherzigen Glaastone, der vor ganz Europa so heiße und aufrichtige Tränen über das Schicksal Poerios und anderer von König Bomba mißhandelter Bürger vergossen hatt305]. Und was tat dieses Idol der fortschrittlichen Bourgeoisie? Zur gleichen Zeit, da er die Iren durch seine unverschämten Antworten auf ihre Amnestieforderungen beleidigte, bestätigte er nicht nur das Ungeheuer Murray in dessen Amt, sondern fügte, um seine besondere Zufriedenheit mit Murray zu bezeugen, dessen Posten als Oberkerkermeister eine fette Sinekure hinzu! Das ist der Apostel der bürgerlichen Philanthropie!
Aber man muß doch der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen; man muß den Anschein erwecken, als täte man etwas für Irland, und so verkündet man mit großem Trara ein Gesetz zur Regelung der Landfrage (Land Bill)13063. Doch das Ganze ist lediglich ein Betrug, das dem schließlichen Zweck dient, Europa zu täuschen, die irischen Richter und Advokaten durch die Aussicht auf endlose Prozesse zwischen den Grundherren und Pächtern zu gewinnen, sich die Gunst der Grundherren durch das Versprechen finanzieller Unterstützung seitens des Staates zu sichern und die wohlhabenderen Pächter durch einige halbe Konzessionen zu ködern. In der langen Einleitung zu seiner großspurigen und konfusen Rede gesteht Gladstone ein, daß selbst die „wohlwollenden" Gesetze, die das liberale England im Laufe von hundert Jahren Irland aufgezwungen hat, stets zur Ruinierung des Landes führten. Und nach diesem naiven Eingeständnis beharrt der gleiche Mann darauf, jene Menschen zu foltern, die dieser schädlichen und unsinnigen Gesetzgebung ein Ende machen wollen.
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[„L'Internationale" Nr.60 vom 6. März 1870] Wir bringen im folgenden nach einer englischen Zeitung die Ergebnisse der Untersuchung über den Tod von Michael Terbert, einem eingekerkerten Fenier, der im Gefängnis von Spike Island an den Folgen schlechter Behandlung gestorben ist.
Am Donnerstag, dem 17. Februar, hat Herr John Moore, Coroner für den Distrikt Middleton, im Gefängnis von Spike Island eine Untersuchung in der Sache des verurteilten Michael Terbert vorgenommen, der im Krankenhaus gestorben ist. Peter Hay, der Gefängnisdirektor, wurde als erster vernommen. Das ist seine Aussage: Der verstorbene Michael Terbert ist im Juni in dieses Gefängnis eingeliefert worden; ich weiß nicht, wie es damals um seine Gesundheit stand; er war am 12. Januar zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt worden; vor einiger Zeit fühlte er sich nicht wohl, denn es geht aus einem der Gefängnisbücher hervor, daß er auf Empfehlung der Amtsärzte in einen anderen Raum überführt werden mußte, da er nicht imstande war, die Einzelhaft zu ertragen. Der Zeuge schildert dann die häufigen Bestrafungen, die der Verstorbene wegen Verletzung der Disziplin erleiden mußte, oft deshalb, weil er sich einer respektlosen Sprache gegenüber den Amtsärzten bediente. Jeremiah Hubert Kelly. Soweit ich mich erinnere, hat man bereits damals, als Michael Terbert aus den Mountjoy-Gefängnis hierher überführt wurde, festgestellt,
daß er die Einzelhaft nicht ertragen könne; eine diesbezügliche Bescheinigung war von Doktor M'Donnell unterschrieben. Ich fand ihn nichtsdestoweniger bei guter Gesundheit und schickte ihn zur Arbeit. Ich erinnere mich, daß er vom 3I.Januar bis zum 6. Februar 1869 im Krankenhaus war; er litt damals an Herzbeschwerden, und seit dieser Zeit verwandte man ihn nicht mehr bei den öffentlichen Arbeiten, sondern ließ ihn im geschlossenen Raum arbeiten. Vom 19. bis 26. März war er wegen seines Herzleidens im Krankenhaus, vom 24. April bis 5. Mai wegen Blutspeiens, vom 19. Mai bis I.Juni, vom.21. bis 22.Juni und vom 22.Juli bis 15. August wegen seines Herzleidens, vom 9. November bis 13. Dezember wegen Schwäche; schließlich blieb er zum letztenmal vom 20. Dezember bis 8. Februar 1870 im Krankenhaus, wo er an Wassersucht starb. Die ersten Symptome dieser Krankheit hatten sich aml 3. November gezeigt, waren dann aber wieder verschwunden. Ich besuche jeden Tag die Zellen der Einzelhäftlinge, und ich sah ihn von Zeit zu Zeit unter Strafarrest; es ist meine Pflicht, den Strafarrest zu verschieben, wenn ich der Ansicht bin, daß der Kranke nicht imstande ist, die Strafe zu ertragen; das habe ich bei ihm zweimal getan. - Sind Sie als Arzt der Meinung, daß fünf Tage bei Wasser und Brot eine übermäßige Bestrafung für ihn waren, selbst wenn man von seinem Gesundheitszustand in Mountjoy und hier absieht? - Ich denke nicht, der Verstorbene war bei gutem Appetit, und ich denke nicht, daß diese Behandlung die Wassersucht verursacht hat, an der er gestorben ist. Martin O'Connell, Apotheker, wohnhaft in Spike Island. Der Zeuge sagte im vergangenen Juli zu Doktor Kelly, daß Terbert nicht gestraft werden dürfe, da er an einer Herzkrankheit leide; er glaube, daß sich diese Bestrafungen schädlich auf die Gesundheit des Gefangenen ausgewirkt haben, zumal dieser in den letzten zwölf Monaten zur Klasse der Invaliden zählte; er hätte nie geglaubt, daß man auch die Invaliden so bestrafe, wenn er nicht eines Tages in Abwesenheit Doktor Kellys die Einzelzeilen hätte besuchen müssen: es sei völlig klar gewesen, daß dem Kranken in Anbetracht seines Gesundheitszustandes fünf Tage Einzelhaft schaden würden. Danach erhebt der Coroner energisch Einspruch gegen eine derartige Behandlung des Gefangenen. Dieser, sagte er, befand sich abwechselnd im Krankenhaus und in der Einzelzelle. Die Jury fällt folgendes Urteil: wr ii» in njr* i i fr i • f.. • 1 r» -i T i I „wir emaren, aaü micnaei xerDert im vjerangmsspitai zu opiKe lsiana am B.Februar 1870 an Wassersucht gestorben ist; er war 36 Jahre alt und Junggeselle. Da Terbert nach Ansicht von Doktor M'Donnell die Einzelhaft nicht ertragen konnte, müssen wir auf das energischste die häufigen Bestrafungen mit mehreren Tagen Einzelzelle bei Wasser und Brot mißbilligen, die während seines Aufenthalts in Spike Island, wohin er im Juni 1866 vom Mountjoy-Gefängnis gebracht worden war, gegen ihn angewandt wurden; wir verurteilen eine derartige Behandlung der Häftlinge." t307l
Aus dem Französischen.
Karl Marx
Der Generairat der Internationalen Arbeiterassoziation an die Mitglieder des Komitees der russischen Sektion in Genf3081
[„Narodnoje Delo" Nr. 1 vom 15. April 1870]
Bürger! In seiner Sitzung vom 22. März gab der Generalrat durch einmütiges Votum bekannt, daß Euer Programm und das Statut mit den allgemeinen Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation übereinstimmen. Er beeilte sich, Eure Sektion in die Internationale aufzunehmen. Mit Vergnügen übernehme ich die mir von Euch angebotene ehrenvolle Pflicht, Euer Vertreter beim Generalrat zu sein. In Eurem Programm heißt es: „... daß das zaristische Joch, das auf Polen lastet, ein Hemmschuh ist, der der politischen und sozialen Freiheit beider Länder - sowohl des russischen als auch des polnischen — hinderlich ist." Ihr könntet hinzufügen, daß die gewaltsame Eroberung Polens durch Rußland eine verderbliche Stütze und die wahre Ursache für die Existenz des Militärregimes in Deutschland und infolgedessen auf dem ganzen Kontinent ist. Deshalb übernehmen die russischen Sozialisten, indem sie auf die Zerschlagung der Ketten Polens hinarbeiten, eine hohe Aufgabe, die in der Beseitigung des Militärregimes besteht, die unbedingt notwendig ist als Vorbedingung für die allgemeine Befreiung des europäischen Proletariats. Vor einigen Monaten wurde mir aus Petersburg Flerowskis Werk „Die Lage der Arbeiterklasse in Rußland" zugesandt. Dieses Werk ist eine wahre Enthüllung für Europa. Der russische Optimismus, sogar von den sogenannten Revolutionären über den Kontinent verbreitet, wird in diesem Werk schonungslos entlarvt. Sein Wert wird nicht verringert, wenn ich sage, daß
es an einigen Stellen der Kritik, vom rein theoretischen Standpunkt gesehen, nicht völlig Genüge leistet. Das ist die Arbeit eines ernsten Beobachters, eines furchtlosen, unermüdlichen Arbeiters, eines unvoreingenommenen Kritikers und mächtigen Künstlers und vor allem eines Menschen, der über jede Art von Unterdrückung empört ist, der die verschiedenartigen nationalen Hymnen nicht duldet und der alle Leiden und Bestrebungen der produktiven Klasse leidenschaftlich teilt. Arbeiten wie die von Flerowski und von Eurem Lehrer Tschernyschewski machen Rußland wahrhaft Ehre und beweisen, daß Euer Land ebenfalls beginnt, an der allgemeinen Bewegung unseres Jahrhunderts teilzunehmen. Gruß und Brüderlichkeit
Karl Marx
London, den 24. März 1870
Aus dem Russischen.
Karl Marx' Brief an die Mitglieder des Komitees der russischen Sektion der IAA in Genf (veröffentlicht in „Narodnoje Delo" vom 15. April 1870)

Karl Marx
Konfidentielle Mitteilung0091
Der Russe Bakunin (obgleich ich ihn seit 1843 kenne, übergehe ich hier alles nicht absolut zum Verständnis des Folgenden Nötige) hatte kurz nach Stiftung der Internationale eine Zusammenkunft mit Marx zu London. Letztrer nahm ihn dort in die Gesellschaft auf, für welche Bfakunin] nach besten Kräften zu wirken versprach. B. reiste nach Italien, erhielt dort von M[arxJ die provisorischen Statuten und Adresse an die arbeitenden Klassen1 zugeschickt, antwortete „sehr enthusiastisch", tat nichts. Nach Jahren,, worin man nichts von ihm hört, taucht er wieder in der Schweiz auf. Dort schließt er sich an nicht an die Internationale, sondern an die Ligue de la Paix et de la Libertetl501. Nach dem Kongreß dieser Friedensligue (Genf 1867) bringt B. sich in den Vollziehimgsausschuß derselben, findet hier jedoch Gegner, die ihm nicht nur keinen „diktatorischen" Einfluß erlauben,, sondern ihn als „rassisch verdächtig" überwachen. Kurz nach dem Brüßler Kongreß (September 1868) der Intern[ationale] hält die Friedensligue ihren Kongreß zu Bern. Diesmal tritt B. als firebrand3 auf und - was en passant zu bemerken - hält seine Denunziation der okzidentalen Bourgeoisie in dem Ton, worin die moskowitischen Optimisten die westliche Zivilisation — zur Beschönigung ihrer eignen Barbarei - anzugreifen pflegen. Er schlägt eine Reihe von Beschlüssen vor, die, an sich abgeschmackt, darauf berechnet sind, den bürgerlichen Kretins Schrecken einzujagen, und Herrn Bakunin erlauben, mit Eklat aus der Friedensligue aus- und in die Internationale einzutreten. Es genügt zu sagen, daß sein dem Berner Kongreß vorgeschlagnes Programm solche Absurditäten enthält wie die „Gleichheit" der „Klassen„Abschaffung des Erbrechts als Anfang der sozial[en] Revolution]" etc.gedankenlose Schwätzereien, ein Rosenkranz von hohlen Einfällen, die schauerlich zu sein prätendieren, kurz eine insipide Improvisation, die bloß
1 Siehe vorl. Band, S.14-16 - 2 Aufwiegler
auf einen gewissen Tageseffekt berechnet war. Die Freunde B's in Paris (wo ein Russe Mitherausgeber der „Revue Positiviste"[310]) und London zeigen der Welt den Austritt B's aus der Friedensligue als un evenement1 an und künden sein groteskes Programm - diese Olla podrida abgeschlißner Gemeinplätze - als etwas wunderlich Grauses und Originelles an. B. war unterdes in die Branche Romande2 der Internationalen (zu Genf) eingetreten. Es hatte Jahre gekostet, bis er sich zu diesem Schritt entschloß. Aber es kostete noch keine Tage, bevor Herr Bakunin beschloß, die Intern, umzuwälzen und sie in sein Instrument zu verwandeln. Hinter dem Rücken des Londoner Generalrats - dieser wurde erst unterrichtet, nachdem alles anscheinlich fertig war - bildete er die sog. Alliance des Democrates Socialistest3U]. Das Programm dieser Gesellschaft war kein andres als das von B. dem Berner Friedenskongreß vorgelegte. Die Gesellschaft kündete sich damit also von vornherein an als Propagandagesellschaft spezifisch B'scher Geheimweisheit, und B. selbst, einer der unwissendsten Menschen auf dem Feld der sozialen Theorie, figuriert hier plötzlich als Sektenstifter. Das theoretische Programm dieser Alliance war jedoch bloße Farce. Die ernste Seite lag in ihrer praktischen Organisation. Diese Gesellschaft sollte nämlich international sein, mit ihrem Zentralkomitee in Genf, d.h. unter B's persönlicher Leitung. Zugleich aber sollte sie ein „integraler" Bestandteil der Intern. Arbeiterassoziation sein. Ihre branches3 sollten einerseits vertreten sein auf dem „nächsten Kongreß" der Intern, (zu Basel) und zugleich ihren eigenen Kongreß neben dem andern in Separatsitzungen abhalten etc. etc. Das Menschenmaterial, worüber B. zunächst verfügte, war die damalige Majorität des Comite Federal Romand* der Intern. zu Genf. J.Ph. Bekker, dessen Propagandaeifer zuweilen mit seinem Kopf durchbrennt, wurde vorgeschoben. In Italien und Spanien hatte B. einige Alliierte. Der Generalrat zu London war vollständig unterrichtet. Er ließ jedoch Bakunin ruhig vorangehn bis zu dem Augenblick, wo letztrer genötigt war, durch J.Ph. Becker die Statuten (nebst Programm) der Alliance des Dem. Soc. dem Generalrat zur Genehmigung zukommen zu lassen. Darauf erfolgte ein weitläufig motivierter Bescheid - ganz „richterlich" und „objektiv" gehalten, aber in seinen „Erwägungsgründen" voller Ironie -, der damit schloß: 1. Der Generalrat läßt die Alliance nicht als branche der Intern, zu.
1 ein Ereignis - 2 den Romanischen Zweig - 3 Zweiggesellschaften - 4 Romanischen Föderalkomitees
2. Alle Paragraphen des Statuts der Alliance, die sich auf ihr Verhältnis zur Intern, beziehn, sind für null und nichtig erklärt. In den Erwägungsgründen war klar und schlagend bewiesen, daß die Alliance nichts als eine Maschine zur Desorganisation der Int. sei.1 Dieser Schlag kam unvermutet. B. hatte bereits die „Egalite1, das Zentralorgan der französisch sprechenden Mitglieder der Int. in der Schweiz, in sein Organ verwandelt, außerdem zu Locle sich einen kleinen Privatmoniteur gestiftet - den „Progres". Der „Progres" spielt bis heute noch diese Rolle unter Redaktion eines fanatischen Anhängers B's, eines gewissen Guillaume. Nach mehrwöchentlichem Bedenken schickt endlich das Zentralkomitee der Alliance-unter der Signatur Perrons, eines Genfers-Antwortschreiben an den Generalrat. Die Alliance will aus Eifer für die gute Sache ihre selbständige Organisation aufopfern, aber nur auf eine Bedingung hin, nämlich auf Erklärung des Generalrats, daß er ihre „radikalen" Prinzipien anerkennt. Der Generalrat antwortete: Es sei nicht seine Funktion, theoretisch über die Programme der verschiednen Sektionen zu Gericht zu sitzen. Er habe nur zu sehn, daß in denselben nichts direkt den Statuten und ihrem Geist Widersprechendes enthalten sei. Er müsse daher darauf bestehn, daß aus dem Programm der Alliance die abgeschmackte Phrase über die „egalite des classes"2 weggestrichen und statt dessen „abolition des classes"3 gesetzt werde (was auch geschah). Im übrigen könnten sie eintreten nach Auflösung ihrer selbständigen intern. Organisation und nachdem sie (was notabene nie geschah) dem Generalrat eine Liste über ihre sämtlichen branches zugestellt.4 Damit war dieser incident5 erledigt. Die Alliance löste sich nominell auf und blieb faktis&h unter B's Leitung fortbestehn, der zugleich das Genfer Comite Romand Feder al6 der Intern, beherrschte. Zu ihren bisherigen Organen kam hoch die „Federadon" zu Barcelona hinzu (nach dem Basler Kongreß noch die „Eguaglianza"[312] zu Neapel). B. suchte nun seinen Zweck - die Internationale in sein Privatwerkzeug zu verwandeln - auf andre Weise zu erreichen. Er ließ durch unser Genfer Romanisches Komitee dem Generalrat vorschlagen, die „Erbschaftsfrage" auf das Programm des Basler Kongresses zu setzen. Der Generalrat ging darauf ein, um B. direkt auf den Kopf schlagen zu können. B's Plan war der: Indem der Basler Kongreß die von B. zu Bern aufgestellten „Prinzipien" (?) annimmt, wird der Welt gezeigt, daß B. nicht zur Intern., sondern
1 Siehe vorl. Band, S. 339-341 - 2 „Gleichheit der Klassen" —8 „Abschaffung der Klassen" 4 siehe vorl. Band, S. 348/349 - 5 Zwischenfall - 6 Romanische Föderalkomitee
die Intern, zu B. übergetreten ist. Einfache Konsequenz, der Londoner Generalrat (dessen Gegnerschaft gegen die Aufwärmung der vieillerie Saint-Simoniste1 dem B. bekannt war) muß abtreten, und der Basler Kongreß wird den Generalrat nach Genf verlegen, d.h. die Internationale wird der Diktatur B. anheimfallen. B. setzte eine völlige Konspiration ins Werk, um sich die Majorität auf dem Basler Kongreß zu sichern. Sogar an falschen Vollmachten fehlte es nicht, wie die des Herrn Guillaume für Locle etc. B. selbst bettelte sich Vollmachten von Neapel und Lyon, Verleumdungen aller Art gegen den Generalrat wurden ausgestreut. Den einen sagte man, das element hourgeois2 wiege in ihm vor, den andern, er sei der Sitz des communisme autoritaire3 etc. Das Resultat des Basler Kongresses ist bekannt. B's Vorschläge drangen nicht durch, und der Generalrat blieb in London. Der Ärger über diesen Fehlschlag - mit dessen Gelingen B. vielleicht allerlei Privatspekulationen verknüpft hatte in „seines Herzens Geist und Empfindung" - machte sich in gereizten Äußerungen der „Egalite" und des „Progres" Luft. Diese Blätter nahmen unterdes mehr und mehr die Form offizieller Orakel an. Bald wurde diese, bald jene Schweizer Sektion der Intern, mit Bann belegt, weil sie gegen B's ausdrückliche Vorschrift sich an der politischen Bewegung beteiligt hatten etc. Endlich brach die lang verhaltne Wut gegen den Generalrat offen aus. „Progres" und „Egalite" mokierten sich, griffen an, erklärten, der Generalral erfüllte seine Pflichten nicht, z.B. in betreff des dreimonatlichen Bulletins; der Generalrat müsse sich der direkten Kontrolle über England entledigen und neben sich ein englisches Zentralkomitee, das sich nur mit englischen Angelegenheiten [befassel, gründen lassen; die Beschlüsse des Generalrats über die gefangenen Fenier seien eine Überschreitung seiner Funktionen, da er sich nicht mit lokalpolitischen Fragen zu beschäftigen habe. Es wurde ferner in „Progres" und „Egalite" Partei für Schweitzer genommen und der Generalrat kategorisch aufgefordert, sich offiziell und publiquement4 über die Frage ¥•11 1 . O 1 11.. T\ T 1 F ' T7 .TU /• R» • \ LaebKnecnt-bcnweitzer zu erklären, uas Journal „L,e 1 ravait (in Paris)* worin die Pariser Freunde Schweitzers ihm günstige Artikel eingeschmuggelt, wurde darüber belobt von „Progres" und „Egalite" und in letztrer aufgefordert, gemeinsame Sache gegen den Generalrat zu machen. Die Zeit war jetzt daher gekommen, wo eingeschritten werden mußte. Folgendes ist wörtliche Kopie des Sendschreibens des Generalrats an das
1 des Saint-Simonistischen Kohls - 2 bürgerliche Elemente - 3 autoritären Kommunismus — 4 öffentlich
Genfer Romanische Zentralkomitee. Das Dokument zu lang, um es ins Deutsche zu übersetzen.1 „Der Generalrat an den Föderalrat der romanischen Schweiz in Genf. In seiner außerordentlichen Sitzung vom 1. Januar 1870 hat der Generalrat beschlossen: 1. Wir lesen in der ,Egalite, vom 11.Dezember 1869:
ist sicher, daß der Generalrat äußerst wichtige Dinge vernachlässigt... Wir erinnern den Generalrat an seine Pflichten durch den Artikel 1 des Reglements: „Der Generalrat ist verpflichtet, die Kongreßbeschlüsse auszuführen." ... Wir hätten genug Fragen an den Generalrat, so daß seine Antworten ein ziemlich langes Dokument ergäben. Sie werden später Rommen. In der Erwartung etc.* Der Generalrat kennt weder in den Statuten noch im Reglement einen Artikel, der ihn verpflichtete, sich in eine Korrespondenz oder eine Polemik mit der ,Egalite einzulassen oder .Fragen* irgendeiner Zeitung zu .beantworten'. Allein der Föderalrat der romanischen Schweiz vertritt die Zweiggesellschaften der romanischen Schweiz vor dem Generalrat. Wenn der Föderalrat Anfragen oder Vorwürfe an uns richtet, und zwar auf dem einzig legitimen Wege, das heißt durch seinen Sekretär, wird der Generalrat immer bereit sein, darauf zu antworten. Aber der Romanische Föderalrat hat weder das Recht, seine Funktionen an die ,Egalite und den,Progres' abzutreten, noch seine Funktionen von diesen Zeitungen usurpieren zu lassen. Allgemein gesprochen: die Korrespondenz des Generalrats mit den nationalen und lokalen Komitees könnte nicht veröffentlicht werden, ohne den allgemeinen Interessen der Assoziation großen Schaden zuzufügen. Wenn also die anderen Organe der Internationale dem ,Progres und der ,Egalite nachahmen würden, sähe sich der Generalrat vor die Alternative gestellt, sich entweder durch sein Schweigen vor der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder seine Pflichten durch eine öffentliche Antwort zu verletzen. Die ,Egalite hat sich dem ,Progres' beigesellt, um den ,Travail' aufzufordern, vom Generalrat Erklärungen zu verlangen. Das ist beinahe eine Liga für das öffentliche Wohl! 2. Angenommen, die von der ,Egalite' gestellten Fragen gehen vom Romanischen Föderalrat aus, so wollen wir sie beantworten, aber nur unter
1 Wir bringen im folgenden das in französischer Sprache verfaßte Dokument in deutscher Sprache (vgl. auch vorl. Band, S. 384-391).
der Bedingung, daß solche Fragen an uns nicht wieder in dieser Weise gestellt werden. 3. Die Frage des Bulletins. Die Beschlüsse des Genfer Kongresses, die in das Reglement aufgenommen wurden, schreiben vor, daß die nationalen Komitees dem Generalrat Dokumente über die proletarische Bewegung einzusenden haben und daß der Generalrat dann ein Bulletin in den verschiedenen Sprachen veröffentlichen soll, ,sooft seine Mittel es ihm erlauben . (,v4s often as its means permit, the General Council shall publish a report etc.') Die Verpflichtung des Generalrats war demnach an Bedingungen geknüpft, die niemals erfüllt wurden. Selbst die in den Statuten vorgeschriebene statistische Untersuchung, die von mehreren aufeinander folgenden allgemeinen Kongressen beschlossen und Jahr für Jahr vom Generalrat verlangt wurde, ist niemals durchgeführt worden. Was die Mittel anbelangt, so hätte der Generalrat ohne die regionalen Beiträge aus England und ohne die persönlichen Opfer seiner Mitglieder schon längst aufgehört zu existieren. So ist das vom Genfer Kongreß angenommene Reglement ein toter Buchstabe geblieben. Was den Kongreß zu Basel anbelangt, so hat er nicht über die Ausführung eines bestehenden Reglements, sondern nur über die Opportunität eines zu schaffenden Bulletins diskutiert und feinen Beschluß darüber gefaßt. Übrigens glaubt der Generalrat, daß der ursprüngliche Zweck eines von ihm herausgegebenen Bulletins zur Zeit vollkommen von den verschiedenen Organen der Internationale erfüllt wird, die in verschiedenen Sprachen erscheinen und auf dem Wege des gegenseitigen Austauschs verbreitet werden. Es wäre absurd, durch kostspielige Bulletins erreichen zu wollen, was bereits ohne Kosten erreicht wird. Andererseits würde ein Bulletin, das Dinge veröffentlicht, die in den Organen der Internationale nicht gedruckt werden, nur dazu dienen, unsere Feinde hinter die Kulissen sehen zu lassen. 4. Die Frage der Trennung des Generalrats vom Föderalrat für England. Lange vor der Gründung der ,Egalite wurde dieser Vorschlag wiederholt im Generalrat selbst von einem oder zwei seiner englischen Mitglieder eingebracht. Man hat ihn aber stets fast einstimmig abgelehnt. Obgleich die revolutionäre Initiative wahrscheinlich von Frankreich ausgehen wird, kann allein England als Hebel für eine ernsthafte ökonomische Revolution dienen. Es ist das einzige Land, wo es keine Bauern mehr gibt und wo der Grundbesitz in wenigen Händen konzentriert ist. Es ist das
einzige Land, wo die kapitalistische Form - das heißt die auf großer Stufenleiter kombinierte Arbeit unter kapitalistischen Unternehmern - sich fast der gesamten Produktion bemächtigt hat. Es ist das einzige Land, wo die große Mehrheit der Bevölkerung aus Lohnarbeitern (wages labourers) besteht. Es ist das einzige Land, wo der Klassenkampf und die Organisation der Arbeiterklasse durch die Trade-Unions einen gewissen Grad der Reife und der Universalität erlangt haben. Dank seiner Herrschaft auf dem Weltmarkt ist England das einzige Land, wo jede Revolution in den ökonomischen Verhältnissen unmittelbar auf die ganze Welt zurückwirken muß. Wenn der Landlordismus und der Kapitalismus ihren klassischen Sitz in diesem Lande haben, so sind andererseits die materiellen Bedingungen ihrer Vernichtung dort am meisten herangereift. Der Generalrat ist jetzt in der glücklichen Lage, seine Hand direkt auf diesem großen Hebel der proletarischen Revolution zu haben; welche Torheit, ja, man könnte fast sagen, welches Verbrechen wäre es, ihn englischen Händen allein zu überlassen! Die Engländer verfügen über alle notwendigen materiellen Voraussetzungen für eine soziale Revolution. Woran es ihnen mangelt, ist der Geist der Verallgemeinerung und die revolutionäre Leidenschaft. Dem kann nur der Generalrat abhelfen und somit eine wahrhaft revolutionäre Bewegung in diesem Land und folglich überall beschleunigen. Die großen Erfolge, die wir bereits in dieser Hinsicht erzielt haben, werden von den klügsten und angesehensten Zeitungen der herrschenden Klassen bezeugt, wie zum Beispiel von der ,Pall Mall Gazette', der JSaturday Review', dem ,Spectator und der ,.Fortnightly Review', ganz abgesehen von den sogenannten radikalen Mitgliedern des Unterhauses und des Oberhauses, die noch vor kurzem einen großen Einfluß auf die Führer der englischen Arbeiter ausübten. Sie klagen uns öffentlich an, wir hätten den englischen Geist der Arbeiterklasse vergiftet und feist erstickt und sie zum revolutionären Sozialismus getrieben. Die einzige Methode, diese Veränderung zu erreichen, besteht darin, daß wir als Generalrat der Internationalen Assoziation handeln. Als Generalrat können wir Maßnahmen veranlassen (wie zum Beispiel die Gründung der Land and Labour League), die dann später, bei ihrer Ausführung, vor der Öffentlichkeit als spontane Bewegungen der englischen Arbeiterklasse erscheinen. Würde ein Föderalrat außerhalb des Generalrats gebildet, welche unmittelbaren Auswirkungen hätte dies? Der Föderalrat befände sich zwischen dem Generalrat der Internationale und dem Allgemeinen Rat der Trade-Unions und besäße keinerlei Autorität. Andererseits würde der Generalrat der Internationale diesen großen Hebel aus den Händen lassen. Wenn
"wir laute Marktschreierei ernster und unsichtbarer Arbeit vorzögen, dann hätten wir vielleicht den Fehler begangen, öffentlich auf die Frage der ,Egaliie zu antworten, warum ,der Generalrat sich in diese so lästige Häufung von Funktionen fügt'. c i, i j t „;„x„„i, i 1 • l J __ i^ngianu. Uüii IIII.IIL ciniaCii Qcii onucicu j_.auuci 11 giCi^ugcSciAi wciueil. Man muß es als die Metropole des Kapitals betrachten. 5. Die Frage der Resolution des Generalrais über die irische Amnestie. Wenn England das Bollwerk des europäischen Landlordismus und Kapitalismus ist, so ist Irland der einzige Punkt, wo man den großen Schlag gegen das offizielle England führen kann. Erstens ist Irland das Bollwerk des englischen Landlordismus. Wenn er in Irland fiele, so fiele er auch in England. In Irland kann dies hundertmal leichter erreicht werden, weil sich der ökonomische Kampf dort ausschließlich auf den Grundbesitz konzentriert, weil dieser Kampf dort gleichzeitig ein nationaler ist und weil das Volk dort revolutionärer und erbitterter ist als in England. Der Landlordismus in Irland wird ausschließlich durch die englische Armee aufrechterhalten. In dem Moment, wo die Zwangsunion zwischen den beiden Ländern aufhört, wird in Irland eine soziale Revolution ausbrechen, wenn auch in veralteten Formen. Der englische Landlordismus wird nicht nur eine bedeutende Quelle seiner Reichtümer verlieren, sondern auch seine größte moralische Kraft - die Kraft, die Herrschaft Englands über Irland zu repräsentieren. Andererseits macht das englische Proletariat seine Landlords in England selbst unverwundbar, solange es ihre Macht in Irland aufrechterhält. Zweitens hat die englische Bourgeoisie das irische Elend nicht nur ausgenutzt, um durch die erzwungene Einwanderung der armen Iren die Lage der Arbeiterklasse in England zu verschlechtern, sondern sie hat überdies das Proletariat in zwei feindliche Lager gespalten. Das revolutionäre Feuer des keltischen Arbeiters vereinigt sich nicht mit der soliden, aber langsamen Natur des angelsächsischen Arbeiters. Im Gegenteil, es herrscht in GLLCU. grojjen Industriezet uren ungtancis em tiefer /\ni.agonismus zwiscuen dem irischen und englischen Proletarier. Der gewöhnliche englische Arbeiter haßt den irischen als einen Konkurrenten, der die Löhne und den Standard of life1 herabdrückt. Er empfindet ihm gegenüber nationale und religiöse Antipathien. Er betrachtet ihn fast mit denselben Augen, wie die poor whites2 der Südstaaten Nordamerikas die schwarzen Sklaven betrachteten. Dieser Antagonismus zwischen den Proletariern in England selbst
wird von der Bourgeoisie künstlich geschürt und wachgehalten. Sie weiß, daß diese Spaltung das wahre Geheimnis der Erhaltung ihrer Macht ist. Dieser Antagonismus wiederholt sich auch jenseits des Atlantik. Die von ihrem heimatlichen Boden durch Ochsen und Hammel vertriebenen Iren finden sich in den Vereinigten Staaten wieder, wo sie einen ansehnlichen und ständig wachsenden Teil der Bevölkerung bilden. Ihr einziger Gedanke, ihre einzige Leidenschaft ist der Haß gegen England. Die englische und die amerikanische Regierung, das heißt die Klassen, welche sie repräsentieren, nähren diese Leidenschaften, um den Kampf zwischen den Nationen zu verewigen, der jede ernsthafte und aufrichtige Allianz zwischen den Arbeiterklassen zu beiden Seiten des Atlantik und folglich deren gemeinsame Emanzipation behindert. Irland ist der einzige Vorwand der englischen Regierung, um eine große stehende Armee zu unterhalten, die im Bedarfsfalle, wie es sich gezeigt hat, auf die englischen Arbeiter losgelassen wird, nachdem sie in Irland zur Soldateska ausgebildet wurde. Schließlich wiederholt sich im England unserer Tage das, was uns das Alte Rom in ungeheurem Maßstab zeigte. Das Volk, das ein anderes Volk unterjocht, schmiedet seine eigenen Ketten. Der Standpunkt der Internationalen Assoziation in der irischen Frage ist also völlig klar. Ihre erste Aufgabe ist es, die soziale Revolution in England zu beschleunigen. Zu diesem Zwecke muß man den entscheidenden Schlag in Irland führen. Die Resolution des Generalrats über die irische Amnestie soll nur dazu dienen, andere Resolutionen einzuleiten, in denen zum Ausdruck gebracht werden wird, daß es, abgesehen von jeglicher internationaler Gerechtigkeit, eine Vorbedingung für die Emanzipation der englischen Arbeiterklasse ist, die bestehende Zwangsunion - das heißt der Versklavung Irlands - in eine gleiche und freie Konföderation umzuwandeln, wenn das möglich ist, oder die völlige Trennung zu erzwingen, wenn es sein muß. Übrigens sind die Doktrinen der ,Egalite und des ,Progres' über den Zusammenhang oder vielmehr über das Nichtvorhandensein eines Zusammenhangs zwischen der sozialen und politischen Bewegung unseres Wissens auf keinem unserer Kongresse anerkannt worden. Sie stehen im Gegensatz zu unseren Statuten. Dort heißt es: ,That the economical emancipation of the working classes is .... the great end to which every political movement ought to be subordinate as a means.'1
1 ,Daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse ... der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist.' (Siehe vorl. Band, S.14.)
