SEGUNDA PARTE TOMO 30

1 geplagt - 2 Hauswirt - 3 in Trab - 4 Oberstleutnant
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Marx an Engels in Manchester
[London] 18. Juni 62
Lieber Engels, Es ist mir höchst ekelhaft, Dich wieder von meiner misere zu unterhalten, aber que faire1? Meine Frau sagt mir jeden Tag, sie wünschte, sie läge mit den Kindern im Grab, und ich kann es ihr wahrlich nicht verdenken, denn die Demütigungen, Qualen und Schrecken, die in dieser Situation durchzumachen sind, sind in der Tat unbeschreiblich. Die 50 £ sind, wie Du weißt, für Schulden ausgegeben worden, von denen nicht die Hälfte damit bezahlt werden konnte. Die 2 £ für Gas. Das Lausegeld von Wien geht erst Ende Juli ein und wird verdammt wenig sein, da die Hunde nicht einmal wöchentlich 1 Artikel jetzt drucken. Dazu nun wieder die neuen Ausgaben seit Anfang Mai. Ich will gar nicht von der in London wirklich gefährlichen Situation sprechen, ohne einen Centime während 7 Wochen zu sein, da dies sich bei uns chronisch wiederholt. Aber so viel wirst Du aus eigner Erfahrung wissen, daß es beständig laufende Ausgaben gibt, die bar bezahlt werden müssen. Das geschah nun durch Wiederversetzen der Ende April aus dem Pfandhaus geholten Sachen. Aber schon seit Wochen ist diese Quelle so erschöpft, daß meine Frau vor einer Woche den „vergeblichen" Versuch machte, Bücher von mir zu verklopfen. Die armen Kinder tun mir um so mehr leid, als dies alles in dieser Exhibition season2 vorfällt, wo ihre Bekannten sich amüsieren und sie nur Schrecken durchmachen, daß nur niemand sie besucht und den Dreck durchschaut. Im übrigen arbeite ich jetzt stark drauflos, und sonderbarerweise ist mein Hirnkasten unter all der misere ringsherum besser im Gang als seit Jahren. Ich dehne diesen Band mehr aus, da die deutschen Hunde den Wert der Bücher nach dem Kubikinhalt schätzen.1271 Nebenbei bin ich nun endlich auch mit der Grundrentscheiße (die ich aber nicht in diesem Teil auch nur andeuten will) im reinen. Ich hatte seit lange misgivings3 über die völlige Richtigkeit der R[icardo]schen Theorie und habe endlich
1 was tun - 2 Ausstellungszeit - 3 Bedenken
den Schwindel ausgefunden.4 Auch sonst für das, was schon in diesen Band kommt, einige hübsche und überraschende neue Sachen entdeckt, seit wir uns nicht sahen. Mit dem Darwin, den ich wieder angesehn, amüsiert mich, daß er sagt, er wende die „Malthussche" Theorie aüch auf Pflanzen und Tiere an, als ob bei Herrn Malthus der Witz nicht darin bestände, daß sie nicht auf Pflanzen und Tiere, sondern nur auf Menschen - mit der geometrischen Progression - angewandt wird im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren. Es ist merkwürdig, wie Darwin unter Bestien und Pflanzen seine englische Gesellschaft mit ihrer Teilung der Arbeit, Konkurrenz, Aufschluß neuer Märkte, „Erfindungen" und Malthusschem „Kampf ums Dasein" wiedererkennt. Es ist Hobbes' bellum omnium contra omnes5, und es erinnert an Hegel in der „Phänomenologie", wo die bürgerliche Gesellschaft als „geistiges Tierreich", während bei Darwin das Tierreich als bürgerliche Gesellschaft figuriert. Buckle hat dem Rüge den Streich gespielt zu sterben. Rüge hatte in seiner Phantasie noch eine Bibliothek gesehn, die B[uckle] schreiben und Rüge ins Deutsche „verhandeln" sollte. Poor6 Rüge! Und poor Buckle, den ein „Freund" in der „Times" heute noch durch ein testimonium pietatis7 verleumdet.12871 Hast Du und lupus die von mir gesandten 2 „Julian Schmidt" erhalten?12861 Apropos! Wenn es in ganzer Kürze, ohne Dich in Anspruch zu nehmen, geschehn kann, so wünschte ich ein Paradigma (nebst Erklärung) zur italienischen Buchführung. Es wäre nützlich bei der Beleuchtung des „Tableau Economique" des Dr. Quesnay.12881 Kein Mensch besucht mich, und das ist mir lieb, denn die Menschheit, die hier ist, kann mich . Schönes Gesindel! Salut. Dein K.M.
Lassalle hat mir geschrieben. Er kömmt vielleicht im Juli her. Ende Herbst eröffnet er die beginnende Ausarbeitung seiner „Ökonomie", die ihm aber „lange Zeit" kosten wird. Er wird sich wundern.
4 siehe vorl. Band, S. 263-267 - 5 Krieg aller gegen alle - 6 Armer - 7 einen Nachruf
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 3. Juli 1862]
Lieber Mohr, Da das neue Geschäftsjahr angefangen hat und ich erst in ca. 14 Tagen dem Borkheim die £ 50 zurückzuzahlen habe, so können wir den Coup de main1 von neulich wiederholen. Du findest also inliegend I Q 86 445. Zehn Pfund, Manchester, 3I.Jan. 1861. Bank-von-England-Note. Die zweite Hälfte morgen. Der Schwindel im Baumwoll-Markt und der daraus folgende tägliche Aufschlag der Preise hält mich so beschäftigt, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Sowie ich Zeit habe, schreibe ich. Wie geht's Jennychen?
Dein F.E.
1 Handstreich
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5.Juli [1862]
Lieber Engels, Besten Dank für die £ 10, wovon heute pars I1 angelangt. Ich höre, daß Herr Gumpert hier war; hat mich nicht besucht. Well, I shall try to do without him.2 Beiliegend 1 „Press" und zwei sehr kluge „Reden" vom Lassalle12891. Den einliegenden Brief L[assalle]s brachte der östreichische „Hauptmann a.D." Schweigert, ein guter, dummer Kerl. Der Witz ist der, daß Rüstow - außerdem durch 2 Gebrüder Rüstow unterstützt - den Nationalverein1221, Turnverein etc. benutzen wollte oder will, um wenigstens in den kleineren deutschen Staaten eine im entscheidenden Moment der Armee gegenüberzustellende und von Herrn Rüstow kommandierte Bürgerwehr zur Verfügung zu haben. Der Plan ist verteufelt dumm. Und dazu soll das Geld dazu aus London kommen! Ich glaube nicht, daß Lassalle diese delusions3 teilt. Ihm gilt es nur, sich wichtig zu machen den Schweigerts etc. gegenüber. Ich hoffe, daß Du jedenfalls nach London kommst in the course of the season4. Jennychen ist nicht mehr unwohl, aber sie ist delikater geworden, als sie ihrer Konstitution nach sein soll. Seebad muß unter allen Umständen by the by5 für sie beschafft werden. Ist lupus schon in Deutschland? Wie ist das mit den „associates" der British Association6.12281 Gelten die alten Karten? Lupus hat meine. Salut. Dein K.M.
1 die erste Hälfte - 2 Nun, ich werde versuchen, ohne ihn auszukommen. - 3 Illusionen 4 im Laufe der Saison - 5 mit der Zeit - 6 „Mitgliedern" der Britischen Gesellschaft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 11. Juli [1862]
Lieber Engels, Lassalle ist seit 2 Tagen hier und will sich mehrere Wochen hier aufhalten. Du mußt nun auf einige Tage herkommen, da er ohnehin schon sehr „offended" daß Du und Wolff ihm nie den Empfang seiner Schriften angezeigt. Du wolltest ja ohnehin auf ein paar Tage zur exhibition2 kommen. Ich schreibe Dir so spärlich, weil ich wie ein Pferd an dem Buch arbeite3. Salut. Dein K.M.
1 „beleidigt" - 2 Ausstellung - 3 siehe vorl. Band, S. 248/249
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Marx an Engels in Manchester
[London] 21. Juli [1862]
Lieber Engels, Bei Freiligrath gewesen, war all right. Itzig - dessen Eitelkeit Dich sehr belustigen würde - geht in nächster Woche ab. Wenn möglich, komm Freitag. Reinhardt, der commer^ant1 geworden, hat uns gestern auch besucht. Salut. Dein K.M. Was sagst Du über McClellan?
1 Kaufmann
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Engels an Marx in London
Manchester, 30. Juli 1862
Lieber Mohr, Es tat mir sehr leid, daß ich am Freitag nicht kommen konnte, außer andern Gründen kam noch dazu, daß ich mich mit Ermen einigermaßen gezankt hatte und ihn also weder um eine Begünstigung angehn noch ohne ein Wort zu sagen wegbleiben konnte. Sonst wäre ich jedenfalls gekommen, selbst auf die Gefahr hin, am Samstag etwas Wesentliches zu versäumen. Die Geschichte in Amerika geht schief, und zwar trägt after all1 Herr Stanton die Hauptschuld dadurch, daß er nach der Eroberung von Tennessee aus purer Renommage die Anwerbungen einstellte, also die Armee zu fortwährender Abschwächung verdammte, grade als sie zur raschen entscheidenden Offensive am meisten Verstärkung brauchte. Mit stetem Zufluß von Rekruten war der Krieg bis jetzt, wo nicht entschieden, doch der Erfolg außer Zweifel. Bei fortwährenden Siegen kamen auch die Rekruten flott. - Um so alberner war dieser Schritt, als der Süden damals grade alle Männer von 18-35 Jahren einstellte, also alles auf eine Karte setzte. Diese inzwischen eingeübten Leute sind es, die jetzt überall den Konföderierten das Übergewicht geben und ihnen die Initiative sichern. Sie hielten HalIeck fest, verdrängten Curtis aus Arkansas, schlugen McCIellan und gaben unter Jackson im Shenandoah-Tal das Signal zu den Guerillazügen, die jetzt schon bis an den Ohio dringen. Dummer kann man sich nicht benehmen als Stanton.12901 Ferner. Als Stanton sah, daß er McCIellan nicht vom Kommando der Potomacarmee verdrängen konnte, beging er die Dummheit, ihn durch Erteilung von besondren Kommandos an Fremont, Banks und McDowell zu schwächen und die Kräfte im Interesse der Absetzung McClellans zu zersplittern. Die Folge davon ist, daß nicht nur McC[leIlan] geschlagen wurde, sondern auch, daß es in der öffentlichen Meinung nun heißt, nicht
1 letzlieh
McC[lellan], sondern Stanton sei schuld an der Niederlage. Geschieht Herrn Stant[on] recht. Das alles hätte nichts zu bedeuten, es könnte sogar nützen, indem der Krieg endlich revolutionär geführt würde. Aber da fehlt's. Die Niederlagen stacheln diese Yankees nicht auf, sie erschlaffen sie. Wenn es schon dahin gekommen, daß man, um nur Rekruten zu bekommen, sich bereit erklärt, sie nur auf 9 Monate zu nehmen, so heißt das nichts anders als: wir sind im Arsch, und wir wollen bloß noch eine Scheinarmee als Demonstrationsmittel während der Friedensverhandlungen. Diese 300 000 Freiwilligen, das war das Kriterium, und indem der Norden sich weigert, diese zu stellen, erklärt er, daß ihm au fond2 die ganze Sache Scheiße ist. Dazu, welche Feigheit in Regierung und Kongreß. Man fürchtet sich vor Konskription, vor resoluten Finanzschritten, vor Angreifen der Sklaverei, vor allem, was dringend nötig ist, man läßt alles bummeln, wie es will, und wenn irgendeine Scheinmaßregel endlich durch den Kongreß, so verklausuliert Ehren-Lincoln sie noch so, daß auch gar nichts mehr dranbleibt. Diese Schlaffheit, dies Zusammenfallen wie eine angestochene Schweinsblase vor dem Druck von Niederlagen, die eine Armee, die stärkste und beste, vernichtet und Washington faktisch bloßgelegt haben, diese totale Abwesenheit jeder Elastizität in der ganzen Masse des Volks - das beweist mir, that it is all up3. Das bißchen Massmeetings etc. will nichts sagen, das reicht noch nicht einmal an die Aufregung bei einer Präsidentenwahl. Dabei der totale Mangel an Talenten. Ein General dummer als der andre. Nicht einer, der zur geringsten Initiative oder zu selbständigem Entschluß fähig wäre. Die Initiative seit 3 Monaten wieder vollständig beim Gegner. Dann eine Finanzmaßregel toller als die andre. Hülflosigkeit und Feigheit überall, außer beim gemeinen Soldaten. Desgleichen die Politiker - ebenso absurd und ratlos. Und der populus4 ist hülfloser, als wenn er 3000 Jahre unter östreichischem Zepter gelungert hätte. Dem Süden dagegen - it's no use shutting one's eyes to the fact5 - ist's blutiger Ernst mit der Sache. Daß wir keine Baumwolle kriegen, ist schon ein Beweis. Die Guerillas in den Grenzstaaten sind ein zweiter. Aber daß nach einer solchen Absperrung von der Welt ein Ackerbauvolk einen solchen Krieg aushalten und nach schweren Niederlagen und Einbußen an Ressourcen, Leuten und Gebiet dennoch jetzt wieder als Sieger dastehn und mit Offensive bis in den Norden hinein drohen kann, das entscheidet
2 im Grunde - 3 daß alles am Ende ist - 4 das Volk - 5 es hat keinen Zweck, vor der Tatsache die Augen zu verschließen
meiner Ansicht nach. Dabei schlagen sie sich ganz famos, und was, außer dem Gebirg, von Union-feeling® noch da war, geht jetzt bei der 2. Besetzung von Kentucky und Tennessee sicher verloren. Kriegen sie Missouri, so kriegen sie auch die territories12911, und dann kann der Norden einpacken. Wie gesagt, wenn der Norden nicht sofort revolutionär auftritt, kriegt er heillose Prügel und verdient sie - und so scheint es. Wie geht's Jennychen? Grüße Deine Frau und die Kinder. Herzlich Dein F.E.
6 Unions-Sympathie
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Marx an Engels in Manchester
[London] 30. Juli [1862]
Lieber Engels, Aus den einliegenden Wischen siehst Du teilweise, wie ich bin bothered1. Der landlord2 hat sich bisher beschwichtigen lassen, hat 25 £ zu bekommen. Der Klaviermann, der Ratenzahlungen für das Klavier bekommt, sollte schon am letzten Juni 6 £ erhalten, und ist ein sehr grober Lümmel. Steuerzettel für 6 £ liegen mir im Haus. Den Schuldreck von ungefähr 10 £ habe ich glücklicherweise bezahlt, da ich alles tue, um den Kindern direkte Demütigungen zu ersparen. Dem Metzger habe ich 6 £ abgezahlt (und dies war meine Gesamteinnahme eines Vierteljahrs von der „Presse"!), aber der Kerl tritt mich wieder, nicht zu sprechen von Bäcker, teagrocer, greengrocer3 und wie all das Teufelszeug heißt. Der jüdische Nigger Lassalle, der glücklicherweise Ende dieser Woche abreist, hat glücklich wieder 5000 Taler in einer falschen Spekulation verloren. Der Kerl würde eher das Geld in den Dreck werfen, als es einem „Freunde" pumpen, selbst wenn ihm Zinsen und Kapital garantiert würden. Dabei geht er von der Ansicht aus, daß er als jüdischer Baron oder baronisierter (wahrscheinlich durch die Gräfin4) Jude leben muß. Denk Dir, daß der Kerl, der die Geschichte mit Amerika usw. weiß, also die Krise kennt, in der ich mich befinde, die Frechheit hatte, mich zu fragen, ob ich eine meiner Töchter als „Gesellschafterin" der Hatzfeldt übergeben wolle und ob er mir selbst die Protektion Gerstenbergs (!) verschaffen solle! Der Kerl hat mir Zeit gekostet und, meinte das Vieh, da ich ja jetzt doch „kein Geschäft" habe, sondern nur eine „theoretische Arbeit" mache, könne ich ebensogut meine Zeit mit ihm totschlagen! Um gewisse dehors5 dem Burschen gegenüber aufrechtzuhalten, hatte meine Frau alles nicht Niet- und Nagelfeste ins Pfandhaus zu bringen! Wäre ich nicht in dieser scheußlichen Position und ärgerte mich nicht
1 geplagt - 2 Hauswirt - 3 Teehändler, Gemüsehändler - 4 Sophie von Hatzfeldt - 5 einen gewissen gesellschaftlichen Anstand
17 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
das Klopfen des Parvenü auf den Geldsack, so hätte er mich königlich amüsiert. Seit dem Jahr, wo ich ihn sah, ist er ganz verrückt geworden. Der Aufenthalt in Zürich (mit Rüstow, Herwegh etc.) und die spätere Reise in Italien, dann sein „Herr Julian Schmidt" 12861 etc. haben ihm den Kopf vollends verdreht. Er ist nun ausgemacht nicht nur der größte Gelehrte, tiefste Denker, genialste Forscher usw., sondern außerdem Don Juan und revolutionärer Kardinal Richelieu. Dabei das fortwährende Geschwätz mit der falschüberschnappenden Stimme, die unästhetisch demonstrativen Bewegungen, der belehrende Ton! Als tiefes Geheimnis teilte er mir und meiner Frau mit, daß er Garibaldi den Rat gab, nicht Rom zum Ziel des Angriffs zu machen, sondern er solle nach Neapel, dort sich zum Diktator (ohne Verletzung Viktor Emanuels) auf werfen, die Volksarmee aufrufen zum Feldzug gegen Ostreich. Lassalle ließ ihn 300 000 Mann aus dem Boden stampfen, und die piemontesische Armee schloß sich natürlich an. Und dann - nach einem von Herrn Rüstow, wie er sagt, gebilligten Plan - sollte ein detachiertes Korps nach der adriatischen Küste (Dalmatien) gehn oder vielmehr schiffen und Ungarn insurgieren, während die Hauptarmee unter Garibaldi ohne Berücksichtigung des Quadrilaterals12921 von Padua nach Wien zog, wo die Bevölkerung sofort revoltierte. Alles vollendet in 6 Wochen. Als Hebel der Aktion: Lassalles politischer Einfluß oder seine Feder in Berlin. Und Rüstow an der Spitze eines Korps von deutschen Freischärlern eingeschlossen an Garibaldi. Bonaparte aber war paralysiert durch diesen Lassalleschen coup d'eclat6. Er war jetzt auch bei Mazzini, und „auch dieser" billigte und „bewunderte" seinen Plan. Er stellte sich diesen Leuten vor als „Repräsentant der deutschen revolutionären Arbeiterklasse" und unterstellte bei ihnen (wörtlich!) die Kenntnis, daß er (Itzig) durch seine „Broschüre über den italienischen Krieg Preußens Intervention verhinderte", und in fact7 „die Geschichte der letzten 3 Jahre" geleitet hat. L[assalle] war sehr wütend über mich und Frau, daß wir uns über seine Pläne lustig machten, ihn als „aufgeklärten Bonapartisten" hänselten usw. Er schrie, tobte, sprang und hat sich endlich gründlich überzeugt, daß ich zu „abstrakt" bin, um Politik zu verstehn. As to America8, so ist das, sagt er, ganz uninteressant. Die Yankees haben keine „Ideen". Die „individuelle Freiheit" ist nur eine „negative Idee" etc. und was dieses alten verkommenen Spekulationskehrichts mehr ist.
6 Gewaltstreich - 7 in der Tat - 8 Was Amerika betrifft
Wie gesagt, unter andern Umständen (und wenn er mich nicht im Arbeiten gestört) hätte der Kerl mich königlich amüsiert. Dabei das wüste Fressen und die geile Brunst dieses „Idealisten". Es ist mir jetzt völlig klar, daß er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, - von den Negern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten anschlössen (wenn nicht seine Mutter oder Großmutter von väterlicher Seite sich mit einem nigger kreuzten). Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. Die Zudringlichkeit des Burschen ist auch niggerhaft. Wenn Herr Rüstow übrigens den Zug von Padua nach Wien erfunden hat, so scheint der mir auch einen Sparren zuviel zu haben. Salut. Dein K.M.
Eine der großen Entdeckungen unsres nigger - die er aber nur den „vertrautesten Freunden" noch mitteilt - ist, daß die Pelasger von den Semiten abstammen. Hauptbeweis: Im Buch der Makkabäer12931 schicken die Juden Gesandte nach Griechenland um Hülfe, sich berufend auf Stammverwandtschaft. Ferner hat man eine etruskische Inschrift in Perugia gefunden, und Hofrat Stücker in Berlin und ein Italiener haben sie gleichzeitig entziffert und die etruskischen Buchstaben unabhängig voneinander in hebräische aufgelöst. Damit wir ihm nicht mehr mit „Blue Books"1751 kommen, hat er für 20 £ blue books (unter Buchers Leitung) gekauft. Er hat Bucher zum Sozialismus bekehrt, wie er behauptet. Der Bucher ist nun ein ganz feines, wenn auch verzwicktes Männchen, und jedenfalls kann ich nicht glauben, daß er Lassalles „auswärtige Politik" akzeptiert hat. Bucher ist das „Setzerweib" im „Julian Schmidt".1286] Wärst Du nur ein paar Tage hergekommen, Du hättest für ein Jahr Stoff zum Lachen eingelegt. Darum wollte ich Dich so gern hier haben. Solche Gelegenheit kommt nicht jeden Tag.
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Engels an Marx in London
[Manchester, 3I.Juli 1862]
Lieber Mohr, Du begreifst, daß es nach den schweren Zahlungen des vorigen Monats mir unmöglich ist, Dir jetzt £ 25 aufzutreiben. Ich habe alle schweren Zahlungen für meine eigne Rechnung (landlady1 und Quartalrechnung) bis August aufgeschoben, dazu habe ich Borkheim wegen des Wechsels eine Ordre geben müssen, die ich ebenfalls im August zahlen muß. Ich will sehn, was sich bis morgen tun läßt. Dem Lupus bin ich die £ 10 auch noch schuldig, und er wird sie verlangen, sobald er zurückkommt, was jeden Tag geschehen kann. Rechne Dir das und die Zahlungen vom vorigen Monat zusammen und Du wirst sehn, daß ein hübsches Loch in das neue Bilanzjahr geschossen wird. Indes, ich will heut abend sehn, wieviel ich zu zahlen haben werde, und wieviel also ich Dir schicken kann. Wenn ich nur erst wüßte, wie die Bilanz ausgefallen ist und wie ich stehe! Aber Charles2 geht übermorgen nach Warschau, wo wir eine schlechte Schuld gemacht haben, und da bleibt der ganze Kram wieder liegen.
Dein F.E.
1 Hauswirtin - 2 Charles Roesgen
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Engels an Marx in London
Manchester, 1. August 1862
Lieber Mohr, Die inl. £ 10 sind alles, was ich Dir heute schicken kann. Die Sachen stehn so: Vorigen Monat hatte ich zu zahlen: 1/i Jahr Pferdepension £ 15, Landlady1 £ 25 (der alte Hill hat mir das noch in den Juli gesetzt, weil ich's gestern zahlte), an Borkheim £ 50, an Dich £ 10, Summa £ 100. Sind noch zu zahlen in diesem Monat: an Lupus £ 10, Borkheim für die Ordre £ 15, Buchhändler ca. £ 10 (Rest von 1861), ferner an Kleinigkeiten: Schneider, Schuster, Hemden und dergl., Zigarren etwa £ 25 und obige £ 10, zusammen £ 70 oder in zwei Monaten £ 170 ohne die carrent expenses2. Du siehst, wie ich stehe. Dabei habe ich fast die positive Gewißheit, im vorigen Bilanzjahr mein Einkommen überschritten zu haben und in diesem ein sehr schlechtes Einkommen zu machen. Ich denke, es wird Dir gelingen, die Leute noch etwas hinzuhalten, ich kann das mit meinen Kreditoren nicht, da die Leute hier die Mode haben, einem aufs Kontor zu kommen die Rechnungen einfordern, wodurch man moralisch forciert wird, nach 2 bis 3maligem calling3 sie zu zahlen. Sollte Lupus die £ 10, die ich ihm noch schulde, nicht brauchen bis Ende September oder mit Ratenzahlungen zufrieden sein, so schick' ich sie Dir natürlich. Die Geschichten mit Lassalle sind höchst amüsant. Sein strategischer Plan ist der schönste, der mir je vorgekommen. Daß Rüstow ihn gebilligt habe, ist möglich genug, der Kerl ist ganz so eitel wie Itzig und auf dem besten Wege, ebenso toll zu werden. Vgl. seine Schreiberei über die Kampagne 1860 im 2.Band der „Demokratischen Studien".12941 Der Verfasser4 der „Europäischen Pentarchie" hat ein neues Opus losgelassen: „Europa's Cabinette und Allianzen". Die Russen haben sich da auch einen prachtvollen Esel gekauft. So was Dummes und Konfuses ist mir noch nie vorgekommen. Wo der Kerl über Völkerrecht theoretisiert,
1 Hauswirtin - 2 laufenden Ausgaben - 3 Vorsprechen - 4 Goldmann
ist er gottvoll, er stellt 3-4 verschiedne Theorien auf, die sich gegenseitig ins Gesicht schlagen. Dazu Christentum a outrance5, und die Schmeichelei gegen alles Russische so faustdick aufgetragen, daß man laut lachen muß über das Geld, das die Russen an den fortgeschmissen haben. Es gereicht Deutschland zur Ehre, daß sie keinen einzigen ordentlichen Kerl kaufen können, für Rußland6 zu schreiben, und wenn sie ja mal einen erwischen, wie B.Bauer, daß er sofort stockdumm wird. Hauptplan: russisch-französische Allianz, Preußen an der Spitze von Kleindeutschland[22], Ostreich, mit Verlegung der Hauptstadt nach Budapest, soll die Donaufürstentümer und alles Land nördlich vom Balkan erhalten - dies auf 300 Seiten des ödesten Gewäsches breitgetreten wie ein alter Kuhschiß. Wenn Du das Ding haben willst, schick' ich's Dir. Dein F.E. O/D 13 134, Manchester 27, Jan. 1862 - £ 5 O/D 24 296, Manchester 27, Jan.l862 -£ 5 £10
5 bis zum äußersten - 6 in der Handschrift: Deutschland
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. August 1862
Lieber Frederick, Besten Dank für die £ 10. Es ist mir sehr unangenehm, daß Du durch mich in Deinen Geldaffären geniert bist, aber que faire1? Wer kann solcher Krise, wie der amerikanischen12491, widerstehn? Dabei mein besondres Pech, mit einem solchen Lauseblatt wie der Wiener „Presse" zu tun zu haben. Otherwise2 hätten die Kerls mir wenigstens to some extent3 die „Tribüne" ersetzen können. Glaubst Du etwa, daß jetzt der Moment gekommen ist, mich z.B. an die „Evening Post" (the Abolitionist Paper4 zu New York) wegen Korrespondenz zu wenden? Ein wirkliches Wunder ist es, daß ich noch so, wie es der Fall ist, mit den theoretischen Arbeiten vorgehn konnte. Ich bezwecke nun doch, gleich in diesem Band1271 als eingelegtes Kapitel die Renttheorie, i.e.5 als „Illustration" eines früher aufgestellten Satzes, hereinzubringen. Ich will Dir in ein paar Worten die in der Ausführung weitläufige und verwickelte Geschichte vorlegen, damit Du mir Deine Ansicht mitteilst. Du weißt, daß ich 2 Teile im Kapital unterscheide, konstantes Kapital (Rohmaterial, matieres instrumentales6, Maschinerie etc.), dessen Wert im Wert des Produkts nur wiedererscheint, und zweitens variables Kapital, d.h. in Arbeitslohn ausgelegtes Kapital, das weniger vergegenständlichte Arbeit enthält, als der Arbeiter dafür zurückgibt. Z.B. wenn der tägliche Arbeitslohn = 10 Stunden und der Arbeiter 12 arbeitet, so ersetzt er das variable Kapital-)- 1/5 desselben (2 Stunden). Diesen letztern Überschuß nenne ich Mehrwert (surplus value). Nimm an, daß die Rate des Mehrwerts (also die Länge des Arbeitstags und der Überschuß der Surplusarbeit über die notwendige Arbeit, die der Arbeiter zur Reproduktion des Salärs works7) gegeben sei, z.B. = 50p.c. In diesem Fall würde der Arbeiter bei einem Arbeitstag von 12 Stunden
1 was tun - 2 Andererseits - 3 einigermaßen - 4 Blatt der Antisklavereibewegung - 5 d. h. 6 Hilfsstoffe - 7 Lohnes arbeitet
z.B. 8 Stunden für sich arbeiten, 4 Stunden (8/2) für den employer8. Und zwar nimm dies in allen trades9 an, so daß die etwaigen Verschiedenheiten in der average working time10 bloß Kompensation für größere oder geringere Schwierigkeit der Arbeit etc. seien. Unter diesen Umständen, bei gleichmäßiger Exploitation des Arbeiters in den verschiednen trades, werden verschiedne Kapitalien in verschiednen Produktionssphären bei gleicher Größe sehr verschiedne amounts of surplus value11 liefern und daher sehr verschiedne Profitraten, since profit is nothing but the proportion of the surplus value to the total capital advanced12. Es wird dies abhängen von der organischen Komposition des Kapitals; d.h. von seiner Division in konstantes und variables Kapital. Nimm an, wie oben, daß die Surplusarbeit = 50 p.c. Wenn also z.B. 1 £ = 1 Arbeitstag (gleichgültig, ob Du Dir wochenlangen Tag etc. darunter denkst), der Arbeitstag = 12 Stunden, die notwendige (das Salär reproduzierende) Arbeit = 8 Stunden, so wäre der Lohn von 30 Arbeitern (oder Arbeitstagen) = 20 £ und der Wert ihrer Arbeit = 30 £, das variable Kapital für einen Arbeiter (täglich oder wöchentlich) = 2/3 £ und der Wert, den er schafft = 1 £. Der amount der surplus value, den ein Kapital von 100 £ in different trades13 produziert, wird sehr verschieden sein nach dem Verhältnis, worin das Kapital von 100 in konstantes und variables Kapital geteilt ist. Nenne das Capital constant C, das variable V. Wenn z. B. in der cotton Industrie14 die Zusammensetzung wäre C 80, V 20, so wäre der Wert des Produkts = 110 (bei 50 p.c. Mehrwert oder surplus labour16). Die Masse des Surpluswerts = 10 und der Profitrate = 10 p.c., da der Profit = dem Verhältnis von 10 (der surplus value): 100 (der Totalwert of the capital expended16). Unterstelle, in der großen Schneiderei sei die Zusammensetzung: C 50, V 50, so das Produkt = 125, Mehrwert (bei Rate von 50 p.c. wie oben) = 25 und Profitrate = 25 p.c. Nimm eine andre Industrie, wo das Verhältnis C 70, V 30, so das Produkt =115, Profitrate = 15 p. c. Endlich eine Industrie, wo die Zusammensetzung = C 90 V 10, so das Produkt = 105 und die Profitrate = 5 p.c. Wir haben hier, bei gleicher Exploitation der Arbeit, für Kapitalien von gleicher Größe in different trades sehr different amounts of surplus value, andhence very different rates of profit17.
8 Unternehmer - 9 Industriezweigen - 10 durchschnittlichen Arbeitszeit - 11 Massen Mehrwert -12 da Profit nichts anderes ist als das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschossenen Gesamtkapital -13 verschiedenen Industriezweigen-14 Baumwollindustrie -15 Mehrarbeit 16 des vorgeschossenen Kapitals - 17 in verschiedenen Industriezweigen sehr verschiedene Massen Mehrwert, und daher sehr verschiedene Profitraten
Nehmen wir aber die obigen 4 Kapitalien zusammen, so haben wir: Wert des Produkts 1. C 80 V 20 110 Profitrate = 10 p.c. Rate des Mehrwerts 2. C 50 V 50 125 Profitrate = 25 p.c. in allen Fällen = 50 p.c. 3. C 70 V 30 115 Profitrate = 15 p.c. 4. C90 V.10 105 Profitrate = 5 p.c. Kapital 400 Profit = 55
Dies macht auf 100 eine Profitrate von 133/4p.c. Das Gesamtkapital (400) der Klasse betrachtet, wäre die Profitrate = 133/4p.c. Und die Kapitalisten sind Brüder. Die Konkurrenz (transfer of capital or withdrawal of capital from one trade to the other18) bringt es fertig, daß Kapitalien von gleicher Größe in different trades, despite their different organic compositions, yield the same average rate of profit19. In andern Worten: der average Profit, den ein capital of 100 £, f.i., in a certain trade20 macht, macht es nicht als dies besonders angewandte Kapital, also auch nicht im Verhältnis, wozu es selbst surplus value produziert, sondern als aliquoter21 Teil des Gesamtkapitals der Kapitalistenklasse. Es ist eine share22, deren Dividende bezahlt wird proportioneil zu ihrer Größe aus der Gesamtsumme des surplus value (oder unbezahlten Arbeit), die das gesamte variable (in Arbeitslohn ausgelegte) Kapital der Klasse produziert. Damit nun in der obigen Illustration 1,2,3,4 denselben average profit machen, müssen sie, jede Rubrik, ihre Waren verkaufen zu 1 \ 31/s£. 1 und 4 verkaufen sie über ihrem Wert, 2 und 3 unter ihrem Wert. Dieser so regulierte Preis = the expences of capital -)- the average profit (f.i.23, 10 p.c.), ist das, was Smith den natural price, costprice24 usw. nennt. Es ist dies der average price25, wozu die Konkurrenz zwischen den different trades (durch transfer of capital oder withdrawal of capital26) die Preise in different trades reduziert. Die Konkurrenz reduziert also die Waren nicht auf ihren Wert, sondern auf Kostpreise, die je nach der organischen Komposition der Kapitalien über, unter oder = ihren Werten sind.
18 Übertragung von Kapital oder Zurückziehung von Kapital aus einem Industriezweig in den andern - 19 in verschiedenen Industriezweigen, trotz ihrer verschiedenen organischen Zusammensetzung, dieselbe DurchschnittsprofitraXe erzielen - 20 Durchschnittsprofit, den ein Kapital von 100£ z.B. in einem bestimmten Industriezweig - 21 entsprechender - 22 Aktie 23 vorgeschossenes Kapital + Durchschnittsprofit (z.B. - 24 natürlichen Preis, Kostpreis 25 Durchschnittspreis - 26 Übertragung von Kapital oder Zurückziehung von Kapital
Ricardo verwechselt Werte und Kostpreise. Er glaubt also, wenn eine absolute Rente existiere (d.h. eine von der verschiednen Fruchtbarkeit der Bodenarten unabhängige Rente), so würde agricultural produce27 etc., weil über dem Kostenpreis (the advanced capital + the average profit28) beständig über dem Wert verkauft werden. Das stieße das Grundgesetz um. Er leugnet also die absolute Rente und nimmt nur die Differentialrente an. Aber seine Identifizierung von values of commodities und costprices of commodities29 grundfalsch und von A.Smith traditionell akzeptiert. Das Fakt ist dies: Nimm an, die average composition alles not agricultural capital30 sei C 80, V 20, so Produkt (bei 50 p. c. Rate des Mehrwerts) = 110 und Profitrate = 10 p.c. Nimm ferner an, die average composition des agricultural capital sei = C 60, V 40 (diese Zahl statistisch in England ziemlich richtig; die Viehzuchtsrenten etc. gleichgültig bei dieser Frage, da sie nicht durch sich selbst, sondern durch die cornrent31 bestimmt). So Produkt, bei gleicher Exploitation der Arbeit wie oben = 120 und Profitrate = 20 p.c. Verkauft der Farmer das agricultural produce daher zu seinem Wert, so verkauft er es zu 120 und nicht zu 110, seinem Kostenpreis. Das Grundeigentum aber verhindert, daß der Farmer = den brother capitalists32 den Wert des Produkts dem Kostenpreis adäquiert33. Die Konkurrenz der Kapitalien kann dies nicht erzwingen. Der Grundeigentümer kömmt dazwischen und fischt die Differenz zwischen Wert und Kostenpreis auf. Niedriges Verhältnis des konstanten Kapitals zum variablen ist überhaupt Ausdruck niedriger (oder relativ niedriger) Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit in besondrer Produktionssphäre. Ist also die average composition des agricultural capital z.B. C 60, V 40, während die des not agricultural capital C 80, V 20 ist, so beweist das, daß die Agrikultur noch nicht dieselbe Stufe der Entwicklung erreicht wie die Industrie. (Was sehr erklärlich, da, abgesehn von allem andern, Voraussetzung der Industrie die ältere Wissenschaft der Mechanik, Voraussetzung der Agrikultur die ganz neuen Wissenschaften der Chemie, Geologie und Physiologie.) Wird das Verhältnis in Agrikultur = C 80, V 20 (in obiger Voraussetzung), so fällt die absolute Rente weg. Es bleibt bloß die Differentialrente, die ich aber auch so entwickle, daß
27 landwirtschaftliches Produkt - 28 vorgeschossenes Kapital + Durchschnittsprofit 29 Werten der Waren und Kostpreisen der Waren - 30 durchschnittliche Zusammensetzung alles nicht landwirtschaftlichen Kapitals - 31 Kornrente (Getreidepreis) - 32 kapitalistischen Brüdern - 33 angleicht
Ric[ardo]s Unterstellung beständiger Deterioration of agriculture most ridiculous and arbitrary34 erscheint. Bei obiger Bestimmung des costprice im Unterschied von value35 noch zu bemerken, daß außer dem Unterschied von konstantem Kapital und variablem Kapital, der aus dem unmittelbaren Produktionsprozeß des Kapitals hervorgeht, noch der Unterschied zwischen fixem und zirkulierendem Kapital hinzukömmt, der aus dem Zirkulationsprozeß des Kapitals hervorgeht. Indes wäre die Formel zu verwickelt, wenn ich das oben noch einfügen wollte. Hier hast Du - roughly36, denn die Sache ist ziemlich kompliziert die Kritik der R[icardo]schen Theorie. So viel wirst Du zugeben, daß durch Rücksicht auf die organic composition of capital37 eine Masse bisheriger scheinbarer Widersprüche und Probleme wegfallen. Apropos! Zu gewissen Zwecken, die ich Dir im nächsten Brief mitteile, mir sehr lieb, wenn Du mir ausführlich militärisch (das Politische übernehme ich) den Lassalle-Rüstowschen Befreiungsblödsinn kritisierst.38
Dein K.M.
Gruß an die Damen. Imandt hat sich angekündigt. Itzig reist Montag ab. Du wirst sehn, daß bei meiner Fassung der „absoluten Rente" das Grundeigentum indeed (under certain historical circumstances)39 die Preise der Rohprodukte verteuert. Dies, kommunistisch, sehr brauchbar. Die Richtigkeit der obigen Ansicht vorausgesetzt, ist es durchaus nicht notwendig, daß absolute Rente unter allen Umständen oder von jeder Bodenart gezahlt wird (selbst gesetzt, daß die vorausgesetzte Komposition des agricultural capital). Nicht wird sie gezahlt, wo das Grundeigentum - faktisch oder legal - nicht existiert. In diesem Fall bietet agriculture no peculiar resistance to the application of capital40. Es bewegt sich dann in diesem Element so ungeniert wie in dem andern. Das Agrikulturprodukt wird dann, wie stets eine Masse Industrieprodukte, unter seinem Wert zum Kostenpreis verkauft. Faktisch kann das Grundeigentum wegfallen, auch wo Kapitalist und Grundeigentümer eine Person etc.
34 Verschlechterung der Landwirtschaft höchst lächerlich und willkürlich - 35 Werl - 36 im Rohen - 37 organische Zusammensetzung des Kapitals - 38 siehe vorl. Band, S. 258 - 39 in der Tat (unter bestimmten historischen Umständen) - 40 die Landwirtschaft keinen besonderen Widerstand gegen die Anwendung von Kapital
Doch überflüssig, auf diese Details einzugehn hier. Die bloße Differentialrente - die nicht daraus entspringt, daß capital on land instead of any other field of employment41 angewandt wird - hat theoretisch keine Schwierigkeit. Es ist nichts als surplus profit, der auch in jeder industriellen Produktionssphäre für jedes Kapital existiert, das unter besseren als den average conditions42 arbeitet. Nur fixiert es sich in der Agrikultur, weil gegründet auf so solider und (relativ) fester Grundlage, wie die different degrees of natural fertility43 verschiedner Bodenarten.
41 Kapital auf Land anstatt auf irgendein anderes Anwendungsgebiet - 42 durchschnittlichen Bedingungen - 43 verschiedenen Grade der natürlichen Fruchtbarkeit
151
Marx an Engels in Manchester
London, 7.August [1862]
Lieber Engels, Der landlord1 war Montag bei mir und erklärte mir, daß, wenn ich ihm, nachdem er so lange Geduld gehabt, nicht in kürzester Frist zahle, er die Sache seinem Landagent2 übergeben würde. Damit wäre der broker3 da. Ditto habe ich - und zwar sonderbarerweise am selben Tage - Steuerexekutionszettel erhalten und Briefe von den meist mit dem landlord bekannten epiciers4, die mir mit Klage und Entziehung der provisions5 dröhn. Lassalle reiste am Montagabend ab. Ich sah ihn noch, nachdem alle diese events6 stattgefunden. Er sah an meiner dejected7 Erscheinung, daß die ihm längst bekannte Krise zu einer Katastrophe of any8 Art geführt. Frug mich. Nach Mitteilung erklärte er, er könne 15 £ bis Januar 1., 1863 liefern; auch könne man Wechsel zu beliebigem amount9 auf ihn ziehn, wenn die Zahlung von Dir oder andern über die 15 £ hinaus ihm versprochen würde. Mehr könne er [nicht] bei seinen beschränkten Verhältnissen. (Das glaube ich, da er hier allein 1 £ 2 sh. täglich für cabs10 und Zigarren brauchte.) Kannst Du vielleicht in dieser Weise, mit Benutzung Borkheims als escompteurs11, etwas tun, um die Krise abzuschieben? Von den 10 £ habe ich 6 an den Klaviermann gezahlt, der ein brutaler Hund ist und mich ohne weiteres an das county court12 gebracht hätte. Für 2£ habe ich Sachen aus dem Pfandhaus genommen und den Rest meiner Frau zur Disposition gestellt. Ich versichre Dir, daß, wenn ich nicht die family difficulties13 hätte, ich bei weitem vorziehn würde, in ein model lodging-house14 zu ziehn, als beständig auf Deinen Beutel zu drücken. Ein Umstand kommt noch hinzu. Dr. Allen erklärt mir, daß die See für Jennychen wenigstens für 14 Tage absolut notwendig, ditto für die
1 Hauswirt - 2 Hausverwalter - 3 Gerichtsvollzieher - 4 Krämern - 6 Lehensmittel - 6 Ereignisse - 7 niedergeschlagenen - 8 irgendeiner - 9 Betrag -10 Droschken -11 Diskontierenden 12 den Grafschafts-Gerichtshof -13 familiären Schwierigkeiten -14 eine Mietskaserne
Kleinste, die voriges Jahr eine Art Gelbsucht hatte und wieder nicht all right ist. Itzig sagte mir noch, daß er vielleicht ein Blatt stiften werde, wenn er September zurückkehrt. Ich sagte ihm, gegen gute Zahlung wolle ich englischer Korrespondent werden für sie, ohne irgendwie irgend sonstige responsibility15 oder politische partnership16 zu übernehmen, da wir politisch in nichts übereinstimmten als in einigen weitabliegenden Endzwecken. Deine Ansichten17 über den American civil war18 teile ich nicht ganz. Ich glaube nicht, that all is up19. Die Northerners20 sind von Anfang an beherrscht worden durch die Vertreter der border slaves states21, die auch den McCIellan, diesen alten partisan of22 Breckinridge, an die Spitze poussierten. Der Süden dagegen handelte von vornherein aus einem Stück. Der Norden selbst hat die Sklaverei in eine militärische force23 des Südens verwandelt, statt sie gegen ihn zu kehren. Der Süden überläßt den Sklaven die productive labour24 und konnte so ungestört seine ganze Streitkraft ins Feld führen. Er hatte einheitliche militärische Führung; der Norden nicht. Daß kein strategischer Plan vorlag, schon klar aus allen Manövern der Kentucky-Armee nach der Eroberung von Tennessee. Nach meiner Ansicht wird dies alles take another turn25. Der Norden wird endlich ernsthaft Krieg führen und zu revolutionären Mitteln greifen und die Oberherrschaft der border slaves statesmen26 beiseite werfen. Ein einziges Nigger-Regiment wird merkwürdig auf die südlichen Nerven wirken. Die Schwierigkeit, die 300000 Mann zu bekommen, scheint mir reinpolitisch. Der Nordwest und Neuengland12951 wollen und werden die Regierung forcieren, ihre bisherige diplomatische Kriegführung aufzugeben, und sie machen jetzt terms on which the 300 000 men shall come forth27. Gibt Lincoln nicht nach (was er aber tun wird), so gibt's eine Revolution. Was den Mangel an militärischen Talenten betrifft, so war die bisherige, rein nach diplomatischen und Parteischikanen getroffne Wahl der Generale kaum danach, solche in den Vordergrund zu bringen. General Pope scheint mir indes ein Mann von Energie. Was die Finanzmaßregeln betrifft, so sind sie ungeschickt, wie das in einem Land sein muß, wo in fact (für den Gesamtstaat) bis jetzt keine Steuern existierten, jedoch noch lange nicht so blödsinnig wie die Maßregeln von Pitt et Cons.12961 Die jetzige Depreziation des Geldes scheint
15 Verantwortung -16 Teilhaberschaft -17 siehe vorl. Band, S. 254-256 -18 Amerikanischen Bürgerkrieg -18 daß alles am Ende ist - 20 Nordstaatler -21 Grenzsklavenstaaten -22 Anhänger von - 23 Kraft - 24 produktive Arbeit - 25 eine andere Wendung nehmen - 26 Wortführer der Grenzsklavenstaaten - 27 Bedingungen, unter denen die 300000 zusammenkommen werden.
mir nicht ökonomischen, sondern rein politischen Gründen, distrust28, zuzuschreiben.29 Wird sich also wenden mit andrer Politik. Das Kurze und das Lange der Geschichte scheint mir, daß derartige Kriege revolutionär geführt werden müssen, und daß die Yankees bisher versucht haben, ihn konstitutionell zu führen.l29öi Salut. Dein K.M.
Imandt ist hier. Wieder eine jetzt sehr lästige Unterbrechung. Ich denke, daß meine Schrift[27J 30 Bogen stark werden wird.
28 Mißtrauen - 29 siehe vorl. Band, S. 242/243
152
Engels an Marx in London
Manchester, 8. August 1862
Lieber Mohr, Wenn ich Dir die Berechnung meiner Ausgaben machte, so hatte das durchaus nicht die Absicht, Dir weiteres „Drücken", wie Du es nennst, zu verleiden. Im Gegenteil, ich denke, wir werden uns auch fernerhin gegenseitig helfen, wo es irgend angeht, wobei es für die Sache ganz gleichgültig ist, welcher von uns augenblicklich der „Drückende" und welcher der „Gedrückte" ist, die Rollen können ja wieder wechseln. Das einzige Motiv der ganzen Aufstellung war, Dir die Unmöglichkeit zu beweisen, momentan mehr als die £ 10 aufzutreiben. Du hast doch die £ 15 von Lassalle gleich bar in Anspruch genommen, oder wie ist das „bis Januar"1 zu verstehen? Will er etwa erst dann zahlen? Was nun Wechsel angeht, so kann ich schon auf L[assalle] drei, womöglich vier Monate dato abgeben, meinetwegen £ 40 a 45 oder etwa 260 bis 300 Taler, wenn Borkheim sie versilbern will. Auch kann ich Dir noch fernere £ 10 bar schicken, wenn ich Borkheim bis in den September warten lasse mit dem Geld, was ich ihm für Wein schulde. Das gäbe 10 von mir, 45 für den Wechsel, 15 Lassalle, Summa 70 £. Damit wäre ich dann aber auch auf geraume Zeit gründlich erschöpft, doch daran läge weiter nichts, wenn Du damit aus dem Drecke wärst und Jennychen nach der Seaside2 gehn könnte. Da nun Borkhfeim] fortwährend Gelder auf dem Kontinent zu zahlen hat - und er weiß, daß ich den Wechsel unter allen Umständen decken muß, wenn ich nicht hier meine Position ruinieren will, so kannst Du ganz ruhig zu ihm hingehn und ihn fragen, ob es ihm konveniert, uns die Sache zu vermitteln. Du kannst ihm sagen, daß ich bei der jetzigen schlechten Cottonzeit3 so wenig Geld wie möglich von der Firma zu ziehen verpflichtet sei und daher lieber auf diesen Modus einginge. Du brauchst Dich in der Geschichte ihm gegenüber noch viel weniger zu genieren als ich, geh also gleich hin und arrangiere die Sache, damit ich sofort auf den Herrn Baron4 ziehen kann.
1 Siehe vorl. Band, S. 269 - 2 See - 3 Baumwollzeit - 4 Ferdinand Lassalle
Lupus kam Montag an, mit Grippe und Rheumatismus behaftet, die ihn in London einen Tag im Bette hielten, den einzigen, den er dort war; sobald er etwas besser war, kam er gleich her. Dies der Grund, weswegen er nicht bei Dir war. Er ist jetzt besser, aber in monetibus5 auch ganz ausgepumpt und kam also gleich wegen der £ 10 zu mir. Du mußt übrigens platterdings wieder einen finanziellen Coup machen, denn sonst sehe ich platterdings nicht ein, wie wir den Ausfall der „Tribüne" decken sollen. Die andern New-Yorker Journale sind auch nicht in der Lage, Dir die „Tr[ibune]" nur einigermaßen zu ersetzen; doch könnte der Versuch bei einer passenden Gelegenheit nicht schaden, es könnte immer etwas dabei abfallen. Das Buch[27) würde bei 30 Bogen im besten Fall ca. £ 70 abwerfen, wie steht's aber mit Brockhaus? Hast Du mit L [assalle] darüber etwas abgesprochen ? Und wie lange wird's noch dauern ? Mit der „Allgemeinen] Mil[itär]-Zeitung" hab' ich wieder angebunden und will sehn, wie's geht, doch ist dort 1 Artikel alle 6 Wochen das Maximum. Kannst Du mir durch Deinen Mussures6 oder sonst die Mitarbeiterschaft für Militaria7 an einem englischen Blatt in London verschaffen? Doch sind das alles Nebendinge, und falls wir nicht die Kunst erfinden, Gold zu scheißen, wird schwerlich etwas andres übrigbleiben, als daß Du auf die eine oder die andre Weise etwas aus Deinen Verwandten herausschlägst. Reflechis-la-dessus.8 Über Lassalles Kriegspläne und Deine Renttheorie9, wobei mir noch die Existenz der „absoluten" Rente durchaus nicht klar ist - denn die hättest Du ja doch erst zu beweisen dieser Tage. Ich habe scheußliche Hämorrhoiden und kann nicht länger sitzen. Grüße die family. Dein F. E.
5 Hinsickt auf Geld - 6 Gehilfen - ' Militärfragen - 8 Denk darüber nach. - 9 siehe vorL Band, S. 263 - 268
153
Marx an Engels in Manchester
[London] 9. August 1862
Lieber Engels, Itzig will die 15 £ erst am 1 .Januar zahlen. Ich bin also bei Borkheim. Du sollst 400 Taler auf L[assalle] ziehn (ich habe dem B[orkheim] natürlich nichts von L[assalle] gesagt as to the1 15 £, die der L[assalle] zu zahlen hat). Auf 3 Monate. Dann aber soll die Sache erneuert werden, da ich dem Borkheim sagte, daß die Sache erst am 1. Januar zahlbar. (Weil dies Lassalles Termin.) Die Hauptsache also, daß Du dem Borkheim den Wechsel schickst. Was die Rententheorie angeht2, so muß ich natürlich erst Deinen Brief abwarten. Zur Vereinfachung der „Debatte" aber, wie Heinrich Bürgers sagen würde, folgendes: I. Das Einzige, was ich theoretisch zu beweisen habe, ist die Möglichkeit der absoluten Rente, ohne das Gesetz des Werts zu verletzen. Es ist dies der Punkt, um den sich der theoretische Streit seit den Physiokraten bis heute dreht. Ric[ardo] leugnet diese Möglichkeit; ich behaupte sie. Ich behaupte zugleich, daß sein Leugnen auf einem theoretisch falschen und von A. Smith überkommenen Dogma beruht - der supponierten3 Identität zwischen costprices und values of commodities4. Ferner, daß, wo Ric[ardo] die Sache beispielstoeis illustriert, er immer Zustände voraussetzt, in denen entweder keine kapitalistische Produktion existiert oder (faktisch oder legal) fein Grundeigentum. Es handelt sich aber grade darum, das Gesetz zu untersuchen, wenn diese Dinge existieren. II. Was die Existenz der absoluten Grundrente betrifft5, so wäre das eine Frage, die in jedem Land statistisch zu lösen. Die Wichtigkeit der bloß theoretischen Lösung aber geht daraus hervor, daß seit 35 Jahren die Statistiker und Praktiker überhaupt die absolute Grundrente behaupten, die (Ricardoschen) Theoretiker sie wegzudemonstrieren suchen durch sehr gewaltsame
1 wegen der - 2 siehe vorl. Band, S. 273 - 3 unterstellten - 4 Kostpreisen und Warenwerten 6 in der Handschrift: existiert
und theoretisch schwächliche Abstraktionen. Bisher fand ich immer, daß bei allen solchen quarreis6 stets die Theoretiker im Unrecht. III. Ich zeige nach, daß, selbst die Existenz der absoluten Grundrente vorausgesetzt, keineswegs daraus folgt, daß under all circumstances7 das schlechtbebauteste Land oder die schlechteste Mine eine Rente zahlt; sondern daß es sehr möglich, daß diese ihre Produkte zum Marktwert, aber unter ihrem individuellen Wert verkaufen müssen. Ricfardo], um das Gegenteil zu beweisen, unterstellt immer - was theoretisch falsch -, daß under all conditions of the market8 - die9 unter den ungünstigsten Bedingungen produzierte Ware den Marktwert bestimmt. Dagegen hast Du schon in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" das Richtige erwidert.10 Soviel Nachträgliches über die Rente. Was den Brockhaus betrifft11, so verspricht Lassalle sein Äußerstes zu tun, und das glaube ich, da er feierlich erklärt hat, daß er sein magnum opus12 über politische Ökonomie erst veröffentlichen oder in Arbeit nehmen kann - was bei ihm in der Tat identische Ausdrücke -, sobald meine Schrift erschienen. Salut. Dein K.M. Borkheim bemerkt nachträglich: Du sollst auf die 400 Taler 3 Monate auf Lassalle ziehn und 14 Tage vor Verfallzeit erneuern bis 1. Januar 1863. Borkheim wird dafür sorgen, falls Du nicht teilweise kannst, daß Lfassalle] zur ersten Verfallzeit das Geld bekommt. Wegen der „Evening Post"13 wäre es mir lieb, wenn Du mir einen Brief aufsetztest, da ich das familiäre Englisch sehr schlecht schreibe.
6 Streitereien - ' unter allen Umständen - 8 unter allen Marktverhältnissen - 9 in der Handschrift: das - 10 siehe Band 1 unserer Ausgabe, S. 499 -524 - 11 siehe vorl. Band, S. 273 12 großes Werk -13 siehe vorl. Band, S. 263
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Engels an Marx in London
[Manchester, vor dem 12. August 1862] Inliegend der Wechsel auf den Baron Gescheit1. Du mußt ihm Avis2 darüber schreiben, Datum, Verfalltag etc., auch daß er bei Verfall das Geld erhält und bis 1. Jan. prolongiert, wo ich ihm dann die Differenz der £ 15 decken werde. Dein F.E.
[folgende Notiz in der Handschrift von Marx] gez. 12. August 1862. (3 Monate nach Dato) 12. August 1862
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Engels an Marx in London
[Manchester, 13.August 1862]
Lieber Mohr, Auf vorstehenden Brief[297i kann ich nicht antworten, da ich nicht weiß, was Du Bforkheim] im einzelnen gesagt, und also fürchten müßte, Widersprüche in die Geschichte zu bringen. Ich konnte natürlich nicht anders denken, als daß L[assalle] nach Berlin zurück. Geh nun gleich zu Bforkheim] und sieh, daß der Wechsel zurückgeschickt wird und dann von Dir an Lfassalle] zum Akzept. Ohne das ist natürlich gar nichts zu machen. Wie dies Mißverständnis entstehen konnte, ist mir unbegreiflich.
Dein Hämorrhoidarius F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. Aug. 1862
Lieber Frederick, Nur ein paar Zeilen, da ich heute Masse Geschäftslaufereien abmachen muß. Das ganze Mißverständnis besteht darin, daß „keins" vorhanden war. Ich hatte Borkheim gesagt, eh ich Dir schrieb, daß ich nicht wisse, ob L[assalle] in Berlin, daß also nicht sofort Akzept gesichert sei. B[orkheim] hatte versprochen trotzdem, sobald er nur Deine Unterschrift habe, zu discount1. Später wurde ihm das wieder leid. - Er beschloß, nicht selbst, was seine ursprüngliche Absicht, to discount, but to have the bill discounted by one of his friends connected with Berlin2. Da brauchte er natürlich L[assalle]s Akzept. Letztrer, erfuhr ich gestern durch Bucher, ist jetzt in Wildbad, wo Lassalle Senior mehr oder minder im Verrecken ist. Ich habe sofort an Baron Itzig geschrieben.3 Salut. Dein K.M.
1 diskontieren - 2 zu diskontieren, sondern den Wechsel von einem seiner mit Berlin in geschäftlicher Verbindung stehenden Freunde diskontieren zu lassen - 3 siehe vorl. Band, S.630
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Marx an Engels in Manchester
London, 20. August [1862]
Lieber Engels, Mit dem Wechsel habe ich eine Reihe Abenteuer. Erst verspricht Borkheim, der es sehr gut meint, aber auch gern renommiert und post festum unzeitig unschlüssig wird, er (aus seiner Tasche) werde den Wechsel diskontieren. Er wußte dabei, daß L[assalle]s Akzept nicht vor einiger Zeit zu haben. Dann, ohne mir ein Wort zu sagen, schickt er ihn durch Bruckner (Gebrüder) nach Berlin, um ihn von besagten Bruckners diskontiert zu halten.. Möglich - er stellt sich, als habe er den Ausgangspunkt vergessen -, daß er in der Zwischenzeit Angst bekam. Zweitens: Baron Gescheit1, mit dem ich die Transaktion den vorletzten Abend übersprochen, da er sich „zu allem bereit" erklärte, schreibt heute aus Wildbad[298', wohin ich ihn avertiert: „Ich bedarf, um zu akzeptieren, eines Reverses von Engels selbst, worin er sich verpflichtet, mich 8 Tage vor Verfall in Besitz der Deckungssumme zu setzen. Natürlich nicht (!), als ob ich zweifelte, daß Du in seinem Auftrag schreibst. Sondern einfach, weil, wenn ich auf einen Wechsel treten soll, dem ich selbst nicht face machen2 kann, ich mindestens zur Ausschließung aller unvorhergesehnen Umstände und um Lebens oder Sterbens willen die eigene schriftliche Verpflichtung desjenigen, der die Deckung besorgen soll und kann, besitzen muß." Ich habe darauf dem Baron, der jetzt in Zürich (von Wildbad abgereist) und nach einigen Tagen von da nach Italien „vielleicht" geht, - einen sehr ironischen Brief3 geschrieben und ihm mitgeteilt, daß ich Dich umgehend um Zusendung des Reverses an mich ersuchen werde; was hiermit geschieht. Borkheim las mir gestern seinen Brief an Dich vor. Es ist mir lieb, wenn Du ihm privatim schreibst, er solle suchen möglich zu machen, mir das Geld zu schaffen, da ich einerseits (was der Fall) in gefährlichen Nöten, andrerseits L[assalle]s Rückkehr von seinen Reiseabenteuern sich verzögern wird.