27 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Diese Worte ,as a means' (,als Mittel') wurden in der französischen Übersetzung, die 1864 vom Pariser Komitee angefertigt wurde, weggelassen. Auf die Anfrage des Generalrats hin entschuldigte sich das Pariser Komitee mit den Schwierigkeiten seiner politischen Situation. Es gibt noch andere Verstümmelungen des authentischen Textes der Statuten. Der erste Erwägungsgrund der Statuten hat folgenden Wortlaut: ,The struggle for the emancipation of the working classes means ... a struggle ... for equal rights and duties, and the abolition of all class rule.'1 Die Pariser Übersetzung spricht von ,den gleichen Rechten und Pflichten', das heißt sie gebraucht die allgemeine Phrase, die man in fast allen demokratischen Manifesten seit einem Jahrhundert findet und die von den verschiedenen Klassen verschieden ausgelegt wird, aber sie läßt die konkrete Forderung der ,Vernichtung der Klassen weg. Dann liest man im zweiten Absatz der Erwägungen zu den Statuten: ,That the economical subjection of the man of labour to the monopoliser of the means of labour, that is the sources of life etc.'2. Die Pariser Übersetzung setzt ,Kapital' an Stelle von ,means of labour, that is the sources of life'3, obwohl der letztere Ausdruck den Grund und Boden ebenso einschließt wie die übrigen Arbeitsmittel. Der ursprüngliche und authentische Text wurde in der französischen Übersetzung wiederhergestellt, die 1866 in Brüssel veröffentlicht wurde. 6. Die Frage Liebknecht ~ Schweitzer. Die ,Egalite sagt: ,Diese beiden Gruppen gehören der Internationale an.' Das ist falsch. Die Gruppe der Eisenacher (die der ,Progres' und die ,Egalite in eine Gruppe des Bürgers Liebknecht zu verwandeln geruhen) gehört zur Internationale. Die Gruppe Schweitzers gehört ihr nicht an. Schweitzer selbst hat in seinem Blatt, dem ,Social-Demokrat', ausführlich erklärt, warum die Lassalleanische Organisation sich nicht der Internationale anschließen könne, ohne sich selbst zu vernichten. Er hat die Wahrheit gesagt, ohne es zu wissen. Seine künstliche Se^fenorganisation steht im Gegensatz zur wirklichen Organisation der Arbeiterklasse. Der ,Progres' und die ,Egalite haben den Generalrat aufgefordert, Öffentlich seine ,Meinung' über die persönlichen Differenzen zwischen Liebknecht und Schweitzer zu äußern. Da der Bürger J.Ph.Becker (der in dem Blatte Schweitzers ebenso verleumdet wird wie Liebknecht) zu den Mit
1 ,Der Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse ist... ein Kampf ... für gleiche Rechte und Pflichten und für die Vernichtung aller Klassenherrschaft.' (Siehe vorl. Band, S. 14.) 2 ,Daß die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen etc.' (siehe vorl. Band, S. 14) — 3 Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen
gliedern des Redaktionskomitees der ,Egalite gehört, erscheint es wirklich recht sonderbar, daß seine Redakteure über die Tatsachen nicht besser unterrichtet sind. Sie mußten wissen, daß Liebknecht im demokratischen Wochenblatt' Schweitzer öffentlich aufgefordert hat, den Generalrat als Schiedsrichter ihrer Differenzen anzuerkennen, und daß Schweitzer es nicht weniger öffentlich abgelehnt hat, die Autorität des Generalrats anzuerkennen. Der Generalrat hat nichts unversucht gelassen, um diesem Skandal ein Ende zu machen. Er hat seinen Sekretär für Deutschland beauftragt, mit Schweitzer in Korrespondenz zu treten, was auch geschah, doch alle Versuche des Rats scheiterten an dem festen Entschluß Schweitzers, mit der Sektenorganisation um jeden Preis seine autokratische Macht aufrechtzuerhalten. Es ist Sache des Generalrats, einen günstigen Moment zu bestimmen, wo seine öffentliche Intervention in diesem Streit mehr nützen als schaden Im Auftrag des Generalrats etc."
Die französischen Komitees (obgleich Bakunin stark in Lyon und Marseille intrigiert und einige junge Brauseköpfe gewonnen hatte) ebenso wie der Conseil Genf eral] Beige1 (Bruxelles) haben sich ganz einverstanden mit diesem Reskript des Generalrats erklärt. Die Abschrift für Genf (weil der Sekretär für die Schweiz, Jung, sehr beschäftigt war) wurde etwas verzögert. Sie kreuzte sich daher unterwegs mit einem offiziellen Schreiben von Perret, Sekretär des Genfer Romanischen Zentralkomitees, an den Generalrat. Die Krise war nämlich in Genf vor Ankunft unsres Briefs ausgebrochen. Einige Redakteure der „Egalite" hatten sich der von Bäk. diktierten Richtung widersetzt. Bakunin und seine Anhänger (wovon 6 Redakteure der „Egalite") wollten das Genfer Zentralkomitee zur Entlassung der Widerspenstigen zwingen. Das Genfer Komitee dagegen war längst die Despotie B's müd und sah sich mit Unwillen durch ihn in Gegensatz zu den übrigen deutschen Schweizer Komitees, zu dem Generalrat etc. hineingezogen. Es bestätigte also umgekehrt dieB. mißfälligen Redakteure der „Egalite". Darauf gaben seine 6 Mann ihre Entlassung von der Redaktion, indem sie dadurch das Blatt stillzusetzen glaubten. In Antwort auf unsre Missive erklärt das Genfer Zentralkomitee, daß die Angriffe der „Egalite" wider seinen Willen stattgefunden, daß es die in
1 Belgische Generalrat
derselben gepredigte Politik nie gebilligt, daß das Blatt jetzt unter strenger Aufsiebt des Komitees redigiert wird usw. Bakunin zog sich darauf von Genf nach Tessin zurück. Er hat nur nochwas die Schweiz betrifft - im „Progres" (Locle) seine Hand. Bald darauf starb Herzen. Bakunin, der seit der Zeit, wo er als Lenker der europ. Arbeiterbewegung sich aufwerfen wollte, seinen alten Freund und Patron Herzen verleugnet hatte, stieß sofort nach dessen Tod in die Lobesposaune. Warum? Herzen, trotz seines persönlichen Reichtums, ließ sich jährlich 25 000 frs. für Propaganda von der ihm befreundeten pseudosozialistischen panslawistischen Partei in Rußland zahlen.13133 Durch sein Lobesgeschrei hat Bakunin diese Gelder auf sich gelenkt und damit „die Erbschaft Herzens" - malgre sa haine de l'heritage1 - pekuniär und moralisch sine beneficio inventarii13143 angetreten. Gleichzeitig hat sich in Genf eine junge russische refugee colony2 angesiedelt, flüchtige Studenten, die es wirklich ehrlich meinen und ihre Ehrlichkeit dadurch beweisen, daß sie die Bekämpfung des Panslawismus als Hauptpunkt in ihr Programm aufgenommen. Sie publizieren zu Genf ein Journal: „La voix du peuple". Sie haben vor about3 2 Wochen sich nach London gewandt, ihre Statuten und Programm eingesandt, Bestätigung zur Bildung einer russischen branche verlangt. Ist gegeben worden. In einem besondern Brief an Marx haben sie ihn ersucht, sie im Zentralrat provisorisch zu repräsentieren. Dies ditto akzeptiert. Sie haben zugleich angezeigt - und schienen sich deswegen bei Marx entschuldigen zu wollen -, daß sie nächstens dem Bakunin öffentlich die Maske abreißen müßten, indem dieser Mensch ztßeierlei ganz verschiedne Sprachen führe, eine andre in Rußland, eine andre in Europa. So wird das Spiel dieses höchst gefährlichen Intriganten - wenigstens auf dem Terrain der Internationalen ~ bald ausgespielt sein.
Geschrieben um den 28. März 1870. Nach der Handschrift.
1 trotz seiner Abneigung gegen das Erbrecht - 2 Flüchtlingskolonie - 3 ungefähr
Karl Marx Beschluß des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation bezüglich des „Bee-Hive"13151
[„Der Volksstaat" Nr.38 vom 11. Mai 1870]
In Erwägung, 1) daß die internationalen1 Sektionen des Kontinents und der Vereinigten Staaten von Nordamerika vom Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation zum Abonnement auf den „Bee-Hive" als offizielles Organ des Generalrats und Repräsentanten der Arbeiterbewegung in der englischen Presse aufgefordert worden; 2) daß der „Bee-Hive" nicht nur aus den offiziellen Berichten des Generalrats seinen Gönnern mißliebige Beschlüsse ausgemerzt, sondern auch durch Unterschlagung den Sinn und Inhalt einer Reihe von Sitzungen des Generalrats systematisch verfälscht hat; 3) daß der „Bee-Hive" namentlich seit dem neulichen Wechsel seiner Eigentümer[3161 fortfährt, sich für das ausschließliche Organ der englischen Arbeiterklasse auszugeben, während er in der Tat in das Organ einer Kapitalistenfraktion verwandelt ist, welche die proletarische Bewegung zu lenken und in ihrem eigenen Klassen- und Partei-Interesse auszubeuten sucht; hat der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation in seiner Sitzung vom 26. April 1870 einstimmig beschlossen, jede Verbindung mit dem „Bee-Hive" abzubrechen und diesen seinen Beschluß den Sektionen in England, in den Vereinigten Staaten und auf dem Kontinent öffentlich anzuzeigen. Im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation: London, 3. Mai 1870 Karl Marx, Sekretär des Generalrats für Deutschland
1 Im Protokollbuch: verschiedenen
Karl Marx
[Proklamation des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation über die Verfolgungen der Mitglieder der französischen Sektionen1317]]
Bei Gelegenheit des letzten vorgeblichen Komplotts hat die französische Regierung nicht allein viele Mitglieder unserer Pariser und Lyoner Sektionen arretiert, sondern auch in ihren Organen behauptet, daß die Internationale Arbeiterassoziation eine Verbündete des vorgeblichen Komplotts sei. Nach dem Wortlaut unserer Statuten ist es freilich die spezielle Aufgabe aller unserer Zweige in England, auf dem Kontinent und in den Vereinigten Staaten, nicht allein als Mittelpunkt für die Organisation der Arbeiterklasse zu dienen, sondern auch alle politischen Bewegungen, welche unser Endziel, die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse, zu verwirklichen streben, in ihren verschiedenen Ländern zu unterstützen. Gleichzeitig verpflichten diese Statuten alle Sektionen unserer Assoziation, öffentlich zu handeln. Wären die Statuten über diesen Punkt nicht klar, so würde dennoch das Wesen einer Assoziation, die sich mit der Arbeiterklasse selbst identifiziert, jede Möglichkeit der Form geheimer Gesellschaften ausschließen. Wenn die Arbeiterklasse konspiriert, die die große Masse jeder Nation bildet, die allen Reichtum erzeugt und in deren Namen selbst die usurpierenden Gewalten vorgeben zu regieren, so konspiriert sie öffentlich, wie die Sonne gegen die Finsternis konspiriert, in dem vollen Bewußtsein, daß außerhalb ihres Bereiches keine legitime Macht besteht. \Y/o»w Jia on/^Afan T ImefönJö /IAO t^Amnlrvffe t*röl/»l>öe fronTÄcie^kA fr Clin uiv. anuCiun wiiiolaiiuu uv<o j,winpiv/tiO) ivwivuuo uiu iiuilA«v/oiowiiC Regierung denunziert, ebenso falsch und unbegründet sind wie ihre Insinuation gegen die Internationale Arbeiterassoziation, so wird dieses letzte Komplott seinen zwei Vorgängern[318] grotesken Andenkens würdig zur Seite stehen. Die lärmenden Gewaltmaßregeln gegen unsere französischen Sektionen sind ausschließlich berechnet, einem einzigen Zweck zu dienen der Manipulation des Plebiszits.
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
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Seite des Protokollbuchs mit Karl Marx' Handschrift „Über die Verfolgungen der Mitglieder der französischen Sektionen"

Karl Marx
[Resolutionsentwurf des Generalrats über die „Französische Föderalbranche in London"[3,9]]
In Erwägung, daß Adressen, Resolutionen und Manifeste, die von einer französischen Gesellschaft in London herrühren, die sich „Internationale Arbeiterassoziation, Französische Föderalbranche" nennt, kürzlich von Zeitungen des Kontinents veröffentlicht und der Internationalen Arbeiterassoziation zugeschrieben worden sind; daß die Internationale Arbeiterassoziation gegenwärtig von harten Verfolgungen seitens der österreichischen und französischen Regierung, die begierig die nichtigsten Vorwände ergreifen, um solche Verfolgungen zu rechtfertigen, heimgesucht wird; daß unter diesen Umständen der Generalrat eine große Verantwortlichkeit auf sich laden würde, wenn er einer Gesellschaft, die nicht zur Internationalen gehört, erlaubte, ihren Namen zu gebrauchen und in ihrem Namen zu handeln; erklärt der Generalrat hierdurch, daß die sogenannte Französische Föderalbranche schon seit zwei Jahren aufgehört hat, einen Teil der Internationale zu bilden oder in irgendwelcher Verbindung mit dem Generalrat dieser Assoziation zu stehen1.
London, den 10. Mai 1870
Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
1 Bei der Annahme der Resolution durch den Generalrat wurde der letzte Teil dieses Satzes folgendermaßen geändert: in London oder irgendeinem Zweig der Assoziation auf dem Kontinent zu stehen (statt: dieser Assoziation zu stehen)
Karl Marx
[Resolution des Generalrats über die Einberufung des Kongresses nach Mainz[320]]
In Erwägung, daß der Baseler Kongreß Paris zum Sitz des diesjährigen Kongresses der Internationalen Arbeiterassoziation bestimmt hat; daß bei Fortdauer des gegenwärtigen Regimes in Frankreich der Kongreß nicht in Paris tagen kann; daß jedoch die Vorbereitungen für den Kongreß eine sofortige Beschlußnahme nötig machen; daß Artikel 3 der Statuten den Generalrat verpflichtet, im Notfall den vom Kongreß vorherbestimmten Platz der Zusammenkunft zu verlegen; daß das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen deutschen Arbeiterpartei den Generalrat eingeladen hat, den diesjährigen Kongreß in Deutschland abzuhalten; hat der Generalrat in seiner Sitzung vom 17. Mai einstimmig beschlossen, den diesjährigen Kongreß nach Mainz zu berufen und dort am S.September d.J. zu eröffnen.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
Karl Marx/Friedrich Engels
An den Ausschuß der Sozialdemokratischen deutschen Arbeiterpartei13211
[„Der Volksstaat" Nr.51 vom 26. Juni 1872] 86, Mornington Street, Stockport Road, Manchester London, 14. Juni 1870
Liebe Freunde! Ich erhalte heute einen Brief von Stumpf (Mainz), worin es u.a. heißt:
„Liebknecht beauftragt mich, Dir zu schreiben, daß es wegen der Reichtagswahlen, die gerade in diese Zeit fallen, besser sein dürfte, am 5.Oktober den Kongreß hier abzuhalten. Der Kongreß in Stuttgart t322] hat auch letzten Montag beschlossen, für den 5.Oktober zu wirken. Geib soll beauftragt sein, Dir dieserhalb zu schreiben." Liebknecht sowohl als die übrigen Mitglieder der Internationalen sollten wenigstens mit den Statuten derselben bekannt sein, in welchen es ausdrücklich heißt: „§ 3. Der Generalrat kann nötigenfalls den Ort ändern, ist aber nicht befugt, den Termin der Zusammenkunft hinauszuschieben." Als ich Eure dringende Einladung zur Verlegung des Kongresses nach Deutschland im Generalrat befürwortete, unterstellte ich natürlich, daß Ihr alle Umstände in Betracht gezogen. Von einer Verschiebung des Termins kann statutengemäß nicht die Rede sein. Ein anderer Passus in Stumpfs Brief ist auch keineswegs beruhigend. Es heißt darin:
„Eben komme ich vom Bürgermeister. Er will einen solventen Bürger als Bürgen dafür, daß, wenn es von Schweitzerschen Prügeleien gäbe, die Stadt Regreß hat für etwaige Beschädigungen im Kurfürstlichen Marmorsaale, der uns zugesagt ist für den Kongreß etc."
Ihr habt die Städte Mainz, Darmstadt oder Mannheim vorgeschlagen, also in der Tat dem Generalrat gegenüber die Verantwortlichkeit übernommen, daß der Kongreß in jeder dieser Städte abgehalten werden kann ohne Skandalszenen, welche die Internationale und die deutsche Arbeiterklasse ganz speziell vor den Augen aller Welt lächerlich machen würden. Ich hoffe, daß in dieser Beziehung alle nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Welches ist das numerische Verhältnis der Schweitzerianer in Mainz und Umgegend zu Euren Leuten? Im Fall Skandal nicht zu vermeiden ist, muß im voraus dafür gesorgt werden, daß er auf seinen Urheber zurückfällt. Es müßte im „Volksstaat", „Zukunft" und sonst zugänglichen deutschen Blättern der Plan der preußischen Polizei denunziert werden, den internationalen Kongreß in Mainz, dessen Zusammenkunft sie nicht direkt verhindern kann, durch ihr Werkzeug, die Schweitzersche Organisation, unmöglich zu machen oder an der ruhigen Abhaltung seiner Sitzungen zu verhindern. Sobald dies in Deutschland geschehen, würde der Generalrat dann dafür sorgen, daß ähnliche Notizen in London, Paris etc. publiziert würden. Einen Konflikt mit Herrn Bismarck kann sich die Internationale schon gefallen lassen, nur nicht angeblich spontane „deutschnationale Arbeiterprügeleien" unter der Etikette von „Prinzipienkämpfen". Stumpf wird wohl - im Zusammenhang mit Euch - dafür sorgen, daß die Deputierten wohlfeile Logis finden.
Salut et fraternite1 Karl Marx
Ich benutze die Gelegenheit, dem Ausschuß meine besten Grüße mitzuschicken. Seitdem die Herren Schweitzerianer in Forst dem Bürgermeister vorher die Absicht anzeigten, Keilerei anzustiften, und dieser der Sache auch ihren Verlauf ließ, ist der Zusammenhang dieser Herren mit der Polizei konstatiert. Vielleicht könnte Stumpf durch den Mainzer Bürgermeister bei den Herren Schweitzerianern anfragen lassen, ob sie den Auftrag haben, „zu hauen". Übrigens wäre es an der Zeit, daß diese Leute überall in der Presse als reine Polizeiagenten bloßgestellt und, wo sie wieder zu „hauen" versuchen, ganz gehörig wiedergehauen werden. Beim Kongreß geht das natürlich nicht, bis dahin können sie aber doch schon so viel
1 Gruß und Brüderlichkeit
An den Ausschuß der Sozialdemokratischen deutschen Arbeiterpartei 429
Prügel besehen, daß sie genug daran haben. Wie Herr Bismarck diese Sachen in der englischen Presse darstellt, zeigt der iril. Ausschnitt, der die Runde durch alle Blätter macht. Der „North German Corr[espondence]" ist ein mit Welfengeld gegründetes Organ des Bismarck.13231
Mit besten Grüßen F.Engels
Karl Marx
[Resolution des Generalrats über das Föderalkomitee der romanischen Schweiz13241]
[„Le Mirabeau" Nr.53 vom 24. Juli 1870] Der Generalrat an das Romanische Föderalkpmiiee In Erwägung, daß die Majorität der Delegierten, die auf dem Kongreß in La Chauxde-Fonds ein neues Romanisches Föderalkomitee ernannt hat, nur nominell war; daß das Romanische Föderalkomitee in Genf seine Pflichten gegenüber dem Generalrat und der Internationalen Arbeiterassoziation stets erfüllt und sich immer nach den Statuten der Assoziation gerichtet hat, so daß der Generalrat nicht berechtigt ist, ihm seinen Titel abzusprechen; hat der Generalrat in seiner Sitzung vom 28. Juni 1870 einstimmig beschlossen, daß das Romanische Föderalkomitee in Genf seinen Titel beibehält und daß das Föderalkomitee in La Chaux-de-Fonds sich einen anderen, ihm genehmen, lokalen Titel beilegt. Im Namen und im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation H.Jtmg, Sekretär für die Schweiz
London,den 29. Juni 1870
Aus dem Französischen.
Karl Marx
Die Aussperrung der Bauarbeiter in Genf3251
Der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation an die Arbeiter und Arbeiterinnen in Europa und den Vereinigten Staaten
Mitarbeiter! Die Genfer Baumeister sind nach reiflicher Überlegung bei der Konklusion angelangt, daß „die unbeschränkte Freiheit der Arbeit" am besten geeignet ist, das Glück der arbeitenden Bevölkerung zu befördern. Ihren Arbeitern diese Segnung zu sichern, beschlossen sie am 1 I.Juni einen englischen Streich auszuführen, nämlich sämtliche Arbeiter, die bis dahin bei ihnen in Arbeit gestanden, auszusperren. Da das Gewerksvereinswesen erst in neuerer Zeit in der Schweiz Wurzel faßte, so pflegten die Genfer Baumeister dasselbe mit der größten Entrüstung als eine englische Importation zu denunzieren. Vor zwei Jahren verhöhnten sie ihre Arbeiter wegen ihrem Mangel an Patriotismus, weil sie versuchten, ein so ausländisches Gewächs wie die Beschränkung der Arbeitszeit und die Fixierung des Arbeitslohnes auf den Schweizer Boden zu verpflanzen. Sie hegten nicht den geringsten Zweifel, daß schlaue Unheilstifter ihre Hand im Spiel haben mußten, da ihre eingeborenen Arbeiter aus eigenem Antrieb nichts natürlicher und angenehmer finden würden, als sich von 12-14 Stunden des Tags abzurackern, für was immer der Meister in seinem Herzen für gut finden möchte, als Bezahlung zu gewähren. Sie behaupteten öffentlich, daß die verblendeten Arbeiter nur nach Vorschriften von London und Paris handelten, etwa wie die Schweizer Diplomaten gewohnt sind, den Geheißen von St. Petersburg, Berlin und Paris Folge zu leisten. Indessen ließen sich die Arbeiter weder durch Schmeicheleien, Verhöhnungen oder Drohungen bereden, daß die Beschränkung der Arbeitszeit auf zehn Stunden den Tag und die Fixierung des Arbeitslohns
pro Stunde die Würde eines Schweizer Bürgers verletze, noch konnten sie durch Provokation in Freveltaten verwickelt werden, die den Baumeistern einen plausiblen Vorwand geliefert hätten, öffentliche Repressivmaßregeln gegen die Vereine durchzusetzen. Endlich, im Mai 1868 brachte Herr Camperio, der damalige Minister der Justiz und der Polizei, eine Übereinkunft zustande, nach welcher die täglichen Arbeitsstunden auf 9 im Winter und 11 im Sommer beschränkt werden sollten, mit einer Abstufung des Arbeitslohns von 45-50 Centimes die Stunde. Jene Übereinkunft wurde im Beisein des Ministers von den Baumeistern und Arbeitern unterzeichnet. Im Frühling 1869 weigerten sich mehrere Baumeister, mehr für die 11 Stunden Arbeit des Sommers zu bezahlen, als sie für 9 Stunden Winterarbeit bezahlt hatten. Es kam abermals zu einem Vergleich: 45 Centimes die Stunde ward für alle Zweige1 festgesetzt. Obgleich die Gipser und Anstreicher offenbar in diesen Verträgen einbegriffen waren, mußten sie unter Vor-1868er-Bedingungen fortarbeiten, weil sie nicht hinreichend organisiert waren, die neuen zu erzwingen. Am 15. Mai d.J. beanspruchten sie, den anderen Geschäften vertragsgemäß gleichgestellt zu werden, und da ihnen das schlechthin abgeschlagen wurde, legten sie die folgende Woche die Arbeit nieder. Am 4. Juni beschlossen die Baumeister, „wenn die Gipser und Anstreicher nicht bis zum 9. Juni ohne Vorbehalt an ihre Arbeit zurückkehren, so werden am 11. Juni sämtliche Bauarbeiter ausgesperrt". Diese Drohung wurde pünktlich ausgeführt. Nicht zufrieden mit der Aussperrung der Arbeiter, verlangten die Baumeister durch öffentliche Plakate von der Bundesregierung die gewaltsame Auflösung der Internationalen Union2 und die Vertreibung der Fremden aus der Schweiz.[326] Ihr wohlwollender und wahrhaft liberaler Versuch, „die unbeschränkte Freiheit der Arbeit" wiederherzustellen, scheiterte an einer Massenversammlung und einem Protest der eingeborenen Nicht-Bauarbeiter. Die nicht bei der Bauarbeit beteiligten Genfer Gewerkschaften haben einen Ausschuß ernannt, der die Angelegenheiten der Ausgesperrten verwaltet. Verschiedene, die mit den Baumeistern Kontrakte für Neubauten abgeschlossen hatten, hielten ihre Verbindlichkeit durch die Unterbrechung für beendigt und schlugen den Arbeitern vor, auf ihr Risiko fortzuarbeiten. Diese Vorschläge wurden ohne Bedenken angenommen. Die ledigen Leute reisen ab, so schnell sie können. Dennoch bleiben gegen 2000 Familien
1 Im englischen Text: Bauarbeiter - 2 im französischen Text: Assoziation
ihrer gewöhnlichen Existenzmittel beraubt. Der Generalrat fordert daher die Arbeiter und Arbeiterinnen der zivilisierten Welt auf, den Genfer Bauarbeitern sowohl durch moralische als materielle Mittel in ihrem Kampf gegen den kapitalistischen Despotismus Beistand zu leisten.
Im Auftrag des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation: B.Lucraft, Vorsitzender John Weston, Kassierer J.George Eccarius, Generalsekretär Hermann Jung, Sekretär für die Schweiz
256, High Holborn, London, W.C., den 5. Juli 1870
Nach dem Flugblatt in deutscher Sprache.
28 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Karl Marx
Konfidentielle Bekanntgabe an alle Sektionen13271
1. Der Generalrat fordert alle Sektionen auf, ihren Delegierten formelle Instruktion zu geben, ob es zweckmäßig sei, den Sitz des Generalrats für das Jahr 1870/1871 zu verlegen. 2. Für den Fall, daß die Verlegung beschlossen wird, empfiehlt der Generalrat Brüssel als Sitz des Generalrats für das genannte Jahr.
Geschrieben am 14. Juli 1870. Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.
Karl Marx
[Programm für den Kongreß der Internationale in Mainz[328]]
I. Uber die Notwendigkeit, die Staatsschulden abzuschaffen. Diskussion über Entschädigungsrecht. II. Uber den Zusammenhang zwischen der politischen Aktion und der sozialen Bewegung der Arbeiterklasse. III. Praktische Mittel zur Verwandlung des Grundeigentums in Gemeineigentum (siehe Anmerkung). IV. Verwandlung der Zettelbanken in Nationalbanken. V. Die Bedingungen der genossenschaftlichen Produktion auf nationalem Maßstab. VI. Uber die Pflicht der Arbeiterklasse, zur Verfertigung einer allgemeinen Arbeitsstatistik zusammenzuwirken gemäß dem Beschlüsse des Genfer Kongresses von 1866. VII. Wiederaufnahme der Frage auf dem Kongreß über die Mittel zur Unterdrückung des Kriegs. Anmerkung zu Punkt III: Der belgische Generalrat hat folgende Frage vorgeschlagen: „Die praktischen Mittel zur Bildung von Landarbeitersektionen innerhalb der Internationale und zur Herstellung der Solidarität zwischen den Landproletariern und den Proletariern der anderen Industriezweige." Der Generalrat der Internationalen Assoziation ist der Meinung, daß diese Frage unter Punkt III fällt.
Geschrieben am 14. Juli 1870. Nach der Handschrift. Aus dem Französischen.

KARL MARX und FRIEDRICH ENGELS
Aus dem handschriftlichen Nachlaß

Karl Marx
[Entwurf einer nicht gehaltenen Rede zur irischen Frage13291]
I
Einleitung. Die Hinrichtung.
Seit unserer letzten Sitzung ist der Fenianismus, der Gegenstand unserer Diskussion, in eine neue Phase eingetreten. Er ist von der englischen Regierung mit Blut getauft worden. Die politischen Hinrichtungen in Manchester erinnern uns an das Schicksal John Browns in Harpers Ferry.* Sie eröffnen eine neue Periode im Kampf zwischen Irland und England. Das ganze Parlament und die liberale Presse verantwortlich. Gladstone. Grund: um den heuchlerischen Anschein zu wahren, daß es keine politische, sondern eine gewöhnliche kriminelle Affäre war. Der in Europa hervorgerufene Eindruck ganz das Gegenteil. Die Engländer sind offenbar bestrebt, die Akte des Langen Parlaments13301 aufrechtzuerhalten. Sie beanspruchen göttliches Recht, die Iren auf ihrer Heimaterde zu bekämpfen, während jeder Ire, der gegen die britische Regierung in England kämpft, als Geächteter zu behandeln ist. Suspension der Habeas-Corpus-Akte[3041. Belagerungszustand. Fakten aus dem „Chronicle". Organisierung von „Meuchelmord und Gewalt" durch die Regier ung.[3311 Episode mit Bonaparte.[332]
II
Die Frage
Was ist Fenianismus?
* [In der Handschrift gestrichen:] Doch die Sklavenhalter behandelten John Brown wenigstens als Rebellen und nicht als gemeinen Verbrecher.
III
Die Landfrage Abnahme der Bevölkerung
1846 1841 — 8222 664 1866 — 5 571 971 2 650 693
In 25 Jahren 1801 hatte Irland eine Abnahme eine Bevölkerung von 2 650 693 von 5 319 867
1855 6 604 665 j In n Jahren 1866 5 571971 eineAbnaW 1 032 694 j von 1 032 694
Die Bevölkerung hat nicht nur abgenommen, sondern gleichzeitig ist auch die Zahl der Taubstummen, Blinden, Invaliden, Geisteskranken und Schwachsinnigen im Verhältnis zur Bevölkerung gestiegen.
Zunahme des Viehbestandes von 1855 bis 1866 In der gleichen Periode 1855 bis 1866 nahm der Viehbestand wie folgt zu: Hornvieh um 178 532 Stück- Schafe um 667 675 Stück, Schv/eine um 315 918 Stück. Wenn wir die gleichzeitige Abnahme von Pferden um 20 656 Stück berücksichtigen und acht Schafe einem Pferd gleichsetzen, so beträgt die Gesamtzunahme des Viehbestandes 996 877 Stück, d.h. etwa eine Million Stück Vieh. Folglich sind 1 032 694 Iren durch etwa eine Million Stück Hornvieh, Schweine und Schafe ersetzt worden. Was ist aus diesen Iren geworden? Die Auswanderungsstatistik gibt darauf Antwort.
Emigration Vom 1. Mai 1851 bis 31. Dezember 1866 emigrierten 1 730 189 Menschen. Charakter dieser Emigration. Sie wurde verursacht und wirkt in immer größerem Maße weiter durch das Zusammenwerfen oder Vereinigen von Pachten (Eviktion) und die gleichzeitige Verwandlung von Ackerland in Viehweide. Von 1851-1861 nahm die Gesamtzahl der Pachten um 120 000 ab, währenddessen die Zahl der Pachthöfe von 15-30 Acres um 61 000 wuchs und die der Pachthöfe über 30 Acres um 109 000 (zusammen 170 000). Die
Abnahme ging fast ausschließlich auf Kosten der Vernichtung von Pachten unter einem bis unter 15 Acres. Lord Dufferin1. Die Zunahme bedeutet nur, daß die verringerte Zahl der Pachthöfe zu einem bedeutenden Teil aus größeren Pachthöfen besteht.
Wie sich der Prozeß auswirft
a) auf das Volk Die Lage der Volksmasse hat sich verschlechtert und nähert sich einer Krise ähnlich der von 1846. Die relative Übervölkerung ist heute so groß wie vor der Hungersnot. Der Arbeitslohn ist seit der Kartoffel-Hungersnot nicht mehr als um 20% gestiegen. Die Kartoffelpreise stiegen um fast 200%; die Preise für die nötigen Lebensmittel durchschnittlich um 100%. Professor Cliffe Leslie schreibt im Londoner „Economist" vom 9. Februar 1867:
„Nach einer Abnahme der Bevölkerung um 2/5 in 21 Jahren beträgt der normale Arbeitslohn jetzt fast auf der ganzen Insel nur 1 sh. täglich; für einen Shilling kann man heute nicht mehr kaufen als für 6 d. vor 21 Jahren. Durch diese Preiserhöhung der täglichen Nahrungsmittel ist der Arbeiter schlechter dran als vor 10 Jahren." b) auf das Land 1) Abnahme bebauter Ländereien Abnahme bei Kornfrüchten: Abnahme bei Grünfrüchten: 1861-1866: 470 917 Acres 1861-1866: 128 061 Acres 2) Abnahme des Ertrags bei jeder Frucht per Acre Der Weizen ertrag nahm ab, doch höher noch war in der Zeit von 1847 bis 1865, genau berechnet, die prozentuale Abnahme bei: Hafer 16,3; Flachs 47,9; Steckrüben 36,1; Kartoffeln 50. Einige Jahre weisen eine stärkere Abnahme auf, doch insgesamt schritt sie seit 1847 graduell voran. Seit dem Exodus wurde das Land nicht gedüngt und ist ausgesaugt worden^ teils durch die sinnlos durchgeführte Vereinigung[3331 der Pachten, teils weil der Pächter es unter dem corn-acre-System größtenteils seinen Arbeitern überließ, das Land für ihn zu düngen. Rente und Profit können steigen, auch wenn der Bodenertrag abnimmt. Das Gesamtprodukt kann abnehmen, doch der Teil, der in Mehrprodukt verwandelt wird und den Landlords und größeren Pächtern zufällt, statt den Arbeitern, ist größer geworden. Aber auch der Preis des Mehrprodukts ist gestiegen.
Folglich das Ergebnis: Allmähliche Vertreibung der einheimischen Bevölkerung, allmähliche Verschlechterung und Erschöpfung der Lebensquelle der Nation, des Bodens.