1 Ferdinand Lassalle - 2 gerecht werden - 3 siehe vorl. Band, S. 631
(Ich habe dem Itzig übrigens geschrieben, daß er nach Empfang Deines Reverses den Brüdern „Meyer" in Berlin, die den Wechsel haben, schreibt, daß er akzeptiert bei seiner Rückkehr, wenn er nicht lang genug an einem Ort bliebe, um sich den Wechsel zum Akzept schicken zu lassen.) Dear boy4, es ist in der Tat, Du magst sagen, was Du willst, peinlich, daß meine miseres Dir so viel bother5 machen! Wüßte ich nur irgendein business6 anzufangen! Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und nur das business ist grün.12995 Ich bin leider zu spät zu dieser Einsicht gekommen. Mit den 20 £, die Borkheim mir vorgeschossen, habe ich vor allem Steuern gezahlt, dann den Schuster, der mich verklagen wollte etc. Mit 5 £ habe ich meine family, da Jennychen nicht länger hierbleiben durfte, gestern nach Ramsgate geschickt. Ich kann Dir nicht genug dafür danken, daß Du das möglich gemacht. Es ist das trefflichste und begabteste Kind von der Welt. Aber sie litt hier doppelt. Einmal aus physischen Gründen. Und dann griff sie der bürgerliche trouble7 an. Wie froh war ich heute, daß Frau und Kinder fort und Itzigs Brief nicht miterlebten! Kannst Du nicht auf einige Tage herkommen? Ich habe in meiner Kritik1271 so viel Altes umgestoßen, daß ich doch über einige Punkte vorher mich mit Dir konsultieren möchte. Das Schreiben über das Zeug ist Dir und mir langweilig. Ein Punkt, über den Du als Praktikus Bescheid wissen mußt, ist der. Nimm an, die Maschinerie, womit ein Geschäft eröffnet, = 12 000 £. Sie nutze, on an average8, ab in 12 Jahren. Wird dann jedes Jahr auf die Waren 1000 £ Wert zugeschlagen, so ist der Preis der Maschine in 12 Jahren bezahlt. Soweit A.Smith und alle seine Nachfolger. Aber in fact9 ist dies nur average calculation10. Es verhält sich mit der Maschinerie, die 12 Jahre zu leben hat, wie etwa mit einem Pferde, das 10 Jahre zu leben hätte oder dienstfähig wäre. Obgleich es nach 10 Jahren durch ein neues Pferd ersetzt werden muß, wäre es in der Wirklichkeit falsch, zu sagen, daß es jedes Jahr Vio abstirbt. Herr Nasmyth bemerkt vielmehr in einem Brief an die factory inspectors1113001, daß die Maschinerie (wenigstens gewisse Maschinerie) im zweiten Jahr better runs than in the first. At all events12 ist während der 12 Jahre nicht jedes Jahr V12 in natura der Maschinerie zu ersetzen? Was wird nun aus diesem fonds, der jährlich x/i2 der Maschinerie ersetzt? Ist er in der Tat nicht ein Akkumulationsfonds zur Erweiterung der Reproduktion, abgesehn von aller conversion of revenue into capital13? Erklärt das
4 Lieber Junge - 5 Ungelegenheiten - 6 Geschäft - 7 Verdruß -8 im Durchschnitt -9 tatsächlich - 10 durchschnittliche Berechnung - 11 Fabrikinspektoren - 12 besser läuft als im ersten. Auf alle Fälle - 13 Verwandlung von Revenue in Kapital
Dasein dieses fonds nicht teilweise die sehr verschiedene Rate, womit Kapital akkumuliert bei Nationen, wo die kapitalistische Produktion entwickelt, daher viel capital fixe existiert, im Gegensatz zu Nationen, wo dies nicht der Fall? Trotz Hämorrhoiden kannst Du dies jedenfalls kurz beantworten. Was den Rüstow-Lassalleschen Plan betrifft14, so ist Deine Kritik darüber mir wichtig wegen Bucher. Salut. Dein K.M.
158
Engels an Marx in London
[Manchester, 2I.August 1862]
Lieber Mohr, Inl. der Zettel für LJassalle].1 Ereifre Dich nicht so über diese Eseleien. Laß den Wechsel doch einfach zurückkommen und schick ihn zum Akzept an Lassalle,- oder laß es von Berlin aus gleich geschehn. Ich kann, begreifst Du, bei Borkheim nicht mehr ausrichten als Du, eher weniger. Daß er renommiert, weiß ich. Sehr pressiert. Dein F.E.
159
Engels an Marx in London
[Manchester, Anfang September 1862]
Lieber Mohr, Ich sitze dicke und tief im Baumwollenschwindel, der kolossale Proportionen angenommen hat - wer Courage hat, verdient viel Geld, leider aber haben E[rmen] & E[ngels] keine Courage -, ich habe eine Heidenarbeit dabei, sobald ich irgend kann, schreib* ich Dir. Dein F.E.
160
Engels an Marx in London
Manchester, 9. Sept. 1862
Lieber Mohr, Du hast gar keine Idee, was ich diese letzte Zeit hab' ins Geschirr gehn müssen. Das verdammte Baumwollenzeug ist auf den fünffachen Durchschnittswert gestiegen, und was das für eine Arbeit gemacht hat, die sämtliche Kundschaft von diesen sukzessiven Steigerungen unterrichtet zu halten, glaubst Du gar nicht. Ich hoffe, die Lassalliade mit dem unglücklichen Wechsel1 ist im reinen und Du bist im Besitz des Geldes. Ich bin endlich so weit gekommen, daß ich Freitag nach Deutschland gehn kann, auf 14 Tage13011, in London kann ich mich leider nicht aufhalten, die Zeit ist mir zu knapp gemessen, und die dumme Ausstellung'2261 ist mir vom Hörensagen so verhaßt geworden, daß ich mich ordentlich freue, sie nicht zu sehn. Schreib mir aber noch ein paar Zeilen, wie es mit dem Wechsel gegangen und wie es Jennychen geht - eh' ich fortkomme. Die Rententheorie2 ist mir in dieser Baumwollhatz'2491 wirklich zu abstrakt gewesen, ich muß die Sache überlegen, wenn ich erst mehr Ruhe habe. Desgleichen die Geschichte mit dem Verschleiß3, bei der ich aber fast glaube, daß Du auf die unrechte Fährte gekommen bist. Die Verschleißzeit ist ja auch nicht für alle Maschinen dieselbe. Doch darüber mehr, wenn ich zurückkomme. Einzelne Kerle hier haben ein Heidengeld verdient, während dieser Steigerung. Bei uns wird nichts hangenbleiben, teils, weil der brave Gottfried4 doch ein Hosenscheißer ist, und teils, weil der Spinner überhaupt nichts verdient bei dieser Periode. Die Kommissionshäuser haben alles eingesteckt. Die Bull-Run-Geschichte Nr.II'3021 war ein famoses Stückchen von Stonewall Jackson, der bei weitem der beste Kerl in Amerika ist. Wäre er
1 Siebe vorl. Band, S. 279 - 2 siebe vorl. Band, S. 274/275 - 3 siebe vorl. Band, S. 280/281
durch einen Angriff der konföderierten Hauptarmee in der Front unterstützt worden und hätte alles geklappt (auch nur halbwegs), so war Monsieur Pope wahrscheinlich geliefert. So aber hat die Sache zu nichts geführt, als daß die Konföderierten einen großen moralischen Vorteil - Respekt vor ihrem Unternehmungsgeist und vor Jackson - und einige Quadratmeilen Land erworben, dagegen aber die Vereinigung und Konzentration der ganzen Bundesarmee vor Washington beschleunigt haben. Wir werden nun wohl mit nächstem Steamer5 weitere Nachricht über neue Gefechte hören, wo die Föderalisten wohl siegreich sein könnten, wenn ihre Generale nicht so blutig dumm wären. Aber was ist bei solchem Hundevolk zu machen! Der Pope ist der lausigste von allen, er kann bloß dicktun, revozieren6, lügen und Schlappen verheimlichen. Wahrhaftig, der Generalstabsklugscheißer McCIellan erscheint einem jetzt ordentlich wieder wie ein verständiger Mensch. Dazu die Ordre, daß alle künftigen Generalmajore das preußische Portepeefähnrichsexamen bestehn sollen.'3031 Es ist zu erbärmlich, und die Kerls im Süden, die wenigstens wissen, was sie wollen, kommen mir der schlappen Wirtschaft im Norden gegenüber wie Helden vor. Oder glaubst Du noch, daß die Herren im Norden die „Rebellion" erdrücken werden? Adieu! Dein F. E.
6 Dampfer - 6 widerrufen
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Marx an Engels in Manchester
London, 10. September [1862]
Lieber Engels, Meine family ist von Ramsgate zurückgekehrt; Jennychen hat sich sehr erholt. Lassalles Brief, worin er einen Brief für die Gebrüder Meyer in Berlin einlegte, bei denen der Wechsel in Berlin liegt, und seinen Akzept anzeigt, kam erst gestern an. Unterdes war Borkheim schon abgereist auf seine Ferientour. Er hat bisher stückweis 40 £ gezahlt, die letzten 15 Von diesen 40 vor 13 Tagen, als ich abreiste^011. Ich wollte nämlich meinem Onkel1 auf den Hals steigen. Der war aber ebenfalls auf Reise auf dem Kontinent. Von da ging ich (passant par Cologne2 etc.) nach Trier zu meiner Alten, jedoch ohne Erfolg, was ich gleich ahnte, als Monsieur l'oncle nicht attrappierbar3 war. Am 17. dieses habe ich einen Wechsel von 6 £ (six pounds) meinem Metzger zu zahlen, und B[orkheim] wird bis dann noch nicht zurück sein, da er sich about 4 weeks4 in der Schweiz etc. herumtummeln will. Was die Yankees angeht, so bin ich sicher nach wie vor der Ansicht, daß der Norden schließlich siegt5; es kann allerdings der Bürgerkrieg durch allerlei Episoden, vielleicht auch Waffenstillstände, durchgehn und sich in die Länge ziehn. Der Süden würde oder könnte nur Frieden schließen unter der Bedingung, daß er die border slaves states6 erhält. In diesem Falle würde ihm auch Kalifornien zufallen, der Nordwest würde nachfolgen, und die ganze Federation, etwa mit Ausschluß der New England States12955, würde wieder ein Land bilden, diesmal unter der acknowledged supremacy of the slaveholders7. Es wäre die Rekonstruktion der United States auf der vom Süden verlangten Basis. Dies aber unmöglich und wird sich nicht ereignen. Der Norden seinerseits kann nur Frieden schließen, wenn die confederacy beschränkt auf die alten Sklavenstaaten und diese eingeschlossen
1 Lion Philips - 2 über Köln - 3 der Herr Onkel nicht zu erwischen - 4 ungefähr 4 Wochen 6 siehe vorl. Band, S. 285 - 6 Grenzsklavenstaaten - 7 anerkannten Oberherrschaft der Sklavenhalter
zwischen Mississippi river und dem Atlantic. In diesem Fall würde die cojifederacy bald ihr seliges Ende erreichen. Waffenstillstände etc. dazwischen, auf Grundlage eines status quo, könnten höchstens Pausen in der Kriegsführung herbeiführen. Die Art, wie der Norden Krieg führt, nicht anders zu erwarten von einer bürgerlichen Republik, wo der Schwindel so lange souverän gethront. Der Süden, eine Oligarchie, paßt besser dazu, namentlich eine Oligarchie, wo die ganze produktive Arbeit den niggers zufällt und die 4 Millions „white trash" flibustiers8 von Profession sind. Trotz alledem wollte ich meinen Kopf dagegen wetten, daß diese Burschen den kürzern ziehn trotz „Stonewall Jackson". Möglich allerdings, daß es vorher noch zu einer Art Revolution im Norden selbst kömmt. Willich ist Brigadegeneral und, wie Kapp in Köln erzählt hat, soll auch Stephens9 jetzt in den Krieg rücken. Es scheint mir, daß Du Dich a little too much10 durch den militärischen aspect der, Dinge bestimmen läßt. Was das ökonomische Zeug angeht, so will ich Dich auf Deiner Reise nicht damit „ballasten".11 Salut. Dein K.M.
Wohl aber könntest Du schreiben, wo und wann Du in London bei der Durchreise durchkömmst. Ist es mir irgend tunlich, so komme ich Dich nach dort sehn. Es ist möglich (wenn auch noch allerlei dazwischen liegt), daß ich Anfang nächsten Jahrs in ein englisches Eisenbahnbüro eintrete. What about12 Garibaldi?
8 „weißer Abschaum" Freibeuter - 9 offensichtlich Wilhelm Steffen gemeint - 10 ein bißchen zu sehr -11 siehe vorl. Band, S. 284 -12 Was ist mit
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Engels an Marx in London
Manchester, 16. Okt. 1862
Lieber Mohr, Die ganze vorige und diese Woche habe ich mich teigtäglich drauf vorbereitet gehabt, Dir zu schreiben, aber die verdammten Cottongeschichten1 haben mich abgehalten. Ces messieurs2 hatten während meiner Abwesenheit natürlich alles liegenlassen, was nur möglich war, so daß ich alle Hände voll bekam. Lupus läßt sagen, daß er die Sachen richtig erhalten hat.3 Der Kasus ist höchst amüsant. Diese armen verlogenen Preußen, die sich stets blamieren, sowie sie was Schriftliches von sich geben! Die £-10-Note hast Du doch erhalten, die ich Dir am Tage meiner Abreise schickte? Ich blieb in Barmen und Engelskirchen wieder zu lange kleben, da ich 14 Teige lang an der Mosel, am Rhein und in Thüringen herumgebummelt. Ich ging gleich via Brüssel und Luxemburg nach Trier, von dort zu Fuß bis Kochern usw. In Köln war ich gar nicht. Die Ernennung von Bismarck wurde von den Bourgeois mit schallendem Gelächter empfangen.13051 Überhaupt waren die Kerle außerordentlich sicher und gewissermaßen verwegen. Sie haben den braven Wilhelm4 endlich an einer Geldfrage fest und wissen, daß er ihnen da auf die Dauer nachgeben muß; sie stellen sich aber den Verlauf der Sache merkwürdig idyllisch vor und meinen, wenn sie den Burschen nur einige Zeit zappeln lassen, so müsse er ihnen schon von selbst kommen. Die werden sich noch wundern. Jedenfalls muß gegen das Frühjahr die Sache zur Krisis kommen. Übrigens ist es zum Totschießen, welch begeisternde Wirkung so eine Geldfrage auf die Philister ausübt. Schulze-Delitzsch und Konsorten werden ordentlich witzig, und nur Virchow bleibt „ernscht" ischt der Mann; doch nein, neben ihm benimmt sich auch Heinrich Bürgers noch mit geziemender Würde in Weimar, indem er für die Reichsverfassung von Anno Toback paukt'3061. Ich muß sagen, der Schulze-Delitzsch, der
1 Baumwollgeschichten - 2 Diese Herren - 3 siehe vorl. Band, S. 635 - 4 Wilhelm I.
doch immer nur ein lausiger Spießbürger war und sein wollte, dieses Sparkassenmännchen kommt mir ordentlich respektabel vor, wenn ich ihn mit diesen Hunden vergleiche wie Bürgers und der grausse Miquel, die das Vaterland in Weimar durch die preußische Spitze[3071 retten. Uber Kinkel bin ich jetzt auch im klaren. Er ist die reine Karikatur eines Tapezierers in Koblenz, der ein in seiner Art einziger Musterrheinländer, mit allen Vorurteilen und Borniertheiten der Race ist, die Preußen verflucht, die Franzosen haßt, mit Ostreich sympathisiert, dabei katholisch und demokratisch in einem Atem, aber famos marschieren kann; der Kerl ist mit mir über den Kochemer Berg marschiert; wenn Kinkel diesen Burschen sähe, dessen Affe seine Körperlichkeit von oben bis unten ist, fiel er auf den Hintern vor Schreck. Was hältst Du von Amerika? Der finanzielle Crash5, der bei diesen dummen Papiergeldmaßregeln nicht ausbleiben kann, scheint nahe.6 Militärisch wird der Norden jetzt wohl wieder etwas auf die Beine kommen. Was macht Jennychen? Viele Grüße an Deine Frau und die Mädchen. Dein F.E.
6 Kracb - 6 siehe vorl. Band, S. 291
19 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29. Oktober 62
Lieber Engels, Es ist nicht in der Ordnung, daß Du während Deiner holydays1 nie die Zeit hast, auch nur einen Tag in London zu sein. Jennychen ist seit dem Bad viel besser, obgleich immer noch nicht, wie sie sein müßte. Sie hat seit einem Jahr an Gewicht ab- statt zugenommen. Lassalle, der sehr erzürnt über mich ist, teilt mir mit, die Deckung solle ihm, da er keinen Bankier habe, persönlich zugeschickt werden, an seine Berliner Adresse, 13 Bellevuestraße. Er hat in diesem Monat einen Prozeß wegen der einen seiner berühmten Reden.13081 Schily war hier während 8 Tagen, er sieht sehr elend und leidend aus. Sein Freund Imandt dagegen, der auch hier war vor meiner Abreise nach Holland und Trier2, hat schrecklich in die Breite ausgeschlagen. Uber seinem alten Rücken scheint sich förmlich ein neuer angesetzt zu haben. Was Amerika angeht, so glaube ich, daß die Maryland campagne13091 dezisiv3 war, sofern als sie zeigt, daß selbst in diesem südlichst gesinnten Teil der border states12561 die Anhängerschaft der Confederates schwach ist. Der ganze. Kampf dreht sich aber um die border states. Wer sie hat, hat die Herrschaft über die Union. Daß Lincoln die prospektive4 Emanzipationsakte13101 erließ im Moment, wo die Confederates in Kentucky vordrangen, zeigt zugleich, daß alle Rücksicht auf die loyal slave holders5 in den border states aufgehört hat. Die Auswanderung der Sklavenhalter von Missouri, Kentucky, Tennessee mit ihrem black chattel6 nach Süden ist schon enorm, und verlängert sich der Kampf noch etwas, was sicher, so hat der Süden allen Anhalt dort verloren. Er begann den Kampf für die Territorien.12911 Der Krieg selbst war das Mittel, seine Macht in den border states zu vernichten, die ohnehin, da das breeding of slaves und der internal
1 Ferien - 2 siehe vorl. Band, S. 161 - 3 entscheidend - 4 für die Zukunft geltende - 5 loyalen Sklavenhalter - 6 ihrer beweglichen schwarzen Habe
slave trade7 keinen Markt mehr finden, ihr Band mit dem Süden täglich lockerten. Es wird sich also nach meiner Ansicht für den Süden nur noch um die Defensive handeln. Seine einzige Möglichkeit des Erfolgs lag aber in der Offensive. Bestätigt sich die Nachricht, daß Hooker das aktive Kommando der Potomacarmee erhält, McCIellan auf den „theoretischen" Posten als Commander in chief8 „zurückgezogen" wird und Halleck das Oberkommando im Westen übernimmt, so möchte auch die Kriegsführung in Virginien einen energischeren Charakter erhalten. Außerdem jetzt die vorteilhafteste Jahreszeit für die Confederates gone9. Moralisch war unbedingt das Zerplatzen des Marylandfeldzugs von der ungeheuersten Bedeutung. Was das Finanzielle betrifft, so wissen die United States aus der Zeit des Unabhängigkeitskriegs und wissen wir aus östreichischer Anschauung[311', wie weit man mit depreziiertem Papiergeld gehn kann. Faktisch ist, daß die Yankees nie mehr Korn nach England ausführten als dieses Jahr, daß die jetzige Ernte wieder weit über dem average10 steht und daß die Handelsbilanz nie günstiger für sie war als seit 2 Jahren. Sobald das neue Steuersystem (allerdings sehr abgeschmackt und echt Pittisch[296!) in Kraft tritt, wird endlich auch reflux11 des Papiergelds eintreten, das bisher nur beständig emittiert ward. Eine Erweiterung der Papierausgabe auf dem jetzigen Maßstab wird dadurch überflüssig, eine weitere Depreziation so checked12. Was selbst die bisherige Depreziation minder gefährlich machte, als sie unter ähnlichen Umständen in Frankreich und selbst in England war, ist, daß die Yankees nie zwei Preise, gold price und paper price13, verboten haben. Das eigentliche Unheil der Sache löst sich in eine Staatsschuld auf, wofür nie das richtige Äquivalent erhalten worden, und in ein premium for jobbing and speculation14.'3121 Wenn die Engländer renommieren, daß ihre Depreziation nie über 111 /a p.c. (nach andern belief sie sich during some time15 auf mehr als das Doppelte), so vergessen sie gefälligst, daß sie nicht nur die alten Steuern fortzahlten, sondern jährlich neue zu den alten zahlten, also von vornherein reflux der Banknoten gesichert war, während die Yankees in der Tat seit 11/2 Jahren (mit Ausnahme der sehr gesunknen Eingangszölle) ohne Steuern, durch bloße Wiederholung von Papieremission den Krieg führten. Bei einem solchen Prozeß, der jetzt seinen Wendepunkt erreicht, ist die Depreziation in der Tat noch verhältnismäßig gering.
7 die Sklavenaufzueht und der innere Sklavenhandel - 8 Oberbefehlshaber - 9 Konföderierten vorüber -10 Durchschnitt -11 Rückfluß -12 verhindert -13 Goldpreis und Papiergeldpreis 14 eine Prämie für Geldhandel und Spekulation -15 während einiger Zeit
Die Wut, womit die Südlichen Lincolns Akte aufnehmen, beweist die Wichtigkeit derselben. Lincolns Akte haben alle das Aussehn engherzig klausulierter Bedingungen, die ein Anwalt seinem Gegenanwalt zustellt.13131 Dies hindert aber nicht ihren historischen Gehalt und amüsiert mich in der Tat, wenn ich dagegen die Draperie16 betrachte, womit der Frenchman17 das Unbedeutendste umwickelt. Ich sehe natürlich wie andre das Widerliche an der Form der Bewegung bei den Yankees; finde das aber aus der Natur einer „bürgerlichen" Demokratie erklärlich. Dennoch sind die dortigen Ereignisse weltumwälzend und gibt es in der ganzen Geschichte nichts Ekelhafteres als das englische Verhalten dazu. Gruß an lupus. Salut. Dein K.M. Die £ 10 richtig erhalten.
16 schmückende Umhüllung - 17 Franzose
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Marx an Engels in Manchester1314'
[London] 4. November 1862
Lieber Engels, Ich komme eben von Freiligrath. Er wird die 400 Taler an L[assalle] schicken. Du sollst ihm 60 £ schicken, und dann wird er Dir den Kurs etc. zukommen lassen. Was das Erneuern angeht, keine Schwierigkeit. Du kannst auf 45 £ oder any sum less than 601 ziehn und mir den Wechsel zuschicken, damit Las[salle] ihn indossiert. Sobald letztres geschehn, ist er hier diskontierbar. Du kannst ihn auf 3 Monate zahlbar machen. Aber zu der Erneurung ist L[assalle]s Indossement nötig, kann also nicht für diese Zahlung geschehn. L[assalle] selbst erwartet, nach meinem Briefe, diese Erneurung. Schreib mir gleich, was geschehn soll. Dein K.M.
1 eine beliebige Summe unter 60
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Engels an Marx in London
Manchester, 5. Nov. 1862
Lieber Mohr, Die £ 60 gehen morgen an Freiligrath ab. Wie es mit dem Erneuern des Wechsels gehalten werden soll, kann ich erst sagen, wenn ich weiß, ob der Wechsel auch sicher diskontierbar ist, sobald L[assalle] ihn akzeptiert hat, und wer das Diskontieren besorgt? Einerseits wäre es unnütz, L[assalle] übermäßig mit Wechseln zu plagen, die Dir unmittelbar kein Geld einbringen, und andrerseits könnte es mir nicht viel nützen, wenn Borkheim (bei dem dieselben Considerations1 gelten) mir das Geld in lauter kleinen driblets2 zuschickte. Dazu die Kosten. Quant a l'Amerique3, so glaube ich allerdings auch, daß die Konföderierten in Maryland einen unerwarteten moralischen Schlag von großer Bedeutung erhalten haben.13091 Auch bin ich überzeugt, daß der definitive Besitz der border states12561 über das Resultat des Kriegs entscheidet. Ich bin aber keineswegs sicher, daß die Geschichte in so klassischer Form verlaufen wird, wie Du zu glauben scheinst. Trotz alles Geschreis der Yankees ist noch gar kein Symptom vorhanden, daß die Leute den Kram als eine wirklich nationale Existenzfrage ansehn. Im Gegenteil, diese Wahlsiege der Demokraten beweisen eher, daß die des Kriegs überdrüssige Partei am Wachsen ist.13151 Wäre nur ein Beweis, ein Anzeichen da, daß die Massen im Norden anfangen aufzutreten wie in Frankreich 1792 und 1793, so wäre das alles sehr schön. Aber die einzige Revolution, die zu erwarten, scheint eher eine demokratische Kontrerevolution und ein fauler Friede zu sein, der auch die border states verteilt. Daß damit die Sache noch lange nicht abgemacht - granted4. Aber doch vorderhand. Ich muß sagen, ich kann mich für ein Volk nicht enthusiasmieren, das in einer so kolossalen Frage sich fortwährend von V4 seiner eignen Bevölkerungszahl klopfen läßt und nach 18 Monaten Krieg weiter nichts erreicht hat als die Entdeckung, daß alle seine Generale Esel und seine Zivilbeamten Spitzbuben
1 Erwägungen - 2 Teilen - 3 Was Amerika betrifft - 4 zugegeben
und Verräter sind. Die Sache muß denn doch anders kommen, selbst in einer bürgerlichen Republik, wenn sie nicht ganz in den Dreck geritten werden soll. Was Du von der Gemeinheit der englischen Art, die Sache aufzufassen, sagst, ist ganz meine Ansicht.5 Hier fängt der distress6 allmählich an, akut zu werden. Gumpert sagt mir, daß alle ernsteren Krankheitsfälle an seinem Hospital typhösen Charakter annehmen, und Fälle von Tuberkulose, deren Ursprung auf die letzten 8-9 Monate sich zurückführen lassen, stark zunehmen. Ich denke, bis nächsten Monat werden die Arbeiter auch die passive Jammermiene satt werden, mit der sie jetzt dasitzen. Beste Grüße. Dein F.E.
Ein Kopenhagener deutscher Kaufmann, Exdemokrat von 48, der Freiligrfath] besuchte, wurde von diesem aus Veranlassung eines SchleswigHolstein-Gesprächs zu Blind gewiesen. Ich sagte dem Manne, Bl[ind] sei ein Waschweib.
6 siehe vorl. Band, S. 292 -s das Elend
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Marx an Engels in Manchester
London, 9. November [1862]
In Eile.
Lieber Engels, Eccarius sind infolge der Scarlatina1 3 Kinder Schlag auf Schlag gestorben. Dabei das größte Elend. Bringe eine Kleinigkeit unter den Bekannten zusammen und schicke sie ihm 22, Denmark Street, opposite2 St.Giles Church. Salut. Dein K.M.
1 des Scharlachs - 2 gegenüber
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Marx an Engels in Manchester
[London, H.November 1862]
Lieber Engels, Da Du eben dem Ecc[arius] Geld geschickt, außerdem die große Summe für den L[assalle]schen Wechsel gezahlt, bist Du natürlich sehr „blanc". Dennoch muß ich Dich bitten, mir eine Kleinigkeit bis Montag zu schicken, da ich Kohlen kaufen muß und „Lebensmittel", since der Epicier1 mir schon seit 3 Wochen den Kredit gekündet, ich aber dennoch, solang ich dem Schweinhund nicht abgezahlt, bar bei ihm kaufen muß, um nicht verklagt zu werden. Salut. Dein K.M.
1 weil der Krämer
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Engels an Marx in London
Manchester, 15. Nov. 1862
Lieber Mohr, Du hast recht, ich bin sehr blank und beschäftige mich stark mit „Ersparnissen" wie die preußische Regierung. In der Hoffnung, durch häusliches Leben in Hyde Road diesen Ausfall zu decken, schicke ich Dir inl. die Fünfpfundnote, O/L 28076, Manchester, 28. Jan. 62. Gleichzeitig geht ein Korb Wein per Chaplin and Hörne an Dich ab, worin ca. ein Dutzend Bordeaux und 2 Flaschen alter 1846er Rheinwein für Jennychen und der Rest aufgefüllt mit 1857er Rheinwein. Im ganzen 24 Flaschen. Ich warte mit Ungeduld auf den Steamer1, der die Nachrichten über die New-Yorker Wahlen bringt13151. Wenn die Demokraten im Staat New York siegen, so weiß ich nicht mehr, was ich von den Yankees denken soll. Daß ein Volk, das in ein großes geschichtliches Dilemma gestellt wird, wobei es sich zugleich um seine eigne Existenz handelt, nach 18monatlichem Kampf in seiner Masse reaktionär werden und fürs Kleinbeigeben stimmen kann, geht mir doch etwas über den Verstand. So gut es einerseits ist, daß die bürgerliche Republik sich auch in Amerika gründlich blamiert, so daß sie in Zukunft nie wieder on its own merits2 gepredigt werden kann, sondern nur als Mittel und Übergangsform zur sozialen Revolution, so ärgert es einen doch, daß eine lausige Oligarchie von nur halb der Einwohnerzahl sich ebenso stark erweist wie die plumpe, große, hülflose Demokratie. Wenn übrigens die Demokraten siegen, so hat der brave McCIellan und die Westpointer13161 das schönste Oberwasser, und die Herrlichkeit wird bald zu Ende sein. Die Kerle sind imstande, Frieden zu schließen, wenn der Süden in die Union zurückkehrt on condition3, daß der Präsident stets ein Southerner4 sein soll und der Kongreß stets in gleicher Zahl aus Southerners und Northerners5 bestehen. Sie sind sogar imstande, Jeffjerson] Davis sofort zum Präsidenten der United States zu proklamieren
1 Dampfer - ä um ihrer selbst willen - 3 unter der Bedingung - 4 Südstaatler - 5 Nordstaatlern
und selbst die sämtlichen border states preiszugeben, wenn's nicht anders Frieden gibt. Dann Ade, Amerika. Von Lincolns Emanzipation13105 sieht man bis jetzt auch noch keine Wirkung, als daß der Nordwesten aus Furcht vor Negerüberschwemmung demokratisch gestimmt hat. Um vom Größten zum Kleinsten herabzusteigen, was sagst Du von dem braven Wilhelm6? Der Kerl ist endlich wieder Er selber; hat Buße getan für seine liberalen Sünden und zur lahmen Elisabeth gesagt mater peccavi7. Dafür hat ihn der Herr ausgerüstet mit Macht zu schlagen das skrofulöse Gesindel der Liberalen, und dazu, sagt Wilhelm, „dazu brauche ich das Militär". Der Kerl ist so rabiat, daß selbst Bismarck nicht reaktionär genug mehr. Daß Du dumm bist, Schapper, das wissen wir, und das weißt Du selber, aber für so dumm etc., etc. Die Sache geht brillant, und schöner konnte es gar nicht kommen, als daß das liberale Bürgertum, 14 Jahre nach 1848, in das alleräußerste revolutionäre Dilemma gedrängt wird wegen lumpiger 6 Millionen Taler, ca. 850 000 Pfd. St. Wenn nur der alte Esel nicht wieder schlapp wird. Er ist zwar im schönsten Zuge, aber bei diesen Preußen kann man sich auf gar nichts verlassen, nicht einmal auf ihre Dummheit. Wenn das so vorangeht, so ist Krawall ganz unvermeidlich, und wenn es zum Äußersten kommt, so wird Wilhelm sich wundern, in welcher Weise „das Militär" mitspricht, nämlich die gemeinen Soldaten, die sich bedanken werden, sich für 3jährige gegen 2jährige Dienstzeit zu schlagen.13175 Herzliche Grüße an Deine Frau Und die Mädchen. Dein F. E.
Apropos. Schicke mir doch die 4 letzten „Free Press", ich kann sie hier nie haben, wenn ich nicht grade auf den Tag hingehe, was ich immer vergesse.
6 Wilhelm I. - 7 Mutter, ich habe gesündigt
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Marx an Engels in Manchester
[London] 17. Nov. [1862]
Lieber Engels, Besten Dank für die £ 5. Es scheint mir, daß Du zu sehr nur die eine Seite in den amerikanischen Krakeels betrachtest. Ich habe mir in dem American coffeehouse1 eine Masse südlicher papers2 betrachtet und daraus gesehn, daß die Confederation sehr in der Enge ist. Die englischen Zeitungen haben die Schlacht von „Corinth"13181 unterdrückt. Die südlichen Blätter schildern sie als das außerordentlichste Pech, das ihnen seit der Schilderhebung widerfahren. Der Staat Georgien hat die confederate „Konskriptionsakte"3 für null und nichtig erklärt. Virginien hat in der Person von Floyd the thief4 den „Kreaturen (wörtlich) von Jefferson Davis" das Recht streitig gemacht, in ihrem Staat ferner auszuheben. Oldham, Repräsentant von Texas auf dem Kongreß von Richmond, hat Protest eingelegt gegen das Transportieren der „Kerntruppen" des Südwestens nach dem Osten, i.e. Virginien. Aus allen diesen disputes geht zweierlei ganz unleugbar hervor: Daß das confederate government5 den Bogen überspannt hat in den Gewaltanstrengungen, die Reihen der Armee zu füllen; daß die states die „State rights" 6 gegen den Sonderbund geltend machen, wie dieser sie gegen die Union zum pretext7 machte.13191 Die Siege der Demokraten im Norden13151 betrachte ich als eine Reaktion, die diesem konservativen und blackleg8 Element durch die schlechte Kriegsführung und die financial blunders9 der Föderalregierung erleichtert ward. Übrigens eine Sorte Reaktion, die in jeder revolutionären Bewegung vorkommt und z.B. zur Zeit des Konvents so stark war, daß es für kontrerevolutionär galt, den Tod des Königs dem suffrage universel10 unterwerfen zu wollen, und unter dem Direktorium so stark, daß Herr Bonaparte I. Paris kanonieren mußte13201.
1 Amerikanischen Kaffeehaus - 2 Zeitungen - 3 siehe Band 15 unserer Ausgabe, S.562 dem Spitzbuben - 5 die Regierung der Konföderierten - 6 die Staaten die „Staatenrechte" ' Vorwand - 8 betrügerischen - 9 finanziellen Schnitzer-10 der allgemeinen Volksabstimmung
Andrerseits üben die Wahlen vor dem 4. Dez. 1864 keinen Einfluß auf die Kongreßkomposition aus; dienen also nur als Stachel für die republikanische Regierung, der das Schwert über dem Kopf hängt. Und jedenfalls wird das republikanische Repräsentantenhaus die ihm gesetzte Lebensfrist besser benutzen, schon aus Haß gegen die Gegenpartei. As to McCIellan11, so hat er in seiner eignen Armee Hooker und andre Republikaner, die jeden Tag auf Regierungsbefehl ihn arretieren werden. Es kömmt hinzu der französische Interventionsversuch, der Reaktion gegen die Reaktion hervorrufen wird.13211 Ich sehe also nicht die Dinge so schlimm an. Was mich in meinen Ansichten vielmehr lädieren könnte, ist die Schafshaltung der Arbeiter in Lancashire. Such a thing has never been heard of in the world.12 Um so mehr, da das Fabrikantengesindel selbst nicht einmal heuchelt, „Opfer zu bringen", sondern dem Rest von England die Ehre überläßt, ihnen ihre Armee auf den Beinen zu halten; das heißt dem Rest von England die Unterhaltungskosten für ihr variables Kapital auferlegt. England hat sich während dieser letzten Zeit mehr blamiert als any other country13, die Arbeiter durch ihre christliche Sklavennatur, die Bourgeeis und Aristokraten durch ihre Begeisterung für Sklaverei in its most direct form14. Aber beide Manifestationen ergänzen sich. As to our „Schön Wilhelm"ls, so ist der Kerl in fact16 erfreulich. Übrigens ist das Ministerium Bismarck durchaus nichts als der realisierte fromme Wunsch der kleindeutschen Fortschrittler12411. Sie schwärmten für den „Fortschrittsmann" Louis Bonaparte. Sie sehn jetzt, was ein „bonapartistisches" Ministerium in Preußen meint. Bismarck ist ja gewissermaßen von Bonaparte (und Rußland) ernannt. Die „Press" such' ich Dir zusammen. Salut (auch an die Damen). Dein K.M.
11 Was McCIellan betrifft - 12 So etwas hat die Welt noch nicht gesehen. - 13 irgendein anderes Land - 14 ihrer unmittelbarsten Form - 15 Was unsern „Schönen Wilhelm" (Wilhelm I.) betrifft - 16 in der Tat
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Marx an Engels in Manchester
[London] 20. Nov. 62
Lieber Engels, Ich zeige, mit bestem Dank, in aller Eile, den Empfang der ersten halben Zehnpfundnote an. Wenn doch die Mexikaner (les derniers des hommes!1) noch einmal die crapauds2 schlügen, aber letztere Hunde sprechen selbst in Paris jetzt die angeblich radikalen Bourgeois - von „l'honneur du drapeau"3! Wenn Spence die Northerners4 nicht kleinkriegt, wird nichts helfen; selbst die bad generalship5 des McCIellan nicht. Salut. Dein K.M.
1 die letzten der Menschen! - 2 Franzosen - 3 „Fahnenehre" - 4 Nordstaatler - 5 schlechte militärische Führung
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Marx an Engels in Manchester
[London] 24. Dez. 1862
Lieber Engels, Seit ich von Dirt322], hatte ich a most eventful time of it1. Montag die Manichäer13231, die aber nicht alle verabredetermaßen kamen. Ich verteilte 15 £ unter ihnen. Dem schlimmsten gab ich einen Wechsel für 12 £, 6 Wochen (eigentlich, da ich das Datum von Ende dieses Jahres datiert, 7 Wochen) Sicht, mich dem chapter of accidents2 anvertrauend. Mittwoch meine Frau ab nach Paris. Gestern abend kam sie zurück. Es wäre alles all right gewesen, wenn nicht grade vor ihrer Ankunft Abarbanel vom Schlag paralysiert, so daß er, obgleich sein Kopf in Ordnung, hülflos im Bett lag. Uberhaupt war die Reihe Unglücksfälle, die sie durchzumachen, tragikomisch. Erst großer Sturm zur See; ihr Schiff kam davon, eins in ihrer Nachbarschaft (es war via Boulogne) ging unter. Abarbanel wohnt vor Paris. Meine Frau durch Eisenbahn zu ihm. Es passierte Pech mit der Lokomotive, so daß 2 Stunden die Fahrt unterbrochen. Später stürzte ein Omnibus, mit dem sie fuhr. Und gestern geriet in London der Cab3, worin sie saß, in die Räder eines andern. Sie stieg aus und kam per pedes an mit 2 Jungen, die ihren Koffer trugen. Übrigens eins in Paris, wo sie Massol etc. sah, erreicht. Sobald meine Schrift1271 heraus, wird sie französisch publiziert werden. Nun aber das größte Pech. Marianne (Lenchens4 Schwester), die Allen schon vor einem Jahr an Herzkrankheit kuriert, fing am Tage der Abreise meiner Frau an, unwohl zu werden. Dienstag abend, 2 Stunden vor der Ankunft meiner Frau, war sie tot. Ich übernahm mit Lenchen zusammen während der sieben Tage die Krankenwartung. Allen had misgivings from the first day®. Sonnabend 2 Uhr ist das Begräbnis, wo ich 7+ 1/2 £ auf einem Brett dem undertaker6 zahlen muß. Dies muß also beschafft werden. Es ist dies ein schöner Christspektakel für die armen Kinder. Salut. Dein „.
1 eine höchst ereignisreiche Zeit - 2 Spiel des Zufalls - 3 die Droschke - 4 Helene Demuths 6 hatte vom ersten Tag an Befürchtungen - 6 Leichenbestatter
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Engels an Marx in London
Manchester, 26. Dez. 1862
Lieber Mohr, Lupus gab mir Deinen Brief gestern, und ich schicke Dir inliegend O/I 85335, Manchester, 28. Jan. 1862 £ 5, Bank of England, M. 97. £5, Note der Boston Bank, zahlbar bei Masterman's in London. Leider hat der alte Hill keine £ 10 in Bank-of-England-Noten, doch ist die andre auch cash1. Die Ereignisse in Deinem Haus und auf der Reise Deiner Frau sind wirklich wunderbar und was wichtiger ist, von ganz speziellem Pech. Doch ist jedenfalls die Aussicht auf französische Publikation vortrefflich. How is this to be managed?2 Und hast Du von Brockhaus gehört?3 Ich fürchte, der brave Burnside bekommt Prügel am Rappahannock. Er muß eine ganz besondre Neigung dazu verspüren, da er sich nicht entschließen kann, mehr als 40 000 Mann auf einmal aufs Spiel zu setzen. Übrigens wundert's mich, daß die Confederates sich dort schlagen und nicht lieber langsam bis Richmond zurückgehn und dort schlagen; möglich, daß dies noch geschieht. Viele Grüße. Dein F.E.
1 Geld - 2 Wie soll das zustande gebracht werden? - 3 siehe vorl. Band, S. 273 und 275
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Engels an Marx in London
252 Hyde Road, Manchester, 30. Dez. 62
Lieber Mohr, Am Freitag schickte ich Dir einen rekommandierten Brief mit lOPfund, 5 £ in einer Bank-of-England-Note und £ 5 in einer Countrynote der Boston Bank, zahlbar bei Masterman& Co., bankers, London. Da ich von Dir seitdem nichts gehört, bin ich etwas unruhig. Burnsides Niederlage13241 wird scheußlich übertrieben. Es ist klar, daß sie auf das Morale der Armee einwirken muß, aber lange nicht so arg, wie wenn sie im offnen Felde geschlagen wäre. Die taktischen Arrangements scheinen sehr schlecht gewesen zu sein. Der Flankenangriff des linken Flügels hätte offenbar erst entwickelt sein müssen, ehe der Frontangriff unter Sumner geschah. Dies wurde aber ganz verbummelt. Sumner scheint tief im Dreck gewesen zu sein, ehe Franklin nur zum ernsthaften Schlagen gekommen. Dann scheint Burnside über den Gebrauch seiner Reserve keinen Entschluß haben fassen können. Die Erfolge des linken Flügels hätten ihn veranlassen sollen, dorthin wenigstens einen Teil zu schicken, da dort doch das Entscheidende geschehen mußte; statt dessen verwandte er sie in der Front, und auch da zu spät, nämlich 1. als Ablösung und nicht Unterstützung der geschlagnen Truppen Sumners, und 2. so dicht vor Dunkelwerden, daß Nacht war, ehe die Hälfte zum Schlagen kam. Dies natürlich als Resultat der schlechten Materialien, die die amerikanischen Blätter geben und ohne Kenntnis des Terrains. Mir scheint übrigens, daß Burnside die Kanaillen wohl hätte ganz durch Umgehung vertreiben können, besonders da er doch 150 000 Mann gegen 100 000 gehabt zu haben scheint; aber der Glaube, Washington könne nur gedeckt bleiben, solange man sich dem Feinde quer vorlege, hat ihn offenbar daran verhindert. Die Dummheit, den Konföderierten einen Monat Zeit zu lassen, sich in der Stellung festzusetzen, und dann sie in der Front anzugreifen, ist übrigens nur durch Arschprügel zu kritisieren. Mary und Lizzy1 lassen grüßen. Dein „ _
1 Mary und Lizzy Burns
1863
174
Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Jan. 1863
Lieber Frederick, Prost Neujahr! Ich hatte während dieser Woche so viel Laufereien, daneben sickness1, daß ich nicht dazu kam, Dir den Empfang des Geldbriefs anzuzeigen.2 Von Brockhaus bis jetzt keine Antwort.3 Übrigens höre ich, daß „der Chef des Hauses", wie Bangya zu sagen pflegte, abwesend von Leipzig. In Paris lernte meine Frau durch Abarbanel einen gewissen Reclus4 kennen, der eine Art position in der ökonomischen Literatur hat, Deutsch auch versteht. Dieser R[eclus] zusammen mit Massol (der Agent im commerce5 ist), der kein Deutsch versteht, und mehreren andern will die Bearbeitung übernehmen. Sie haben in Brüssel einen Buchhändler zu ihrer Verfügung. In Paris herrscht noch immer Parteigeist und Zusammenhalt in der parti socialiste6. Selbst Kerls wie Carnot und Goudchaux erklären, Blanqui müsse bei der nächsten Bewegung aufs Schild gehoben werden. Bu.rnside scheint große taktische Schnitzer in der Schlacht bei Fredericksburg begangen zu haben. Er war offenbar ängstlich in der Verwendung so großer Streitkräfte. Was aber die Grundeselei betrifft, 1. das Abwarten von 26 Tagen, so ist dabei unbedingt direkter Verrat in der Kriegsadministration in Washington im Spiel. Selbst der New York Correspondent der „Times"7 gab zu, daß Burnside Mittel, die ihm für sofort versprochen waren, erst nach Wochen erhielt; 2. daß er dann trotzdem diesen Angriff machte, zeigt die moralische Schwäche des Manns. Die brave „Tribüne" fing an, ihn zu verdächtigen und drohte mit Absetzung. Dies Blatt, mit seinem Enthusiasmus und seiner Unwissenheit, richtet großen Schaden an.
1 Krankheit - 2 siehe vorl. Band, S. 304 - 3 siehe vorl. Band, S. 273, 275 und 304 - 4 in der Handschrift: - Recluze5 Handel - 6 sozialistischen Partei - 7 wahrscheinlich: Charles Mackay
Die Demokraten und McClellanisten schrien natürlich einstimmig, um das Pech zu exaggerieren8. Das „Gerücht", daß McCIellan, „der Monk" der „Times", nach Washington berufen sei, ist Herrn Reuter geschuldet. „Politisch" war die Niederlage gut. Es durfte den Kerls kein Schwein passieren vor Jan. 1, 1863. Alles derart hätte die „Proklamation"13101 rückgängig machen können. „Times" und Konsorten ärgern sich tot über die Arbeitermeetings in Manchester, Sheffield und London[325]. Es ist sehr gut, daß in dieser Art den Yankees der Star gestochen wird. Übrigens sagte schon Opdyke (Mayor von New York und Political Economist) auf einem Meeting in New York: „We know that the English working classes are with us, and that the governing classes of England are against us."9 Ich bedaure sehr, daß Deutschland nicht ähnliche Demonstrationen macht. Sie kosten nichts und bringen „international" viel ein. Deutschland wäre um so mehr dazu berechtigt, da es in diesem Krieg den Yankees mehr leistet als Frankreich im 18ten Jahrhundert. Es ist die alte deutsche Dummheit, auf dem Welttheater nicht geltend zu machen und zu betonen, was es wirklich leistet. Von Itzig Brief erhalten, nebst Broschüre13261. Inhalt des Briefs: Ich soll ihm den Roscher13271 zurückschicken. Inhalt der Broschüre: Fortsetzung des Vortrags über die preußische Verfassung.13281 Kern: Lassalle ist der größte Politiker aller Zeiten und speziell seiner Zeit. Es ist Lassalle, and no mistake10, der entdeckt hat, und zwar aus der rein voraussetzungslosen und voraussetzungslos reinen Theorie, daß die wirkliche Konstitution eines Landes nicht die geschriebne ist, sondern in den realen „Machtverhältnissen" etc. besteht. Selbst die „N[eue] Pr[eußische] Z[eitung]" und Bismarck und Roon huldigen, wie er durch Zitate beweist, „seiner" Theorie. Seine Zuhörer können sich also darauf verlassen, daß, wie er die richtige Theorie entdeckt, so er die richtige Lösung für den „Augenblick" besitzt. Und diese Lösung ist: „Da die Regierung die Militärausgaben etc. trotz der Kammerbeschlüsse fortsetzt etc., da hiermit das Dasein einer konstitutionellen Regierung eine Lüge ist etc., hebt die Kammer ihre Sitzungen auf, bis die Regierung erklärt, jene Ausgaben zu sistieren." Dies ist die Gewalt „des Aussprechens der Tatsachen". Zur Ersparung von Arbeit hat er das von der Kammer zu fassende Dekret gleich formuliert.
8 übertreiben - 9 „Wir wissen, daß die englische arbeitende Klasse mit uns ist, und daß die herrschenden Klassen Englands gegen uns sind." -10 und zwar ohne jeden Zweifel
Der alte Heiman11 ist glücklich in Abrahams Schoß übergesiedelt. Gruß und compliments of the season to the ladies12. Dein K.M.
Ich sehe, daß die Baumwollpreise gefallen. Dies jedoch nur temporär nach meiner Ansicht.
11 Heiman Lassal - 12 Neujahrsgrüße an die Damen (Mary und Lizzy Bums)
175
Engels an Marx in London
Manchester, 7. J an. 631
Lieber Mohr, Mary2 ist tot. Gestern Abend legte sie sich früh zu Bett, als Lizzy3 sich gegen 12 Uhr schlafen legen wollte, war sie schon gestorben. Ganz plötzlich, Herzleiden oder Schlagfluß. Ich erfuhr es erst heute morgen, am Montag abend war sie noch ganz wohl. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie mir zumute ist. Das arme Mädchen hat mich mit ihrem ganzen Herzen geliebt. Dein F. E.
1 In der Handschrift: 62 - 2 Mary Bums - 3 Lizzy Bums
176
Marx an Engels in Manchester
[London] 8.Jan. 1863
Lieber Engels, Die Nachricht vom Tode der Mary1 hat mich ebenso sehr überrascht als bestürzt. Sie war sehr gutmütig, witzig und hing fest an Dir. Mag der Teufel wissen, daß nichts als Pech jetzt in unsern Kreisen sich ereignet. Ich weiß auch absolut nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Meine Versuche, in Frankreich und Deutschland Geld aufzutreiben, sind gescheitert, und es war natürlich vorherzusehn, daß ich mit 15 £ die Lawine nur ein paar Wochen abhalten konnte. Abgesehn davon, daß wir nichts mehr kreditiert erhalten, außer Metzger und Bäcker, was auch mit Ende dieser Woche aufhört, bin ich wegen der Schule getreten, wegen der Miete und von der ganzen Rotte. Die paar, die ein paar Pfund Abzahlung erhielten, haben sie pfiffig eingesteckt, um mit verdoppelter Gewalt über mich herzufallen. Dazu haben die Kinder keine Kleider und Schuhe, um auszugehn. Kurz, der Teufel ist los, wie ich es kW vorhersah, als ich nach Manchester ging und als letzten coup de desespoir2 meine Frau nach Paris schickte.3 Wenn es nicht gelingt, vermittelst einer loan society or lifeassurance4 (und dazu seh' ich keine Aussicht; mit der erstem Gesellschaft habe ich alles umsonst versucht. Sie verlangen Bürgen, und sie müssen die Quittungen von Rente und Steuern vorgelegt erhalten, was ich nicht kann) eine größere Summe zu erheben, so dauert die Wirtschaft hier kaum zwei Wochen mehr. Es ist scheußlich egoistisch von mir, daß ich Dir in diesem Augenblick diese horreurs5 erzähle. Aber das Mittel ist homöopathisch. Ein Unheil zerstreut über das andre. Und, au bout du compte6, was soll ich machen? In ganz London ist kein einziger Mensch, gegen den ich mich auch nur frei aussprechen kann, und in meinem eignen Hause spiele ich den schweigsamen Stoiker, um den Ausbrüchen von der andern Seite das Gegen
1 Mary Bums - 2 Verzweiflungsstreich - 3 siehe vorl. Band, S. 303 - 4 eines Darlehensvereins oder einer Lebensversicherung - i abscheulichen Dinge - 6 schließlich und endlich
gewicht zu halten. Arbeiten aber under such circumstances7 wird rein unmöglich. Hätte nicht statt der Mary meine Mutter, die ohnehin jetzt voll körperlicher Gebresten und ihr Leben gehörig ausgelebt hat,...? Du siehst, zu welchen sonderbaren Einfällen die „Zivilisierten" unter dem Druck gewisser Umstände kommen. Salut. Dein K.M.
Wie wirst Du es nun mit Deinem establishment8 einrichten? Es ist außerordentlich hart für Dich, da Du bei der Mary ein home9 hattest, frei und zurückgezogen von allem Menschendreck, so oft's Dir gefiel.
' unter solchen Umständen - 9 Haushalt - 9 Heim
177
Engels an Marx in London
Manchester, 13. Jan. 1863
Lieber Marx, Du wirst es in der Ordnung finden, daß diesmal mein eignes Pech und Deine frostige Auffassung desselben es mir positiv unmöglich machten, Dir früher zu antworten. Alle meine Freunde, einschließlich Philisterbekannte, haben mir bei dieser Gelegenheit, die mir wahrhaftig nahe genug gehen mußte, mehr Teilnahme und Freundschaft erwiesen, als ich erwarten konnte. Du feindest den Moment passend, die Überlegenheit Deiner kühlen Denkungsart geltend zu machen.1 Soit!2 Du weißt, wie meine Finanzen stehn, Du weißt auch, daß ich edles tue, Dich aus dem Pech zu reißen. Aber die größere Summe, von der Du sprichst, kann ich jetzt nicht auftreiben, wie Du auch wissen mußt. Es sind 3 Wege offen. 1. Loan society3. Inwieweit meine Garantie dabei nützen kann, wäre zu erfahren, da ich aber kein householder4 bin, wohl wenig. 2. Lebensversicherung. John Watts ist Manager der European Life & Guarantee Society, deren Office in London jedenfalls im Directory5 steht. Ich sehe nicht ein, warum der Versicherung Deines Lebens für £ 400 etwas im Wege stehn sollte, und auf die Police pumpt er gewiß £ 200, das ist sein Geschäft. Wenn dies nicht vollständig ruinous6 ist, so ist es sicher der beste Weg. Du gehst also am besten gleich hin, erkundigst Dich nach den terms', und teile sie mir dann gleich mit. 3. Wenn alle Stricke reißen, kann ich im Februar - unmöglich früher ca. 25 £ auftreiben und bin auch bereit, einen Wechsel auf 60 £ zu unterschreiben, der aber ganz sicher erst nach dem 30. Juni 1863 bezahlt werden muß, also mit sichrer Prolongation bis dahin. Darüber muß ich die nötigen
1 Im Konzept zu diesem Brief ist hier folgendes gestrichen: „zu Gemüte zu führen. Genieße Deinen Triumph, er wird Dir nicht bestritten." - 2 Sei es denn! - 3 Darlehensverein - 4 Hausherr - 6 Adreßbuch - 6 halsbrechend - 7 Bedingungen
Garantien haben. Das Fehlende müßtest Du dann unbedingt aus dem Holländer Onkel8 herausschlagen. Einen andern Weg sehe ich nicht. Laß mich also wissen, was Du für Schritte tust, und ich werde das Meinige tun. Dein F.E.
8 Lion Philips
178
Marx an Engels in Manchester
[London] 24. Jan. 63
Lieber Frederick, Ich hielt es für gut, einige Zeit verstreichen zu lassen, bevor ich Dir antwortete. Deine Lage einerseits, meine andrerseits machten es schwer, die Situation „kühl" aufzufassen. Es war von mir sehr unrecht, daß ich Dir den Brief1 schrieb, und ich bereute ihn, sobald er abgeschickt war. Es geschah dies jedoch keineswegs aus Herzlosigkeit. Meine Frau und Kinder werden mir bezeugen, daß ich beim Eintreffen Deines Briefs2 (der frühmorgens kam) so sehr erschüttert war als bei dem Todesfall der mir Nächsten. Als ich Dir aber abends schrieb, geschah es unter dem Eindruck sehr desperater Umstände. Ich hatte den broker3 im Haus vom landlord4, einen Wechselprotest vom Metzger, Mangel an Kohlen und Lebensmitteln im Haus und Jennychen im Bett liegen. Unter solchen circumstances5 weiß ich mir generally6 nur durch den Zynismus zu helfen. Was mich noch speziell toll machte, war der Umstand, daß meine Frau glaubte, ich habe Dir den realen Sachverhalt nicht hinlänglich treu mitgeteilt. Insofern war mir auch Dein Brief lieb, da er ihr das „non possumus"7 klarmachte, denn sie weiß sehr wohl, daß ich nicht auf Deinen Rat wartete, um an meinen Onkel8 zu schreiben; daß ich mich nicht in London an Watts wenden konnte, der mit Person und Office zu Manchester lebt; daß ich seit der letzten Schulderklärung Lassalles keinen Wechsel in London ziehn kann und daß endlich 25 £ im Februar uns weder befähigen konnten, im Januar zu leben, und noch weniger, die bevorstehende Krise abzuwenden. Da es Dir unmöglich war zu helfen, obgleich ich Dir mitgeteilt, daß wir in der Lage der Manchester Arbeiter, mußte sie das non possumus einsehn, und dies wünschte ich, da der bisherige Zustand, das Rösten am kleinen
1 Siehe vorl. Band, S. 310/311 - 2 siehe vorl. Band, S. 309 - 3 Gerichtsvollzieher - 4 Hauswirt 5 Umständen - 6 gewöhnlich - 7 „das Unmögliche" - 8 Lion Philips
Feuer - wobei Kopf und Herz verzehrt werden und außerdem die kostbarste Zeit verlorengeht und mir und den Kindern gleich schädliche false appearances9 aufrechterhalten werden - enden muß. Die drei Wochen, die wir seit der Zeit durchgemacht, haben meine Frau dahin gebracht, endlich auf einen Vorschlag einzugehn, den ich schon lange gemacht und der mit allen seinen Unannehmlichkeiten nicht nur die einzige Ausflucht ist, sondern auch dem Leben der drei letzten Jahre, namentlich des letzten, vorzuziehn, zudem unser selfesteem10 auch wieder herstellt. Ich werde den sämtlichen Gläubigern schreiben (mit Ausnahme des landlord), daß, wenn sie mich nicht in Ruhe lassen, ich mich durch failing of a bill in the court of bankruptcy11 bankerutt erklären werde. Dies bezieht sich natürlich nicht auf den landlord, der das Recht auf die Möbel hat, die er behalten soll. Meine zwei ältsten Kinder12 werden durch die Familie Cunningham Stellen als governesses13 erhalten. Lenchen14 soll in einen andren Dienst treten, und ich mit Frau und Tussychen werden dasselbe City Model Lodging House15 bewohnen gehn, worin seinerzeit der rote Wolff16 mit Familie residierte. Bevor ich zu diesem Beschluß kam, habe ich natürlich noch an verschiednes Bekanntentum in Deutschland geschrieben, mit natürlich keinem Erfolg. Jedenfalls ist die Sache besser als eine ohnehin nicht mehr durchzuführende Verlängerung des jetzigen Zustands. Ich hatte genug zu tun, um durch Demütigung aller Art landlord und Metzger friedfertig mit broker und Wechsel, durch falsche Versprechungen, abziehn zu machen. In die Schule konnte ich die Kinder in dem neuen Quartal nicht schicken, da die alte Rechnung nicht bezahlt und außerdem sie in keinem präsentablen Zustand waren. Mit dem obigen Plan aber glaube ich ohne irgendwelche Intervention Dritter wenigstens in Ruhe kommen zu können. Schließlich etwas mit dem Obigen nicht Zusammenhängendes. Für den Abschnitt in meinem Buch über Maschinerie bin ich in einem großen Skrupel. Es war mir nie klar, wie die selfactörs17 die Spinnerei änderten oder vielmehr, da doch schon vorher die Dampfkraft angewandt, wie der Spinner trotz der Dampfkraft mit seiner bewegenden Kraft einzutreten hatte?£329J Es wäre mir lieb, wenn Du mir das erklärtest.