Der Prozeß der Vereinigung Dieser Prozeß hat erst begonnen; er schreitet mit Riesenschritten voran. Die Vereinigung hat zuerst die Pachten unter einem bis unter 15 Acres betroffen. Auch wenn alle Pachten unter 100 Acres verschwunden sind, wird diese Vereinigung noch lange nicht den gleichen Stand erreicht haben wie in England. Der Stand von 1864 war folgender: Das Gesamtareal Irlands einschließlich Torfmoor und wüstes Land: 20 319 924 Acres. Davon sind 3/5 oder 12 092 117 Acres noch Pachten unter 1 bis unter 100 Acres, die sich in den Händen von 569 844 Pächtern befinden; a/5 oder 8 227 807 Acres sind Pachten von 100 bis über 500 Acres, die sich in den Händen von 31 927 Personen befinden. Folglich werden, wenn wir nur die Pächter und ihre Familien rechnen, 2 847 220 Menschen verjagt. Dieses System ist die natürliche Folge der Hungersnot von 1846, beschleunigt durch die Abschaffung der Korngesetze[334] und der jetzt systematisch ansteigenden Fleisch- und Wollpreise. Lichtung der Güter in Irland, die Irland in einen englischen Agrikulturdistrikt verwandelt, der von England durch einen breiten Wassergraben getrennt ist, ohne Grundherren, die mit ihrem Gefolge in England sitzen.
Veränderung des Charakters der englischen Herrschaft in Irland Staat nur Werkzeug der Landlords. Eviktion wird auch benutzt als Mittel der politischen Bestrafung. (Lord Abercorn. England. Gälen imSchoti RR ¥, irooRi \ —i< t i n l-.'i iri.. i T tischen Hochland1—'.) frühere engiiscne roiitiK: Verdrängung der Iren durch Engländer (Elisabeth), Rundköpfe1336] (Gromwell). Seit Anna im 18. Jahrhundert sind für die Wirtschaftspolitik charakteristisch nur die Schutzzollmaßnahmen Englands gegen seine eigene irische Kolonie; innerhalb dieser Kolonie wird die Religion zu einem Rechtstitel auf Eigentum gemacht. Nach der UnionlW0] System von Wucherpachten und Zwischenpächtern, doch die Iren, wenn auch bis aufs äußerste unterdrückt, blieben Besitzer ihres eigenen Bodens. Jetziges System: ruhige, geschäftsmäßige Vernichtung, Regierung nur Werkzeug der Landlords (und der Wucherer).
Aus dieser veränderten Lage: 1. Charakteristisches Merkmal des Fenianismus: sozialistische Bewegung, Bewegung der unteren Klassen. 2. Nichtkatholischer Charakter der Bewegung. Priester waren Führer, solange der Kampf für die Katholikenemanzipation[337] und ihr Führer, Daniel O'Connell, den führenden Platz in der irischen Bewegung einnahmen. Lächerlicher Papismus der Engländer. Hohe katholische Geistliche gegen Fenianismus. 3. Kein repräsentativer Führer im britischen Parlament. Besonderheit von O'Connells Bewegung der physischen Gewalt. Zerfall der irischen Partei im Parlament. 4. Nationaler Charakter. Einfluß der europäischen Bewegung und englischen Phraseologie. 5. Amerika, Irland, England drei Schauplätze der Handlung; führende Rolle Amerikas. 6. Republikanische Bewegung, da Amerika Republik. Ich habe nun die charakteristischen Merkmale des Fenianismus dargelegt. IV
Das englische Volk
Eine Sache der Humanität und des Rechts, aber vor allem eine spezifisch englische Frage. a) Aristokratie und Kirche. Armee. (Frankreich, Algerien.) b) Iren in England. Einfluß auf den Arbeitslohn etc. Ausgleichen des Charakters der Engländer und Iren. Der irische Charakter. Reinheit der Iren. Bemühungen um Bildung in Irland. Abnahme der Verbrechen.
Verurteilte in Irland Vor Gericht gestellt Verurteilt 1852 - 17 678 10454 1866 - 4 326 2 418 Die Abnahme der Zahl der vor Gericht gestellten Personen in England und Wales seit 1855 ist zum Teil auf das Strafgesetz von 1855 zurückzuführen, das die Richter ermächtigt, mit Zustimmung der Inhaftierten niedrige Gefängnisstrafen selbst zu verhängen, statt sie an die Gerichtssitzungen zur Untersuchung zu überweisen.
Birmingham. Fortschritt des englischen Volkes. Infamie der englischen Presse. c) Die Außenpolitik- Polen etc. Castlereagh. Palmerston.
V
Das Heilmittel
Sinnlosigkeit der kleinen Parlamentsanträge. Fehler der Reformliga.13381 Aufhebung der Union — eine Forderung der englischen demokratischen Partei.
Geschrieben um den 26. November 1867. Nach der Handschrift. Aus dem Englischen.
Karl Marx
[Entwurf eines Vortrages zur irischen Frage, gehalten im Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London am 16. Dezember 186713391]
I
Was zeichnet den Fenianismus aus? Er geht in der Tat von irischen Amerikanern, Irländern in Amerika, aus. Sie sind die Anreger und (Führer). Aber in Irland selbst schlug die Bewegung nur Wurzel (und hat immer noch ihren eigentlichen Sitz) in den Volksmassen, den (unteren Klassen). Das charakterisiert sie. In allen früheren irischen Bewegungen folgte das Volk nur der Leitung von Aristokraten oder (Bourgeois) und stets den katholischen Pfaffen. Bei der Erhebung gegen Cromwell anglo-irische Häuptlinge und Pfaffen; bei dem Krieg gegen William III. sogar der König von England, Jakob II., an der Spitze, in der Revolution von 1798 protestantische Republikaner von Ulster (Wolfe Tone, Lord Fitzgerald)[340], endlich in diesem Jahrhundert der (Bourgeois) O'Connell, gestützt auf die katholische Geistlichkeit, die auch in allen früheren Bewegungen, mit Ausnahme von 1798, leitende Rolle spielt. Der (Fenianismus) von der katholischen Geistlichkeit in Bann getan. Sie hat erst ihren Widerstand aufgegeben, seit sie durch denselben allen Einfluß auf die irische Volksmasse zu verlieren fürchtete. II
Was die Engländer wundert, ist dies: Verglichen mit der früheren Unterdrückung Irlands durch England finden sie das jetzige Regime desselben mild. Woher grade jetzt diese entschiedenste und unversöhnlichste Form des Gegensatzes? Was ich zeigen will, und was selbst den Engländern ein Geheimnis ist, die Partei für die irische Nationalität und das Recht ihrer Lossagung von England ergreifen, ist, daß seit 1846 die [Unterdrückung], obgleich der Form nach weniger barbarisch, der Sache nach vernichtend
ist und keinen andern Ausweg erlaubt als freiwillige Emanzipation Irlands durch England oder Kampf auf Leben und Tod.
III
Was die vergangene Geschichte angeht, so (Fakten) in jedem Geschichtsbuch zu finden. Ich werde daher nur einige Andeutungen geben, soweit nötig, den Unterschied der jetzigen Epoche von den früheren klarzumachen und zweitens einige Punkte hervorzuheben bezüglich des Charakters dessen, was jetzt das irische Volk heißt.
a) Die Engländer in Irland vor der protestantischen Reformation 1172. Henry II. Erobert noch nicht 1/3 von Irland. (Nominelle Eroberung.) Geschenk des Papst Hadrian IV. (Engländers). Ungefähr 400 Jahre später andrer Papst (unter Elisabeth),(1576) - Gregor XIII.; nimmt den Engländern (Elisabeth) wieder den Kram ab.[3415 Der („Englische) Pa/e".[342] (Hauptstadt): Dublin. Vermischung der englischen (gemeinen Kolonisten) mit den Iren, der anglo-normannischen Großen mit den irischen Häuptlingen. Sonst der Eroberungskrieg geführt wie gegen die (roten Indianer) (ursprünglich). Bis 1565 (Elisabeth) keine englischen Verstärkungen nach Irland geschickt.
b) (Protestantische Epoche.) Elisabeth. James I. Charles I. Cromwell. Kolonisationsplan (16.-17. Jahrhundert) Elisabeth. Der Plan war, Iren auszurotten, wenigstens bis (zum Flusse) Shannon, und an ihre1 Stelle englische Kolonisten zu setzen, ihnen das (Land) abzunehmen etc. In den Kämpfen gegen die Elisabeth fochten die katholisch gebliebenen (Anglo-Iren) mit den (Einheimischen) gegen die Lngländer. Der eingestandne Plan der letztern: (Die Insel von den Einheimischen zu säubern und sie mit untertänigen Engländern zu besiedeln. Es gelang ihnen nur, eine Grundbesitzeraristokratie anzusiedeln. Englische protestantische „Abenteurer" (Kaufleute, Wucherer), welche die konfiszierten Ländereien von der englischen Krone erhielten, und „unternehmende Edelleute", welche die ihnen abgetretenen Besitzungen mit gebürtigen englischen Familien besiedeln sollten.
1 In der Handschrift: seine
James I. Ulster. (Jakobitische Kolonisation, 1609-1612.)Britische Unternehmer sollen „die konfiszierten, gestohlenen Ländereien mit Iren bevölkern".) Seit 1613 werden erst die (Iren) als (englische Untertanen) betrachtet, bis dahin als („Geächtete") und („Feinde"), und (das irische Parlament)[343] regierte nur innerhalb des Pale. Damit Verfolgung gegen die Katholiken. (.Elisabeth besiedelte Munster, James I. Ulster, aber Leinster und Connaught sind noch nicht gesäubert worden. Charles I. versuchte Connaught zu säubern. Cromwell: Erster nationaler Aufstand Irlands, seine zweite und vollständige Eroberung. Teilweise Rekolonisation (1641-1660). Irische Revolution von 1641. Im August 1649 Landung Cromwells in Dublin.) (Nach ihm Ireton, Lambert, Fleetwood, Henry Cromwell). (/652 die zweite vollständige Eroberung Irlands abgeschlossen. Teilung der Beute entsprechend den Akten des englischen Parlaments vom 12. August 1652 und 26.September 1653mo]: die Regierung selbst, die „Abenteurer", die in den 11 Kriegsjahren 360 000 Pfd.St. geliehen hatten, die Offiziere und Soldaten. „Rottet die Amalekiter[344] der irischen Nation mit Stumpf und Stiel aus und besiedelt aufs neue die abermals verwüsteten Ländereien mit völlig neu ins Land geholten Puritanern.") Blutvergießen, Verwüstung, Entvölkerung ganzer Grafschaften, Versetzung ihrer Bewohner in andere Gegenden, Verkauf vieler Iren als Sklaven nach den Westindischen Inseln. Durch die irische Eroberung wirft Cromwell die englische Republik über Haufen. Seit der Zeit Mißtrauen der Iren gegen die englische Volkspartei.
c) (Restauration der Stuarts. William III. Zweiter irischer Aufstand und Kapitulation zu bestimmten Bedingungen}^ 1660-1692x> Damals die (Briten) am zahlreichsten in Irland. (Niemals mehr als 3/u» niemals weniger als 2/u der irischen Bevölkerung. 1684. Charles II. beginnt, die katholischen Interessen Irlands zu begünstigen und eine katholische Armee anzuwerben. 1685. James II. läßt den Katholiken Irlands freie Hand. Die katholische Armee wächst an und wird begünstigt. Die Katholiken begannen bald zu erklären, daß die Acts of Settlementl34£1 aufgehoben und die Rechte der Eigentümer von 1641 wiederhergestellt werden müssen. James beruft einige irische Regimenter nach England.
1 In der Handschrift folgt: (1701) (Anna)
1689. William III. in England. 12. März 1689: James landete bei Kinsale an der Spitze irischer Soldaten. Limerick kapituliert vor William III. 1691. Schmähliche Verletzung des Vertrags bereits unter William III., noch mehr unter Anna.
d) Irland betrogen und bis zum äußersten erniedrigt. ' 1692- 4. Juli 1776 a. Alle Absichten, das Land mit englischen und schottischen Yeomen oder Pächtern zu „besiedelnwurden aufgegeben.) Versuch, (deutsche und französische Protestanten) anzusiedeln. (Französische Protestanten in den Städten (Wollmanufakturen)) vertrieben durch das (englische Schutzzollund Merkantilsystem. 1698. Das anglo-irische Parlament verabschiedete (wie unterwürfige Kolonisten) auf Befehl des Mutterlandes eine Prohibitivsteuer für den Export irischer Wollwaren nach fremden Ländern. 1698. Im gleichen Jahr belegte das englische Parlament den Import irischer Erzeugnisse nach England und Wales mit einer hohen Steuer und verbot deren Export nach anderen Ländern völlig. England vernichtete die Manufakturen Irlands, entvölkerte seine Städte und jagte die Bevölkerung aufs Land zurück. Die Williamiten (importierte Lords) Absentees^i7i. Aufbegehren gegen die Absentees seit 1692.} Ebenso (Gesetzgebung Englands gegen irische Viehzucht). 1698: (MolyneuX'Pamphlet) für die (Unabhängigkeit) des (irischen Parlaments) (d.h. der (englischen Kolonie in Irland) gegen die Engländer. So begann der Kampf der englischen Kolonie in Irland und der englischen Nation). Gleichzeitig (Kampf zwischen der anglo-irischen Kolonie und der irischen Nation. William III. widersetzte sich den schändlichen Versuchen der Engländer und des anglo-irischen Parlaments, die Verträge von Limerick und Galway zu verletzen. ß. Königin Anna (1701-1713; Georg bis 1776). StrafkodeJC[318], vom anglo-irischen Parlament mit Billigung des englischen Parlaments ausgearbeitet. Schändlichste Mittel, um die irischen Katholiken durch „Eigen tums" - Regulierungen zu Protestanten zu bekehren. Ein Gesetz zur Übertragung des „Eigentums" von Katholiken an Protestanten, oder um den „Anglikanismus" zu einem Rechtstitel auf Eigentum zu machen. (Erziehung. Persönliche Rechtsunfähigkeit. Kein Katholik fähig, gemeiner Soldat zu sein.) Die katholische Religion zu lehren, war ein schweres, mit
Deportation zu bestrafendes Verbrechen, einen Protestanten zum Katholizismus zu bekehren, war ein Akt des Verrats. Ein katholischer Erzbischof zu sein, bedeutete Verbannung, Rückkehr aus der Verbannung Hochverrat; er wurde erhängt, bei lebendigem Leibe ausgeweidet und danach gevierteilt. Versuch, der Masse der irischen Nation die anglikanische Religion aufzuzwingen. Die Katholiken waren des Rechts beraubt, an der Wahl der Parlamentsmitglieder teilzunehmen. Dieser Strafkodex verstärkte die Macht der kßtholischen Priesterschaft über das irische Volk. Die Armen verfielen den Gewohnheiten des Müßiggangs. Während der Blütezeit der protestantischen Herrschaft und des Niedergangs des Katholizismus überstieg die Zahl der Protestanten nicht die der Katholiken.) e) 1776-1801. Übergangszeit a) Eh' wir zu dieser Übergangsperiode kommen, was das Resultat des (englischen Terrorismus? Die eingewanderten Engländer wurden vom irischen Volke absorbiert und zum kßtholischen Glauben bekehrt. Die Städte wurden von den englischen Iren gegründet. Keine englische Kolonie (außer den schottischen Siedlungen in Ulster), aber englische Grundbesitzer. Die nordamerikanische Revolution bildet den ersten Wendepunkt in der irischen Geschichte. ß) 1777 ergab sich die britische Armee bei Saratoga Springs den amerikanischen „Rebellen". Das britische Kabinett war gezwungen, der nationalistischen (englischen) Partei in Irland Konzessionen zu machen. 1778. Römisch-katholische Wiedergutmachungsbill (vom anglo-irischen Parlament erlassen). Die Katholiken waren noch immer des Rechtes beraubt, FreeAo/J[349] durch Kauf oder Pachtung zu erwerben. 1779. Freihandel mit Großbritannien. Fast alle der irischen Industrie auferlegten Beschränkungen weggefegt. 1782. Der Strafkodex in seiner Wirkung noch weiter eingeschränkt. Die Anhänger des römisch-katholischen Glaubens durften Freehold auf Lebenszeit oder als Allodialgut erwerben und Schulen eröffnen. 1783. Gleiche Rechte für das anglo-irische Parlament. Winter 1792/93. Nachdem die französische Regierung Belgien annektiert hatte und England sich zum Krieg gegen Frankreich entschloß, wurde ein weiterer Teil des Strafkodex' aufgehoben. Die Iren konnten
29 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Oberst in der Armee werden, erhielten Wahlrecht zum irischen Parlament etc. Aufstand von 1798. Belfaster Republikaner (Wolfe Tone, Lord Fitzgerald). Irische Bauern nicht reif. Das anglo-irische Unterhaus stimmte für das Uesetz über die Union, das 1800 verabschiedet wurde. Durch Vereinigung der legislativen Organe und des Zollsystems von Britannien und Irland wurde der Kampf zwischen den Anglo-Iren und den Engländern beendet. Die Kolonie protestierte gegen das illegale Gesetz über die Union.)
1801-1846
a) 1801-1831. Während dieser Zeit (nach Ende des Kriegst350]) den Iren mit England gemein die Bewegung für katholische Emanzipation (1829). Seit 1783 legislative Independenz von Irland, (kurz danach wurden verschiedene Artikel ausländischer Produktion mit Zöllen belegt, mit der offen eingestandenen Absicht, einem gewissen Teil der irischen Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, eine teilweise Beschäftigung für ihre überschüssige Arbeitskraft zu finden etc. Die natürliche Folge war, daß irische Manufakturen allmählich verschwanden, als das Gesetz über die Union in Kraft trat.
Dublin Besitzer von Wollmanufakturen 1800 - 91; 1840- 12 Darin beschäftigte Arbeiter „ -4918; „ -602 Besitzer von Wollkämmereien „ - 30; 1834 - 5 Darin beschäftigte Arbeiter „ - 230; „ - 66 Besitzer von Teppichmanufakturen „ - 13; 1841 - 1 Darin beschäftigte Arbeiter „ - 720; „ - 0 Weber, die an Seidenwebstühisn arbeiten .. „ - 2500; 1840 - 250
Kilkenny Besitzer von Wolldeckenmanufakturen 1800 - 56; 1822 - 42 Darin beschäftigte Arbeiter „ - 3000; „ - 925
Balbriggan Kaliko-Webstühle in Betrieb /79P-2500; 1841 - 226
Wicklow Handwebstühle in Betrieb .... 1800 - 1000; 1841 - 0
Cork Bortenweber 1800- 1000; 1834- 40 Kammgarnweber „ - 2000; „ - 90 Strumpfwirker - 300; „ - 28 Wollkämmer „ - 700; „ -110 Baumwollweber „ -2 000; „ -220 etc.) Die Leinenindustrie (Ulster) keine Kompensation. („Die Baumwollmanufaktur von Dublin, die 14 000 Arbeiter beschäftigte, ist zerstört worden; die 3400 Seidenwebstühle sind zerstört worden; die Produktion von Serge, in der 1491 Arbeiter beschäftigt waren, ist zerstört worden; die Flanellproduktion von Rathdrum, die Wolldeckenproduktion von Kilkenny, das Kamelottgewerbe von Bandon, die Kammgarnmanufakturen von Waterford, die Ratin- und die Friesmanufaktur von Carrick on Suir sind zerstört worden. Ein einziges Gewerbe nur ist übriggeblieben! ... Dieses glückliche Gewerbe, das durch das Gesetz über die Union nicht zerschlagen ward, dieses begünstigte, privilegierte und geförderte Gewerbe ist das des irischen Sargmachers." (Rede von T.F. Meagher, 1847.)} Sooft Irland also auf dem Punkt, sich industriell zu entwickeln, (wurde es niedergeworfen) und in bloß (agrikoles Land) zurückverwandelt. Nach dem letzteren (allgemeinen) Zensus von 1861: (Landwirtschaftliche Bevölkerung Irlands (einschließlich aller Cotters[351] und Landarbeiter mit ihren . Familien)) 4286 019 In den 798 (Städten) (wovon viele in der Tat bloße Marktflecken) 1 512 948 5 798 967 Also ungefähr (1861) 4/5 rein agrikol, in der Tat vielleicht 6/7, wenn die Landstädte mitgezählt. Da also Irland rein (agrikol: „Land ist Leben." (Richter Blackburne). Land wurde zum großen Ziel allen Strebens. Das Volk hatte jetzt die Wahl, das Land zu jeder beliebigen Rente zu nehmen oder den Hungertod zu sterben. System von Wucherpachten. „Der Besitzer des Landes war dadurch in der Lage, seine eigenen Bedingungen zu diktieren, und deshalb konnte man von einer Zahlung in Höhe von 5, 6, 8 und selbst 10 Pfd. St. per Acre hören. Enorm hohe Renten, niedrige Löhne, riesige Pachten, die von habgierigen und indolenten Besitzern an monopolisierende Bodenspekulanten verpachtet werden, damit diese unterdrückenden Zwischenpächter das Land für das Fünffache seines Wertes weiter verpachten an die Unglücklichen, die bei Kartoffeln und Wasser Hungers sterben."
Zustand allgemeinen Hungers.) Korngesetze in England geben Monopol bis zu (einem gewissen Grade) für den Export von (irischem Korn) nach England. (Der durchschnittliche Getreideexport betrug in den ersten 3 Jahren nach der Annahme des Gesetzes über die Union etwa 300 000 qrs.) 1820 über 1 (Million qrs. 1834 jährlicher Durchschnitt) von 21/2 (Millionen qrs. Summe der Pacht, die an Absentees zu zahlen ist, und Hypothekenzinsen) (1834) über 30 (Millionen Dollar (etwa 7 Mill. Pfd.St.). Die Zwischenpächter akkumulierten Vermögen, das sie nicht für die Verbesserung des Bodens investieren wollten und unter einem System, das die Industrie vernichtete, nicht in Maschinerie etc. investieren konnten. Sie schickten deshalb ihr gesamtes akkumuliertes Vermögen nach England. Ein offizielles Dokument, das von der britischen Regierung veröffentlicht wurde, zeigt, daß die Übertragungen britischer Wertpapiere von England nach Irland, d.h. die Anlage irischen Kapitals in England, in den 13 Jahren nach der Einführung des Freihandels 1821 viele Millionen Pfund Sterling betrug; dadurch war Irland gezwungen, billige Arbeitskraft und billiges Kapital zur Errichtung „der großen Werke Britanniens" beizusteuern.) Viel Schweine und Export derselben. 1831-1841. Zuwachs der Bevölkerung Irlands von 7 767 401 auf 8175238. In den 10 (Jahren) 407837 Während derselben Zeit Emigration: (etwas über 40 000 (jährlich)) 450 873 858710 (O'Connell. Repealbewegung. Lichfield-House-Vertrag) mit Whigs.[352] (Hungersnöte in einzelnen Gegenden. Aufstandsgesetze. Waffengesetze. Ausnahmegesetze.}
IV
Die Periode der letzten 20 Jahre (von 1846 an). (Lichtung der Güter in Irland)
Früher (wiederholt Fälle von Hungersnöten in einzelnen Gegenden). Jetzt (allgemein). Diese neue Periode wird eingeleitet durch die Kartoffelkrankheit (1846 bis 1847), die Hungersnot und den darauffolgenden Exodus.
Krepiert über 1 Million, teils direkt am Hungertod, teils infolge von (Krankheiten) etc. (durch den Hunger). Es wanderten in den 9 Jahren 1847 bis 1855 aus 1 656044. Die Umwälzung des alten Agrikultursystems erst natürliche Folge der brachliegenden Felder. Fliehende Menschen. (Die (Familien legten zusammen, um die Jüngsten und Wagemutigsten hinauszuschicken).) Daher natürlich Zusammenwerfung der kleinen Pachten und Verdrängung von Ackerbau durch Viehweiden. Aber es kamen bald Umstände hinzu, wodurch dies in bewußtes und planmäßig befolgtes System verwandelt. Erstens,Hauptmoment: Eine der unmittelbaren Folgen der irischen Katastrophe war die Abschaffung der Korngesetze. Damit verlor das irische Getreide sein Monopol des englischen Markts in gewöhnlichen Jahren. Fallen der Getreidepreise. Unmöglichkeit, die Renten zu zahlen. Gleichzeitig fortwährendes Steigen in den letzten 20 Jahren der Fleischpreise, Wolle und andrer tierischer Produkte. Ungeheurer Aufschwung der Wollindustrie in England. Schweinezucht zum Teil hing mit dem alten System zusammen. Jetzt besonders Schafe und Hornvieh. (Irlan d jetzt des englischen Markts beraubt, so, wie es seinerzeit durch das Gesetz über die Union des eigenen Markts beraubt ward.) Als Nebenumstände, welche dies systematisch zu machen beitragen: Zweitens: Umwandlung der Agrikultur in England. Karikatur davon in Irland. Drittens: Die verzweifelte Flucht der (hungernden) Irländer nach England füllte in Liverpool, Manchester, Birmingham, Glasgow Keller, Spelunken, (Arbeitshäuser) mit (Männern, Frauen und Kindern, die fast am Verhungern waren). Parlamentsakt passiert (1847-1848), daß die irischen Landlords (ihre eigenen Paupers zu unterstützen haben). (Englisches Paupergesetz auf Irland ausgedehnt.) Daher (nämlich England) Sucht der zum großen Teil sehr verschuldeten (irischen Landlords, die Leute loszuwerden und ihre Güter zu lichten). Viertens: (Gesetz über verschuldete Güter (1853);
„Der Landlord war ruiniert, denn er konnte keine Renten einziehen, war aber gleichzeitig verpflichtet, enorme Steuern für den Unterhalt seiner Nachbarn zu zahlen. Sein Land war mit Hypotheken und Schulden belastet, die er aufgenommen hatte, als die Lebensmittel teuer waren, und er konnte keine Zinsen zahlen; und jetzt wurde ein Gesetz erlassen, wonach über das Eigentum summarisch auf einer Auktion verfügt werden konnte und der Erlös unter denen verteilt wurde, die gesetzliche Ansprüche darauf hatten,"
Absentees) (englische Kapitalisten, (Versicherungsgesellschaften) etc.) dadurch vermehrt, ebenso frühere (Zwischenpächter) etc., die modern ökonomisch wirtschaften wollten. Die Verdrängung des (Pächters) teils gütliche Kündigung. Aber noch mehr (Eviktion) im Großen (gewaltsam croiübar brigade - Brecheisenbrigade, beginnt mit Vernichtung des Dachs), gewaltsame (Ejektion). (Auch als politisches StrafmitteL) Dies dauert fort von 1847 bis jetzt (Abercom, (Vizekönig) von Irland). Afrikanische Razzias (Razzias (der kleinen afrikanischen Könige). (Das Volk vom Land vertrieben. Die hungernde Bevölkerung der Städte beträchtlich angewachsen.)
„Die Pächter werden zu gleicher Zeit in Scharen aus ihren Hütten getrieben... Landagenten leiten die Operation. Sie wird von einem großen Aufgebot an Polizei und Soldaten durchgeführt. Unter dem Schutze der letzteren geht die Brecheisenbrigade gegen die dem Untergang geweihte Siedlung vor, besetzt die Häuser ... Die Sonne, die über einem Dorfe aufging, geht über einer Wüste unter." („Galway Paper") 1852. (Abercom)) Zunächst wollen wir sehen, wie das System auf dem Boden wirkt, in Irland, wo die Verhältnisse ganz andere als in England.
Abnahme bebauter Ländereien 1861-1866 Abnahme bei Komfrüchten) (Abnahme bei Grünfrüchten) 1861-1865 - 428 041 Acres 1861-1865 - 107 984 Acres 1866 - 42 876 „ 1866 - 20 077 „ Zusammen... 470 917 Acres 128 061 Acres
Abnahme des (Ertrags bei jeder Frucht per Acre 1847-1865 die genaue Abnahme in Prozenten: Hafer 16,3; Flachs 47,9; Steckrüben 36,1; Kartoffeln 50. Einige Jahre weisen eine noch stärkere Abnahme auf, doch insgesamt schritt sie seit 1847 graduell voran.
Geschätzter Durchschnittsertrag per Acre
Weizen Kartoffeln Flachs in cwts. in tons in stones (1 stone = 14 Ibs.)) 1851- 12,5 5,1 38,6 1866- 11,3 2,9 24,9
Während Irland sonst viel Weizen ausführte, [wird] jetzt erklärt, es sei nur noch gut, um Hafer (oats) zu bauen (der auch fortwährend, Ertrag (per Acre), abnimmt). In der Tat: 1866 führte Irland nur 13 250 qrs. Weizen aus, dagegen 48 589 qrs. davon ein (also beinahe das Vierfache). Dagegen führte es aus ungefähr 1 Million Hafer (für 1 201 737 Pfd. St.). (Seit dem Exodus wurde das Land nicht gedüngt und ist ausgesaugt worden, teils durch die sinnlos durchgeführte Vereinigung der Pachten, teils weil der Pächter es unter dem Com-Acre-System[333J größtenteils seinen Arbeitern überließ, das Land für ihn zu düngen. Rente und Profit (wo der Pächter nicht Bauer ist) können steigen, auch wenn der Bodenertrag abnimmt. Das Gesamtprodukt kann abnehmen, doch ein immer größerer Teil davon wird in Mehrprodukt verwandelt, das den Landlords und (großen) Pächtern zufällt, aber auch der Preis des Mehrprodukts ist gestiegen.) Also Sterilisation (graduelle) des Landes, wie die Siziliens durch Altes Rom (ditto Ägypten). Auf das Vieh kommen wir gleich zu sprechen. Aber erst die Bevölkerung.
Abnahme der (Bevölkerung) 1801: 5 319 867; 1841: 8 222 664; 1851: 6 515 794; 1861: 5 764 543. Wenn derselbe Fortschritt, 1871 würden sein: 5 300 000, also weniger als 1801. Ich werde aber gleich zeigen, daß 1871 die Zahl geringer sein würde, selbst wenn die Rate der Emigration konstant bliebe.
Die Emigration Diese (ist Ursache) natürlich für Teil der Abnahme. Iren von 1845-1866 wanderten aus 1 990 244, also ungefähr 2 Millionen. (Unerhört! Ungefähr 2/5 der (gesamten> Emigration (aus dem Vereinigten Königreich) 1845-1866: nämlich 4 657 588.) Von 1831-1841 war die Emigration ungefähr 1/2 des Zuwachses der Bevölkerung während des Dezenniums. Seit 1847 ist sie bedeutend größer als der Zuwachs. Indes die Emigration allein (erklärt nicht die Abnahme der Bevölkerung seit) 1847.
Abnahme des natürlichen jährlichen Zuwachses der Bevölkerung Dieser Zuwachs Gährliche) 1831-1841 1,1%, also (etwa) 1710% jährlich, Wenn die Bevölkerung in derselben Proportion gewachsen 1841-1851?
so 1851 = 9 074 514. War aber nur 6 515 794. Also Defizit von 2 558 720. Davon (entfielen) für (die Emigration) 1 274213. Bleiben zu berechnen 1 284 507. Über 1 Million krepiert am (Hunger). Aber [dies deckt] nicht das ganze Defizit von 1 284 507. Also offenbar der natürliche Bevölkerungszuwacus von • ö ? • * u^ i vermindert. Dies wird bestätigt durch Betrachtung des Dezenniums 1851-1861. tr • /TT n- n ..11 r 1 / cif nn * t r n/ 1 r tn i^eine \oungersnoi/. uie oevoiKerung nei von odid /yt aur J yo^f Absolute Abnahme: 751 251. Aber Emigration während dieser Zeit über 1 210 000. Also Zuwachs von (nahezu) 460 000 während der 10 Jahre. Nämlich 751 251 +460 000 = der Zahl der Auswanderer - 1 211 251. Die Emigration nahm beinahe das 3fache des Zuwachses weg. Die Rate desselben = 0,7% (70/ioo) Per Jahr, also bedeutend abgenommen gegen die 1,10 von 1831-1841. Die Sache erklärt sich sehr einfach. (Die Zunahme einer Bevölkerung durch Geburten muß grundsätzlich abhängen vom zahlenmäßigen Verhältnis der Personen zwischen 20 und 35 Jahren zur übrigen Bevölkerung. Nun ist das zahlenmäßige Verhältnis der Personen zwischen 20 und 35 Jahren zur Bevölkerung des Vereinigten Königreichs etwa 1:3,98 oder 25,06%, während dieses Verhältnis unter den Emigranten selbst gegenwärtig etwa 1:1,89 oder 52,76% ist.) In Irland wahrscheinlich noch größer. Physische Verschlechterung der Bevölkerung (1806 überstieg bei einer Gesamtbevölkerung von 5 574 107 die Zahl der Männer die der Frauen um 50 469, während 1867 bei einer Gesamtbevölkerung von 5 557 i 96 die Zahl der Frauen die der Männer überstieg.) Zugleich nicht nur relativer, sondern absoluter Zuwachs von Taubstummen, (Blinden, Geisteskranken, Schwachsinnigen und Invaliden. Wenn man 1851 mit 1861 vergleicht, so zeigt sich, daß bei einer enormen Bevölkerungsabnahme die Zahl der Taubstummen um 473 gegenüber ihrer früheren Gesamtzahl von 5180 anstieg, die Zahl der Lahmen und Invaliden um 225 gegenüber ihrer früheren Gesamtzahl von 4375, die Zahl der Blinden um 1092 gegenüber ihrer früheren Gesamtzahl von 5767, und daß die Zahl der Geisteskranken und Schwachsinnigen um die ungeheure Zahl von 4118 gegenüber ihrer früheren Gesamtzahl von 9980 anstieg und 1861 trotz der Bevölkerungsabnahme die Zahl von 14 098 erreichte.
Der Arbeitslohn Der Arbeitslohn ist seit der Kartoffel-Hungersnot nicht mehr als um 20% gestiegen. Die Kartoffelpreise sind um fast 200% gestiegen; durchschnittlich um 100%) der (Anstieg der Preise) der nötigen Lebensmittel, Kohle etc. (Professor Cliffe Leslie schreibt im „Economist" vom 9. Februar 1867: „Nach einer Abnahme der Bevölkerung um 2/5 in 21 Jahren beträgt der normale Arbeitslohn jetzt fast auf der ganzen Insel nur 1 sh. täglich; für einen Shilling kann man heute nicht mehr kaufen als für 6 d. vor 21 Jahren. Durch diese Preiserhöhung der täglichen Nahrungsmittel ist der Arbeiter schlechter dran als vor 10 Jahren." Hungersnöte in verschiedenen Gegenden), besonders in Munster und Connaught. Bankerott der (Krämer) permanent. Verfall der Landstädte etc.