® Vortäuschungen - 10 unsere Selbstachtung - 11 Nichteinlösung eines Wechsels vor dem Konkursgericht -12 Jenny und Laura Marx -13 Erzieherinnen -14 Helene Demuth -15 dieselbe Mietskaserne - 16 Ferdinand Wolff -17 automatischen Maschinen
Apropos. Meine Frau, ohne mein Wissen, wandte sich an lupus um 1 £ für immediate necessities18. Er schickte ihr zwei. Die Sache ist mir unangenehm, aber factum est factum19. Dein K.M. Abarbanel ist tot. Ditto ist Sasonow in Genf gestorben.
18 unmittelbar lebensnotwendige Dinge -19 geschehen ist geschehen
179
Engels an Marx in London
Manchester, 26. Jan. 1863
Lieber Mohr, Ich danke Dir für Deine Aufrichtigkeit. Du begreifst selbst, welchen Eindruck Dein vorletzter Brief1 auf mich gemacht hatte. Man kann nicht so lange Jahre mit einem Frauenzimmer zusammen leben, ohne ihren Tod furchtbar zu empfinden. Ich fühlte, daß ich mit ihr2 das letzte Stück meiner Jugend begrub. Als ich Deinen Brief erhielt, war sie noch nicht begraben. Ich sage Dir, der Brief lag mir eine Woche lang im Kopf, ich konnte ihn nicht vergessen. Never mind3, Dein letzter Brief macht ihn wett, und ich bin froh, daß ich nicht auch mit der Mary gleichzeitig meinen ältesten und besten Freund verloren habe. Nun zu Deinen Angelegenheiten. Ich ging gleich heute zu Watts, den ich noch in London glaubte, der übrigens ein Office in London, Pall Mall No.2, hat. Mit ihm ist es nichts. Seine Gesellschaft pumpt nicht mehr. Er gab mir eine andre Adresse. Der Mann ist bereit, aber er will je nach Umständen zwei oder auch mehr sureties1 für Zinsen, Prämie und Rückzahlung des Anleihens. Damit können wir leider nicht dienen, wen könnten wir finden? Allenfalls Gumpert, aber der würde schwerlich angenommen werden. Dazu würde, da wir beide ohne bürgerlichen Status, jedenfalls noch ein Dritter erforderlich sein, und schließlich die expenses5 von dem loan6 im voraus abgezogen werden, so daß wenig übrigbliebe. Ich dachte nun daran, einen Teil des auf Spekulation gekauften Garns zu verkaufen, und statt den Betrag an Ermen (dem das Geld gehört) zurückzuzahlen, ihn Dir zu schicken. Dies wäre allenfalls gegangen, da die Sache erst im Juli zur Sprache kommen würde, bis wohin sich manches ändern kann. Aber no chance7. Der Markt ist so flau heute, daß ich, statt mit Nutzen, mit Schaden verkaufen müßte und wahrscheinlich in dieser Woche gar nicht zum Verkauf käme.
1 Siehe vorl. Band, S. 310/311 - 2 Mary Bums - 3 Tut nichts - 4 Sicherheiten - 5 Auslagen 6 Darlehen - 7 keine Gelegenheit
Geld kann ich keins aufnehmen. E[rmen] könnte und würde es mir wahrscheinlich refüsieren8, und dem kann ich mich nicht aussetzen. Bei einem Dritten, Wucherer, hier borgen, hieße E[rmen] den besten Anlaß geben, sich von seinem Kontrakt mit mir loszusagen. Und trotzdem kann ich es nicht mit ansehn, daß Du Deine Absicht ausführst, wie Du sie mir schreibst. Ich bin also dem alten Hill an die Wechsel gegangen und habe mir inliegende £ 100 auf John Rapp& Co., am 28. Februar fällig, genommen und an Dich indossiert. Ich denke, es kommt nicht vor Juli heraus, und dann haben wir wieder Galgenfrist. Es ist ein höchst gewagter Streich, von mir, denn ich komme jetzt sicher ins Defizit, indessen es muß riskiert werden. Ich versichre Dich, ich hätte es nicht gewagt, wenn mir nicht Charles9, der eine Art Bilanz in Bausch und Bogen über die letzten 6 Monate gemacht hat, heut nachmittag gesagt hätte, daß sich die Sache für mich um ca. £ 30 ä10 50 günstiger stellt, als ich erwarten konnte. Ich habe in den 6 Monaten ungefähr £ 330 a 350 verdient. Du mußt aber jetzt auch selbst begreifen, daß ich nach den ungewöhnlichen Anstrengungen, die ich seit 30. Juni 1862 habe machen müssen, jetzt aber auch rein ausgepumpt bin und Du daher bis 30. Juni, außer etwa Kleinigkeiten, auf gar keine Rimessen11 meinerseits mehr rechnen darfst. Wie es nach dem 30. Juni aussieht, das mag der Teufel wissen, denn es wird jetzt nichts verdient, da der Markt nicht mehr steigt. Der Wechsel selbst ist so gut wie cash12. Freiligrath wird ihn Dir mit Wollust diskontieren, besseres Papier zirkuliert nur sehr wenig. Sei aber so gut und zeig mir den Empfang eben an, es wird jetzt so viel auf der Post gestohlen, und da Du nicht im Commerce13 bist, kann jeder sich für Dr.K.M. ausgeben. Dein F.E.
8 verweigern - 9 Charles Roesgen - 10 bis - 11 Zuwendungen von Geld - 12 bares Geld — 13 Geschäft
180
Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Jan. 1863
Lieber Frederick, Durch eine Reihe sonderbarer Zufälle ward es mir gestern positiv unmöglich, Dir den Empfang des Briefs nebst Wechsel anzuzeigen. Ich weiß ganz genau, wie riskiert es für Dich war, in dieser Weise so große und unerwartete Hülfe zu bringen. Ich kann Dir nicht dankbar genug sein, obgleich ich, in meinem innern Forum, keines neuen Beweises Deiner Freundschaft bedurfte, um mich zu überzeugen, daß sie aufopfernd. Wenn Du übrigens die Freude meiner Kinder gesehn, würde Dir das ein schöner Lohn gewesen sein. Ich kann Dir jetzt auch ohne weitere Umstände sagen, daß trotz aller der Presse, worin ich während der letzten Wochen lebte, nichts auch nur verhältnismäßig so auf mich preßte, als die Furcht, daß nun Riß in unsrer Freundschaft. Ich erklärte wiederholt meiner Frau, daß mir an dem ganzen Dreck nichts liege, verglichen damit, daß ich durch diese bürgerlichen Lausereien und ihre exzentrische Aufregung fähig gewesen sei, Dich in einem solchen Moment, statt zu trösten, noch mit meinen Privatbedürfnissen anzufahren. Consequently1 war der Hausfriede sehr gestört, und die arme Frau mußte die Sache ausbaden, an der sie in der Tat soweit unschuldig war, als Frauen gewohnt sind, das Unmögliche zu verlangen. Sie hatte natürlich keine Ahnung von dem, was ich schrieb, aber bei einiger Reflexion hätte sie berechnen können, daß so was herauskommen mußte. Die Weiber sind komische Kreaturen, selbst die mit viel Verstand ausgerüsteten. Morgens weinte meine Frau über die Marie2 und Deinen Verlust, so daß sie ihr eignes Pech, was grade an dem Tag kulminierte, ganz vergaß, und abends glaubte sie, daß außer uns kein Mensch in der Welt leiden könne, der nicht den broker3 im Hause habe und Kinder habe. Ich habe Dich im vorigen Brief4 wegen des selfactors5 gefragt. Die
1 Infolgedessen - 2 Mary Burns - 3 Gerichtsvollzieher - 4 siehe vorl. Band, S. 315 - 5 der automatischen Spinnmaschine
Frage nämlich die: In welcher Weise vor dessen Erfindung der sog. Spinner eingriff. Der selfactor ist mir erklärlich, aber der vorhergehnde Zustand nicht. Ich lege einiges in den Abschnitt über Maschinerie ein. Es sind da einige kuriose Fragen, die ich bei der ersten Bearbeitung ignorierte. Um darüber ins klare zu kommen, habe ich meine Hefte (Auszüge) über Technologiet330] ganz nachgelesen, höre ditto einen praktischen (nur experimentalen) Kursus des Prof. Willis (in Jermynstreet, dem Institut für Geologie, wo auch Huxley seine Vorlesungen hielt) für Arbeiter. Es geht mir mit der Mechanik wie mit den Sprachen. Die mathematischen Gesetze verstehe ich, aber die einfachste technische Realität, wozu Anschauung gehört, ist mir schwerer wie d[ie] größten Knoten. Du weißt oder weißt auch nicht, denn die Sache an sich gleichgültig, daß großer Streit darüber, wodurch sich Maschine von Werkzeug unterscheidet. Die englischen (mathematischen) Mechaniker, in ihrer groben Manier, nennen tool a simple machine6 und machine a complicated tool7. Die englischen Technologen jedoch, die etwas mehr Rücksicht auf Ökonomie nehmen, unterscheiden beide dadurch (und nach ihnen viele, die meisten englischen Ökonomen), daß in einem Fall die motive power8 vom Menschen, im andern von a natural force9 ausgeht. Die deutschen Esel, die in solchen Kleinigkeiten groß sind, haben daher geschlossen, daß ein Pflug z. B. eine Maschine ist und die kompliziertste Jenny1-3311 etc., soweit durch Hand bewegt, nicht. Nun ist es aber gar keine Frage, daß, wenn wir uns nach der Maschine in elementarischer Form umsehn, die industrielle Revolution nicht von der bewegenden Kraft ausgeht, sondern von dem Teil der Maschinerie, den der Engländer die working machine10 nennt, also nicht z.B. von der Ersetzung des Fußes, der das Spinnrad bewegt, durch Wasser oder Dampf, sondern von der Verwandlung des unmittelbaren Spinnprozesses selbst und der Verdrängung des Teils der menschlichen Arbeit, der nicht bloß exertion of power11 war (wie bei dem Treten des Rads), sondern die Bearbeitung, die direkte Wirkung auf den zu bearbeitenden Stoff betrifft. Andrerseits ist es ebensowenig eine Frage, daß, sobald es sich nicht mehr um die historische Entwicklung der Maschinerie handelt, sondern um Maschinerie auf Basis der jetzigen Produktionsweise, die Arbeitsmaschine (z.B. bei der Nähmaschine) die allein entscheidende ist, da, sobald dieser Prozeß dem Mechanismus anheimgefallen, jeder heut
6 Werkzeug eine einfache Maschine - 7 Maschine ein kompliziertes Werkzeug - 8 bewegende Kraft - 9 einer Naturkraft -10 Arbeitsmaschine -11 Kraftanwendung
zutage weiß, daß man je nach der Dimension des Dings es durch Hand, Wasser oder Dampfmaschine bewegen kann. Für die bloßen Mathematiker sind diese Fragen gleichgültig, aber sie werden sehr wichtig, wo es sich darum handelt, den Zusammenhang menschlicher Gesellschaftsverhältnisse mit der Entwicklung dieser materiellen Produktionsweisen nachzuweisen. Das Wiederdurchlesen der technologisch-historischen Exzerpte hat mich zu der Ansicht gebracht, daß, abgesehn von den Erfindungen von Pulver, Kompaß und Buchdruckerei - diesen notwendigen Vorbedingungen der bürgerlichen Entwicklung -, vom 16, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, also für die Periode der vom Handwerk aus sich entwickelnden Manufaktur bis zur eigentlichen großen Industrie, die zwei materiellen Basen, an denen sich innerhalb der Manufaktur die Vorarbeit für die Maschinenindustrie bildet, Uhr und Mühle (zunächst Kornmühle, und zwar Wassermühle) sind, beide vom Altertum überliefert. (Die Wassermühle zur Zeit von Julius Cäsar aus Kleinasien nach Rom gebracht.) Die Uhr ist der erste zu praktischen Zwecken angewandte Automat und die ganze Theorie über Produktion gleichmäßiger Bewegung an ihr entwickelt. Der Natur der Sache nach basiert sie selbst auf der Verbindung von halbkünstlerischem Handwerk und der direkten Theorie. Cardano z.B. schrieb (und gab praktische Rezepte) über den Bau der Uhren. „Gelehrtes (nichtzünftiges) Handwerk" heißt die Uhrmacherei bei deutschen Schriftstellern des 16. Jahrhunderts, und an der Entwicklung der Uhr ließe sich nachweisen, wie ganz verschieden auf Basis des Handwerks das Verhältnis von Gelehrsamkeit und Praxis als z.B. in der großen Industrie. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß im 18. Jahrhundert die Uhr die erste Idee gab, Automaten (und zwar durch Federn bewegte) auf die Produktion anzuwenden. Vaucansons Versuche in dieser Art wirkten historisch nachweisbar außerordentlich auf die Phantasie der englischen Erfinder. Bei der Mühle andrerseits von vornherein, sobald die Wassermühle geliefert, die wesentlichen Unterschiede im Organismus einer Maschine da. Mechanische Triebkraft. Primo12 Motor, worauf sie wartet. Transmissionsmechanismus. Endlich Arbeitsmaschine, die den Stoff anfaßt, alle in selbständiger Existenzweise gegeneinander. Die Lehre von der Friktion und damit die Untersuchungen über die mathematischen Formen von Räderwerk, Zähnen etc. alle an der Mühle gemacht; ditto hier zuerst die Lehre von dem Messen des Grads der bewegenden Kraft, von der besten Art,
12 Zuerst der
21 Mara/EnseU, Werlte, Bd. 30
sie anzuwenden etc. Fast alle großen Mathematiker seit Mitte des 17. Jahrhunderts, soweit sie sich auf praktische Mechanik einlassen und sie theoretisieren, gehn von der einfachen Wasser-Kornmühle aus. In der Tat daher auch der Name Mühle und mill, der während der Manufakturperiode entstand, für alles auf praktische Zwecke gerichtete mechanische Treibwerk. Aber bei der Mühle, ganz so wie bei Preßmaschinen, Hammerwerk, Pflug usw. von vornherein die eigentliche Arbeit, Schlagen, Zerquetschen, Mahlen, Zerkleinern etc. ohne menschliche Arbeit getan, wenn auch die moving force13 menschlich oder viehisch. Daher diese Art Maschinerie wenigstens in ihren Anfängen sehr alt und früher bei ihr eigentlich mechanische Triebkraft angewandt. Daher auch fast die einzige Maschinerie, die in der Manufakturperiode vorkommt. Die industrielle Revolution beginnt, sobald der Mechanismus da angewandt, wo von alters her das finale14 Resultat menschliche Arbeit erheischt, also wo nicht, wie bei jenen Werkzeugen, von jeher der eigentlich zu bearbeitende Stoff nie mit der menschlichen Hand zu tun hatte; wo der Mensch der Natur der Sache nach nicht von vornherein als bloße power15 wirkt. Will man mit den deutschen Eseln die Anwendung tierischer (also ganz so gut freiwilliger Bewegung wie die menschlicher) powers für Maschinerie erklären, so ist jedenfalls die Anwendung dieser Art Lokomotiven viel älter als das einfachste Handwerkszeug. Itzig schickt mir, was unvermeidlich, seine Verteidigungsrede (ist zu 4 Monaten verurteilt) vor Gericht zu.13321 Macte puer virtute!16 Erstens hat dieser Renommist die Broschüre, die Du hast, Rede über „den Arbeiterstand", in der Schweiz wieder abdrucken lassen unter dem pompösen Titel: „Arbeiterprogramm". Du weißt, daß die Sache nichts ist als schlechte Vulgarisation des „Manifests"17 und andrer von uns so oft gepredigten Sachen, daß sie gewissermaßen schon Gemeinplätze geworden sind. (Der Bursche nennt z.B. „Stand" die Arbeiterklasse.) Well. In seiner Rede vor dem Berliner Gericht hat er die Schamlosigkeit zu sagen: „Ich behaupte ferner, daß diese Broschüre nicht nur ein wissenschaftliches Werk wie so manches andre ist, welches bereits bekannte Resultate
13 bewegende Kraft -14 endgültige -15 Kraft -16 Heil Jüngling, Dir und Deinem Heldenlauf! (Vergib Aeneis, L. IX) - 17 Karl Marx/Friedrich Engels: „Manifest der Kommunistischen Partei"
zusammenfaßt, sondern daß sie sogar in der vielfachsten Hinsicht eine wissenschaftliche Tat, eine Entwicklung von neuen wissenschaftlichen Gedanken ist... In verschiedenen und schwierigen Gebieten der Wissenschaft habe ich umfangreiche Werke zu Tage gefördert, keine Mühen und keine Nachtwachen gescheut, um die Grenzen der Wissenschaft selbst zu erweitern, und ich kann vielleicht mit Horaz sagen: militavi non sine gloria18. Aber ich selbst erkläre Ihnen: Niemals, nicht in meinen umfangreichsten Werken habe ich eine Zeile geschrieben, die strenger wissenschaftlich gedacht wäre als diese Produktion von ihrer ersten Seite bis zur letzten ... Werfen Sie also einen Blick auf den Inhalt dieser Broschüre. Dieser Inhalt ist nichts andres als eine auf 44 Seiten zusammengedrängte Philosophie der Geschichte ... Es ist eine Entwicklung des objektiven vernünftigen Gedankenprozesses, welcher der Europäischen Geschichte seit länger denn einem Jahrtausende zu Grunde liegt, eine Entfaltung der innern Seele etc." Ist diese Schamlosigkeit nicht baumhoch? Der Kerl denkt offenbar, er sei der Mann, um unser Inventarium anzutreten. Dabei das GroteskLächerliche! Salut. Dein K.M.
Laß Dir den „Star" von heute vom lupus geben und siehe darin den Abdruck der Briefe über die „Times" und Delane aus dem „Morning Herald".
I
18 und strebt' im Feldzug nicht ungerühmt voran (Horaz: „Oden", 3.Buch) 21«
181
Marx an Engels in Manchester
[London] 13.Feb.63
Lieber Frederick, Ich lege bei diverse Urquhartiana. Die Kerls zeichnen sich während der letzten Zeit besonders durch Blödsinn aus. So z.B. ihre „Philosophie" über die Bewegung in den United States.113331 Ich hätte Dir schon früher geschrieben, aber seit ungefähr 12 Tagen war alles Lesen, Schreiben und Rauchen mir strictly1 untersagt. Ich hatte eine Sorte von Augenentzündung, mit sehr widerlichen Affektionen der Kopfnerven verknüpft. Die Sache ist soweit in Ordnung, daß ich in diesem Augenblick mich zum erstenmal wieder ans Schreiben wage. In der Zwischenzeit stellte ich allerhand psychologische Träumereien an, wie einem wohl beim Blindsein oder Verrücktsein zumut sein mag. Was sagst Du zu der Polengeschichte?13341 Soviel ist sicher, die era of revolution2 ist nun wieder fairly opened in Europe3. Und der allgemeine Stand der Dinge gut. Aber die gemütlichen delusions4 und der fast kindliche Enthusiasmus, mit dem wir vor Februar 1848 die Revolutionsära begrüßten, sind zum Teufel. Alte Kameraden wie Weerth usw. sind hin, andre sind abgefallen oder verkommen und neuer Zuwachs wenigstens noch nicht sichtbar. Zudem wissen wir jetzt, welche Rolle die Dummheit in Revolutionen spielt und wie sie von Lumpen exploitiert werden. Übrigens kommen die „preußischen" Nationalitätsschwärmer für „Italien" und „Ungarn" jetzt schon ins Gedränge. Die „Preußen" werden ihr Russentum nicht verleugnen. Hoffentlich wälzt sich die Lava diesmal von Ost nach West und nicht umgekehrt, so daß uns die „Ehre" der französischen Initiative erspart wird. Das Abenteuer in Mexiko13351 ist sonst höchst klassischer Abschluß für die Farce des lower Empire13361. Die „Herzenschen" Soldaten13371 scheinen in hergebrachter Weise zu wirtschaften. Doch ist allerdings wenig daraus zu folgern, weder für die Massen in Rußland, noch even5 für das Gros der russischen Armee. Wir
1 streng — 2 Ära der Revolution - 3 in Europa völlig heraufgezogen ~1 Illusionen -5 selbst
wissen, was französische „intelligente Bajonette"[338J taten und selbst unsre rheinischen Strolche 1848 in Berlin. Doch mußt Du jetzt watch8 die „Glocke", denn Herzen et Co. haben nun Gelegenheit, ihre revolutionäre Ehrlichkeit - selbst soweit vereinbar mit slawischen predilections7 - zu zeigen. Die Urquhartiten werden wahrscheinlich die polnische Insurrektion von dem Petersburger Kabinett hervorgerufen erklären, als „Diversion" gegen Urquharts intended invasion of the Caucasus8. In den United States geht's verdammt langsam. Ich hoffe, daß J. Hooker sich herausbeißt.13391 Nun schreib mir vor allem, was Du jetzt in Manchester machst. Der Ort wird Dir verdammt vereinsamt vorkommen. Ich weiß an mir selbst, wie die Gegend von Soho Square noch immer mich erschreckt, wenn ich sie zufällig berühre.13401 Salut. Dein K.M.
6 achtgeben auf - 7 Vorlieben - 8 beabsichtigten Einfall in den Kaukasus
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Marx an Engels in Manchester
London, 17. Februar [1863]
Lieber Frederick, Dein Schweigen beunruhigt mich in der Tat. Ich hoffe, daß Du nicht krank bist. Andrerseits hoffe ich, daß ich nicht wieder, malgre moi1, Ärgernis gegeben habe. Wenn ich Dir in dem Brief2, worin ich die £ 100 anzeigte, von Maschinerie etc. sprach, so geschah es in der Tat, um Dich zu zerstreuen und von Deinen Qualen abzulenken. Die polnische Geschichte und die preußische Intervention ist in der Tat eine Kombination13411, die uns zu sprechen zwingt. Nicht persönlich, teils um nicht als Konkurrenten von Studiosus Blind13421 zu erscheinen, teils um uns den Weg nach Deutschland nicht abzusperren. Aber dazu ist der hiesige Arbeiterverein3 gut. In seinem Namen muß ein Manifest erlassen werden, und immediately4. Du mußt den militärischen Teil schreiben - i.e. Deutschlands militärisch-politisches Interesse an der Wiederherstellung Polens. Ich schreibe das Diplomatische. Nun, old boy5, antworte, und wenn Dir was auf dem Herzen liegt, speak out like a man6 und sei sicher, daß kein Mensch einen so herzlichen Anteil an Deinem Wohl und Weh nimmt als Dein Mohr
1 gegen meinen Willen - 2 siehe vorl. Band, S. 319-323 - 3 Deutscher Bildungsverein für Arbeiter in London - 4 unverzüglich - 6 alter Junge - 6 sprich es offen aus auf Männerart
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Engels an Marx in London
Manchester, 17. Febr. 1863
Lieber Mohr, Du mußt mein langes Schweigen entschuldigen. Ich war in einem sehr öden Zustand, aus dem ich mich endlich herausarbeiten mußte. Ich versuchte slawische Sprachen, aber die Einsamkeit war mir unerträglich. Ich mußte mich gewaltsam zerstreuen. Das half, ich bin jetzt wieder der alte Kerl. Die Polen sind ganz famose Burschen. Wenn sie sich noch halten bis zum 15.März, so geht's in ganz Rußland los.[3431 Im Anfang hatte ich höllische Angst, die Sache müsse schiefgehn. Jetzt aber sind die Chancen des Siegs denen der Niederlage fast schon überlegen. Es ist nicht zu vergessen, daß die polnische jüngere Emigration eine eigne Militärliteratur hat, in der alle Punkte mit spezieller Berücksichtigung der polnischen Verhältnisse behandelt sind, und daß in dieser die Idee des Guerillakriegs in Polen eine sehr bedeutende Rolle spielt und sehr ausführlich behandelt ist.'3441 Eigen ist auch, daß die beiden einzigen bis jetzt genannten Chefs ein Warschauer Jude Frankowski und ein preußischer Leutnant Langiewicz sind. Die Herren Russen müssen bei dem Guerillakrieg bei ihrer Unbehülflichkeit schrecklich leiden. Hast Du gesehn, daß Bakunin und Mieroslawski sich gegenseitig Lügner schimpfen und über die russisch-polnischen Grenzen sich in den Haaren liegen? Den „Kolokol" habe ich mir bestellt und denke Näheres darüber drin zu finden.13451 Übrigens werde ich schwer ochsen müssen, ehe ich mich wieder hineinarbeite. Niederträchtig wie immer benehmen sich die Preußen. Monsieur Bismarck weiß, daß es ihm an den Kragen geht, wenn Polen und Rußland revolutioniert werden. Mit der preußischen Intervention hat es übrigens keine Eile. Solange sie nicht nötig ist, werden die Russen sie nicht zulassen, und wenn sie nötig wird, hüten sich die Preußen zu kommen. Geht die Sache in Polen schief, so stehen uns wahrscheinlich ein paar
akute Reaktionsjahre bevor, denn dann würde der ITpap.oc:iap.HLiil Ifapt1 wieder Chef einer Heiligen Allianz werden, die den Monsieur Bonaparte wieder bei den dummen Crapauds2 als großen Liberalen und Nationalen erscheinen ließe. Wie komisch ist es übrigens, daß jetzt die ganze englische Bourgeoisie über den Boustrapa1346' herfällt, seit Kinglake einen kleinen, halbverdauten und halbgehörten Teil des Klatsches über ihn und sein lot3 veröffentlicht hat'1101, den man uns seit 10 Jahren nicht glauben wollte! Die Enthüllungsliteratur über den Pariser Hof kommt wieder in Aufnahme, und Herr Tom Taylor, im „Guardian", macht sich wichtig mit all den Sachen über die Solms, Bonaparte, Wyse, die Jeckergeschichte etc., die wir seit Jahr und Tag viel genauer wissen. Nur eins ist interessant: Jecker hat Geld geschafft schon zum Straßburger oder Boulogner Komplott, zu welchem, weiß T[aylor] nicht. Daher also der Zusammenhang. Im Yankeeland sieht's faul aus. Zwar sind, mit der gewöhnlichen Ironie der Weltgeschichte, gegenüber dem Philister, die Demokraten jetzt die war-party4 geworden, und der bankrotte Poetaster Ch. Mackay hat sich wieder gründlich blamiert. Auch höre ich durch Privatquellen aus New York, daß die Rüstungen des Nordens auf bisher unerhörtem Fuß fortgesetzt werden. Aber andrerseits mehren sich die Zeichen moralischer Erschlaffung täglich, und die Unfähigkeit zu siegen wird täglich größer. Wo ist die Partei, deren Sieg und avenement5 gleichbedeutend wäre mit Verfolgung des Kriegs a outrance6 und mit jedem Mittel? Das Volk, ist beschissen, das ist das Pech, und es ist ein Glück, daß ein Friede eine physische Unmöglichkeit ist, sonst hätten sie längst einen gemacht, um nur wieder dem almighty dollar7 leben zu können. Ein konföderierter Major, der in Lees Stabe die Gefechte bei Richmond mitmachte, sagte mir dieser Tage, daß die rebels8, nach Papieren, die Lee selbst ihm vorgelegt, am Ende dieser Gefechte nicht weniger als 40 000 Stragglers9 hatten! Er sprach namentlich von den westlichen Regimentern der Federais mit großem Respekt, ist aber im übrigen ein Esel.1®
1 rechtgläubige Zar - 2 Philistern - 3 Pack - 4 Kriegspartei - 5 Regierungsantritt - 6 bis zum Äußersten - ' allmächtigen Dollar - 8 Rebellen - 9 Nachzügler -10 Schluß des Briefes fehlt
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Engels an Marx in London
Manchester, 19. Febr. 63
Lieber Mohr, Wegen Polen ganz Deiner Ansicht. Mir ging schon seit 14 Tagen die Idee einer Broschüre im Kopf herum. Indes, wie Du vorschlägst1, ist's besser, da zugleich die Diplomatica hineinkommen und es ein Vorzug ist, daß wir das Ding zusammen machen. Wieviel Bogen soll das Ganze werden, und wieviel davon denkst Du, daß auf meinen Teil kommen sollen? Davon hängt die Anlage mehr oder weniger ab. Wer druckt's? Und wann wirst Du Deinen Teil zum Druck bereit haben? Über Maschinerie2 dieser Tage. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 20. Febr. 1863
Dear Frederick, Ich denke, das beste ist folgendes zu tun in der polnischen Sache: Die Proklamation für die Knoten, i.e. im Namen des Vereins111, darf höchstens ein Druckbogen sein, Militärisches und Politisches together1. Also schreib das zuerst. Danach richte ich mich. Der Verein druckt dies? Aber zugleich gut, wenn wir in einer Broschüre die Sache ausführlicher behandeln, und da mußt Du ganz der Sache nach die Bogenzahl behandeln. Der diplomatische Teil, zu dem ich stets ready3, ja nur Anhängsel. As to Verleger4, so will ich immediately5 nach Hannover schreiben, sobald Du sagst, wieviel Bogen. Apropos. Schick mir Vollmacht für Bucher in Sachen Duncker, apropos „Po und Rhein"6. Dein K.M.
1 zusammen - 2 Karl Marx: „Proklamation des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London über Polen" - 3 bereit - 4 Was den Verleger betrifft ~ 5 unverzüglich - 6 Friedrich
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 2I.Februar 1863]
Lieber Mohr, Ich werde Dir die Geschichte für das Manifest1 schicken - ganz kurz -, wird aber wahrscheinlich doch manches enthalten, was halb in Dein Fach einschlägt - das mußt Du ordnen. Ad vocem2 Broschüre: ich denke die Sache folgendermaßen einzuteilen: 1. Militärische Position Rußlands gegenüber dem Westen und Süden vor, 2. ditto nach den 3 Teilungen Polens1347', 3. ditto nach 1814, 4. Stellung Rußlands und Deutschlands nach der Wiederherstellung Polens. (Hier muß auch etwas über Preußisch-Polen, Sprachgrenzen, und statistische Verhältnisse der gemischten Bevölkerung gesagt werden.) Das Ganze höchstens 3-4 Bogen; Titel: Deutschland und Polen. Politisch-militärische Betrachtungen bei Gelegenheit des polnischen Aufstands von 1863.13481 Es wäre dann an Dir, inzwischen Deine Notizen nachzulesen und soweit fertigzumachen, daß Du sie sogleich bei Empfang des Ms. an den betr. Stellen einschalten resp. als Anhang dazufügen und darauf verweisen kannst, wo nötig. Hast Du noch was hierüber zu bemerken, so schreib mir baldmöglichst, damit ich darauf Rücksicht nehmen kann. Dein F.E.
1 Karl Marx: „Proklamation des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London über Polen" - 2 Bezüglich
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Marx an Engels in Manchester
[London] 21. Febr. 1863
Lieber Engels, Während der height1 meiner Krisis schrieb ich an Dronke. About a month after2 erhielt ich Brief von ihm, daß er verreist gewesen. Gestern überraschte er mich hier und heut ist er abgereist nach abermaligem Rendezvous. Er erklärte (in der Initiative), er wolle behülflich sein, größere Summen aufzunehmen, damit ich ein Jahr ruhig arbeiten könne. Sprach dann von Dir. Ich sagte ihm (hielt dabei aber nicht nötig, ihm Details mitzuteilen), daß Du sehr viel getan und für viele Monate to come3 ausgebeutelt seist. Er hinwiederum: Es handle sich nicht um Monate, sondern 1-2 Jahre. Er werde sich persönlich mit Dir vernehmen. Wieweit das nun alles Ernst oder Renommisterei, wirst Du selbst am besten beurteilen können. Apropos. Meine „Leber" ist sehr geschwollen und außerdem habe ich Stiche beim Husten, fühle mich nicht ganz behaglich beim Drücken. Frag den Gumpert um ein Hausmittel. Wenn ich zu Allen gehe, so folgt eine völlige Kur, wofür ich jetzt, von vielen andern Punkten abgesehn, keine Zeit habe. Was ich in der polnischen Sache13345 am meisten fürchte, ist, daß SauBonaparte einen Vorwand findet, an den Rhein zu kommen und sich wieder aus seiner ekelhaften Lage herauszupissen. Schick mir (da Du darüber mehr Material zur Hand hast) ein paar Notizen (genaue) über das Verhalten Friedrich Wilhelm des Gerechten4 anno 1813 nach Nap[oleon]s Pech in Rußland. Es gilt diesmal, dem öden Haus Hohenzollern zu Leib zu gehn. Ich habe Dronke im unklaren darüber gelassen, ob sich der zweite Band bereits im Druck befindet oder nicht.1271 Salut. Dein r, w
1 des Höhepunktes - 2 Ungefähr einen Monat später - 3 im v oraus - 4 Friedrich Wilhelm III.
Soeben erseh' ich aus der 2nd edition5 der „Times", daß die preußische 2te Kammer endlich was Gutes getan.13491 Wir werden bald Revolution haben.
6 zweiten Ausgabe
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Marx an Engels in Manchester
[London] 24. März 63
Lieber Frederick, Du weißt, daß ich ein paar Wochen durch Augenkrankheit fast ganz am Lesen und Schreiben verhindert. Daher die Notwendigkeit, die versäumte Zeit wieder durch starkes Schanzen einzuholen. Hinc1 mein Schweigen. Dronke hat mir £ 50 Übermacht. Aus einliegendem Brief von Dr. Kugelmann, den Du mir gefälligst zurückschickst, siehst Du, was konfuse Kerls diese deutschen „Parteigenossen". Meine ökonomische Arbeit2 ist „nicht zeitgemäß", und dennoch soll ich für die Sache, nachdem dieser Band heraus ist, ja die ganze Geschichte weiterarbeiten zur theoretischen Beruhigung einiger schönen Seelen. Wovon ich in der Zwischenzeit bei „nicht zeitgemäßen Arbeiten" existieren soll, ist natürlich eine Frage, die sich diesen Herrn keinen Augenblick aufdrängt. Die Geschichte mit dem Langiewicz eklig.'350' Doch hoffe ich, ist die Sache, selbst provisorisch, noch nicht zu Ende. Ich habe einstweilen gezögert mit der polnischen Arbeit[348i, um die events3 etwas mehr entwikkelt zu sehn. Die politische Pointe, zu der ich gelangt bin, ist die: daß Vincke und Bismarck in der Tat das preußische Staatsprinzip richtig vertreten; daß der „Staat" Preußen (eine von Deutschland sehr verschiedne Kreatur) nicht. ohne das bisherige Rußland und nicht mit einem selbständigen Polen existieren kann. Die ganze preußische Geschichte führt zu dieser Konklusion, welche die Herrn Hohenzollern (Friedrich II. eingeschlossen) längst gezogen haben. Dies landesväterliche Bewußtsein ist weit überlegen dem beschränkten Untertanenverstand der preußischen Liberalen. Da also die Existenz Polens für Deutschland nötig und neben Staat Preußen unmöglich ist, so muß dieser Staat Preußen wegrasiert werden. Oder die polnische.
1 Darum - 2 „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" - 3 Ereignisse
Frage ist nur ein neuer Anlaß zu beweisen, daß es unmöglich ist, deutsche Interessen durchzusetzen, solang der hohenzollernsche Leibstaat existiert. Nieder mit der russischen Hegemonie über Deutschland ist ganz gleichbedeutend mit weg mit Schaden, mit der Brut des alten Sodomiters[3511! Was ich sehr wichtig in der neusten amerikanischen Geschichte halte, ist, daß sie wieder Kaperbriefe austeilen werden. Dies wird quoad4 England der Sache ganz andre Gestalt geben und mag under favourable circumstances5 zu Krieg mit England führen, so daß der selbstvergnügte Bull6 außer seinem cotton7 auch noch das com8 vor der Nase sich withdrawn9 sähe. Beim Beginn des civil war10 hatte Seward auf seine Faust sich die Frechheit herausgenommen, die Beschlüsse des Pariser Kongresses von 1856 einstweilen als auch für Amerika gültig anzunehmen. (Dies kam heraus beim Druck der Depeschen über die „Trent"-Affäre13521.) Der WashingtonCongress und Lincoln, wütend über das outfitting of Southern pirates11 in Liverpool etc., haben nun diesem Spaß ein Ende gemacht. Dies hat großen Schrecken an der hiesigen Börse erregt, aber die treuen Hunde der Presse parieren natürlich Ordre und erwähnen die Sache nicht in den Zeitungen. Du hast doch wohl mit Vergnügen bemerkt, wie der alte Hund Pam wörtlich sein Spiel von 1830/31 (ich habe die Reden verglichen) wiederholt 13531 und ditto die „Times" spielen läßt. Diesmal die Sache so far good12. Louis Bonaparte (was bei dem unglücklichen Louis-Philippe 1831 ganz Europa schädlich war) kömmt in die Sauce und in a very ugly dilemma with his own army13. Mexiko'3351 und die Kniebeugungen im „Moniteur" vor dem Zaren (wozu Boustrapa13461 durch Pam getrieben) könnten ihm wohl den Hals brechen. In seines Herzens Angst hat er die Depeschen drucken lassen, die beweisen, daß sein guter Wille bloß an Pam gescheitert. (Der unglückliche Louis-Philippe, obgleich der case14 derselbe, erlaubte dem unverschämten Pam dazu noch im Parlament zu renommieren: „If it were not for the perfidy of the French, and the Intervention of Prussia, Poland would still exist."15) Er glaubt dadurch auf die Public Opinion16 in England zu wirken, als ob für diese der sop Pams17 nicht hinreiche, daß Bonaparte an den Rhein wolle! Und als ob Pam nicht 3li dieser Public Opinion selbst fabriziere! Der elende Plon-Plon hatte nicht den Mut zu sagen, Pam arbeitet
4 bezüglich - 6 unter günstigen Umständen - 6 John Bull - 7 seiner Baumwolle - 8 Getreide — 9 entzogen -10 Bürgerkrieges -11 Ausrüsten südstaatlicher Piraten -12 soweit gut -13 in ein sehr ekliges Dilemma gegenüber seiner eigenen Armee -14 Fall -15 „Hätte es nicht die Treulosigkeit der Franzosen und die Intervention Preußens gegeben, würde Polen noch bestehen." 16 öffentliche Meinung - 17 das Beruhigungsmittel Palmerstons
für Rußland, sondern das böse Rußland suche Zwist zwischen Frankreich und England hervorzubringen! Hier erkenne ich wieder ganz meinen homme du Bas Empire18, den Elenden, der nie ohne allerhöchste europäische Erlaubnis seine coups d'etat au dela des frontieres19 zu treiben wagt. Hätte der Elende den Mut, klaren Wein über Pam einzuschenken (diesem auch nur damit gedroht), so konnte er ruhig an den Rhein spazieren. Aber er hat sich jetzt Hand und Fuß gebunden, ganz so dem Pam in die Hand geliefert, wie weiland Louis-Philippe. Wohl bekomm's ihm. Die Geschichten in Staleybridge und Ashton sehr erfreulich.13541 Doch endlich „die Achtung" der Kinnbacken und Dickbäuche den Proletaires entzogen! John Potter20 sich heute sehr in der „Times" blamiert, die bei ihrer jetzt in so großem Umfang genossenen Unpopularität pounces upon that ass21 um zu catch22 einen Pfennig Popularität. Salut. Dein K.M.
18 Mann des Zweiten Kaiserreichs - 19 Staatsstreiche über die Grenzen hinaus - 20 gemeint ist Edmund Potter - 21 auf diesen Esel setzt - 22 erhaschen
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Engels an Marx in London
Manchester, 8. April 1863
Lieber Mohr, Seit 6 Tagen gehe ich damit um, Dir zu schreiben und bin immer gestört worden. Besonders durch den braven Eichhoff. Der arme Teufel hat sich in Liverpool von preußischen durchgebrannten Leutnants und kommerziellen Schwindlern so total bescheißen lassen, daß er ca. £ 100 Schulden davongetragen hat, over and above1 das nicht von ihm, sondern seinem Partner vermöbelte Kapital. Er kommt hieher, sagt er, werde einige Zeit hier bleiben, jede sich ihm bietende Stellung annehmen, tut sehr mysteriös mit dem, was er hier treibt, etc. Bald indes zeigt sich, daß er, statt sich nach Stellen umzusehn, allerhand mysteriöse Agenturgeschäfte treibt, und jetzt ist mir klar, daß er hier für den kleinen Dronke, der sehr tief in diese Branche gegangen ist, blockaderunning business to the Confederate States2 macht. Daher das ganze Geheimnis, das bei der greenness3 unsres Freundes (die wirklich alle Grenzen übersteigt) doch alle Augenblicke durchsickert. Enfin4, der Kerl hat nun wenig zu tun und liegt mir nachmittags alle Augenblicke auf dem Halse. Da er mir auch keinen reinen Wein einschenkt, so kann ich mich natürlich auch nicht einmal für ihn bemühen, außer in direkten Fällen, wo er mich um Rat fragt. Ich fürchte, die polnische Geschichte13341 geht schief. Im Königreich scheint die Niederlage Langiewicz's doch schon gefühlt zu werden, und wenn nicht die litauische Bewegung, die bei weitem die wichtigste ist, weil sie 1. über die Grenzen des Kongreßpolens13551 hinausgeht und 2. weil die Bauern sich hier mehr beteiligen und nach Kurland hin die Sache direkt agrarisch wird - wenn diese nicht sehr guten Fortgang hat und die Bewegung im Königreich wieder belebt, so glaube ich nicht, daß große Chancen da sind. Langiewicz's Benehmen ist mir sehr dubiös. Welche Partei den
1 obendrein - 2 Konterbandegeschäfte nach den Konföderierten Staaten - 3 Unerfahrenheit — 4 Kurzum
zum Gelingen des Aufstandes unbedingt nötigen Allianzkontrakt zuerst gebrochen, wird schwer festzustellen sein. Interessant aber wäre es zu wissen, wieweit die Gerüchte wahr sind, die einerseits Mierosfawski, andrerseits Koscielski mit Plon-Plon alliieren. Branicki war, wenn ich nicht irre, schon lange Plonplonist. Der brave Kugelmann scheint allerdings ganz famos edle Absichten mit Dir zu haben. Daß Leute von Genie auch essen, trinken, wohnen müssen und sogar dafür bezahlen müssen, ist ein zu prosaischer Gedanke für diese biedern Deutschen, als daß sie ihn nur haben könnten, es käme fast einer Beleidigung gleich. Ich möchte wissen, wer der kluge Kopf gewesen ist, der ihm anvertraut hat, ich desavouiere mein Buch5. Hierüber wirst Du den guten Mann wohl aufklären. Was die neue Ausgabe angeht (die ja auch nach den Prämissen anything but6 zeitgemäß wäre), so ist der Moment jedenfalls nicht geeignet, wo alle revolutionäre Energie aus dem englischen Proletariat so gut wie vollständig verduftet ist und der englische Proletarier sich mit der Herrschaft der Bourgeoisie vollständig einverstanden erklärt. Ich habe die neuen Sachen von Lyell und Huxley gelesen, beide sehr interessant und recht gut. Lyell hat noch mehr Phrase, aber auch einige feine Witze, z.B. wo er, nachdem er vergebens alle Naturforscher zitiert, um einen qualitativen Unterschied zwischen Menschen und Affen zu kon-, statieren, endlich den Erzbischof von Canterbury7 zitiert, der behaupte, der Mensch unterscheide sich vom Tier durch die Religion. Übrigens rasselt es jetzt hier doch gehörig Angriffe auf den alten Glauben, und von allen Seiten. Man wird bald genötigt sein, zum Schutz der Religion ein seichbeuteliges System des Rationalismus zu verfertigen. Im „Edinb[ur]gh Review" läßt Owen jemand auf Huxley antworten; die Antwort gibt alle wesentlichen Punkte der Sache nach zu und streitet bloß um Ausdrücke1356'. Der kleine Dronke schien es für etwas ungeheuer Heroisches anzusehn, daß er auf mein Akzept 250 £ bei seinem Banker erheben wolle und sogar die sich auf unter £ 15 betragenden Kosten und Zinsen tragen. Daß ich solchem Heroismus gegenüber mich nicht verpflichten wollte, die £ 250 in Jahresfrist anzuschaffen - Du weißt am besten, weshalb ich das nicht konnte -, schien ihm im höchsten Grade mesquin8 von mir. Ich versichre Dich, wäre es nicht Deinetwegen gewesen, ich hätte dem kleinen Lumpazius einen Tritt in den Arsch gegeben. Aus Ärger besoff ich mich und schrieb Dir in der Besoffenheit einen wütenden Brief darüber, worin
6 „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" - 6 alles andere als - 7 John Bird Sumner 8 knauserig
schönes Zeug stehen mag, da ich absolut keine Erinnerung habe, was ich schrieb.'3571 Damit Du aber den wahren Zusammenhang siehst, habe ich die Sache jetzt noch eben erwähnt. Vale. Dein F. E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 9. April 63
Lieber Frederick, Tussychen war sehr entzückt über den Brief und seinen Inhalt und wird sich nicht abhalten lassen, Dir „persönlich" zu antworten. Mieroslawskis Plonplonismus1 war mir seit Jahren mit allen seinen Details durch J.Ph.Becker und Schily bekannt. Übrigens hatte ich ihn schon früher aus seinem Buch[358] ersehn, das während des letzten Kriegs zwischen Rußland und Türkei erschien. Der Edle schlug darin u.a. vor, Deutschland in 2 Länder zu teilen. Was den Koscielski dagegen betrifft, ist mir die Sache neu. Über die lächerliche Eitelkeit und namenlose Leichtgläubigkeit M[ieroslawski]s, sobald auf seine Eitelkeit gezogen wird, hat Becker mir 1860 von Italien aus höchst possierlichen Bericht geschickt. Itzig hat schon 2 Broschüren wieder über seinen Prozeß veröffentlicht1359 ], die er mir glücklicherweise nicht mitgeteilt. Dagegen schickt er mir vorgestern sein „Offnes Antwortschreiben" an das Zentralarbeiterkomitee für den Leipziger Arbeiter- (lies Knoten') Kongreß[3601. Er gebärdet sich - sehr wichtig mit den uns abgeborgten Phrasen um sich werfend ganz als künftiger Arbeiterdiktator. Die Frage zwischen Arbeitslohn und Kapital löst er in „spielend leichter Weise" (verbotenus2). Nämlich die Arbeiter müssen für allgemeines Wahlrecht agitieren und dann Leute wie ihn „mit der blanken Waffe der Wissenschaft" in die Abgeordnetenkammer schicken. Dann bilden sie Arbeiterfabriken, wozu der Staat das Kapital vorschießt, und diese Anstalten umfassen by and by3 das ganze Land. Dies ist jedenfalls überraschend neu! Einen Satz will ich Dir zitieren: „Daß heute schon von einer deutschen Arbeiterbewegung die Frage diskutiert wird, ob die Assoziation in seinem" (Schulze-Delitzsch's) „oder meinem Sinne aufzufassen sei - das ist zum großen Teile sein Verdienst; das
1 Siehe auch vorl. Band, S. 384 - 2 wörtlich - 3 nach und nach
eben ist sein wahres Verdienst, und dies Verdienst läßt sich nicht zu hoch veranschlagen. ... Die Wärme, mit welcher ich dies Verdienst anerkenne, darf uns nicht verhindern usw." (Ja ira.4 Zur selben Zeit, wo Palmerston in Glasgow war, ließ sich ein andrer großer Mann daselbst ankündigen, Studiosus Karl Blind. Vor seiner Ankunft schickte er der Glasgow „North British Mail" eine Notiz zu, überschrieben M.Karl Blind und unterhauen von der Redaktion mit dem verhängnisvollen Wort: „Communicated". Dies merkwürdige Communique - wie alle über ihn roulierenden Zeitungsnotizen von ihm selbst geschrieben, durch den Esel McAdam in das Blatt gebracht - beginnt mit folgender einzigen Introduktion: „At the present moment when a patriot exile is about to visit Glasgow, for the purpose of bringing under public notice the merits of the Polish question, it is fitting that a few remarks should be made upon his political career, and more especially so from the unfortunate fact that he is comparatively unknown in Scotland. German by birth and German by exile, Mr. Karl Blind's efforts have not come so prominently and so persistently before Europe as to have gained for him universal admiration from the Iiberating party, or universal execration from the oppressing party. He has hitherto stood in that middle way, where he has the honour of being both beloved and hated; but in these two contending ranks which have rendered to him their tribute after its kind the whole of Europe is not ranged, Mr. Karl Blind having the satisfaction ofknowing there is a thirdsection of hisfriends who are simply indifferent. He therefore comes before the Scottish public with perhaps less prejudice against him than has been the case with most of the distinguished exiles who preceded him."5
4 Das geht ran.-5 „Im gegenwärtigen Moment, wo ein patriotischer Verbannter sich anschickt, Glasgow zu besuchen, um hier der Öffentlichkeit das Wesen der polnischen Frage zur Kenntnis zu bringen, ist es angebracht, daß einige wenige Bemerkungen über seinen politischen Entwicklungsgang gemacht werden, um so mehr im Hinblick auf die unglückliche Tatsache, daß er in Schottland verhältnismäßig unbekannt ist. Deutscher durch Geburt und Deutscher durch Verbannung, haben sich Herrn Karl Blinds Bemühungen nicht so augenfällig und beharrlich Europa aufgezeigt, um ihm die allgemeine Bewunderung der Freiheitspartei oder die allgemeine Verwünschung der Unterdrückungspartei einzutragen. Er hat bisher auf jener mittleren Linie gestanden, wo ihm die Ehre zuteil ward, ebensowohl geliebt wie gehaßt zu werden; aber in diesen zwei streitenden Lagern, die ihm, jedes auf seine Art, ihren Tribut zollten, ist nicht das ganze Europa eingereiht, Herr Karl Blind hat die Genugtuung zu wissen, daß es eine dritte Gruppe seiner Freunde gibt, die einfach gleichgültig sind. Er tritt darum vor die schottische Öffentlichkeit mit vielleicht weniger Vorurteil gegen sich, als dies bei den meisten der hervorragenden Verhärmten der Fall, die vor ihm hier waren."
Folgt dann eine kurze biographische Notiz über den great unknown6, worin Schottland und „the third section" of mankind7 belehrt werden, daß dieser „Mr. Karl Blind" is a native of Baden, and was originally, like Kossuth and Mazzini, trained to the lauft. Daß die „Badish revolution ... the result of his propagandism"9 war, daß die „Governments of Baden and the Palatinate"10 ihn im Juni „in the capacity of diplomatic envoy"11 nach Paris sandten usw., und wirkt „in that spirit of Cooperation which so distinguishes the more celebrated exiles!"12 Ist das nicht „scheen"? Meine Frau ist seit zwei Wochen bettlägerig und fast ganz taub, der Teufel weiß, woher. Jennychen hat wieder eine Sorte von Diphtherieattacke. Wenn Du mir einigen Wein für beide (für Jennychen will Allen Portwein) schicken kannst, so sehr lieb. Hier in London hält jetzt ein Pfaffe (im Unterschied von den Atheisten, die in Johnstreet predigen) deistische Predigten für die Bürger, worin er sich voltairisch über die Bibel erlustigt. (Meine Frau und Kinder waren zweimal da und lobten ihn als Humoristen.) Ich wohnte dem Meeting bei, das Bright an der Spitze der Trade Unions hielt.13611 Er hatte ganz das Aussehn eines Independent13, und sooft er sagte „In the United States no kings, no bishops"14 war ein burst of applause15. Die Arbeiter selbst sprachen vorzüglich, mit völliger Beseitigung aller Bürgerrhetorik, und ohne ihren Gegensatz gegen die Kapitalisten (über die Vater Bright übrigens auch herfiel) im geringsten zu verdecken. Wie bald die englischen Arbeiter von ihrer scheinbaren Bourgeoisansteckung sich befreien, muß man abwarten. Im übrigen, was die Hauptgeschichten in Deinem Buch16 betrifft, sind sie bis ins kleinste durch die spätere Entwicklung seit [18]44 bestätigt worden. Ich habe das Buch nämlich selbst wieder mit meinen Notizen über die Nachzeit verglichen. Nur die kleinen deutschen Spießgesellen, die die Weltgeschichte an der Elle und der jedesmal „interessanten Zeitungsnachricht" messen, können sich einbilden, daß in dergleichen großen Entwicklungen 20 Jahre mehr als ein Tag sind, obgleich nachher wieder Tage kommen können, worin sich 20 Jahre zusammenfassen.
6 großen Unbekannten - 7 „die dritte Gruppe" der Menschheit - 8 „H*;rr Karl Blind" aus Baden gebürtig ist und ursprünglich, gleich Kossuth und Mazzini, für den Jatislenberuf ausgebildet wurde -9 „Badische Revolution... das Resultat semer Propaganda" - 10 „Regierungen Badens und der Pfalz" -11 „in der Eigenschaft eines diplomatischen Gesandten" -12 „in jenem Geist der Kooperation, der die berühmteren unter den Verbannten so auszeichnet!" -13 Unabhängigen - 14 „In den Vereinigten Staaten keine Könige, keine Bischöfe" -15 Beifallsausbruch -16 „Die Lage der arbeitenden Klasse in England"
Das Wiederlesen Deiner Schrift hat mich mit Bedauern das Altern merken lassen. Wie frisch, leidenschaftlich, kühn vorausgreifend und ohne gelehrte und wissenschaftliche Bedenken wird hier noch die Sache gefaßt! Und die Illusion selbst, daß morgen oder übermorgen das Resultat auch geschichtlich ans Teigeslicht springen wird, gibt dem Ganzen eine Wärme und lebenslustigen Humor - wogegen das spätere „Grau in Grau" verdammt unangenehm absticht. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 18. April 1863
Lieber Engels, Den einliegenden Wisch rot angestrichen (das Blatt13621 ist E.Meyens) schickt mir Lassalle heut vor 8 Tagen; traf also ein einen Tag nach Abgang meines Briefs an Dich, worin ich Dir kurzen Auszug aus letzter Broschüre des Itzig gab. Er will nun offenbar, daß ich für ihn in die Schranken treten soll. Que faire?1 Dein K.M.
1 Was tun?
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Engels an Marx in London
Manchester, 21. April 1863
Lieber Mohr, Was mit dem Lassalle anzufangen, ist schwer zu sagen, apres toutL würde ich annehmen, es wäre unter der Würde des großen Itzig, auf solch einen kleinlichen Meyenschen Klatsch das schwere Geschütz einer dementierenden Erklärung antworten zu lassen. Laß den Kerl seinen eignen Dreck ausfressen, wenn er was kann, so braucht er keine Testimonia2 von Dir, und wozu sollst Du Dich kompromittieren, nachdem Du ihm einmal gesagt, daß er doch nicht mit uns gehen kann, oder wir nicht mit ihm3. Welche Dummheit schon, sich in die Schulze-Delitzschschen Knotengeschichten1363' zu mischen und zu versuchen, grade da auf Grundlage unsrer früheren Arbeiten sich einePartei zu bilden. Grade daß der S[chulze]D[elitzsch] und andres Pack die Knoten während dieser bürgerlichen Zeit zur Höhe der bürgerlichen Anschauung zu erheben sucht, kann uns nur erwünscht sein, sonst hätten wir diese Geschichte während der Revolution auszufressen gehabt, und in Deutschland, wo die Kleinstaaterei alles so kompliziert macht, hätte diese Korinthenscheißerei uns als etwas Neues, Praktisches entgegengehalten werden können. Das ist jetzt erledigt, wir haben unsre Gegner jetzt in der richtigen Stellung, und der Knote ist zum Selbstbewußtsein gekommen und damit in die kleinbürgerliche Demokratie versetzt. Aber diese Kerls als Repräsentanten des Proletariats ansehn, das blieb Itzig überlassen. Der Witz mit Studiosus Blind4 hat Lupus und mich sehr amüsiert. Lupus hat wieder einen schweren Gichtanfall gehabt, erschwert durch seine eigensinnige Methode, stets halbkuriert auszugehn und Stunden zu geben, und erst zum Doktor zu schicken, wenn alles zu spät ist und alle Medizin aufgefressen. Da hilft aber kein Predigen, „ich gehe". Ich habe in der letzten Zeit russische Geschichte rückwärts gelesen, d.h. zuerst die Teilung Polens und Katharina, jetzt Peter I. Ich muß sagen,
1 nach allem - 2 Zeugnisse -3 siehe vorl. Band, S. 605 - 4 siehe vorl. Band, S. 341/342
für die Polacken von 1772 sich zu begeistern, dazu gehört ein Büffel. Im größten Teil von Europa fiel doch damals der Adel mit Anstand, teilweise mit esprit, so sehr auch seine allgemeine Maxime war, daß der Materialismus in dem bestehe, was man esse, trinke, ficke, im Spiel gewinne oder für Schuftereien bezahlt erhalte; aber so dumm in der Methode, sich an die Russen zu verkaufen wie die Polacken, war doch sonst kein Adel. Sonst ist die allgemeine Käuflichkeit der gentils-hommes5 in ganz Europa sehr heiter anzusehn. Weiter hat mich die Geschichte des Monsieur Patkul sehr interessiert. Dieser Bursche ist wirklich der Erfinder der ganzen russischen Diplomatie und hat bereits in nuce6 ihre sämtlichen Kniffe. Wenn Du seine 1795 in Berlin erschienenen Berichte an die russische Regierung nicht hast bekommen können, so wollen wir versuchen, durch Annonce im BuchhändlerBörsenblatt uns ein Exemplar zu verschaffen. Wie wenig haben übrigens die Nachfolger dazu getan! Immer dieselben Wendungen, immer dieselbe Manier jedem Land gegenüber. Übrigens gehört die Objektivität der Livländer, die absolut kein nationales, sondern höchstens ein lokales und Privatinteresse haben, notwendig dazu. Ein Russe könnte diese Geschichten nie machen. Sehr hübsch ist auch die Geschichte des Staatsstreichs Katharinas II. gegen Peter III. Hier hat Boustrapa13461 seine Hauptstudien gemacht, und die russische Kommunheit hat ihm bis ins kleinste zum Muster gedient. Es ist lächerlich, wie sich all solcher Dreck bis ins Detail wiederholt. Portwein habe ich augenblicklich keinen, guter ist auch nicht on the spur of the moment7 zu haben. Ich will mich indessen umsehen, inzwischen gehe ich in den Keller und hole etwas Rheinwein und Bordeaux (ersteren für die Gesunden, letzteren für die Kranken) heraus. Deswegen mache ich diesen Brief zu und lege noch einige stamps8 für Tussychen bei.