Fazit des Prozesses Von 1855-1866: 1 032 694 Irländer ersetzt durch 996 877 (Stück Vieh) (Hornvieh, Schafe und Schweine). Dies nämlich der Zuwachs an (Vieh) während dieser Zeit, wenn die (Abnahme der Pferde) während dieser Zeit (20 656) durch 8 Schafe [auf 1 Pferd] kompensiert, diese also vom Zuwachs abgezogen worden. ( Vereinigung der Pachten) Von 1851-1861 (Gesamtabnahme) von Pachten 120 000. (Die Zahl der Pachten von 15-30 Acres und die von 30 wuchs.) Traf also besonders (Pachten) von unter 1 bis unter 15 Acres. Nun 1861 (das Gesamtareal Irlands 20 319 924 Acres), davon ungefähr 3/5 des Areals 12 Mill. Acres mit 569844 Pächtern unter 1 bis unter 100 Acres. (Etwa) 2/5 (8 Mill. Acres) Pachten über 100 und 500 Acres {31 927 Pächter). Der Prozeß im schönsten Fortgang: Ulster (Flachsbau, schottische protestantische Pächter). „Times" etc. Zu diesem System gratuliert Abercorn offiziell (als Vizekönig). Selbst einer dieser (Verwüster). Lord Dufferin: Übervölkerung etc.1 So Frage (von) Leben und Tod. Meagher, Hennessy, „Irishman".
Abnahme der Verbrechen in Irland
Vor Gericht gestellt Verurteilt 1852 - 17678 10454 1866 - 4326 2 418
V
< Vereinigte Staaten) und <Fenianismus >
Geschrieben um den 16. Dezember 1867. Nach der Handschrift.
FRIEDRICH ENGELS
[Die Geschichte Irlands"5'1]
Geschrieben von Mai bis Mitte Juli 1870. Nach der Handschrift.
Naturbedingungen
An der Nordwestecfee Europas liegt das Land, dessen Geschichte uns beschäftigen wird, eine Insel von 1530 deutschen oder 32 500 englischen Quadratmeilen. Aber zwischen Irland und das übrige Europa legte sich quer die dreimal so große Insel, die wir der Kürze halber gewöhnlich England nennen; sie umfaßt Irland von Nord, Ost und Südost her vollständig und läßt ihm nur in der Richtung nach Spanien, Westfrankreich und Amerika freien Ausblick. Der Kanal zwischen beiden Inseln, an den schmälsten Stellen im Süden 50 - 70, an einer Stelle im Norden 13, an einer andern 22 engl. Meilen breit, erlaubte im Norden schon vor dem 5. Jahrhundert den irischen Sköten die Einwanderung in die Nebeninsel und die Begründung des schottischen Reichs. Im Süden war er zu breit für die Boote der Iren und Briten und ein ernsthaftes Hindernis selbst für die flachbodigen Küstenfahrzeuge der Römer. Als aber Friesen, Angeln und Sachsen und nach ihnen Skandinavier mit ihren Kielfahrzeugen sich aufs hohe Meer, außer Sicht des Landes, wagen durften, war dieser Kanal kein Hindernis mehr; Irland verfiel den Raubzügen der Skandinavier und lag den Engländern als offene Beute da. Sobald die Normannen in England eine kräftige, einheitliche Regierung hergestellt, machte sich der Einfluß der größeren Nachbarinsel geltend in damaliger Zeit hieß dies Eroberungskrieg.13541 Folgte dann im Verlauf des Kriegs eine Periode, wo England die Herrschaft auf dem Meer errang, so war dadurch die Möglichkeit erfolgreicher fremder Einmischung ausgeschlossen. Wurde endlich die ganze größere Insel zu einem Staat vereinigt, so mußte dieser danach streben, auch Irland sich vollständig zu assimilieren. Gelang diese Assimilation, so gehört der ganze Verlauf der Geschichte an. Er verfällt ihrem Urteil, aber rückgängig zu machen ist er nicht mehr. Gelang aber die Assimilation nach siebenhundert Jahren des Kampfs nicht,
wurde vielmehr jede neue Welle von Eindringlingen, die Irland eine nach der andern überschwemmte, von Irland assimiliert; sind die Irländer auch heute noch ebensowenig zu Engländern, „Westbriten", wie mans nennt, geworden, wie die Polen nach nur hundertjähriger Unterdrückung zu Westrussen; ist der Kampf noch immer nicht ausgekämpft und keine Aussicht da, daß er ausgekämpft werde anders als durch die Ausrottung der unterdrückten Race so werden alle geographischen Vorwände in der Welt nicht hinreichen, den Beruf Englands zur Eroberung Irlands zu beweisen.
Um die Bodenbeschaffenheit des heutigen Irlands zu verstehen, müssen wir weit zurückgreifen, nämlich bis auf die Epoche, wo die sogenannte Kohlenformation gebildet wurde.* Die Mitte von Irland, nördl. und südlich von der Linie Dublin—Galway, bildet eine weite Ebene von der Meereshöhe von durchschnittlich 100 bis 300 Fuß. Diese Ebene, sozusagen der Grundplan von ganz Irland, wird gebildet durch die massenhafte Kalksteinschicht, die die mittlere Lage der Kohlenformation bildet (Kohlenkalk, carboniferous limestone) und welcher die kohlenhaltigen Schichten (das eigentliche Kohlengebirge, coal measures) in England und anderswo unmittelbar aufliegen. Im Süden wie im Norden wird diese Ebene umringt von einem Gebirgskranz, der sich meist der Küste anschließt und fast ausnahmslos aus älteren Gebirgsformationen besteht, die den Kalkstein durchbrochen haben: Granit, Glimmerschiefer, kambrische, kambro-silurische, obere sibirische, devonische und der untersten Schicht der Kohlenformation angehörige Tonschiefer und Sandsteine, reich an Kupfer und Blei; außerdem etwas Gold, Silber, Zinn, Zink, Eisen, Kobalt, Spießglanz und Mangan enthaltend. Nur an wenigen Stellen erhebt sich der Kalkstein selbst zu Bergen: mitten in der Ebene, in Queen's County, bis zu 600 Fuß und im Westen, an der Südküste der Bucht von Galway, bis zu etwas über 1000 Fuß (Burren Hills). An mehreren Stellen in der südlichen Hälfte der Kalksteinebene finden sich vereinzelte Gebirge von 700-1000 Fuß [über der] Meereshöhe und beträchtlichem Umfang, die von den kohlenhaltigen Schichten gebildet
* Wo nicht anders angegeben, sind die hier angeführten geologischen Daten genommen aus: J.Beete Jukes, „The Student's Manual of Geology". New Edition. Edinburgh 1862. Jukes war Lokalvorstand der geologischen Aufnahme Irlands und ist daher für dies Terrain, das er auch besonders ausführlich behandelt, erste Autorität,
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Erste Seite von Friedrich Engels' Handschrift »Die Geschichte Irlands

werden. Sie liegen in Mulden der Kalksteinfläche, aus der sie sich als Plateau mit ziemlich steilen Rändern erheben. „Die Abfälle dieser weit voneinander entfernten Striche Kohlengebirge sind sich so ähnlich und die Schichten, aus denen sie bestehen, so vollständig identisch, daß man absolut nicht umhin kann anzunehmen, daß sie früher in zusammenhängenden Lagen über das ganze Zwischenland verbreitet waren, obwohl sie jetzt 60- 80 Meilen voneinander entfernt sind. Diese Ansicht wird noch besonders dadurch bestärkt, daß zwischen den noch übrigen Kohlenfeldern sich hier und da kleine, vereinzelte Hügel finden, deren Spitze ebenfalls aus Kohlengebirge besteht, und daß überall, wo die Kalksteinebene sich unter das Niveau der gegenwärtigen Oberfläche senkt, die Vertiefung ausgefüllt ist durch die niedrigsten Schichten des Kohlengebirgs." (Jukes, p. 286.) Noch andre Umstände, die für uns hier zu sehr ins Detail gehn und die man bei Jukes, p.286-289, nachlesen kann, machen zur Gewißheit, daß, wie Jukes sagt, die ganze irische Zentralebene durch Denudation entstanden ist; so daß, nachdem das Kohlengebirge und die oberen Kalksteinablagerungen - eine Durchschnittsdicke von mindestens 2000-3000, vielleicht 5000-6000 Fuß Gestein - weggespült, nun hauptsächlich die unteren Schichten des Kalks zutage treten. Selbst auf dem höchsten Grat der Burren Hills, Grafschaft Cläre, die aus purem Kalkstein bestehen und 1000 Fuß hoch sind, fand Jukes (p. 513) noch einen kleinen Aufwurf von Kohlengebirge. Es bleiben demnach im Süden Irlands immer noch einige nicht unbedeutende Striche, welche dem Kohlengebirge angehören; darunter aber findet sich nur an einzelnen kleinen Stellen Kohle in hinreichender Dicke, um den Bergbau zu lohnen. Zudem ist die Kohle selbst anthrazitisch, d.h. sie enthält wenig Wasserstoff und ist ohne Zusatz nicht zu allen industriellen Zwecken verwendbar. Im Norden Irlands kommen auch mehrere nicht sehr ausgedehnte Kohlenfelder vor, deren Kohle bituminös, d.h. wasserstoffreiche, gewöhnliche Steinkohle ist und deren Lagerung nicht ganz mit der der südlicheren Kohlenbezirke stimmt. Daß aber auch hier dieselbe Wegspülung des Kohlengebirgs stattgefunden, geht daraus hervor, daß große Stücke Kohle, begleitet von derselben Schichtenordnung angehörigem Sandstein und blauem Lehm, auf der Oberfläche des südöstlich eines solchen Kohlenfelds nach Belturbet und Mohill zu gelegenen Kalksteintale gefunden werden. Häufig ist man beim Brunnengraben im Drift in dieser Gegend auf große Blöcke Kohle gestoßen; und in einigen Fällen waren die Kohlenmassen so bedeutend, daß man glaubte, tieferes Ausschachten müsse auf ein Kohlenlager führen. (Kane, „Industrial Resources of Ireland", 2.Ausgabe, Dublin 1845, p.265.)
30 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Man sieht, das Pech Irlands ist uralt; es hebt an unmittelbar nach Ablagerung des Kohlengebirgs. Ein Land, dessen Kohlenlager weggespült sind, dicht neben einem größeren kohlenreichen Land gelegen, war gleichsam schon durch Naturbeschluß diesem, dem künftigen Industrieland, gegenüber auf lange Zeit hinaus zur Rolle des Bauernlands verurteilt. Das Urteil, vor Millionen Jahren gefällt, wurde vollstreckt erst in diesem Jahrhundert. Wir werden übrigens später sehn, wie die Engländer der Natur unter die Arme griffen und fast jeden Keim irischer Industrie sofort gewaltsam zertreten haben. Jüngere, sekundäre und tertiäre Ablagerungen1355] kommen fast nur im Nordosten vor; uns interessieren dabei hauptsächlich die Keuperschichten in der Gegend von Belfast, die bis zu 200 Fuß Dicke mehr oder weniger reines Steinsalz enthalten (Jukes, p.554), und die Kreide, die die ganze Grafschaft Antrim bedeckt, selbst aber wieder von einer Basaltlage überdeckt wird. Im ganzen und großen ist die geologische Entwicklungsgeschichte Irlands unterbrochen vom Ende der Kohlenformation an bis auf die Eiszeit. Man weiß, daß nach dem Ende der tertiären Epoche eine Zeit eintrat, wo die Flachlande der mittleren Breiten Europas unter die Meeresfläche versunken waren und wo eine so kalte Temperatur in Europa herrschte, daß die Täler der noch hervorragenden Berginseln bis an den Meeresspiegel hinab von Gletschern ausgefüllt waren. Die von diesen Gletschern abgelösten Eisberge trugen große und kleine, von den Bergen abgelöste Steinblöcke ins Meer hinaus, bis das Eis schmolz und die Blöcke und was sonst Erdiges vom Eise mitgenommen war, zu Boden fielen, ein Prozeß, der an den Küsten der Polarregionen noch täglich vorgeht. Zur Eiszeit war auch Irland, mit Ausnahme der Bergkuppen, unter den Meeresspiegel versenkt. Das Maximum der Senkung mag nicht überall gleich gewesen sein, doch darf man es im Durchschnitt auf 1000 Fuß unter die jetzige Höhe annehmen; die Granitgebirge südlich von Dublin müssen bis über 1200 Fuß gesunken sein. Eine Senkung von nur 500 Fuß ließe von Irland nur die Gebirge übrig, welche dann als Inseln in zwei halbkreisförmigen Gruppen um einen breiten, von Dublin nach Galway laufenden Sund herumliegen würden. Eine noch tiefere Senkung würde die Inseln nur verkleinern und ihre Zahl vermindern, bis bei 2000 Fuß Senkung nur noch die äußersten Bergkuppen aus dem Wasser ragen würden.*
* Von den 32 509 engl. Quadratmeilen Irlands liegen zwischen dem Meeresspiegel und 250 Fuß Meereshöhe 13 243; von 251-500 Fuß: 11 797; 501-1000 Fuß: 5798; 1001-2000 Fuß: 1589; 2001 Fuß und darüber: 82 Quadratmeilen.
Während die Senkung langsam vor sich ging, müssen die Kalksteinebene wie die Bergflanken noch von manchem darüberliegenden älteren Gestein reingefegt worden sein; dann folgte die Ablagerung des der Eiszeit eigentümlichen „Drift" auf dem ganzen, vom Wasser bedeckten Gebiet. Die Produkte der Verwitterung der Berginseln sowie die feinzerrissenen Gesteinteilchen, welche bei der Ausschürfung der Täler durch die in ihnen sich langsam, aber wuchtig fortschiebenden Gletscher abfielen Erde, Sand, Kies, Steine, glattgeschliffene Blöcke im Eise selbst, scharfkantige auf seiner Oberfläche alles das wurde von den am Strand sich loslösenden Eisbergen hinausgetragen ins Meer und fiel dort nach und nach zu Boden. Die hierdurch gebildete Schicht besteht je nach Umständen aus Lehm (von Tonschiefer herrührend), Sand (von Quarz und Granit herrührend), Kalkkies (vom Kalkgebirge geliefert), Mergel (wo fein zerkleinerter Kalk dem Lehm beigemengt) oder aus Mischungen aller dieser Bestandteile; in allen Fällen aber enthält sie eine Menge größerer oder kleinerer, bald abgerundeter, bald scharfkantiger Steine bis zu jenen kolossalen erratischen Blöcken hinauf, die in Irland noch häufiger vorkommen als in der Norddeutschen Ebene oder zwischen Alpen und Jura. Bei der nachher erfolgten Wiedererhebung des Bodens aus dem Meer erhielt diese neugebildete Oberfläche, im rauhen wenigstens, ihre heutige Gestaltung. In Irland scheint dabei nur wenig Wegspülung stattgefunden zu haben; mit wenig Ausnahmen bedeckt der Drift in dickerer oder dünnerer Lage das ganze ebne Land, zieht sich in den Gebirgen alle Täler hinan und findet sich auch noch häufig hoch an den Bergflanken hinauf. Die darin vorkommenden Steine sind meistens Kalk, weshalb die ganze Schicht hier gewöhnlich den Namen Kalksteinkies (limestone gravel) trägt. Auch große Blöcke Kalkstein sind über das ganze niedere Land massenhaft zerstreut, fast in jedem Felde einer oder mehrere; in der Nähe der Berge finden sich selbstredend neben dem Kalkstein auch die von ihnen herrührenden Lokalgesteine, namentlich der Granit» in großer Menge. Der Granit von der nördlichen Seite der Bucht von Galway kommt in der Ebene nach Südosten bis an die Galton-Berge hin häufig, bis nach Mallow (Gfsch. Cork) vereinzelt vor. Der Norden des Landes ist bis zur gleichen Meereshöhe ebenso mit Drift bedeckt wie die Zentralebene; der Süden hat, zwischen den verschiedenen mehr oder weniger parallelen Gebirgsreihen, die ihn durchziehen, eine ähnliche, von Lokalgesteinen meist silurischer Formation herrührende Ablagerung aufzuweisen, die namentlich im Tal des Flesk und Laune bei Killarney massenhaft auftritt.
Die Gletscherspuren an den Berghängen und auf den Talsohlen Irlands sind namentlich im Südwesten sehr häufig und unverkennbar. Schärfer ausgeprägte Eisspuren aller Art als bei Killarney (im Black Valley und im Gap of Dunloe) erinnere ich mich nur im Oberhasli und hie und da in Schweden gesehen zu haben. Die Erhebung des Bodens während oder nach der Eiszeit scheint so stark gewesen zu sein, daß Britannien eine Zeitlang nicht nur mit dem Kontinent, sondern auch mit Irland durch trocknes Land verbunden war. Wenigstens nur so scheint die Gleichheit der Fauna dieser Länder zu erklären. Von großen ausgestorbenen Säugetieren hat Irland mit dem Kontinent gemein: das Mammut, den irischen Riesenhirsch, den Höhlenbären, eine Rentierart usw. In der Tat würde eine Erhebung von weniger als 240 Fuß über das gegenwärtige Niveau hinreichen, um Irland und Schottland, und eine von weniger als 360 Fuß, um Irland und Wales durch breite Landrücken zu verbinden.* Daß seit der Eiszeit Irland einmal ein höheres Niveau eingenommen als jetzt, wird bewiesen durch die an der ganzen Küste vorkommenden unterseeischen Torfmoore mit aufrechtstehenden Baumstümpfen und Wurzeln, die in jeder Beziehung identisch sind mit den untersten Schichten der benachbarten binnenländischen Torfmoore. Der Boden Irlands, soweit er für den Ackerbau in Betracht kommt, wird demnach fast ausschließlich gebildet vom „IDrift" der Eisperiode, der hier, dank seiner Herkunft von Schiefer und Kalkgestein, nicht jener öde Sand ist, mit dem die schottischen, skandinavischen und finnländischen Granite einen so großen Teil Norddeutschlands zugedeckt haben, sondern ein äußerst fruchtbarer, leichter Lehmboden. Die Mannigfaltigkeit der Gesteine, die ihren Abfall an diesen Boden abgegeben haben und noch abgeben, versorgte ihn mit einer entsprechenden Mannigfaltigkeit der für die Vegetation erforderlichen mineralischen Bestandteile; und wenn einer derselben, der Kalk, in der Ackerkrume selbst häufig abwesend ist, so finden sich doch überall kleinere und größere Kalkblöcke in Menge - vom unterliegenden Kalkfels abgesehn -, so daß er mit Leichtigkeit zugesetzt werden kann. Als der bekannte englische Agronom Arthur Young in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Irland bereiste, wußte er nicht, worüber er mehr erstaunen sollte: über die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens oder über dessen barbarische Behandlung durch die Bauern. „Ein leichter, trock
* Siehe Karte 15 a, Stielers Handatlas, 1868. Diese Karte, sowie Nr. 15 d für Irland speziell, gibt eine sehr anschauliche Darstellung der Terraingestaltung.
ner, weicher, sandiger Lehmboden" herrscht vor, wo das Land überhaupt gut ist. Im „goldnen Tal" von Tipperary und auch anderswo fand er „denselben sandigen, rötlichen Lehm, den ich schon beschrieben habe, unvergleichliches Land für den Ackerbau". Von da in der Richtung auf Clonmel „den ganzen Weg, durch denselben üppigen Strich roten sandigen Lehms, den ich so oft erwähnt habe; ich untersuchte ihn in verschiedenen Feldern und fand, daß er von außerordentlicher Fruchtbarkeit war und so schönes Rübenland, wie ich je gesehen." Ferner: „Das reichtragende Land erstreckt sich von Charleville am Fuß der Berge bis Tipperary" (Stadt) „über Kilfenann, eine Linie von 25 Meilen Länge, und in der Breite von Ardpatrick bis 4 Meilen vor Limerick - 16 Meilen." - „Der üppigste Boden ist in den .Corcasses' am Flusse Maigue, bei Adare, ein Strich 5 Meilen lang und 2 Meilen breit bis an den Shannon hinunter ... Wenn dies Land umgepflügt wird, so säet man zuerst Hafer und erhält 20 Fässer" (zu 14 stone = 196 Pfund das Faß) „oder 40 gewöhnliche Fässer per Acre, und dies gilt für keine besonders reichliche Ernte; man fährt fort mit Hafer 10-12 Jahre ohne Unterbrechung, bis die Ernten magerer werden; dann säet man einmal Bohnen, und dadurch wird der Boden so aufgefrischt, daß man wieder zehn Ernten Hafer hintereinander aus ihm herausschlagen kann; die Bohnen ertragen sehr gut. Hat man je von solchen Barbaren gehört?" Ferner bei Castle Oliver, Grafschaft Limerick: „Der beste Boden hierzulande ist am Fuß der Gebirge; es ist ein üppiger, weicher, krümelnder, fauliger, sandiger Lehm, anderthalb bis drei Fuß dick, von rötlichbrauner Farbe. Es ist trocknes Land und würde sich vortrefflich eignen für Rüben, gelbe Rüben, Kohl, in einem Wort für irgend etwas. Alles in allem halte ich ihn für den fruchtbarsten Boden, den ich je gesehn; er ist für jeden erdenklichen Zweck brauchbar. Man kann den größten Ochsen darauf mästen, aber dieser Boden ist auch ebenso gut für Schafe, für den Ackerbau, für Rüben, für Weizen, für Bohnen, für irgend etwas. Man muß den Boden selbst untersuchen, ehe man glauben kann, daß ein Land von so bettelhaftem Aussehn so reich und fruchtbar sein kann." Am Blackwater-Fluß bei Mallow „sind flache Striche, bis zu 1/i Meile breit, wo das Gras überall ausgezeichnet schön steht. Es ist der prächtigste Sandboden, den ich je gesehn, rotbräunlich, und wenn umgepflügt, würde er die reichlichsten Ernten in der Welt geben. Er ist fünf Fuß dick, und obwohl man ihn in gute Ziegel umbrennen kann, ist es doch vollkommener Sand. Die Ufer dieses Flusses, von der Quelle bis zum Meer, sind gleich merkwürdig wegen ihrer landschaftlichen Schönheit wie wegen ihrer Fruchtbarkeit." - „Krümelnder, sandiger Lehm, trocken aber fruchtbar, ist sehr häufig und macht den besten Boden im Lande aus für Ackerbau wie für Schafe. Tipperary und Roscommon sind besonders reich daran. Am fruchtbarsten von allen sind die Ochsentriften von Limerick und am
Ufer des Shannon, in Cläre, die sogenannten Corcasses ... Sand, so häufig in England und noch häufiger durch ganz Spanien, Frankreich, Deutschland und Polen - durchweg von Gibraltar bis Petersburg - findet sich in Irland nirgends außer an schmalen Dünenstreifen an der Küste. Auch habe ich nirgendwo von Kreideboden je etwas gesehen oder gehört."* Youngs Urteil über den Boden Irlands faßt sich in folgenden Sätzen zusammen: „Wenn ich die Kennzeichen eines ausgezeichneten Bodens angeben sollte, so würde ich sagen: der Boden, auf dem man einen Ochsen mästen und ebensogut eine gute Rübenernte erzielen kann. Nebenbei gesagt, fällt mir wenig oder gar kein solches Land in England ein, in Irland dagegen ist es nicht ungewöhnlich." (II, p. 271.) „Die natürliche Fruchtbarkeit, Acre gegen Acre gerechnet, ist entschieden zugunsten Irlands." (11,2. Abteilung, p. 3.) - „Soweit ich über den Boden der beiden Königreiche urteilen kann, verdient der von Irlandbei weitem den Vorrang." (II, 2. Abteilung, p. 12.) 1808-1810 bereiste Edward Wakefield, ein ebenfalls mit der Agronomie vertrauter Engländer, Irland und legte die Resultate seiner Beobachtungen in einem sehr wertvollen Werk nieder.** Seine Bemerkungen sind besser geordnet, übersichtlicher und vollständiger als die in Youngs Reisewerk; im ganzen aber stimmen beide. Wakefield findet in der Bodenbeschaffenheit Irlands im ganzen wenig V suu ed eti heit. Sand k oinint nur ein der JS^us 16 voir \sr is «, so scn.cn im An**nern, daß große Mengen Seesand ins Innere verfahren werden, um den Torf und Lehmboden damit zu verbessern), Kreideboden ist unbekannt (die Kreide in Antrim ist, wie schon erwähnt, mit einer Basaltschicht bedeckt, deren Verwitterungsprodukte eine äußerst fruchtbare Ackerkrume abgeben - Kreide liefert in England den schlechtesten Boden), „und zähen Kleiboden, wie man ihn in Oxfordshire, in einigen Teilen von Essex und im ganzen oberen Suffolk findet, habe ich in Irland nie finden können". Die Iren nennen jeden lehmigen Boden Klei (clay); es möge wohl den richtigen Klei auch in Irland geben, aber jedenfalls nicht an der Oberfläche wie in einigen Teilen Englands. Kalkstein oder Kalkgeröll finde sich fast überall; „Kalkstein ist ein nützlicher Artikel und läßt sich in eine Quelle des Reichtums verwandeln, die immer mit Vorteil anzuwenden ist." Berge und Torfmoore reduzieren freilich die fruchtbare Oberfläche bedeutend. Im Norden
* „A Tour in Ireland" by Arthur Young. 3 vols. London 177[...] Obige Stellen finden sich Band II, pp.28, 135, 143, 154, 165 und II.Abteilung, p.4. ** „An Account öf Ireland, Statistical andPolitical." By Edward Wakefield. London 1812, 2 vols. in 4°.
sei wenig fruchtbares Land; doch auch hier finden sich in jeder Grafschaft äußerst üppige Täler, und selbst im äußersten Donegal, unter den wildesten Bergen, traf W. unerwartet einen sehr reichtragenden Strich. Der starke Flachsbau im Norden allein sei schon ein genügendes Anzeichen von Fruchtbarkeit, da diese Pflanze in armem Boden nie gedeiht. „Ein großer Teil des Bodens in Irland trägt einen üppigen Graswuchs, der ziemlich dicht auf dem Kalkfelsen aufsitzt. Ich habe Ochsen von vierzehn Zentnern gesehen, die sich rasch mästeten auf einem Boden, der nur wenige Zoll tief war und auf dem selbst in der nassesten Jahreszeit ein Pferdehuf keinen Eindruck zurückließ. Dies ist eine Seite des reichen Bodens von Irland, er findet sich in ganz Roscommon, in einigen Teilen von Galway, Cläre pp. Andre Gegenden wieder weisen den reichsten Lehmboden auf, den ich je durch einen Pflug umgestürzt sah; dies ist der Fall besonders in ganz Meath. Wo solcher Boden vorkommt, da ist seine Fruchtbarkeit so augenscheinlich, daß es einem dünkt, die Natur habe vorgehabt, die Einwohner für ihr plumpes Kultursystem zu entschädigen. - An den Ufern des Shannon und Fergus ist das Land wieder von andrer Art, aber gleich ergiebig, obwohl die Oberfläche fast wie ein Sumpf aussieht. Diese Gegenden heißen die ,Caucasses"' (so schreibt W. im Gegensatz zu Young); „der Unterboden ist ein feiner blauer, von der See abgelagerter Lehm, der gleiche Eigenschaften mit der Ackerkrume zu haben scheint; denn dieser Boden ist durch kein noch so tiefes Pflügen zu ruinieren. - In den Grafschaften Limerick und Tipperary kommt wieder eine andre Art reichen Bodens vor: ein dunkler, krümelnder, trockner, sandiger Lehm, der mehrere Jahre hintereinander Korn tragen würde, hielte man ihn nur rein von Unkraut. Er eignet sich gleich gut für Ackerland oder Viehtrift, und, wie ich zu behaupten wage, selten wird ihm ein Jahr zu naß oder ein Sommer zu trocken sein. Die Ergiebigkeit dieses Bodens erklärt sich zum Teil daraus, daß der Regen Bodenteile von den Höhen abreißt und im Tal ablagert. Der Unterboden ist kalkig, so daß der allerbeste Dünger bereits von unten dem ganzen Strich einverleibt ist, ohne den Bauern irgendwelche Arbeit zu machen." (I, p.79, 80.) Wenn ein zäherer Lehm, in nicht sehr dicker Lage, dem Kalkfels unmittelbar aufliegt, so taugt das Land zum Ackerbau nicht und trägt nur elende Ernten Korn; aber es gibt vortreffliche Schaf weiden ab, die es immer mehr verbessern, ein dichtes Gras, vermischt mit weißem Klee und erzeugen. (I, p.80.) Im Westen, namentlich in Mayo, kommen nach Dr.Beaufort* viele turloughs vor - größere oder kleinere flache Stellen, die, ohne sichtbare Verbindung mit Bächen oder Flüssen, im Winter sich mit Wasser bedecken,
* Beaufort, Revd. Dr., „Memoir of a Map of Ireland", 1792, p.75, 76. Zitiert bei Wakefield, I, p.36.
1 In der Handschrift Auslassung, bei Wakefield: wilder Bibernelle
das im Sommer durch unterirdische Spalten der Kalkfelsen abfließt und einen üppigen, festen Weideboden hinterläßt. „Außer den Caucasses", fährt Wakefield fort, „findet sich der beste Boden in Irland in den Grafschaften Tipperary, Limerick, Roscommon, Longford und Meath. In Longford gibt es ein Pachtgut (Granard Kill), das acht Kartoffelernten nacheinander ohne Dünger hervorgebracht hat. Einige Teile von Cork sind ungewöhnlich fruchtbar, und im ganzen kann man sagen, daß Irland Boden von ausgezeichneter Qualität besitzt, obgleich ich nicht so weit gehen kann wie manche Schriftsteller, die der Ansicht sind, daß er, Acre gegen Acre gerechnet, entschieden besser sei als der von England." (I, p.81.) Letztere Bemerkung, die gegen Young gerichtet ist, beruht auf einem Mißverständnis des oben zitierten Youngschen Ausspruchs. Young sagt nicht, daß der Boden Irlands ergiebiger sei als der Englands, beide genommen in ihrem jetzigen Kulturstande, der natürlich in England weit höher ist; Young sagt nur, daß die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens in Irland größer sei als in England, und dies bestreitet Wakefield nicht geradezu. Ein schottischer Agronom, Herr Caird, wurde nach der letzten Hungersnot [356] 1849 von Sir1 Robert Peel nach Irland geschickt, um über Mittel zur Hebung des dortigen Ackerbaus zu berichten. In seiner bald darauf veröffentlichten Schrift über den Westen von Irland - nächst dem äußersten Nordwesten der schlechteste 1 eil des Landes - heißt es: „Ich war sehr erstaunt, einen so großen Strich schönes, fruchtbares Land vorzufinden. Das Innere des Landes ist sehr eben und im allgemeinen steinig und trocken; der Boden trocken und krümelnd. Die Feuchtigkeit des Klimas erzeugt eine sehr beständige Vegetation, die ihre Vorteile und Nachteile hat. Sie ist vorteilhaft für Gras und Grünbau*, bedingt aber auch bedeutende und anhaltende Anstrengung, um das Unkraut niederzuhalten. Der Uberfluß an Kalk allerorts, sowohl im Felsen selbst, wie in der Gestalt von Sand und Geröll unter der Oberfläche, ist von größtem Wert." Caird bestätigt ebenfalls, daß die ganze Grafschaft West Meath aus dem schönsten Weideland besteht. Von der Gegend nördlich von Lough Corrib (Grafschaft Mayo) heißt es:
* Grünbau (green crops) umfaßt alle künstlichen Futterkräuter, Rüben aller Art und Kartoffeln; alles, was nicht Korn, nicht Gras und nicht Gartenbau ist.