Dein F.E.
Von mehreren stamps doppelte Exemplare. Hier sind diese brauchbar zum Austauschen. Mit Italienern, Schweizern, Norwegern und einigen Deutschen kann ich in starken Quantitäten aufwarten.
5 Edelleute - 6 im Kern - 7 in der Eile - 8 Briefmarken
193
Engels an Marx in London
Manchester, 20. Mai 63
Moro viejo, Moro viejo, El de la vellida barba.1 Was ist mir Dir los, daß man von Dir und Deinen Schicksalen und rebus gestis2 nichts mehr vernimmt? Bist Du krank oder in den Tiefen der Ökonomie festgefahren? Oder hast Du Tussychen zu Deinem Korrespondenzsekretär ernannt? Or how?3 Was sagst Du zu den Braven in Berlin, die zu dem Schluß gekommen sind, daß es fraglich ist, ob ihr Präsident den Minister zur Ordnung rufen darf, wenn der Minister sagt, die ganze Kammer könne ihn kreuzweis usw.13641 Nie hat ein Parlament doch mit größerer Geduld, und mehr zur Unzeit, den Satz festgehalten, daß die bürgerliche Opposition in ihrem Kampf mit Absolutismus und Junkerkamarilla verpflichtet sei, Fußtritte hinzunehmen. Das sind genau wieder unsre alten Freunde von 1848. Indes sind diesmal doch die Zeiten anders angetan. Die Lassalleschen Geschichten und der Skandal, den sie in Deutschland erregen, fangen doch an, unangenehm zu werden.[3a5] Es ist die höchste Zeit, daß Du Dein Buch1271 fertig machst, und wenn auch nur, damit wir wieder Breittreter andrer Art bekommen. Im übrigen ist es ganz gut, daß auf diese Weise wieder ein Boden für antibürgerliche Sachen gewonnen wird, nur ist es fatal, daß dieser Itzig sich dabei die Position macht. Indes, das haben wir nie verhindern können, ebensowenig wie, daß Karl Blind heroische Fechterstellungen vor dem Publikum gegen den Großherzog von Baden4 einnimmt. Welche Zeit es übrigens erfordert, bis neue wissenschaftliche Entdeckungen auch in ganz unpolitischen Dingen sich Bahn brechen, darüber lies Lyells Antiquity of Man. Schmerling in Lüttich hatte den fossilen Menschenschädel von Engis schon 1834 entdeckt und Lyell gezeigt, auch sein dickes Buch veröffentlicht. Trotzdem hat es bis vor kurzem kein Mensch
1 Alter Mohr, alter Mohr, der mit dem weißen Bart. - 2 Taten - 3 Oder wie? - 4 Friedrich I.
der Mühe wert gehalten, die Sache auch nur ernsthaft zu untersuchen. Desgleichen hatte Barthes5 in Abbeville schon 1842 die Feuersteinwerkzeuge des Sommebeckens und ihr geologisches Alter richtig beschrieben, aber erst Ende der 50er Jahre drang die Sache durch. Solche Lausekerls sind die Altväter der Wissenschaft. Lupus hat wieder starke Gichtanfälle gehabt, sich aber wieder erholt. Sonst treibe ich stark Serbisch, die von Vuck Stef. Karadzic gesammelten Lieder. Es geht mir leichter ein als irgendeine andre slawische Sprache. Inliegend wieder einige stamps6. Es ist jetzt großer Diebstahl in diesem Artikel hier im Office. Dein F.E.
B muß heißen: Boucher de Crevecoeur de Perthes - 6 Briefmarken
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Erste Seite des Briefes von Engels an Marx vom 20. Mai 1863
194
Marx an Engels in Manchester
[London] British Museum, 29. Mai 1863.
Dear Frederick, Mein langes Schweigen wird Dir at once1 klar sein, wenn Du Dir eine sehr geschwollne Leber mit all its „appurtenances"2 versinnbildlichst. Ich habe seit about3 12 Wochen mehr von diesem nonsense4 ausgestanden als. je vorher. Und Du glaubst nicht, wie das auf das Morale eines Menschen einwirkt, die Dumpfheit im Kopf und die Paralysis in den Gliedern, die man fühlt. Namentlich kann man sich zu nichts entschließen, u.a. auch nicht zum Briefschreiben. Seit den letzten zwei Wochen ist die Sache wieder erträglich. Diese Geschichte machte mir alles Schreiben so unmöglich,, daß ich trotz verschiedner wiederholter Versuche die polnische Geschichte nicht fertig brachte'348', was mir jetzt sehr lieb ist, da es mir bloß die Reisemöglichkeit nach Preußen abgeschnitten, ohne direkt etwas zu nutzen. Ich war natürlich in der Zwischenzeit nicht müßig, aber ich konnte nicht arbeiten. Was ich tat, war, teils meine Lücken (diplomatische, historische) in der russisch-preußisch-polnischen Geschichte ausfüllen, teils allerlei Literaturhistorisches in bezug auf den von mir bearbeiteten Teil der politischen Ökonomie zu lesen und exzerpieren.1366' Dies auf dem British Museum. Ich werde jetzt, wo ich wieder relativ arbeitsfähig, die Last von mir abwälzen und die politische Ökonomie reinschreiben für den Druck (und schlußfeilen). Wäre es mir möglich, mich jetzt in die Einsamkeit zurückzuziehn, so würde die Sache sehr rasch gehn. At all events5 bringe ich die Sache selbst nach Deutschland. Jennychen ist nicht ganz, wie sie sein sollte. Seit about 14 Tagen ein fataler Husten. Was den Itzig angeht, so hatte er - wie mir Freiligrath konfidentiell (er zeigte mir Itzigs Brief) mitteilte - den F[reiligrath] aufgefordert, ein Gedicht auf die „neue" Bewegung1365' zu machen, alias den Itzig anzusingen. Er schnitt sich jedoch in F[reiligrath]. In dem Brief sagt er u.a.: „Hunderte von.
1 sofort - 2 mit all ihrem „Zubehör" - 3 ungefähr - 4 Unsinn - 5 Auf alle Fälle
Zeitungen tragen täglich meinen Namen in die fernsten Winkel Deutschlands." „MeineProletarier! etc." Da nun F[reiligrath] nicht ihn angesungen, hat er einen andren Poeten gefunden. Folgendes ist eine Probe:
„Herbei, du deutsches Proletariat! Herbei, laß ferner Dich nicht fruchtlos mahnen! Hier steht ein Mann, bereit den Weg zu bahnen Zu Deinem Wohlsein. Rüste Dich zur Tat! Er sitzet nicht im hohen Parlamente, Stolzieret nicht mit seinem Worttalente; Einfach, verständlich spricht er für uns Alle, Der Mann des Volkes, Ferdinand Lassalle!
Nicht, daß Ihr Andern ihre Säckel füllt, Soll Euer Schweiß hinab zur Erde rinnen, Nicht, daß an Reichtum täglich sie gewinnen, Indes Ihr darbt und Euch in Lumpen hüllt. Der Arbeit Früchte sollt Ihr selbst genießen, Des Feldbaus Segen soll für Euch ersprießen, O, daß an jedes Ohr es weithin schalle Dies Manneswort von Ferdinand Lassalle."
Macte puer!6 Wenn das nicht gut für die Wanzläus ist! Meinen besten Gruß an lupum. Nun vergelte nicht Gleiches mit Gleichem, sondern laß bald von Dir hören. Salut. Dein K.M.
6 Heil Jüngling!
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Marx an Engels in Manchester
[London] 10. Juni 1863
Lieber Engels, Nächsten Montag (15. Juni) ist ein Wechsel (des butcher1) auf mich fällig von £ 6. Wenn Du mir das Geld bis dahin schicken kannst, könnte es später Dir zurückgeschickt werden, sobald die Transaktion mit Dronke fertig. Salut. Dein K.M.
Was sagst Du von La France, eh? Und von Polen? Und unsern „tapfern Landsleuten" von Berlin?
1 Schlächters
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Engels an Marx in London
Manchester, 11. Juni 1863
Lieber Mohr, Inliegend £5 Bank-of-England-Note R/X 46 271, 3I.Jan. 1862, Manchester. „-„-„ 5 „-„-„ S/R 92 394, 14.Okt. 1862, London,
womit der Schlächter hoffentlich beruhigt sein wird. Da ich den Brief nicht selber aufgeben kann, so zeigst Du mir am besten eben den Empfang an. Dein langes Schweigen hatte mich sehr beunruhigt, ich hörte inzwischen, daß Du unwohl seist, und jetzt ist es hoffentlich vorüber. Wie geht's mit Jennychens Husten? Die Sache in Polen scheint in der letzten Zeit nicht mehr so gut zu gehn. Die Bewegung in Litauen und Kleinrußland ist offenbar schwach, und die Insurgenten in Polen scheinen auch nicht voranzukommen. Die Führer fallen alle oder werden gefangen und erschossen, was zu beweisen scheint, daß sie sich sehr exponieren müssen, um ihre Leute voranzubringen. Qualitativ sind die Insurgenten nicht mehr, was sie im März und April waren, die besten Kerle sind verbraucht. Indes entziehen sich diese Polacken jeder Berechnung, und die Sache kann doch noch gut gehn, obwohl die Chancen geringer sind. Wenn sie sich halten, können sie doch noch in eine allgemeine europäische Bewegung hineinkommen, die sie rettet; dagegen wenn es schiefgeht, ist Polen für 10 Jahre futsch, eine Insurrektion wie diese erschöpft die waffenfähige Bevölkerung auf lange Jahre. Eine europäische Bewegung scheint mir sehr wahrscheinlich, weil der Bürger jetzt wieder alle Furcht vor den Kommunisten verloren hat und im Notfall auch wieder mit losgehn würde. Die französischen Wahlen beweisen dies ebenso wie die Historien in Preußen seit den letzten Wahlen.13671 Daß eine solche Bewegung indes in Frankreich anfängt, glaub' ich kaum.
Die Wahlen in Paris sind doch zu bürgerlich ausgefallen, die Arbeiter, wo sie Spezialkandidaten aufstellten, fielen durch und hatten auch nicht die Macht, die Bourgeois zu wenigstens radikalen Wahlen zu zwingen. Außerdem kennt Bonaparte die Methode, wie man große Städte im Zaum hält. In Preußen würden sie fortschwätzen, wenn der brave Bismarck ihnen nicht den Riegel vorgeschoben. Wie die Sache dort auch gehen mag, die friedliche konstitutionelle Entwicklung ist am Ende, und der Philister muß sich auf Krawall gefaßt machen. Das ist schon viel. So sehr ich die Tapferkeit unsrer alten Freunde, der Demokraten, verachte, so scheint mir hier doch der meiste Zündstoff sich anzuhäufen, und da es kaum möglich ist, daß die HohenzoIIern sich nicht in foreign policy1 in die größten Dummheiten verwickeln, so könnte es wohl dahin kommen, daß die Truppen, halb an der polnischen Grenze, halb am Rhein verteilt, Berlin frei ließen und ein Schlag erfolgte. Schlimm genug für Deutschland und Europa, wenn Berlin an die Spitze der Bewegung geriete. Was mich am meisten wundert, daß in Großrußland keine Bauernbewegung losbricht. Der polnische Aufstand scheint hier positiv ungünstig zu wirken. In Amerika geht's schön her. Fighting Joe2 hat sich mit seinen Renommagen scheußlich blamiert1368Rosecrans schläft, und bloß Grant operiert gut. Seine Bewegung gegen Vicksburg von Südwest nach Nordost, Abschneiden der Entsatzarmee, Zurückwerfen derselben, dann rascher Vormarsch gegen Vicksburg und selbst die heftigen vergeblichen Sturmläufe sind alle sehr gut. An die Möglichkeit, hinreichende Entsatztruppen rechtzeitig zusammenzubringen, glaube ich nicht. Andrerseits haben wir die amerikanischen Generale so oft plötzlich für 14 Tage gut operieren und dann wieder die größten Eseleien machen sehn, daß man gar nichts über ihre künftigen Bewegungen sagen kann. Lassalles Gedicht (genitivus objectivus) kannte ich aus einer mir von Siebel eingesandten Broschüre, die Du also auch wohl besitzest. Gar heiter. Der Kerl arbeitet jetzt rein im Dienst von Bismarck, und es kann ihm eines Tages passieren, wenn Monsieur Bismarck] seiner leid ist, daß er ins Kaschott fliegt und Bekanntschaft mit dem preußischen Landrecht macht, das er immer mit dem Gsde1369' zu verwechseln scheint. Übrigens schön nach seinem Auftreten in Vogtibus1231, daß er jetzt unter der Ägide nicht nur der Augsbfurger], sondern auch der „Kreuz-Zeitung" steht.
1 der Außenpolitik - 2 Joseph der Dreinschläger (Spitzname für General Hooker)
Ich lese jetzt Kinglake13701, der mich mehr und mehr in der Überzeugung bestärkt, daß jeder Engländer irgendwo in seinem Gehirn ein Brett vorgenagelt hat, wo alles aufhört. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 12. Juni 1863 British Museum.
Lieber Engels, Die Anzeige der 10 £ erfolgt hier mit bestem Dank. Da ich nicht sicher -war, ob Du bis Montag das Geld schicken könntest, und andrerseits in dem Hause große Angst vor Wechseln herrscht, schrieb ich gleichzeitig an Dronke. Jennychen hüstelt wieder seit 4 Wochen. Ich habe sie heut zu Dr. Allen geschickt. Ich selbst bin auch nicht ganz auf dem Strumpf, aber das Hauptleiden ist fort. Ich habe in the meantime1, was den Vogt sehr freuen muß, Schwefel gefressen.13711 Der Itzig hat mir (vielleicht auch Dir) seine Gerichtsrede über die indirekten Steuern geschickt. Es ist einzelnes darin gut, aber das Ganze erstens unerträglich zudringlich, schwatzhaft und mit der lächerlichsten Gelehrtund Wichtigtuerei geschrieben. Außerdem ist es doch essentiellement2 das Machwerk eines „Schülers", der in aller Hast sich als „grundgelehrten" Mann und selbständigen Forscher herausmarktschreien will. Es wimmelt daher von historischen und theoretischen blunders3. Ein Beispiel mag hinreichen (falls Du das Zeug nicht selbst gelesen hast). Er will - um dem Gericht und dem Publikum zu imponieren - eine Art retrospektiver4 Geschichte der Polemik gegen indirekte Steuern geben, zitiert daher rückgehend in die Kreuz und Quer, über Boisguillebert und Vauban hinaus Bodinus etc. Hier zeigt sich nun der Erzschüler. Er läßt die Physiolyraten weg, weiß offenbar nicht, daß alles, was A.Smith etc. über das Thema gesagt, von jenen abgeschrieben, sie überhaupt die Helden in dieser „question"5 waren. Ebenso ganz schülerhaft die „indirekten Steuern" als „Bourgeoissteuern" gefaßt,was sie waren „im Mittelalter", aber nicht heute sind (wenigstens nicht da, wo die Bourgeoisie entwickelt), wie er sich bei Herrn R.GIadstone et Co. in
1 inzwischen - 2 wesentlich - 3 Schnitzern -1 rückblickender - s „Frage"
Liverpool13721 eines weitern belehren kann. Der Esel scheint nicht zu wissen, daß die Polemik gegen „indirekte" Steuern ein Stichwort der englischen und amerikanischen Freunde des „Schulze-Delitzsch" et Cons., also jedenfalls kein Stichwort gegen sie ist, ich meine die freetrader13731. Ganz schülerhaft seine Anwendung eines Ricardoschen Satzes auf die preußische Grundsteuer. (Grundfalsch nämlich.) Rührend ist es, wo er dem Gericht „seine" aus tiefster „Wissenschaft und Wahrheit" und schrecklichen „Nachtstunden" geschöpften Entdeckungen mitteilt, nämlich, daß im Mittelalter das „Grundeigentum" herrschte, in der neuen Zeit das „Kapital" und jetzt das „Prinzip des Arbeitersfanrfes", die „Arbeit" oder „das sittliche Prinzip der Arbeit"; und an demselben Tag, wo er die Entdeckung den Knoten mitteilte, teilte sie Oberregierungsrat Engel (ohne von ihm zu wissen), einem feineren Publikum in der Singakademie mit.13741 Er und Engel gratulierten sich wechselseitig „brieflich" über ihre „gleichzeitigen" Wissenschaftsresultate. Der „Arbeitersfan<i" und das „sittliche Prinzip" sind allerdings Errungenschaften von Itzig und dem Oberregierungsrat. Ich habe mich seit Anfang dieses Jahrs nicht entschließen können, dem Kerl zu schreiben. Kritisiere ich sein Zeug, so wäre das Zeitverlust; außerdem eignet er sich jedes Wort als „Entdeckung" an. Auf seine Plagiats ihn mit der Nase zu stoßen, wäre lächerlich, da ich ihm unsre Sachen in der Form, worin er sie verschmiert hat, nicht abnehmen will. Anerkennen diese Renommagen und Taktlosigkeiten geht auch nicht. Der Kerl würde das gleich benutzen. Bleibt also nichts übrig, als abzuwarten, bis endlich sein Zorn ausbricht. Dann habe ich einen sehr schönen Vorwand daran, daß er (wie Oberregierungsrat Engel) stets bemerkt, das sei nicht „Kommunismus". Ich werde ihm dann also antworten, daß diese seine wiederholten Beteurungen mich, wollte ich Notiz von ihm nehmen, gezwungen haben würden 1. dem Publikum zu zeigen, wie und wo er uns abschrieb; 2. wie und wo wir uns von seinem Zeug unterscheiden. Um also dem „Kommunismus" nichts zu vergeben und ihn nicht zu lädieren, hätte ich ihn ganz ignoriert. Übrigens macht der Kerl aus bloßer Eitelkeit den ganzen Lärm. Während 1859 gehörte er ganz zu der preußischen liberalen Bourgeoispartei. Jetzt mag er es bequemer finden, unter den auspices of government6 auf
6 Fittichen der Regierung
die „Bourgeois" loszufahren, als auf die „Russen". Auf die Östreicher schimpfen und für Italien schwärmen war von jeher ebenso spezifisch berlinisch, als den Russen gegenüber das Maul halten, wie es der tapfre Junge tut. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22 June 1863
Lieber Engels, Der „Kleine"1 schreibt mir heut von Liverpool, daß die Geldgeschichte jetzt abgemacht, i. e. entschieden werden müsse, da er sie persönlich besorgen müsse und er Geschäfts halber jeden Tag auf Reise gerufen werden könne. Du kannst Dich drauf verlassen, daß es mir sehr fatal, daß Du meinetwegen any obligation whatever2 dem Kleinen gegenüber unternimmst, mais que faire?3 Ich war und werde sein bis zu Ende dieses Monats auf dem British Museum, da ich die infolge der pressure from without4 im Hause notwendigen Quengeleien möglichst vermeiden muß, schon meiner „Läber" wegen. Sobald Ruhe hergestellt, gebe ich mich an die Reinschrift des SauBuchs1271, das ich selbst nach Deutschland hausieren gehn will. Erst sobald das geschehn, wird es Zeit sein, sich in Paris und London, sei es für die französische Ubersetzung zu melden, sei es für englische Bearbeitung umzusehn. Denn schon der Itzig zwingt uns diesmal, unser Licht nicht zu sehr unter den Büschel zu stellen. Salut. Dein K.M.
1 Ernst Dronke - 2 irgendwelche Verpflichtungen überhaupt - 3 aber was tun? - 4 des Drucks äußerer Umstände
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Engels an Marx in London
Manchester, 24. Juni 1863
Lieber Mohr, Ich weiß gar nicht, was der kleine busybody1 will. Warum schreibt er mir nicht, daß er jetzt die Sache arrangiert haben will? Mir schrieb er, daß, wenn ich ihm nicht antworte, er auf mich ziehen würde, wie abgemacht. Da bei mir abgemachte Sachen abgemacht sind, so hielt ich es durchaus nicht für nötig, 14 Tage vor der Zeit nochmals eine schriftliche Versicherung abzugeben, daß ich das tun würde, wozu ich mich schon früher mündlich und schriftlich verpflichtet. Auf Deinen Brief hin, wo er mit ganz andern Motiven herauskommt, hab' ich ihm nun das Nötige geschrieben. Mein Akzept wird für £ 250 sein. Sieh, daß er Dir die ganze Summe schickt, da er sich verpflichtet hat, Kosten und Zinsen selbst zu tragen. Kinglake ausgelesen. Etwas Oberflächlicheres (bei teilweise sehr gutem Material, aber lückenhaftem), Dümmeres, Unwissenderes als die Almaschlacht noch nie dagewesen. Nur la part des frangais2 gut und richtig dargestellt, wenigstens im Ganzen. Sonst manches für den militärischen Leser höchst komisch.13751 In Polen geht's faul. Der große Effekt der polnischen Regierung, der Massenaufstand im Juni, ist offenbar am Waffenmangel gescheitert, und jetzt ist, wenn keine äußern Verwicklungen eintreten, ein allmähliches Abnehmen nicht zu vermeiden.13761 Deine Politik dem Itzig gegenüber ist ganz recht. Was kann all die Gemütlichkeit helfen gegenüber einem Kerl, der im entscheidenden Moment doch entweder durch die Verhältnisse^ gezwungen wird, mit uns zu gehn, oder aber der offen unser Feind wird. Sich noch von dem Narren jahrelang intellektuell exploitieren lassen und zum Dank dafür verpflichtet zu sein, für alle seine Dummheiten einzustehn, das ist eppes zu arg. Ich werde abgerufen. Dein F.E.
1 Wichtigtuer (Dronke) - 2 der Anteil der Franzosen
200
Marx an Engels in Manchester
London, 6. Juli 1863
Lieber Engels, D'abord1 meinen besten Dank für die £250. Dronke hatte mir vor about2 vier Monaten 50 £ geschickt und heute 200. Jennychen ist leider immer noch nicht so, wie sie sein sollte. Der Husten ist noch nicht ganz fort, und das Kind ist zu „leicht" geworden. Ich schicke sie ins Bad mit den andern, sobald ihr Schulturnus am Ende. Obgleich ich viel Vertrauen in Allen habe, so wäre es mir sehr lieb, wenn Gumpert, der doch wahrscheinlich nach dem Kontinent auf Ferien reist, hier vorspräche, sich vom Tatbestand überzeugte und mir seine Ansicht mitteilte. Ich muß Dir offen sagen, daß ich in großer Angst wegen dem Kind bin. Das Abnehmen von Fleisch in diesem Alter scheint mir sehr bedenklich. Palmerston plays his old tricks3 in der polnischen Affäre. Die den Russen zugestellten Noten sind originaliter4 von Petersburg nach London geschickt worden. Den Hennessy hat Pam dem Urquhart abgekauft, indem er besagtem irischem Lumpen eine einträgliche Stelle (Sinekure) an einer französisch-englischen Eisenbahn in Frankreich verschafft hat. Die Verkauflichkeit der hiesigen politicians5 drängt in der Tat alles in den Hintergrund, was der Art auf dem Kontinent vorkömmt. Man hat weder bei uns noch in Frankreich einen Begriff von dieser absoluten Schamlosigkeit. Was den „count6 Zamoyski" angeht, so hatte ich den Urquhartiten wiederholtgesagt, daß der Kerl 1830/31 die Polen verriet, indem er ein unversehrtes Korps statt gegen die Russen, über die östreichische Grenze führte. Endlich ist ihnen dieser Bursche wegen seiner fortwährenden persönlichen Mogelei mit Pam auch verdächtig geworden.13771 Die Expedition der Southerners gegen den Norden13781 ist nach meiner Ansicht Lee aufgezwungen worden durch das Geschrei der Richmond papers7 und ihrer supporters8. Ich betrachte es als einen coup de desespoir9.
1 Vor allem - 2 ungefähr - 3 gebraucht seine alten Tricks - 4 ursprünglich - 5 Politiker — 6 „Grafen" - 7 Richmonder Blätter - 8 Hintermänner - 9 Verzweiflungsstreich
Übrigens wird dieser Krieg sich in die Länge schleppen, und das ist im europäischen Interesse sehr wünschenswert. Itzig hat mir eine neue Broschüre13791 geschickt, seine Rede in Frankfurt a. M. Da ich jetzt 10 Stunden des Tags ex officio10 Ökonomie treibe, ist nicht zu verlangen, daß ich meine Nebenstunden mit dem Lesen dieser Schülerpensa töten soll. Also einstweilen ad acta gelegt. In der freien Zeit treibe ich Differential- und Integralkalkul. Apropos! Ich habe Überfluß an Schriften dadrüber und will Dir eine zuschicken, wenn Du das Fach in Angriff nehmen willst. Ich halte es für Deine Militärstudien fast für nötig. Dabei ist es ein viel leichterer Teil der Mathematik (was das bloß Technische angeht) als z.B die höhern Teile der Algebra. Außer Kenntnis der gewöhnlichen algebraischen und trigonometrischen Geschichte nichts an Vorstudium nötig, außer allgemeine Bekanntschaft mit den Kegelschnitten. Über die beiliegende Broschüre des „Duc du Roussillon"11, dessen Du Dich vielleicht noch unter dem Namen „Pi" erinnerst, schreibe mir ein etwas motiviertes Urteil, da dieser Kerl jeden Tag mich schriftlich auffordert, ihm mein „Urteil" mitzuteilen. Das einliegende „Tableau Economique" 1380das ich an die Stelle des Tabfleau] des Quesnay12881 setze, sieh Dir, wenn es Dir in dieser Hitze möglich, etwas sorglich an und teile mir Deine etwaigen Bedenken mit. Es umfaßt den gesamten Reproduktionsprozeß. Du weißt, daß A.Smith den „natural" oder „necessary price"la zusammensetzt aus Salär, Profit (Zins), Rente - also ganz in Revenue auflöst. Dieser Unsinn ist auf Ricardo übergegangen, obgleich er Rente, als bloß akzidentell13, aus dem Katalog ausschließt. Fast alle Ökonomen haben dies von Smith akzeptiert, und die es bekämpfen, fallen in andern Blödsinn. Smith selbst fühlt den Unsinn, das Gesamtprodukt für die Gesellschaft in bloße Revenue (die jährlich verzehrt werden kann) aufzulösen, während er für jeden einzelnen Zweig der Produktion den Preis in Kapital (Rohstoff, Maschinerie, etc.) und Revenue (Arbeitslohn, Profit, Rente) auflöst. Danach müßte die Gesellschaft jedes Jahr de novo14 ohne Kapital anfangen. Was nun meine Tabelle angeht, die als Zusammenfassung in einem der letzten Kapitel meiner Schrift figuriert, so ist dabei folgendes zum Verständnis nötig: 1. Die Zahlen gleichgültig, bedeuten Millionen. 2. Unter Lebensmittel ist hier alles zu verstehn, was in den Konsumtions
10 von Amts wegen -11 „Herzogs du Roussillon" -12 „natürlichen" oder „notwendigen Preis" 13 zufällig -14 von neuem
fonds jährlich eingeht (oder ohne Akkumulation, die von der Tabelle ausgeschlossen ist, in den Konsumtionsfonds eingehn könnte). In der Klasse I (Lebensmittel) besteht das ganze Produkt (700) aus Lebensmitteln, die also der Natur der Sache nach nicht in das konstante Kapital (Rohmaterial und Maschinerie, Baulichkeiten etc.) eingehn. Ebenso besteht in der Klasse II das ganze Produkt aus Waren, die konstantes Kapital bilden, i.e. als Rohmaterial und Maschinerie wieder in den Reproduktionsprozeß eingehn. 3. Wo die Linien aufsteigen ist punktierte, wo sie niedersteigen, grade Linie. 4. Konstantes Kapital ist der Teil des Kapitals, der aus Rohstoff und Maschinerie besteht. Variables Kapital, der sich gegen Arbeit austauscht. 5. In der Agrikultur z.B. etc. bildet ein Teil desselben Produkts (z.B. Weizen) Lebensmittel, während ein andrer Teil (Weizen z.B.) wieder in seiner Naturalform (als Samen z.B.) als Rohstoff in die Reproduktion eingeht. Dies ändert aber nichts an der Sache. Da solche Produktionszweige der einen Eigenschaft nach in Klasse II, der andern nach in Klasse I figurieren. 6. Der Witz der ganzen Geschichte also der: Kategorie I, Lebensmittel. Arbeitsmaterial und Maschinerie (d.h. der Teil derselben, der als Dechet15 in das jährliche Produkt eingeht; der nicht konsumierte Teil der Maschinerie etc. figuriert überhaupt nicht in der Tabelle) =400£ z.B. Das gegen Arbeit ausgetauschte variable Kapital = 100, reproduziert sich als 300, indem 100 den Arbeitslohn im Produkt ersetzt, 200 den Mehrwert (unbezahlte Surplusarbeit) darstellt. Das Produkt = 700, wovon 400 den Wert des konstanten Kapitals vorstellt, das aber ganz in das Produkt übergegangen ist, also ersetzt werden muß. Es ist bei diesem Verhältnis von variablem Kapital und Mehrwert angenommen, daß der Arbeiter 1/s des Arbeitstags für sich, 2/3 für his natural superiors16 arbeitet. 100 (variables Kapital) wird also, wie durch punktierte Linie angedeutet, in Geld als Arbeitslohn ausgezahlt; der Arbeiter kauft mit diesen 100 (angezeigt durch die niedersteigende Linie) Produkt dieser Klasse, i. e. Lebensmittel für 100. Das Geld fließt so an die Kapitalistenklasse I zurück. Der Mehrwert von 200 in seiner allgemeinen Form = Profit, der sich aber spaltet in industriellen Profit (kommerziellen eingeschlossen), ferner in Zins, den der industrielle Kapitalist in Geld zahlt, und in Rente, die er
15 Verschleiß -16 seine natürlichen Vorgesetzten
ebenfalls in Geld zahlt. Dies für industriellen Profit, Zins, Rente gezahlte Geld strömt zurück (durch die niedersteigenden Linien angedeutet), indem dafür Produkt der Klasse I gekauft wird. Das sämtliche innerhalb Klasse I von dem industriellen Kapitalisten ausgelegte Geld strömt also zu ihm zurück, während 300 von dem Produkt 700 aufgezehrt wird von den Arbeitern, entrepreneurs, monied men und landlords17. Bleibt in der Klasse I Uberschuß an Produkt (in Lebensmitteln) von 400 und Defizit an konstantem Kapital von 400. Kategorie II. Maschinerie und Rohstoff. Da das ganze Produkt dieser Kategorie, nicht nur der Teil des Produkts, der das konstante Kapital ersetzt, sondern auch der, der Äquivalent des Arbeitslohns und den Mehrwert vorstellt, besteht aus Rohstoffen und Maschinerie, kann die Revenue dieser Kategorie nicht in ihrem eignen Produkt, sondern nur im Produkt der Kategorie I realisiert werden. Akkumulation beiseite gelassen, wie es hier geschieht, kann aber Kategorie I von Kategorie II nur so viel kaufen, als sie zum Ersatz ihres konstanten Kapitals braucht, während Kategorie II nur den Teil ihres Produkts, der Arbeitslohn und Mehrwert (Revenue) vorstellt, in dem Produkt der Kategorie I auslegen kann. Die Arbeiter der Kategorie II legen also ihr Geld, = 133V3, aus im Produkt der Kategorie II. Dasselbe findet statt mit dem Mehrwert der Kategorie II, der sich wie sub18 1 in industriellen Profit, Zins und Rente spaltet. Es fließen also 400 in Geld dem industriellen Kapitalisten der Kategorie I von der Kategorie II zu; die dafür an diese ihren Rest an Produkt = 400 abläßt. Mit diesen 400 Geld kauft Klasse I das zum Ersatz ihres konstanten Kapitals =400 Nötige von Kategorie II, der also in dieser Art das in Arbeitslohn und Konsum (der industriellen Kapitalisten selbst, der monied men und der landlords) verausgabte Geld wieder zuströmt. Von ihrem Gesamtprodukt bleibt der Kategorie II daher 5331/3, womit sie ihr eignes aufgearbeitetes konstantes Kapital ersetzt. Die Bewegung teils innerhalb der Kategorie I, teils zwischen Kategorie I und II, zeigt zugleich, wie den respektiven industriellen Kapitalisten beider Kategorien das Geld zurückströmt, womit sie von neuem Arbeitslohn, Zins und Grundrente zahlen. Kategorie III stellt die Gesamtreproduktion dar. Das Gesamtprodukt von Kategorie 11 erscheint hier als konstantes Kapital der ganzen Gesellschaft und das Gesamtprodukt der Kategorie I als der Teil des Produkts, der das variable Kapital (den Fonds des Arbeits
17 Unternehmern, Geldleuten und Grundherren -18 unter
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Anlage zu Marx' Brief an Engels vom 6. Juli 1863
Arbeitslohn Indust. Profit Zins ~/T Rente
"konstantes Kapital variables Kapital 9337a 233V»
Mehrwert 466 Vs
Produkt 1633 Va
Tableau Economique des Dr. Quesnay
/ V.
Produktive Klasse
a) 2 Milliarden
b) 1 Milliarde „ " " c) 1 Milliarde d) 1 Milliarde
Jährliche Vorschüsse 2 Milliarden Insgesamt 5 Milliarden
Eigentümer
e) 2 Milliarden
_2<
unproduktive Klasse
1 Milliarde Q
1 Milliarde g)

1 Milliarde h)
insgesamt 2 Milliarden.
lohns) und die Revenuen der Klassen, die sich in den Mehrwert teilen, ersetzt. Ich habe Quesnays Tableau drunter gesetzt, das ich im nächsten Brief'3811 erklären werde in some words19. Salut. Dein K.M.
Apropos. Edgar Bauer hat Posten erhalten im - preußischen Preßdepartement.
19 in einigen Worten
201
Marx an Engels in Manchester
[London] 15. August 1863
Dear Frederick, Hol mich der Teufel, wie der Rote1 sagte, wenn ich seit 8 Tagen nicht jeden Morgen mit dem festen Entschluß aufstand, Dir zu schreiben. Aber sobald ich in mein Arbeitszimmer kam, beschwichtigte ich mein Gewissen mit dem Köder, daß ich nur noch 6 Zeilen dem gestern abgebrochnen Manuskript zusetzen wollte. Und einmal von dem Wege rechtens abgegangen, zeigte sich der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend Böses muß erzeugen. Meine Familie ist letzten Freitag nach Hastings abgegangen. Die Abreise fand so spät statt, weil Lenchen2 wegen Familienangelegenheiten auf 14 Tage nach Deutschland mußte. Den einliegenden Photographien (zu meinem zwangen mich die Kinder) werden bald Jennys und Lauras nachfolgen. Mit meiner Arbeit'271 (dem Manuskript für den Druck) geht es in einer Hinsicht gut voran. Die Sachen nehmen bei der letzten Ausarbeitung, wie es mir scheint, eine erträglich populäre Form an, einige unvermeidliche G - W und W- G abgerechnet. Andrerseits, obgleich ich den ganzen Tag schreibe, geht's nicht so rasch vom Fleck, wie meine eigne längst auf die Geduldprobe gestellte Ungeduld wünscht. Jedenfalls wird es 100 p. c. leichter verständlich als Nr. 1,3 Übrigens, wenn ich jetzt das Machwerk ansehe und sehe, wie ich alles habe umschmeißen müssen und auch den historischen Teil4 erst aus zum Teil ganz unbekanntem Material machen mußte, so ist mir Itzig in der Tat komisch, der „seine" Ökonomie bereits in der Mache hat, durch sämtliches Zeug aber, das er bisher losgehökert, sich als einen Sextaner beweist, der mit der widerlichsten, sp.reitspurigsten Waschweiberei Sätze in die Welt posaunt - als seine neuste Entdeckung die wir vor 20 Jahren zehnmal besser schon als Scheidemünze unter unsere parti
1 Ferdinand Wolff - 2 Helene Demuth - 3 „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" - 4 „Theorien über den Mehrwert"
sans5 verteilten. Derselbe Itzig sammelt auch sonst unsre vor 20 Jahren abgesonderten Parteiexkremente in seine manurefabrik6, mit der die Weltgeschichte gedungen werden soll. So z.B. hat er ein Adhäsionsschreiben von „Herwegh" (der sicher seine platonische Liebe für das „Prinzip der Arbeit" bewährt hat) im „Nordstern" drucken lassen. Dieser „Nordstern" nämlich redigiert von dem verbummelten Bruhn, den Lassalle dem Blind abgekauft hat. So hat Itzig den „Moses Heß"' zu seinem „Statthalter in der Rheinprovinz" ernannt usw. Und immer noch scheint er die fixe Idee nicht loszuwerden, daß Freiligrath ihn besingen soll. Der pfeift ihm was. Er hat den Fjreiligrath] nämlich wieder durch seinen Leipziger „Statthalter" zur Tat, unter Vorhaltung des guten Beispiels des G. Herwegh, dringend summon7 lassen. Wenn er wüßte, wie Fjreiligrath] mit mir über dies neue Attentat gelacht hat! „O Itzig, o Itzig, was hast Du gedenkt, Daß Du Dich an den Herwegh und den Moses H[eß] gehenkt!" Die hiesigen Philister sind sehr toll gegen die „Times", weil die „Times" sie so schön auf den Confederate Loan8 geschnitten. Diese Biedermänner konnten doch wissen, daß die „Times", wie Cobbett ihnen schon verriet, nichts als ein „commercial concern" ist, das den Teufel danach fragt, wie die balance9 fällt, wenn sich nur eine balance in its own favour10 herausstelltt382). Die Kerls von der „Times", wie der J.Spence-„that man" n, wie der „RichmondEnquirer" sagt, „whom wehave paid in solid gold"12-, erhielten die loan scrips13 teils umsonst, teils für 50p.c. Discount14 auf den nominellen Betrag. Es war also ein schönes Geschäft, sie auf 105 heraufzudeklamieren. Es scheint mir sehr wichtig für die United States, daß sie vor allem der restierenden Ports15, Charleston, Mobile etc., sich bemächtigen, wegen der Kollision, in die sie jeden Tag mit Boustrapa[3461 geraten können. Dieser kaiserliche Lazarillo de Tormes karikiert jetzt nicht allein seinen Onkel16, sondern schon sich selbst. Denn das „suffrage"17 in Mexiko ist doch eine schöne Karikatur nicht nur des suffrage, wodurch er sich selbst, sondern Nizza und Savoyen französisch machte.[383] Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß er an Mexiko den Hals bricht, wenn er nicht schon vorher gehangen wird. Die polnische Geschichte13341 ist ganz verfahren durch denselben Boustrapa und durch den Einfluß, den seine Intrigen der Czartoryski-Partei
5 Mitstreiter - 6 Dungfabrik - 7 auffordern - 8 die Konföderierten-Anleihe - 9 Bilanz 10 Bilanz zu seinen eigenen Gunsten -11 „dieser Mann" -12 „den wir mit echtem Gold bezahlt haben" - 13 Anleihescheine - 11 mit 50 Prozent Ermäßigung - 15 übrigen Häfen 16 Napoleon I. -17 „Wahlrecht"
verschafft haben. Oberst Lapinski, der von seiner mit Bakunin unternommenen und von Palmerston so schön auf der schwedischen Küste beendeten Irrfahrt seit ein paar Tagen zurückgekehrt ist13841, klagt sehr, daß die Committees in Warschau, London und Paris ganz unter dem bonap[artistisch]czartor[yskischen] Einfluß stehn. Unser Vaterland sieht gottsjämmerlich aus. Ohne Keile von außen ist mit diesen Hunden nichts anzufangen. Apropos. Seit Deinem Buch über England18 ist jetzt endlich wieder ein zweiter Children's Employment Commission Report erschienen. Er beweist, daß alle Scheußlichkeiten, die aus gewissen Industriesphären durch die Factory acts19 vertrieben, sich mit erneuter Wut auf das freie Terrain geworfen haben! Es würde einen famosen Nachtrag für Dein Buch geben, sobald die Reports vollständig erschienen sind. Gratuliere dem Gumperto. Er hat jedenfalls dafür gesorgt, daß seine Ehe nicht kinderlos bleibt. In Borchardt scheint das Fleisch stärker zu sein, als für sein priesterliches Amt paßt. Und er wird alle die andern Judenweiber eifersüchtig machen. Ist lupus zurück? Grüß ihn in diesem Falle bestens von mir. Ich wünsche nichts mehr, als ich könnte Dich nun zwei Tage hier haben und mit Dir plaudern und kneipen. Es ist so lang, daß wir nicht mehr zusammen waren. Salut. Dein K.M. Dem „Pi" ist gedient. Apropos. Unter den Curiosis, die ich bei meiner Nachlese auf dem Museum fand, folgendes: „Verum inventam, hoc est, muriera Germariiae, ab ipsa primitus reperta, non ex vino, ut calumniator (ein Engländer nämlich) [quidam] sceptice invehit, sed vi inami et corporis et reliquo orbi communicata etc., auctore Michaelo Maiero, Francfurti, I6I9."20 Die munera21 und Erfindungen Germaniae22 sind: „Römische Kaiserwürde, Schießpulver, Buchdruckerei, Verbeßrung der Religion, Arzneien des Theophrastus Paracelsus, Geheimnisse der Rosenkreuzer13851 - Inventum politicum, bellicum, litteraricum.theologicum, medicum, chymicum23."
18 „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" - 19 Fabrikgesetze - 20 „Die wahre Erfindung, oder die Leistungen Deutschlands, von ihm selbst zuerst entdtckt, nicht im Weinrausch, wie ein gewisser Verleumder mißtrauisch behauptet, sondern durch die Kraft des Geistes und des Körpers, und der übrigen Welt mitgeteilt usw., von dem Verfasser Michael Maier, Frankfurt, 1619." - 21 Leistungen - 22 Deutschlands - 23 Erfindung politischer, militärischer, literarischer, theologischer, medizinischer, chemischer Art
202
Marx an Engels in Manchester
[London] 12. September 1863
Lieber Frederick, Meine Familie ist seit about1 10 Tagen zurück. Jennychen hat sich sehr erholt und hat aufgehört zu husten. Sie bekömmt jetzt im Hause Seebäder, d. h. Bäder mit Seesalz. Ich habe auch seit about 2 Monaten angefangen, mich jeden Morgen im Haus zu baden und von Kopf bis Fuß mit kaltem Wasser zu übergießen, und bin seit der Zeit viel wohler. Die interessantste Bekanntschaft, die ich hier gemacht, ist die des Oberst Lapinski- Er ist unbedingt der geistreichste Pole - dabei homme d'action2 -, den ich bis jetzt kennengelernt. Seine Sympathien sind alle nach der deutschen Seite, obgleich er in Manieren und Sprache auch Franzose ist. Statt des Nationalitätenkampfs kennt er nur den Rassenkampf. Er haßt alle Orientalen, wozu er Russen, Türken, Griechen, Armenier usw. mit gleicher Vorliebe zählt. Er war hier eine Zeitlang mit Urquhart zusammen, erklärt ihn aber nicht nur für einen „Humbug", sondern zweifelt ungerechterweise sogar an seiner Ehrlichkeit. Die „zirkassischen" Fürsten, die Urquhart mit Lapinski in England zur Schau stellte, waren zwei - Bediente. Lapinski behauptet, daß Urquhart ganz von Zamoyski an der Nase herumgeführt werde, der selbst wieder ein bloßes Instrument von Palmerston, also auf diesem Umwege, der russischen Gesandtschaft sei. Obgleich von Haus Katholik, sei ihm (Lap[inski]) Urquharts Verhältnis mit den katholischen Bischöfen in England durchaus verdächtig. Sobald es „Handeln" gelte - z.B. die Ausrüstung eines Polenkorps, um in Zirkassien einzufallen, was auch i[apinski] für die beste Diversion hält, habe Urquhart sich von Zamoyski abbringen lassen. Er wolle überhaupt nur „schwätzen". Er sei ein „großer Lügner", und er (Lapfinski])habe ihm besonders übelgenommen, daß er ihn (L[apinski]) ohne vorherige Anfrage zu seinem Mitlügner gemacht. In Zirkassien kenne kein Mensch den Urquhart, der, ohne Kenntnis der Sprache, sich nur 24 Stunden
1 ungefähr - 2 Mann der Tat
24»
dort aufgehalten. Als ein Beispiel von U[rquhart]s Phantasie führte er nur an, daß dieser bei ihm sehr wichtig damit getan, daß er (Urq[uhart]) den Chartismus in England getötet habe! In Warschau ist die Nationalregierung wieder gereinigt.t386i Durch die Intrigen von Bonaparte-Palmerston waren die Czartoryski-Anhänger in sie eingeschmuggelt. Drei davon sind erdolcht worden, und das hat den Rest pro nunc? eingeschüchtert. (An der Spitze stand von dieser CzartoryskiPartei Majewski4.) Die Macht der Nationalregierung geht daraus hervor, daß Großfürst Konstantin von ihr einen Paß zur Reise ins Ausland akzeptierte. Herzen und Bakunin, sagt t [apinski], sind ganz chapfallen5, weil der Russe nach einigem Kratzen sich wieder als Tartar gezeigt hat. Bakunin ist ein Ungeheuer, a huge mass of flesh and fat6, geworden, der kaum mehr gehn kann. Außerdem ist er mannstoll und eifersüchtig auf seine siebzehnjährige Polin, die ihn in Sibirien wegen seines Märtyrertums heiratete. Er ist gegenwärtig in Schweden, wo er mit den Finnen „Revolution" macht. Die Bauern, sagt t [apinski], das „urreaktionäre Pack", mußte man in Polen de prime abord7 aus dem Spiel lassen. Aber sie seien jetzt reif und würden auf den Aufruf der Regierung zur levee en masse8 aufstehn. Ohne Ostreich sei die Bewegung längst kaputt gewesen, und wenn Ostreich ernsthaft seine Grenze schließe, sei die Rebellion in 3 Wochen kaputt. Aber Ostreich mogle mit den Polen. Nur aus Verzweiflung, weil Franz Joseph wisse, daß eine russisch-serbisch-rumänisch-italienisch-französisch-ungarisch-preußische Bombe ihm drohe, sei er nach Frankfurt gegangen13871, und aus demselben Grunde habe der Papst9 sein letztes Missiv10 für Polen erlassen. L [apinski] sagte mir, daß das Verständnis nicht nur von Bangya, sondern von Stein, Türr, Klapka und Kossuth mit Rußland gar keinem Zweifel unterliege. Sein Zweck in London ist jetzt, eine deutsche Legion, wenn auch nur von 200 Mann, auf die Beine zu bringen, um mit der schwarzrotgoldnen Fahne den Russen in Polen gegenüberzutreten, teils um die Pariser zu „exasperieren"teils um zu sehen, ob es irgendwie noch möglich, die Deutschen in Deutschland wieder zur Besinnung zu bringen. Was fehlt, ist Geld. Es werden hier Versuche gemacht, sämtliche deutsche Vereine usw. für diesen Zweck zu exploitieren. Du mußt am
8 für den Augenblick - 4 in der Handschrift: Melinski - 6 niedergeschlagen - 6 eine riesige Masse von Fleisch und Fett - 7 anfangs - 8 zum Massenaufgebot - 9 Pius IX. - 10 Sendschreiben -11 „erbittern"
besten wissen, ob in Manchester etwas in dieser line12 zu tun ist. Die Sache selbst wäre vorzüglich. Grüß lupum und sag ihm, daß ich seinen Brief an Eccarius besorgt. Salut. Dein K.M.
12 Richtung
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Engels an Marx in London
Manchester, 24. Nov. 1863
Lieber Mohr, Da ich weiter nichts von Deiner Frau gehört habe, so hoffe ich, daß es Dir inzwischen besser gegangen hat und Du mit den Geschwüren durch bist. Halte Dich nur am Weintrinken und Fleischessen, das ist die Hauptsache. Mir sind in den letzten Tagen die Abendstunden auf dem Kontor, wo ich allein an Privatkorrespondenz denken kann, sehr gestört worden, sonst hättest Du früher von mir gehört. Die Sache wird in Deutschland kritisch. Die dänische Geschichte'388' kommt nach einer Seite hin ungelegen, nach der anderen aber kann sie die Krisis nur beschleunigen. Komisch ist, wie auf einmal die englische Presse die schleswig-holsteinische Frage so furchtbar sonnenklar findet, nachdem sie jahrelang behauptet, sie sei so verworren, daß „no fellow can understand that"1, wie Dundreary sagt. Die Zugeständnisse der englischen Presse sind übrigens für uns hinreichend. Aber welch ein Meistercoup der Russen war das Protokoll von 1852! Solange ich davon nur in der dummen „Free Press" las, konnte ich nie dahinterkommen, wie es sich damit verhielt; diese Esel haben wirklich ein Talent, Alles konfus zu machen, das selbst Dundreary übertrifft. Daß Preußen und Ostreich das Protokoll unterschrieben haben, ist eine namenlose Infamie und muß blutig an den Betreffenden gerächt werden. Ganz komisch ist es auch wieder, daß schließlich die ganze jetzt fragliche Erbfolge sich darum dreht, ob der Augustenburger wegen morganatischer Geburt sukzessionsfähig2 ist. In Preußen scheint die Bismarcksche Frechheit doch etwas zusammenzuklappen. Die Desavouierung der Landratswahlumtriebe, die Zurücknahme der Preßverordnung sind bedenkliche Zeichen.'3891 J'espere qu'ils ne reculent que pour mieux sauter.3 Lassalle spielt auch in der Preßdebatte
1 „kein Mensch das verstehen kann" - 2 erbfolgefähig - 3 Ich nehme an, daß sie einen kleinen Vorteil fahrenlassen, um später einen größeren zu erhalten.
eine Rolle. Wagener hatte die Taktlosigkeit (seinem stillschweigenden Bundesgenossen Lassalle gegenüber), sich auf sein Urteil über die liberale Presse zu berufen, um die Preßverordnung zu rechtfertigen.1390' Schallendes Gelächter und schlechte Witze von Virchow und Gneist waren die Folge. Lassalle hat sich seine Kampagne gründlich verdorben, was ihn natürlich nicht hindern wird, wieder anzufangen. Der Esel konnte doch aus dem „Manifest"4 ganz gut lernen, wie man sich in solchen Zeiten zu den Bourgeois zu stellen hat. Viele Grüße an Deine Frau und die Mädchen. Dein F.E.
4 „Manifest der Kommunistischen Partei"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Dez. 1863
Dear Frederick, Vor 2 Stunden kam Telegramm, daß meine Mutter tot ist. Das Schicksal verlangte einen vom Hause. Ich selbst stand schon mit einem Fuß unter der Erde. Unter den gegebnen Verhältnissen ich jedenfalls noch nötiger als die Alte. Ich muß der Erbschaftsreglung wegen nach Trier. War sehr zweifelhaft, was Allen sagen würde, da ich seit 3 Teigen erst täglich Stunde einen Genesungswalk1 machte. Allen jedoch, 2 enorme Medizinflaschen mitgebend, hält es sogar für gut, daß ich gehe. Die Wunde ist noch nicht ausgeeitert, aber ich werde auf der ganzen Reise genug Samariterinnen finden, um das Pflaster aufzulegen. Ich muß Dich nun bitten, mir umgehend so viel Geld zu schicken, daß ich die Reise nach Trier sofort antreten kann. Salut. Dein K.M.
1 Genesungsspaziergang
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Engels an Marx in London
Manchester, 3. Dez. 1863
Lieber Mohr, Inl. U/O 16055 & 56, zwei Fünfpfünder, zusammen £ 10, datiert Manchester, 13. Jan. 63, für die Reise nach Trier. Ich hoffe, der Schleswig-Holstein-Enthusiasmus der Vaterländer wird Dir den Aufenthalt nicht allzu sauer machen. Ich habe die ganze Frage durchgeochst und bin zu dem Schluß gekommen, 1. daß die schl[eswig]-holst[einische] Theorie dummes Zeug ist; 2. daß in Holstein der Augustenburger allerdings recht zu haben scheint; 3. daß in Schleswig schwer zu sagen ist, wer Erbfolgerecht hat - der Mannsstamm aber nur als Lehnsträger Dänemarks, wenn überhaupt; 4. daß das Londoner Protokoll1 in Dänemark unbedingt gültig, in Schleswig und Holstein aber unbedingt nicht, weil die Stände nicht befragt; 5. daß das deutsche Recht auf Schleswig sich auf den Süden beschränkt, der durch Nationalität und freien Willen deutsch ist, Schleswig also geteilt werden muß; 6. daß in diesem Augenblick die einzige Chance Deutschlands, die Herzogtümer zu befreien, darin besteht, daß wir einen Krieg gegen Rußland zugunsten Polens anfangen. Dann ist Louis-Napoleon unser gehorsamer Diener, Schweden fällt uns sofort in die Arme, und England, hoc est Pam2 ist lahmgelegt; dann nehmen wir von Dänemark ungestraft, was wir wollen. Them is my sentiments.3 Ich habe Lust, sie in einer Broschüre zu entwickeln, wenn Du in Deutschland einen Verleger dafür findest.'3911 Es versteht sich, daß ich meinen Namen daraufsetze. Qu'en dis-tu?4 Lupus ist besser, doch noch wackelig. Viele Grüße an die family. Ich war verdammt froh, Deine kratzige Pfote wieder zu sehn. Dein F.E. 1 Siebe vorl. Band, S. 375 - a das heißt Palmerston - 3 Das ist meine Ansicht. - 4 Was sagst Du dazu?
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Marx an Engels in Manchester
[London] 4. Dez. 63
Lieber Frederick, Besten Dank für die £ 10. Ditto für den Portwein nachträglich. Er hat Großes an mir geleistet. Außer dem Wein hatte ich täglich (bis zur Stunde) lx/2 Quart vom stärksten Londoner Stout1 zu saufen. Es schien mir ein gutes Thema für eine Novelle. Vorn den Mann, der his inner man2 mit Port, Bordeaux, Stout und massivsten Fleischmassen regaliert. Von vorn der Schlemmer. Aber hinten auf dem Buckel der outer man3, verdammter Karbunkel. Wenn der Teufel den Pakt mit einem machte, einen unter diesen Umständen stets bei guter Tafel zu halten, sollte der Teufel den Teufel holen. Übrigens ist mein Kopf noch schwach und die Knie krackschäbig, aber ich denke, die Reise wird dem allen ein Ende machen. Tussychen sagte mit Bezug auf den outer man: „But it is your own flesh!"4 Ich kann übrigens nicht genug das Benehmen des Dr.Allen gegen mich rühmen. Er bemerkte übrigens mit Bezug auf die Operation, daß German philosophers5 sich stets gleichbleiben. Mit Bezug auf das „meerumschlungne"[3921 stimme ich im Ganzen mit Dir überein. Natürlich die ganze Erbrechtsfrage hat nur diplomatische Bedeutung. As to Denmark6, halte ich es soweit nicht durch den Londoner Vertrag1388' gebunden, als russische Kriegsschiffe den dänischen Reichstag beim Abstimmen intimidierten7. Ich lege Dir den Urquhartblödsinn bei, den R.Schramm-Blödsinn'3931, endlich ein dänisches Pamphlet, das wenigstens in 2 Punkten interessant ist, 1. mit Bezug auf die Burschen, von denen die schleswig-holsteinische Bewegung ursprünglich ausging; 2. mit Bezug auf die Stellung der Bauern in Holstein. In der heutigen „Times" findest Du unter der Rubrik „Schleswig-Holstein" ein Inserat des Dr. Thudichum, charakteristisch für deutsche Geschichts macherei.
1 Starkbier - 2 seinen inneren Menschen - 3 äußere Mensch - 4 „Aber es ist dein eigen Fleisch!" - 5 deutsche Philosophen - 6 Was Dänemark betrifft - 7 einschüchterten
Ich werde Dir sicher in Deutschland einen Buchhändler auftreiben. Setz Dich also gleich dran. Du erhältst ein paar Zeilen von mir, sobald ich in Trier. Ich werde auch nach Holland müssen, da mein Onkel8 mein monster9 Gläubiger.'3041 Salut. Dein K.M.
Nur muß man die Dänen nicht irritieren. Sie müssen einsehn, daß die Skandinavier und Deutsche dasselbe Interesse gegen Rußland haben und daß ihnen selbst nichts nützlicher, als die Ausscheidung des deutschen Elements.
8 Lion Philips - 9 größter
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Marx an Engels in Manchester
Zalt-Bommel, 22. Dezember 1863
Lieber Engels, Du siehst aus der Adresse, daß ich wieder in Holland, wo ich gestern glücklich landete. In Trier, wo die dort von meiner Mutter hinterlassenen Papiere und Effekte versiegelt, konnte die Entsieglung noch nicht stattfinden, weil die durch einen sehr weitläufigen Instanzenzug durchgehenden holländischen Vollmachten noch nicht angelangt. Ich hinterließ für das triersche Departement Vollmacht für meinen Schweiger Conradi und begab mich nach dem hiesigen Hauptquartier, da mein Onkel1 erstens den bei weitem wichtigsten Teil des Vermögens in Händen hat und zweitens Testamentsvollstrecker ist. Es wird aber jedenfalls noch 5-6 Wochen dauern, bis ich mein Geld ausgezahlt erhalte. Da meine Frau nun 10. Januar 1864 eine Metzgerbill2 von £ 10 (i.e. Wechsel) zu zahlen hat, wäre es mir sehr lieb, wenn Du dafür sorgen könntest. Der Karbunkel ist den Weg allen Fleischs gegangen, aber mein Buckel ist jetzt nachträglich noch arg geplackt von Furunkeln, und ich habe z.B. gestern die ganze Nacht kein Auge infolge dieser Lumpenhunde schließen können, was doch nach einer Fahrt von Frankfurt a. M. bis hierher nicht mehr als billig gewesen wäre. Meiner einen Cousine3 Mann4 ist der hiesige ausschließliche Arzt und Stadtphysikus, so daß es mir nicht an äskulapischer Hülfe fehlt. In der ganzen Rheinprovinz, von Trier bis Frankfurt a.M. und von da über Gießen nach Köln, bis an die holländische Grenze hörte ich nur über die Preußen schimpfen. Wenig, sehr wenig Schleswig-Holsteinianismus. Gilt allzumeist als „preußischer Pfiff". In Frankfurt (wo ich zwei alte Tanten5 zu besuchen) war ich nur einen Tag und konnte daher keinen Buchhändler sehn. Ich habe indes einen
1 Lion Philips - 2 Metzgerrechnung - 3 Henriette van Anrooy geb. Philips - 1 Dr. A. van Anrooy - 5 Esther Kosel und Babette Blum
Bekannten gesprochen, der mir hierhin schreiben wird (nachdem er in meinem Auftrag sich mit einem Buchhändler vernommen). Wenn Du die Broschüre schreibst6, ist es besser, jetzt noch etwas Ereignisse mitzunehmen, der systematischen Blamagen der preußischen Regierung, Fortschrittler und der regulären, seit 1815 unverbesserlichen Schleswig-Holstein-Humbugger nicht zu vergessen. Salut. Dein K.M.