1 An dieser Stelle ist in der Handschrift über dem Wort „Sir" noch „Ministerium" zu lesen
„Der größte Teil" (einer Farm von 500 Acres) „ist das schönste Mastland für Schafe und Rindvieh, trocknes, krümelndes, wellenförmiges Land, alles auf dem Kalkfelsen. Die Felder, üppiges, angewurzeltes Gras, sind besser als irgend etwas, was wir, kleine Fleckchen ausgenommen, in irgendeinem Teil von Schottlan d haben, soviel ich mich wenigstens erinnere. Die besten Stellen dieses Bodens sind zu gut für den Pflug, doch könnte ungefähr die Hälfte mit Vorteil als Ackerland verwandt werden ... Die Schnelligkeit, womit der Boden auf diesem Untergrund von Kalkfels sich erholt und von selbst, ohne daß irgend etwas gesäet wird, sich wieder in Weideland verwandelt, ist sehr merkwürdig."* Hören wir schließlich noch eine französische Autorität**: „Von den beiden Abteilungen Irlands umfaßt die eine, der Nordwesten, den vierten Teil der Insel, nämlich ganz Connaught mit den angrenzenden Grafschaften Donegal, Cläre und Kerry. Sie gleicht Wales und selbst in ihren schlimmsten Strichen den schottischen Hochlanden. Hier sind wieder 2 Millionen Hektaren wilden Landes, deren schauerlicher Anblick die irische Redensart erzeugt hat: Geh zur Hölle oder nach Connaught!*** Die andre, südöstliche und weit größere Abteilung umfaßt Leinster, Ulster und Munster oder ungefähr 6 Millionen Hektaren. Sie ist dem eigentlichen England an natürlicher Fruchtbarkeit mindestens gleich. Doch ist der Boden sich nicht überall gleich, die feuchten Niederschläge sind dort noch größer als in England. Große Torfmoore bedecken etwa1/10 der Oberfläche; mehr als ein anderes Zehntel besteht aus Seen und Bergen. Aus den 8 Millionen Hektaren in Irland sind nur fünf Millionen angebaut." (p. 9, 10.) - „Selbst die Engländer geben zu, daß Irland, was den Boden betrifft, England überlegen ist. Von den obigen 8 Mill. Hektaren nehmen Felsgebirg, Seen und Torfmoor ungefähr 2 Mill. ein; 2 Mill. mehr sind ziemlich schlechtes Land. Der Rest, also etwa die Hälfte des ganzen Landes, ist prächtiges Land mit kalkigem Untergrund - was will man sich Besseres wünschen?" (p. 343.) Man sieht, alle Autoritäten stimmen dahin ein, daß der Boden Irlands sowohl nach seinen chemischen Bestandteilen wie nach seiner mechanischen Zusammensetzung alle Elemente der Fruchtbarkeit in ungewöhnlichem Maße vereinigt. Die Extreme - zäher, undurchdringlicher Klei, der kein Wasser durchläßt, und loser Sand, der es keine Stunde behält - fehlen
* Caird, „The Plantation Scheme, or the West of Ireland as a field for investment", Edinburgh 1850. Herr Caird schrieb 1850-1851 in die „Times" Reiseberichte über den Zustand des Ackerbaus in den Hauptgrafschaften Englands. Obige Stellen finden sich pp. 6, 17-18, 121. ** Leonce de Lavergne, „Rural Economy of England, Scotland and Ireland". Translated from the French. Edinburgh 1855. *** Die Redensart, wie sich zeigen wird, verdankt ihren Ursprung nicht den dunklen Bergen von Connaught, sondern der dünkeisten Periode der ganzen irischen Geschichtej357]
ganz. Dagegen hat Irland einen andern Nachteil. Während die Berge meist an der Küste liegen, sind die Wasserscheiden zwischen den verschiedenen Flußbecken im Innern meist sehr niedrig. Die Flüsse sind nicht imstande, das sämtliche Regenwasser zum Meer abzuführen, und so entstehen im Innern, besonders an den Wasserscheiden, ausgedehnte Torfmoore. In der Ebene allein sind 1 576 000 Acres mit Torfmoor bedeckt. Es sind meist Einsenkungen oder Mulden des Terrains, großenteils frühere flache Seebecken, die allmählich mit Moos und Sumpfpflanzen bewachsen und von deren abgestorbenen Resten ausgefüllt worden sind. Sie dienen, wie unsre norddeutschen Moore, nur zum Torf stechen. Die Kultur kann sich unter dem jetzigen Ackerbausystem nur langsam ihrer Ränder bemächtigen. Der Boden dieser alten Seebecken ist überall Mergel, der seinen Kalkgehalt (von 5-90% schwankend) von den Schalen der Süßwassermuscheln des Sees empfangen hat. Jedes dieser Torfmoore enthält also das Material zu seiner Urbarmachung in seinem eignen Schoß. Außerdem sind die meisten derselben reich an Eisenstein. Neben diesen Mooren der Ebene finden sich noch 1 254000 Acres Bergmoor, eine Frucht der Entwaldung in einem feuchten Klima und eine eigentümliche Schönheit der britischen Inseln. Überall, wo hier flache oder schwachgewölbte Kuppen entwaldet worden was im 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts massenweise geschah, um die Eisenwerke mit Holzkohle zu versorgen -, bildete sich unter dem Einfluß des Regens und der Nebel ein Überzug von Torf, der später, wo die Verhältnisse günstig waren, an den Hängen sich fortsetzte. Der ganze Rücken der Gebirgskette, die Nordengland von Nord nach Süd bis gegen Derby hin durchschneidet, ist mit solchen Mooren bedeckt; und wo auf der Karte von Irland größere Gebirgsgruppen verzeichnet sind, da findet sich auch Bergmoor im Überfluß. Die Torfmoore Irlands sind aber an sich keineswegs für den Ackerbau hoffnungslos verloren; wir werden vielmehr seinerzeit sehn, welch reiche Früchte ein Teil sowohl von ihnen wie die von Lavergne verächtlich behandelten 2 Mill. Hektaren (= 5 Mill. Acres) „ziemlich schlechten Landes" bei geeigneter Behandlung zu tragen imstande sind.
Das Klima Irlands wird bestimmt durch seine Lage. Der Golfstrom und die vorherrschenden Südwestwinde führen ihm Wärme zu und bedingen milde Winter und frische Sommer. Im Südwesten dauert der Sommer bis tief in den Oktober hinein, der hier nach Wakefield (I, p.221) vorzugsweise als Monat des Seebades gilt. Frost ist selten und von kurzer
Dauer, Schnee bleibt in der Ebene fast nie liegen. An den nach Südwesten offenen, nach Norden geschützten Buchten von Kerry und Cork herrscht den ganzen Winter durch Frühlingswetter; dort und an manchen andern Stellen gedeiht die Myrte im Freien (Wakefield führt ein Beispiel an, wo sie auf einem Landsitz zu Bäumen von 16 Fuß Höhe heranwuchs und zu Stallbesen verwandt wurde, I, p.55), und Lorbeer, Arbutus und andre immergrüne Pflanzen wachsen zu hohen Bäumen empor. Noch zu Wakefields Zeiten ließen im Süden die Bauern ihre Kartoffeln den ganzen Winter durch im Freien, ohne daß sie ihnen seit 1740 je verfroren wären. Dagegen erleidet Irland auch den ersten heftigen Niederschlag der schweren atlantischen Regenwolken. Die durchschnittliche Regenmenge von Irland beträgt mindestens 35 Zoll, bedeutend mehr als der Durchschnitt von England, doch sicher weniger als der Durchschnitt von Lancashire und Cheshire und kaum mehr als der von ganz Westengland. Trotzdem ist das Klima Irlands entschieden angenehmer als das englische. Der bleierne Himmel, der in England so oft tagelang ununterbrochen forttröpfelt, wird dort meist ersetzt durch einen kontinentalen Aprilhimmel; die frischen Seewinde treiben die Wolken rasch und unerwartet herbei, aber auch ebenso rasch wieder vorüber, wenn sie nicht sofort in scharfen Schauern herabkommen. Und selbst tagelanger Regen, wie er im Spätherbst vorkommt, hat nicht den chronischen Anstrich wie in England. Das Wetter, wie die Bewohner, hat einen akuteren Charakter, es bewegt sich in schärferen, unvermittelteren Gegensätzen; der Himmel ist wie ein irisches Frauengesicht, Regen und Sonnenschein folgen sich auch da plötzlich und unerwartet, aber für die graue englische Langweile ist kein Platz. Den ältesten Bericht über das irische Klima gibt uns der Römer Pomponius Mela („De situ orbis") im ersten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung wie folgt: „Jenseits Britanniens liegt Juverna, ihm an Ausdehnung beinahe gleich, aber sonst ihm ähnlich; von länglicher Gestalt, von einem dem Reifen der Saaten ungünstigen Himmel; dafür aber strotzt es von üppigem und süßem Gras, so daß ein gar kleiner Teil des Teiges genügt, damit das Vieh sich sättige, und wenn man es nicht von der Weide fortnimmt, so birst es vom übermäßigen Fressen." „Coeli ad maturanda semina iniqui, verum adeo luxuriosa herbis non laetis modo sed etiam dulcibus!" In modernes Englisch übersetzt, finden wir diese Stelle unter andern bei Herrn Goldwin Smith, Professor der Geschichte weiland in Oxford und jetzt in Cornell University, Amerika. Er erzählt uns, es sei schwer, in einem großen Teil von Irland eine Weizenernte einzuheimsen, und fährt fort:
„Irlands natürlicher Weg zu kommerzieller Prosperität scheint der zu sein, mit den Produkten seiner Weiden, mit Vieh, Butter usw., die Bevölkerung Englands zu versorgen." * Von Mela bis auf Goldwin Smith und bis heute, wie oft ist die Behauptung wiederholt worden - seit 1846[358] namentlich von dem lärmenden Chor der irischen Grundbesitzer daß Irland durch sein Klima verurteilt sei, nicht Irländer mit Brot, sondern Engländer mit Fleisch und Butter zu versorgen, und daß deshalb die Bestimmung des irischen Volks sei, über den Ozean gebracht zu werden, damit Raum werde in Irland für Kühe und Schafe! Man sieht, die Feststellung des Tatbestands über das irische Klima ist die Lösung einer politischen Tagesfrage. Und zwar geht uns hier das Klima nur insofern an, als es für den Ackerbau von Bedeutung ist. Die Beobachtungen regenmessender Naturforscher sind bei dem jetzigen lückenhaften Stand der Beobachtungen für unsern Zweck nur von sekundärem Wert; es kommt nicht sowohl darauf an, wieviel Regen fällt, sondern weit mehr, wie und wann er fällt. Die Urteile der Agronomen fallen hier vor allem ins Gewicht. Arthur Young hält Irland für entschieden feuchter als England; daher komme die erstaunliche Neigung des Bodens, Gras zu produzieren. Er spricht von Fällen, wo Rüben- und Stoppelland, ungepflügt gelassen, den nächsten Sommer eine reichliche Heuernte gab, Dinge, wovon in England kein Beispiel vorkommt. Er erwähnt ferner, daß der irische Weizen viel leichter ist als der trocknerer Länder; die Felder sind voll Gras und Unkraut selbst unter der besten Kultur, und die Ernten sind so naß und so mühsam einzubringen, daß der Ertrag sehr darunter leidet (Young, „Tour", II, p.IOO). Gleichzeitig aber macht er darauf aufmerksam, daß der Boden in Irland dieser Feuchtigkeit des Klimas entgegenwirkt. Der Boden ist überall steinig und läßt daher Wasser leichter durch.
„Zäher, steiniger, fester Lehm (loam), schwer zu bearbeiten, ist in Irland nicht ungewöhnlich, aber er ist ganz verschieden vom englischen Klei (clay). Wenn so viel Regen fiele auf den Klei Englands (eine Bodenart, die in Irland selten und nie ohne viel Steine vorkommt) wie auf die Felsen der Schwesterinsel, so könnten diese Striche
* Goldwin Smith, „ Irish History and Irish Character", Oxford and London 1861.Man weiß nicht, was man an dieser, die englische Politik gegenüber Irland unter der Maske der „Objektivität" rechtfertigenden Schrift mehr bewundern soll, die Unwissenheit des Professors der Geschichte oder die Heuchelei des liberalen Bourgeois, Wir treffen beide noch wieder.
nicht bebaut werden. Hier aber sind die Felsen mit Grün bekleidet, und wo sie aus Kalk bestehen, tragen sie auf einer nur dünnen Schicht Humus den weichsten und schönsten Rasen der Welt." (II, 2. Abt., p.3, 4.) Der Kalkfels ist bekanntlich überall voller Risse und Spalten, die das überflüssige Wasser rasch durchlassen. Wakefield widmet dem Klima ein sehr ausführliches Kapitel, worin er alle früheren Beobachtungen bis auf seine Zeit herab zusammenstellt. Dr. Boate („Natural History of Ireland", 1645) beschreibt die Winter als mild, 3-4 Fröste jährlich, die selten mehr als 2-3 Tage anhalten, der Liffey bei Dublin friere in 10-12 Jahren kaum einmal zu. Der März sei meist trocken und schön, darauf aber falle viel Regen; selten gäbe es im Sommer 2-3 ganz trockne Tage hintereinander; im Spätherbst sei es dann wieder schön. Sehr trockne Sommer seien selten, die Teurung werde nie durch Dürre, sondern meist durch Nässe veranlaßt. In der Ebene gäbe es wenig Schnee, so daß das Vieh das ganze Jahr im Freien bleibe. Doch zuweilen komme auch ein Schneejahr vor wie 1635 , wo dann die Leute Mühe hätten, ihr Vieh unterzubringen. (Wakef., I, p.216ff.) Im Anfange des vorigen Jahrhunderts machte Dr. Rutty („Natural History of the County of Dublin") genaue meteorologische Beobachtungen, die sich über die fünfzig Jahre von 1716 bis 1765 erstrecken. Während dieser ganzen Zeit verhielten sich die Süd- und Westwinde zu den Nord- und Ostwinden wie 73:37, (10 878 S und W gegen 6329 N und 0). Herrschende Winde waren West und Südwest, nach ihnen kam Nordwest und Südost, am seltensten Nordost und Ost. Im Sommer, Herbst und Winter herrschen West und Südwest vor; Ost ist am häufigsten im Frühjahr und Sommer, wo er doppelt sooft vorkommt wie im Herbst und Winter; Nordost kommt meist im Frühjahr vor, ebenfalls doppelt so häufig wie im Herbst und Winter. Infolgedessen sei die Temperatur gleichmäßiger, [seien] die Winter milder, die Sommer kühler als in London, dagegen die Luft feuchter. Selbst im Sommer saugen Salz, Zucker, Mehl usw. Feuchtigkeit aus der Luft ein, und das Korn müsse in Backöfen getrocknet werden, was in einigen Teilen von England nicht vorkomme. (Wakef., I, p. 172-81.) Rutty konnte damals das irische Klima nur mit dem von London vergleichen, das, wie in ganz Ostengland, allerdings trockener ist. Hätte ihm aber Material über West- und besonders Nordwestengland zur Verfügung gestanden, so würde er gefunden haben, daß seine Beschreibung des irischen Klimas, die Verteilung der Winde über das Jahr, die nassen Sommer, in denen Zucker, Salz pp. in ungeheizten Räumen zerfallen, ganz auf diesen Landstrich paßt, nur daß dieser im Winter kälter ist.
Über den meteorologischen Charakter der Jahreszeiten hat Rutty ebenfalls Listen geführt. In den erwähnten 50 Jahren gab es 16 kalte, späte oder zu trockne Frühjahre; etwas mehr als in London. Ferner 22 heiße und trockne, 24 nasse, 4 veränderliche Sommer; etwas feuchter als in London, wo die Zahl der trocknen oder der nassen Sommer gleichkommt; ferner 16 schöne, 12 nasse, 22 veränderliche Herbste, wieder etwas feuchter und Veränderlicher ais in London; und 13 frostige, 14 nasse und 23 milde Winter, was bedeutend feuchter und milder ist als in London. Nach den Regenmessungen im botanischen Garten in Dublin während der zehn Jahre 1802-1811 kam in dieser Zeit auf jeden Monat folgende Gesamtregenmenge in Zöllen: Dezember 27,31; Juli 24,15; November 23,49; August 22,47; September 22,27; Januar 21,67; Oktober 20,12; Mai 19,50; März 14,69; April 13,54; Februar 12,32; Juni 12,07; Durchschnitt per Jahr 23,36. (Wakf., I, p. 191.) Diese zehn Jahre sind ausnahmsweise trokken; Kane („Ind.Res.", p.73) gibt den Durchschnitt von 6 Jahren in Dublin auf 30,87 Zoll und Symons („English Rain Fall") den von 1860-1862 auf 29,79 Zoll an. Wie wenig aber bei den rasch vorübergehenden, bloß lokalen Regenschauern Irlands dergleichen Messungen bedeuten, wenn sie sich nicht über eine lange Reihe von Jahren erstrecken und an sehr vielen Stationen vorgenommen werden, beweist u.a. die Tatsache, daß von drei Stationen in Dublin selbst die eine 24,63, die andre 28,04, die dritte 30,18 Zoll als Regenmenge für 1862 erhielt. Die Durchschnittsregenmenge von 12 Stationen in allen Teilen Irlands (von 25,45 auf 51,44 Zoll variierend) betrug nach Symons in den Jahren 1860-1862 nicht ganz 39 Zoll. Dr. Paiterson sagt in seinem Buch über das Klima Irlands: „Die Häufigkeit unsrer Regenschauer, nicht aber die Regenmenge selbst hat die beliebte Vorstellung von der Nässe unsres Klimas erzeugt... Zuweilen wird im Frühjahr die Aussaat etwas durch nasses Wetter verzögert, aber unsre Frühjahre sind so oft kalt und spät, daß frühe Aussaat hierzulande nicht immer rätlich ist. Wenn im Sommer und Herbst häufige Schauer unsre Heu- und Kornernten riskant machen, so würden Wachsamkeit und Fleiß in solchen Notfällen ebenso erfolgreich sein, wie sie es in England bei den dortigen ,schleunigen' Ernten (catching harvests) sind, und verbesserte Kultur würde dafür sorgen, daß die Aussaat die Bemühungen des Landmanns unterstützte."* In Londonderry wechselte die Zahl der regenfreien Tage in den 10 Jahren 1791-1802 von 113 auf 148 im Jahr; Durchschnitt über 126. In Belfast stellte sich derselbe Durchschnitt heraus. In Dublin variierte die Zahl von 168 auf 205, Durchschnitt 179. (Patterson, ibid.)
* Dr.W.Patterson, „An Essay cn the Climate of Ireland", Dublin 1804, p.164.
Nach Wakefields Angabe fallen die Ernten in Irland wie folgt: Weizen meist im September, seltener im August, selten im Oktober; Gerste meist etwas später als Weizen und Hafer ungefähr eine Woche später als Gerste, also schon öfter im Oktober. Wakefield, der nach langen Untersuchungen zu dem Resultat kommt, daß das Material für eine wissenschaftliche Schilderung des irischen Klimas noch lange nicht genüge, äußert sich nirgends dahin, daß es dem Kornbau ernstliche Schwierigkeiten in den Weg lege. Er findet vielmehr, wie sich zeigen wird, daß die Verluste bei nassen Erntezeiten durch ganz andere Ursachen bedingt werden, und sagt ausdrücklich: „Der Boden Irlands ist so fruchtbar, das Klima so günstig, daß unter einem geeigneten Ackerbausystem die Insel nicht nur hinreichend Korn zu ihrem eignen Gebrauch hervorbringen wird, sondern auch noch einen reichlichen Überschuß, der zu allen Zeiten, wo es not tut, für die Bedürfnisse Englands dienen könnte." (II, p.6!.) Damals freilich - 1812 - lag England im Krieg mit aller Welt in Europa und Amerika[359], und die Korneinfuhr war sehr erschwert; Korn war erstes Bedürfnis. Jetzt liefern Amerika, Rumänien, Rußland und Deutschland Korn genug, und es handelt sich vielmehr um wohlfeiles Fleisch. Und daher taugt jetzt das Klima in Irland nicht mehr zum Ackerbau. Der Anbau von Korn ist in Irland uralt. In den ältesten irischen Gesetzen, die lange vor Ankunft der Engländer niedergeschrieben wurden, ist der „Sack Weizen" bereits ein bestimmtes Wertmaß; in den Leistungen der Untergebnen an die Stammhäupter und sonstigen Häuptlinge kommt Weizen, Gerstenmalz und Hafermehl fast regelmäßig in bestimmt vorgeschriebnen Quantitäten vor.* Nach der englischen Invasion verminderte sich unter den fortwährenden Kämpfen der Kornbau, ohne doch je ganz aufzuhören; von 1660 an bis 1725 nahm er wieder zu, von da bis gegen 1780 wieder ab; von 1780-1846 wurde neben vorwiegendem Kartoffelbau wieder mehr Korn gesät, und seit 1846 sind Korn und Kartoffeln stetig dem Vordringen der Viehweide gewichen. Wenn das Klima nicht für den Kornbau geeignet ist, würde er über tausend Jahre sich gehalten haben? Allerdings gibt es Striche in Irland, die wegen des in der Nähe der Berge stets häufiger fallenden Regens zum Weizenbau sich weniger eignen
* „Ancient Laws and Institutes of Ireland - Senchus Mor", 2 vols., Dublin, printed for Her Majesty's Stationery Office, and published by Alexander Thom (London, Longmans) 1865 und 1869.£360J Siehe Band II, p. 239-251. Der Wert eines Sacks Weizen war 1 screpall (denarius) von 20-24 Gran Silber, der Wert des screpalls ist von Dr. Petrie, „Ecclesiastical Architecture of Ireland, anterior to the Anglo-Norman invasion", Dublin 1845, 4°, pag. 212-219, festgestellt.
besonders im Süden und Westen. Neben guten Jahren kommen dort oft Reihen nasser Sommer vor, wie 1860-1862, die dem Weizen viel Schaden tun. Aber Weizen ist nicht das Hauptkorn Irlands, und Wakefield beklagt sich sogar darüber, daß aus Mangel an Absatzmärkten viel zu wenig davon gebaut werde; einen andern Markt dafür als die nächste Mühle gab es nicht; Gerste wurde ebenfalls fast nur für die heimlichen Branntweinbrennereien (die sich der Versteuerung entzogen) gebaut. Das Hauptkorn in Irland war und ist Hafer, von dem 1810 mindestens zehnmal soviel gebaut wurde wie von allen andern Kornarten zusammen; und da die Haferernte später ist als die von Weizen und Gerste, fällt sie häufiger in das, besonders im Süden, meist schöne Wetter von Ende September und Oktober. Und Hafer kann zudem schon tüchtig Regen vertragen. Wir haben schon oben gesehn, daß das Klima Irlands, was Regenmenge und Verteilung des Regenfalls auf die Jahreszeiten angeht, mit dem des nordwestlichen Englands fast ganz stimmt. Der Regenfall in den Bergen von Cumberland und Westmoreland und Nord-Lancashire ist weit höher als in irgendeiner mir bekannten Station Irlands (in Coniston 96,03, in Windermere 75,02 Zoll, Durchschnitt von 1860-1862), und doch wird dort Heu gemacht und Hafer gebaut. In denselben Jahren variierte die Regenmenge im südlichen Lancashire von 25,11 in Liverpool auf 59,13 in Bolton, Durchschnitt aller Beobachtungen etwa 40 Zoll; in Cheshire von 33,02 auf 43,40, Durchschnitt aller Beobachtungen etwa 37 Zoll. In Irland war sie in denselben Jahren, wie wir sahen, nicht ganz 39 Zoll. (Alle Zahlen aus Symons.) In beiden Grafschaften wird Korn aller Art, namentlich Weizen, gebaut; Cheshire trieb bis zur letzten Rinderpest-Epidemie allerdings vorwiegend Viehzucht und Milchwirtschaft, aber seitdem das Vieh großenteils weggestorben, paßt das Klima auf einmal ganz vortrefflich für Weizen. Wäre die Rinderpest nach Irland gekommen und hätte dort ebenso arge Verwüstungen angerichtet wie in Cheshire, so würde man uns jetzt statt des natürlichen Berufs Irlands zur Viehweide die Stelle aus Wakefield vorpredigen, wonach Irland zur Kornkammer Englands bestimmt ist. Sieht man sich die Sache unbefangen an, unbeirrt von dem interessierten Geschrei irischer Grundbesitzer und englischer Bourgeois, so wird man finden, daß Irland Striche hat, die nach Boden und Klima mehr zu Viehzucht, andere, die mehr zum Ackerbau, und noch andere - die große Mehrzahl -, die zu beidem gleich geeignet sind, wie das eben allerorts stattfindet. Verglichen mit England ist Irland der Viehzucht im ganzen günstiger; aber verglichen mit Frankreich ist England ebenfalls der Viehzucht günstiger. Geht daraus hervor, daß ganz England in Viehweide verwandelt, daß die
ganze ackerbauende Bevölkerung in die Fabrikstädte oder nach Amerika gesandt werden muß - einige wenige Hirten ausgenommen um Platz zu machen für Vieh, das als Zahlung für Seidenstoffe und Weine nach Frankreich zu wandern hat? Aber das ist ganz dasselbe, was irische Grundeigentümer, die ihre Grundrente steigern, und englische Bourgeois, die ihre Arbeitslöhne herabdrücken wollen, für Irland verlangen: Goldwin Smith hat es deutlich genug gesagt. Und dabei würde die soziale Revolution, die in einer solchen Verwandlung von Ackerland in Viehweide einbegriffen ist, in Irland weit gewaltiger sein als in England. In England, wo große Kultur vorherrscht und die Ackerknechte schon großenteils durch Maschinen ersetzt sind, würde sie bedeuten die Verpflanzung von höchstens einer Million, in Irland, wo die kleine und selbst die Spatenkultur vorherrscht, würde sie bedeuten die Verpflanzung von vier Millionen, die Ausrottung des irischen Volks. Man sieht, selbst Naturtatsachen werden zwischen England und Irland zu nationalen Streitpunkten. Man sieht aber auch, wie die öffentliche Meinung der in England herrschenden Klasse - und diese allein macht sich auf dem Kontinent hörbar - mit der Mode und dem Interesse wechselt. Heute braucht England rasch und sicher Korn - und Irland ist zum Weizenbau wie geschaffen; morgen braucht England Fleisch - Irland taugt nur zur Viehweide; die fünf Millionen Irländer schlagen durch ihre bloße Existenz allen Gesetzen der politischen Ökonomie ins Gesicht, sie müssen fort, sie mögen sehn, wo sie bleiben!
31 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Altirland
Die Schriftsteller des griechischen und römischen Altertums sowie die Kirchenväter geben nur sehr wenig Aufschluß über Irland. Dafür existiert eine noch immer ziemlich reichhaltige einheimische Literatur, trotz der vielen, in den Kriegen des 16. und 17. Jahrhunderts verlorengegangenen irischen Schriften. Sie enthält Gedichte, Grammatiken, Glossarien, Annalen und andre historische Schriften und Rechtsbücher. Mit sehr wenig Ausnahmen jedoch existiert diese ganze Literatur, die die Periode mindestens vom 8. bis zum 17. Jahrhundert umfaßt, nur im Manuskript. Für die irische Sprache hat der Buchdruck erst seit wenig Jahren existiert, erst seit der Zeit, wo sie auszusterben begann. Das reiche Material ist also nur zum allergeringsten Teil zugänglich. Unter den Annalen sind die wichtigsten die des Abts Tigernach (gestorben 1088), die von Ulster und vor allem die der vier Magister. Diese letzteren wurden 1632-1636 unter Leitung von Michael O'Clery, einem Franziskanermönch, mit Hilfe von drei andern Seanchaidhes (Altertumsforschern) im Kloster Donegal nach Materialien zusammengestellt, die jetzt fast alle verloren sind. Sie sind nach der noch existierenden Originalhandschrift aus Donegal in kritischer Ausgabe mit englischer Übersetzung herausgegeben von O'Donovan 1856.* Die früheren Ausgaben von Dr. Charles O'Conor (der erste Teil der „IV Mag.", die „Annalen von Ulster" pp.) sind im Texte und Übersetzung unzuverlässig.1^611 Den Anfang der meisten dieser Annalen macht die mythische Vorgeschichte Irlands; die Grundlage bilden alte Volkssagen, die von Dichtern des 9. und 10. Jahrhunderts ins unendliche ausgesponnen und von Mönchs
* „Annala Rioghachta Eireann. Annais of the Kingdom of Ireland by the Four Masters." Edited, with an English Translation, by Dr.John O'Donovan. 2nd eait., Dublin 1856, 7 vols in 4°.
chronisten dann in gehörige chronologische Ordnung gebracht wurden. So fangen die „Annalen der IV Mag." an mit dem Jahre der Welt 2242, wo Ceasair, eine Enkelin Noahs, 40 Tage vor der Sündflut in Irland gelandet sei; so werden von andern die Vorfahren der Skoten, der letzten Einwanderer nach Irland, in direkter Genealogie von Japhet abgeleitet und mit Moses, mit den Ägyptern und Phöniziern in Verbindung gebracht, wie auch von unsern mittelalterlichen Chronisten die Vorfahren deutscher Stämme mit Troja, Äneas oder Alexander dem Großen. Die „IV Mag." widmen diesem Gefabel (in dem das einzig wertvolle Element, die wirkliche alte Volkssage, bis jetzt nicht zu unterscheiden ist) nur ein paar Seiten; die „Annalen von Ulster" lassen es ganz aus; schon Tigernach erklärt mit einer für seine Zeit wunderbaren kritischen Kühnheit, daß alle Denkmäler der Skoten vor König Cimbaoth (angeblich 300 Jahre vor Chr.) unsicher seien. Aber als Ende des vorigen Jahrhunderts neues nationales Leben in Irland erwachte und damit neues Interesse an der irischen Literatur und Geschichte, galten grade diese Mönchsfabeln für deren wertvollsten Bestandteil. Mit echt keltischem Enthusiasmus und mit spezifisch irischer Naivetät wurde der Glaube an diese Histörchen zu einem wesentlichen Bestandteil des nationalen Patriotismus erklärt; was der superklugen englischen Gelehrten weit deren eigne Leistungen in der philologischen und historischen Kritik der übrigen Welt ja rühmlich genug bekannt sind - natürlich den erwünschten Vorwand bot, alles Irische als baren Unsinn beiseite zu werfen.* Seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts ist indes ein bei weitem kritischerer Geist über Irland gekommen, namentlich durch Petrie und O'Donovan. Petries bereits angeführte Untersuchungen beweisen die voll
* Eins der naivsten Produkte jener Zeit sind: „The Chronicles of Eri, being the History of the Gaal Sciot Iber, or the Irish People, translated from the original manuscripts in thePhoenician dialect of the Scythian Language by O'Connor", London 1822, 2 vols. Der phönizische Dialekt der skythischen Sprache ist natürlich das keltische Irisch und das Originalmanuskript eine beliebige Vers-Chronik. Der Herausgeber ist Arthur O'Connor, Exilierter von 1798, Onkel des späteren Führers der englischen Chartisten, Feargus O'Connor, angeblicher Nachkomme der alten O'Connors, Könige von Connaught, und gewissermaßen irischer Kronprätendent. Vor dem Titel steht sein Porträt, ein hübsches, joviales, irisches Gesicht, seinem Neffen Feargus frappant ähnlich, mit der rechten Hand eine Krone fassend. Darunter: „O'Connor - cear-rige, head of his race, and O'Connor, chief of the prostrate people of his nation: ,Soumis, pas vaincus.'"1
1 „O'Connor - Haupt seines Stammes, und O'Connor, Führer des unterdrückten Volkes seines Landes: .Unterworfen, doch nicht besiegt.'"
ständigste Einstimmung der erhaltenen ältesten Inschriften seit dem 6. und 7. Jahrhundert mit den Annalen, und O'Donovan ist der Ansicht, daß diese schon vom 2. und 3. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung anfangen, historische Tatsachen zu berichten. Für uns kann es ziemlich gleichgültig sein, ob die Glaubwürdigkeit der Annalen einige hundert Jahre früher oder später beginnt, denn leider sind sie für unsern Zweck in jener Zeit fast ganz unfruchtbar. Sie enthalten kurze, trockne Notizen von Todesfällen, Thronbesteigungen, Kriegen, Schlachten, Erdbeben, Seuchen, skandinavischen Raubzügen, aber wenig, was auf das soziale Leben des Volks Bezug hat. Wäre die gesamte juristische Literatur Irlands herausgegeben, so würden sie ganz andre Bedeutung bekommen; manche trockne Notiz würde durch erklärende Stellen der Rechtsbücher neues Leben erhalten. Diese Rechtsbücher, die sehr zahlreich sind, erwarten aber ebenfalls fast alle noch die Zeit, wo sie das Licht der Welt erblicken sollen. Auf Andringen mehrerer irischer Altertumsforscher willigte die englische Regierung 1852 ein, eine Kommission zur Herausgabe der alten Gesetze und Institutionen Irlands zu ernennen. Aber wie? Die Kommission bestand aus drei Lords (die nie fehlen dürfen, wo es Staatsgelder zu verzehren gibt), drei Juristen höchsten Rangs, drei protestantischen Geistlichen, ferner dem Dr. Petrie und einem Offizier, Chef der Vermessung Irlands. Von allen diesen Herren konnten nur Dr. Petne und zwei Geistliche; Dr. Graves (jetzt protestantischer Bischof von Limerick) und Dr.Todd, den Anspruch erheben, von der Aufgabe der Kommission irgend etwas zu verstehn, und von diesen sind Petrie und Todd seitdem verstorben. Die Kommission erhielt den Auftrag, die Abschrift, Übersetzung und Herausgabe der alten irischen Handschriften juristischen Inhalts besorgen zu lassen und dafür die nötigen Leute anzustellen. Sie stellte dafür die beiden besten Leute an, die zu haben waren: Dr. O'Donovan und Professor O'Curry, die eine Menge Manuskripte kopierten und im ersten Entwurf übersetzten; ehe indes etwas zur Herausgabe fertig war, starben beide. Ihre Nachfolger Dr. Hancock und Prof. O'Mahony haben dann die Arbeit so weit fortgeführt, daß bis jetzt die bereits angeführten zwei Bände erschienen sind, enthaltend den „Senchus Mor". Von den Mitgliedern der Kommission haben nach dem Eingeständnis der Herausgeber nur zwei, Graves und Todd, durch irgendwelche Annotationen zu den Korrekturbogen sich an der Arbeit beteiligt. Der Offizier, SirTh. Larcom, stellte den Herausgebern behufs der Verifikation von Ortsnamen die Originalkarten der Aufnahme von Irland zur Verfügung; Dr.Petrie starb bald, die übrigen Herren beschränkten ihre Tätigkeit darauf, ihr Gehalt während 18 Jahren gewissenhaft einzuziehen.