Schreib mir ein paar Zeilen. Adresse Charles Marx, care of7 Mr. Lion Philips, Zalt-Bommel, Holland. „Tu n'es pas un Yankee, s'ecria le fanatique ... Depuis que tu es ici, je t'observe. Dans Ia figure du Saxon il y a du taureau et du Ioup; dans Ia tienne il y a du singe et du chien. Tu as peur de Ia Iiberte, tu parles de ce que tu ne sais pas, et tu fais des phrases. Tu es un Fran<pais!"8 (195, 196, Paris en Amerique, von Edouard Laboulaye.) (Paris 1863.)
s siehe vorl. Band, S. 377 - 7 per Adresse - 8 „Du bist kein Yankee, schrie der Fanatiker... Seitdem du hier bist, beobachte ich dich. Der Sachse hat etwas vom Stier und vom Wolf an sich; du etwas vom Affen und vom Hund. Du hast Angst vor der Freiheit, du sprichst von dem, was du nicht kennst, und du machst Phrasen. Du bist ein Franzose!"
208
Marx an Engels in Manchester
Zalt-Bommel, 27. Dez. 1863
Dear Frederick, Letzten Mittwoch schrieb ich Dir über die wieder ausgebrochne Furunkulosis und die „bitter" verpaßte Nacht. Nächsten Tag entdeckte Dr.van Anrooy, daß neben den Furunkeln auch ein verdammter Karbunkel, ziemlich genau unter dem Platze des alten, sich neugebildet hatte. Seit der Zeit - abgesehn von dem unangenehmen moralischen Eindruck dieser Entdeckung - habe ich bis zur Stunde viel widerliche Schmerzen durchgemacht, namentlich des Nachts. Mein Onkel1, der ein famoser alter boy2 ist, legt, mir selbst Pflaster und Kataplasmen auf, und meine liebenswürdige, witzige und mit gefährlich schwarzen Augen versehne Cousine3 pflegt und hegt mich aufs beste. Dennoch wäre ich unter sotanen Umständen gern nach home4 abgereist, aber daran ist zunächst nicht zu denken, aus körperlichen Gründen, Der Dr. hat mir die angenehme Aussicht eröffnet, daß ich bis tief in den Januar mit der Fortsetzung dieser ekelhaften Krankheit zu tun haben werde. Er wird mir sagen, wann mein Zustand Lokomotion bis London erlaubt. Indes ist dieser zweite Frankenstein auf meinem Buckel by far5 nicht so ingrimmig, wie der erste in London war. Du siehst das schon daraus, daß ich schreiben kann. Das Rauchen hat bei mir seit 2V2 Monate ganz aufgehört und ist nicht wahrscheinlich, daß ich es sobald wieder beginnen werde. Wenn man die Politik vor Ekel auskotzen will, muß man sie täglich einnehmen in der telegraphischen Pillenform, worin die kleinen holländischen Blätter sie liefern. Indes steht ein Spektakelstück bevor, und es ist für Deutschland drollig, daß es eröffnet wird mit einer Bewegung für den „legitimen" Herzog13951, mit dem geräuschvollen Wunsch nach einem 36sten Landesvater. Die Hunde von Parlamentskretins, die in Frankfurt a.M. versammelt waren, beseitigten ohne Debatte eine Resolution, die ein Deutscher aus.
1 Lion Philips - 2 Knabe - 3 Antoinette Philips -1 Hause - 6 bei weitem
Posen eingebracht, und worin in sehr zusammenfassend rationeller Form die true question6 zwischen Deutschland und Rußland gestellt war.13961 Meinen besten Glückwunsch fürs neue Jahr. Bestell die aiüch an lupum.
Dein K.M.
P.S. Apropos. Meine Cousine hat ein Album, wie alle „Dametjes", und ich habe ihr versprochen, ihr Photogramms mitsammeln zu helfen, u. a. auch Deins. Wenn Du also noch ein Photogramm zur Hand hast, so sei so gut, es in den Brief einzulegen, den Du mir hoffentlich endlich schreiben wirst hierhin. P.S. Eben wollte ich den Brief an Dich kuvertieren, als der Dr.7 eintrat und mich ohne Umstände wieder operierte. Die Sache war fertig in notime und now things will go on swimmingly8.
6 eigentliche Frage - 7 A. van Anrooy - 8 im Handumdrehen, und jetzt werden die Dinge glatt gehen
1864
209
Engels an Marx in Zalt-Bommel
Manchester, 3. Jan. 1864
Lieber Mohr, Die vielen christmas1 Kneipereien verbunden mit der darauf folgenden general unfitness for business2 haben mich total unfähig gemacht, Dir früher zu antworten. Die Sache ist indes jetzt glücklich vorüber. Deiner Frau schicke ich das Bewußte.3 Im übrigen bin ich sehr froh, daß Dein zweiter Karbunkel operiert ist und damit diese letzte Krise überstanden. Du wirst verdammt mager geworden sein über diese langweilige Geschichte. Die schleswig-holsteinische Sache ist wieder recht gründlich verfahren. Wenn es, wie ich glaube, im Frühjahr zum Krieg kommt, so haben wir Dänemark, Schweden, Frankreich und Italien gegen uns, möglicherweise England. In Ungarn und Polen Plonplonismus[397i in voller Blüte, wie Kossuth ja bereits angefangen hat. Dabei sehe ich nur zwei Auswege: 1. entweder in Berlin Revolution, sobald die Truppen weg sind, und in Wien eine entsprechende Bewegung mit Konzessionen hinreichender Art an Ungarn und vielleicht auch an Polen. Das wäre das Günstigste, und in dem Fall wäre nichts zu fürchten. Das ist aber auch unter der herrschenden Konfusion das Unwahrscheinlichste. Oder aber 2. eine Wiederherstellung der heiligen Allianz, wozu die Teilung Polens wie immer den Kitt abgibt (Rußland hat mehr Interesse an Polen als an Dänemark und außerdem die Chance, beim Friedensschluß Ostreich und Preußen in der Tasche zu haben, also seine eignen Bedingungen stellen zu können). - Dann würden die Russen die Preußen in Berlin ablösen und Polizei spielen, und dann wären wir geliefert und Bonaparte Hahn im Korbe.
1 weihnachtlichen - 2 allgemeinen Arbeitsuntauglichkeit - 3 siehe vorl. Band, S. 380
Der Scheinkrieg in Schleswig unter Wrangel kann nicht lange spielen.13981 Erstens machen die dänischen Befestigungen gleich die ersten Gefechte zu blutig, und dann hat Boustrapa13461 zu sehr einen populären Krieg nötig, um nicht diese Gelegenheit zu ergreifen. Was könnte er mehr wünschen, als die Restauration der heiligen Allianz und einen Krieg um den Rhein und für Polen zugleich, und dabei England und Italien und alle kleinen Staaten Europas auf seiner Seite. Apropos! Unser braver Faucher, der in der Kammer als wütender Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburger auftritt, schreibt gleichzeitig im „Manchester Guardian" antideutsche, den englischen „Times"Hunden in den Hintern kriechende Artikel. Sollte man nicht etwas tun, um diesen Lausnickel zu entlarven? Wenn die Hunde in der preußischen Kammer jetzt Courage hätten, so könnten sie in 6 Wochen ihre Sache ins reine bringen. Die Antwort des schönen Wilhelm13991 beweist, wie die Regierung festsitzt. Kein Mensch pumpt, nicht einmal der brave von der Heydt, und daß sie kein Geld par force4 kriegen, wissen sie. Eben kommt Lupus her mich abzuholen und läßt Dich bestens grüßen. Gute Beßrung und Prost Neujahr. Dein F.E.
4 durch Gewalt
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Marx an Engels in Manchester
Zalt-Bommel, 20. Januar 1864
Lieber Frederick, Du siehst, ich bin immer noch hier, und „ich will Ihnen mehr sagen", ich bin in der Tat wieder incapable to move about1. Dies ist eine christlich perfide Krankheit. Als ich Deinen Brief bekam, gratulierte ich mir selbst über die Heilung der alten Wunden, aber denselben Abend noch brach ein großer Furunkel über meiner linken Brust unter dem Halse und ein Antipode desselben auf dem Rücken auf. Obgleich lästig, genierte mich das wenigstens nicht am Gehn, wie ich denn in der Tat in Begleitung von Onkel2 und Cousine3 zu Fuß über den Rhein (Waal) spazierenging. Aber ein paar Tage später erschien wieder ein Karbunkel am rechten Bein, dicht unter dem Platz, von dem es bei Goethe heißt: Und wenn er keinen Hintern hat, wie will der Edle sitzen.14001 Dies ist nun das schmerzlichste und genanteste Geschwür, das ich noch hatte, und ich hoffe, es wird endlich die Reihe schließen. Einstweilen kann ich weder gehn, noch stehn, noch sitzen, und selbst das Liegen wird mir verdammt schwer. Du siehst, mon eher4, wie mich die Weisheit der Natur heimsucht. Wäre es nicht vernünftiger, wenn sie einem guten Christen, Leuten vom Schlag des Silvio Pellico, diese Geduldproben zugeschickt? Außer dem Karbunkel unter dem Hintern, mußt Du wissen, hat sich ein neuer Furunkel auf dem Rücken gebildet und ist der auf der Brust erst am Zuheilen, so daß ich wie ein wahrer Lazarus (alias Lassalle) an allen Ecken zugleich geschlagen bin. Apropos Lazarus fällt mir Renans „Leben Jesus" ein, was in mancher Hinsicht ein bloßer Roman, voll von pantheistisch-mystischem Dusel ist. Indes hat das Buch auch einige Vorzüge vor seinen deutschen Vorgängern, und da es nicht dick ist, mußt Du es lesen. Es ist natürlich ein Resultat der deutschen Sachen. Höchst merkwürdig. Hier in Holland ist die deutsche kritisch-theologische Richtung so sehr a l'ordre du jour5, daß die Pfaffen sie offen von den Kanzeln herab bekennen.
1 unfähig, mich zu rühren - 2 Lion Philips - 3 Antoinette Philips -1 mein Lieber - 5 an der Tagesordnung
Was die schleswig-holsteinsche Geschichte betrifft, hoffe ich, daß sie zu Kollisionen in Deutschland selbst führen wird. Wie sehr Rußland seine Pappenheimer, Östreicher und Preußen, kennt, sieht man aus der cool impudence6, womit es in diesem Augenblick im „Petersburger Journal" das Warschauer Protokoll14011 abdrucken läßt. Die kleinen deutschen Fürsten nehmen den Schein der schleswig-holsteinschen Bewegung sehr ernsthaft. Sie glauben in der Tat, daß Germanien ihrer nicht genug haben kann und daher darauf verpicht ist, einen 35ten zu inthronisieren.7 Ich schreibe Dir nur die paar Zeilen, und selbst das geschieht mit großer Anstrengung, da das Sitzen mich quält. Ich erwarte aber umgehend Antwort von Dir; es cheers mich up8, Deine Handschrift zu sehn. Vergiß nicht, Dein Photograph beizulegen. Ich habe es meiner Cousine versprochen, und wie soll sie an unsre Orestes-Pyladesschaft glauben, wenn ich Dich nicht einmal commovere9 kann, ein Photograph zu schicken? Adresse wie früher, care of10 Mr. L.Philips. Salut an Dich und lupus.
Dein K.M.
6 kaltblütigen Unverschämtheit -7 siehe vorl. Band, S. 382 -8 es hebt meine Stimmung - 'dazu bewegen -10 per Adresse
211
Marx an Engels in Manchester
London, 25. Febr. 1864
Dear Frederick, Diese Zeilen einstweilen vorläufig, um Dir meine Rückkehr anzuzeigen.13941 Sobald das Wetter es erlaubt, komme ich auf 2 Tage nach Manchester, um Dich persönlich wiederzusehn und Dir zugleich über meine affairs zu berichten. Ich bin ganz auskuriert und nur noch an ein paar Punkten (speziell oben an dem Bein) mit dem letzten Zuheilungsprozeß a little1 belästigt. Ich bin nicht mager, sondern stark geworden trotz der Krankheit. Allerdings hat das Rauchen ganz aufgehört. Eine eigne Überraschung war die plötzliche Erscheinung Piepers allhier. Er ist hier, um seine Schwester als governess2 zu überbringen. Er war 4 Jfahre] Schulmeister in Bremen. Das letzte Jahr „aß er das Brot des National Vereins"[221, ist sogar auf Kosten des Augustenburger nach Italien gewesen. Er ist ebenso fad und lümmelhaft wie früher. Mit bestem Gruß an Dich und lupum. Dein K.M.
I ein wenig - 2 Erzieherin
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Marx an Engels in Manchester
[London] Freitag [1 I.März] 1864
Dear Frederick, Morgen 10 reise ich von hier Euston Station ab, bin about 5.p.m. at1 Manchester.14021 Länger auf gutes Wetter zu warten, would be foolish2. Was mich außerdem zurückhielt during the two last weeks - some new and unexpected furuncles breaking through different parts of the body3. Yours Mohr
1 ungefähr 5 Uhr nachmittags in - 2 wäre töricht - 3 während der letzten zwei Wochen - einige neue und unerwartet an verschiedenen Körperteilen ausbrechende Furunkel
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Marx an Engels in Manchester
19. April 1864 1, Modena Villas, Maitland Park, Haverstock Hill, N.W.London
Dear Frederick, Bis vor about1 8 Tagen dauerte die Furunkulosis fort, was mich sehr „verdrießlichte" und mir erst seit ein paar Tagen erlaubte, meine Arbeit wieder anzufangen. Das Privilegium des ersten Aprils, all fool's day2 zu sein, ist diesen Monat, in London wenigstens, auf den ganzen April ausgedehnt. Garibaldi und Palmerston for ever3! auf den London walls4. Garibaldi bei Pam, Clanricarde und mit Verherrlichung der English policemen5 im Kristallpalast'. In England gibt es keine moucha.rds6! Die Brüder Bandiera wußten davon zu erzählen.14031 Garibaldi and „Karl Blind"! Was letztere wasserköpfige Filzlaus für Talent in der Wichtigmacherei entwickelt! „Mr. Karl Blind", zeigt das „Athenaeum" an, „has joined the Shakespeare committee!"14041 Der Kerl versteht keine Zeile des S[hakespeare]. Ich hatte großen Widerstand zu leisten und habe wahrscheinlich die Achtung Webers7 gänzlich eingebüßt. Der Arbeiterverein131 wollte nämlich (von W[eber] gehetzt), ich sollte Adresse an Garibaldi] machen und dann mit Deputation zu ihm. I refused flatly.8 Wann kömmst Du her? Die Familie erwartet Dich. Morgen eröffnet sich die Konferenz14051, wobei den Teutonen die Schuppen von den Augen fallen werden. Collet hat sich mir für Donnerstag angemeldet und mir zugleich ein ganzes lot9 deutscher Schriften über die schleswig-holsteinsch-lauenburgsche Scheiße zugeschickt. Ich werde morgen also ernsthaft diese widrige Geschichte studieren müssen, um dem Kerl, der die ganze Genealogie etc. auswendig weiß, Rede und Antwort zu stehn. Du wirst vielleicht bemerkt haben, daß der elende Disraeli dem
1 ungefähr - 2 der Tag aller Narren - 3 auf immer - 4 Londoner Häuserwänden - 5 englischen Polizisten - 6 Spitzel - ' Josef Valentin Weber - 8 Ich habe rundweg abgelehnt. 9 Bündel
Pam die Mühe spart, auf Osbornes und Kinglakes Anträge wegen Schleswig-Holstein in der bevorstehenden Konferenz Rede zu stehn. Disraeli hat gestern angezeigt, daß er die previous question10 stellen wird. Seit 2 bis 3 Jahren reitet er in allen serious affairs11 (wie z.B. der Afghanistangeschichte11921) old Pam12 aus dem muddle13 heraus. Wie elend der Garibaldi (ich meine donkeyhaft14) - der übrigens halb killed15 ist von John Bulls embrace16 -, kannst Du aus folgendem noch ersehn, was of course17 sonst nicht bekannt ist: In dem geheimen Revolutionärenkongreß in Brüssel (September 1863) mit Garibaldi als nominellem Chief18 - wurde beschlossen, Garibaldi] solle nach London kommen, aber inkognito, also die Stadt überrumpeln. Dann sollte er come out19 für Polen in the strongest possible way20. Statt dessen fraternisiert der Kerl mit Pam! Wär ich doch lieber eine Laus in Schafswolle, als solch tapfre Dummheit, sagt Shakespeare in Troilus und Cressida. Beste Grüße an lupum und Lizzy21. Dein K.M.
Jennychen hustet noch immer, aber scheint mir viel besser. Das neue Haus14061 hat sie in fact22 sehr reanimiert.
10 Vorfrage -11 ernsten Affären -12 den alten Palmerston -13 Dreck -14 eselhaft -15 halbtot 16 Umarmung -17 natürlich -18 Oberhaupt -19 auftreten - 20 in der stärksten Form - 21 Lizzy Bums - 22 in der Tat
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Engels an Marx in London
Manchester, 29. April 1864
Lieber Mohr, Endlich wirst Du die Furunkulose doch wohl losgeworden sein. In der Zwischenzeit laboriert Lupus aufs schmählichste an den rheumatischen Kopfschmerzen, die er schon zu Deiner Zeit1 hier hatte, und die ihn seitdem nicht verlassen haben, im Gegenteil immer schlimmer geworden sind, so daß er seit Wochen nicht ordentlich geschlafen hat. Er hat jetzt schon wieder mehrmals im Bett bleiben müssen, und der Schweinhund Borchardt tut gar nichts dagegen, kuriert mit Colchicum gegen das bißchen Gicht an, das Lupus in der Zehe hat (das ihn aber jetzt gar nicht geniert, während die Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit ihn wirklich herunterbringen), und gibt ihm nicht einmal von Zeit zu Zeit etwas Opium. Ich habe mit Lupus ein paarmal etwas ernsthaft über die Geschichte gesprochen, aber du weißt, wie wenig das hilft. Er glaubt, B[orchardt] Verpflichtungen schuldig zu sein, und da ist nichts zu machen. Das Einzige, was der quack2 getan hat, war, ihm 10 Unzen Blut abschröpfen zu lassen! - vorgestern. Ich gehe heut abend wieder zu Lupus und will sehn, wie's geht. Ich hatte vor 3 Wochen auch einen heftigen und sehr schmerzhaften Anfall von Rheumatismus der Atemmuskeln, aber Gumpert kurierte ihn in 24 Stunden. Die Garibaldischmiere nahm ein würdiges Ende. Diese Art, wie der Kerl an die Luft gesetzt wurde, nachdem die Swells3 ihn 8 Tage lang begafft, ist doch zu großartig und kann nur in England vorkommen. Für jeden andern Menschen als Garibaldi wäre das ruinierend, und die Blamage bleibt immer auch für ihn ganz enorm, der englischen Aristokratie als nine days wonder4 gedient zu haben und dann vor die Türe geschmissen zu sein. Als reinen Romantiker haben sie ihn behandelt. Wie der Mensch sich nur dazu hergeben konnte, und wie er die Dummheit haben konnte, in diesen Dundrearys das englische Volk zu sehn. Indessen, wer jetzt nicht über den total bürgerlichen Charakter des Herren klar ist, dem ist nichts klarzumachen. Denn der Respekt vor der englischen Presse, das ist beinah
1 Siehe vorl. Band, S. 389 - 2 Quacksalber - 3 Stutzer - 4 Neuntagewunder
noch schlimmer als vor den Peelers5. Und das exit6, das exit übertrifft: alles.140" Unser Freund Bismarck ist aber auch ein Lumen7. Von diesem kann man sogar sagen: n'est pas Soulouque qui veut8. Erst dem Bonaparte die Preßver Warnungen13891 nachgemacht, und jetzt schickt-er den braven Korporal Wilhelm nach Schleswig, um die Leute zu bewegen, daß sie für Annexion an Preußen stimmen sollen!14081 Dieser Esel scheint sich einzubilden, man fände der Savoyens und Nizzas die Menge auf offner Landstraße und brauche sie nur aufzuheben. Übrigens sagt das „Dagblad[et]" ganz richtig, nach der Einnahme von Düppel14091 herrsche in der preußischen reaktionären Presse ein solches Hochgefühl, und die Kerle seien so sehr oben drauf, daß man mit Sicherheit auf einen sehr nahen und sehr tiefen Fall der Bande rechnen könne. Über die preußische Armee bei der Erstürmung habe ich mich einigermaßen gewundert. Der Angriff geschah mit 4 Brigaden (24 Bataillone) gegen 4 dänische Brigaden (16 Bataillone), also durchaus keine unverhältnismäßige Überzahl für einen solchen Sturm. Allerdings waren die Dänen durch das Feuer der Artillerie sehr mürbe gemacht, indes, das waren die Russen in Sewastopol auch und noch mehr. Daß aber die Preußen in 20 Minuten die 6 ersten Schanzen nahmen, und dann in 2 Stunden NB. ohne Befehl, denn der brave Prinz9 wollte sich damit zufriedengeben die ganze Halbinsel inkl. des Brückenkopfs nahmen, und den ca. 13 000 Dänen einen Verlust von 5000 Mann beibrachten, ist mehr, als man den Burschen zutrauen durfte. Du wirst Dich übrigens erinnern, daß ich immer sagte, die preußischen Feuerwaffen - Gewehr wie Geschütz - seien die besten in der Welt, und das hat sich hier bewährt. Dafür wird aber auch die Konferenz14051 bald zeigen, was sie für Marionetten von Diplomaten haben. Zwischen Rußland, Boustrapa13461 und Palmerston und mit Hülfe der graußen Politik Bismarcks wird der „Fall" auf den Hochmut schwerlich lange ausbleiben. Wie aber geht's mit dem Geld? Die 22 Millionen aus dem Staatsschatz und 6 Millionen Eisenbahnpump müssen doch jetzt verkneipt sein, und was dann? Ich komme jetzt bald eines Freitag abends angerasselt, natürlich nicht, ohne es Dir vorher zu schreiben. Schreib bald wieder und grüß die family. Dein F.E.
6 Polizisten - 6 der Abgang - 7 eine Leuchte - 8 nicht jeder ist Soulouque, der es sein möchte (Victor Hugo: Napoleon le petit) - 9 Friedrich Karl von Preußen
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Engels an Marx in London
[Manchester] Sonntag, I.Mai 64 6.50 p.m.
Lieber Mohr, Eben komm' ich von Lupus, wo Gumpert und Borchardt auch waren. Sie sind über die Diagnose nicht einig, das ist aber Wurst vorderhand, da es sich darum handelt, ihm zunächst wieder Kräfte zu verschaffen, und da hat G[umpert] sofort energischer eingegriffen. Gestern noch frug ich B[orchardt] wegen Portwein, er meinte aber, da L[upus] nicht ganz klar im Kopfe, sei es besser, es zu lassen, schlug heute morgen noch - eine spanische Fliege vor! Heute bekommt Lupus alle 2 Stunden ein Bierglas Champagner und heut nacht außerdem in seinem beeftea, den1 er in der Zwischenzeit nimmt, Brandy. Der Hund von Borchardt, der ihm noch am Mittwoch 10 Unzen Blut abzapfen ließ!! Übrigens steht die Sache sehr schlimm, denn welche Diagnose auch richtig sein mag, so ist die eine so schlimm wie die andre. B[orchardt]s Diagnose ist Meningitis, Entzündung der innern Kopfhaut mit Tendenz zur Exudation. G[umpert] hatte heute morgen noch keine machen können, dachte aber, außer an obiges, an Urämie (Harneintritt ins Blut infolge von Nierendegeneration) oder an Anämie mit lokaler Affektion des Nervensystems. Da er nach der Konsultation noch einen Besuch zu machen hatte, konnte ich nicht näher mit ihm sprechen; sobald ich seine Ansicht weiß, schreib' ich sie Dir. Ich wollte, Du könntest morgen auf ein paar Tage herkommen.1410' Ich sehe voraus, daß ich diese Woche sehr schwer beschäftigt sein werde, und es ist doch immer gut, wenn einer von uns die Ärzte ein paarmal des Tages sieht und gleich alles besorgen kann, was zu besorgen ist. Außerdem wäre es mir auch sonst sehr lieb. Wenn Du kommst, telegraphiere mir von der Station, wo Du einsteigst, nach 7 Southgate St. Marys, es kostet bloß einen Schilling.
1 seine Kraftbrühe, die
Ich war genötigt, dem B[orchardt] gestern zu sagen, um ihn zu forcieren wegen der Konsultation, daß Du dasselbe Vertrauen in G[umpert] hättest wie ich und es mir nie vergessen würdest, im Fall Lupus sterben sollte, wenn ich nicht G[umpert] zur Konsultation zugezogen hätte. Es war ihm sehr fatal, aber wir werden doch der Eitelkeit dieses Hundsfotts zulieb den Lupus nicht morden lassen. Dein F.E.
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Engels an Marx in London
Manchester, 2. Mai 1864
Lieber Mohr, Die Aussichten wegen Lupus werden täglich schlimmer. Die Geistesabwesenheit, in der er sich befindet, wird mehr und mehr chronisch. Er kennt die Leute noch ganz gut, die zu ihm kommen, spricht aber ganz rambling1 dazwischen und hat bloß klarere Momente, wenn er tüchtig Stimulantien genommen hat. Auch diese Momente werden immer dämmriger und kürzer. Gumpert hat nur noch sehr wenig Hoffnung, seine Diagnose lautet auf Gehirnerweichung infolge der durch Hyperämie des Gehirns erzeugten langanhaltenden Kopfschmerzen und der daher rührenden Schlaflosigkeit. Von Borchardts Meningitis ist gar nicht mehr die Rede, er hat G[umpert]s Diagnose adoptiert und tut überhaupt alles, was G[umpert] vorschlägt, nur daß er über die Entstehung der Kopfschmerzen sehr unklare Vorstellungen zu haben scheint. Jeder Tag, den Lupus in diesem Dusel zubringt, ohne daß die Reizmittel ihn herauszureißen vermögen, macht die Sache natürlich schlimmer, und wenn die nächsten 3-4 Tage keine Besserung bringen, so wird der arme Teufel entweder an Schwäche oder Apoplexie zugrunde gehn, oder, wenn er sich durchschlägt, wird er Idiot. Diese Alternative - Tod oder Blödsinn - ist gar zu scheußlich. Gumpert spricht sich natürlich höchst vorsichtig über den Kollegen aus, mir aber ist die Sache sicher, daß L[upus] zu retten war, wenn der Kopfschmerz richtig behandelt und wenn namentlich dafür gesorgt wurde, daß Ljupus] Schlaf bekam. Aber erst vorigen Donnerstag, nach 5wöchentlicher Schlaflosigkeit, gab B[orchardt] etwas Opium. Dazu die Blutabzapferei am Mittwoch. Immer und immer auf Gicht hat er ihn behandelt, nichts wie Colchicum und dgl. Erst das Eintreten der Geistesabwesenheit scheint ihn bedenklich gemacht zu haben. Morgen früh um 9 ist wieder Konsultation, wo ich ebenfalls hingehn werde und sehen, was er macht. B[orchardt] will ihm heute einen Krankenwärter besorgen. Wenn der arme Kerl nur durchkäme!
1 wirr
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Engels an Marx in London
[Manchester, 2. Mai 1864] Montag abend 8.30
Lieber Marx, Die Sache mit Lupus geht rasch. Er hat Halluzinationen, springt fortwährend aus dem Bett etc. Nun fehlt uns ein Mann, der bei ihm wacht und ihn verhindert, sich Schaden zu tun. Hier ist nur ein professioneller Krankenwärter, und der ist engagiert. Borchardt könnte zwar aus einer nahen Irrenanstalt einen bekommen, aber solange noch nicht die letzte Möglichkeit der Genesung verschwunden, will er diese Art Leute natürlich nicht, damit kein Gerede später entsteht und Lupus nicht dadurch geschadet wird. Er meint nun, Du würdest vielleicht einen zuverlässigen Mann, der fein Krankenwärter von Profession zu sein braucht und besser gar keiner ist, sondern nur zuverlässig, daß er tut, was ihm gesagt wird und nicht einschläft - einen solchen hättest Du vielleicht und könntest ihn gleich morgen herschicken, denn wir sind nur bis morgen versehen und periculum in mora1. Den schickst Du, s'il s'en trouve2, sofort an Borchardt, Rusholme Road Manchester. Hast Du keinen, so bittet Dich Borch[ardt], ihm doch gleich morgen früh zu telegraphieren (es kostet einen Schilling), damit er und Gump[ert] sich hier weiter umsehn können. Ich telegraphierte Dir in diesem Sinn soeben, aber das Telegramm hat diesen Brief zum Verständnis nötig. Dein F.E.
1 Gefahr im Verzug - 2 wenn sich einer findet
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Marx an Engels in Manchester
23. Mai 1864 1, Modena Villas, Maitland Park Haverstock Hill, London, N.W.
My dear Sir, Hierdurch ersuche und ermächtige ich Sie, als mein Vertreter alle erforderlichen Schritte zur Erfüllung des Testaments unseres gemeinsamen Freundes Wilhelm Wolff zu tun. Karl Marx, Dr.Ph.
Fr. Engels, Esq. 6, Thorncliffe Grove, Oxford Street, Manchester.
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Marx an Engels in Manchester
[London] Donnerstag, 26. Mai 1864
Lieber Frederick, Zu meiner sehr „angenehmen" Überraschung entdecke ich heute morgen (ich konnte schon die Nacht vorher nicht schlafen) wieder zwei „artige" furuncles auf meiner Brust. Konsultiere den Gumpert, was ich tun soll. Eisen will ich jetzt nicht nehmen, da ich ohnehin Blutwallungen nach dem Kopf habe. Zu Allen will ich auch nicht gehn, da ich nichts mehr fürchte als den Wiederbeginn einer förmlichen Kur, die mich jetzt im Arbeiten stören würde, und ich muß doch endlich fertigmachen. Trotz allem, was die Leute mir über mein gesundes Aussehn sagten, habe ich doch fortwährend something wrong1 gefühlt und die große Entschlossenheit, die ich aufbieten muß, um schwierigere Themata zu bearbeiten, gehört auch zu diesem Gefühl der Nichtadäquatheit. You excuse this spinozistic term.2 Sind die Bücher of our poor3 lupus nach London geschickt worden?1411' Ihr Nichtankommen hier beunruhigt mich, weil - wie ich die Sache verstand - Deine warehousemen4 sie schon Donnerstag (vergangnen) expedieren sollten. What doyou say of Grants Operations?5 Die „Times", of course6, bewundert nur Lees unter retreats7 versteckte Strategie.14121 „ It", sagte Tussy heut morgen, „considers this very canny, I dare say."8 Ich wünsche nichts mehr, als daß Butler Erfolg hat. Es wäre unbezahlbar, wenn er zuerst in Richmond einrückte. Es wäre schlimm, wenn Grant zurück müßte, but I think that fellow knows what he is about9. Jedenfalls gehört ihm der erste Kentuckyfeldzug, Vicksburg und die Prügel, die Bragg in Tennessee besah.14131 Einliegend Zettel von Jones, den Du wohl infolge desselben for another day10 einladen kannst.14141 Mit Grüßen an Dich von der whole family11. Dein K.M. 1 mich nicht ganz in Ordnung - 2 Du entschuldigst diesen spinozistischen Ausdruck. - 3 unseres armen - 4 Lagerarbeiter - 6 Was sagst du zu Grants Operationen? - 6 natürlich Rückzügen - 8 „Sie"...„hält das, glaube ich, für sehr schlau." -9 aber ich denke, daß dieser Bursche weiß, was er will - 10 für einen anderen Tag -11 ganzen Familie
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Engels an Marx in London
[Manchester] 30. Mai 1864
Lieber Mohr, Die Bücher sind noch nicht abgegangen, auch nicht der Wein, gehen zusammen. Weder von Borchardt noch vom Advokaten etwas gehört, werde übermorgen zu letzterem gehn und ihm die Vollmacht1 geben. Gumpert sagt, Du sollst bei den Furunkeln, wenn es eben bloße Nachzügler sind, weiter gar nichts tun. Ich sprach mit ihm über Jennychen; er sagt, der Zustand scheine chlorotisch2 zu sein, die plötzliche asthmatische Beklemmung komme bei solchen Zuständen häufig vor und rühre von Zirkulationsstörungen her, es ließe sich da nur gegen den Zustand im allgemeinen etwas tun, und wußte zu Allens Behandlung auch weiter nichts hinzuzufügen, schien übrigens die Sache durchaus nicht ernsthaft zu nehmen. Die virginische Kampagne trägt wieder den Charakter der Unentschiedenheit, genauer gesagt, der Schwierigkeit, es auf diesem Terrain überhaupt zu einer Entscheidung zu bringen. Auf die Nachrichten per Scotia gebe ich nichts, sie haben bloß die Bedeutung, daß der 8tägige Regen den Lee vor der Notwendigkeit, fort und fort Schlachten ä la Solferino[4151 zu schlagen, gerettet hat. Und das ist viel für ihn. Noch 2 polcher Schlachten, und seine Armee, die jeden Abend eine neue, rückwärtige Position einnehmen mußte, war jedenfalls in sehr schlechter Verfassung, schwerlich fähig, noch irgendwo vor Richmond standzuhalten. Grant hat sicher auch durch die Stockung gewonnen, aber nicht in demselben Verhältnis. Die Verstärkungen, die er jetzt bezieht, werden nicht viel wert sein. Doch sollte mich nicht wundern, wenn Lee bald nach Richmond abzöge. Da wird dann der entscheidende Kampf stattfinden,[413] Bismarck scheint ein kolossales Glück zu haben, es sieht ganz aus, als wenn ein augustenburgischer Friede zustande käme.'4161 Ich kann mir das noch gar nicht zusammenreimen, aber der heutige sehr schlappdrohende
Artikel in der „Mforning] Post" bestätigt mir die Sache. (Darin steht u.a.: Schleswig solle geteilt werden und - die Eider die neue Grenze zwischen Dänisch- und Deutsch-Schleswig sein!) Trotzdem, so plausibel alles aussieht, kann ich mir doch kaum denken, daß die Russen so ohne weiteres alle ihre Erfolge von [18]51 /52 fahrenlassen14171, um so weniger, da nirgends ein Äquivalent für sie zu ersehen ist. In Deinem Francoeur habe ich mich in die Arithmetik vertieft, von der Du Dich ziemlich ferngehalten zu haben scheinst, nach den schmählichen unkorrigierten Druckfehlern in den Zahlen zu urteilen. Einzelnes ist sehr elegant, dagegen die praktische Seite der Arithmetik schändlich schlecht und flach behandelt, auf jeder deutschen Schule ist das besser zu haben. Auch zweifle ich daran, ob es praktisch ist, Sachen wie Wurzeln, Potenzen, Reihen, Logarithmen etc. auch nur elementar bloß mit Zahlen (ohne alle algebraische Beihülfe und in fact3 ohne Voraussetzung algebraischer Elementarkenntnisse) abzuhandeln. So gut die Beinahme von Zahlenbeispielen zur Illustration ist, so kommt mir doch hier die Beschränkung auf Zahlen weniger anschaulich vor als die einfache algebraische Behandlung mit a+ b, eben weil der allgemeine Ausdruck in der algebraischen Form einfacher und anschaulicher ist, und ohne den allgemeinen Ausdruck ist auch hier nicht fertig zu werden. Das ist allerdings grade der Teil, der eigentlich unter der Würde der Mathematiker par excellence4 ist. Danske5 Blätter schick' ich Dir morgen. In mehreren Städten Jütlands sollen sich die preußischen Offiziere sehr gesträubt haben, ehe sie die Beschlagnahme nach Befehl ausführten, überhaupt wird über die Leute nirgends geklagt, nur über die Generale und deren Ordres. Die Schimpferei gegen England ist im ,,D[ag]bl[adet]" eher noch schlimmer als in Deutschland. Sonst nichts Neues, als daß es bitterkalt ist. Grüße Deine Frau und die Mädchen herzlich. I hope Tussy is content with the cotton.6
Dein F.E.
3 in der Tat - 4 von Format - 5 Dänische - 6 Ich hoffe, Tussy ist mit dem Baumwollgarn zufrieden.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3. Juni 1864
Lieber Frederick, Einliegend 1. ein Wisch, den mir Esel Kertbeny heut unter Kreuzkuvert von Brüssel zuschickt'4181; 2. Ausschnitt aus der „Rheinischen] Zeitung" mit Nekrolog von lupus geschrieben von Eisner, der jetzt einer der Redakteure der „Breslauer Zeitung", woraus die „Rheinische" abgedruckt hat; 3. andrer Ausschnitt aus der „Rheinischen] Zeit[ung]", wo ich Dich auf einen Artikel „Der feudale Sozialismus" aufmerksam mache.14191 4. Brief von einem gewissen Klings aus Solingen an einen gewissen Moll hier. Damit Du diesen Brief verstehst, folgendes: Moll (und außerdem noch ein Kamerad1 desselben) ist ein Solinger Arbeiter, der (nebst ebenbesagtem Kamerad) sich 4 monatlicher Gefängnisstrafe (Folge der Lassalleauftritte von vorigem Jahre) entzogen hat. Klings, ditto Arbeiter, ist Bevollmächtigter des Baron Itzig für Solingen.14201 Die beiden flüchtigen Solinger kamen mich hier besuchen; teilten mir ihren Enthusiasmus für Itzig mit und daß die Arbeiter sich seinem Wagen vorspannten, als er zuletzt in Solingen. Sie nahmen als selbstverständlich an, daß wir zwei im intimsten Einverständnis mit Itzig (der zu Elberfeld bei seiner jüngsten Anwesenheit Rede auf lupus hielt'4211). Klings, sagten sie mir, sei ehmaliges Bundesmitglied'471, und so seien alle Arbeiterführer der Itzigschen Bewegung in der Rheinprovinz, und alle seien nach wie vor unsre dezidierten Anhänger. Er teilte mir auch den Brief des Klings mit, und ich fragte ihn, ob er mir denselben lassen wollte zur Übersendung an Dich. Was er bejahte. Also nicht zurückzuschicken. Ich habe den Leuten natürlich keinen klaren Wein eingeschenkt über unser Verhältnis oder vielmehr NichtVerhältnis zu Itzig, indes durch Dritte einige ganz ferne Andeutungen machen lassen.
1 Julius Melchior
Die Leute liegen jetzt hier auf dem Pflaster. 50 Taler werden ihnen von Solingen geschickt, der hiesige Arbeiterverein131 gibt ihnen 2£; wir werden hier noch einiges sammeln, und es wäre gut, wenn auch in Manchester noch ein paar Pfund zusammenkämen. Die Burschen müssen nach Amerika spediert werden, da sie Fabrikarbeiter (Solinger Messerschmiede etc.), für Londoner Handwerk ganz unbrauchbar. „Wie ist mich denn", hatte ich mich auch mehrmals gefragt, als ich Itzigs „Lohnarbeit und Kapital" durchlas. Die Grundgeschichten darin kamen mir nämlich wörtlich (wenn auch in Itzigscher Weise verschönert) bekannt vor, und doch war es nicht direkt aus dem „Manifest"2 etc. Jetzt, vor ein paar Tagen, sah ich zufällig nach meine Artikelreihe über „Lohnarbeit und Kapital" in der ,,N[euen] Rhfeinischen] Z[eitung]" (1849) - in der Tat bloßer Abdruck der Vorlesungen, die ich 1847 im Brüsseler Arbeiterverein hielt. Da fand ich meines Itzigs nächste Quelle, und aus besondrer Freundschaft werde ich als Note den ganzen Wisch aus der ,,N[euen] Rhfeinischen] Zfeitung]" als Anhang zu meinem Buch abdrucken lassen, natürlich onfalse pretencesz, ohne Anspielung auf Itzig. Es wird ihm nicht gut tun.[422J Die Bücher angekommen4, ditto der Wein, wofür besten Dank. Tussy trägt mir auf „to give you her love and to teil you that your cotton has somewhat improved"5. Borkheim hat about8 - unter Patronage des Oppenheim, des „Juden Süß" von Ägypten - 2000£ gemacht. Oppenheim - dessen Lustigmacher er, nach eigner mir gegebner Schilderung, er etwas im Land der Pyramiden spielte, wollte ihn gleich drüben halten. Aber die Europäer verrecken dort wie toll, und Bforkheim] hat sich statt dessen vorbehalten, von Zeit zu Zeit mit einem Geschäftchen von Abul Haim, wie die Araber den Oppenheim nennen, betraut zu werden. Den Sommer wird er wieder nach Konstantinopel zu diesem Behuf. Die Mädchen und Madame lassen Dich bestens grüßen. My compliments to Licfcy].7 Salut. Dein K.M.
2 „Manifest der Kommunistischen Partei" - 3 anter irgendeinem Vorwand - 4 siehe vorl. Band, S. 399 - 5 „Dich herzlichst zu grüßen und Dir zu sagen, daß Dein Baumwollgarn etwas besser geworden ist" - 6 ungefähr - 7 Meine Empfehlungen an Lizzy (Burns).
Apropos. Freund Freiligrath darf natürlich nie fehlen, wo es gilt, Ehren einzukassieren. Sieh Eisners Nekrolog. Erinnre Dich an Harneys Grabrede auf Schramm8. Und - jetzt erscheint ein sehr kostspieliger „Record of the Revolution" in New York, von einer Gesellschaft zu New York herausgegeben, worin alle events9 und Aktenstücke etc. des jetzigen Bürgerkriegs von Beginn an registered10 sind. Well! Dieser Record ist an ungefähr 20 bis 30 Personen (die verschiednen europäischen Bibliotheken eingerechnet) gratis verschickt, u.a. Queen of England11, J.St. Mill, Cobden, Bright und Freiligrath. Er teilte mir dies mit den Worten mit, daß die Yankees „ihm eine große Freude bereitet und Ehre angetan", gab mir den Übersendungsbrief zu lesen, nebst der beigefügten gedruckten Liste der Beglückten. Ich möchte wohl wissen, was der Brave für die Yankees getan hat oder tun kann oder tun will? Aber loi generale12: Freiligrath muß die Honneurs für die deutsche Nation empfangen, weil der brave Bürger sich so brav neutral verhält, „übrigens auch wirklich nichts gelernt hat"14231.
8 siehe Band29 unserer Ausgabe, S.278/279 - 'Begebenheiten - 10aufgeführt-11 Königii von England (Victoria) -12 allgemeines Gesetz
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Engels an Marx in London
Manchester, 3. Juni 1864
Lieber Mohr, In höflicher] Bestätigung meines ergebenst Letzten habe ich Dir heute anzuzeigen, daß Lupus' Testament den court of probate14241 vorgestern passiert hat und ich mich in Besitz des fraglichen Dokuments gesetzt habe. Auch habe ich es bei der Bank vorgezeigt und registrieren lassen und werde Montag oder Dienstag das Geld bei der Bank erheben (ich kann dies ganz allein ohne Borchardt) und Dir übermachen. Es sind ca. £ 230. Ich werde nun suchen, B[orchardt] morgen oder Montag zu sehen, und dann mein Möglichstes tun, daß die Sache rasch abgewickelt wird. Den ungefähren Betrag der Erbschaftssteuer - £ 121 - werde ich hierbehalten, sowie auch noch einiges übrige wegen der Rechnung des lawyers2 etc. Derselbe sagt mir, daß, um gegen alle etwaigen späteren Reklamationen gesichert zu sein, man ca. 1 Monat nach dem probate3 (also vom 1. Juli an) 3mal hintereinander Aufforderung an unbekannte Gläubiger in die „Gazette", „Times" und local papers4 einrücken lassen müsse, mit Präklusivfrist. Dies verursacht also noch einige Zögerung wegen der definitiven] Abmachung. Gegen September wird die Aufforderung zur Zahlung der Steuer eintreffen (bis dahin sind also die Zinsen darauf zu retten), wo wir dann mit Wood die Abrechnung machen und das Geld zahlen müssen, dann kann die Geschichte definitiv erledigt werden. Ich habe den Kerl entdeckt, bei dem Lupus sich photographieren ließ, und bei ihm das Original-Negativbild; ich habe 24 Abzüge nehmen lassen, wovon inliegend 4, Du kannst Pfänder und Eccarius je eins geben, und wenn Du noch mehr haben willst, so stehn sie zu Diensten. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich auch wieder nehmen lassen, wovon Du das Resultat inliegend] siehst, die Leute hier sagen, es sei sehr gut.
1 In der Handschrift: £ 120 - 2 Anwalts - 3 der gerichtlichen Testamentsbestätigung - 4 Lokalzeitungen
„Free Press" dankend erhalten. Was wird poor5 Collet jetzt anfangen, nachdem Othellos occupation gone6 ist? Und das arme kluge Kind7, das in alle Geheimnisse der höchsten Diplomatie eingeweiht ist. Viele Grüße. Was machen die Furunkeln? Dein F.E.
6 der arme - 6 Beschäftigung dahin - 7 David Urquhart
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Marx an Engels in Manchester
[London] 7 June 1864
Lieber Frederick, Dein Photogramm, ditto die von lupus erhalten. Von Ietzterm brauche ich noch at Ieast 4 copies1. Dein Photogramm sehr gut. Die Kinder sagen, daß Du darin als „anjenehmer Jejenstand" erscheinst. Jennychen, da noch die beabsichtigten neuen Photogramms nicht zustand gekommen, schickte Dir gestern das Glasding. Die „Dagblad[et]" mit thanks2 erhalten. Der einliegende Brief von Liebknecht, den ich gestern erhielt, wird Dich in mancher Hinsicht interessieren. Du mußt ihn, wie die andern Briefe der Art, die ich Dir schicke, dem Archiv einverleiben. Ich habe L[iebknecht] sofort geantwortet, im ganzen ihn belobt wegen seiner Haltung; ihn nur gerüffelt wegen der albernen Bedingung - unsre Mitarbeit -, die er für die eventuelle Herausgabe des nun glücklich aufgegebnen Lassallepapers3 stellte. Ihm erklärt, daß wir es zwar für politisch halten, den L[assalle] einstweilen ungestört gewähren zu lassen, aber in keiner Weise uns mit ihm identifizieren können... Ich werde ihm (Liebknecht) im Lauf dieser Woche einiges Geld schicken. Es scheint dem armen Teufel verflucht schlecht zu gehn. Er hat sich brav gehalten, und sein fortwährender Verbleib in Berlin ist sehr wichtig für uns. Borkheim zeigte mir Brief des großen Orges, gegenwärtig in Wien. 0[rges] zeigt an, daß „die Himer weichung" in der A[ugsburger] „A[llgemeinen] Z[eitung]" „gesiegt habe", daß der „Partikularismus" statt des „Deutschtums" das Blatt beherrsche, daß ein Vie.rtelseigentümer der Augsburger „A.Z." ihn (den „großen Orges") „beinahe persönlich insultiert" hätte, daß seit lange die Hände ihm gebunden gewesen, er endlich ausgetreten etc. Serves 0[rges] right 4 Der Kerl benahm sich uns gegenüber kommun5 in der Vogtgeschichte.6
1 wenigstens 4 Exemplare - 2 Dank - 3 Lassalleblatts - 4 Geschiebt 0[rgesl recht. -5 gemein
Borkheim hat mir sehr genaue, an Ort und Stelle authentisierte schriftliche Details über den Fortschritt des Suezkanals mitgeteilt. Ich werde Notiz davon dem Daud Pasha7 zukommen lassen.14251 Was die dänische Geschichte angeht, so ist die Position der Russen sehr schwierig. Sie haben Preußen unter den größten Versprechen in den Krieg gejagt und als Äquivalent für die stets fortdauernde preußische Hilfe in der polnischen Geschichte13411 große Aussichtenauf Schleswig-Holstein gemacht. Der schöne Wilhelm8, jetzt, wo er sich als William the Conqueror9 erscheint, ist natürlich nicht in derselben Weise abzufertigen wie sein genialer Vorgänger10. Palmerston seinerseits hat die Hände gebunden durch die Königin11. Bonaparte, den die Russen und ihr Pam als Sündenbock gegen die Deutschen vorschieben wollten, has reasons of his own12, den Taubstummen zu spielen. Im übrigen ist es den Russen, abgesehn von vielleicht Geheimvertrag mit Preußen, jetzt vor allem um „deutsche Sympathien" zu tun. Es ist daher unter such circumstances13 möglich, daß sie in derselben Weise Schleswig-Holstein „opfern", wie Catherine II. es als ein großes Opfer ihrerseits erklärte, im 3. Teilungsvertrag den Preußen das jetzige Königreich Polen überlassen zu haben, natürlich mit dem Vorbehalt, zur rechten Zeit das Opfer zurückzunehmen.14261 Der ungeheure Schritt, den die Russen jetzt im Kaukasus gemacht haben14271 und dem Europa mit idiotischer Indifferenz zusieht, zwingt sie beinahe, und erleichtert ihnen auch, auf andrer Seite ein Auge zuzudrücken. Diese 2 Affären: die Unterdrückung der polnischen Insurrektion und die Besitznahme des Kaukasus, betrachte ich als die zwei wichtigsten europäischen Ereignisse seit 1815. Pam und Bonaparte können jetzt sagen, daß sie nicht umsonst regiert haben, und wenn der Schleswig-Holsteinsche Krieg nur dazu gedient, Deutschland und Frankreich Sand über jene großen Vorgänge in die Augen zu streuen, hat er vollständig das Seine für die Russen geleistet, welches immer der Ausgang der Londoner Konferenz14051. Du siehst aus L[iebknecht]s Brief, wie die preußischen liberalen Zeitungen zu feig sind, die fortwährende Auslieferung der polnischen Flüchtlinge von preußischer Seite auch nur zu konstatieren. Der Bism[arck] hat sie mit der schleswig-holsteinschen Geschichte maustot gemacht. DiS American news14 scheinen mir sehr gut, und hat mich namentlich der heutige leader15 in der „Times" ergötzt, worin sie beweist, daß Grant
7 David Urquhart - 8 Wilhelm I. - 9 Wilhelm der Eroberer - 10 Friedrich Wilhelm IV. 11 Victoria - 12 hat seine eigenen Gründe - 13 solchen Umständen - 11 Nachrichten über Amerika-16 Leitartikel
fortwährend geschlagen und möglicherweise infolge seiner Niederlagen mit der Einnahme von Richmond - bestraft wird. Salut. Dein Mohr
224
Engels an Marx in London
Manchester, 9. Juni 1864
Lieber Mohr, Das Telegramm erhalten und folgen hierbei die andern halben fünf Banknoten. Das Glasphotogramm1 habe ich etwas geputzt und finde jetzt, daß es sehr gut ist, ich werde es heute abend Gumpert und seiner Gattin zeigen. Daß Liebknecht in Berlin ist, ist allerdings für uns von der höchsten Wichtigkeit, der Überraschung des Itzigs willen, und auch um unterderhand in einem gegebnen Moment unter den Arbeitern Aufklärung über unsre Stellung zu ihm zu verbreiten. Wir müssen ihn jedenfalls dort halten und einigermaßen unterstützen. Wenn Du ihm jetzt Geld schickst, so wird ihn das sehr aufmuntern, und wenn Du glaubst, daß wieder etwas nötig ist, so schreib mir, daß ich Dir eine Fünfpfundnote für ihn schicke. Apropos Nekrolog für Lupus. Wir müssen eine Art Biographie machen, ich denke, man läßt sie als Broschüre in Deutschland drucken, mit der ganzen Parlamentsverhandlung als Anhang'4281. Laß uns die Sache nicht verschleppen. Wie steht es denn nach Borkheims Berichten mit dem Suezkanal? Ist denn schon wirklich etwas erreicht, das auf baldige Vollendung schließen läßt? Wie es in Virginien gehn wird, darauf bin ich sehr begierig. Die Kräfte scheinen immer noch sehr nahe balanciert, und ein geringer Zufall, die Möglichkeit, ein einzelnes Grantsches Korps separat zu schlagen, kann Lee wieder das Übergewicht geben. Der Kampf vor Richmond kann schon unter ganz andern Verhältnissen geschlagen werden; denn Butler ist sicher schwächer als Beauregard, sonst hätte er sich nicht auf die Defensive drängen lassen, und wenn sie beide auch gleich stark sind, so wird Lee doch durch die Vereinigung mit Beaur[egard] in Richmond stärker als Grant
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> b^Ä Marx' biographische Notizen über Wilhelm Wolfft4295 üuni 1864)

durch die mit Butler; denn Lee kann von seinem verschanzten Lager aus auf jeder Seite des James River mit ganzer Macht auftreten, während Grant detachieren2 muß (nach der Südseite des Flusses). Ich hoffe aber, daß trotzdem Grant die Geschichte durchführt; jedenfalls ist sicher, daß Lee nach der ersten Schlacht in der Wilderness wenig Lust mehr gezeigt hat, Entscheidungsgefechte im offnen Feld zu liefern, dagegen seine Hauptmacht stets in verschanzten Stellungen gehalten und nur kurze offensive Schläge gewagt hat.14301 Auch gefällt mir der methodische Gang von Grants Operationen. Das ist für dies Terrain und diesen Gegner die einzig richtige Methode. Für die Solinger3 wird hier mit Sammeln nichts aufzutreiben sein, dagegen versteht es sich, daß ich Dir etwas für sie schicke. Laß mich wissen, wenn es soweit ist, wieviel Ihr für die Reise habt und wieviel sie kostet. Unser alter Hill hat vorvorgestern endlich seine Kasse abgegeben, kann sich aber begreiflicherweise noch gar nicht vom Kontor trennen; er macht es noch jeden Tag unsicher, ganz in der alten Manier. Heute erst ist er wenigstens den Morgen weggeblieben, aber nach dem Essen konnte er's nicht mehr aushalten. Viele Grüße. Dein F.E.
2 (Truppen) absondern - 3 siehe vorl. Band, S. 402/403
225
Marx an Engels in Manchester
[London] 16 June 1864
Dear Frederick, Thanks for1 ,,Dagblad[et]". Eh ich den Brief anfange - damit ich es nicht vergesse - die Frage: Sind folgende Wortzusammenstellungen, die ich bei einem belgischen Etymologen finde, of any value2?14311 Sanskrit Wer (couvrir, proteger, respecter, honorer, aimer, cherir), Adjektiv: Wertas(excellent, respectable), Gotisch: Wairt}is,AngIosaxon Weorth, Englisch worth, Litauisch werthas, Alemannisch: Werth. Sanskrit Wertis, Lateinisch virtus, Gotisch Wairthi, Germanisch Werth. Sanskrit Wal (couvrir, fortifier), Valor, Value. (???) Strohn ist hier. Gestern angekommen. Reist morgen wieder nach Bradford. Scheint mir, daß er sich sehr erholt hat. Auch wieder mehr plucky3. Für die beiden Solinger4 habe ich nebst etlichen andern Personen hier so viel zusammengesteuert, daß nur noch 2 £ erheischt, damit die Burschen mit Segelschiff von hier weg nach New York können und nicht ganz blanc dort ankommen. Ich gebe ihnen auch paar Zeilen an Dr. Jacobi mit, bei welcher Gelegenheit sich herausstellen wird, was der kleine Modeste nun about ist5. Von Liebknecht einliegenden Brief mit Beigefügtem aus dem „Grenzboten" über lupus erhalten.14321 L[iebknecht] wird jetzt im Besitz meines zweiten Briefs mit einer „realen Konsideration" (wie Herr Patkul in seinen geheimen Depeschen'4331 das nennt) sein. Die Russen scheinen Schleswig-Holstein für sich unter Oldenburgscher Firma zu verlangen und dafür Preußen zu „entschädigen". Diese transaction would be too clever.6 Ein holländischer Orientalist, Professor Dozy zu Leyden, hat ein Buch herausgegeben14341 zum Nachweis, daß „Abraham, Isaak und Jakob
1 Dank für - 2 von irgendwelchem Wert - 3 mutig - 4 siehe vorl. Band, S. 402/403 -5 Bescheidene nun treibt - 6 Dieses Geschäft wäre zu schlau.
Phantasiebilder; die Israeliten Götzendiener waren; einen .Stein' mit sich in der ,arke des Verbonds'7 herumschleppten; daß der Stamm Simeon (unter Saul verbannt) nach Mekka gezogen und da einen Götzentempel gebaut und Steine angebetet habe; daß Esra nach der Befreiung aus Babylon die Legende von der Schöpfung bis auf Josua gedichtet und ferner Gesetz und Dogma zur Vorbereitung der Reform, Monotheismus, geschrieben usw." So schreibt man mir aus Holland, und daß das Buch großen Spektakel unter den dortigen Theologen macht, namentlich weil Dozy der gelehrteste Orientalist in Holland und dazu - Professor in Leyden! Jedenfalls geht außerhalb Deutschland (Renan, Colenso, Dozy etc.) merkwürdige Bewegung gegen die Religion vor. Die Kinder lassen Dich bestens grüßen und meine Frau Dich außerdem wegen ihrer Kette treten. Salut. Dein K.M.
(Du kannst mir Deine „private address" schicken für den Fall, daß ich Sonnabend abends noch anything8 Dir mitzuteilen habe.) Schick mir des Emest Jones Address.
' ,Bundeslade' - 8 irgend etwas
226
Marx an Engels in Manchester
[London] 1 July 1864
Dear Frederick, Hast Du den Brief erhalten, den ich vor about 2 weeks1 schickte2, mit Liebknechts etc. Einlage? Von Eisner noch keine Antwort.'4351 Ich mediziniere seit about 10 Tagen wieder und habe heut noch außerdem Art Influenza. Daher not able to-day for better writing3. Thanks for4 ,,DagbIad[et]". Salut. Dein K.M.
1 ungefähr 2 Wochen - 2 siehe vorl. Band, S. 407-409 - 3 heute nicht fähig, besser zu
FRIEDRICH ENGELS
(Manchester 1864)

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Marx an Engels in Manchester
Dear Frederick, [London] 4 July 1864 Am 3. Juni schriebst Du mir, daß Du den andern Tag mit Borchardt die Geldaffäre settlen1 würdest. Es sind 3 Gründe, weswegen ich die Sache abgemacht wünschte: 1. Von wegen Borchardt; 2. Ich weiß nicht, durch welche Fama ich als „Beerbter" (vielleicht von Deutschland, Trier her) verrufen worden bin. Die Rechnungen, die mir von ancient times2 („N[eue] Rheinische Z[eitung]" eingeschlossen) zugeschickt, sind fabelhaft. 3. Hätte ich während der letzten 10 Tage das Geld gehabt, so hätte ich viel Geld auf der hiesigen Börse gewonnen. Jetzt ist wieder die Zeit, wo mit wit und very little money3 Geld gemacht werden kann in London. Aus diesen Gründen wünschte ich Abmachung der Affäre nach Deduction, of course4, der Gelder, die für Steuern und sonstige Abzüge an lawyer5 etc. von meinem Teil abgehn. You will much oblige me by settling these things before Jule 15.6 Du entschuldigst mich, daß ich Dich plage bei Deinem charge of business, but there are very serious interests at stake7. Meinen besten Dank für die Abmachung der Freilig[rath]affäre.8 Ist das Porträt, das er Dir geschickt, das faustisch-finstre, das Jennychen im Album hat? Meine Frau, die auf einer Versteigerung die ihr noch fehlenden Sachen angekauft, hat für Dich ein fix carving knife and fork9 erstanden, das sie heut überschicken wird. Ich hatte ihr gesagt, daß dies in Deinem Haushalt fehle. Gruß von dem Emperor of China 10et Co. _ . Dein K.M.
1 ordnen - 2 alten Zeiten - 3 Verstand und sehr wenig Geld - 4 Abzug, natürlich - 5 Anwalt 6 Du wirst mich sehr verpflichten, wenn Du diese Dinge vor dem 15. Juli ordnen kannst. 7 Deiner Arbeitsüberlastung, aber es stehen sehr ernste Interessen auf dem Spiel - 8 siehe vorl. Band, S. 668 - 9 Vorlegemesser und -gabel —10 Kaiser von China (Spitzname für Marx* Tochter Jenny)
Immer noch Influenza bis in Nase und Maul etc., so daß ich weder rieche noch schmecke. In dieser Zeit, wo ich ganz arbeitsunfähig, gelesen: Carpenter, „Physiology", Lofd ditto, Kölliker, „Gewebelehre", Spufzheim, „Anatomie des Hirn und Nervensystems", Schwann und Schleiden über die Zellenscheiße. In der „Populär Physiology" von Lord gute Kritik der Phrenologie, obgleich der Kerl religiös. Eine Stelle erinnert an Hegels „Phänomenologie", nämlich die folgende: „They attempt to break up the mind into a number of supposed original faculties, such as no metaphysician will, for a moment, admit; and the brain into an equal number of organs, which the anatomist in vain asks to be shown, and then proceed to attach one of the former unadmitted suppositions as a mode of action to one of the latter undemonstrated existences."11[436] Du weißt, daß alles 1. bei mir spät kommt und 2. ich immer in Deinen Fußtapfen nachfolge. So wahrscheinlich, daß ich in den Nebenstunden jetzt viel Anatomie und Physiology treiben, außerdem Vorlesungen (wo das Zeug ad oculos demonstriert und seziert wird) besuchen werde.
11 „Sie sind bestrebt, den Geist in eine Anzahl angenommener ursprünglicher Eigenschaften aufzulösen, wie sie kein Metaphysiker auch nur einen Moment gelten lassen wird; und das Hirn in eine ebenso große Anzahl von Organen, die ihm zu zeigen der Anatom sie vergebens bitten würde, um dann dazu überzugehen, eine der vorerwähnten nicht anerkannten Annahmen als Betätigungsweise eines der letztgenannten unbewiesenen Organe darzustellen."
228
Engels an Marx in London
Manchester, 5. Juli 1864
Lieber Mohr, Daß ich Dir am 3. Juni schrieb, ich würde am 4. die Geldaffäre ordnen1, kann sich nur auf die Gelder in der Bank bezogen haben, die ich auch sofort geordnet habe. Daß Du vorderhand mehr Geld wünschtest, dachte ich nicht, und es war ja Absprache, daß Du deswegen schreiben wolltest, wenn Du mehr wünschtest; daher ließ ich es ruhig bei dem Philister Steinthal stehn, der doch 5% zahlt. Die Erbschaft aber vom 3. auf den 4. Juni settlen2, das war mehr, als ich oder sonst jemand Dir versprechen konnte. Ich glaube Dir auch geschrieben zu haben, daß dies noch ziemlich lange dauern kann, da es von allerlei gesetzlichen Formalitäten abhängt (Advertising3 Aufforderung an unbekannte Gläubiger von Lupus, Zahlung der Erbschaftssteuer etc.), die so rasch nicht gehn. Indes soll meinerseits nichts unterbleiben, um die Sache rasch abzuwickeln. Dies hat aber durchaus nichts damit zu tun, daß Du den ungefähren Anteil an der Nachlassenschaft bekommst, sobald Du es wünschest. Du wirst im Minimum £ 600 zu bekommen haben, hoffentlich mehr, wir werden Dir also noch ca. £ 350 schicken können, und ich werde sorgen, daß Du diese noch diese Woche bekommst. Auch werde ich Borchardt treten, daß er seine Rechnung abschließt, denn daran liegt es auch mit, daß noch manches ungeordnet ist. Hättest Du mir nur 2 Zeilen früher geschrieben, diese £ 350 hätte ich Dir immer gleich schaffen können, d.h. in ein paar Tagen. Heute kann ich nichts tun. Ich habe den ganzen Tag auf dem Kontor geschanzt, mit Advokaten und G. Ermen debattiert (der deed of partnership4 ist noch nicht fertig, und bis dahin will G.E[rmen] mein Recht, als Associe aufzutreten,
1 Siehe vorl. Band, S. 417 - 2 ordnen - 3 Öffentliche - 4 die Teilhaberschaftsurkunde 27*
nicht anerkennen)14371 und dazu den Dronke hier gehabt. Jetzt ist es beinah 7 Uhr und ich hab' noch kein dinner im Leib, bin auch noch nicht fertig. Du siehst, wie es geht. Viele Grüße. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
25. Juli 1864 46 Hardres Street, Ramsgate
Lieber Frederick, Du siehst aus der Adresse, daß ich seit ein paar Tagen in Ramsgate bin. Zu meiner keineswegs angenehmen Überraschung zeigte sich, daß der furuncle vielmehr ein ganz bösartiger carbuncle war, außerdem so schamlos, sich dicht über dem penis zu entwickeln. Ich war so about1 10 Tage gezwungen, meist im Bett zu liegen - und in dieser Hitze! Das Zeug heilt hier rasch zu; indes habe ich in der Tat alles Vertrauen verloren durch die unerwartete Wiedererscheinung der Krankheit in so bösartiger Form. Jenny und Tussy ist hier bei mir; Laura kömmt übermorgen, und nach about 8-10 Tagen gehn wir nach Holland, während meine Frau sich dann an die See begibt. Apropos. Vergiß nicht, der letztem ihre Kette zu schicken, da sie dieselbe am Seeplatz zu ihrer Uhr braucht. Sie sagt, daß Du dazu nur eine kleine Schachtel zu nehmen und auf die Post zu schicken hast, die Expedition Dir also unmöglich viel Umstände machen kann. Ich hoffe, daß Du mit Ermen jetzt im reinen und nicht weiter von den lawyers bothered2 bist. Was die schleswig-holsteinsche Geschichte angeht, so bin ich noch nicht ganz sicher, daß die Affäre nicht mit einer Personalunion der Herzogtümer mit Dänemark endet. Die Eifersucht zwischen Preußen und Ostreich, beider mit dem Deutschen Bund, der Krakeel zwischen Augustenburg und dem von Rußland vorgeschobnen Oldenburg3 etc. machen solche Lösung selbst in diesem Augenblick immer noch wenigstens möglich. Übrigens schlug Palmerston en passant4 und als pis aller5 schon 1851 den Herzog von Oldenburg als Kandidat vor für Schleswig-Holstein.
1 ungefähr - a Advokaten geplagt -3 Peter Nikolaus Friedrich, Großherzog von Oldenburg 4 beiläufig - 6 Notbehelf
Laura werde ich schreiben, daß sie Dir die „Free Press" schickt. Hier herrscht der sich amüsierende Philister und noch mehr seine beßre Hälfte und sein weiblicher offspring6 vor. Es ist fast traurig zu sehn, wie der alte Oceanus, Urtitane wie er ist, sich von diesen Knirpsen auf der Nase herumtanzen lassen und ihnen zum Zeitvertreib dienen muß. Best compliments7 von Jenny und Tussy. Beiden bekömmt das Seeleben trefflich. Adio. Mohr
* Nachwuchs - 7 Beste Grüße
230
Marx an Engels in Manchester
[London] 3I.Aug. 1864
Dear Frederick, Ich bin heute exakt seit drei Wochen zurückgekehrt von Ramsgate. Aus der holländischen Reise wird nichts, weil eine Magd im Hause meines Onkels1 plötzlich an den Pocken erkrankt ist. Meine Frau hatte letzte Woche starken Anfall von Cholerine, der einen Augenblick gefährlich zu werden schien. Sie ist gestern (solo) nach Brighton abgereist. Ich habe hier verschiedne Briefe von Liebknecht, die ich jedoch nicht schicke, da ich nicht weiß, ob Du in Manchester. Der einliegende Wisch von Collet wird Dich amüsieren, und bist Du nicht da, so schadet es ihm auch nichts. Die Naivität des C[ollet] ist groß: nachdem (um östreichisch zu konstruieren) ich ihm einen langen Aufsatz über die Russian claims2 gemacht habe, den er nicht gedruckt hat, soll ich mich für seinen blödsinnigen Wechselbalg interessieren.[438] Der einliegende Brief von Eisner ist Antwort an meine Frau, die von ihm biographische Notizen über lupus verlangt hatte.3 Seit ein paar Tagen bin ich wieder werktätig. Bis dahin war ich immer noch geplackt mit Unwohlsein und incapable4. Wenn Du noch nicht fort bist, so zeig's uns gleich an. Wir hoffen Dich jedenfalls auf der Durchreise zu sehn. Die Kinder lassen Dich bestens grüßen. Jenny kann gar nicht abwarten, Dir ihr Green House5 zu zeigen. Mit Bezug auf die Schleswig-Holstein-Geschichte bin ich nicht im reinen und bedarf es weiterer Tatsachen, um klarzuwerden. Die Renaissance der Heiligen Allianz hast Du richtig vorhergesehn.6 Bonaparte scheint große „Neigung at least7" zu haben, „der Vierte im Bunde" zu sein.14391 Die ganze Erbärmlichkeit des Kerls hat sich vom Ausbruch der polnischen Revolution bis dato im reinsten, ungefälschtesten Licht gezeigt.
1 Lion Philips - 2 russischen Forderungen - 3 siehe vorl. Band, S.695 - 4 arbeitsunfähig 5 Gewächshaus - 6 siehe vorl. Band, S.385 - ' zum mindesten
Es ist mir durch die Hände gegangen Groves „Correlation of physical forces". Er ist unbedingt der philosophischste unter den englischen (und auch deutschen!) Naturforschern. Unser Freund Schleiden hat angeborne Anlage zur Fadaise8, obgleich er infolge eines Mißverständnisses die Zelle entdeckt hat. Einliegende Karte Piepers1440' ist durch Mißverständnis in Liebknechts Hände gefallen, der sie mir wieder zugesandt hat. Salut. Dein K.M.
Sei so gut, mir des Ernst Jones Manchester-Adresse zu schicken. Don't forget!9
8 Abgeschmacktheit -9 Vergiß nicht!
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Engels an Marx in London
Manchester, 2. Sept. 1864
Lieber Mohr, Ich glaubte nach Deinem letzten Brief1, Du säßest tief in den holländischen Morästen, und daher mein hartnäckiges Stillschweigen. Deine Adresse in Holland konnte ich nicht finden. Ich schickte Deiner Frau die Uhr und Kette am 6. August in einer rekommandierten Schachtel per Post und hoffe, sie ist richtig angekommen. Nächsten Donnerstag 8. oder Samstag 10. September denke ich von Hull nach Hamburg zu fahren und mir our new property2 in Schleswig und Holstein etwas anzusehn und, wenn keine Paßschwierigkeiten vorliegen, auch von Lübeck nach Kopenhagen zu gehn. Ich komme vor Ende September nicht wieder, und wenn es irgend angeht, bleibe ich auf der Rückreise einen Tag in London. Die Partnerships-Geschichte3 ist endlich geordnet, die Kontrakte unterschrieben, und so hab' ich hoffentlich auf 5 Jahre Ruhe von dieser Seite her. Wir haben unser Haus in Tenant Street verlassen und sind seit 14 Tagen ungefähr 500 Schritt weiter heraus gezogen in ein etwas größeres Haus mit 2 Wohnzimmern unten; wir haben uns ungefähr in derselben Weise verbessert wie Du mit Deinem letzten Umzug. Die Adresse ist 86 Mornington Street, Stockport Road, Manchester. Briefe gehn auf meinen Namen wie immer. Die Adresse von Jones ist 52 Cross Street, Manchester. Die Dänen glauben oder vielmehr fürchten noch immer, daß die PersonalUnion hergestellt wird, und da die Redakteure Bille vom ,,Dagbl[adet]" und Ploug vom „F[ae]drel[andet]" beide Deputierte sind und sicher gute Quellen haben, auch die jetzigen Minister gute Russen sind, so bin ich überzeugt, daß starke Intrigen in dieser Richtung von Rußland gespielt werden. Monsieur Bismarck hat es indes sicher anders vor, und um positive Vorteile zu bekommen, d.h. um Schleswig-Holstein zu mediatisieren, braucht
1 Siehe vorl. Band, S.421/422 - 2 unser neues Besitztum - 3 Teilhaberschaftsgeschichte
er, glaub' ich, den Augustenburger ziemlich notwendig. Soviel ist sicher, die preußische Stammpolitik mit der Teilung Deutschlands an der Mainlinie ist noch nie so frech gepredigt worden, und das liberale Saupack scheint sich ganz damit zu befreunden. Wenn das der Fall ist - und das werde ich in Deutschland schon sehn -, so gibt uns die preußische Bourgeoisie für den nächsten Set-to4 eine enorme Handhabe. Ich bin übrigens überzeugt, daß Eisner recht hat und wenigstens in den alten Provinzen'4411 der Siegestaumel nicht zu ertragen ist - ich werde mich auch hüten, dorthin zu gehn. Selbst am Rhein wird es schlimm genug sein. Daß Monsieur Bonaparte die größte Lust hat, in die Heilige Allianz zu treten14391, sagte ich dem braven Gottfried5 den ersten Tag, wo die Geschichte bekannt wurde, zu seinem großen Schrecken. Mit dem Kerl nimmt's doch noch ein schlechtes Ende. Das ewige Spintisieren über das „Geschäft" macht sehr alt, wie ich an Gottfried sehe, der ungefähr dieselbe Geistesrichtung im Handel hat wie B[onaparte] in der Politik und auch einen ähnlichen Gedankengang. Mit den Jahren kommt der Wunsch, sich zurückziehen zu können, und wenn das nicht angeht, so leidet die Gesundheit. N'est pas Palmerston qui veut.14421 Ce eher6 Bjonaparte] scheint mir sehr stark on the decline7 zu sein. Desto besser, wenn der einmal anfängt zu erschlaffen, so geht's rasch mit ihm. Beste Grüße an die Mädchen. Warum schriebst Du mir aber nicht 2 Zeilen, daß Du nicht nach Holland gingst und Deine Frau krank war?
Dein F.E.
4 Kampf - 6 Gottfried Ermen - 6 Nicht jeder ist ein Palmerston, der es sein möchte. Dieser
232
Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Sept. 1864
Lieber Frederick, Gestern Nachmittag erhielt ich nachstehend kopierten Brief von Freiligrath, woraus Du siehst, daß Lassalle lebensgefährlich in einem Duell in Genf verwundet worden. Ich ging noch denselben Abend zu Freiligr[ath]. Er hatte jedoch keine neueren Telegramme erhalten. Nebenbei teilte er mir mit - entre nous1 -, daß seine Bank in einer Krise, erhöht durch die Genfer Geschichte und Fazys Rolle in derselben.'4431 Salut. Dein K.M.
„Lieber Marx, Soeben erhalte ich einen Brief von Klapka aus Genf mit der traurigen Nachricht, daß Lassalle in einem am 30. August zu Genf mit einem walachischen Pseudofürsten2 stattgehabten Duell tödlich verwundet worden ist. Hier das Nähere aus Kl[apkas] Brief... ,Lassalle hatte hier eine Liebesgeschichte, jedoch in aller Ehre, da er das Mädchen3, Tochter des bayrischen Gesandten von Dönniges, heiraten wollte. Der Vater widersetzte sich der Heirat, das Mädchen betrog den armen Lassalle; ein früherer Verlobter von ihr, der obenerwähnte Pseudoprinz, traf von Berlin ein, es kam zu Erklärungen, zu einem unangenehmen Briefwechsel und zur Herausforderung. Die Sekundanten Lassalles waren Oberst Rüstow und mein Landsmann, General Graf Bethlen. Lassalle benahm sich, wie es einem Manne von seinem Rufe und seiner politischen Stellung geziemt, ebenso mutig als würdevoll. Er ward in den Bauch geschossen und liegt nun zwischen Leben und Tod im Hotel Victoria darnieder. Das Unglück für ihn ist, daß die Kugel tief im Körper liegt, die Wunde daher sehr leicht in Brand Übergehn kann. Ich besuchte ihn gleich
1 unter uns gesagt - 2 von Racowitza - 3 Helene von Dönniges
nach meiner Ankunft, fand ihn sein Testament diktieren, sonst aber ruhig und auf seinen Tod gefaßt. Es tut mir unendlich leid um ihn; oft lernt man die Menschen erst in ihren letzten Augenblicken kennen. Hoffen wir, daß er trotz der bösen Aussagen der Ärzte glücklich die Krise überlebt.' Soweit Klapka."
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Engels an Marx in London
Manchester, 86 Mornington Street, Stockport Road, 4. Sept. 1864
Lieber Mohr, Dein Telegramm'4441 kam gestern an, noch ehe ich Deinen Brief erbrochen hatte, da mich allerlei Geschäfte gleich in Anspruch genommen. Du kannst Dir denken, wie mich die Nachricht überraschte. Lassalle mag sonst gewesen sein, persönlich, literarisch, wissenschaftlich, wer er war, aber politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland. Er war für uns gegenwärtig ein sehr unsichrer Freund, zukünftig ein ziemlich sichrer Feind, aber einerlei, es trifft einen doch hart, wenn man sieht, wie Deutschland alle einigermaßen tüchtigen Leute der extremen Partei kaputtmacht. Welcher Jubel wird unter den Fabrikanten und unter den Fortschrittsschweinhunden herrschen, Ljassalle] war doch der einzige Kerl in Deutschland selbst, vor dem sie Angst hatten. Aber was ist das für eine sonderbare Art, ums Leben zu kommen: sich in eine bayrische Gesandtentochter1 ernstlich zu verlieben - dieser would-be Don Juan2-, sie heiraten wollen, in Kollision kommen mit einem abgedankten Nebenbuhler3, der noch dazu ein walachischer Schwindler ist, und sich von ihm totschießen zu lassen. Das konnte nur dem L[assalle] passieren bei dem sonderbaren Gemisch von Frivolität und Sentimentalität, Judentum und Chevaleresktuerei, das ihm ganz allein eigen war. Wie kann ein politischer Mann wie er sich mit einem walachischen Abenteurer schießen! Wie rasch übrigens die Nachricht reiste, siehst Du daraus, daß sein Tod bereits Donnerstag abend in der „Kölnischen Zeitung" stand, die gestern mittag - 2 Stunden nach Deinem Telegramm - hier ankam. Was hältst Du von den Dingen in Amerika? Lee benutzt sein verschanztes Lager von Richmond ganz meisterhaft; kein Wunder, es ist ja schon die dritte Kampagne, die sich darum dreht.14131 Er hält Grants Massen mit verhältnismäßig wenigen Truppen fest und benutzt den größten Teil seiner
1 Helene von Dönniges - 2 Möcbtegern-Don-juan — 3 von Racowitza
Leute offensiv in Westvirginien und zur Bedrohung von Washington und Pennsylvanien. Ausgezeichnetes Muster zum Studium für die Preußen, die daraus bis ins Detail lernen können, wie man einen Feldzug um das verschanzte Lager von Koblenz führen muß, die aber natürlich viel zu hochmütig sind, etwas von diesen improvisierten Generalen zu lernen. Grant vor 6 Jahren ein wegen Trunk aus der Armee entlassener Lieutenant, später versoffner Ingenieur in St. Louis - hat viel unity of purpose4 und große Verachtung gegen das Leben seines Kanonenfutters, scheint auch als keiner Strategiker (d.h. für Bewegungen von heute auf morgen) viel Ressourcen zu haben, aber ich suche vergebens nach Zeichen, daß er Uberblick genug hat, um die Kampagne als Ganzes zu übersehn. Die Kampagne gegen Richmond scheint mir am Scheitern zu sein, die Ungeduld, mit der Gfrant] bald hier, bald dort angreift, aber an keinem Punkt nachhaltig mit Sappe and Mine vorgeht, ist ein schlechtes Zeichen. Das Ingenieurwesen scheint bei den Yankees überhaupt schlecht bestellt zu sein, dazu gehört außer den theoretischen Kenntnissen auch eine traditionelle Praxis, die nicht so leicht improvisiert wird. - Ob Sherman mit Atlanta fertig wird, ist fraglich, doch hat er, glaub' ich, bessere Chancen.1445' Die Guerillas- und Kavalleriestreifereien in seinem Rücken werden ihm schwerlich viel schaden. Der Fall Atlantas wäre sehr hart für den Süden, Rome fiele gleich mit, und da sind ihre Kanonengießereien etc., dazu ginge die Eisenbahnverbindung zwischen Atlanta und Südkarolina verloren. - Farragut bleibt sich gleich. Der Kerl weiß, was er tut. Aber ob Mobile selbst fallen wird, ist sehr fraglich. Die Stadt ist sehr stark befestigt und kann, soviel ich weiß, nur von der Landseite her genommen werden, da tiefgehende Schiffe nicht nahe genug herankommen können. Aber welch ein Blödsinn ist diese Zersplitterung der Angriffskräfte an der Küste, wo Charleston und Mobile gleichzeitig angegriffen werden, statt eins nach dem andern, aber jedesmal mit allen Kräften. Auf den Friedenskohl, der sich jetzt so breit macht, geb' ich nicht viel. Selbst nicht auf die vorgeblichen direkten Unterhandlungen Lincolns. Das halte ich alles für Wahlmanöver. Wie die Sache bis jetzt steht, scheint mir Lincolns Wiederwahl ziemlich gewiß.14461 Meine Mutter ist in Ostende und reist Samstag wieder nach Hause, infolge welcher Nachricht ich meine Reisepläne geändert habe5 und Donnerstag abend nach Ostende reise. Ich fürchte, ich komme erst mit dem Nachtzug nach London, der vor 6 Uhr morgens dort ankommt. Ist es mir aber möglich, so reise ich um 4.15, so daß ich 9.15 an Euston Station bin und ent
4 Zielklarheit - 5 siehe vorl. Band, S. 425
weder nach Dover durchfahre (s'il y a moyen6) oder in dem Hotel an London Bridge Station schlafe. In diesem letzten Fall schreib' ich Dir's vorher, damit wir uns möglicherweise treffen können.14471 Schreib mir inzwischen, was Du von Amerika hältst. Beste Grüße an die Girls. Dein F. E.
6 wenn es möglich ist
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Marx an Engels in Manchester
[London] 7. Sept. 1864
Dear Frederick, Das Unglück des Lfassalle] ist mir dieser Tage verdammt durch den Kopf gegangen. Er war doch noch immer einer von der vieille souche1 und der Feind unsrer Feinde. Dabei kam die Sache so überraschend, daß es schwierig ist zu glauben, daß ein so geräuschvoller, stirring, pushing2 Mensch nun maustot ist und altogether3 das Maul halten muß. Was seinen Todesvorwand angeht, so hast Du ganz recht. Es ist eine der vielen Taktlosigkeiten, die er in seinem Leben begangen hat. With all that4 tut's mir leid, daß in den letzten Jahren das Verhältnis getrübt war, allerdings durch seine Schuld. Andrerseits ist's mir sehr lieb, daß ich den Anreizungen von verschiednen Seiten widerstand und ihn nie während seines „Jubeljahrs" 14481 angegriffen habe. Der Teufel mag wissen, der Haufen wird immer kleiner, neu kommt nichts zu. Übrigens bin ich überzeugt, daß, wenn L[assalle] nicht in der Umgebung der military adventurers und revolutionnaires en gants jaunes5 in der Schweiz gewesen, es nie zu dieser Katastrophe gekommen wäre. Es zog ihn aber fatalement6 immer wieder nach diesem Koblenz'4491 der europäischen Revolution. Die „bayrische Gesandtschaftstochter"7 ist niemand anders als die Tochter des Berliner Dönniges, Mituniversitätsdemagog14501 von Rutenberg und Konsorten, gehörig ursprünglich zu den jeunes gents8 oder vielmehr, da es keine gentlemen waren, den jeunes gens9 des kleinen Rabunzel Ranke, die er scheußliche alte deutsche Kaiserannalen14511 etc. herausgeben ließ. Das, was das tanzende Wurzelmännchen Ranke für Geist hielt - die spielende Anekdotenkrämerei und die Rückführung aller großen Ereignisse auf Kleinigkeiten und Lausereien -, war diesen young
1 vom alten Stamm - 2 rühriger, vorwärtsdrängender - 3 ganz und gar - 4 Bei alledem - 5 militärischen Abenteurer und Revolutionäre in Glacehandschuhen - 6 verhängnisvollerweise 7 Helene von Dönniges - 8 jungen Herren -9 jungen Leuten
men from the country10 strikt untersagt. Sie sollten sich an das „Objektive" halten und den Geist ihrem Meister überlassen. Unser Freund Dönniges galt gewissermaßen als Rebell, da er dem Ranke das Monopol des Geistes bestritt, wenigstens faktisch, und verschiedentlich ad oculos11 zeigte, daß er so gut wie Ranke geborner „Kammerdiener" der „Geschichte" sei.14521 Es wird mich nun wundern, was aus der von L[assalle] zusammengebrachten Organisation'3651 werden wird. Herwegh, dieser platonische Freund der „Arbeit" und praktische „Musen"-Freund, ist nicht der Mann. Überhaupt ist alles, was darin an Unterführern war, rubbish12. Liebkn[echt] schreibt mir, daß der Schulze-Del[itzsch]-Verein in Berlin nur noch 40 members13 zählt.[453] Wie der Zustand überhaupt dort, daraus klar, daß unser Wilhelm Liebkn[echt] a consequential political personage14 ist. Sollte L[assaIIe]s Tod die Kerle wie Schulze etc. zu Frechheiten gegen den Verstorbnen leiten, so ist nur zu wünschen, daß L[assaIIe]s offizieller Anhang sich so gebart, daß man in die Schranke treten kann, if necessary15. Ich muß mich nun erkundigen, wer seinen brieflichen Nachlaß hat. Ich werde sofort injunction16 einlegen - da das Memoirenaasgesindel, die Ludmilla17 usw., sich ganz dicht um diesen Nachlaß herumkreiselt -, daß keine Zeile von mir oder Dir gedruckt wird. In Preußen kann man dies nötigenfalls gerichtlich erzwingen. Was Amerika angeht, so halte ich, entre nous18, den gegenwärtigen Moment für sehr kritisch. Wenn Grant eine große Niederlage oder Sherman einen großen Sieg davon trägt, so all right19. Gefährlich chronische Reihe kleiner checks20, grade jetzt in der Wahlzeit. Ich bin ganz Deiner Meinung, daß bis jetzt Lincolns Wiederwahl ziemlich sicher ist, immer noch 100 gegen 1. Aber diese Wahlzeit ist in dem Musterland des Demokratenschwindels voll von Zufälligkeiten, die der Vernunft der Ereignisse (ein Ausdruck, den Magnus Urquhartus für ebenso verrückt hält als „the justice of a Iocomotive"21) ganz unerwartet ins Gesicht schlagen können. Waffenstillstand scheint dem Süden sehr nötig zu sein, um ihn vor gänzlicher Erschöpfung zu retten. Er hat nicht nur in seinen nordischen Organen, sondern direkt in den Richmondorganen diesen cry22 zuerst aufgebracht, obgleich der „Rich[mond] Examiner" ihn jetzt, wo er ein Echo in New York gefunden, mit Hohn den Yankees zurückwirft. Daß Mr. Davis sich entschlossen, die
10 jungen Männern vom Lande -11 durch Augenschein -12 minderwertiges Zeug - 13 Mitglieder -14 eine wichtige politische Persönlichkeit -ls wenn notwendig -16 gerichtliche Verwahrung - 17 Ludmilla Assing - 18 unter uns - 19 alles in Ordnung - 20 Schlappen 21 „die Gerechtigkeit einer Lokomotive" - 22 dieses Gerücht
Soldatenneger als „Kriegsgefangne" zu behandeln - letzter offizieller Befehl von seinem Kriegsminister23 ist sehr charakteristisch. Lincoln hat große Mittel in seiner Hand, um die Wahl durchzusetzen. (Friedensvorschläge seiner Seite natürlich mere humbug24.) Die Wahl eines Gegenkandidaten würde wahrscheinlich zu einer wirklichen Revolution führen. Aber bei alledem kann man nicht verkennen, daß für die kommenden 8 Wochen, in denen sich die Sache zunächst entscheidet, viel vom militärischen Zufall abhängt. Seit Anfang des Kriegs ist dies unbedingt der kritischste Punkt. Ist dieser shifted25, dann kann old Lincoln blunder on26 nach Herzenslust. Übrigens kann der Alte unmöglich Generale „machen". Minister könnte er schon besser wählen. Die Confederate papers27 attakkieren aber ihre Minister ganz ebenso wie die Yankees die Washingtoner. Kömmt Lincoln - wie sehr wahrscheinlich - diesmal durch, so auf einer viel radikaleren platform und unter ganz changed circumstances28. Der Alte wird dann, seiner juristischen Manier gemäß, radikalere Mittel mit seinem Gewissen vereinbar finden. Ich hoffe Dich morgen zu sehn! Gruß an Madfame] Liz[zy]29. Einliegend Photogramm von Laura. Das von Jenny, das ich stündlich erwarte, leider noch nicht eingetroffen. Salut old boy.30 Dein K.M.
23 James Alexander Seddon - 24 bloße Vorspiegelung - 25 überwunden - 26 der alte Lincoln Schnitzer machen - 27 Zeitungen der Konföderierten - 28 veränderten Umständen - 29 Lizzy
Zweiter Teil Briefe von Marx und Engels an dritte Personen
Januar 1860 - September 1864

1860
1
Marx an Bertalan Szemere in Paris
London, 12. Jan. 1860
My dear Sir! Haben Sie Dank für die Mühe, die Sie sich in meiner Sache gemacht haben!14511 Dieser Brief hat sich verzögert, weil ich wegen Ihrer Veröffentlichung mit einem Verleger verhandelt habe, der, nachdem er mich von einem Tag zum anderen hingehalten hat, sich schließlich zurückzog.14551 Bentley ist nicht der Mann für Sie. Versuchen Sie es einmal mit John Murray. Wenn Sie an diese Kerle schreiben, vergessen Sie niemals, als ehemaliger Minister zu unterzeichnen. Das bedeutet viel bei solchen Kriechern.
Ihr ergebener A.W.1
Würden Sie so freundlich sein, mich in Ihrem nächsten Briefe von dem wirklichen Stand der Dinge in Ungarn in Kenntnis zu setzen?
Aus dem Englischen.
1 A. Williams, Deckname von Marx
2
Marx an Ferdinand Lassalle in Berlin
London, 30. Jan. 1860
Lieber Lassalle, Dein Brief hat mich sehr gefreut. Ich glaubte nämlich, was ich auch Engels schrieb1 • - Du schriebst nicht aus Groll über meinen letzten Brief.1141 Ich habe nur wenige Minuten Zeit, da ich heute einen Leitartikel für die „N[ew]-Y[ork] Tribüne" zu schreiben habe. Also ganz kurz. 1. Die Broschüre über den „Kommunistenprozeß"2 schicke ich Dir umgehend. Du hast, soviel ich weiß, sie schon früher von mir erhalten. 2. Vogt hat sein TeUeringsches Machwerk1201 sorgfältig von hier ferngehalten - i.e. die erste Auflage. Weder Freiligrath (bei dem ich eben war), noch Kinkel, noch der „Hermann", noch irgendein hiesiger Buchhändler haben es erhalten. Der Reichshalunke will mir, of course3, einen Schritt abgewinnen. Was ich weiß, weiß ich aus der „National-Zeitung".14561 Lauter Stiebersche Lügen. Ich habe meinem Juristen4 in Berlin geschrieben, um die „N.-Z." wegen Verleumdung zu verklagen. Was hältst Du von einer solchen Prozedur? Schreibe darüber umgehend. Aus Deinem Brief sehe ich, daß Vogt selbst zugesteht, daß er von Bonaparte indirekt gekauft war, denn die manceuvres5 Deiner revolutionären Ungarn kenne ich.14571 Ich habe sie in London denunziert, in einem englischen Blatt und Herrn Kossuth 5 Copies zukommen lassen.14581 Er hat das Maul gehalten. In New York etc. haben die ungarischen Flüchtlinge Beschlüsse gegen ihn gefaßt. Deine Beweisführung ad vocem6 Vogt leuchtet mir nicht ein.14591 Ich werde eine Broschüre schreiben, sobald ich seinen Dreck habe. Aber zugleich in der Vorrede erklären, daß ich den Teufel nach dem Urteil Deines deutschen Publikums frage.
1 Siehe vorl. Band, S. 8 - 2 Karl Marx: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 3 natürlich - 4 Eduard Fischel - 5 Manöver - 6 betreffs
Liebknecht ist ein ehrenwerter Mann. Die A[ugsburger] „Allgemeine] ZJeitung]" ist ganz so gut - in meinen Augen - wie die „N.-Z." und die „Volhß-Zeitung".™ Von den Auszügen, die ich in der „N.-Zeitung" gesehn, folgt, daß Vogt eine Art Chenu oder de la Hodde.1291 3. Meine nationalökonomische Schrift, - wenn Heft II erschienen, enthält erst Schluß von Abteilung I, Buch I, und es sind 6 Bücher. Du kannst also nicht auf seinen Schluß warten.114801 Indes tust Du in Deinem eigenen Interesse gut, auf das folgende Heft zu warten, das die Quintessenz enthält. Daß es noch nicht in Berlin, ist die Schuld scheußlicher Umstände.
Salut K.M.
3
Marx an Bertalan Szemere in Paris
31.Jan.1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
My dear Sir! Aus Ihrem Schweigen schließe ich, daß Sie an meinem letzten Brief Anstoß genommen haben, aber, wie ich sagen darf, ohne hinreichenden Grund. Sie werden nicht leugnen, daß Sie mich durch Ihren eigenen Brief, den vorletzten, von dem Versprechen entbunden haben, das ich Ihnen gegeben hatte.14611 Andererseits können Sie jederzeit nach Berlin schreiben und von Herrn Duncker, dem Verleger, erfahren, daß er mich aufgefordert hat, nicht länger mit der Ubersendung des fälligen Manuskripts1271 an ihn zu zögern. Endlich war mein Vorschlag von Mr. Cavanagh natürlich in der Absicht erfolgt, Ihnen zu dienen, nicht mir, und ich schlug ihn nur als pis-aller1 vor. In der Zwischenzeit habe ich dafür gesorgt, daß, durch einen meiner Freunde, eine Notiz über Ihr Pamphlet (oder vielmehr über sein bevorstehendes Erscheinen) in der „ Weser-Zeitung" veröffentlicht wurde. Sobald Ihr Pamphlet in meine Hände gelangt ist, werde ich mit Vergnügen darüber einen ausführlichen Artikel an die „New-York Tribüne" geben. Kossuth hat versucht, durch einen weiteren Brief an McAdam in Glasgow die Öffentlichkeit in England auf sich aufmerksam zu machen. Diesmal ist sein Bemühen vollständig fehlgeschlagen. Da ist noch eine Sache, in der ich Sie um eine Information ersuche und mich für berechtigt halte, sie von Ihnen zu erbitten. Prof. Vogt (das Werkzeug von James Fazy in Genf, der, wie Vogt, mit Klapka und Kossuth in vertrauter Verbindung steht) hat ein Pamphlet über seinen Prozeß mit der Augsburger „Allgemeinen] Zeitung" veröffentlicht.1131 Dieses Pamphlet enthält die absurdesten Verleumdungen gegen mich, so daß ich mich gezwungen sehe, auf diese schändliche
Schmähschrift zu erwidern, obgleich mich die Zeit reut, die ich auf etwas so Erbärmliches verwenden muß. Nim gut. Er behauptet jetzt, daß er das Geld für seine Propaganda von revolutionären Ungarn erhalten habe, und läßt mehr oder weniger durchblicken, daß das Geld direkt aus Ungarn gekommen ist. Sehr unglaubwürdig, da Kossuth selbst nichts aus dieser Quelle erhalten konnte. Können Sie mich möglichst genau über Klapkas Verhältnisse vor dem Ausbruch des italienischen Krieges14621 informieren? Da ich gezwungen sein werde, in dem Pamphlet2, das ich zu schreiben beabsichtige, über Kossuth & Co. ziemlich ausführlich zu sprechen, würden Sie mich verpflichten, wenn Sie hinzufügen könnten, was Sie für neue Feststellungen hinsichtlich seiner jüngsten Transaktionen ausfindig machen konnten. Hat er von den 3 Millionen irgend etwas für die Bezahlung oder für die Bewaffnung eines ungarischen Korps ausgegeben? (Ich meine, abgesehen von dem Geld, das er militärischen und zivilen Würdenträgern gegeben hat.) Die Zeiten werden sehr kritisch, und ich hoffe, daß kein Mißverständnis unsere gemeinsame Aktion verhindern wird. Ihr ergebener A.W.3
Aus dem Englischen.
2 „Herr Vogt" -3 A. Williams, Deckname von Marx
4
Marx an Joachim Lelewel in Brüssel (Entwurf)
3. Februar 1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Mein lieber Lelewel, Seit 1848, als ein Pole1 mir in Köln einen Empfehlungsbrief von Ihnen brachte, hatte ich nicht das Vergnügen, mit Ihnen in Verbindung zu stehen. Ich richte diesen Brief in einer besonderen Angelegenheit an Sie. Ein gewisser Vogt, Professor in Genf, hat ein Pamphlet1131 veröffentlicht, das voll der übelsten Verleumdungen gegen meine Person und mein politisches Leben ist. Auf der einen Seite stellt er mich als einen unbedeutenden Menschen dar, andererseits unterstellt er mir die niederträchtigsten Motive. Er fälscht meine ganze Vergangenheit. Da ich den Vorzug hatte, mit Ihnen während meines Brüsseler Aufenthalts in freundschaftlichen Beziehungen zu stehen - ich werde niemals vergessen, wie Sie mich am 22. Februar 1848[463J auf der Gedenkfeier zu Ehren der Polnischen Revolution ehrten, als Sie mich in der Öffentlichkeit umarmten - bitte ich Sie, mir einen privaten Brief zu schreiben, in dem Sie mich Ihrer Freundschaft versichern und mir bestätigen, daß ich in Brüssel mit der polnischen Emigration in ehrenhaften Beziehungen gestanden habe.14641 Mit brüderlichem Gruß Ihr Karl Marx
Frau Marx, die sich Ihnen empfehlen läßt, hat meinen Brief für Sie abgeschrieben, da meine Handschrift unleserlich ist.
Aus dem Französischen.
5
Marx an Franz Duncker in Berlin
London, 6.Feb.l860
Hochgeehrter Herr! Ich ersuche Sie, die einliegende schriftliche Erklärung1, die ich gleichzeitig der „National-Zeitung" und dem „Publicisten" (dessen Richtung ich nicht kenne, der aber viel hier gelesen werden soll) in Berlin zugeschickt habe, ebenso der „Kölnischen Zeitung", dem „Frankfurter Journal", der Hamburger „Reform" und der A[ugsburger] „A\llgemeineri\ Z[eitung]" - gefälligst abdrucken zu lassen. Sie verpflichten mich sehr, wenn Sie Lassalle folgendes mitteilen: Meine Zeit erlaubt mir nicht, ihm heut zu antworten. Der Artikel über Kossuth2, den ich Szemere in Paris zugeschickt, on the express conditiori3 der sofortigen Zurücksendung, ist seit Monaten zurückbehalten. Ich werde ihm jetzt die Pistole auf die Brust setzen allegorisch, of course4. Lassalle wird mir großen Gefallen tun, wenn er Vogts Buch1131 per Post direkt an Engels schickt unter seiner Privatadresse: 6, Thorncliffe Grove, Oxford-Road, Manchester, wohin ich verreise.1441 Endlich wünschte ich sehr, daß er Kopien der Berliner Zeitungen, die die Erklärung aufnehmen, an dieselbe Adresse schickt. Hochachtungsvoll ergebenst Ihr K.Marx
1 Karl Marx: „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'" - 2 Karl Marx: „Kossuth und Louis-Napoleon" - 3 unter der ausdrücklichen Bedingung - 4 selbstverständlich
6
Marx an Ferdinand Freiligrath in London
8.Feb.I860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Lieber Freiligrath, Als alter Parteifreund und alter persönlicher Freund halte ich es für eine Pflicht, Dich von Schritten zu unterrichten, die ich im Interesse des Berliner Prozesses getan, die also bald, nur nicht unmittelbar, dem Publikum bekannt werden müssen. Du wirst Dich erinnern oder wirst aus dem Dir zugeschickten gedruckten englischen Zirkular1 wieder ersehn haben, daß Blind sich außer auf Hollingers, auf eines gewissen Setzers Wiehe schriftliche Erklärung in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]"[465] (usw.) bezog als Beweis, daß ich „eine glatte Unwahrheit"2 gesagt, daß „die Unterstellung eine Lüge war", daß er, Blind, Verfasser der Flugschrift „Zur Warnung" und daß letztre für ihn von Hollinger gedruckt, daß sie überhaupt aus Hollingers Setzerei hervorgegangen.14661 Ich teile Dir nun in wörtlicher Abschrift dieses Wiehes eidliche Erklärung vor dem Magistrat in Bow Street mit. Von dieser Erklärung erhielt ich ein amtlich beglaubigtes Duplikat. Ein Exemplar derselben ist bereits auf der Reise nach Berlin zu dem Dossier der Staatsanwaltschaft. Ich halte es für überflüssig, hier ein Wort Kommentar zu dem Aktenstück zuzufügen. Dein K.M.
1 Karl Marx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'" - 2 in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" und in „Herr Vogt" (siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.488) „platte Unwahrheit"
„One of the first days of November last - I do not recollect the exact date - in the evening between 9 and 10 o'clock I was taken out of bed by Mr. F. Hollinger, in whose house (3, Litchfield Street, Soho) I was then living, and by whom I was employed as compositor. He presented to me a paper to the effect, that I had been continuously employed by him during the preceding 11 months, and that during all that time a certain Germern flysheet ,Zur Warnung' (A Warning) had not been composed and printed in Mr. Hollinger's Office, 3, Litchfield Street, Soho. In my perplexed State, and not aware of the importance of the transaction I complied with his wish, and copied and signed the document. He promised me money, but I never received anything. During that transaction Mr. Charles Blind, as my wife told me at the time, was waiting in Mr. Hollinger's room. A few days later Mrs. Hollinger (Mr. F. Hollinger's wife) called me down from dinner and led me into her husband's room, where I found Mr. Charles Blind alone. He presented me the same paper which Mr. Hollinger had presented me before, and entreated me to write and sign a second copy, as he wanted two, the one for himself, the other for publication in the Press. He added that he would show himself grateful to me. I copied and signed again the paper. I herewith declare the truth of the above statements and that: 1. Düring the eleven months, mentioned in the document, I was for six weeks not employed by Mr. Hollinger, but by a Mr.Ermani. 2. I did not work in Mr. Hollinger's Office just at the time, when the flysheet ,Zur Warnung' (A Warning) was published. 3. I heard at the time from Mr.Voegele, who then worked for Mr.Hollinger.thathe,Voegele, had togetherwith Mr. Hollinger himself composed the flysheet in question, and that the manuscript was in Mr. Blind's handwriting. 4. The types of the pamphlet were still Standing, when I returned into Mr. Hollinger' 's Service. I myself broke them into columns for the reprint of the flysheet (or pamphlet) ,Zur Warnung' (A Warning) in the German paper ,Das Volk', published at London by Mr.Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho. The flysheet appeared in N.7, d.d. 18 June 1859 of ,Das Volk'. 5. I saw Mr. Hollinger give to Mr.William Liebknecht, of 14, Church Street, Soho, London, the proofsheet of the pamphlet ,Zur Warnung', on which proofsheet Mr. Charles Blind with his own hand had corrected 4 or 5 mistakes. Mr. Hollinger hesitated at first giving the proofsheet to Mr. Liebknecht, and when Mr. Liebknecht had withdrawn, he, F. Hollinger,
expressed to me and my fellowworkman Voegele his regret for having given the proofsheet out of his hands. Johann Friedrich Wiehe.
Declared and signed by the said Johann Friedrich Wiehe at the Police Court Bow Street, London, this 8th day of February, 1860, before me Th.3 Henry. Magistrate of the said Court."4
Police Court Englisches Wappen Bow Street
Ich ersuche Dich einstweilen, diese Kopie des Affidavits niemand mitzuteilen. Die kriminalgerichtlichen Konsequenzen desselben hier in England werden Dir nicht entgehn.
3 im Original: J. - 4 „An einem der ersten Tage des letzten Novembers - ich erinnere mich nicht mehr genau des Datums - des Abends zwischen 9 und 10 Uhr, wurde ich aus meinem Bett herausgeholt von Herrn F. Hollinger, in dessen Haus (3, Litchfield Street, Soho) ich damals wohnte und bei dem ich als SetzeT beschäftigt war. Er reichte mir ein Schriftstück dar, des Inhalts, daß ich während der vorhergehenden 11 Monate ununterbrochen bei ihm beschäftigt worden sei und daß während dieser ganzen Zeit ein gewisses deutsches Flugblatt ,Zur Warnung' nicht gesetzt und gedruckt worden sei in Herrn Hollingers Druckerei, 3, Litchfield Street, Soho. In meinem verwirrten Zustand und ohne Kenntnis über die Wichtigkeit der Transaktion erfüllte ich seinen Wunsch und kopierte und unterzeichnete das Dokument. Er versprach mir Geld, aber ich habe niemals etwas erhalten. Während dieser Transaktion wartete Herr Karl Blind, wie meine Frau mir später sagte, in Herrn Hollingers Zimmer. Ein paar Tage später rief mich Frau Hollinger (Herrn F. Hollingers Frau) vom Essen und führte mich in das Zimmer ihres Mannes, wo ich Herrn Karl Blind allein fand. Er präsentierte mir dasselbe Dokument, das Herr Hollinger mir zuvor präsentiert hatte, und bat mich dringend, eine zweite Kopie zu schreiben und zu unterzeichnen, da er deren zwei bedürfe, die eine für sich selbst und die andere zur Veröffentlichung in der Presse. Er fügte hinzu, daß er sich mir dankbar zeigen würde. Ich kopierte und zeichnete wiederum das Schriftstück. Ich erkläre hiermit die Wahrheit der obigen Aussagen und ferner 1. daß ich während der im Dokument erwähnten elf Monate sechs Wochen lang nicht von Herrn Hollinger beschäftigt wurde, sondern von einem Herrn Ermani. 2. Ich arbeitete nicht in Herrn Hollingers Geschäft gerade zur Zeit, als das Flugblatt ,Zur Warnung' veröffentlicht ward. 3. Ich hörte damals von Herrn Vögele, der damals für Herrn Hollinger arbeitete, daß er, Vögele, zusammen mit dem Herrn Hollinger selbst, das fragliche Flugblatt setzte und daß das Manuskript in Herrn Blinds Handschrift war.
4. Der Satz des Pamphlets stand noch, als ich in Herrn Hollingers Geschäft wieder eintrat. Ich selbst brach ihn um für den Wiederabdruck des Flugblatts (oder Pamphlets) ,Zur Warnung' in dem deutschen Blatt ,Das Volk', gedruckt von Herrn Fidelio Hollinger in London, 3, Litchfield Street, Soho. Das Flugblatt erschien in Nr.7 des ,Volk\ d.d. 18. Juni
5. Ich sah, wie Herr Hollinger Herrn Wilhelm Liebknecht, wohnhaft 14, Church Street. Soho, London, den Korrekturbogen des Pamphlets ,Zur Warnung' gab, auf welchem Korrekturbogen Herr Karl Blind mit seiner eigenen Hand 4 oder 5 Druckfehler korrigiert hatte. Herr Hollinger schwankte anfänglich, ob er den Korrekturbogen dem Herrn Liebknecht geben solle, und sobald sich Herr Liebknecht entfernt hatte, drückte F. Hollinger mir und meinem Mitarbeiter Vögele sein Bedauern aus, den Korrekturbogen aus der Hand gegeben zu haben. 1859.
Johann Friedrich Wiehe.
Erklärt und gezeichnet durch besagten Johann Friedrich Wiehe im Polizeigericht Bow Street, London, an diesem 8ten Tage des Februar 1860 vor mir Th. Henry, Richter am besagten Gericht.'
7
Marx an Justizrat Weber in Berlin
London, I3ten Februar 1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill
Hochgeehrter Herr, Ich hatte vorige Woche an einen Freund1 in Berlin geschrieben und ihn gebeten, einen Rechtsanwalt für eine Verleumdungsklage, die ich gegen die Berliner „National-Zeitung" anhängig machen muß, mir zu bezeichnen. Heute erhalte ich die Antwort, worin mein Freund Sie, Herr Justizrat, als den bedeutendsten Rechtsanwalt von Berlin bezeichnet. Ich nehme mir daher die Freiheit, Sie zu ersuchen, in der Verleumdungsklage, die ich unten näher spezifiziere, als mein Rechtsanwalt fungieren zu wollen. Sollte der vorläufige Vorschuß von 15 Talern, den ich einlege, nicht hinreichen, so telegraphieren Sie gefälligst an mich. Ich werde dann sofort die mehrerheischte Summe nachschicken. Ich schicke Ihnen einliegend meine Vollmacht und hoffe, daß dies Instrument genügt. Ich ersuche Sie dringend, sofort die Klage anhängig zu machen, damit sie nicht verjährt, und mir gefälligst durch telegraphische Depesche anzuzeigen, daß Sie die nötigen Schritte tun werden. Ich habe gleichzeitig hier in London eine action for libel2 gegen den „Daily Telegraph" eröffnet3, welches Blatt die Schmähartikel der „NationalZeitung" englisch reproduzierte. Mit vollkommner Hochachtung Ihr ganz ergebner Dr.Karl Marx (verte4)
Die Artikel der „National-Zeitung", worauf in vorgehendem Briefe angespielt ist, sind enthalten in Nr.37 (d.d. Sonntag, 22.Januar 1860) und
1 Eduard Fischel - 2 Verleumdungsklage - 3 siehe vorl. Band, S. 27 und 29/30 - 4 wenden
Nr.41 (d.d. Mittwoch, 25.Januar 1860) und sind beides Leitartikel. Ich werde später Gelegenheit haben, den animus5, der diese Artikel beseelt, durch weitere Mitteilungen Ihnen zu charakterisieren. Die bestimmten Punkte aber, worauf ich die Verleumdungsklage erhoben wünsche, da diese Punkte mir juristisch die schlagendsten scheinen, sind folgende: 1. In Nr.41 (Artikel ist überschrieben: „Wie man radikale Flugblätter macht") heißt es auf der dritten Spalte gegen Ende: „Blind hat zweimal in der .Allgemeinen Zeitung* rund erklärt, daß er nicht der Verfasser sei" (nämlich des Flugblatts „Zur Warnung"); „er sage dies nicht zur Entschuldigung Vogts, mit dem er nicht übereinstimme, sondern nur nach der Marx-Liebknecht-Biscampschen Seite hin... er" (Blind) „ist offenbar kein Mitglied der engeren Partei Marx. Uns scheint, daß es für diese nicht allzu schwer war, ihn zum Sündenbock zu machen, und wenn die Anklagen gegen Vogt Gewicht haben sollten, so mußten sie notwendig auf eine bestimmte Person zurückgeführt werden, welche dafür einzutreten hatte. Die Partei Marx konnte nun sehr leicht die Autorschaft des Flugblatts auf Blind wälzen, eben weil und nachdem dieser im Gespräch mit Marx und in dem Artikel der ,Free Press' sich in ähnlichem Sinne geäußert hatte; mit Benutzung dieser Blindschen Aussagen und Redewendungen konnte das Flugblatt geschmiedet werden, so daß es wie sein" (nämlich Blinds) „Fabrikat aussah." Ich bin hier also ganz direkt angeschuldigt, daß ich im Namen eines andern Mannes ein Flugblatt „geschmiedet" habe. Ferner: da die „National-Zeitung" in demselben Artikel (selbe Spalte, mehr oben) selbst ihren Lesern erzählt, ich habe der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" ein „Zeugnis des Setzers Vögele" eingeschickt, worin dieser aussage: „er kenne Blinds Handschrift aus früheren Manuskripten; er habe selber den ersten Teil des Flugblatts in der Druckerei von Hollinger gesetzt und dieser selbst den andern"[467); so insinuiert6 die „National-Zeitung" in dem oben zitierten Passus also nicht nur, daß ich ein Flugblatt geschmiedet, dem ich fälschlich das Aussehn eines Blindschen „Fabrikats" gegeben. Sie insinuiert direkt, daß ich ein falsches Dokument wissentlich der Augsb[urger] „Allgemeinen] Zeitung" eingeschickt habe. Und, um ihrem animus calumniandi7 die Krone aufzusetzen, fährt sie fort: „Hollinger erklärt darauf am 2.November: daß das Flugblatt in seiner Druckerei gedruckt worden, oder daß Blind der Verfasser desselben heiße, sei eine böswillige Erdichtung, und sein Schriftsetzer Wiehe,
6 Geist - 6 unterstellt - 7 ihrer verleumderischen Absicht
der seit 11 Monaten bei ihm arbeitet, tritt dieser Erklärung bei. Marx, immer schlagfertig, antwortet in der .Allgemeinen Zeitung' am 15.November: .Hollingers Erklärung ist einfach lächerlich. Hollinger weiß, daß er das englische Gesetz formell verletzte, als er das Flugblatt ohne Angabe des Druckorts herausgab.' Außerdem beruft sich Marx zu verschiedenen Malen darauf, daß Blind ihm mündlich vor dem Erscheinen des Flugblatts den Inhalt desselben mitgeteilt und dasselbe geschrieben, was nachher im Flugblatt stand; Blind habe daher, wegen Ubereinstimmung in Inhalt und Form, de prime abordB für den Verfasser gegolten." Die „National-Zeitung" läßt hier absichtlich, um den mich infamierenden, vorhin zitierten Passus einzuleiten, den für Juristen, namentlich englische Juristen, wichtigsten Teil meiner Erklärung9 im Beiblatt der Augsbürger „A.Z." vom 21 .November 1859 weg. Ich lege den Ausschnitt aus der Augsburger „A.Z." bei und habe das absichtlich von der „National-Zeitung" Weggelaßne in meiner Erklärung zu Ihrem Gebrauch unterstrichen. Es wäre nun, allem Rechtsusus gemäß, die Aufgabe der „Nat.-Zeit.", zu beweisen, daß ihre infamierende Anschuldigung gegen mich lüahr ist. Ich aber werde Ihnen die gerichtlichen Beweise schicken, daß sie falsch ist. Sie werden sogar sehn, daß ich nach englischem Recht jetzt im Stand bin, Herrn Blind wegen „conspiracy"10 gegen mich, wenn ich will, auf die Galeeren zu bringen. 2. In Nr. 37 der „Nat.-Zeit", Leitartikel, betitelt: „Karl Vogt und die ,Allgemeine Zeitung'", Spalte 2, heißt es wörtlich: „Vogt berichtet S. 136 und folg.: Unter dem Namen der Schwefelbande1511 oder auch der Bärstenheimer14681 war unter der Flüchtlingsschaft von 1849 eine Anzahl von Leuten bekannt, die, anfangs in der Schweiz, Frankreich und England zerstreut, sich allmählich in London sammelten und dort als ihr sichtbares Oberhaupt Herrn Marx verehrten." Ich werde Ihnen die Beweise schicken, daß hier zwei ganz verschiedne Genfer Gesellschaften zusammengeworfen werden, die beide nie in irgendeinem Verhältnis zu mir standen oder traten. Aber dies betrachte ich als bloße Nebensache. Der eigentliche Passus, worauf ich den zweiten Punkt der Verleumdungsklage basiert zu haben wünsche, ist der später kommende, worin es wörtlich heißt: „Eine der Hauptbeschäftigungen der" (angeblich unter meinem Kom
8 van allemAnfang an-9 „Erklärung" vom 15.November 1859 -10 „Verschwörung"
mando stehenden) „Schwefelbande war, Leute im Vaterlande so zu kompromittieren, daß sie Geld zahlen mußten, damit die Bande das Geheimnis ohne Kompromittierung bewahre. Nicht einer, sondern Hunderte von Briefen wurden nach Deutschland geschrieben, daß man die Beteiligung an diesem oder jenem Akte der Revolution denunzieren werde, wenn nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine gewisse Summe an eine bezeichnete Adresse gelange." Es wird nun die Aufgabe der „National-Zeitung" sein, für diese bodenlose Infamie, deren sie mich anschuldigt, nicht Hunderte von Briefen, nicht einen Brief, sondern eine einzige Zeile dem Gericht vorzulegen, eine Zeile, die eine solche infame Gelderpressung enthält und von der bewiesen werden kann, ich will nicht einmal sagen, daß sie Von mir selbst, sondern von irgendeiner Person ausgeht, die je in einem Verhältnis zu mir gestanden. Der oben angeführte Passus geht weiter fort wie folgt: „Nach dem Grundsatz, ,wer nicht unbedingt für uns ist', ist wider uns, wurde jeder, der diesem Treiben" (nämlich den vorhin geschilderten Gelddrohbriefen) „entgegentrat, unter den Flüchtlingen nicht bloß, sondern auch mittelst der Presse, ruiniert! Die ,Proletarier'" (als deren Chef ich dargestellt bin) „füllten die Spalten der reaktionären Presse in Deutschland mit ihren Angebereien gegen diejenigen Demokraten, welche ihnen nicht huldigten, sie wurden die Verbündeten der geheimen Polizei in Frankreich und Deutschland." Es wird der „Nat.-Zeit." natürlich leicht sein, von den gefüllten „Spalten der reaktionären Presse" eine einzige Zeile aufzuweisen, die von mir ausging oder Freunden von mir und „Angebereien" gegen irgendwelche „Demokraten" enthielt. Es ist sehr richtig — und dies ist das einzige fact —, daß Ferdinand Freiligrath ein satirisches Gedicht14691 gegen Herrn Kinkels Revolutionsanleihe und Revolutionsreise in den Vereinigten Staaten12291 erst in einer von meinem Freund Weydemeyer in New York herausgegebnen Zeitschrift11 drucken, später im „Morgenblatt" abdrucken ließ. Das war sicher keine „Angeberei". Die Tatsache ist, daß die sog, demokratische Emigration (die deutsche) die deutsche Presse mit dem albernsten Klatsch gegen mich füllte. In dem einzigen Fall, wo ich es der Mühe wert hielt zu antworten, nahm das Blatt, woran ich eine Berichtigung sandte, sie nicht auf.14701 Das einzige deutsche Blatt, woran ich seit meinem Exil schrieb, war die „Neue Od[er]-Zeitung". Die Korrespondenz dauerte ungefähr von Anfang
11 „Die Revolution" 29*
Januar bis Juli 1855. Nie erwähnte ich darin mit einer einzigen Zeile der Emigration. Was Liebknechts Korrespondenz mit der Augsb[urger] „Allgemeinen] . Zeitung" betrifft, die ebenfalls nie eine Zeile über die Emigration enthielt, übrigens ihm alle Ehre macht (ich meine ihr Inhalt), so geht sie mich absolut nichts an. Ich werde darüber Ihnen näher schreiben.12 Mein Bündnis mit der geheimen Polizei in Deutschland und Frankreich ist natürlich eine pikante Neuigkeit für mich. 3. In der vorhin zitierten Nr.41 „Wie man radikale Flugblätter macht" wirft die „National-Zeitung" die „Partei des Proletariats", als deren Chef sie mich bezeichnet, also mich zusammen mit einer „Verschwörung der schändlichsten Art, mit massenhafter Verfertigung von falschem Papiergeld etc.", die 1852 in der Schweiz stattgefunden haben soll, ebenso mit ähnlichen „Manövern" im Jahre 1859, die „nach dem Friedensschluß von Villafranca" Anfragen deutscher Staaten beim Schweizer „Bundesrat" veranlaßt haben soll. Daß ich absolut mit diesen Sachen nichts zu tun hatte, wie ich überhaupt seit September 1850 alle Agitation aufgegeben und, noch während der kölnische Communistenproces schwebte (1851-52), die Kommunistengesellschaft14'1, zu der ich gehörte, aufhob, seit der Zeit aber weder einer geheimen noch einer öffentlichen Gesellschaft angehöre - werde ich später weiter erörtern. Die absichtliche Verleumdung der „Nat.-Zeit." auch in diesem Punkt geht daraus hervor, daß sie aus dem Kölner Communistenproces wissen mußte, daß ich selbst durch die Advokaten in Köln das Subjekt, das 1852 in der Schweiz agiert haben soll, als Polizeiagent denunziert hatte, und daß Stieber selbst gezwungen war zuzugeben, daß dies Subjekt seit 1850 mit mir verfeindet sei. Ich werde Ihnen die Beweise bringen, wenn nötig, daß dies Subjekt (Cherval, sein wirklicher Name Crämer) nie mit mir in Verbindung stand, selbst nicht vor 1850. 4. Der letzte Punkt der Verleumdungsklage wäre zu gründen auf folgenden Passus, Nr.4l „Wie man radikale Flugblätter macht", Spalte 2, wo es heißt: „Woher das Geld für das freigebig verteilte Blatt kam" (nämlich das in London herausgegebne „Volk"), „wissen die Götter; daß Marx und Biscamp kein überflüssiges Geld haben, wissen die Menschen." Dieser Satz im Zusammenhang mit dem Geist der beiden Leitartikel, mit meiner Zusammenwerfung mit geheimer Polizei, Reaktionären und
durch Chantage13, mit Revolutionsdrohungen Geld erpressender Schwefelbande, soll andeuten, daß ich auf unehrenhafte Weise oder niederträchtigem Wege Geld für das „Volk" beigeschafft. Es wäre nun an der „NationalZeitung", diese Verleumdung zu beweisen. Ich aber werde Ihnen sowohl über die von mir zum „Volk" beigeschafften Geldbeiträge wie überhaupt, soweit es nötig, über meine Herrn Zabel bedenklichen Geldverhältnisse solche Mitteilungen machen, daß Sie das Gegenteil der von der „Nat.Zeit." vorgebrachten infamierenden Insinuation beweisen können. Ich ersuche Sie, mir gleichzeitig, wenn Sie mir antworten, die Punkte, über die Sie noch Aufklärung wünschen, mitzuteilen. 13ten Februar 1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park Haverstock Hill London14
P.S. Da es sonst zu spät würde für Absendung dieses Briefs, schicke ich die Vollmacht nach, morgen. Wenn irgend möglich, noch heute abend in einem anderen Kuvert.