Dies ist die Art, in der in England, und mehr noch in dem von England beherrschten Irland, öffentliche Arbeiten ausgeführt werden. Ohne Jobberei* geht es nicht ab. Keinem öffentlichen Interesse darf genügt werden, ohne daß dabei eine hübsche Summe oder einige fette Sinekuren für Lords und Regierungsproteges abfallen. Mit dem Geld, das die ganz überflüssige Kommission verzehrt hat, hätte man in Deutschland die sämtliche ungedruckte historische Literatur gedruckt - und besser. Der „Senchus Mor" ist bis jetzt unsere Hauptquelle für die altirischen Zustände. Er ist eine Sammlung alter Rechtsbestimmungen, die nach der später verfaßten - Einleitung auf Veranlassung St. Patricks zusammengestellt und durch seinen Beirat mit dem sich in Irland rasch ausbreitenden Christentum in Einklang gebracht wurde. Der Oberkönig von Irland, Laeghaire (428-458 nach den „Annalen [der] IV Mag."), die Unterkönige Gore von Munster und Daire, wahrscheinlich ein Fürst in Ulster, ferner drei Bischöfe: St.Patrick, St. Benignus und St. Cairnech, endlich drei Rechtsgelehrte, Dubthach, Fergus und Rossa, sollen die „Kommission"gebildet haben, die das Buch zusammenstellte und die ihre Arbeit sicher wohlfeiler tat als die jetzige, die es bloß herauszugeben hat. Die „IV Mag." geben das Jahr 438 als das der Abfassung an. Der Text selbst beruht offenbar auf uralten heidnischen Materialien. Die ältesten Rechtsformeln darin sind alle in Versen abgefaßt, mit bestimmtem Metrum und dem sogenannten Einklang, einer Art Alliteration oder vielmehr Konsonanten-Assonanz, die der irischen Dichtkunst eigentümlich ist und häufig in vollen Reim übergeht. Da es feststeht, daß alte irische Rechtsbücher aus dem sogenannten fenischen Dialekt (Berla Feini), der Sprache des 5.Jahrhunderts, im 14. Jahrhundert in das damals geläufige Irisch übertragen wurden (Vorrede, [T. I,] p. XXXVI und passim), so erklärt es sich, daß auch im „Senchus Mor" an manchen Stellen das Metrum mehr oder weniger verwischt ist; es tritt aber nebst gelegentlichen Reimen und stark einklingenden Stellen noch oft genug hervor, um dem Text einen gewissen rhythmischen Fall zu geben. Schon das Lesen der Übersetzung genügt meist, um die Versformeln aufzufinden. Dazwischen aber sind dann auch, namentlich in der letzten Hälfte, eine Menge Stellen
* Jobberei, jobbery, nennt man in England die Benutzung von Staatsämtern zum eignen Privatvorteil oder zu dem von Verwandten und Freunden, desgleichen Verwendung von Staatsgeldern zu indirekter Bestechung in Parteizwecken. Die einzelne Handlung heißt job. Die englische Kolonie in Irland ist das Haupttreibhaus aller Jobberei.
unzweifelhafter Prosa; während die Versformeln sicher uralt und traditionell überliefert sind, scheinen diese prosaischen Einschiebsel von den Kompilatören des Buchs herzurühren. Der „Senchus Mor" wird übrigens in dem dem König und Bischof von Cashel, Cormac, zugeschriebnen, im 9. oder 10. Jahrhundert verfaßten Glossar mehrmals zitiert, und er ist zweifelhaft lange vor der englischen Invasion niedergeschrieben. Zu diesem Text nun enthalten sämtliche Handschriften (die älteste scheintaus dem Anfang des 14. Jahrhunderts oder älter zu sein) eine Reihe von meist übereinstimmenden Glossen und längeren kommentierenden Noten. Die Glossen sind ganz im Geist der alten Glossare, Wortspiele vertreten die Stelle der Etymologie und Worterklärung; die Anmerkungen sind von sehr verschiednem Wert, oft arg entstellt und vielfach wenigstens ohne Kenntnis der übrigen Rechtsbücher unverständlich. Das Alter beider ist ungewiß; der größte Teil ist aber wahrscheinlich jünger als die englische Invasion. Da sie indes nur sehr wenig Spuren einer über den Text hinausgehenden Rechtsentwicklung aufzeigen und auch diese nur in genauerer Feststellung des Details, so ist der größere, rein erklärende Teil mit einiger Diskretion unbedingt als Quelle auch für die ältere Zeit zu benutzen. Der „Senchus Mor" enthält: 1. das Pfändungsrecht, d.h. so ziemlich das ganze Rechts verfahren; 2. das Recht der Geiseln, die bei Streitigkeiten von Leuten verschiedner Territorien gestellt wurden; 3. das Recht betreffend Saerrath und Daerrath (s.unten)t3621 und 4. das Familienrecht. Wir erlangen dadurch viele wertvolle Aufschlüsse über das gesellschaftliche Leben jener Zeit; solange aber noch eine Menge Ausdrücke nicht erklärt und die übrigen Manuskripte nicht veröffentlicht sind, bleibt manches dunkel. Außer der Literatur geben uns noch die erhaltenen Baudenkmäler, Kirchen, Rundtürme, Befestigungen, Inschriften, Aufklärung über den Zustand des Volks vor der Ankunft der Engländer. Von auswärtigen Quellen haben wir nur einige Stellen über Irland in skandinavischen Sagas und das Leben des Heiligen Malachias von St. Bernhard zu erwähnen, welche wenig Ausbeute geben, und kommen dann sofort zu dem ersten Engländer, der aus eigner Kenntnis über Irland schreibt. Sylvester Gerald Barry, genannt Giraldus Cambrensis, Archidiakonus von Brecknock, war ein Enkel der galanten Nesta, Tochter von Rhys ap Tewdwr, Fürst von Südwales, der Mätresse Heinrichs I. von England und der Stammutter fast aller normännischen Hauptleute, die zur ersten Eroberung von Irland mitwirkten. Er ging 1185 mit Johann (später „ohne Land") nach Irland und schrieb in den folgenden Jahren zuerst „Topo
graphia Hibernica", eine Beschreibung des Landes und der Einwohner, sodann „Hibernia Expugnata", die hochgefärbte Geschichte der ersten Invasionen. Hier geht uns hauptsächlich das erstere Werk an. In einem höchst prätentiösen Latein geschrieben, erfüllt mit dem tollsten Wunderglauben und allen kirchlichen und nationalen Vorurteilen der Zeit und der Race des eitlen Verfassers, ist das Buch dennoch als erster, einigermaßen ausführlicher Bericht eines Ausländers von hoher Wichtigkeit.* Von jetzt an werden die anglo-normannischen Quellen über Irland natürlich reichlicher; gering aber bleibt die Ausbeute für die Kenntnis der sozialen Zustände des unabhängig gebliebenen Teils der Insel, woraus Rückschlüsse auf den alten Zustand gemacht werden könnten. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als Irland zuerst systematisch und vollständig unterworfen wurde, erhalten wir ausführlichere, natürlich stark englisch gefärbte Berichte über die wirkliche Lebenslage des irischen Volks. Wir werden später finden, daß im Lauf der seit der ersten Invasion verflossenen 400 Jahre der Zustand des Volks sich nur wenig, und das nicht zum Bessern, verändert hatte. Aber eben deswegen sind diese neueren Schriften Hanmer, Campion, Spencer, Davies, Camden, Moryson u.a. die wir noch öfter werden zu Rate ziehen müssen, eine unsrer Hauptquellen für eine fünfhundert Jahre ältere Periode und eine unumgängliche, sehr erwünschte Ergänzung der dürftigen Originalquellen.
Die mythische Vorgeschichte Irlands erzählt von einer Reihe Einwanderungen, die nacheinander stattfanden und meist mit Unterwerfung der Insel unter die neuen Einwanderer endigten. Die drei letzten sind: die der Firbolgs, die der Tuatha-de-Dananns und die der Milesier oder Skoten, welche letztere von Spanien gekommen sein sollen. Die landläufige irische Geschichtschreibung verwandelt die Firbolgs (fir = irisch fear, das lateinische] vir, gotisch vair, Mann) ohne weiteres in Belgier, die Tuatha-deDananns (tuatha = ir[isch] Volk, Landstrich, gotisch thiuda) je nach Bedürfnis in griechische Danaen oder germanische Dänen. O'Donovan ist der Ansicht, daß wenigstens den genannten Einwanderungen etwas Historisches zugrunde liegt. In den Annalen kommt vor beim Jahre 10 n.Chr. ein Aufstand der Aitheach Tuatha (übersetzt im 17. Jahrhundert von Lynch,
* „Giraldi Cambrensis Opera", ed. J.S.Brewer, London, Longmans, 1863. - Eine (schwache) englische Ubersetzung der historischen Werke, worunter auch obige zwei Schriften („The Historical Works of G[iraldus] C[ambrensis]"), kam heraus 1863 in London bei Bohn.
einem guten Kenner der alten Sprache mit: plebeiorum hominum gens), also eine Plebejer-Revolution, wobei der ganze Adel (Saorchlann) erschlagen wurde. Dies deutet auf die Herrschaft skotischer Eroberer über ältere Einwohner. Aus Volksmärchen über die Tuatha-de-Dananns schließt O'Donovan, daß diese, die der spätere Volksglaube in Elfen des Waldgebirgs verwandelt, noch bis ins 2. oder 3. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung sich in einzelnen Berggegenden erhalten haben. Daß die Iren ein Mischvolk waren, schon ehe die Engländer sich in Massen unter ihnen niederließen, ist unzweifelhaft. Wie noch jetzt, war schon im 12. Jahrhundert der vorherrschende Typus hellhaarig. Giraldus („Top.Hib.", III, 26) sagt von zwei Fremden, sie hätten langes gelbes Haar gehabt wie die Iren. Trotzdem finden sich noch jetzt, besonders im Westen, zwei gänzlich verschiedene Typen schwarzhaariger Leute; der eine groß, wohlgebaut, mit schönen Gesichtszügen und krausem Haar, Leute, von denen man meint, man sei ihnen schon einmal in den italienischen Alpen oder der Lombardei begegnet; dieser Typus kommt meist im Südwesten vor. Der andre, untersetzt und kurz von Körperbau, mit grobem, schlichtem schwarzen Haar, plattgedrücktem, fast negerhaftem Gesicht, findet sich häufiger in Connaught. Huxley schreibt dies dunkelhaarige Element in der ursprünglich hellhaarigen keltischen Bevölkerung iberischer (d.h. baskischer) Beimischung zuI363], was wenigstens teilweise richtig sein wird. Zur Zeit indes, wo die Iren in der Geschichte mit Bestimmtheit auftauchen, sind sie ein homogenes Volk mit keltischer Sprache geworden, und wir finden nirgends mehr fremde Elemente, ausgenommen die erkämpften und erhandelten Sklaven, großenteils Angelsachsen. Die Mitteilungen der alten Klassiker über dies Volk lauten nicht sehr erbaulich. Diodor erzählt, daß diejenigen Briten, welche die Iris (oder Irin? es steht der Akkusativ rIgiv) genannte Insel bewohnen, Menschen essen. Ausführlicher ist Strabo: „Uber welches Land (Jerne) wir nichts Gewisses zu sagen haben, außer daß die Bewohner wilder sind als die Briten, da sie Menschenfresser und Vielfresser (noÄwpayoi, nach anderer Lesart norjcpdyoi, Krautesser) sind und es für ehrbar halten, ihre verstorbenen Eltern zu essen und öffentlich mit den Frauen anderer, mit ihren Müttern und Schwestern fleischlichen Umgang zu haben." Die patriotische irische Geschichtschreibung hat sich nicht wenig über diese angeblichen Verleumdungen entrüstet. Neuerer Forschung blieb es vorbehalten, die Menschenfresserei und namentlich das Verzehren der Eltern als eine Durchgangsstufe wahrscheinlich aller Völker nachzuweisen. Vielleicht gereicht es den Iren zum Trost, zu erfahren, daß die Vorfahren
der jetzigen Berliner noch volle tausend Jahre später derselben praktischen Anschauung huldigten: „Aber Weletabi, die in Germania sizzent, tie wir Wilze hei3en, die ne scament" (schämen) „sih nieht ze chedenne" (zu gestehen) „da3 sie iro parentes mit meren rehte e3en sulin, danne die wurme." (Notker, zitiert in Jacob Grimms „Rechtsaltertümer", p.488.) Und unter der englischen Herrschaft werden wir das Verzehren von Menschenfleisch in Irland noch mehr als einmal wiederkehren sehen. Was die den Iren vorgeworfne Phanerogamie, um mich eines Ausdrucks Fouriers [3641 zu bedienen, betrifft, so kamen solche Dinge bei allen wilden Völkern vor, wieviel mehr bei den ganz besonders galanten Kelten. Interessant ist zu sehn, daß die Insel schon damals den heutigen einheimischen Namen trug: Iris, Irin und Jerne sind identisch mit Eire, Erinn, wie denn auch schon Ptolemäus den heutigen Namen der Hauptstadt Dublin, Eblana (mit richtigem Akzent "EßAava) kannte. Es ist dies um so merkwürdiger, als die irischen Kelten diese Stadt von jeher mit einem andern Namen, Athcliath, belegt haben und Duibhlinn - der schwarze Pfuhl - bei ihnen Name einer Stelle des Flusses Liffey ist. Außerdem finden wir noch in Plinius „Naturgeschichte", IV, 16, folgende Stelle: „Dorthin" (nach Hibernia) „fahren die Briten in Booten aus Weidenzweigen, über welche Tierfelle zusammengenäht sind." Und später sagt Solinus von den Iren selbst: „Sie befahren die See zwischen Hibernia und Britannia in Booten aus Weidenzweigen, welche sie mit einem Uberzug von Rinderhäuten bedecken." (C. Jul. Solini „Cosmogrfaphiaj", c.25.) Im Jahr 1810 fand Wakefield, daß an der ganzen Westküste von Irland „keine andern Boote vorkamen als solche, die aus einem hölzernen Rahmen bestanden, der mit einer Pferde- oder Ochsenhaut überzogen war". Diese Boote seien von verschiedner Form, je nach der Gegend, aber alle zeichnen sich durch ihre ungemeine Leichtigkeit aus, so daß selten ein Unglück damit vorkomme. Für die hohe See taugen sie natürlich nicht, weshalb die Fischerei hier auch nur in den Buchten und zwischen den Inseln betrieben werden könne. In Malboy, Grafschaft Cläre, sah Wakefield solche Boote, die 15 Fuß lang, 5 Fuß breit und 2 Fuß tief waren; zu einem derselben wurden zwei Kuhhäute verwandt, die Haare nach innen, die Außenseite geteert; es war für zwei Ruderer eingerichtet. Ein solches Boot kostete ca. 30 Shillinge. (Wakef., II, p.97.) Statt Weidengeflecht - Holzrahmen! Welch ein Fort
schritt in 1800 Jahren und nach beinahe siebenhundertjähriger „zivilisatorischer" Bearbeitung durch das erste Seevolk der Welt! Im übrigen zeigen sich doch auch bald einige Symptome von Fortschritt. Unter König Cormac Ulfadha, der in die zweite Hälfte des S.Jahrhunderts gesetzt wird, soll dessen Schwiegersohn Hnn Mac Cumhal die irische Miliz - die Fianna Eirionn* - neu organisiert haben, wahrscheinlich nach dem Muster der römischen Legion mit Unterscheidung von leichten und Linientruppen; alle späteren irischen Heere, über die wir Details haben, unterscheiden kerne - leichte - und galloglas - schwere oder Linieninfanterie. Die Heldentaten dieses Finn wurden in vielen alten Liedern besungen, wovon manche noch existieren; sie und vielleicht einige wenige schottisch-gälische Traditionen bilden die Grundlage des Macphersonschen „Ossian" (irisch Oisin, Sohn Finns), in denen Finn als Fingal erscheint und die Szene nach Schottland verlegt ist[365]. Im irischen Volksmund lebt Finn fort als Finn Mac-Gaul, ein Riese, dem fast in jeder Lokalität der Insel irgendein wunderbares Kraftstück zugeschrieben wird. Das Christentum muß schon früh in Irland, wenigstens an der Ostküste, Eingang gefunden haben. Anders ist nicht zu erklären, daß schon lange vor Patricius so viele Irländer eine bedeutende Rolle in der Kirchengeschichte spielen. Pelagius der Ketzer gilt gewöhnlich für einen Waliser Mönch aus Bangor; es gab aber auch ein irisches uraltes Kloster Bangor oder vielmehr Banchor bei Carrickfergus und daß er hierher gehört, beweist Hieronymus, der ihn „dumm und von skotischem Brei schwerfällig" („scotorum pultibus praegravatus") nennt. Es ist die erste Erwähnung des irischen Hafermehlbreis (irlisch] lite, angloir[isch] stirabout), der schon damals, wie noch später bis zur Einführung der Kartoffel und dann neben ihr die Hauptnahrung des irischen Volks war. Des Pelagius Hauptschüler Cölestius und Albinus waren ebenfalls Skoten, d.h. Irländer. Cölestius schrieb, wie Gennadius erzählt, aus seinem Kloster drei ausführliche Briefe an seine Eltern, woraus hervorgeht, daß im 4. Jahrhundert die Buchstabenschrift in Irland bekannt war. In allen Schriften des früheren Mittelalters heißen die Iren Skoten, und das Land Skotia; wir finden diese Bezeichnung bei Claudian, Isidor, Beda, dem Geographen von Ravenna, Eginhard und noch bei Alfred dem Großen:
* Feini, Fenier, ist im ganzen „Senchus Mor" der Name der irischen Nation. Feinechus, Fenchus, Gesetz der Fenier, steht oft entweder für „Senchus" oder für ein andres, verlornes Gesetzbuch. Zugleich bezeichnet feine, grad feine, die plebs, die unterste freie Volksklasse.
„Hibernia, das wir Schottland nennen" („Igbernia the ve Scotland hatadh")[366]. Das heutige Schottland hieß mit fremdem Namen Caledonia, mit einheimischem Alba, Albania; die Übertragung des Namens Scotia, Schottland, auf die Nordspitze der östlichen Insel fand erst im 11. Jahrhundert statt. Die erste größere Einwanderung irischer Skoten nach Alba soll in die Mitte des 3. Jahrhunderts fallen; Ammianus Marcellinus kennt sie dort schon im Jahre 360. Die Einwanderung geschah auf dem kürzesten Seewege, von Antrim nach der Halbinsel Kintyre; noch Nennius erwähnt ausdrücklich, daß die Briten, die damals das ganze schottische Niederland bis an den Clyde und Förth innehatten, durch die Skoten von Westen, durch die Pikten von Norden her angegriffen worden seien. Auch die siebente der altwalisischen historischen „Triaden"[367] erzählt, daß die gwyddyl ffichti (s.unten) von Irland über das Nordmännische Meer (Mor Llychlin) nach Alban kamen und sich an der Küste dieses Meeres niederließen. Daß das Meer zwischen Schottland und den Hebriden Nordmännisches heißt, beweist nebenbei, daß diese „Triade" jünger ist als die nordmännische Eroberung der Hebriden. Um das Jahr 500 kamen von neuem größere Scharen Skoten herüber, die allmählich ein eignes, sowohl von Irland wie von den Pikten unabhängiges Königreich bildeten und endlich unter Kenneth MacAlpin im 9. Jahrhundert die Pikten unterwarfen und das Reich herstellten, auf das etwa 150 Jahre später, wohl zuerst durch die Nordmänner, der Name Schottland, Scotia, sich übertrug. Im 5. und 6. Jahrhundert werden in altwalisischen Quellen (Nennius, die „Triaden") Einfälle der gwyddyl ffichti oder gälischen Pikten nach Wales erwähnt, die allgemein als Einfälle von irischen Skoten gedeutet werden. Gwyddyl ist walisische Form für gavidheal, mit welchem Namen die Iren sich selbst bezeichnen. Woher die Bezeichnung Pikten kommt, mögen andre untersuchen. Im zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts wurde durch Patricius (irisch Patrick, Patraic, da die Kelten das c nach altrömischer Weise immer wie k aussprechen) das Christentum ohne gewaltsame Erschütterungen zur Herrschaft gebracht. Der Verkehr mit Britannien, der schon lange bestanden, wurde" um diese Zeit ebenfalls lebhafter; es kamen Baumeister und Bauhandwerker herüber, die den Iren, die bisher nur losen Steinbau gekannt hatten, den Mörtelbau beibrachten; daß dieser vom 7. bis 12. Jahrhundert nur bei kirchlichen Gebäuden vorkommt, beweist hinlänglich, daß seine Einführung mit der des Christentums zusammenhängt, und ferner, daß von jetzt an die Geistlichkeit, die Vertreterin ausländischer Bildung, sich in ihrem intellektuellen Entwicklungsgang vollständig vom Volk trennte.
Während das Volk gar keine oder doch nur äußerst langsame soziale Fortschritte machte, entwickelte sich innerhalb der Geistlichkeit bald eine literarische Bildung, die für die damalige Zeit außerordentlich war und nach damaliger Manier sich zumeist in dem Eifer für Heidenbekehrung und Klösterbegründung äußerte. Columba bekehrte die britischen Skoten und die Pikten; Gallus (der Stifter von St. Gallen) und Fridolin die Allemannen, Kilian die Mainfranken, Virgilius die Salzburger; alle fünf waren Iren; die Angelsachsen wurden ebenfalls hauptsächlich durch irische Missionare zum Christentum gebracht. Daneben aber galt Irland in ganz Europa als Pflanzschule der Gelehrsamkeit, so sehr, daß Karl der Große einen irischen Mönch Albinus nach Pavia als Lehrer berief, wo ihm später ein anderer Ire, Dungal, folgte. Der bedeutendste Mann aus der großen Anzahl für ihre Zeit wichtiger, aber jetzt meist vergessener irischer Gelehrten, war der „Vater" oder, wie Erdmann ihn nennt, der „Carolus Magnus1 der mittelalterlichen Philosophie" - Johannes Scotus Erigena. „Er war der erste, mit dem nun eine wahrhafte Philosophie beginnt", sagt Hegel von ihm. Er allein von allen Westeuropäern des 9. Jahrhunderts verstand Griechisch und knüpfte durch seine Ubersetzung der dem Dionysius Areopagita zugeschriebenen Schriften wieder an an den letzten Ausläufer der alten Philosophie, die alexandrinisch-neuplatonische SchuleC3683. Seine Lehre war von großer Kühnheit für seine Zeit; er leugnet die Ewigkeit der Verdammnis, selbst für den Teufel, und streift hart an den Pantheismus an; die gleichzeitige Orthodoxie ließ es daher auch nicht an Verlästerungen fehlen. Es dauerte volle zwei Jahrhunderte, bis die von Erigena begründete Wissenschaft in Anselm von Canterbury einen Fortbildner fand.* Ehe diese Entwicklung höherer Bildung aber auf das Volk zurückwirken konnte, wurde sie unterbrochen durch die Raubzüge der Nordmänner. Diese Raubzüge, die den Hauptstapelartikel des skandinavischen, besonders dänischen Patriotismus bilden, kamen zu spät und gingen von zu kleinen Völkern aus, als daß sie in Eroberungen, Kolonisationen und Staatenbildungen auf großem Maßstab hätten ausmünden können, wie dies bei den
* Näheres über Erigenas Doktrin und Werke in Erdmann, „Grundriß der Geschlichte] der Philosophie]", 2. Aufl. Berlin 1869, I. Bd., p.241-247. Erigena, der übrigens kein Geistlicher war, zeigt schon echt irischen kecken Witz. Als bei Tisch der ihm gegenübersitzende Karl der Kahle, König von Frankreich, ihn frug, wie groß der Abstand sei von einem Skoten (scot) bis zu einem Dummkopf (sot), antwortete Erigena: „Die Breite eines Tisches."
1 Karl der Große
früheren Einfällen der Germanen der Fall gewesen. Der Vorteil für die geschichtliche Entwicklung, den sie hinterlassen haben, ist verschwindend klein gegen die ungeheuren und selbst für Skandinavien fruchtlosen Störungen, die sie angerichtet. Irland war um das Ende des S.Jahrhunderts weit davon entfernt, von einer einigen Nation bewohnt zu sein. Ein Oberkönigtum der ganzen Insel existierte nur zum Schein, und auch das bei weitem nicht immer. Die Provinzialkönige, deren Zahl und Landbesitz fortwährend wechselte, bekriegten sich untereinander, und die kleineren Territorialfürsten hatten ebenfalls ihre Privatfehden. Im ganzen aber scheint in diesen inneren Kämpfen ein gewisser Komment geherrscht zu haben, der die Verwüstungen in bestimmte Grenzen bannte, so daß das Land darunter nicht zu sehr litt. Aber es sollte anders werden. 795, einige Jahre nach der ersten Heimsuchung Englands durch dasselbe Räubervolk, landeten Nordmänner auf der Insel Rathlin an der Küste von An tri m und brannten alles nieder; 798 landeten sie bei Dublin und werden seitdem fast jährlich in den Annalen erwähnt, als Helden, Fremde, Seeräuber, nie ohne den Zusatz losccadh (Niederbrennung) eines oder mehrerer Orte. Ihre Niederlassungen auf den Orkneys, Shetlands und den Hebriden (Süderinseln, Sudhreyjar der altnordischen Sagas) dienten ihnen als Operationsbasis gegen Irland wie gegen das spätere Schottland und gegen England. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts wären sie im Besitz Dublins*, das sie nach Giraldus erst in eine ordentliche Stadt umbauten, wie er ihnen auch die Erbauung von Waterford und Limerick zuschreibt. Der Name Waterford selbst ist nur die hier sinnlose Anglisierung des altnordischen Vedhrafiördhr, was entweder Sturmbucht (Wetterföhrde) oder Widderbucht bedeutet. Erstes Bedürfnis für die Nordmänner, sobald sie sich im Lande niederließen, war natürlich der Besitz befestigter Hafenstädte; die Bevölkerung dieser Städte blieb noch lange skandinavisch, hatte sich aber im 12. Jahrhundert längst den Iren in Sprache und Sitte assimiliert. Die Zwistigkeiten der irischen Fürsten untereinander erleichterten den Nordmännern die Ausplünderung und Niederlassung und selbst die zeitweilige Eroberung der ganzen Insel ungemein. Wie sehr Irland den Skandinaviern selbst als eins ihrer regelmäßigen Beuteländer galt, zeigt der
* Die Angabe Snorris in der „Haraldsaga" t369^, daß Harald Harfagrs Söhne, Thorgils und Frodi, zuerst von allen Nordmännern Dublin besessen hätten - also mindestens 50 Jahre später als angegeben steht mit den sämtlichen, für diese Zeit unbezweifelten irischen Nachrichten im Widerspruch. Snorri verwechselt offenbar Thorgils, den Sohn Harald Harfagrs, mit dem untenerwähnten Thorgils = Turgesius.
um das Jahr 1000 verfaßte angebliche Sterbegesang Ragnar Lodbroks im Schlangenturm König Ellas von Northumberland, das „Kräkumäl"[370]. In diesem Lied rafft sich die altheidnische Wildheit gleichsam zum letztenmal zusammen, und unter dem Vorwand, König Ragnars Heldentaten zu besingen, werden vielmehr die Raubzüge des gesamten nordischen Volks im eignen Lande, wie an den Küsten von Dünamünde bis Flandern, Schottland (das hier schon Skotland heißt, vielleicht zum erstenmal) und Irland kurz geschildert. Von Irland heißt es: „Wir schlugen drein mit Schwertern, häuften hoch Erschlagne, Froh ward des Wolfes Bruder der Atzung durch Wutkampf; Eisen traf auf Erzschild; nicht ließ Irlands Herrscher, Marstein, Mangel leiden den Mordwolf, noch den Adler; Ward im Vedhrafiördhr Walopfer gegeben den Raben. Wir schlugen drein mit Schwertern, morgens ein Spiel anhüben, Lustgen Kampf vor Lindiseyri, mit Landsfürsten dreien; Freuten sich nicht viele, daß heil von dort sie flohen; Falk kämpft ums Fleisch mit Wolfe, Wolfsrachen frahs manchen; Stromweis floß im Streite am Strand Blut der Iren."* Bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gelang es einem nordmännischen Wiking, Thorgils, von den Iren Turgesius genannt, sich ganz Irland zu unterwerfen, aber mit seinem Tode 844 fiel auch sein Reich auseinander, und die Nordmänner wurden vertrieben. Die Invasionen und Kämpfe dauern fort mit wechselndem Erfolg, bis endlich im Anfang des 11.Jahrhunderts der Nationalheld Irlands, Brian Borumha, ursprünglich
*„Hiuggu ver medh hiörvi, hverr läthverr of annan; gladhr vardh gera brödhir getu vidh soknar laeti, let ei örn ne ylgi, sä er Irlandi styrdhi, (mot vardh mälms ok rftar) Marsteinn konungr fasta; vardh i Vedhra firdhi valtafn geht hrafni. Hiuggu ver medh hiörvi, hädhum sudhr at rnorni leik fyrir Lindiseyri vidh lofdhünga threnna; färr ätti thvi fagna (feil margr 1 gyn ülfi, haukr sleit hold medh vargi), at hann heill thadhan kaemi; Yra blodh i oegi aerit feil um skaeru." Vedhrafiördhr ist, wie gesagt, Waterford; ob Lindiseyri irgendwo aufgefunden, ist mir unbekannt. Keinesfalls bedeutete es Leinster, wie Johnstone übersetzt; das eyri (sandige Landzunge, dänisch öre) weist auf eine ganz bestimmte Lokalität hin. Valtafn kann auch heißen Falkenfutter und wird hier meist so übersetzt, da aber der Rabe Odins heiliger Vogel ist, so spielt das Wort offenbar in beiden Bedeutungen.
nur König eines Teils von Munster, sich zum Beherrscher von ganz Irland aufschwingt und den mit konzentrierter Macht in Irland einfallenden Nordmännern am 23. April (Karfreitag) 1014 bei Clontarf (dicht bei Dublin) die Entscheidungsschlacht liefert, wodurch die Macht der Eindringlinge für immer gebrochen wird. Die Nordmänner, die sich in Irland niedergelassen hatten und von denen Leinster abhängig war (der König von Leinster, Maolmordha, war 099 durch ihre Hilfe auf den Thron gekommen und seitdem durch sie darauf erhalten worden), sandten in Voraussicht des bevorstehenden Entscheidungskampfs Boten aus nach den Süderinseln und Orkneys, nach Dänemark und Norwegen, um Zuzug zu bewirken, der auch reichlich ankam. Die „Niälssaga"t371] erzählt, wie Jarl Sigurd Laudrisson sich auf den Orkneys zum Auszug rüstete, wie Thorstein Siduhallsson, Hrafn der Rote und Erlinger von Straumey mit ihm fuhren, wie er am Palmsonntag mit allem seinen Heer nach Dublin (Durflin) kam:
„Da war auch gekommen Brodhir mit allem seinen Heer. Brodhir erprobte durch Zauberei, wie der Kampf gehen würde, und so ging die Antwort: wenn am Freitag gefochten würde, daß Brian der König fallen werde und den Sieg haben; und wenn früher gefochten würde, so würden alle fallen, die gegen ihn wären; da sagte Brodhir, daß nicht eher gekämpft werden sollte als am Freitag." Über die Schlacht selbst liegen uns zwei Versionen vor, die der irischen Annalen und die skandinavische der „Nialssaga". Nach dieser letzteren
„kam König Brian mit all seinem Heer gegen die Burg" (Dublin); „am Freitag fuhr das Heer" (die Nordmänner) „heraus aus der Burg, und beide Heere wurden geordnet. Brodhir war in einem Heerflügel, und König Sigtrygg" (nach den „Ann[alen] Inisfallfen]" t361! der König der Dubliner Nordmänner) „war im andern. Nun ist zu sagen von König Brian, daß er am Freitag nicht schlagen wollte, und es war aufgeschlagen um ihn eine Schildburg, und sein Heer war davor aufgestellt. Ulf Hraeda war in dem Flügel, dem Brodhir gegenüberstand; und in dem andern Flügel war Ospak und seine Söhne, da wo Sigtrygg gegenüberstand; und im Zentrum war Kerthialfadh und wurde vor ihm die Fahne getragen." Als der Kämpf losging, wurde Brodhir von Ulf Hraeda in einen Wald gejagt, wo er Schutz fand; Jarl Sigurd hatte harten Stand gegen Kerthialfadh, der bis zur Fahne drang und den Fahnenträger erschlug sowie den nächsten, der die Fahne ergriff; da weigerten sich alle, die Fahne zu tragen, und Jarl Sigurd nahm die Fahne von der Stange und verbarg sie zwischen seinen Kleidern. Bald darauf wurde er von einem Speer durchschossen, und damit scheint auch sein Heerhaufe geschlagen. Inzwischen war Ospak den
Nordmännern in den Rücken gefallen und warf Sigtryggs Heerflügel nach hartem Kampf. „Da ging die Flucht los in allen Scharen. Thorstein Siduhallsson machte halt, als die andern flohen, und band seinen Schuhriemen; da fragte ihn Kerthialfadh, warum er nicht liefe wie die andern? Da sagte Thorstein: ,Oh, ich komme doch heut abend nicht heim, ich bin zu Hause draußen in Island.' Und Kerthialfadh gab ihm Frieden." Brodhir sah nun aus seinem Versteck, daß Brians Heer die Fliehenden verfolgte und daß wenige Leute bei der Schildburg geblieben waren. Da lief er aus dem Walde, brach durch die Schildburg und erschlug den König (Brian, 88 Jahre alt, war selbstredend nicht mehr imstande, sich am Kampf zu beteiligen, und war im Lager geblieben).
„Da rief Brodhir laut: ,Das kann jetzt Mann dem Manne erzählen, daß Brodhir Brian gefällt hat.'" Aber die Verfolger kehrten zurück, umzingelten Brodhir und griffen ihn lebendig. „Ulf Hraeda schnitt ihm den Bauch auf und führte ihn um eine Eiche und wickelte so seine Därme aus ihm heraus um den Baumstamm und starb er nicht, bis sie alle aus ihm herausgehaspelt waren, und Brodhirs Leute wurden alle erschlagen." Nach den „Annalen von Inisfallen" war das nordmännische Heer in drei Haufen geteilt, der erste bestand aus den Dubliner Nordmännern nebst 1000 norwegischen Zuzüglern, die alle in langen Panzerhemden geharnischt waren; der zweite aus den irischen Hilfstruppen von Leinster unter König Maolmordha; der dritte aus dem Zuzug von den Inseln und Skandinavien unter Bruadhair, dem Chef der Flotte, die sie hergetragen, und Lodar, dem Jarl der Orkneys. Diesen gegenüber formierte Brian sein Heer ebenfalls in drei Haufen; die Namen der Führer stimmen aber nicht mit denen der „Niälssaga". Der Schlachtbericht selbst ist unbedeutend; kürzer und klarer ist der der „Vier Magister", welcher hier folgt:
„A.D. 1013" (steht infolge eines konstanten Fehlers für 1014). „Die Ausländer von ganz Westeuropa versammelten sich gegen Brian und Maelseachlainn" (gewöhnlich Malachy genannt, König von Meath unter Brians Oberhoheit), „und sie nahmen mit sich zehnhundert Mann in Panzerhemden. Eine heftige, wütende, gewaltige und böse Schlacht wurde zwischen ihnen gefochten, derengleichen nicht gefunden wurde in jener Zeit, zu Cluaintarbh" (Ochsenwiese, jetzt Clontarf) „gerade auf den Freitag vor Ostern. In dieser Schlacht wurden erschlagen Brian, 88 Jahre alt, Murchadh, sein Sohn, 63 Jahre alt, Conaing, sein Neffe, Toirdhealbhach, sein Enkel,..." (folgen eine Menge Namen). „Die" (feindlichen) „Truppen wurden endlich geworfen von der Tulcainn bis Athcliath" (Dublin) „durch Maelseachlainn, durch heftigen Kampf,
IRLAND

Tapferkeit und Dreinschlagen auf die Fremden und Leinsterleute; und da fiel Maelmordha, Sohn Murchadhs, des Sohnes Finns, König von Leinster,... und es waren außerdem noch ungezählte Tote unter denen von Leinster. Auch wurden erschlagen Dubhgall, Sohn Amhlanibhs" (gewöhnlich Anlaf oder Olaf genannt) „und Cillaciarain, der Sohn Gluniairns, zwei Unterführer (tanaisi) der Fremden, Sichfrith, der Sohn Lodars, Jarl der Orkneys (iarla insi h Oirc), Brodar, Anführer derer von Dänemark, der der Mann war, welcher Brian erschlug. Die zehnhundert Mann in Panzerhemden wurden zusammengehauen, und mindestens 3000 der Fremden wurden da erschlagen."