13 Erpressung -14 Datum und Adresse wird wiederholt in Jenny Marx' Handschrift
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Engels an Franz Duncker in Berlin
6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, n , t u Manchester, 20. Febr. 1860 Geehrter Herr, Ich kam in den Besitz Ihrer werten Zeilen vom 13. und bin leider erst heute imstande, das Ms. abzuschicken, das hierbei erfolgt.14711 Ich glaube kaum, daß es 3 Druckbogen überschreiten wird. Die Vorbehalte wegen der prinzipiellen Bedenken, die Sie machen, versteh' ich nicht recht, es sei denn, daß Sie sich im allgemeinen vorbehalten wollten, das Ms. erst zu sehn. Ich kann nicht glauben, daß Sie die moralische, logische und ästhetische Verantwortlichkeit übernehmen wollen für alles, was bei Ihnen erscheint, von Marx bis zu Jacobus Venedey und von Lassalle bis zu Palleske, oder daß Sie Ihren Verlag an die Tendenz der „Volks-Zeitung" binden wollten, die ich nicht beurteilen kann, da sie nicht nach Manchester kommt. Sollten jedoch die prinzipiellen Bedenken sich auf Lassalles Broschüre über Italien14721 beziehen, die allerdings mit meiner Auffassung des Gegenstandes nicht stimmt, so weiß ich allerdings solche Rücksichten Ihrerseits zu achten, weiß aber auch, daß Lassalle gewiß der letzte ist, damit zu wünschen, daß man hierauf hin rechne. Ich schreibe deshalb an L[assalle], von dem ich überzeugt bin, daß er es gleich einer Beleidigung ansehn würde, wenn man von ihm dächte, er sei fähig, der Publikation einer Schrift das Geringste in den Weg zu legen, die von seiner Auffassung des Gegenstandes abweicht. Für den Fall, daß Ihnen dennoch entweder die Ausdehnung oder die Prinzipien der Broschüre für Ihren Verlag unzulässig erscheinen [sollten]1, bitte ich Sie, solche innerhalb 24 Stunden nach Empfang an Herrn Bildhauer B. Afinger Linienstraße 173, Berlin, zustellen zu wollen. Den Brief an Borkh[eim] habe ich besorgt. Achtungsvoll Ihr ergebner Friedrich Engels
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Engels an Ferdinand Lassalle in Berlin
6, Thorncl. Grove, Oxf.Road, Manchester, 20. Febr. 1860
Lieber Lassalle, Zur Einsendung des Vogtschen Machwerks113' meinen besten Dank. Unten mehr darüber. Wie Duncker Ihnen vielleicht gesagt haben wird, habe ich ihm eine Art Fortsetzung von „Po und Rhein"1 angeboten, die er akzeptiert unter Vorbehalt „prinzipieller Bedenken"2. Obwohl es mir nun ziemlich neu ist, daß der Verleger für die in einer Schrift vertretenen Prinzipien einstehn soll und nicht der Verfasser, so hab' ich mir doch vergebens Mühe gegeben, auszufinden, was damit gemeint sein kann. DJuncker] wird doch nicht verlangen, daß sein Verlag eine bloße Amplifikation der „Volks-Zeitung" ist, die ich übrigens hier nicht zu Gesicht bekomme. Endlich ist mir eingefallen, D[uncker] habe vielleicht Wind, daß ich in der italienischen Frage andrer Ansicht bin als Sie, und mache diesen Vorbehalt aus überzarter Rücksicht auf Ihre Broschüre1472'. Ich bin überzeugt, daß, wenn dies der Fall sein sollte, ich Sie nur darauf aufmerksam zu machen brauche, damit Sie D[uncker] darüber beruhigen. Bei Ihrer Objektivität, das weiß ich, würden Sie es als eine Beleidigung ansehn, wenn jemand von Ihnen voraussetzte, Sie wären fähig, die Unterdrückung einer Schrift auch nur entfernt zu wünschen, weil dieselbe in einer solchen Frage Ihrer Ansicht entgegensteht. Ich habe mich in der Tat lange besinnen müssen, ehe ich mich entschließen konnte, Ihnen diesen Punkt zu erwähnen, aus Furcht, Sie möchten es mir übelnehmen, daß ich die Möglichkeit solcher Unterstellungen auch nur bei andern voraussetzte. Doch da ich mir D[uncker]s Bedenken anders nicht zu erklären weiß, so bleibt mir nichts andres übrig. Mit Vogt fertig zu werden ist ein purer Spaß. Diesen alten aufgewärmten Kohl, den wir schon vor 8 Jahren abgemacht haben1473' (was der kleine Genfer Spießbürger in seinem abgelegnen Winkel nicht weiß), werden
wir schon so auflösen, daß nichts übrigbleiben soll, als der von Vogt hineingeblasene und ihm gehörige Gestank. Übrigens haben Blinds, Biscamps und namentlich Lupus' Erklärung14741 den Kerl schon so kompromittiert, daß uns, wenn dies so fortgeht, wahrhaftig nichts zu tun übrigbleiben wird. Dazu nun noch Schaibles Erklärung1661 über die Entstehung des Flugblatts „Zur Warnung", die den ganzen Augsburger Prozeß14751 nullifiziert und Vogt doch schließlich zwingen wird, wenn er einen negativen Beweis führen will, dies in London zu tun. Wir haben natürlich bei der Gelegenheit unsre ganzen Archive wieder durchstöbern müssen, darin haben wir die Lebensgeschichte der ganzen demokratischen Bande, und können jeden davon totmachen. Dieser unwissende Vogt mit seinem Techowschen Brief1411 (den er noch dazu gestohlen hat) und seinem kleinen Genfer Winkelklatsch, der sich einbildet, wir andern wären gradeso unwissend, gradeso gemein und gradeso feig wie er. Der soll sich wundern. Freundschaftlichst Ihr Engels
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Marx an Justizrat Weber in Berlin
6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester, 21. Feb. 1860
Hochgeehrter Herr Justizrat, Ich schickte Ihnen nicht umgehend nach meinen ersten Brief die Vollmacht, weil ich in demselben Brief nachträglich Sie gebeten hatte, mir zu telegraphieren.1 Ich wartete ein paar Tage und hielt es dann für besser, bis zu dem Termin (nämlich gestern 20. Feb.) zu warten, wo Ihr Antwortschreiben von Berlin in London sein konnte. Da letztres nicht eingetroffen ist und Sie andrerseits mir nicht durch Telegraph die Bitte abgeschlagen, als mein Rechtsanwalt aufzutreten, nehme ich an, daß Sie meinen Auftrag akzeptiert haben. Um weitern Zeitverlust zu vermeiden, schicke ich Ihnen in diesem registrierten Brief daher: 1. Die Vollmacht; 2. 72 Anlagen, nebst Übersetzung, wo das Original englisch. Diese Anlagen bestehn: 1. Affidavit des A. Vögele3; 2. Affidavit des J.F.Wiehe4; 3. Mein englisches Zirkular gegen Blind5. 4. u. 5. Zwei Briefe der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" an mich in dieser Angelegenheit6. 6. Die Erklärung des Dr. Schaible im London „Daily Telegraph", vom 15ten Feb. 1860, p.5, Spalte 5, der Paragraph überschrieben: „The VogtPamphlet"7. 7. Einen Brief von K.Blind an Liebknecht d.d.8. Sept. 18598. Ich werde mir die Freiheit nehmen, morgen, wo ich vielleicht schon ein Schreiben von Ihnen in der Hand habe, einen Kommentar zu diesen
1 Siehe vorl. Band, S. 448 - 2 in der Handschrift: 6 - 3 siehe Band 14 unserer Ausgabe, S. 674 4 siehe vorl. Band, S. 444- 446, sowie Band 14 unserer Ausgabe, S.486/487 und 675 - 5 „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung*" - 6 siehe Band 14 unserer Ausgabe,
Dokumenten zu überschicken. Sie sehn jedoch auf den ersten Blick sofort, daß die in Nr. 41 mir von der ,,Nat[ional]-Zeit[ung]" untergeschobne Infamie, wonach ich als anonymer Fabrikant im Namen andrer Leute zirkulieren sollender Papiere dargestellt werde, gerichtlich und unwiderleglich als eine infame Verleumdung bewiesen ist. In bezug auf die Affidavits (Erklärungen vor dem Gericht an Eides Statt) bemerke ich nur noch dies: Sie werden sehn, daß in Affidavit Anlage II das Wort „upon oath" (auf Eid) vom Magistrat ausgestrichen ist. Er erklärte uns nämlich, daß die Erklärung vor ihm an Eides Statt gelte, daß eine falsche Erklärung Felonie9 sei, daher mit Transportation10 bestrafbar, daß aber, nach englischem Recht ein eigentlicher Eid nur in Gegenwart der inkulpierten11 Person beschworen werden könne. Indem ich alles Weitere für morgen aufschiebe, verbleibe ich Mit vollkommner Hochachtung Ihr ganz ergebner Dr K.Marx
Ich bin hier auf unbestimmte Zeit und bitte daher alle Briefe zu adressieren nach meiner Wohnung: 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London. Ich habe in der Vollmacht die Stelle zur Ausfüllung der Namen der Redakteure der „National-Zeitung" offengelassen.
9 hier: Meineid -10 Deportation -11 beschuldigten
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Marx an Ferdinand Ftfeiligrath in London
23. Feb. 18601. Manchester, 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road
Lieber Freiligrath, Ich schicke Dir einen abermaligen, und zwar letzten Brief in der Angelegenheit Vogt zu. Den Empfang meiner beiden ersten Zusendungen2 hast Du nicht einmal acknowledged3, was Du jedem Philister gegenüber tun würdest. Ich kann mir unmöglich denken, Du bildetest Dir ein, ich wolle einen Brief von Dir auspressen zu öffentlichen Zwecken. Du weißt, daß ich wenigstens 200 Briefe von Dir besitze, worin hinlängliches Material, um nötigenfalls Dein Verhältnis zu mir und zur Partei zu konstatieren. Ich schreibe Dir diesen Brief, weil Du als Poet, und zugleich von Geschäften überhäuft, Dich zu täuschen scheinst über die Tragweite der zu Berlin und London von mir geführten Prozesse.1476' Sie sind entscheidend für die historische Vindikation4 der Partei und für ihre spätere Stellung in Deutschland; der Berliner Prozeß um so mehr, als gleichzeitig der hauptsächlich um den Kölner Kommunistenprozeß121 sich drehende Prozeß Eichhoff-Stieber1311 verhandelt wird. Die grievances5, die Du gegen mich etwa haben kannst, sind: 1. Ich habe Deinen Namen mißbraucht (wie Du Faucher sagtest). 2. Die Art von Szene, die ich Dir in Deinem Office machte. ad 1. Ich selbst habe nie Deinen Namen genannt, außer daß ich in der A[ugsbwger] „Allgemeinen] Z[eitung]" sagte, Blind habe Dir ungefähr dasselbe erzählt wie mir6. Dies ist ein fact. Ich erkannte von vornherein die Wichtigkeit, auf den wahren Ursprung des Pamphlets14771 hinzuweisen, und ich hatte das Recht, einen Zeugen über Blinds Aussage zu zitieren. Was Liebknechts Brief an die Redaktion der A. „A.Z." betrifft, worin er sich auf Dich und mich beruft (mit Bezug auf Blind)14781, so wird er nötigenfalls eidlich versichern, daß dies ohne mein Wissen geschah, ganz wie
1 Im Original: 1850 - 2 siehe vorl. Band, S.444-447 - 3 bestätigt - 4 Rechtfertigung
er ohne mein Wissen und während meiner Anwesenheit zu Manchester, der Augsb. „Allg. Zeit." das Flugblatt „Zur Warnung" zuschickte. Als die A. „A.Z." von Vogt verklagt, sich an ihn wandte, zweifelte er noch, ob ich ihn, wie ich konnte, desavouieren werde oder nicht, und war sogar erstaunt, als ich sofort erklärte, ich würde mein Bestes für ihn tun. Daß ich ihn in Schutz nahm gegen Deinen Brief an ihn - in dem Briefe, den ich an Dich richteteli79i - geschah einfach, weil es mir ungroßmütig von Dir schien, von einem Manne von Ruhm und bürgerlicher Position, in dieser rauhen Form an ein namenloses und in einem Dachzimmer hausendes Mitglied der Partei zu schreiben, mit dem Du bis dahin kordial verkehrt hattest. Was den gereizten Ton meines eignen Briefs betraf, so war er verschiednen Gründen geschuldet. Einmal hatte es mich tief verletzt, daß Du dem Blind mehr zu glauben schienst als mir. Zweitens, aus einem Brief, den Du mir betreffend des „Moming Advertiser" (Schillerfestartikel) in sehr gereiztem Ton schriebst, schien hervorzugehn, daß Du mich der Infamie fähig hieltst, nicht nur in Blinds Artikel 14801 eine Injurie heimlich gegen Dich einzuschmuggeln, sondern diese sogar dann wieder Dir gegenüber, als Blinds Machwerk zu denunzieren. Ich wüßte durchaus nicht, wodurch ich solch infamierenden Verdacht verdient hätte. Drittens zeigtest Du meinen Privatbrief an Dich dem Blind. Endlich hatte ich wohl das Recht zu erwarten, namentlich nach dem „Gartenlauben"-Artikel7, daß Du Deiner Erklärung in der A. „A.Z." eine wenn auch noch so leise Andeutung zufügen würdest, die der Erklärung den Schein benahm, als sei sie ein persönlicher Bruch mit mir und eine öffentliche Lossagung von der Partei. Daß nun gar Deine zweite Erklärung mit Blinds zusammen erschien und Dein Name seine Lüge und Fälschung deckte, konnte mich unmöglich erbauen.14811 Ich gebe Dir übrigens mein Ehrenwort, daß sämtliche Erklärungen Liebknechts in der A. „A.Z." mir vor ihrer Veröffentlichung total unbekannt waren.14821 ad 2. An dem Tage, wo ich in Dein Office kam, waren eben beide Nummern der „National]-Zeitung" (die erste enthielt die später im „Telegraph" erschienenen Schandauszüge und Kommentare) in meinem Hause von Berlin angelangt. In meinem Hause herrschte der höchste Aufruhr und der Zustand meiner armen Frau war wahrhaft erschütternd. Gleichzeitig hatte
ich von Deutschland einen Brief erhalten, worin mir mitgeteilt ward, außer den in der A. „A.Z." erschienenen Erklärungen von Dir befinde sich in der Schandschrift Vogts1131 ein Brief von Dir14831, woraus Dein intimes Verhältnis mit Vogt hervorleuchte, und daß namentlich Dein Name der einzige von Bedeutung sei, aus dem Vogt politisches Kapital mache, und der seiner Infamie Schein vor dem Publikum gebe. Versetze Dich selbst unter diese Umstände, und frage Dich, ob nicht vielleicht auch bei Dir das Blut über den Verstand einen Augenblick die Herrschaft erlangt hätte. Ich wiederhole Dir noch einmal: dieser Brief handelt nicht von einem Privatinteresse. In dem Londoner Prozeß kann ich Dich ohne Deine Erlaubnis als Zeugen subpoenaen8 lassen. Für den Berliner Prozeß bin ich im Besitz von Briefen von Dir, die ich nötigenfalls ad acta geben kann. Ebensowenig stehe ich in dieser Sache isoliert. Von allen Seiten - Belgien, Schweiz, Frankreich und England - hat der Schandangriff Vogts mir unerwartete Bundesgenossen zugeführt, selbst von Leuten, die ganz andrer Richtung angehören. Aber einmal wäre es jedenfalls für beide Seiten und für die Sache besser, en entente9 zu handeln. Andrerseits sage ich Dir unumwunden, daß ich mich nicht entschließen kann, einen der wenigen Männer, die ich im eminenten Sinn des Wortes als Freunde geliebt habe, wegen irrelevanter Mißverständnisse zu verlieren. Wenn ich irgendwo gegen Dich gefehlt habe, so bin ich jeden Augenblick bereit, meinen Fehler einzugestehn. Nihil humani a me alienum puto.14841 Schließlich begreife ich sehr wohl, daß in Deiner jetzigen Stellung jede Affäre, wie die vorliegende, Dir nur widerwärtig sein kann. Du, Deinerseits, wirst einsehn, daß es unmöglich, Dich ganz aus dem Spiel zu lassen. Einmal, weil Vogt mit Deinem Namen politisches Kapital macht und sich den Schein gibt, als werfe er, Deiner Zustimmung gewiß, Schmutz auf die ganze Partei, die sich rühmt, Dich zu den ihrigen zu zählen. Zudem bist Du zufällig das einzige Mitglied der früheren Kölner Zentralbehörde10, das von Ende 1849 bis Frühling 1851 zu Köln, und von da bis jetzt zu London hauste. Wenn wir beide das Bewußtsein haben, daß wir, jeder in seiner Weise, mit Hintansetzung aller Privatinteressen, und aus den reinsten Motiven, jahrelang das Banner für die „classe la plus Iaborieuse et Ia plus mise
8 vorladen - 9 im Einverständnis -10 des Bundes der Kommunisten
rable"14851 hoch über den Philisterköpfen schwangen, so würde ich es für eine kleinliche Sünde gegen die Geschichte halten, sollten wir uns wegen Lappalien - alle in Mißverständnisse auflösbar - entzweien. Mit der aufrichtigsten Freundschaft Dein Karl Marx
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Marx an Ferdinand Lassalle in Berlin
23. Feb. 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Lieber Lassalle, In diesem Augenblick, wo ich zwei Prozesse zu führen habe, einen in Berlin, einen in London1, andrerseits reine Erwerbsarbeit zu verrichten habe, kann ich Dir nur wenige Zeilen schreiben. Die „viele Wahrheit", die Du in dem Vogtschen Romanf131 entdeckt hast, hat mich, seit ich das Buch gesehn, in der Tat erstaunt; ebenso die timiden2 Ratschläge, die Du mir gabst. Das einzige nicht ganz Erlogne, Techows Brief oder vielmehr den Inhalt desselben'411, hatte ich vor 7 Jahren in einem Pamphlet, erschienen in New York, und betitelt: „Der Ritter vom edelmütigen Bewußtsein", so widerlegt, daß alle Kläffer, die damals noch alle zusammen waren, das Maul hielten, kein Wort der Erwiderung wagten. Was ich von Dir wünsche und was von der höchsten Wichtigkeit für mich ist, ist, herauszubringen, wer der Berliner Korrespondent des „Daily Telegraph" in Berlin ist, und wo das Vieh wohnt, Straße und Hausnummer. Ich glaube, es ist ein Jude, der Meier heißt.[50] Es kann Dir bei Deiner Stellung in Berlin auf keinen Fall schwer sein, dies herauszubringen. Ich bitte, es mir sofort anzuzeigen.3 Beiliegend die Broschüre über den Kommunistenprozeß 4
Dein K.M.
P.S. Was mein Mißtrauen angeht (Du zwingst mich als Staatsmann Blind zu reden, vide A[ugsburger] „A[Ilgemeine] Z[eitung]"[486]), so kannst
1 Siehe vorl. Band, S. 459 - 2 furchtsamen - 3 siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.602if. 4 Karl Marx: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln"
Du jedenfalls nicht darüber klagen. Ich schicke Dir z.B. einliegenden Zettel von Baltimore (United States) zu. Diesen Zettel erhielt ich privatim.14871 Die offiziellen Anklagen gegen Dich (darunter die Aussage einer Arbeiterdeputation von Düsseldorf5) befinden sich in den Bundesakten, die nicht in meinem Besitz sind und worüber ich nicht verfügen kann.
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Marx an Justizrat Weber in Berlin
24. Febr. 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Hochgeehrter Herr, Es wundert mich, daß auch gestern noch keine Empfangsanzeige des Ihnen am 13. Febr. zugesandten registrierten Briefes1 von Berlin angekommen war. Gestern sandte ich Ihnen von hier - Manchester - einen zweiten registrierten Brief2, Vollmacht nebst sieben Anlagen, und erlaube mir heute, mit Bezug auf die erwähnten und numerierten Anlagen, einige fernere Randglossen zu den Hauptpunkten, die nach meiner Ansicht in der Verleumdungsklage gegen die Berliner „National-Zeitung" zu betonen sind. Ich schließe gleichzeitig ein einen Brief vom 19. Nov. 185214881 und ein Exemplar der von mir 1853 veröffentlichten „Enthüllungen"3. I. a) Das anonyme Flugblatt „Zur Warnung". In Nr.41 der Berliner „National-Zeitung", Leitartikel, „Wie man radikale Flugblätter macht", Seite 1, Spalte 3, heißt es wörtlich: „Die Partei Marx konnte nun sehr leicht die Autorschaft des Flugblatts auf Blind wälzen, eben weil und nachdem dieser im Gespräch mit Marx und in dem Artikel der ,Free Press' sich in ähnlichem Sinne geäußert hatte; mit Benutzung dieser Blindschen Aussagen und Redewendungen konnte das Flugblatt geschmiedet werden, so daß es wie sein" (sc.4 Blinds) „Fabrikat aussah." Uberhaupt ist der ganze animus5 dieser Spalte, mich als den Schmieder des besagten Flugblatts darzustellen und mich zugleich mit der Infamie zu belasten, demselben das Aussehn gegeben zu haben, als sei es Von Blind fabriziert. Ehe ich nun zu dem, in den gestern geschickten Anlagen enthaltnen
1 Siehe vorl. Band, S. 448- 453 - 2 siehe vorl. Band, S. 457-460 - 3 „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 4 nämlich - 6 Zweck
Beweise komme, halte ich es für nötig, Ihnen die Geschichte dieser Kontroverse kurz zusammenzustellen. Die Augsburger „Allgemeine Zeitung", während ihres Prozesses mit Vogt, veröffentlichte unter andern Aktenstücken folgenden Brief von mir:
J 9. Oktober 1859, 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London.
Mein Herr, Solange ich eine Hand in der deutschen Presse hatte, habe ich die .Allgem. Zeitung* angegriffen, und hat die ,Allgem. Zeitung' mich angegriffen; dies hindert mich natürlich keineswegs, der .Allgem. Zeitung', soweit ich kann, behülflich zu sein in einem Fall, worin sie meiner Überzeugung nach die erste Pflicht der Presse erfüllt hat, die der Denunziation von Humbugs6. Das anliegende Dokument wäre ein gerichtliches Dokument hier in London. Ich weiß nicht, ob es so in Augsburg ist. Ich habe mir besagtes Dokument verschafft, weil Blind verweigerte, für Äußerungen einzustehn, die er mir und andern gegenüber gemacht, die ich Liebknecht wiedererzählte, und die ihm kein Bedenken über die in dem anonymen Pamphlet enthaltne Denunziation erlaubte. Ihr ganz ergebner Dr. K. Marx."7 Das diesem Brief an die „Allg.Zeit." beigelegte und ebenfalls von ihr veröffentlichte Aktenstück lautet also: „ Ich erkläre hiemit in Gegenwart von Dr. Karl Marx und Wilhelm Liebknecht, daß das unter dem Titel ,Zur Warnung' anonym und ohne Angabe des Druckorts herausgegebne Flugblatt, das in Nr. 7 des ,Volk' abgedruckt wurde, 1. in der Druckerei des Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho, gesetzt und gedruckt ist, indem ich selbst einen Teil des Manuskripts, F.Hollinger den andern setzte; 2. daß es in der Handschrift von Karl Blind geschrieben war, die mir bekannt ist aus Manuskripten des Karl Blind für den .Hermann' und aus anonym von Karl Blind geschriebenen Flugschriften, die an dem angeblichen Druckort .Frankfurt a. M.\ in der Tat aber bei F. Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho, gesetzt und gedruckt sind; 3. daß Fidelio Hollinger selbst den Karl Blind mir als Verfasser des gegen Prof. Vogt gerichteten Flugblatts ,Zur Warnung' bezeichnet hat. August Vögele, Setzer. Die Richtigkeit der vorstehenden Unterschrift bezeugt W.Liebknecht, Dr.K.Marx. London, 17.Sept. 1859."14891 (Sieh Vogts Schrift: „Mein Prozeß gegen die ,Allg.Zeitung'" Dokumente, p.30, 31.)
6 Entlarvung von Schwindeleien - 7 „Brief an den Redakteur der .Allgemeinen Zeitung*"
In Antwort hierauf erschien in Nr.313 der „Allgem.Zeitung" und in der „Kölnischen Zeitung" folgender Brief von Karl Blind, nebst beigelegten Zeugnissen von Hollinger und Wiehe: „London, 23, Townshead Road, St. John's Wood, 3.Nov. 1859. Zur Abweisung der Angabe, als sei ich der Verfasser des Flugblatts ,Zur Warnung', veröffentliche ich nur folgendes Dokument. Dies nur als Abwehr nicht zur Rechtfertigung Karl Vogts, dessen Handlungsweise ich und meine Freunde von der republikanischen Partei, nach allem was uns seit einem halben Jahre bekannt wurde, unbedingt verurteilen müssen. Bezeugen kann ich die Richtigkeit der von Herrn Julius Fröbel gemachten Mitteilung, daß von Seiten Vogts allerdings Geldanerbietungen hierher gelangten, um hiesige Deutsche zu bestimmen, in dem bekannten Sinn auf die vaterländische Presse einzuwirken. Karl Blind." a) „Ich erkläre hiermit die in Nr.300 der ,Allg.Z.' enthaltene Behauptung des Setzers Vögele, als sei das dort erwähnte Flugblatt ,Zur Warnung' in meiner Druckerei gedruckt worden oder als sei Herr Karl Blind der Urheber desselben, für eine böswillige Erdichtung. Fidelio Hollinger. 3, Litchfield Street, Soho, London, 2. Nov. 1859." b) „Der Unterzeichnete, der seit 11 Monaten in Nr.3, Litchfield Street, wohnt und arbeitet, gibt seinerseits Zeugnis für die Richtigkeit der Aussage des Herrn Hollinger. London 2. Nov. 1859. J.F. Wiehe, Schriftsetzer." (Vergleich Vogts Buch, Dokumente, S.37 und 38.) Hierauf erwiderte ich in Nr.325 der „Allg.Zeit."8 und habe Ihnen den betreffenden Ausschnitt aus der A[ugsburger] „A.Z." in meinem ersten Brief von London9 eingeschlossen. Karl Blind seinerseits gab eine neue Entgegnung in der Beilage der „Allg.Zeit." vom 1 Iten Dezember, worin die Redaktion erklärt: „Herr Karl Blind erklärt im wesentlichen: Indem ich mich wiederholt auf die von dem Druckereibesitzer Herrn Hollinger und dem Schriftsetzer Wiehe gezeichneten Dokumente berufe, erkläre ich zum letztenmal, die jetzt nur noch als Insinuation10 auftretende Unterstellung, als sei ich der Verfasser des oft erwähnten Flugblattes, für eine platte11 Unwahrheit. In den neueren Angaben über mich finden sich die gröbsten Entstellungen. Noch einmal: dies nur als Abwehr gegen die Marx-Biscamp-Liebknechtsche Seite hin, nicht zur Rechtfertigung Vogts, gegen den ich mich schon früher ausgesprochen."
8 „Erklärung" vom 15.November 1859 - 9 siehe vorl. Band, S. 448 - 453 - 10 Verleum
Zu dieser Erklärung bemerkte die Redaktion der „AUgem.Zeit.". „Da fernere Aufklärungen dieser Verhältnisse oder das Hin- und Herziehen derselben in diesen Blättern längst für das größere Publikum jedes Interesse verloren hat, so ersuchen wir die betreffenden Herrn, die dies angeht, auf etwaige weitere Entgegnungen zu verzichten." (cf. Vogts Buch, Dokumente, p.41, 42.)14901 Damit waren einstweilen die Akten geschlossen. Sobald mir die Artikel •der „National-Zeitung" mit dem Auszug aus Vogts Pamphlet und dem Kommentar darüber zu Gesicht kamen, veröffentlichte ich zunächst das englische Zirkular12 (Anlage III), gerichtet an den Redakteur der Londoner „Free Press". Ihr Zweck war, den K.Blind zu einer Injurienklage13 gegen mich zu veranlassen und mir so Gelegenheit zu geben, erstens in London die gerichtlichen Beweise über Druck und Urheberschaft des Pamphlets „Zur Warnung" beizubringen, zweitens den wirklichen Verfasser desselben zu zwingen, sein Überführungsstück gegen Vogt einem englischen Gerichtshof vorzulegen. Die nächste Folge dieses Zirkulars (Anlage III), das ich, sobald es gedruckt war, sofort Karl Blind zusandte, war K. Blinds Erklärung, die in der „Allgem.Zeitung" vom 13ten Februar erschien, in der Beilage zu Nr. 44. In dieser Erklärung, überschrieben „Gegen Karl Vogt", wiederholt Blind, daß er nicht „Verfasser" des gegen Vogt gerichteten Flugblatts „Zur Warnung" sei, rückt aber, durch mein Zirkular gezwungen, mit einigen Argumenten hervor, daß Vogt ein Agent der bonapartistischen Propaganda in London sei. Dies war die unmittelbare Folge des ersten Schritts, den ich durch Veröffentlichung des Zirkulars (Anlage III) getan. Unterdessen hatte ich mir die beiden Affidavits14 der Setzer Vögele und Wiehe (Anlage I und II) verschafft. Diese Affidavits bewiesen: Erstens: daß meine Behauptung, das Flugblatt „Zur Warnung" sei in der Setzerei des Hollinger gedruckt und in Blinds Handschrift geschrieben, wahr war. Zweitens: daß die von Blind in Nr.313 der „Allg.Zeit.", ebenso in der „Köln[ischen] Zeit[ung]", beigebrachten und von Blind in der Beilage der „Allg.Zeit." vom 1 Iten Dezember wieder angezognen Zeugnisse von Hollinger und Wiehe falsch waren. Drittens: Daß Blind und Hollinger (siehe Anlage II, das Affidavit des Schriftsetzers Wiehe) eine conspiracy (Verschwörung) eingegangen, um falsche Zeugnisse gegen mich zu erhalten, und mich in der öffentlichen Meinung als einen Lügner und Verleumder
12 „ Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'" -13 Beleidigungsklage -14 eides stattlichen Erklärungen
zu verunglimpfen. Eine solche conspiracy ist nach englischem Recht knminell. Der einzige Umstand, der mich verhindert hat, Hollinger und Blind, kriminell zu verfolgen, ist Rücksicht auf Blinds Familie. Von den Affidavits (Anlage I und II) der beiden Setzer Vögele und Wiehe schickte ich die Abschrift an einige mit Blind verkehrende Flüchtlinge, welche sie ihm mitteilten. Die unmittelbare Folge war die Erklärung des Dr.Schaible im „Daily Telegraph" vom 15ten Febr. 1860, worin Schaible sich als Verfasser des Flugblatts „Zur Warnung" nennt und für die darin enthaltnen Beschuldigungen gegen Vogt die Verantwortlichkeit auf sich selbst nimmt. (Siehe Anlage VI.) Will Vogt also seine Unschuld beweisen, so muß er den Prozeß von neuem beginnen - in London. Die Erklärung Schaibles, der Verfasser des Flugblatts „Zur Warnung" zu sein, ändert durchaus nichts an den Tatsachen, daß das Flugblatt in Hollingers Setzerei gedruckt worden ist, daß Blind es drucken ließ, daß es in Blinds Handschrift geschrieben war, daß die von ihm beigebrachten Zeugnisse des Hollinger und Wiehe falsch waren, endlich, daß Hollinger und Blind sich durch falsche Zeugnisse aus der Schlinge zu ziehn und mich zu kompromittieren suchten. Ich habe nicht nötig, Ihnen weiter auseinanderzusetzen, daß die beiden Affidavits von Vögele und Wiehe (Anlage I und II) und die Erklärung des Dr. Schaible im „Daily Telegraph" vom 15ten Februar (Anlage VI) Ihnen die positiven Beweise in die Hände liefern für die Falschheit der sub I a)> dieses Briefs von mir angeführte Verleumdung der „National-Zeitung". b) Mein Verhältnis zur „Allgemeinen Zeitung". Die beiden Briefe der Redaktion der „Allgem.Zeitung" an mich d.d. 16. Oktober 1859 (Anlage IV und V) und mein Antwortschreiben darauf d.d. 19.0ktob. 1859, das ich oben sub Ia) zitiert habe, bilden meine ganze Korrespondenz mit der „All.Zeitung". Sie beschränkt sich also einfach darauf, daß ich der „AUgem.Zeit." ein schriftliches Dokument zur Verfügung stellte, welches den Ursprung des Flugblattes, wegen dessen Abdruck die „AUgem.Zeit." von Vogt gerichtlich verfolgt war, aufhellen mußte. Am 9ten Mai 1859, bei Gelegenheit eines von David Urquhart abgehaltnen öffentlichen Meetings, erzählte mir K. Blind sämtliche im Flugblatt „Zur Warnung", das erst im folgenden Juni erschien, später wiederholten Anklagen gegen Vogt. Er versicherte mir, die Beweise seien in seiner Hand. Ich legte kein großes Gewicht auf diese Mitteilung. Das Vogtsche Pamphlet, betitelt „Studien zur gegenwärtigen Lage Europas", ferner Vogts Verhältnis zu Fazy, dem „Tyrannen von Genf", und Fazys Verhältnis zu L[ouis] Bonaparte, hatten mich bereits überzeugt, daß Vogt ein bonaparti
stischer Agent sei. Ob mit böser oder guter Absicht, ob bezahlt oder unbezahlt, war mir vollständig gleichgültig. Zwei oder drei Tage nach Blinds Mitteilung erschien Herr Biscamp, mit dem ich nie persönlich oder politisch irgendwie in Verbindung gestanden, in meinem Hause eingeführt von Liebknecht. Biscamp forderte mich auf, ich und meine Freunde möchten das von ihm gestiftete Blatt „Das Volk" mit literarischen und Geldbeiträgen unterstützen. Ich wies sein Ansinnen zunächst ab, weil meine Zeit in der Tat sehr in Beschlag genommen sei, ich andrerseits „Das Volk", von dem nur noch eine Nummer erschienen war[491], erst näher kennenlernen müsse, bevor ich meine Freunde zur Mitwirkung an demselben auffordern könne. Ich hob dabei hervor, daß ich jede Beteiligung an den in London erschienenen deutschen Journalen bisher prinzipiell vermieden habe. Während dieser Zusammenkunft erzählte ich dem Liebknecht, in Biscamps Gegenwart, Blinds Aussage auf dem Urquhartschen Meeting wieder. Ich erwähnte dabei noch der süddeutschen Neigung, aus Wichtigtuerei zu übertreiben. Herr Biscamp machte später, in Nr. 2 des „Volk" vom 14ten Mai, unter dem Titel „Der Reichsregent als Reichsverräter"[492' auf seine eigne Verantwortlichkeit und mit ihm allein gehörigen Zusätzen einen Artikel, zitiert in Vogts Schrift: „Mein Prozeß etc." unter den Dokumenten p. 17, 18, 19. Später, ungefähr Mitte Juni, zu einer Zeit, wo ich von London abwesend war und mich in Manchester befand, erhielt Liebknecht von Hollinger in dessen Setzerei den Korrekturbogen des Flugblatts „Zur Warnung", das er sofort als Reproduktion der mir von Blind mündlich gemachten Mitteilungen [erkannte], und dessen Manuskript, wife er vom Setzer Vögele erfuhr, Blind dem Hollinger zum Druck übergeben hatte. Liebknecht schickte dies Korrekturblatt der „Allg.Zeit.", die es abdruckte und sich so Vogts Verleumdungsklage zuzog. Liebknecht war um so berechtigter, diesen Schritt zu tun (von dem ich nichts wußte, da ich nicht in London anwesend war), als er wußte, daß Blind, Vogts Ankläger, von Vogt selbst zur Mitarbeit am projektierten Propagandawerk aufgefordert worden war. Einem Menschen gegenüber, der es auf sich nahm, für alle Bonapartes Plänen günstige Artikel in der deutschen Presse eine Prämie zu zahlen (sieh Vogts Geständnis hierüber in seinem Buche, Brief an Dr. Loening, Dokumente p.36), war es Pflicht, solche weitverbreitete Blätter, wie die „AUgem.Zeit.", „Zur Warnung" zu benutzen. Sobald Vogt seine Verleumdungsklage gegen die A[ugsburger\ „A.Z." wegen Abdruck des Flugblatts „Zur Warnung" anhängig machte, schrieb die Redaktion der „Allg.Zeit." an Liebknecht und bat ihn dringend,
Beweise beizubringen. Liebknecht wandte sich an mich. Ich verwies ihn an Blind und begleitete ihn, auf sein Verlangen, selbst zu Blind, wie Sie aus Blinds Brief (Anlage VII) ersehn. Wir fanden Blind nicht, der sich im Bad zu St. Leonards befand. Liebknecht schrieb zwei Briefe an ihn. Sie blieben wochenlang unbeantwortet bis zum Augenblick, wo Blind glauben mochte, der Augsburger Prozeß sei seinem Abschluß nah. (Diese Berechnung wurde durchkreuzt durch den Aufschub, den die „Allg.Zeit." unterdes für ihren Prozeß erwirkt hatte.) Dann endlich antwortete Blind dem Liebknecht in dem Brief vom 8ten September (Anlage VII), worin er mit kühlster Unverschämtheit sagt, er habe „an der erwähnten Sache, wie schon früher bemerkt, gar keinen Anteil" und wolle „über die im Privatgespräch vorgekommenen Bemerkungen... später einmal bei Gelegenheit mündlich zu sprechen kommen". Liebknecht kam mit diesem Brief zu mir. Ich sah, daß nun Gewaltmittel nötig geworden, um Blinds Zunge zu lösen. Ich erinnerte mich, in der London „Free Press" vom 27ten Mai einen anonymen Artikel gelesen zu haben („The Grandduke Constantine to be King of Hungary"15), der den wesentlichen Inhalt des Flugblatts „Zur Warnung" und der mir von Blind mündlich gemachten Äußerungen enthielt. Stil und Inhalt des Artikels hatten mich keinen Augenblick zweifeln lassen, daß Blind der Verfasser desselben. Um dies zu vergewissern, begab ich mich mit Liebknecht zu Herrn Collet, dem verantwortlichen Herausgeber der „Free Press". Nach einigem Hin- und Herreden erklärte er Blind für den Verfasser des besagten Artikels. Kurz darauf erhielt ich die schriftliche Erklärung des Setzers Vögele, dahin lautend, daß das Flugblatt in Hollingers Druckerei gesetzt worden und daß das Manuskript in der Handschrift Blinds geschrieben war. Liebknecht schrieb nun nochmals einen längeren Brief an Blind, worin er ihm anzeigte, daß jetzt Beweise über sein Verhältnis zu dem Flugblatt „Zur Warnung" in unserer Hand seien, ihn u.a. auf den Artikel in der „Free Press" verwies und ihn nochmals aufforderte, die zu seiner Verfügung stehenden Aufschlüsse zu geben. K. Blind antwortete nicht, brach vielmehr vor wie während der Gerichtsverhandlungen in Augsburg keinen Augenblick sein Stillschweigen. Es war also jetzt über allen Zweifel klar, daß K. Blind zu einem System des Ableugnens und diplomatischen Ignorierens definitiv entschlossen sei. Unter diesen Umständen erklärte ich Liebknecht, ich sei bereit, wenn die „Allg.Zeit." es schriftlich von mir verlange,
15 „Der Großherzog Konstantin als künftiger König von Ungarn" (siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.480)
ihr die in meinem Besitz befindliche Erklärung des Vögele zu überschicken. Dies geschah in der Tat, nach Empfang der beiden Briefe der „Allg.Zeit." vom löten Oktober14931, in meinem Antwortschreiben vom 19ten Oktober. Die Motive, die mich zu diesem Schritt bestimmten, waren folgende: Erstens: Ich schuldete es Liebknecht, der von mir Blinds Äußerungen über Vogt zuerst erfahren, Beweise beizubringen, daß er nicht aufs Ungefähr Anklagen gegen dritte Personen weiter verbreite. Zweitens: Die „Allg.Zeitung" war nach meiner Ansicht völlig berechtigt zum Abdruck des Pamphlets „Zur Warnung", da sie wußte, daß es von einer Seite ausging, die Herr Vogt selbst zur Mitarbeit an seinem Propagandawerk aufgefordert hatte. Der Umstand, daß die „Allg.Zeit." einer mir feindlichen Partei angehört und mich selbst persönlich stets feindlich behandelt, sogar wiederholt den albernsten Klatsch gegen mich veröffentlicht hat, änderte nichts an meiner Ansicht, sowenig wie der Umstand, daß ich mich zufällig außerhalb des Gerichtsbanns des Augsburger Gerichts befinde, die „AUgem.Zeit." mich also nicht zwangsweise als Zeugen vorladen konnte. Drittens: Vogt hatte im Bieler „Handels-Courier", Nr. 150 vom 2. Juni, Beilage (cf.p.31 der Dokumente in Vogts Buch), ein Pasquill gegen mich veröffentlicht16, offenbar unter der Voraussetzung, ich sei Verfasser des im „Volk" am 14ten Mai von Biscamp gegen ihn veröffentlichten Artikels. Ebenso ging er in seiner Anklage gegen die „Allg.Zeit." von der Voraussetzung aus, ich sei der Verfasser des Flugblatts: „Zur Warnung". Blind war offenbar entschlossen, das dem Vogt so willkommne Quiproquo17 zu verewigen. Viertens: und dies war die Hauptsache für mich. Ich wollte Vogt und seine Ankläger einander gegenüberstellen, und zwar auf einem Terrain, wo die Sache zur Entscheidung kommen mußte und von beiden Seiten alle Winkelzüge abgeschnitten waren. Dazu war es wesentlich, daß ich den wirklichen Verfasser und den Veröffentlicher des Flugblatts „Zur Warnung" gewaltsam aus ihrem Versteck herauszog. Daß ich richtig gerechnet hatte, beweist Dr. Schaibles Erklärung (Anlage VI) und Blinds vorher zitierter Brief in der „Allg.Zeit." vom 13ten Februar, Beilage zu Nr.44. Meine Korrespondenz mit der „Allg.Zeit." beschränkt sich auf die beiden Briefe (Anlage IV und V) des Dr.Orges und mein oben (sub Ia) zitiertes Antwortschreiben vom 19. Oktober. Das hat Herrn Vogt (und der „National-Zeitung") genügt, mich zum Mitarbeiter der „Allg.Zeit." zu er
nennen, und sich selbst dem deutschen Publikum als das unschuldige Opfer einer Konspiration zwischen den Reaktionären und der äußersten Linken vorzuführen. Liebknecht ist Korrespondent der „Allg.Zeit." seit 1855, ganz wie Herr Vogt selbst früher ihr Korrespondent war. Liebknecht wird nötigenfalls die Wahrheit eidlich erklären, nämlich, daß ich niemals ihn benutzt, um auch nur eine Zeile in die „Allg.Zeit." einzuschmuggeln. Sein Verhältnis mit der „Allg.Zeit." ging und geht mich absolut nichts an. Übrigens beschränkt sich seine Korrespondenz ausschließlich auf englische Politik, und dieselben Ansichten, die er in der „Allg.Zeit." vertritt, vertrat und vertritt er in radikalen deutsch-amerikanischen Zeitungen. Es ist keine Zeile in seiner Korrespondenz enthalten, die nicht seine Ansicht enthält, und die er also nicht überall vertreten könnte. Liebknecht verfolgt in der auswärtigen englischen Politik ungefähr dieselbe Anti-Palmerstonsche Ansicht wie Bucher in der Berliner „National-Zeitung". In der innern englischen Politik hat er stets die Ansichten der fortgeschrittensten englischen Partei vertreten. Er hat nie eine Zeile über den Londoner Flüchtlingsklatsch in die „Allg.Zeit." geschrieben. Soviel über mein angebliches Verhältnis zur „Allgem.Zeitung". II. In Nr.41 der „National-Zeitung", Leitartikel „Wie man radikale Flugblätter macht", Seite 1, Spalte 2, Zeile 45 von oben und folgende, heißt es wörtlich: „Im Mai v.J. wurde von dem neulich schon genannten Biscamp in London eine Zeitung ,Das Volk' gegründet... Woher das Geld für das freigebig verteilte Blatt kam, wissen die Götter; daß Marx und Biscamp kein überflüssiges Geld haben, wissen die Menschen." Im Zusammenhang mit dem ganzen Artikel Nr. 41 und ebenso dem Leitartikel Nr. 37 der „National-Zeitung", worin ich als „Verbündeter der geheimen Polizei in Frankreich und Deutschland" dargestellt bin und namentlich mit Bezug auf den sub III. von mir zu zitierenden Passus, deutet die eben angeführte Stelle darauf hin, daß das Geld für „Das Volk" auf ehrlose Weise von mir verschafft worden sei. Ich bemerke mit Bezug hierauf: Vogt selbst, in seinem von der „National-Zeitung" besprochnen Pamphlet, zitiert [p.] 41 der „Dokumente", die den Anfang seines Buchs bilden, folgende editorische Notiz aus Nr.6 des „Volk" d.d. 1 I.Juni: „Wir haben die Genugtuung, unsren Lesern mitteilen zu können, daß K.Marx, Fr.Engels, Ferd.Freiligrath, W.Wolff, H.Heise etc. ... entschlossen sind, dem .Volk' ihre Unterstützung zu gewähren." 14941
Also bis Mitte Juni hatte ich dem „Volk" noch keine Unterstützung gewährt, und seine finanziellen Verhältnisse bis zu dieser Zeit gehn mich absolut nichts an. Indes kann ich beiläufig soviel bemerken: Biscamp, der damals vom Unterrichtgeben in London lebte, redigierte „Das Volk" stets gratis. Ebenso gaben alle Mitarbeiter vom ersten Erscheinen bis zum Untergang des Blatts ihre Beiträge gratis. Die einzigen Produktionskosten, die zu bestreiten waren, bestanden daher aus den Druckkosten und Expeditionskosten. Diese waren indes stets bedeutend höher, als der Ertrag des Blatts. Bevor ich dem Blatt meine Mitwirkung gab, wurden die Ausfälle gedeckt durch öffentliche Sammlungen unter Deutschen in London. Später verschaffte ich 20-25 £ (133 bis 166 Taler), die ausschließlich beigeschossen waren von Dr. Borchardt, praktischem Arzt, Dr. Gumpert, ditto, Dr. Heckscher, ditto, Wilhelm Wolff, Lehrer, Friedrich Engels, Kaufmann (alle wohnhaft zu Manchester), und von mir selbst. Ein Teil dieser Herrn stimmt keineswegs mit den politischen Ansichten von mir, Engels und W[ilhelm] Wolff überein; alle hielten es aber höchst zeitgemäß, den bonapartistischen Umtrieben in der Emigration (und dies war der Hauptzweck des „Volk") entgegenzutreten. Endlich hinterließ „Das Volk" eine Schuld, ich glaube von 8 £ (93 Taler), für die Biscamp verantwortlich ist und wofür Hollinger einen Schuldschein von ihm in Händen hat. Dies ist die ganze Finanzgeschichte des „Volk". Was Herrn Biscamp betrifft, so hat er jetzt selbst, in der Beilage zu Nr.46 der „Allg.Zeit." vom 15.Februar 1860, erklärt: „Mein ganzer politischer Zusammenhang mit Herrn Marx beschränkt sich auf wenige journalistische Beiträge, die er für das von mir gegründete... Wochenblatt ,Volk' lieferte." Was meine eignen Einnahmequellen angeht, so will ich nur bemerken, daß ich seit 1851 fortwährender Mitarbeiter der „New-York [Daily] Tribüne", des ersten englisch-amerikanischen Blattes, für das ich nicht nur Korrespondenzen, sondern auch Leitartikel liefere. Das Blatt zählt an 200 000 Abonnenten und zahlt demgemäß. Ich bin ferner seit mehreren Jahren Mitarbeiter an der von Herrn Dana, einem der Redakteure der „New-York Tribüne" herausgegebenen „Cyclopcedia Americana". Ich denke, daß ich noch für die Gerichtsverhandlungen einen auf diese Verhältnisse bezüglichen Brief des Herrn Dana von New York18 erhalten werde. Sollte dieser Brief jedoch nicht rechtzeitig eintreffen, so genügt es,
Sie auf Herrn Ferdinand Freiligrath, manager der General Bank of Switzerland, 2, Royal Exchange Buildings, London, zu verweisen, der seit vielen Jahren so gefällig war, meine Wechsel auf Amerika einzukassieren. Die Schamlosigkeit Vogts und der mit ihm verbündeten „NationalZeitung'mich wegen meiner Beteiligung an einem Blatt zu verdächtigen, das nichts zahlte, ist um so größer, als derselbe Vogt, Seite 226 seines von der „National-Zeitung" besprochnen Buches, offen sagt, daß „er" auch „fernerhin" das Geld für seine Zwecke „nehmen wird, woher er es bekommen kann". III. In Nr.37 der „National-Zeitung", Leitartikel, betitelt: „Karl Vogt und die , Allgemeine Zeitung", Seite 1, Spalte 2, Zeile 22 von oben und folgende, sagt die „National-Zeitung", und ich betrachte diesen Passus als den aggravierendsten19 der Verleumdungsklage, wörtlich wie folgt: „Vogt berichtet S. 136 und folg.: Unter dem Namen der Schwefelbande oder auch Bürstenheimer war unter der Flüchtlingsschaft von 1849 eine Anzahl von Leuten bekannt, die anfangs in der Schweiz, Frankreich und England zerstreut, sich allmählich in London sammelten und dort als ihr sichtbares Oberhaupt Herrn Marx verehrten ... Eine der Hauptbeschäftigungen der Schwefelbande war, Leute im Vaterlande so zu kompromittieren, daß sie Geld zahlen mußten, damit die Bande das Geheimnis ihrer Kompromittierimg bewahre. Nicht einer, sondern Hunderte von Briefen wurden nach Deutschland geschrieben, daß man die Beteiligung an diesem oder jenem Akt der Revolution denunzieren werde, wenn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewisse Summe an eine bezeichnete Adresse gelange... Die .Proletarier'" (als deren Chef ich dargestellt werde) „füllten die Spalten der reaktionären Presse in Deutschland mit ihren Angebereien gegen diejenigen Demokraten, die ihnen nicht huldigten. Sie wurden die Verbündeten der geheimen Polizei in Deutschland und Frankreich." In bezug auf diesen infamen Passus, den die „National-Zeitung" ohne weiteres von Herrn Vogt sich aneignet, und dem sie eine Zirkulation bei ihren 9000 Abonnenten gab, bemerke ich folgendes: Erstens: Wie ich schon in meinem ersten Briefe an Sie bemerkt habe, wird es nun die Aufgabe der „National-Zeitung" sein, von den „Hunder« ten" von Drohbriefen einen einzigen Brief oder eine einzige Zeile aufzuweisen, deren Urheber ich oder irgendein notorisch mit mir in Verbindung stehender Mann war.
19 schwerwiegendsten
Zweitens: Ich wiederhole, was ich schon in meinem ersten Brief sagte, daß ich nie an eine deutsche Zeitung schrieb seit Juli 1849, außer an die „Neue Oder-Zeitung" zu Breslau (1854) zur Zeit, wo sie von Dr. Eisner und Dr. Stein redigiert wurde. Wie sowohl die Nummern des Blattes selbst zeigen und wie die Herrn Eisner und Stein sicher willig sein werden zu bezeugen, hielt ich es nie der Mühe wert, der Emigration auch nur mit einem einzigen Wort zu gedenken. Von den von mir oder meinen Freunden mit „Angebereien" gefüllten Spalten der „reaktionären Presse" wird es die Aufgabe der „National-Zeitung" sein, eine einzige Spalte herbeizuschaffen. Wahr ist es dagegen und erweislich, daß ein großer Teil der Londoner deutschen Emigration deutsche Zeitungen aller Farben systematisch und jahrelang mit ihrem Klatsch gegen mich füllten. Ich habe nie, weder meine Verbindung mit der „New-York Tribüne" noch mit den Chartistenblättern noch mit der „Free Press" benutzt, um meine Revanche zu nehmen. Was die „Verbindung mit der geheimen Polizei in Frankreich und Deutschland" angeht, so war Hörfei zu Paris, ein notorischer französischer Polizeiagent, lange Zeit der Hauptagent des Kinkelschen Emigrationsvereins. Er stand seinerseits in Verbindung mit Beckmann, der zugleich preußischer Polizeiagent und Korrespondent der „Kölnischen Zeitung" war. Andrerseits war Engländer, ebenfalls ein notorischer französischer Polizeiagent, längere Zeit der Pariser Korrespondent der Rugeschen Clique. Auf diese Weise hatte „die demokratische Emigration" zu London ihre „Verbindung mit der geheimen Polizei in Frankreich und Deutschland" vollständig hergestellt, natürlich ohne ihr Wissen. Endlich spricht Vogt und mit ihm die „National-Zeitung" von „einer Anzahl Leute, die unter dem Namen Schwefelbande oder auch der Bürstenheimer unter der Flüchtlingsschaft von 1849 bekannt war, die anfangs in der Schweiz, Frankreich und Deutschland zerstreut, sich allmählich in London sammelten und dort als ihr sichtbares Oberhaupt Herrn Marx verehrten". Ich betrachte diesen Passus als Nebensache, will aber doch zur Aufklärung und Bloßlegung der verleumderischen Absicht des Vogt und der „National-Zeitung" folgendes bemerken: Schwefelbande war der Name einer Gesellschaft junger deutscher Flüchtlinge, die sich im Jahr 1849/50 zu Genf aufhielten und daselbst im Cafe de l'Europe ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Es war dies eine weder politische noch sozialistische Gesellschaft, sondern im eigentlichen Sinn des Worts eine „Gesellschaft lustiger Brüder", die durch tolle Streiche
den ersten Katzenjammer des Exils zu überwinden suchten. Sie bestand aus: Eduard Rosenblum, stud.med.; Max Cohnheim, Handlungsdiener; Korn, Chemiker und Apotheker; Becker20, Ingenieur, und L.S.Borkheim, Studiosus und Kanonier. Ich hatte nie einen dieser Herrn gesehn außer Herrn Becker einmal auf dem Demokraten-Kongreß zu Köln 1848f4951. Mitte 1850 wurden die Mitglieder der Gesellschaft, mit Ausnahme Korns, aus Genf ausgewiesen. Die Gesellschaft zerstob nach allen vier Winden. Es ist der Güte des Herrn Borkheim, der jetzt einem großen kaufmännischen Geschäft in der City (44, Mark Lane) vorsteht, daß ich vorstehende Notizen über diese mir früher gänzlich unbekannte Gesellschaft verdanke. Herrn Borkheim selbst lernte ich erst vor ungefähr 14 Tagen kennen, als ich mich schriftlich an ihn um Auskunft gewandt hatte.14961 Soviel über die Schwefelbande. Was nun die Bürstenheimer betrifft, so war dies ein Schimpfname, den ein gewisser Abt, jetzt Sekretär des Bischofs von Freiburg, dem Arbeiterbildungsverein in Genf beilegte. Abt war nämlich in einer allgemeinen Flüchtlingsgesellschaft, worin sich nebst ehemaligen Frankfurter Parlamentlern auch Mitglieder (Flüchtlinge) des Arbeiterbildungsvereins befanden, für ehrlos erklärt worden. Um sich zu rächen, schrieb er ein Pamphlet14971, worin er den Arbeiterbildungsverein „Bürstenheimer" taufte, weil ein Bürstenmacher namens Dauernheimer damals in dem Verein präsidierte.14981 Dieser Arbeiterbildungsverein in Genf stand mit mir und der Londoner kommunistischen Gesellschaft1471, zu der ich gehörte, nicht in irgendeiner Verbindung. Im Sommer 1851 wurden zwei Mitglieder desselben, Advokat Schily, jetzt zu Paris, und P. Imandt, jetzt Professor am Seminar zu Dundee, von den Schweizer Behörden ausgewiesen und begaben sich nach London, wo sie in den damals von Willich und Schapper geleiteten Arbeiterverein131 eintraten, den sie jedoch nach einigen Monaten wieder verließen. Ihr Verhältnis zu mir war das von Landsleuten und alten persönlichen Freunden. Der einzige Mensch in Genf, mit dem ich je, seit meiner Ausweisung (1849) aus Preußen, in Verbindung stand, war Dronke, jetzt Kaufmann zu Liverpool. Die Namen Schwefelbande und Bürstenheimer, ebenso wie die zwei disparaten21 Gesellschaften, die sie bezeichneten, gehörten also ausschließlich Genf an. Beide Gesellschaften standen nie in irgendeiner Verbindung mit mir. In London wurden sie zuerst bekannt durch die Leitartikel der „National-Zeitung", die der „Daily Telegraph", ein Londoner Tagesblatt, im Auszug reproduzierte.