Die „Niälssaga" wurde etwa hundert Jahre nach der Schlacht in Island niedergeschrieben; die irischen Annalen beruhen wenigstens zum Teil auf gleichzeitigen Nachrichten. Beide Quellen sind vollständig unabhängig voneinander, beide stimmen nicht nur in den Hauptsachen, sie ergänzen sich auch gegenseitig. Wer Brodhir und Sigtrygg waren, erfahren wir erst aus den irischen Annalen. Sigurd Laudrisson heißt der Sichfrith, der Sohn Lodars; Sigfrith ist nämlich die richtige angelsächsische Form des altnordischen Namens Sigurd, und die skandinavischen Namen kommen in Irland auf Münzen sowohl wie in den Annalen - meist nicht in altnordischer, sondern in angelsächsischer Form vor. Die Namen der Unterführer Brians sind in der „Niälssaga" dem skandinavischen Organ mundgerecht gemacht; der eine, Ulf Hraeda, ist sogar ganz altnordisch, doch wäre es gewagt, wie einige tun, daraus den Schluß zu ziehn, daß auch Brian Nordmänner in seinem Heer gehabt. Ospak und auch Kerthialfadh scheinen keltische Namen; letzterer vielleicht aus dem bei den „IV Mag." genannten Toirdhealbhach entstellt? Das Datum - der Freitag nach Palmsonntag bei den einen, der Freitag vor Ostern bei den andern - stimmt genau, ebenso der Ort der Schlacht; obwohl er in der „Niälssaga" Kantaraburg (sonst = Canterbury)t37al heißt, wird er ausdrücklich dicht vor die Tore von Dublin gelegt. Den Verlauf der Schlacht beschreiben die „IV Mag." am genauesten: Die Nordmänner werden von der Ebene von Clontarf, wo sie Brians Heer angriffen, über die Tolka, einen kleinen Fluß, der dicht vor der Nordseite von Dublin vorbeifließt, nach der Stadt hineingeworfen. Daß Brodhir den König Brian erschlug, wissen beide; die näheren Angaben finden sich nur in der nordischen Quelle. Man sieht, unsre Nachrichten über diese Schlacht sind in Anbetracht der Barbarei jener Zeit ziemlich ausführlich und authentisch; es wird sich nicht manche Schlacht des 1 I.Jahrhunderts auffinden lassen, über die wir so bestimmte und [übereinstimmende Berichte von beiden Parteien haben. Das verhindert den Herrn Professor Goldwin Smith nicht, sie als einen „schattenhaften (shadowy) Konflikt" zu beschreiben. (I.e. p.48.) Im Kopf
32 Mars/Engels, Werke, Bd. 16
des Herrn Professors nehmen die robustesten Tatsachen allerdings sehr häufig eine „schattenhafte" Gestalt an. Nach der Niederlage von Clontarf werden die nordmännischen Raubzüge seltener und weniger gefährlich; bald kommen die Dubliner Nordmänner unter die Botmäßigkeit der benachbarten irischen Fürsten und verschmelzen in einer oder zwei Generationen mit den Eingeborenen. Als einzige Entschädigung für ihre Verwüstungen lassen die Skandinavier den Iren drei oder vier Städte und die Anfänge eines handeltreibenden Bürgertums zurück.
Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto mehr verschwinden die Kennzeichen, wodurch Völker desselben Stammes sich voneinander unterscheiden. Einerseits liegt dies in der Natur der Quellen, die im Verhältnis des höheren Alters dürftiger werden und sich auf das Wesentlichste beschränken,andrerseits aber auch in der Entwicklung der Völker selbst. Die einzelnen Zweige des Stammes standen sich um so näher, glichen ein« ander um so mehr, je weniger sie vom Urstamm selbst abstanden. Mit vollem Recht hat Jacob Grimm stets alle Nachrichten von den römischen Historikern, die den Cimbernzug beschrieben[3731, bis auf Adam von Bremen und Saxo Grammaticus, alle Literaturdenkmäler von „Beowulf" und „Hildebrandshed" bis auf die „Edden" und Sagas, alle Rechtsbücher von den leges barbarorum[375] bis auf die altdänischen und altschwedischen Gesetze und die deutschen Weistümer als gleich wertvolle Quellen für deutschen Nationalcharakter, deutsche Sitten und Rechtsverhältnisse behandelt» Der spezielle Charakter mag nur lokale Bedeutung haben, der Charakter, der sich in ihm spiegelt, ist dem ganzen Stamme gemein; und je älter die Quellen, desto mehr schwinden die lokalen Unterschiede. Wie Skandinavier und Deutsche im 7. und 8. Jahrhundert sich weniger unterschieden als heute, so müssen auch irische Kelten und gallische Kelten ursprünglich einander ähnlicher gewesen sein, als heutige Irländer und Franzosen sind. Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn wir in Cäsars Schildrung der Gallier eine Menge Züge finden, die Giraldus zwölf Jahrhunderte später wieder den Iren zuschreibt und die wir noch heute, trotz aller Beimischung germanischen Bluts, im irischen Nationalcharakter wiederfinden...13763
Friedrich Engels
[Aus den Fragmenten zur „Geschichte Irlands"]
Die Engländer haben Leute der verschiedensten Racen mit ihrer Herrschaft zu versöhnen gewußt. Die Waliser, die so streng auf ihre Nationalität und Sprache halten, sind dem Britischen Reich vollständig verwachsen. Die schottischen Kelten, obwohl rebellisch bis 1745[3771 und seitdem erst von Regierung und dann von ihrer eignen Aristokratie fast ausgerottet, denken nicht an Erhebung. Die Franzosen der Normannischen Inseln haben sich selbst während der großen Revolution mit Wut gegen Frankreich geschlagen. Und selbst die von Dänemark an England verkauften Helgoländer Friesen[378] sind mit ihrem Lose zufrieden, und es dürfte lange dauern, bis selbst die Lorbeeren von Sadowa[134] und die Errungenschaften des Norddeutschen Bundes[268] bei ihnen den Schmerzensschrei nach Vereinigung mit dem großen Vaterland wachrufen. Nur mit den Irländern sind die Engländer nicht fertig geworden. Die enorme Elastizität der irischen Race ist schuld daran. Nach der grausamsten Unterdrückung, nach jedem Versuch der Ausrottung standen die Irländer in kurzer Frist wieder stärker da als je vorher; ja, sie sogen ihre Hauptstärke aus der fremden Garnison, die zu ihrer Unterdrückung ihnen auferlegt; in zwei Generationen, oft in einer, waren die Fremdlinge irischer als die Iren geworden, Hiberniores ipsis Hibernis; und je mehr sie die englische Sprache annahmen und die irische vergaßen, desto irischer wurden sie.
Die Bourgeoisie macht alles zu einer Ware, also auch die Geschichtsschreibung. Es gehört zu ihrem Wesen, zu ihren Existenzbedingungen, alle Waren zu verfälschen: sie verfälschte die Geschichtschreibimg. Und diejenige Geschichtschreibung wird am besten bezahlt, die im Sinn der
Bourgeoisie am besten verfälscht ist. Teste1 Macaulay, der darum auch des ungeschickteren G. Smith unerreichtes Vorbild ist.
Die agrarischen Morde in Irland sind nicht zu unterdrücken, weil und solange sie das einzige wirksame Mittel gegen die Ausrottung des Volks durch die Landlords sind. Sie helfen, darum dauern sie fort und werden dauern trotz aller Zwangsgesetze. Quantitativ schwanken sie wie alle sozialen Erscheinungen; sie können sogar unter Umständen epidemisch werden, wo sie bei ganz unbedeutenden Gelegenheiten vorkommen. Die Epidemie ist zu unterdrücken, aber die Krankheit selbst nicht.
Geschrieben etwa Mai bis Mitte Juli 1870. Nach der Handschrift.
1 Bezeugt durch
Friedrich Engels
[Bemerkungen für das Vorwort zu einer Sammlung irischer Lieder13791]
Von den irischen Volksmelodien sind einige uralt, andre in den letzten 300-400 Jahren entstanden, manche erst im vorigen Jahrhundert; besonders hat damals einer der letzten irischen Barden, Carolan, viele erfunden. Diese Barden oder Harfner - Dichter, Komponisten und Sänger in einer Person - waren früher zahlreich, jeder irische Häuptling hatte den seinigen auf seiner Burg. Viele zogen auch als fahrende Sänger im Lande umher, verfolgt von den Engländern, die in ihnen mit Recht Hauptträger der nationalen, anti-englischen Tradition sahen. Die alten Lieder von den Siegen Finn Mac Cumhals (den Macpherson unter dem Namen Fingal in seinem ganz auf diesen irischen Liedern beruhenden „Ossian"[365] den Irländern abstahl und in einen Schotten verwandelte), von der Herrlichkeit des alten Königspalasts Tara, von den Heldentaten König Brian Borumhas, die späteren Lieder von den Kämpfen irischer Häuptlinge gegen die Sassanach (Engländer) wurden von diesen Barden im lebendigen Gedächtnis der Nation erhalten; und die Taten gleichzeitiger irischer Häuptlinge, im Kampf um ihre Unabhängigkeit, wurden von ihnen ebenso im Liede gefeiert. Als aber im siebenzehnten Jahrhundert durch Elisabeth, Jakob den Ersten, Oliver Cromwell und Wilhelm den Holländer das irische Volk vollständig niedergetreten, seines Landbesitzes zugunsten englischer Eindringlinge beraubt, geächtet und in eine Nation der Parias verwandelt war, wurden die fahrenden Sänger ebenso gehetzt wie die katholischen Priester und starben gegen Anfang dieses Jahrhunderts allmählich aus. Ihre Namen sind verschollen, von ihren Poesien sind nur Fragmente übriggeblieben, das schönste Vermächtnis, das sie ihrem geknechteten, aber unbesiegten Volk hinterlassen haben, sind ihre Melodien. Die Gedichte in irischer Sprache sind alle in vierzeiligen Strophen abgefaßt; es liegt daher den meisten, besonders den älteren Melodien immer, wenn auch oft etwas versteckt, dieser vierzeilige Rhythmus zugrunde, an
den sich häufig ein Refrain oder ein Nachspiel auf der Harfe anschließt. Manche dieser alten Melodien sind noch jetzt, wo die irische Sprache im größten Teil von Irland nur noch von alten Leuten oder gar nicht mehr verstanden wird, nur unter ihrem irischen Namen oder Anfangs worten bekannt. Der größere, jüngere Teil hat aber schon englische Namen oder Textesworte. Die Schwermut, die in den meisten dieser Melodien herrscht, ist auch heute noch der Ausdruck der nationalen Stimmung. Wie könnte es anders sein bei einem Volk, dessen Herrscher immer neue, immer zeitgemäße Methoden der Unterdrückung erfinden? Die neueste, seit vierzig Jahren eingeführte, seit zwanzig Jahren auf die Spitze getriebne Methode besteht in massenhafter Vertreibung der Irländer von Haus und Hof, und das ist in Irland gleichbedeutend mit Vertreibung aus dem Lande. Seit 1841 hat die Bevölkerung des Landes um drittehalb Millionen abgenommen und sind über drei Millionen Irländer ausgewandert. Alles zum Vorteil und auf Betreiben der großen Grundbesitzer englischer Abkunft. Wenn das noch dreißig Jahre so fortgeht, so gibt es Irländer nur noch in Amerika.
Geschrieben um den 5. Juli 1870. Nach der Handschrift.
Ii
Beilagen
Verzeichnis der Beilagen
A. Aufzeichnungen und Dokumente
B. Artikel von Jenny Marx zur irischen Frage
A. Aufzeichnungen und Dokumente

1
[Aufruf des Zentralrats an die Arbeitergesellschaften[3801]
International Working Men's Association Central Council 18, Greek Street, London, W. Gewerksgenossenschaften, Gesellschaften der gegenseitigen Hilfe und andere Arbeitergesellschaften sind eingeladen, geschlossen beizutreten; die einzige Bedingung hierfür ist, daß die Mitglieder die Prinzipien der Assoziation anerkennen und für ihre Beitrittserklärung (die lackiert und auf Leinwand mit Leisten aufgezogen ist) 5 sh. bezahlen. Von beitretenden Gesellschaften wird kein Beitrag gefordert; es bleibt ihnen überlassen, entsprechend ihren Mitteln und nach ihrem Ermessen Beiträge zu zahlen oder die Assoziation von Zeit zu Zeit zu unterstützen, wenn sie glauben, daß deren Anstrengungen eine Unterstützung rechtfertigen. Der Zentralrat ist gern bereit, die Adresse und Statuten, worin die Prinzipien und Ziele der Assoziation ausführlich dargelegt sind, jeder Gesellschaft zu schicken, die dies wünscht; innerhalb des Londoner Distrikts werden bereitwillig Abordnungen geschickt, die jede weitere gewünschte Auskunft erteilen. Beitretende Gesellschaften erhalten das Recht, einen Vertreter in den Zentralrat zu delegieren. Der Beitrag für Einzelmitglieder beträgt 1 sh. im Jahr zuzüglich 1 d. für die Mitgliedskarte. Die Karte sowie alle Auskünfte über die Assoziation kann man vom ehrenamtlichen Sekretär erhalten oder auf den Sitzungen des Zentralrats, die jeden Dienstag von acht bis zehn Uhr abends in der Greek Street Nr. 18 stattfinden. E. Dupont, korrespondierender Sekretär für Frankreich K. Marx, korrespondierender Sekretär für Deutschland E. Holtorp, korrespondierender Sekretär für Polen H. Jung, korrespondierender Sekretär für die Schweiz L. Lewis, korrespondierender Sekretär für Amerika G. Odger, Präsident des Zentralrats G. W. Wheeler, ehrenamtlicher Schatzmeister W. R. Cremer» ehrenamtlicher Generalsekretär
Antragsformular für Gesellschaften, die der Internationalen Arbeiterassoziation beitreten möchten Wir, die Mitglieder der versammelt in erklären unsere völlige Ubereinstimmung mit den Prinzipien und Zielen der Internationalen Arbeiterassoziation und verpflichten uns, sie zu verbreiten | • V "-p , »y • 1 A f * L * 1 " 1_ una in aie xai umzusetzen. Zum ^.eicuen unserer mUinchtigkeit ersuchen wir hiermit den Zentralrat, uns in den brüderlichen Bund als angeschlossene Zweiggesellschaft der Assoziation aufzunehmen. Unterschrieben im Auftrag von Mitgliedern Sekretär Präsident 186... Nach dem Flugblatt. Aus dem Englischen.
2
Bericht des Subkomitees über die Abhaltung eines Kongresses und einer Konferenz, verbessert und angenommen vom Zentralrat auf der Sitzung am 25. Juli 186513811
Entsprechend dem dringenden Ersuchen unserer französischen und Schweizer Korrespondenten - die den Zentralrat auffordern, Schritte zu unternehmen zur Erfüllung der bei der Gründung der Assoziation abgegebenen Verpflichtung, in diesem Jahr einen Kongreß in Brüssel einzuberufen, um Fragen zu beraten, die für die Proletarier Europas von allgemeinem Interesse sind - hat euer Komitee diese Frage geprüft und unterbreitet euch jetzt folgende Vorschläge: 1. Da es gegenwärtig nicht möglich ist, einen Kongreß in Brüssel oder London einzuberufen, schlagen wir vor, statt dessen eine Konferenz für Montag, den 25. September, in London einzuberufen. 2. Folgende Erklärung soll in den kontinentalen und britischen Zeitungen, die mit unserer Sache sympathisieren, veröffentlicht werden: „Der Zentralrat der Internationalen Arbeiterassoziation teilt mit, daß er beschlossen hat, die Einberufung eines allgemeinen Arbeiter-Kongresses in Brüssel oder an einem beliebigen anderen Ort aus folgenden Gründen zu verschieben:
erstens, weil er zu der Überzeugung gelangt ist, daß es zweckmäßiger sei, eine Vorkonferenz mit einer kleineren Zahl Delegierter der wichtigsten Zweiggesellschaften des Kontinents abzuhalten, um das Programm zu beraten, welches dem bevorstehenden Kongreß vorgelegt werden soll; zweitens, weil die Reformbewegung, die allgemeinen Wahlen und die Industrie-Ausstellung in Großbritannien sowie die Strikes in Frankreich die Energie und Aufmerksamkeit der Arbeiterklasse derart in Anspruch genommen haben, daß darunter die Entwicklung der Assoziation gelitten hat; drittens, weil das belgische Parlament in diesem Jahr ein Fremdengesetz erlassen hat, das die Ausführung des Plans der Assoziation, einen Kongreß in der Hauptstadt Belgiens abzuhalten, verhindert und jede Möglichkeit ausschließt, dort eine Konferenz einzuberufen." 3. Die Zusammensetzung der Konferenz soll folgende sein: von jeder zentralen Leitung sollen zwei Delegierte eingeladen werden, nebst zwei Delegierten aus Lyon. Die Reisekosten der Delegierten werden von den Zweiggesellschaften getragen, die sie vertreten; ihre Ausgaben in London werden vom Zentralrat bestritten. 4. Was die Bestreitung dieser Kosten anbelangt, so hat das Komitee von dem Bürger Jung das großzügige Angebot erhalten, den Delegierten aus der Schweiz Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. Zur Deckung der übrigen Ausgaben empfiehlt das Komitee: erstens, daß die Mitglieder des Zentralrats ihren Beitrag für das kommende Jahr im September, noch vor Zusammentritt der Konferenz, bezahlen; zweitens, daß der Generalsekretär angewiesen wird, die Sekretäre jener Gesellschaften, welche sich der Assoziation bereits angeschlossen haben, aufzurufen, daß sie sich bemühen sollen, an Einzelmitglieder Mitgliedskarten abzusetzen, damit die Kosten der Konferenz gedeckt werden können; drittens, daß den Mitgliedern des Zentralrats empfohlen wird, Mitgliedskarten zur Verbreitung entgegenzunehmen und diese dem Rat bar zu bezahlen, um die unmittelbaren Auslagen mit dem Erlös aus den Mitgliedskarten abzurechnen. 5. Das Komitee schlägt dem Zentralrat vor, das folgende Programm anzunehmen und der Konferenz zu unterbreiten. Das Programm wurde vom Zentralrat in folgender Form ergänzt und angenommen: 1. Fragen, die den Kongreß betreffen. 2. Fragen, die die Organisation der Assoziation betreffen. 3. Vereinigung der Anstrengungen im Kampf zwischen Arbeit und Kapital in den verschiedenen Ländern mit Hilfe der Assoziation. 4. Gewerksgenossenschaften, ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 5. Kooperativarbeit. 6. Direkte und indirekte Steuern.
7. Beschränkung des Arbeitstages. 8. Frauen- und Kinderarbeit. 9. Die moskowitische Gefahr für Europa und die Wiederherstellung eines unabhängigen und einheitlichen Polens. 10. Stehende Heere; ihr Einfluß auf die Interessen der produktiven Klassen. 6. Vorbereitende Sitzungen der Delegierten sollen zusammen mit dem Komitee, entscheidende Sitzungen mit dem Zentralrat durchgeführt werden. 7. Am 28. September wird aus Anlaß dreier Ereignisse eine Soiree gegeben: erstens zur Feier des Jahrestags der Gründung der Assoziation; zweitens zur Ehrung der kontinentalen Delegierten; drittens zur Feier des Sieges des Föderalismus und der freien Arbeit in Amerika. Das Programm der Soiree soll bestehen aus einem Tee, Ansprachen, Unterhaltung und Tanz.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
3 [Aus einem Brief von Jenny Marx an Johann Philipp Becker vom 29. Januar 1866[382]]
[„Der Vorbote"Nr. 2, Februar 1866] Einem Londoner Brief vom 29. Januar entnehmen wir folgende Zeilen: „In religiöser Hinsicht geht jetzt in dem verdumpften England eine bedeutungsvolle Bewegung vor sich. Die ersten Männer der Wissenschaft, Huxley (Darwins Schule) an der Spitze, mit Charles Lyell, Bowring, Carpenter usw. geben in St. Martin's Hall höchst aufgeklärte, wahrhaft kühne, freigeistige Vorlesungen für das Volk, und zwar an Sonntagabenden, gerade zu der Stunde, wo sonst die Schaf lein zur Weide des Herrn pilgerten; die Halle war massenhaft voll und der Jubel des Volkes so groß, daß am ersten Sonntagabend, wo ich mit meiner Familie zugegen war, mehr als 2000 Menschen keinen Einlaß mehr in den zum Ersticken angefüllten Raum finden konnten. Dreimal ließen die Pfaffen das Entsetzliche geschehen. - Gestern abend jedoch wurde der Versammlung angekündigt, daß keine Vorlesungen mehr gehalten werden dürften, bis der Prozeß der Seelsorger gegen die Sunday evenings for the people (Sonntagsvorträge für das Volk) erledigt sei. Die Entrüstung der Versammlung sprach sich entschieden aus, und mehr als 100 Pfund Sterling wurden sofort zur Führung des Prozesses gesammelt. Wie dumm von den Pfäfflein, sich einzumischen. Zum Ärger der
Frömmlerbande schlössen die Abende auch noch mit Musik. Chöre von Händel, Mozart, Beethoven, Mendelssohn und Gounod wurden gesungen und mit Enthusiasmus von den Engländern aufgenommen, denen bisher an Sonntagen nur erlaubt war, Jesus, Jesus meek and mild' (Jesus, Jesus sanft und mild) zu grölen oder in den Ginpalast (Schnapsschenke) zu wandern." Diese Vorgänge mögen wohl den Anlaß geben, daß die zahlreichen Freidenkervereine Englandst383] nun sämtlich aus ihrer bisher mehr zurückhaltenden Stellung zur Nutzanwendung ihrer Forschungen vor das Volk treten werden. Auch ist es ein Zeichen der Zeit, daß die Sache der Fenier[162] bei der englischen Arbeiterklasse tiefe Sympathien findet, sowohl weil sie gegen die Pfaffen gerichtet, als weil sie republikanisch ist.
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[Brief an das „Echo de Vervlers"I384]]
[„L'Echo de Verviers" Nr. 43 vom 20. Februar 1866] 18, Bouverie Street, Fleet Street, London An den Redakteur des „Echo de Verviers"
Monsieur, wir rechnen mit Ihrem Gerechtigkeitssinn und Ihrem Wunsche, „Wahrheit und Aufklärung in der Arbeiterklasse zu verbreiten", wenn wir Sie bitten, nachfolgenden Brief zu veröffentlichen; eine Kopie des Briefes wurde an den Bürger V.1 gesandt. Ihr ergebener Jung HerrV., in Nr. 293 des „Echo de Verviers" vom 16. Dezember 1865 ist ein Artikel erschienen, der vorgeblich bezweckt, die Arbeiter über den Geist aufzuklären, von dem die Mitglieder des Zentralrats der Internationalen Arbeiterassoziation erfüllt seien; der Bürger Le Lubez, der ihn dem Rat vorgelegt hat (wozu er beauftragt war), hat, obwohl der Artikel anonym erschienen ist, erkannt, daß dieser Ihrer Feder entstammt. Der Zentralrat hat nach Erörterung des Artikels folgende Resolution in der Sitzung vom 9.Januar 1866 angenommen:
1 Vesinier
„Der Bürger V. wird aufgefordert, die von ihm vorgebrachten Fakten zu begründen; falls er sich weigert oder die Beweise nicht geben kann, wird er aus der Internationalen Arbeiterassoziation ausgeschlossen." Da sich Ihr Artikel gänzlich von der Wahrheit entfernt, hat es der Zentralrat für seine Pflicht gehalten, die Tatsachen in ihrer vollen Wahrheit zu retablieren; der Zentralrat ist sich seiner Aufgabe und des ihm anvertrauten Mandats bewußt; er wird weder Verleumdungen mit Verleumdungen beantworten, noch Lügen mit Lügen; er wird sich nicht zu persönlichen Anechuldigungen erniedrigen, sondern wird es den Beschuldigten selbst überlassen, sich zu rechtfertigen; er wird vor keinem Hindernis zurückschrecken und den falschen Freunden zum Trotz keinerlei Makel und Schande an sich haften lassen. Besondere Beachtung verdienen die folgenden Passagen:
I „Bald reichten alle französischen und italienischen Mitglieder ihren Rücktritt ein, der mit der Zugehörigkeit der Herren Tolain und Fribourg zum Komitee und mit ihren Intrigen begründet wurde." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Von 9 französischen Mitgliedern traten nur zwei zurück - die Herren Denoual und Le Lubez, und letzterer trat sogar kurz danach wieder ein; was die Italiener betrifft, so begründete einer von ihnen (der BürgerWolff) seinen Rücktritt nicht „mit der Zugehörigkeit der Herren Tolain und Fribourg zum Komitee und mit ihren Intrigen", sondern mit einer vom Subkomitee vorgelegten Resolution des Zentralrats bezüglich des Bürgers Lefort1, der er selber wenige Stunden zuvor als Mitglied des Subkomitees zugestimmt hatte. II „Das Komitee setzte seine Tätigkeit bis zum heutigen Tage ohne sie fort.'" („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Von den beiden zurückgetretenen französischen Mitgliedern kehrte der Bürger Le Lubez, ehemals Sekretär für Frankreich, nach kurzer Zeit als Delegierter der Sektion von Deptford zurück; das Komitee war also nicht lange ohne ihn tätig. III „Es" (das Komitee) „veröffentlichte ein Manifest und Provisorische Statuten; ersteres entstammt der Feder eines bedeutenden Publizisten lateinischer Race usw." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Das Manifest und die Statuten wurden vor dem Rücktritt der italienischen und der beiden französischen Mitglieder veröffentlicht; das Manifest
entstammt der Feder nicht eines bedeutenden Publizisten lateinischer Race1, sondern eines Schriftstellers teutonischer Race2; das Manifest wurde einstimmig von allen Mitgliedern des Zentralrats, einschließlich der Franzosen und Italiener, angenommen, noch ehe der Publizist lateinischer Race von ihm Kenntnis erhielt; weit davon entfernt, sein Verfasser zu sein, hätte er, wenn er es gekannt hätte, auf Grund der antibourgeoisen Tendenz des Manifests die italienischen Mitglieder dagegen opponieren lassen; aber er kam zu spät und konnte letztere nur noch daran hindern, das Manifest ins Italienische zu übersetzen. Offensichtlich haben Sie dieses Manifest niemals gelesen, und der bedeutende Publizist lateinischer Race wird Ihnen wenig Dank wissen, daß Sie ihm die Vaterschaft dieses Werkes zuschreiben.
IV „Hat es" (das Komitee) „das Ziel verfolgt, das es sich gesteckt hatte - die völlige Emanzipation der Arbeiter? Nein! Statt dessen hat es ein Jahr kostbare Zeit verloren, um eine Konferenz einzuberufen und ein Programm des Kongresses auszuarbeiten, der in Genf stattfinden soll usw." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Der Zentralrat begann mit seiner Tätigkeit erst Anfang 1865. Also vergingen 9 Monate bis zur Konferenz; er benutzte diese 9 Monate „kostbarer Zeit", um internationale Verbindungen zu knüpfen und seine Verbindungen in England auszudehnen. Mehrere Monate hindurch wurden allwöchentlich Abordnungen, die sich aus Mitgliedern des Zentralrats zusammensetzten, zu den verschiedenen Arbeitergesellschaften entsandt, um diese zum Anschluß an die Assoziation zu veranlassen. Hier ist das Resultat: Zum Zeitpunkt der Konferenz zählte die Internationale Arbeiterassoziation in England 14 000 Mitglieder; unter anderen hatten sich solch bedeutende Gesellschaften angeschlossen, wie die der Schuhmacher und der Maurer; die einflußreichsten und bedeutendsten Männer dieser gewaltigen Arbeiterorganisationen (Trade-Unions) waren Mitglieder des Zentralrats; es wurde eine Zeitung gegründet, deren Titel schon („Workman's Advocate") ihre Aufgabe anzeigt, eine Zeitung, die stets und überall die Interessen der Arbeiterklasse verteidigt. Es wurde eine Gesellschaft für das allgemeine Wahlrecht in England (Reformliga) gegründet, eine Gesellschaft, die Tausende von Mitgliedern zählt; ihr Sekretär und die Mehrheit der Mitglieder ihres Exekutivkomitees wurden aus unserer Mitte gewählt. In Frankreich gibt es mehrere tausend Anhänger. In Paris gibt es eine starke, aktive und untadelige Leitung einer Organisation, die über 2000 Mitglieder zählt; Zweiggesellschaften gibt es in Lyon,
1 Giuseppe Mazzini - 2 Karl Marx
33 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
Rouen, Nantes, Caen, Neufchäteau, Pont-l'Eveque, Pantin, Saint-Denis, Lisieux, Puteaux, Belleville usw. usw. usw. In der Schweiz: In Genf gibt es eine Leitung, die sich aus den besten Kräften zusammensetzt. Sie steht an der Spitze einer Organisation, die 500 Mitglieder zählt; Zweiggesellschaften bestehen in Lausanne, Vevey, Montreux und im Kanton Neuchätel. In Belgien formierte sich die Bewegung unter den besten Vorzeichen; das Zentralkomitee hatte allen Grund zu glauben, daß Spanien nicht zögern würde, Belgien zu folgen. V „Nein! Es" (das Komitee) „hat zu seiner Konferenz vom September 1865 nicht einen einzigen Delegierten aus Deutschland eingeladen, das so viele Arbeitervereine zählt, nicht einen einzigen der zahlreichen Gesellschaften in England, nicht einen einzigen der so gut organisierten Gesellschaften Italiens und auch nicht eine einzige der in Frankreich bestehenden Gesellschaften, denn Tolain, Fribourg und Co. sind nicht die Delegierten einer französischen Arbeitergesellschaft; sie haben sich selbst delegiert und haben keinerlei Beweise irgendeines Mandats geliefert, mit dem man sie betraut hätte. Sie sind weit davon entfernt, Delegierte der französischen Arbeitergesellschaften zu sein, und so war ihre Anwesenheit die einzige Ursache, die diese Gesellschaften gehindert hat, Delegierte zu der Londoner Konferenz zu entsenden. Wir könnten mehrere solcher Gesellschaften nennen, die sich aus diesem Grunde geweigert hatten, an der Konferenz teilzunehmen usw. usw." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Prinzipiell konnten nur die Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation und die Gesellschaften, die sich zu ihren Grundsätzen bekannt hatten, auf der Konferenz vertreten sein; der Stand unserer Finanzen gebot uns, die Zahl der Delegierten auf ein Minimum zu beschränken. Von Deutschland, „das so viele Arbeitervereine zählt", hätten nur die von Schulze-Delitzsch gegründeten Konsumgenossenschaften vertreten sein können und die lassalleanischen Vereine, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein; die ersteren waren, ohne Wissen ihrer Mitglieder, nur ein Instrument der liberalen preußischen Bourgeoisie, zu deren Matadoren Schulze-Delitzsch gehört; die lassalleanischen Vereine waren und sind noch heute in völliger Auflösung; ein Teil von ihnen hatte sich mit Bismarck verbündet, der andere Teil, solange er sich noch nicht reorganisiert hatte, anerkannte die Leitung J.Ph.Beckers, des Schweizer Delegierten auf der Konferenz. Während der Sitzungen der Konferenz erhielt Becker ein Mandat von den Fabrikarbeitern Solingens, und auch die deutsche Gesellschaft in Genf (Deutscher Arbeiterbildungsverein) wurde durch ihn vertreten; die deutsche Gesellschaft in London (Deutscher Arbeiterbildungsverein) wurde durch ihre eigenen Delegierten vertreten, die gleichzeitig Mitglieder des Zentralrats warent385]. Außer den Hindernissen, denen die Arbeiter bei der Bildung von Vereinen in Deutschland begegnen, hindert sie auch noch die Gesetzgebung,
sich ausländischen Gesellschaften anzuschließen; indes wurden einige Sektionen der Assoziation in Nord- und Süddeutschland gebildet. Ist es angesichts all dieser Schwierigkeiten außergewöhnlich, wenn Deutschland nicht so gut vertreten war, wie das der Zentralrat hätte erwarten können? Die englischen Gesellschaften waren sehr gut vertreten durch die englischen Mitglieder des Zentralrats: Odger, sein Präsident, ist Sekretär des Trades Council (des obersten Rats aller Trade-Unions in England); Cremer, der Generalsekretär, gehört dem Exekutivkomitee der Zimmerleute an; Howell, Sekretär der Reformliga und Mitglied des Exekutivkomitees der Maurer; er und Coulson, Sekretär der Gesellschaft der Maurer, sind beide von dieser in den Zentralrat delegiert worden; Wheeler, Geschäftsführer einer Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, ist ebenfalls Mitglied des Zentralrats. Die Schuhmacher (5500 Mitglieder stark) sind durch Odger, Morgan und Cope vertreten, während Shaw die Maler vertritt usw. usw. Dem Bürger Wolff, der 1865 dem Kongreß der italienischen Arbeiter in Neapel beiwohnte, und den anderen italienischen Mitgliedern des Rats, gelang es jedoch niemals, wenngleich sie sich sehr aktiv an der Arbeit des Zentralrats beteiligten, in Italien auch nur ein Mitglied zu gewinnen; der Zentralrat bedauert es überaus, daß die italienischen Mitglieder, selbst vor ihrem Rücktritt, bei diesen „so gut organisierten Gesellschaften Italiens" nicht genug Vertrauen genossen, um auch nur eine einzige von ihnen zu veranlassen, sich der Internationalen Assoziation anzuschließen. „... nicht einen einzigen der in Frankreich bestehenden Gesellschaften, denn Tolain, Fribourg und Co. sind nicht die Delegierten einer französischen Gesellschaft; sie haben sich selbst delegiert." Die Mitglieder der Lyoner Sektion bedauerten, daß der Mangel an Geldmitteln sie daran hinderte, Delegierte zu entsenden, aber ebenso wie die Mitglieder der Sektionen von Caen und Neufchäteau sandten auch sie ein Manifest und bekundeten dadurch ihre Teilnahme an der Arbeit des Zentralrats. Tolain, Fribourg, Limousin und Varlin wurden in allgemeiner Abstimmung von der Pariser Sektion gewählt; diese Sektion setzt sich aus Arbeitern aller Berufe und aus mehreren hundert Mitgliedern der Assoziation Credit au Travail1 zusammen. Auch Beluze, der Leiter dieser Assoziation, gehört dazu; sie alle haben an der Wahl der Delegierten teilgenommen oder konnten daran teilnehmen; Limousin, einer der vier Pariser Delegierten, ist Sekretär der Leitung der „Association", des internationalen Organs der Kooperativgesellschaften.
1 Kredit für die Arbeit
Herr Clariol wurde vom Verband der Pariser Schriftsetzer delegiert. Auf Einladung des Zentralrats kamen aus Paris zur Konferenz die Herren Schily, Du Mesnil-Marigny und andere, die sich sehr aktiv an ihrer Arbeit beteiligten. Welche der anderen Gesellschaften, von denen Sie sprechen, hinderte die Anwesenheit von Tolain, Fribourg und Co., Delegierte zu der Konferenz zu entsenden? Etwa die Gesellschaft des 10. Dezember13861 die einzige, die unter dem gegenwärtigen Regime in Frankreich zugelassen ist? Der Bericht über die Konferenz erschien in allen liberalen Pariser Zeitungen, ohne eine einzige Beschwerde oder Reklamation seitens der Mitglieder der Internationalen Assoziation oder der französischen Kooperativgesellschaften hervorzurufen; die Mandate, welche die Delegierten erhielten, sind vom Subkomitee des Zentralrats überprüft und bestätigt worden. Gleich zu Beginn der Konferenz erstatteten die Pariser Delegierten einen detaillierten und genauen Bericht über ihre Leitung und die Verwaltung ihrer Finanzen. Zur Bestätigung des Berichts legten sie dem Zentralrat ihre Bücher vor und stellten ihm ihre gesamte Korrespondenz zur Verfügung. Der Zentralrat kann die Maßnahmen nur begrüßen, welche die Pariser Leitung zur Gründung und Propaganda der Internationalen Assoziation in Frankreich mit Erfolg unternommen hat.
VI „Belgien hatte einen überaus fähigen Delegierten geschickt, den Bürger De Paepe, aber er war der einzige Vertreter dieses Landes, das so viele Gesellschaften zählt." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Es ist bedauerlich, daß Belgien nur einen Delegierten geschickt hatte und daß dieser Delegierte gerade der Vertreter mit den wenigsten Wählerstimmen war; nichtsdestoweniger war dieses Land in der Person Cesar De Paepes würdig vertreten. VII „Die Schweiz, oder vielmehr Genf, hatte zwei geschickt, beide keine Schweizer, nämlich: einen französischen und einen badiscnen Flüchtling, die zu der Konferenz mit den beiden obigen sogenannten französischen Delegierten angekommen waren; insgesamt also 5 oder 6 von der gleichen Sorte und nur ein wirklicher und ernst zu nehmender Delegierter, der Vertreter Belgiens." („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Die Delegierten der Schweiz wurden in einer allgemeinen Abstimmung gewählt, und zwar von allen Mitgliedern der verschiedenen Sektionen der Internationalen Assoziation in der Schweiz, vom Grütliverein1387], der nur aus Schweizern besteht, und von der deutschen Gesellschaft. Der Deutsche Arbeiterbildungsverein nahm durch seine Vertreter in den Organisationen der Internationalen Assoziation in der Schweiz eben
falls an den Wahlen teil. Durch die Wahl ihrer Delegierten haben sich die Schweizer Mitglieder der Assoziation einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Internationalen Assoziation erworben. Die Schweizer Delegierten kamen zur Konferenz nicht „mit den beiden sogenannten französischen Delegierten", sondern mit den vier Pariser Delegierten. Der Bürger Becker, einer der Delegierten der Konferenz, ist seit über 20 Jahren naturalisierter Schweizer; ihm wurden die Bürgerrechte der Stadt Biel verliehen in Anerkennung der Dienste, die er der weltweiten Sache der Demokratie erwiesen hat; er, der Arbeiter, hat sich auch als Agitator, Soldat, Organisator und Schriftsteller ausgezeichnet; seine so vielfachen Talente hat er immer für die Sache der Arbeiter eingesetzt; es ist lächerlich zu sehen, wie Pygmäen derartige Riesen angreifen, und es steht fest, daß über deren Verdienste nur Männer von anerkannter Redlichkeit und Uneigennützigkeit urteilen können.
VIII „Wir fragen, kann dieses Resultat befriedigen?" („L'Echo de Verviers", Nr.293.) Der Zentralrat besteht fast ausschließlich aus Arbeitern; sie sind gewohnt, Hammer und Feile zu handhaben, und es kostet sie stets persönliche Opfer, diese durch die Feder zu ersetzen; wenn sie zur Feder greifen, so immer, um eine edle Sache zu verteidigen oder zu propagieren, und nicht, um ihre Dienste dem Bonapartismus anzubieten. Und wenn das Resultat nicht so befriedigend ist, wie es sich die Arbeiter im allgemeinen wünschten, so sind wir überzeugt, daß sie die Nachtarbeit in Rechnung stellen werden, die nach einem langen Tag ermüdender Arbeit geleistet wurde, und die Qualen, die ihre Brüder ausstehen mußten, ehe die Sache an den gegenwärtigen Punkt gelangte. IX „Schädlichen Einflüssen nachgebend, hat es in das Programm des Genfer Kongresses Punkte aufgenommen, die den Zielen der Assoziation fremd sind, wie z.B. die Frage der Beseitigung des russischen Einflusses in Europa." („L'Echo de Verviers", Nr. 294.) Welchen schädlichen Einflüssen also hat der Zentralrat nachgegeben, als er in sein Programm schrieb, daß es notwendig sei, den moskowitischen (nicht den russischen, was etwas ganz anderes bedeutet) Einfluß in Europa zu beseitigen? Die Notwendigkeit, „den moskowitischen Einfluß in Europa zu beseitigen", wird im Prinzip in unserem Manifest anerkannt, das gewiß nicht unter schädlichem Einfluß veröffentlicht worden ist. Welche Fragen wurden noch auf Grund schädlicher Einflüsse in das Programm aufgenommen?
X „Dieser ungeheure Fehler hat bereits verhängnisvolle Folgen gezeitigt: die Polen haben in Masse verlangt, ins Komitee aufgenommen zu werden und werden bald darin die große Mehrheit bilden." („L'Echo de Verviers", Nr.294.) Die Polen haben nicht in Masse gefordert, in den Zentralrat aufgenommen zu »Verden, und anstatt dann eine große IVlehrheit zu besitzen, bilden sie nicht einmal den zwanzigsten Teil davon. Kann man sich überhaupt noch mit einem Autoren unterhalten, der erklärt, „das Komitee habe ein Programm von zwölf Fragen ausgearbeitet und darüber abstimmen lassen, Fragen, die fast allesamt die allgemeinsten Probleme der politischen Ökonomie enthalten, ohne dabei aber auch nur eine wissenschaftliche Frage aufzuwerfen", und der einige Zeilen tiefer im gleichen Atemzuge „die wissenschaftliche Bedeutung" dieser gleichen Fragen anerkennt? Der Zentralrat nimmt keinerlei Ausschließlichkeit für sich in Anspruch und ist immer bestrebt gewesen, die Erkenntnisse aller aufrichtigen Freunde der Arbeitersache zu nutzen; er hat mit allen in seiner Macht stehenden Mitteln danach gestrebt, seine großen Prinzipien zu propagieren und die Arbeiter aller Länder zu vereinigen. Zu diesem Zwecke sind drei Zeitungen in der Schweiz gegründet worden: das „Journal de 1'Association Internationale des Travailleurs" und die „Voix de l'Avenir"[388] in französischer Sprache, der „Vorbote" in deutscher Sprache und in England der sWorkman's Advocate", die einzige englische Zeitung, die unter Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Völker anerkennt, daß die Iren das Recht haben, das englische Joch abzuschütteln. Der Zentralrat kann nicht Richter über seine eigenen Handlungen sein. Der Genfer Kongreß wird entscheiden, ob der Rat des Vertrauens würdig ist, mit dem er beehrt wurde, oder ob er das erhabene Ziel, das ihm gesteckt wurde, leichtfertig preisgegeben hat. Ich verbleibe, Monsieur, Ihr sehr ergebener H. Jung Im Namen des Zentralrats der Internationalen Arbeiterassoziation 15. Februar 1866
Aus dem Französischen.
5
[Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx über die Beziehungen Mazzinis zur Internationalen Arbeiterassoziation[389]]
[Aus dem Protokoll der Sitzung des Zentralrats vom 13. März 1866]
Bürger Marx befaßte sich in seiner Rede mit dem Verfahren auf der letzten Sitzung. Er sagte, die Erklärung Major Wolffs, daß Mazzini unsere Statuten verfaßt habe, entspreche nicht der Wahrheit. Er selbst, Marx, habe sie geschrieben, nachdem im Komitee verschiedene Entwürfe, unter anderem auch der von WolffI390], erörtert worden seien. Die Entwürfe hätten sich in zwei Punkten grundlegend voneinander unterschieden. Er, Marx, habe von der Unterdrückung der Arbeit durch das Kapital gesprochen. Wolff habe sich für Zentralisation ausgesprochen, unter Arbeiterassoziationen aber nur Gesellschaften der gegenseitigen Hilfe verstanden. Mazzinis Statuten seien zur Zeit der Konferenz in Neapel gedruckt worden. Mazzini könne Marx' Adresse schwerlich gesehen haben, bevor sie gedruckt worden sei, da sie sich in der Tasche von Marx befunden habe, es sei denn, Mazzini habe sie gesehen, nachdem sie in die Hände von Le Lubez gelangt sei und ehe sie an den „Bee-Hive" gegeben wurde. Ferner habe Mazzini nach Brüssel an Fontaine einen Brief gesandt, welcher für die belgischen Gesellschaften bestimmt gewesen sei und in dem er sie vor Marx' sozialistischen Ansichten gewarnt habe; das habe De Paepe auf der Konferenz berichtet13915. Major Wolff sei nicht Mitglied des Rats. Er hätte den Rat brieflich informieren müssen, daß er beabsichtige, seine Beschwerde vorzutragen. Marx protestierte in seinem Namen und im Namen der anderen Sekretäre für den Kontinent gegen das Verfahren in der letzten Sitzung und bat, dies im Protokoll zu vermerken, da die Frage vielleicht auf dem Genfer Kongreß zur Sprache gebracht werde.
6
[Statuten und Reglement der Internationalen Arbeiterassoziation
Ststutfin ä©? Intsüti^tiosslss >&vkaSto«iaeeQ2istiun angenommen auf der Sitzung des Genfer Kongresses vom 5. September 1866
In Erwägung, daß die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muß; daß der Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse kein Kampf für neue Klassenvorrechte ist, sondern für gleiche Rechte und Pflichten und für die Vernichtung aller Klassenherrschaft; daß die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen, der Knechtschaft in allen ihren Formen zugrunde liegt - dem gesellschaftlichen Elend, der geistigen Verkümmerung und der politischen Abhängigkeit; daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist; daß alle Versuche in dieser Richtung bisher gescheitert sind aus Mangel an Einigung unter den mannigfachen Arbeitszweigen jedes Landes und an der Abwesenheit eines brüderlichen Bundes unter den Arbeiterklassen der verschiedenen Länder; daß die Emanzipation der Arbeiter weder eine lokale, noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfaßt, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken dieser Länder abhängt; daß die gegenwärtig sich erneuernde Bewegung der Arbeiterklasse in den industriellsten Ländern Europas, während sie neue Hoffnungen wachruft, zugleich feierliche Warnung erteilt gegen einen Rückfall in die alten Irrtümer und zur sofortigen Zusammenfassung der noch zusammenhangslosen Bewegungen drängt; aus diesen Gründen erklärt der vom 3. bis 8. September 1866 in Genf versammelte Kongreß, daß diese Assoziation und alle Gesellschaften und Individuen, die sich ihr anschließen, Wahrheit, Gerechtigkeit und Sittlichkeit anerkennen als die Regel ihres Verhaltens zu allen Menschen, ohne Rücksicht auf Farbe, Glauben oder Nationalität.
Der Kongreß erachtet es als Pflicht, die Rechte eines Menschen und Bürgers für alle zu fordern. Keine Rechte ohne Pflichten, keine Pflichten ohne Rechte. Und in diesem Geist hat der Kongreß nachfolgende Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation definitiv angenommen: Art. I. Die Assoziation ist gegründet zur Herstellung eines Mittelpunktes der Verbindung und des Zusammenwirkens für die in verschiedenen Ländern bestehenden Arbeitergesellschaften, welche dasselbe Ziel verfolgen, nämlich: den gegenseitigen Schutz, den Fortschritt und die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse. Art. II. Der Name dieser Gesellschaft ist: Internationale Arbeiterassoziation. Art. III. Der Generalrat wird gebildet aus Arbeitern, angehörig den verschiedenen, in der Internationalen Assoziation repräsentierten Ländern. Er besetzt aus seiner Mitte die zur Geschäftsführung nötigen Stellen, wie die des Präsidenten, Generalsekretärs, Schatzmeisters und der Sekretäre für die verschiedenen Länder. Der Kongreß bestimmt jährlich Zeit und Ort für die Zusammenkunft des nächsten Kongresses, bestimmt den Sitz des Generalrats und wählt dessen Mitglieder. Der Generalrat ist ermächtigt, sich neue Mitglieder beizufügen. Die Abgeordneten versammeln sich zu der vom Kongreß bestimmten Zeit und Stelle, ohne daß dazu eine besondere Einladung erheischt wäre. Der Generalrat kann im ./Vorfall den Ort der Zusammenkunft verlegen, aber nicht ihren Zeitpunkt aufschieben. Art. IV. Auf seinen jährlichen Zusammenkünften erhält der Kongreß einen öffentlichen Bericht über die Jahresarbeit des Generalrats. Letzterer kann in dringenden Fällen den Kongreß vor dem festgesetzten Termin berufen. Art. V. Der Generalrat wirkt als Agentur zwischen den verschiedenen Assoziationen, so daß die Arbeiter eines Landes fortwährend unterrichtet bleiben über die Bewegungen ihrer Klasse in allen anderen Ländern; daß eine Untersuchung über den sozialen Zustand gleichzeitig und unter gemeinsamer Leitung stattfindet; daß Fragen von allgemeinem Interesse, angeregt von einer Gesellschaft, von allen andern aufgenommen werden und daß sich die Assoziation, wenn praktische Vorschläge oder internationale Zwiste ihre Einmischung erfordern, gleichförmig betätigen kann. Bei jeder passenden Gelegenheit ergreift der Generalrat die Initiative der den verschiedenen nationalen oder lokalen Gesellschaften zu unterbreitenden Vorlagen. Zur Erleichterung seines Verkehrs mit den Zweiggesellschaften gibt der Generalrat ein Bulletin heraus. Art. VI. Da der Erfolg der Arbeiterbewegung in jedem Lande nur gesichert werden kann durch die Macht der Einigung und Kombination,
während andrerseits die Wirksamkeit des Generalrats um so größer sein wird, je weniger er seine Aktionen zersplittert, so sollen die Mitglieder der Internationalen Assoziation alle ihre Kräfte aufbieten zur Vereinigung der lokalen Gesellschaften ihrer betreffenden Länder in nationale Körper, repräsentiert durch Zentralräte. Es versteht sich von selbst, daß die Anwendung dieses Artikels von den Sondergesetzen jedes Landes abhängt und daß abgesehen von Gesetzlichen Hindernissen keine lokale ^"*esel!sr*häft ^^n direkter Korrespondenz mit dem Generalrat ausgeschlossen ist.
Reglement1
1. Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen. a) Zu diesem Behufe sammelt er die ihm von den Zentralräten der verschiedenen Länder übersandten und auf andern Wegen ihm zukommenden Materialien. , b) Er ist beauftragt mit der Organisierung der Kongresse und soll den Zweiggesellschaften vermittelst der Zentralräte das Kongreßprogramm mitteilen. 2. Sooft seine Mittel es erlauben, wird der Generalrat einen Bericht veröffentlichen, der sich über alles erstreckt, was von Interesse für die Internationale Arbeiterassoziation ist. Dieser Bericht wird sich hauptsächlich befassen mit Nachfrage und Angebot von Arbeit, mit kooperativen Gesell„,L_X,.„„ „„..; T u :—11 T acnai Leu au wie iiiil UCI i_,agc uci ruüciiciKiaaac in aiicn i_.aiiu.cni uSw. 3. Der Bericht wird in verschiedenen Sprachen aufgesetzt und gratis an alle mit dem Generalrat korrespondierenden Komitees versandt, welche jeder ihrer Sektionen ein Exemplar davon vermachen. 4. Um dem Generalrat die Ausführung dieser Beschlüsse zu ermöglichen, wird für das Jahr 1866/1867 ausnahmsweise ein Beitrag von 30 Centimes (3 Pence) von jedem Mitgliede der Internationalen Arbeiterassoziation erhoben. Diese Beiträge sind hauptsächlich bestimmt zur Deckung der zahlreichen Kosten des Generalrats, wie z.B. für die Besoldung des Generalsekretärs, Druckschriften, Korrespondenz, Publikationen, Veranstaltungen und andere Vorbereitungen für Kongresse usw. 5. Überall, wo es die Umstände erlauben, werden Zentralräte gebildet. Die Funktionäre derselben, welche von den betreffenden Sektionen gewählt werden und jederzeit durch sie abberufen werden können, schicken ihre Berichte diem Generalrat mindestens monatlich einmal und wenn nötig noch öfters. 6. Die Kosten der Zentralräte werden von verschiedenen mit ihnen verbundenen Zweiggesellschaften gedeckt.
1 Im Original; Reglements speciaux
7. Die mit dem Generalrat in Korrespondenz stehenden Zentralräte sowie der Generalrat sind nur dann verpflichtet, den Kredit zu garantieren, der den Mitgliedern der Assoziation von ihren Sektionen ausgestellt wird, wenn ihr Mitgliedsbüchlein vom Sekretär derjenigen Sektion, welcher der Überbringer angehört, unterschrieben ist. Im Falle die Sektion, in welcher der Überbringer von seinem Kredit Gebrauch machen will, nicht über die Mittel verfügt, so ist sie berechtigt, auf das Büro oder die Sektion, welche den Kredit ausgestellt haben, einen Wechsel auf Sicht zu ziehen. 8. Die Zentralräte und Sektionen müssen jedem Mitgliede der Assoziation, auf sein Verlangen, Einsicht in die Berichte des Generalrats unentgeltlich gestatten. 9. Jede Sektion, welches immer die Zahl ihrer Mitglieder, kann einen Delegierten zum Kongreß senden. Ist eine Zweiggesellschaft außerstande, einen Delegierten zu senden, so kann sie sich wegen Ernennung eines gemeinsamen Delegierten mit andern Zweigen einigen. 10. Die Unkosten der Delegierten werden bestritten von den sie ernennenden Zweiggesellschaften oder Gruppen. 11. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation ist stimmfähig und wählbar. 12. Jede Zweiggesellschaft oder Gruppe von mehr als 500 Mitgliedern kann für je 500 zuschüssige Mitglieder einen weiteren Delegierten ernennen. 13. Jeder Delegierte hat nur eine Stimme auf dem Kongreß. 14. Jede Sektion hat das Recht, sich ihr Reglement und ihre Statuten je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen zu geben. Dieselben dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten und dem Allgemeinen Reglement Widersprechendes enthalten. 15. Die gegenwärtigen Statuten und das Reglement können durch jeden Kongreß abgeändert werden, sobald zwei Drittel der anwesenden Delegierten sich dafür erklären.
Nach der Handschrift von Karl Marx und Paul Lafargue. Aus dem Französischen.
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[Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx auf dem Stiftungsfest des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London am 28. Februar 1867t393]]
[„Der Vorbote" Nr. 3, vom 3. März 1867] Karl Marx sprach über die Lohnarbeit und das Kapital und wies mit großer Klarheit nach, wie die Arbeiter das Kapital verschaffen, wie sie durch das Produkt ihrer eigenen Arbeit in der Sklaverei erhalten wurden und wie das Kapital fortwährend benutzt werde, ihre Ketten fester zu schmieden. Der sogenannte freie Arbeiter habe wohl das Bewußtsein, freier Arbeiter zu sein, aber er sei um so mehr in der Gewalt der Kapitalmacht, als er gezwungen sei, seine Arbeit für einen elenden Lohn zu verkaufen, um die allernötigsten Lebensbedürfnisse dafür zu erhalten. Der freie Arbeiter stehe materiell in den meisten Fällen unter dem Sklaven und dem Leibeigenen. Die Arbeiterklasse brauche nicht das persönliche Eigentum abzuschaffen, das sei längst abgeschafft und werde tagtäglich abgeschafft, was jedoch abgeschafft werden müsse, sei das bürgerliche Eigentum, welches doch nur auf Betrug gegründet sei. In betreff der sozialen Verhältnisse in Deutschland bemerkte Marx, daß das deutsche Proletariat noch am ersten fähig sei, eine Radikalkur siegreich durchzuführen. Erstens hätten sich die Deutschen am meisten von allem religiösen Unsinn befreit; zweitens brauchten sie nicht die langwierige bürgerliche Bewegung durchzumachen wie die Arbeiter anderer Länder, und drittens werde sie ihre geographische Lage zwingen, dem östlichen Barbarismus den Krieg zu erklären, denn von dort aus, von Asien, sei alle Reaktion gegen den Westen ausgegangen. Dadurch werde die Arbeiterpartei auf den revolutionären Boden hingedrängt, auf welchem sie handeln müsse, um sich gänzlich zu befreien.
8 Aufruf des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation an die Sektionen» mitgenossischen Gesellschaften und alle Arbeiter13941 Proletarier! Laut den Korrespondenzen, welche wir erhalten, ersehen wir, daß die Mitglieder der Assoziation fortfahren, die Grundsätze zu verbreiten und die Zahl der Zweige der Internationalen Genossenschaft zu vermehren. Diese Leistung ist namentlich in der Schweiz erheblich, wo die Mehrzahl unserer Zweige eifrig beschäftigt ist, Arbeitergesellschaften jeder Art zu errichten und sie mit uns in Verbindung zu setzen. Belgien macht seit der Niedermetzelung der Marchiennenf395J die anerkennungswertesten Anstrengungen, alle Proletarier unter unsern Schutz und Schirm zu bringen. Doch in den andern Ländern haben verschiedene Ursachen solche Propaganda gehemmt: Deutschland, welches vor 1848 so tiefes Interesse an den Studien der sozialen Frage genommen hatte, sieht seine Kräfte fast gänzlich durch die Einheitsbewegung, welche sich in seinem Innern vollzieht, in Anspruch genommen. In Frankreich hat sich bei der geringen Freiheit, welche die Arbeiterklasse genießt, die Verallgemeinerung der Grundsätze und die Ausdehnung unserer Assoziation lange nicht in dem Maße vollzogen, als es sonst zu erwarten gewesen wäre; denn wir durften glauben, daß die Beihülfe,welche den französischen Arbeitergesellschaften durch unsere Vermittlung von den englischen Arbeitergesellschaften, bei den Greven1 jener[396], zuteil wurde, alle französischen Arbeiter für uns gewonnen haben würde. Jetzt, wo in Frankreich der Kampf zwischen der Kapitalisten- und Arbeiterklasse in die Phase, welche wir die „englische" nennen, getreten, d.h. einen klar gezeichneten Charakter angenommen, dürften die Arbeiter bald begreifen, daß, um mit Erfolg gegen die Gewalt der Kapitalisten zu ringen, ein mächtiger Bund, der alle Glieder der Arbeitergemeinschaft in sich vereinigt, notwendig ist. England, das mit der Wahlreform beschäftigt war, hatte die ökonomische Bewegung für einen Augenblick beiseite gelassen. Jetzt aber, wo die Reformfrage einstweilen erledigt, durch die angestellten Untersuchungen der Gewerksverbände[397] sich die Macht der Arbeiterklasse bestätigt und zum Bewußtsein gelangt, gedenken wir, daß die Stunde gekommen, 1 Streiks
wo die Arbeitergesellschaften die Nützlichkeit unserer Assoziation begreifen. Schon bei oft wiederholten Anlässen wurde auf den Arbeiterdelegierten-Versammlungen der Wert unserer Assoziation richtig erkannt und haben sich bereits zahlreiche Gesellschaften in unserem Schöße gebildet. England ist vermöge der mächtigen Organisation der Arbeiterklasse ganz dazu berufen, eine unserer festesten Stützen zu sein. Die Vereinigten Staaten Amerikas scheinen durch den blutigen Krieg, welchen sie durchgemacht, eine neue Jugend empfangen zu haben: die Arbeiterklasse hat sich schon zentralisiert und, ihre Tätigkeit auf die dort geltende Bourgeoisherrschaft ausübend, mehrere Staatsgesetzgebungen gezwungen, das Achtstundengesetz anzunehmen. Bei Gelegenheit der Wahl des künftigen Präsidenten sahen sich die verschiedenen politischen Parteien genötigt, ihr Glaubensbekenntnis abzulegen; die radikale Partei hat durch den Mund Wades die Notwendigkeit anerkannt, sich ganz besonders mit der Frage der Arbeit und des Kapitals zu befassen, und sich aufrichtig für die Umgestaltung des Kapital- und Grundeigentums ausgesprochen. Da die Arbeiterklasse in diesem Lande eine erhebliche Kraft der Organisation besitzt, so ist sie auch befähigt, ihren Willen zur Geltung zu bringen. Zur Stunde ist in allen zivilisierten Ländern die Erhebung der Arbeiterklasse in gutem Gange und ist vornehmlich dort, wo, wie in Amerika und England, die Industrie am fortgeschrittensten, die Organisation der Arbeiterklasse die festgeschlossenste und der Kampf mit der Bourgeoisie der hartnackigste. Gegenüber der Kapitalkraft ist die individuelle Menschenkraft verschwunden und ist der Arbeiter in den Manufakturen nicht mehr als wie ein Räderwerk der Maschine. Für die Wiedergewinnung ihrer Individualität mußten die Arbeiter sich vereinigen und Genossenschaften bilden zur Verteidigung ihres Lohnes und ihres Lebens. Bis jetzt blieben diese Assoziationen mehr lokaler Art; allein das Kapital sieht vermöge neuer industrieller Erfindungen seine Kraft täglich wachsen, wodurch eine große Anzahl der nationalen Genossenschaften in eine ohnmächtige Lage geraten; die Kämpfe der englischen Arbeiterklasse studierend gewahrt man, wie die Fabrikherrn, um ihren Arbeitern zu widerstehen, sowohl fremde Arbeiter kommen, als auch die Waren dort anfertigen ließen, wo die Arbeitslöhne billiger stehen. Gegenüber dieser Sachlage muß die Arbeiterklasse, wenn sie ihren Kampf mit einiger Aussicht auf Erfolg fortsetzen will, ihre nationalen Assoziationen in internationale umgestalten. Mögen alle Arbeiter diesen neuen Standpunkt der Frage mit Aufmerksamkeit betrachten und einsehen, daß, wenn sie sich unter unserer Fahne sammeln, sie ihr Brot und das ihrer Kinder verteidigen. Wir, Generalrat, appellieren an alle, damit der nächste Kongreß, welcher am 2. September 1867 in Lausanne stattfindet, zur glanzvollen Kundgebung der Arbeiterklasse werde.
(In dem auf dem ersten Kongreß angenommenen Reglement heißt es Art. 9: Jede Sektion, ob groß oder klein, hat das Recht, einen Delegierten auf den Kongreß zu schicken. Ist eine Sektion nicht imstande, einen Delegierten zu schicken, so soll sie mit andern Sektionen eine Gruppe bilden, welche alsdenn einen Delegierten ernennt. Art. 12: Jede Sektion oder Gruppe, welche mehr als 500 Mitglieder zählt, hat für jedes weitere 500 je einen Delegierten zu ernennen.t398]) Die Kongreßfragen sind: 1. Welches sind die praktischen Mittel, um die Internationale Arbeiterassoziation zu befähigen, der Arbeiterklasse (männlichen und weiblichen Geschlechts) einen gemeinsamen Mittelpunkt der Handlung im Befreiungskampfe vom Kapitaljoche zu bieten? 2. Wie können die Arbeiterklassen den Kredit, welchen sie der Bourgeoisie und den Regierungen verleihen, zu ihrer Emanzipation benutzen? London, im Juli Mit brüderlichem Gruß: Die korrespondierenden Sekretäre: E. Dupont, für Frankreich; K. Marx, für Deutschland; Zahicki, für Polen; H.Jung, für die Schweiz; P. Fox, für Amerika; Besson, für Belgien; Carter, für Italien; P. Lafargue, für Spanien; Hansen, für Holland und Dänemark G. Odger, Präsident G. Eccarius, Vizepräsident W. Dell, Tresorier Shaw, Sekretär-Tresorier Peter Fox, Generalsekretär 16, Castle-Street, Oxford Street
Nach dem Flugblatt in deutscher Sprache.
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[Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx über die Statistik des neuen Blaubuchs[399]]
[Aus dem Protokoll der Sitzung des Generalrats vom 23. Juli 1867]
Bürger Marx lenkte die Aufmerksamkeit des Rats auf ein parlamentarisches Blaubuch - „Reports by Her Majesty's Secretaries of embassy and legation on the manufactures and commerce of the countries in which they reside", 1867 - und zitierte daraus folgenden Auszug: „In den ersten elf Monaten von 1864 importierte Belgien 7200 Tonnen unbearbeitetes Gußeisen, davon 5300 Tonnen aus Großbritannien. Im entsprechenden Zeitraum von 1865 stieg dieser Import auf 18 800 Tonnen, davon kamen 17 000 Tonnen aus Großbritannien; 1866 stieg der Import auf 29 590 Tonnen, wovon 26 200 Tonnen aus Großbritannien. Andererseits betrug der belgische Gußeisenexport in den ersten elf Monaten von 1864 24 400 Tonnen, wovon 17 200 Tonnen nach Frankreich und 5900 Tonnen nach England gingen, während der Export im entsprechenden Zeitraum von 1866 nicht mehr als 14 000 Tonnen betrug; davon wurden 9600 Tonnen nach Frankreich und nur 241 Tonnen nach Großbritannien exportiert. Die Exporte belgischer Schienen fielen ebenfalls von 75 353 Tonnen in den ersten elf Monaten von 1864 auf 62 734 Tonnen im Jahre 1866. Es folgt eine Tabelle mit genauen Angaben über den belgischen Import von Eisen und Stahl aller Sorten aus Großbritannien und über den belgischen Export von Eisen und Stahl nach Großbritannien in den ersten elf Monaten von 1866 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum von 1864.
Belgische Importe aus Großbritannien Die ersten elf Monate 1866 in Tonnen
fcrz- und Feüspäne Roh-, Guß- und Alteisen Bearbeitetes Eisen (Nägel, Draht etc.) Gußwaren Schmiedeeisen Stahlbarren, -platten und -draht Schmiedestahl
0 26211 1031 41 255 3219 522
5296 1777 24 203 1227 0 Insgesamt 31 289 8528
Belgische Exporte nach Großbritannien Die ersten elf Monate 1866 in Tonnen
Erz- und Feilspäne Roh-, Guß- und Alteisen Bearbeitetes Eisen (Nägel, Draht etc.) Gußwaren Schmiedeeisen Stahlbarren, -platten und -draht Schmiedestahl
1768 241 6727 5 12 50 16
5555 5920 9436 7 0 56 5 Insgesamt 8819 20 979
So kann als Ergebnis kurz festgestellt werden: Belgien exportierte 1864 (in den ersten elf Monaten) nach England 20 979 Tonnen Elisen und Stahl, 1866 jedoch nur 8819 Tonnen, während der britische Export von Eisen und Stahl nach Belgien von 8528 Tonnen im Jahre 1864 auf 31 289 Tonnen im Jahre 1866 stieg." Marx erinnerte daran, daß sich im vergangenen Jahr einige bürgerliche Zeitungen über die verderblichen Folgen der Existenz von Trade-Unions ereiferten und behaupteten, daß durch deren Tätigkeit die englische Eisenindustrie ihre Positionen verliere und von der belgischen Eisenindustrie verdrängt werde. Keine dieser Zeitungen, die diesen Lärm erhoben hatten, habe das Erscheinen dieses Blaubuches mitgeteilt, geschweige denn über dessen Inhalt berichtet.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
[Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx über die Stellung der Internationalen Arbeiterassoziation zum Kongreß der Friedens- und Freiheitsligat400]]
[Aus dem Protokoll der Sitzung des Generalrats vom 13. August 1867]
Bürger Marx lenkte die Aufmerksamkeit auf den Friedenskongreß, der in Genf stattfinden soll. Er halte es für wünschenswert, daß soviel Delegierte wie möglich als Einzelpersonen am Friedenskongreß teilnähmen; es wäre
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34 Marx/Engels, Werke, Bd. 16
jedoch unklug, offiziell als Vertreter der Internationalen Assoziation daran teilzunehmen. Der Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation sei an sich schon ein Friedenskongreß, da die Vereinigung der Arbeiterklasse der verschiedenen Länder internationale Kriege schließlich unmöglich machen müsse. Hätten die Initiatoren des Genfer Friedenskongresses den Kern dieser Frage wirklich verstanden, dann wären sie der Internationalen Assoziation beigetreten. Die jetzige Verstärkung der großen Armeen in Europa sei durch die Revolution von 1848 hervorgerufen; große stehende Heere seien das zwangsläufige Ergebnis des gegenwärtigen Zustands der Gesellschaft. Sie würden nicht unterhalten, um internationale Kriege zu führen, sondern um die Arbeiterklasse niederzuhalten .l401] Aber nicht immer gäbe es Barrikaden, die man bombardieren, und Arbeiter, die man erschießen könne; dann bestünde die Möglichkeit, internationale Konflikte vom Zaune zu brechen, damit die Soldaten nicht aus der Übung kommen. Die Verfechter eines Friedens um jeden Preis seien auf dem Kongreß zweifellos in der Mehrzahl. Sie ließen gern Rußland allein im Besitz der Mittel zur Führung eines Krieges gegen das übrige Europa; indes wäre schon die Existenz einer solchen Macht wie Rußland für alle anderen Länder Anlaß genug, ihre Armeen bestehen zu lassen. Es sei mehr als wahrscheinlich, daß einige französische Radikale die Gelegenheit benützten, um deklamatorische Reden gegen ihre eigene Regierung zu halten, doch diese Reden hätten eine größere Wirkung, wenn sie in Paris gehalten würden. Wer es ablehne, mitzuwirken an einer Veränderung der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital, lasse die wirklichen Voraussetzungen für einen allgemeinen Frieden außer acht.
Nach dem Protokollbuch. Aus dem Englischen.
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