20 Max Joseph Becker - 21 grundverschiedenen
Meine Verbindung mit der „Schwefelbande" und den „Bürstenheimern" ist also eine bewußte Lüge Vogts, zu deren Kanal sich die „National~Zei~ tung" gemacht hat. IV. Die „National-Zeitung", Nr. 41, Leitartikel „Wie man radikale Flugblätter macht", Seite 1, Spalte 1, Zeile 49 von oben, sagt: Vogt spricht zunächst bloß von der „Partei der Proletarier" „unter Marx", wodurch sie mich also mit der „Partei der Proletarier" identifiziert und alles, was sie über diese Partei sagt, mich daher persönlich betrifft. Nun heißt es weiter in demselben Artikel, Spalte 2, Zeile 19 sqq. von oben: „In dieser Art wurde 1852 eine Verschwörung der schändlichsten Art, mit massenhafter Verfertigung von falschem Papiergeld (man sehe das Nähere bei Vogt) gegen die schweizerischen Arbeitervereine eingefädelt, eine Verschwörung, welche den schweizerischen Behörden die äußersten Unannehmlichkeiten bereitet haben würde, wenn sie nicht zu rechter Zeit entdeckt worden wäre." Und weiter unten in derselben Spalte, Zeile 33 von oben: „Die Partei der .Proletarier' hat einen besonderen Haß gegen die Schweiz" etc. Aus dem Kölner Kommunistenprozeß, Oktober 1852, mußte die „National-Zeitung" wissen (ganz wie Vogt es wußte aus meinen „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß"), daß ich niemals mit dem Cherval, der 1852 die Umtriebe in der Schweiz gemacht haben soll, in Verbindung stand (Herr Karl Schapper zu London, 5, Percy Street, Bedford Square, mit dem Cherval vor dem Kölner Prozeß in Verbindung stand, ist bereit, jede Aufklärung hierüber zu geben), daß ich während des Kölner Kommunistenprozesses den Cherval durch die Advokaten als einen Verbündeten Stiebers denunzierte; daß nach Stiebers eignen ihm abgenötigten Aussagen Cherval 1851, als er das Complot Franco-AIIemand zu Paris unter Stiebers Leitung machte'499', einer mir feindlichen Gesellschaft angehörte. Die „NationalZeitung" wußte aus Vogts Buch, das sie zum Gegenstand zweier Leitartikel macht, daß ich ebenso nach Beendigung des Kölner Prozesses in einer zum Druck nach der Schweiz geschickten Schrift „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" den Cherval als Mouchard denunziert22 hatte. Als Cherval während des Kölner Prozesses aus dem Pariser Gefängnis angeblich entsprang, in der Tat aber als Mouchard nach London kam, wurde [er] mit offnen Armen in dem damaligen Willich-Schapperschen Arbeiterverein empfangen, aber ausgestoßen infolge der Interpellation, die die
22 Polizeispitzel entlarvt
Advokaten in Köln (namentlich Schneider II), durch mich instruiert, an den Stieber hinsichtlich des Cherval während der Gerichtsverhandlungen richteten. Es war also die schamloseste und absichtlichste Verleumdung des Vogt und der mit ihm affiliierten23 „National-Zeitung", für die angeblichen Schweizer Taten dieses von mir enthüllten, verfolgten und mir notorisch feindlichen Individuums mich verantwortlich zu machen. Vogt spricht von Marxschen Affiliierten in Genf, mit denen Cherval umgegangen. Jetzt noch, wie 1852, stehe ich mit keinem einzigen Menschen in der Schweiz in Verbindung. Ich wiederhole, was ich Ihnen früher geschrieben24: Am 15ten September 1850 trennten ich und meine Freunde mich von einem Teil der Londoner Zentralbehörde der damals existierenden kommunistischen deutschen Gesellschaft (genannt: „Bund der Kommunisten") von dem Teil, der unter Willichs Leitung sich auf die (übrigens höchst kindische und ungefährliche) Revolutions- und Konspirationsmacherei der „Demokratischen Emigration" einließ. Wir verlegten die Zentralbehörde nach Köln und führten keine Korrespondenz mehr mit irgendeinem Teil des Kontinents außer Köln. Diese Korrespondenz, wie der Kölner Prozeß nachwies, enthielt nichts Kriminalistisches. Seit dem Frühling 1851, sobald die Verhaftung einzelner Glieder der Gesellschaft in Köln vorfielen, brachen wir (der Londoner Teil der Gesellschaft) alle und jede Verbindung mit dem Kon~ tinent ab. Ich korrespondierte nur noch mit einem mir übrigens persönlich unbekannten Freunde der Verhafteten (Herr Bermbach, früher Deputierter der Reichsversammlung in Frankfurt) wegen der Verteidigungsmittel. Meine Freunde in London versammelten sich wöchentlich einmal, um die von Stieber auf das Schamloseste angewandten und täglich erneuerten Polizeimanoeuvres zu vereiteln. Mitte November (1852), nach dem Schluß des Kölner Prozesses, erklärte ich, mit Einstimmung meiner Freunde, den „Bund der Kommunisten" für aufgelöst und habe seit der Zeit bis jetzt weder einer geheimen noch öffentlichen Gesellschaft angehört. Ferdinand Freiligrath, der Mitglied der kommunistischen Gesellschaft war, sich von Herbst 1848 bis Frühling 1851 in Köln befand und von Frühling 1851 bis jetzt sich zu London aufhält, kann die exakte Wahrheit der vorstehenden Angaben bezeugen. Übrigens ist ein hinlängliches Beweisstück der beiliegende, mit dem Londoner und Manchester Poststempel versehne Brief vom 19.Nov. 1852, den mein Freund F.Engels, unter seinen alten Papieren wieder aufgefunden hat.
23 verbundenen - 24 siehe vorl. Band, S. 452
Die anliegende, von Vogt und der „National-Zeitung" zitierte Broschüre25 ließ ich in Boston (in Amerika) drucken, nachdem die in Basel bei Schabelitz erschienene Originalausgabe in 2000 Exemplaren an der badischen Grenze konfisziert worden war. Sie werden daraus ersehn, ebenso später aus dem jetzt in Berlin anhängigen Prozeß Stieber-Eichhoff[31!, daß die kommunistische Gesellschaft, der ich bis Mitte November 1852 angehörte, so durchaus keinen Tatbestand für die Anklage bot und daß ich und meine Londoner Freunde andrerseits mit unsern sehr beschränkten Mitteln so energisch alle Netze der Polizeiintrigen zerrissen, daß die Verurteilung der Angeklagten - wie der jetzt in Hamburg gefangensitzende frühere Agent Stiebers, ein gewisser Hirsch, in seinen Geständnissen in der „New-Yorker Criminal-Zeitung" vom 22.April 1853 sagt15001 - zuletzt noch dadurch gesichert werden sollte, daß Hirsch unter dem Namen Haupt nach Köln reisen und in dem Namen des von ihm vorgestellten Haupts einen Meineid schwören sollte. Dieser coup26 war auf dem Punkt der Ausführung, als, sagt Hirsch, Herr von Hinckeldey schrieb: „Der Staatsprokurator hoffe, bei der glücklichen Zusammensetzung der Geschwornen auch ohne außergewöhnliche Maßregeln das Schuldig zu erlangen, und er (Hinckeldey) ersuche deshalb, keine weiteren Anstrengungen zu machen." Es versteht sich von selbst, daß die beigelegte Broschüre nur juristisch Wert hat zur Aufhellung meines Kampfes gegen Stieber-Hinckeldey und das preußische damalige Polizeisystem. Die darin erwähnten Gesellschaften gehören seit vielen Jahren der Geschichte. V. Schließlich, um die Wichtigkeit, die diese Verleumdungsklage gegen die „National-Zeitung" für mich hat, Ihnen klarzumachen, will ich noch ganz kurz der Londoner Konsequenzen der Leitartikel der „National-Zeitung" erwähnen. In dem „Daily Telegraph" (einer täglich in London erscheinenden Zeitung) vom 6. Februar 1860, erschien ein zweiundeinhalb Spalten langer Artikel unter dem Titel: „The Journalistic Auxiliaries of Austria" („Die journalistischen Helfershelfer von Ostreich"). Dieser Artikel, datiert von Frankfurt am Main, aber wirklich geschrieben in Berlin, ist, wie die oberflächlichste Vergleichung zeigt, zum Teil bloße Paraphrase, zum Teil wörtliche Übersetzung der beiden von mir inkriminierten Leitartikel der „Nat.-Zeit." Nr.37 und Nr.41. Ich werde Ihnen die betreffende Nummer des „Daily Telegraph" in den nächsten
25 „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 26 Streich
Tagen zuschicken. In diesem Artikel des „Telegraph" bin ich mit meinen Freunden erstens ganz wie in der „National-Zeitung" zu „einem Verbündeten der geheimen Polizei" gemacht; zweitens ist der ganze sub IV von mir angezogne Passus über die Schwefelbande, die Gelddrohbriefe, meinen Zusammenhang mit Chervals Falschmünzerei in der Schweiz usw. wörtlich aus der „National-Zeitung" übersetzt. Sobald dieser Artikel erschienen war, schrieb ich sofort an den Redakteur des „Daily Telegraph" 27 und forderte ihn unter Androhung einer Verleumdungsklage (action for libel) auf, mir eine amende honorable28 zu machen. Er antwortete: Er habe meinen Brief an seinen Korrespondenten in Deutschland geschickt und werde dessen Antwort abwarten. Diese Antwort erschien in der Nummer des „Daily Telegraph" vom 13ten Februar 1860, und lautet in wörtlicher Übersetzung (das Original erhalten Sie in wenigen Tagen) wie folgt: „Frankfurt am Main. Febr. 8. Ich werde kurz sein in meiner Abfertigung der Bemerkungen, die Dr. Marx in Antwort auf eins meiner Referate an Sie gerichtet hat. Er hat seinen Brief einfach falsch adressiert. Hätte der gelehrte Herr seine Bemerkungen an Dr. Vogt selbst gerichtet oder an einen der hundert deutschen Redakteure, die das Buch des Dr. Vogt zitierten, so würde sein Behaben dem, was die Sache zu erheischen scheint, entsprochen haben. So aber läßt Dr. Marx die zahlreichen in seinem eignen Vaterland gegen ihn erhobnen Anklagen unwiderlegt und zieht es vor, seinen Ärger zu kühlen durch einen Angriff auf das einzige englische Blatt, das eine Angabe in seine Spalten aufnahm, die fast in jeder deutschen Stadt von irgendwelcher Größe gedruckt und wieder abgedruckt worden ist. Der gelehrte Herr scheint die Tatsache ganz zu vergessen, daß er nicht das geringste Recht hat, sich zu beklagen über die Veröffentlichung eines gewissen Stücks unangenehmer Nachricht in einem englischen Blatt, solange er es nicht für passend hält, die Urheber und Verbreiter des Unheils in seinem Vaterland zur Rechenschaft zu ziehen. Ich schließe diese Zeilen mit der Erklärung meiner Bereitwilligkeit, die Unwahrheit der in der bewußten Mitteilung enthaltnen Angaben zuzugestehn, sobald Dr. Marx die Welt von deren Falschheit überzeugt haben wird. Wenn er im Besitz der zu einem solchen Zweck erheischten Beweise ist, kann nichts leichter für ihn sein, als ein so wünschenswertes Ding zu erreichen. Es sind mindestens 50 deutsche Städte zu seiner Verfügung, wo er Prozesse einzuleiten und die Redakteure zur gebührenden Strafe zu bringen haben wird. Wenn er diesen Weg nicht ein
27 „Brief an den Redakteur des ,Daily Telegraph'" - 28 Ehrenerklärung
zuschlagen beliebt, ist es nicht die Pflicht eines englischen Korrespondenten, das zu widerrufen, was nicht er versichert hat, sondern nur wiederholte, auf die unwidersprochne Autorität der respektabelsten Quellen." Ich mache nur en passant29 aufmerksam auf die Übertreibungen, worunter der Berliner Korrespondent des „Daily Telegraph" (ich glaube ein Jude namens Meier'5011) sein Plagiat aus der „National-Zeitung" zu verstecken sucht. Erst sind es hundert deutsche Redakteure, dann viele tausende (nämlich soviel Redakteure als es irgendwie bedeutende Städte in Deutschland gibt), und schließlich sind es mindestens 50 Redakteure, die ich zu verklagen hätte. Unter den respektabelsten Quellen versteht er übrigens seine einzige Quelle, die Berliner „National-Zeitung". Ich erwähne auch nur vorübergehend, daß ich in meinem am 6ten Februar an den Herausgeber des „Daily Telegraph" gerichteten Brief, den er, wie er mir selbst schrieb, seinem deutschen Korrespondenten zuschickte, dem Herausgeber des „Telegraph", also auch seinem Korrespondenten angezeigt hatte, daß ich eine Verleumdungsklage gegen die Berliner „NationalZeitung" anhängig machen werde. Was ich hier als das einzig und entscheidend Wichtige betrachte, ist, daß der „Daily Telegraph", hinter seinen Korrespondenten sich verkriechend, mir alle Genugtuung versagt, bevor ich den Prozeß gegen ein deutsches Blatt geführt habe. Er beruft sich auf die „respektable" Autorität der „National-Zeitung", die allein grade die von ihm gemachten Angaben in diesem Zusammenhang bringt. Sie begreifen, welchen Skandal der Artikel des „Telegraph" in London machte. Diesen Skandal verdanke ich der „National-Zeitung". Schon im Interesse meiner Familie muß ich eine Verleumdungsklage (action for libel) gegen den „Telegraph" führen, wofür die nötigen Vorschüsse hier sich zu mindestens 200 £ - vor Entscheidung des Prozesses - belaufen. Die bodenlose Gemeinheit, wozu Vogt fähig ist herabzusteigen, werden Sie aus der halunkenartigen Insinuation ersehn haben, daß meine angebliche Verbindung mit der „Neuen Pr[eußischen] Zeit[ung]" sich daraus erkläre, daß meine Frau die Schwester des ehemaligen preußischen Ministers von Westphalen ist. Ich erwarte nun umgehend (sollte vorher kein Brief an mich abgegangen sein) die Anzeige, daß Sie folgende Briefe erhalten: 1. Brief von London vom 13. Febr. nebst Vorschuß von 15 Teiler. 2. Brief von Manchester vom 21 .Febr. nebst Vollmacht und 7 Anlagen.
29 beiläufig
3. Diesen Brief von Manchester vom 24. Febr., worin eingeschlossen die Broschüre: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" und ein Brief, den ich am 19.Nov. 1852 an F.Engels schrieb und der mit den Poststempeln von London und Manchester versehn. Mit vollkommner Hochachtung Ihr ganz ergebner Dr.Karl Marx
14
Marx an Wilhelm Liebknecht in London (Entwurf)
27. Febr. 1860, 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Lieber Liebknecht, Teile dem Schapper das Buch von Vogt1131 mit. Geh zu ihm. Er wird Dir sagen, was ich ihm geschrieben. Nach dem Brief meines Advokaten1 von Berlin, den ich gestern erhalten, steht die Sache gut. In der Information, die ich ihm geschickt, habe ich zugleich für Dich das Nötige ausgeführt. Arbeite den auf Dich bezüglichen Teil in Vogts Buch vollständig aus, so daß ich es stets haben kann. Halte Dich aber ganz exakt an die facts. Ferner ist es nötig, daß immediatement2 der Beschluß, den der Arbeiterbildungsverein am 6. Febr. 1860 gegen Vogt für mich gefaßtl57J, vom Präsidenten des Vereins3 unterschrieben, vor dem Magistrat bescheinigt wird (i. e. die Namensunterschrift). Sprich daher mit Weber4 wenn nötig. Besten Gruß an Deine Frau und Dich.
Dein K.M.
1 Justizrat Weber - 2 unverzüglich - 3 Georg Müller - 4 Josef Valentin Weber
15
Marx an Karl Schapper in London (Entwurf)'5021
6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester, 27. Feb. 1860
Lieber Schapper, Ich habe Liebknecht geschrieben, daß er Dir das Buch von Vogt1131 mitteilt, damit Du selbst Dich überzeugst, wie wichtig der Berliner Prozeß gegen die „National]- Zeit[ung]" (der gegen den „Telegraph" ist sekundär) für die historische Vindikation1 unsrer Partei und ihre fernere Stellung in Deutschland ist. Ich erhielt gestern einen Brief von meinem Advokaten2 in Berlin, wonach Herr Zabel von der „Nat.-Zeit." seinen Eifer für Vogt wohl durch nähere Bekanntschaft mit dem Zuchthaus büßen wird. Mein Advokat hält es für wesentlich, daß Du vor einem Londoner Magistrat (der von Bow Street ist unser Mann, kennt den Liebknecht schon, der mit Dir gehn kann) möglichst bald folgendes Affidavit3 machst oder ein Affidavit in ähnlicher Weise: „I declare herewith, that, in the year etc., Cherval (alias Crämer etc.) was introduced by myself into the London Branch of the German friendly society called ,Der Bund'4 (the Union) (a society, by the by, which has ceased to exist long time since); that in etc. 1848 the said passed through Cologne where he had a short interview with me, which I did not even mention to Dr. Karl Marx. Cherval being an individual utterly unknown to Dr.K.M.; that in 1851/52 during his stay at Paris, Cherval belonged to, and corresponded with that branch of the German friendly society called ,Der Bund' which at the time was directed by myself and Mr. Willich, now living at Cincinnati, U.St.; that, during the autumn of 1852, after his return from Paris to London, Cherval entered the public German Workingmen's Society, called ,Der Arbeiterbildungsverein', of which he had formerly been a member and which, at the time, was directed by myself and the above said Mr. Willich; that consequent upon the revelations
1 Rechtfertigung-2 Justizrat Weber - 3 folgende eidesstattliche Erklärung - 4 .Bund der Kommunisten'
publicy made at Cologne against Cherval during the trial of Dr. Becker5 and others, and upon other information derived from other sources, the said Cherval was publicly expulsed from the German Workmen Club above named, and, soon after, disappeared from London."6'5031 Engels läßt Dich bestens grüßen; kommt übrigens im Laufe des Frühlings selbst einmal nach London. Ich bitte Dich, keine Zeit zu verlieren. Salut. Dein K.M.
In dem Affidavit von „friendly society" gesprochen, da so etwas einem englischen Magistrat ganz unverdächtig klingt, man übrigens alles, was man will, unter friendly society verstehen kann.
s Hermann Becker - 6 „Ich erkläre hiermit, daß Cherval (alias Crämer etc.) von mir im Jahre etc. in der Londoner Gemeinde der deutschen friendly society, genannt ,Der Bund' (the Union), eingeführt wurde (eine Vereinigung, die nebenbei bemerkt, schon längst aufgehört hat zu bestehen); daß der Besagte im etc. 1848 durch Köln reiste, wo er eine kurze Unterredung mit mir hatte, die ich auch gegenüber Dr. Karl Marx nicht erwähnte, da Cherval eine Person ist, die Dr. K.M. persönlich vollkommen unbekannt ist; daß Cherval 1851/52 während seines Aufenthaltes in Paris, jenem Zweig der German friendly society, genannt ,Der Bund', angehörte und mit ihm korrespondierte, der zu diesem Zeitpunkt von mir und Herrn Willich geleitet wurde, welcher jetzt in Cincinnati, USA, lebt; daß Cherval im Herbst 1852, nach seiner Rückkehr von Paris nach London, dem öffentlichen deutschen Arbeiterverein, genannt ,Der Arbeiterbildungsverein', beitrat, dessen Mitglied er früher gewesen war und der zu jener Zeit von mir und dem oben erwähnten Herrn Willich geleitet wurde; daß, infolge der öffentlichen Enthüllungen, die in Köln während des Prozesses gegen Dr. Becker und andere und infolge sonstiger Informationen aus anderen Quellen über Cherval gemacht wurden, der besagte Cherval aus dem oben erwähnten Arbeiterbildungsverein öffentlich ausgeschlossen wurde und bald darauf aus London verschwand."
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Marx an Muzembini in London (Entwurf)15041
Manchester, 27. Febr. 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road Eingelegt in den Brief an meine Frau; an Muzembini unter dem obigen Datum wie folgt1:
Mein lieber Muzembini, Wie ich vermute, wird Ihnen Herr Faucher gesagt haben, daß ich gerade mit zwei Verleumdungsklagen beschäftigt bin, wovon die eine in Berlin gegen die „National-Zeitung" geführt wird, die andere in London gegen den „Daily Telegraph"; beide beziehen sich auf das Pamphlet des bonapartistischen Agenten Vogt1131 gegen mich. Hinsichtlich des letzteren ist es für mich äußerst wichtig, genau informiert zu sein, über die Beziehungen von General Klapka zur Schweizer Generalbank und der Ottoman Bank, über die Beziehungen zwischen diesen beiden Banken, über die Beziehungen der Ottoman Bank zu Musurus und über die Beziehungen des letzteren zu Rußland. Sie würden mich außerordentlich verpflichten, wenn Sie mir die gewünschten Informationen geben und sie an meine gegenwärtige Adresse in Manchester senden. Mit besten Empfehlungen an Frau Muzembini Ihr ergebener K.Marx
Aus dem Englischen.
1 Die Notiz unter Datum und Adresse in der Handschrift deutsch
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Marx an Ferdinand Freiligrath in London
29. Febr. 1860 6, Thomcliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Lieber Freiligrath, Dein Brief war mir sehr lieb, da ich nur mit sehr wenigen Menschen Freundschaft schließe, dann aber auch sie festhalte. Meine Freunde von 1844 sind es noch jetzt. Was aber den eigentlich offiziellen Teil Deines Briefs betrifft, so beruht er auf großen Mißverständnissen. Daher zur Aufklärung folgendes: 1. Der Prozeß Eichhoff-Stieber. Das „Material", das ich dem Juch geliefert {wobei ich ihm noch erklärte, er und Eichhoff verdienten aus zweierlei Gründen meine Unterstützung nicht: Erstens wegen der Art, wie sie im „Hermann" des Kölner Prozesses erwähnt; zweitens, weil ich überzeugt sei, daß Eichhoff bloßes Instrument des Ex-Polizeirats Duncker, der sich an Stieber zu rächen suche, ganz wie früher Vidocq zu Paris an Gisquet; daß ich aber dennoch alles, was ich könne, zum Sturz und zur Bestrafung Stiebers beitragen werde, sei es auch nur, um den Tod meines Freundes, des Dr. Daniels, zu rächen}, dies „Material" beläuft sich auf folgendes: Ich gab Juch ein Exemplar der „Enthüllungen über den KommunistenProzeß zu Köln", notabene, meine erst in der Schweiz, dann in Boston herausgegebne Druckschrift, von Vogt als bekanntes Buch zitiert, in keiner Weise „etwas Geheimes". Ich sagte Juch, daß darin alles enthalten, was ich wisse. Ich machte ihn endlich aufmerksam, daß Lewald (der Verteidiger Eichhoffs) den Hirsch, der in Hamburg sitze, als Zeugen vernehmen müsse. Letzteres geschah. Hirsch hat jetzt eidlich zugegeben, daß das „Protokollbuch" preußisches Fabrikat war und alles andre juristisch Verfolgbare.
Also die „Enthüllungen", die dieser Prozeß vermittelst meines „Materials" bringt, befreien die ehemaligen Mitglieder des Bundes selbst von dem Schein juristischer culpa1 und enthüllen das preußische Polizeisystem, das, einmal installiert durch den „Kölner Prozeß" und die infame Feigheit der Kölner Geschwornen, zu einer Herrschaft in Preußen erwuchs, die jetzt endlich den Bourgeois selbst und dem Ministerium Auerswald sogar unerträglich geworden. Voila tout.2 Übrigens erstaunt mich die bloße Idee von Dir, daß ich der Polizei irgend etwas auf dem Präsentierteller reiche. Ich erinnre Dich an Dir bekannte Briefe von Köln (1849-50), worin mir direkt vorgeworfen, daß ich (was ich damals aus sehr guten Gründen tat, sicher nicht aus Rücksicht auf mich) die Bundesagitation gar zu sehr habe schlafen lassen. 2. Mein Prozeß gegen die „National-Zeitung". Ich bemerke d'abord3, daß, nachdem der „Bund"'471 auf meinen Antrag im November 1852 aufgelöst wurde, ich nie mehr irgendeiner geheimen oder öffentlichen Gesellschaft angehört habe oder angehöre; daß also die Partei in diesem ganz ephemeren4 Sinne für mich seit 8 Jahren zu existieren aufgehört hat. Die Vorlesungen über politische Ökonomie, die ich seit dem Erscheinen meiner Schrift5 (seit Herbst 1859) einigen auserwählten Arbeitern, worunter auch ehemalige Bundesmitglieder, hielt, hatten nichts gemein mit geschloßner Gesellschaft, weniger sogar als etwa Herrn Gerstenbergs Vorträge im Schillerkomitee. Du wirst Dich erinnern, daß von den Vorstehern des New-Yorker ziemlich ramifizierten6 Kommunistenvereins15051 (unter denen Albr[echt] Komp, manager der General Bank, 44, Exchange Place, New York), ein Brief an mich kam, der durch Deine Hände ging, und worin ich gewissermaßen um Reorganisation des alten Bundes angegangen ward. Ein ganzes Jahr ging vorüber, bevor ich antwortete, und dann antwortete ich, daß ich seit 1852 mit ferner Verbindung mehr in Verbindung stehe und der festen Überzeugung sei, meine theoretischen Arbeiten nützten der Arbeiterklasse mehr als Einlassen in Verbindungen, deren Zeit auf dem Kontinent vorüber. In der Londoner „Neuen Zeit" des Herrn Scherzer ward ich dann noch wiederholt, wenn nicht namentlich, so doch verständlich, bitter angegriffen wegen dieser „Tatlosigkeit". Als Levy (das erste Mal) von Düsseldorf kam, der auch Dich damals frequentiert7 hat, bot er mir sogar auf dem Präsentierteller eine Fabrikarbei
1 Schuld - 2 Das ist alles. - 3 vorweg - 4 vorübergehenden - 6 „Zur Kritik der Politischen. Ökonomie" - 6 verzweigten - 7 häufig besucht
terinsurrektion in Iserlohn, Solingen usw. an. Ich sprach mich derb gegen solche nutzlose und gefährliche Narrheit aus. Ich erklärte ihm ferner, daß ich keinem „Bund" mehr angehöre; auch der Gefahren wegen, die [durch] solche Verbindung den Leuten in Deutschland drohe, mich unbedingt nicht auf sie einlassen könne. Levy kehrte nach Düsseldorf] zurück, sprach sich, wie mir bald darauf geschrieben ward, sehr lobend über Dich aus, während er meine „doktrinäre" Indifferenz denunzierte.15061 Also von „Partei" in dem Sinn Deines Briefs weiß ich nichts seit 1852. Wenn Du Poet bist, so bin ich Kritiker und hatte wahrhaftig genug an den 1849-52 gemachten Erfahrungen. Der „Bund", wie die societe des saisons15071 zu Paris, wie hundert andre Gesellschaften, war nur eine Episode in der Geschichte der Partei, die aus dem Boden der modernen Gesellschaft überall naturwüchsig sich bildet. Was ich in Berlin zu beweisen habe (ich meine in bezug auf diese alte und veraltete Bundesgeschichte), ist zweierlei: Einmal, daß seit 1852 keine solche Gesellschaft existiert, von der ich ein Mitglied bin; dann, daß Herr Vogt ein hündisch-infamer Verleumder ist, wenn er die bis November 1852 existierende Kommunistengesellschaft mit mehr als Telleringschem Dreck überwirft. Für letztren Punkt bist Du nun allerdings Zeuge, und Dein Brief an Rüge (Sommer 1851) beweist, daß Du während der Periode, um die es sich hier allein handelt, derartige Angriffe als auch auf Dich gerichtet betrachtet hast. Die Erklärungen8 im „Morning Adcertiser", „Spectator", „Examiner", „Leader", „People's Paper" waren von Dir mit unterzeichnet. Eine Kopie derselben befindet sich in den Kölner Gerichtsakten. Auch nahmst Du nicht den geringsten Anstoß, daß diese Sache wieder erwähnt ward in meinen „Enthüllungen", (p.479) (Boston Ausgabe.) Ebenso erschien Dein Name, und zwar als der des Kassierers, in unsrer gedruckten Aufforderung zu Geldbeiträgen für die Verurteilten.15081 Indes ist es kaum nötig, dies wieder aufzufrischen. Unerläßlich aber ist es, daß mein Berliner Advokat10 folgenden Brief von mir an Engels erhält, der durch den Umstand, daß er nicht enveloppiert war und die beiden Poststempel London und Manchester trägt, ein gerichtliches Aktenstück ist.
8 Karl Marx/Friedrich Engels: „Erklärung an die Redaktionen englischer Zeitungen" -9 siehe
„28, Dean Street, Soho, London, 19. November, 1852
Lieber Engels, Der Bund11 hat sich vergangnen Mittwoch12 auf meinen Antrag hin aufgelöst und die Fortdauer des Bundes auch auf dem Kontinent für nicht mehr zeitgemäß erklärt. Auf dem Kontinent hatte er übrigens ja seit der Verhaftung von Bürgers-Röser faktisch schon aufgehört. Einliegend eine Erklärung für die englischen Blätter etc. Außerdem mache ich noch eine Lithographierte Korrespondenz" (statt dessen machte ich die Broschüre bei Schabelitz13) „ausführlich über die Polizeischweinereien etc., und für Amerika eine Aufforderung zu Geld für die Gefangnen und ihre Familien. Freiligrath Kassierer. Gezeichnet von allen unsern Leuten. (Die paar Zeilen Rest irrelevant.) Dein K.M."14 In einem solchen Aktenstück kann ich natürlich feinen Namen ausmerzen. Dies ist das einzige, worin ich zur Konstatierung einer Tatsache, nämlich der Auflösung des Bundes, Deinen Namen soweit brauche, als er sich zufällig in meinem Briefe von 1852 findet. Ich sehe nicht, was darin für Dich kompromittierlich. Einen Brief von Dir von 1851 wünsche ich zu brauchen für die Broschüre, die nach dem Prozeß erscheint15. Absolut nichts Juristisch-Kompromittierliches darin. Doch, da dies noch viele Wochen dauert, werde ich darüber mündlich Absprache nehmen. Aus dem obigen folgt: Die „Versammlungen, Beschlüsse und Handlungen der Partei" seit 1852 gehören ins Reich der Träume, was Du übrigens auch ohne meine Versichrung wissen konntest und nach sehr zahlreichen Briefen an mich zu wissen schienst. Die einzige Aktion, die ich nach 1852 fortsetzte, solang es nötig war, nämlich bis Ende 1853, mit einigen Gesinnungsgenossen jenseits des Ozeans, war das „system of mockery and contempt"16, wie Herr Ludwig Simon es 1851 in der „Tribüne" benamste15091, gegen die demokratische Emigrationsschwindelei und Revolutionsmacherei. Dein Gedicht gegen Kinkel14691, wie Dein Briefwechsel mit mir während jener Zeit, beweisen, daß Du vollständig d'accord17 mit mir gingst. Dies hat übrigens mit den Prozessen nichts zu tun. Tellering, Bangya, Fleury usw. gehörten nie zum „Bund". Daß Dreck aufgeworfen wird in Stürmen, daß keine revolutionäre Zeit nach Rosenöl
11 Bund der Kommunisten - 12 17. November 1852 - 13 „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 14 vgl. Band 28 unserer Ausgabe, S.195 - 15 „Herr Vogt" 16 „System von Hohn und Verachtung" -17 einig
riecht, daß hie und da selbst allerlei Unrat an einen anfliegt - ist sicher. Aut, aut.18 Übrigens, wenn man die ungeheuren Anstrengungen der ganzen offiziellen Welt gegen uns bedenkt, die, um uns zu ruinieren, den Code penal19 nicht etwa anstreifte, sondern tief durchwatete; wenn man das Lästermaul der „Demokratie der Dummheit" bedenkt, die unsrer Partei nie verzeihen konnte, mehr Verstand und Charakter zu haben als sie selbst; wenn man die gleichzeitige Geschichte aller andern Parteien kennt; wenn man sich endlich fragt, was dann nun tatsächlich (nicht etwa vor einem Gericht widerlegbare Infamien eines Vogt oder Teilering) gegen die ganze Partei vorgebracht werden kann, kommt man zum Schluß, daß sie in diesem 19ten Jahrhundert durch ihre Reinheit ausgezeichnet dasteht. Kann man im bürgerlichen Umgang oder trade20 dem Schmutz entgehn? Nur ist er in letztrem an seinem naturwüchsigen Ort. Beispiel Sir R. Carden, vide21 das Parliamentary Blue Book über Wahlbestechungen.15101 Beispiel Herr Klapka, über dessen Personalia ich nun genau instruiert bin. Kl[apka] ist keinen Deut besser, vielleicht schlechter als Bangya, den er und Kossuth übrigens trotz seiner zirkassischen Heldentaten und trotz meinet öffentlichen Denunziation22 bis jetzt zu Konstantinopel protegieren, nur, weil er ihnen zu tief in die Karte gesehn. Persönlich war Bangya anständiger als Kl[apka]. Er unterhielt eine Mätresse; Klapka hat sich jähre« lang von einer Mätresse unterhalten lassen usw. Den Schmutz Tellerings mag die Reinheit Betas aufwiegen und selbst Reiffs Unzucht ihr Äquivalent finden in der Züchtigkeit der Paula, die jedenfalls kein Glied der Partei war, noch zu sein vorgab. Die ehrliche Niederträchtigkeit oder niederträchtige Ehrlichkeit zahlungsfähiger (auch dies nur, wie jede Handelskrise zeigt, unter sehr zweideutigen Klauseln) Moral steht mir keinen Deut höher als die irrespektable Niedertracht, von der weder die ersten christlichen Gemeinden, noch der Jakobinerklub, noch unser weiland „Bund" sich ganz rein halten konnten. Nur gewöhnt man sich, im bürgerlichen Verkehr das Gefühl für die respektable Niedertracht oder niederträchtige Respektabilität zu verlieren. 3. Spezielle Angelegenheit Vogt-Blind. Nach den Affidavits23 von Vögele'611 und Wiehe24 (auf falschen Affidavits steht bekanntlich Transportation), nach den dadurch erpreßten
18 Entweder, oder. -19 das Strafgesetzbuch - 20 Geschäftsleben - 21 siehe - 22 „Ein Verräter im Tscherkessengebiet", „Ein merkwürdiges Stückchen Geschichte", „Noch ein seltsames Kapitel der modernen Geschichte" - 23 eidesstattlichen Erklärungen - 24 siehe vorl. Band,
Erklärungen Blinds in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]"14741 und Dr.Schaibles („Daily Telegraph" vom 15. Febr.)1661 ist die Sache soweit abgemacht, daß jetzt Dein Zeugnis in bezug auf diesen Punkt ganz überflüssig geworden. In der Sache Blind geniert mich nur ein embarras de richesses25. Ich wandte mich in dieser Angelegenheit an Ernest Jones, mit dem ich, wegen seiner albernen, jetzt öffentlich wieder aufgegebnen Stellung zu Bright, Gilpin usw. seit zwei Jahren nicht verkehrt hatte.15111 Ich wandte mich an ihn, einmal weil er aus freiem Antrieb, wie viele andre, darunter mir ganz unbekannte Personen, mir sofort nach dem Erscheinen des „ Telegraph" vom 6ten Februar seine tiefste Entrüstung kundgab über die Infamie Vogts15121, der die Schamlosigkeit hat zu behaupten, der Kommunistenbund sei gestiftet worden, und habe in diesem Sinne von 1849 bis 52 gewirkt, um unter Androhung der Denunziation Geld Von den in Deutschland Kompromittierten zu erpressen, der aus meiner „Verschwägerung" mit von Westphalen26 meinen „Zusammenhang" mit der „/Vjeuen] Preußischen] Zeit[ung\" herleitet usw. (diese Demonstration war mir lieb meiner Frau wegen, da von Damen nicht verlangt werden kann, daß die politische Hornhaut sie überwachse, und da sie grade an Katastrophen den Ernst oder Scherz der Freundschaft zu messen pflegen); zweitens, weil ich über Blinds juristisch sehr schiefen Kasus nicht aus Rücksicht für ihn, sondern für seine Frau und Kinder, keine echt englischen Juristen konsultieren wollte. Aus derselben Rücksicht sandte ich das englische Zirkular27 nicht dem „Morning Advertiser" und außer dem „Telegraph" keinem englischen Tagesblatt. Was Jones mir sagte, war das: „Du kannst, und ich werde selbst mit Dir mm Magistrat gehn, sofort eine Verhaftungswarrant28 wegen conspiracy^ gegen Blind auf Wiehes Affidavit hin erwirken. Aber überlege Dir, daß die action kriminell ist und, sobald sie einmal angezeigt, es außer Deiner Macht, sie rückgfingig zu machen." Ich fragte darauf Jones (der Dir alles wiedererzählen kann; er wohnt 5, Cambridge Place, Kensington, W.), ob es nicht möglich, daß er den Blind warne und ihn so zur Erklärung alles dessen bringe, was er über Vogt wisse, sowie zum Eingeständnis der Falschheit seiner in der A[ugsburger] „A.Z." beigebrachten Zeugnisse.
25 eine Verlegenheit wegen zu großer Auswahl - 26 Ferdinand von Westphalen - 27 Karl Marx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'" - 28 einen Verhaftungsbefehl - 29 Verschwörung
Jones erwiderte: „In conspiracy cases, da sie kriminell sind, wäre jeder Versuch des Advokaten zu Compound or bring about a compromise30 selbst kriminalistisch strafbar." Jones wird als council31 für mich auftreten in der „Telegraph"-Geschichte. Nach Jones' Äußerungen befand ich mich in peinlichster Verlegenheit, da ich einerseits meiner Familie schulde, den „ Telegraph" zur Revokation32 zu zwingen, andrerseits keinen Schritt tun wollte, der die Familie Blinds juristisch lädieren konnte. Als Ausweg sandte ich Louis Blanc, Blinds Freund, eine Abschrift der beiden Affidavits, nebst einem Brief, worin es u.a. wörtlich heißt: „Not for Mr.Blind who has richly deserved it, but for his family, I should regret being forced to lodge a criminal action against him."33 Dieser letztere Schritt brachte Schaibles (poor dear!34) Erklärung zuweg, ganz wie mein gedrucktes Zirkular, das ich sofort nach seinem Erscheinen Blind zugeschickt hatte, am selben Tage seine Erklärung gegen Vogt in der A[ugsburger] „A.Z." zuweg gebracht hatte. Blind in seiner badischen Winkelschlauheit hatte vergessen, daß ihm jemand gegenüberstand, der rücksichtslos ist, sobald seine eigne Ehre oder die seiner Partei ins Spiel kommt. Die Sache steht nun so: Der Prozeß gegen den „Daily Telegraph" ist eingeleitet, wird aber von meinem solicitor35 verzaudert werden bis nach der Entscheidung des Prozesses gegen die „National-Zeitung". Hätte Schaible mir offen mitgeteilt, was er gegen Vogt weiß (Schaible ist natürlich Blinds tarne elephant36), so wäre es, nach seiner Erklärung im „Telegraph" vom I5ten Febr. durchaus überflüssig für mich, die Affidavits zu London ad acta zu geben. In Berlin, wo es keine gerichtliche Folgen für Blind hat, ist das natürlich unvermeidbar. Ob Schaible der wirkliche (literarische) Autor des „Flugblatts" oder nicht, ändert nichts an den durch die Affidavits festgestellten Tatsachen, daß die von Blind in der A[ugsburget] „A.Z." beigebrachten Zeugnisse37 falsch, daß sie durch conspiracy verschafft waren, daß das Flugblatt in Hollingers Druckerei gesetzt, in Blinds Handschrift geschrieben, von ihm dem Hollinger zum Druck übergeben war.
30 einem Vergleich zu kommen oder einen Kompromiß zustande zu bringen - 31 Berater 32 zum Widerruf-33 „Nicht für Herrn Blind, der es wirklich verdiente, sondern für seine Familie würde ich es bedauern, gezwungen zu sein, einen Strafprozeß gegen ihn anzustrengen. 34 der arme Teufel! - 35 Anwalt - 36 zahmer Elefant - 37 siehe vorl. Band, S.467
Widerwärtig sind diese Sachen unbedingt, jedoch nicht widerwärtiger als die ganze europäische Geschichte seit 1851 mit all ihren diplomatischen, militärischen, literarischen und Kreditentwicklungen. „Trotz alledem und alledem"[5131 wird Philister übet mir für uns stets beßrer Wahlspruch sein als unter dem Philister. Ich habe offen meine Ansicht gesagt, die Du hoffentlich im wesentlichen teilst. Ich habe ferner das Mißverständnis zu beseitigen gesucht, als ob ich unter „Partei" einen seit 8 Jahren verstorbnen „Bund" oder eine seit 12 Jahren aufgelöste Zeitungsredaktion38 verstehe. Unter Partei verstand ich die Partei im großen historischen Sinn. Mit aufrichtigster Freundschaft Dein K.Marx
P.S. Soeben erhalte ich einen Brief von meiner Frau, wonach es mir sehr lieb wäre, wenn Du Sonnabend (übermorgen) (nicht am Freitag, da ich den Dienstagartikel noch einrechne) 16 £ auf die „Tribüne" ziehst. Der Generalbevollmächtigte39 wird wie gewöhnlich seine Aufwartung machen.
38 „Neue Rheinische Zeitung" - 39 Helene Demuth
18
Marx an Ferdinand Lassalle in Berlin
3. März 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Lieber Lassalle, Ich antworte Dir umgehend, aber kurz (hoffentlich jedoch klar), da ich über Ohren in Arbeiten für zwei Prozesse liege. 1. ad üocem: Mein Prozeß gegen die „National-Zeitung". Über den Erfolg des Prozesses kannst Du nicht urteilen, da Du nicht weißt, welche Papiere in meiner Hand einerseits; wie ganz aus der Luft gegriffen Vogts Lügen andrerseits. Aber für die Attacke mußtest Du von vornherein sein. Der zweite Prozeß ist gegen den „Daily Telegraph" zu London, wegen Amplifikation und Reproduktion der „N[ational]-Z[eitung]"-Artikel. „Telegraph" ist das gemeinste Tagesblatt in London, was viel heißt, aber sicher nicht £/em. Hat die größte Zirkulation von allen Tagesblättern in London. Speziell von Palmerston subventioniert. Dies der Grund, warum der Dreck gegen mich breit darin aufgenommen. Den „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein" sollst Du hiermit erhalten. 2. Der „süperbe gestus"1 existiert nur in Deiner Imagination.15141 Daß dagegen in Deinen beiden Briefen an mich, die ich Engels, Wolff und meiner Frau mitgeteilt, nach ihren einstimmigen Urteil eine Art Befangenheit unter Vogts Schandschrift1131 existiert, scheint sicher, wenn tres faciunt collegium2. Ich habe Dir den Wisch etc.3 geschickt, um Dir ad oculos4 zu demonstrieren, wie Du aufbrausen würdest bei einem Teufelsdreck, der weder gedruckt ist, noch den Vogtschen Infamien gleichkommt. Korrektionelle facts5 hat Vogt gegen mich vorgebracht. In Deinen Briefen sah ich keine Entrüstung gegen den Biedermann, dem ich gar noch vor dem Publikum amende honorable6 machen sollte. Hätte Vogt Dein Ver
1 Die „stolze Geste" - 2 drei ein Kollegium bilden - 3 siehe vorl. Band, S. 464 - 4 durch den Augenschein-5 Sträfliche Übeltaten - 6 eine Ehrenerklärung
hältnis zu mir gekannt und Wiß* Wisch besessen, er hätte ihn als authentisches Dokument zur Geschichte der „Schwefelbande"[51! gedruckt. Daß ich bisher Blinds Sachen gegen Vogt irgendwo (außer in einem Brief an Dich[5151) erwähnt, öffentlich, ist leichtsinnige Unterstellung von Dir. Daß V[ogt] bonapartistischer Agent, ist mir aus seinem Buch15161 ganz klargeworden. Als Willich (Techow hat nur geschrieben141', was Willich ihm 1850 soufflierte7) 1853 in den U[nited\ States ähnlichen Kot auf mich warf, erklärten Weydemeyer, Dr.Jacobi, Cluß spontan, eh ich Notiz davon haben konnte, alles öffentlich für infame Verleumdung.15171 In Deutschland, gegen diesen maßlosen Angriff, hatte keiner meiner dortigen Freunde ein Wort des Protests; statt dessen mich patriarchalisch zurechtweisende Briefe. Es war also ganz sachgemäß, daß ich Dich durch den Wisch usw. in meine Situation versetzte oder vielmehr in richtige, etwas mehr leidenschaftliche und weniger doktrinäre Auffassung derselben. Ich habe Dir keine Kopie von Dr. Wiß' Brief geschickt, sondern das Original (das heißt die mir von Amerika gesandte Kopie). Dronke weiß nichts von dem Wisch. Von Konduitenzettel keine Rede.'5181 Ich hatte Dich in einem Privatbrief an den Empfänger8 von Wiß' Brief als einen der tüchtigsten Leute unsrer Partei und als einen intimen Freund von mir und Engels genannt. Diesen meinen Brief scheint der Empfänger, den ich ohne Vorherige Anfrage bei ihm nicht nenne, dem Wiß mitgeteilt zu haben, oder wenigstens den Inhalt des Briefes. Hinc die lacrimae9 des Wiß. Ich stehe nicht, noch stand ich jemals in Verbindung mit Wiß. Dieser hatte sich früher der „N[eaen\ Rheinischen] Z[eitung]" angeboten, ihr eine Korrespondenz geschickt, die ich in den Papierkorb warf, ohne ihm zu antworten. In New York hat er (in Weitlings „Republik der Arbeiter") ein halb Dutzend blödsinniger Artikel gegen mich veröffentlicht. Das Wort „offizielle"10 Anklagen brauchte ich nur im Gegensatz zu den „konfidentiellen" Briefe des Wiß. Erscheint mir jetzt selbst - ich schrieb in der Eile - hochkomisch. Wer die Leute von Düsseldorf waren11, könnte ich ohne Vertrauensbruch nicht seigen. Es wird aber genügen zu bemerken, daß ich in keine Verbindung mit denselben trat. Was den Undank der Arbeiter betrifft, so ist der gegen Dich Kinderspiel gegen das, was ich an meiner eignen Haut erfahren habe. Levy jedoch ist nicht, weder die Person, noch die Personen.
7 einflüsterte - 8 Adolf Cluß - 9 Daher die Tränen - 10 siehe vorl. Baad, S. 464 - 11 siehe vorl. Band, S. 31
32 M«rWEn»el», Werke, Bd. 30
Becker12, Bermbach, Erhard, Uhlendorff (letztrer Name mir unbekannt) haben nie eine Zeile gegen oder über Dich an mich geschrieben.1519' Ich „liierte" mich nicht mit Becker. Die Zentralbehörde des Bundes147' war nach Köln verlegt worden. Dort hatte man absolut zu entscheiden. (Dieser „Bund", wie alles damit Zusammenhängende, gehört längst der Vergangenheit. Die Papiere desselben befinden sich in Amerika mit Ausnahme von 2 oder 3.) Dort nahm man Becker auf. So trat er mit mir in liaison13. Vergleichst Du nun die erwähnten facts und Deine Deutung derselben, so wirst Du über Dein spezifisches Talent zum „Mißtrauen" klarwerden. Was mein Mißtrauen betrifft, so weiß ich (und Du wirst mich verpflichten, wenn Du mir andre Fälle anführst) während der 18 Jahre, wo ich öffentlich wirke, nur zwei Fälle, worin man mich mit einigem Schein dieser Geisteskrankheit beschuldigen könnte: a) Ich nahm in der „N[euen] Rheinischen] Zeit[ung]" eine Denunziation gegen Bakunin von Paris auf, die von zwei sich ganz fremd stehenden Quellen herrührte. Eine dieser Quellen war ein mir bekannter Pole. Die andre war die Pariser lithographierte Korrespondenz, die also die Denunziation allen Zeitungsredaktionen in die Hand spielte, auch wenn ich sie nicht druckte. Öffentliche Anklage war im Interesse der Sache und im Interesse Bakunins. Bakunins Gegenerklärung in der ,,N[euen] OderZeitung" druckte ich sofort ab. Koscielski, den er als Kartellträger an mich nach Köln geschickt, war nach Durchsicht der Briefe von Paris so überzeugt, daß es meine Pflicht als Redakteur war, die Denunziation zu drukken (die ich als Korrespondenz ohne Kommentar gedruckt hatte), daß er umgehend Bakunin schrieb, er könne nicht länger als sein Kartellträger funktionieren. K[oscielski] ward einer der besten und nützlichsten Freunde der „N[euen] Rheinischen] Z[eitung]". Dem Bakunin gab ich eine öffentliche Ehrenerklärung in der ,,/V[euen] Rheinischen] Zeitung]", versöhnte ihn persönlich zu Berlin (August 1848) und habe später in der „Tribüne" (1851) eine Lanze für ihn gebrochen.15201 b) In den „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß" sind einige Leute, namentlich Schapper, 0. Dietz, und in geringrem Grad Willich, ungerecht behandelt, aber Schapper selbst (und Dietz in einem Brief an Schapper) hat zugegeben, daß ich prinzipiell im Recht gegen sie war; daß sie sich in Betisen14 verwickelt, wo es ohne Wunder kaum möglich war, sie von Verdacht frei zu sehn; la Hermann Becker - 13 Verbindung - 14 Dummheiten
daß Willich damals verrückt und jeden Schritts gegen mich fähig war; auch wirklich infame Schritte gegen mich und meine Freunde sich zuschulden kommen ließ. Schließlich: Die Phrase „Was mein Mißtrauen betrifft, so kannst Du wenigstens nicht darüber klagen"15, war die gerechte Replik auf Deine Phrase: (ich zitiere sie aus dem Kopf) „Wer Dich kennt, bei dem wird Dir Vogts Broschüre nicht schaden etc." Auf diese beruhigende Versichrung retorquierte16 ich. Was die „viele Wahrheit"17 betrifft, so muß ich später Deinen Brief in London nachsehen. Ich hoffe nun, daß alle Punkte erledigt sind. Dein K.M.
Noch eins. Du rietst mir, mit der „Klage" zu warten, bis ich Vogts Buch selbst gelesen. Waren die Auszüge in der „N[ational]-Z[eitung]u nicht genug? Konnte jemand, der „integer vitae scelerisque purus"18 da noch warten? Adolf Stahr, sollte der nicht den „Telegraph"-Korrespondenten kennen? Wenigstens brachte letztrer bei Tod der Frau Kinkel Sachen, die nach Fanny Lewald rochen.15211
15 siehe vorl. Band, S. 463/464 -16 erwiderte -17 siehe vorl. Band, S. 463 - 18 „im Wandel rein und frei von Schuld ist" (Horaz, I, 22, 1)
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Marx an Justizrat Weber in Berlin
3. März 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
Hochgeehrter Herr! Ich habe Ihren Brief vom 22ten Februar erhalten und sage Ihnen zunächst meinen besten Dank für die Annahme meines Mandats. Ich stimme ganz überein mit Ihrer Art und Weise, die Sache zu behandeln. Sollte der nun von mir erwähnte Anklagepunkt aus formellen Gründen keinen juristischen Erfolg haben, so ist es jedenfalls des Publikums wegen äußerst wichtig, daß er vorgebracht wird. Ich erlaube mir als Kommentar zu beiliegenden Anlagen und zur schließlichen Ausführung meiner Information einige fernere Randglossen, wobei ich noch zuvor bemerke, daß, da ich keine Kopie meines am 13ten Februar an Sie abgesandten Briefes1 besitze, die Numerierung der Anklagepunkte meinem letzten Briefe vom 24. Febr.2 entspricht. ad. IV. ad voceir? Cherval. Aus den Ihnen übersandten „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" werden Sie ersehn haben, daß Herr Karl Schapper einer der beiden Führer des 1850 mit mir verfeindeten Teils des „Bundes der Kommunisten"'471 war, die ich bezichtigte, durch eine falsche Auffassung des Zwecks der damals existierenden geheimen Gesellschaft, die nach meiner Überzeugung Ansichten zu verbreiten, sich aber von aller und jeder konspiratorischen Tätigkeit fernzuhalten hatte, [zu schaden], daß ich also Herrn Schapper und Konsorten sowohl durch den Mund der Advokaten im Gerichtshof zu Köln, als später durch mein in der Schweiz und Amerika erschienenes oben benanntes Pamphlet öffentlich anklagte, dem Stieber und seinen Agenten die Vorwände für ihre Polizeimanöver geschaffen und so die gerichtliche Verfolgung meiner Freunde in Köln veranlaßt zu haben. So schwer es nun der Eigenliebe des Herrn Schapper werden müßte,
1 Siehe vorl. Band, S. 448-453 - 2 siehe vorl. Band, S. 465 und 483 - 8 betreffs
seine Fehler gerichtlich einzugestehn, wußte ich dennoch, daß er ein Ehrenmann (er war Korrektor der „Neuen Rheinischen Zeitung" 1848/49), und ersuchte ihn daher in einem Briefe4 von hier aus, sein Affidavit5 über diesen Punkt vor einem Londoner Magistrat zu geben. Er hat sofort meiner Erwartung entsprochen. (Siehe Anlage a) Übersetzung: Anlage f.i.) Herr Schapper hat sich gleich mir selbst seit vielen Jahren von aller Agitation zurückgezogen. Schappers Affidavit räumt auch die letzte Unklarheit über mein Verhältnis zu dem elenden Cherval weg, worüber übrigens die „NationalZeitung" keinen Zweifel hegen konnte, hätte sie die öffentlichen und in den bedeutendsten preußischen Zeitungen abgedruckten Verhandlungen des Kölner Kommunistenprozesses (Oktober und November 1852) selbst nur oberflächlich angesehn. Das aber war ihre Schuldigkeit, bevor sie solch infamierende Anklage auf mich wälzte. Es war um so mehr ihre Schuldigkeit, als sie selbst in ihren Leitartikeln wiederholt des besagten Prozesses erwähnt. Schappers Affidavit beweist, daß Cherval nie mit mir, sondern nur mit meinen damaligen Gegnern verbunden war. Ich kann in betreff des Cherval noch das zufügen: Aus einem alten Brief, den ich an Friedrich Engels zu Manchester schrieb (28. Oktober 1852), und den er aufbewahrt hat, hebe ich folgende Stelle hervor: „Daß Cherval Polizeispion, ist durch folgendes bewiesen: Erstens: Seine wunderbare Flucht gleich nach der Verurteilung aus dem Pariser Gefängnis; Zweitens: Ungestörter Aufenthalt in London, obgleich er ein gemeiner Verbrecher; Drittens: Herr von Remusat (ich habe Schneider II ermächtigt, ihn im Notfall zu nennen) ließ mich wissen, Cherval habe sich ihm als Agenten für die Prinzen von Orleans angeboten. Er habe darauf nach Paris geschrieben und folgende (mir in der Kopie vorgezeigte) Dokumente erhalten!, woraus folgt, daß Cherval erst preußischer Polizeiagent war, jetzt bonapartistischer ist."6 Den Inhalt des obig zitierten Passus wird Herr Advokat Schneider II von Köln bezeugen, sollten Sie es für nötig halten, ihn als Zeugen nach Berlin vorzuladen. Der in dem Auszug aus dem Brief an Engels erwähnte Monsieur de Remusat war, wenn ich nicht irre, Minister unter Louis-Philippe,
4 siehe vorl. Band, S. 485/486 - 5 seine eidesstattliche Erklärung - 6 vgl. Band 28 unserer Ausgabe, S. 168/169
jedenfalls einer der hervorragendsten Deputierten zu Louis-Philippes Zeit und einer der bedeutendsten Schriftsteller der sog. doktrinären Partei aus jener Periode. ad II (ad vocem Gelder für das Journal „Volk".) Ich sende Ihnen, Anlage b ( Ubersetzung Anlage f, 2), meine eigne Aussage an Eides Statt über den Ursprung der von mir dem „Volk" zur Disposition gestellten Gelder.1522' Da ich mich einige Zeit zu Manchester aufhalten muß, indem mein Sachwalter für den Verleumdungsprozeß gegen den Londoner „Daily Telegraph" zu Manchester wohnt, mußte ich das Affidavit vor einem Manchester Justice of the Peace (Friedensrichter) ausstellen. Es führt daher, dem englischen Gesetz gemäß, keinen Stempel, ad I habe ich nichts zuzufügen, ad III bemerke ich: In bezug auf meine „Verbindung" mit der „geheimen Polizei" könnte ich meinen Schwager, den preußischen Ex-Minister von Westphalen als Zeugen vorladen lassen. Meine Frau, seine Schwester, wünscht jedoch, wenn es nicht notwendig, diesen Familienskandal zu vermeiden. Ich muß das ganz Ihrem Gutdünken daher überlassen. Anlage b) ( Übersetzung: Anlage f, 3) enthält eine Erklärung an Eides Statt von G.Müller, Präsident des öffentlichen deutschen „Arbeiterbildungsverein" zu London1-31. Es ist dies der einzige Arbeiterverein (außer der erwähnten geheimen Gesellschaft, „Bund der Kommunisten", aufgelöst auf meinen Antrag November 1852), dem ich in London von meiner Ankunft daselbst (September oder August 1849) bis zu einem damals von mir öffentlich in verschiedenen deutschen Blättern (auch in der damals existierenden „Londoner Deutschen Zeitung") angezeigten Austritt7 aus demselben (Mitte September 1850) angehörte. Es ist überhaupt der einzige deutsche Arbeiterverein, mit dem ich während meines Aufenthalts in London je in irgendeiner Beziehung stand. An seinem Stiftungsfest (6. Februar 1860) hat nun dieser Verein (die Reproduktion der Artikel der „National-Zeitung" war grade an diesem Tage in dem Londoner Tagesblatt „Daily Telegraph" erschienen) den einstimmigen Beschluß gegen Vogt für mich gefaßt, obgleich ich ihm seit 10 Jahren fernstehe. Diesen Beschluß hat der Präsident desselben in gerichtlicher Form in London aufnehmen lassen, wie Sie sehn aus der Anlage.
7 Karl Marx/Friedrich Engels: „Erklärung über den Austritt aus dem Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London"
ad V. Den aus der „National-Zeitung" paraphrasierten Artikel des „Daily Telegraph" lege ich bei (sub Anlage d); ebenso die infolge meiner Reklamation erfolgte Antwort des (Berliner) Korrespondenten des „Daily Telegraph" (sub Anlage e), die ich in meinem Briefe vom 24ten Februar übersetzt habe.8 Ich halte es nun für ganz überflüssig, den Namen meines Freundes Ferdinand Freiligrath irgendwie im Lauf des Prozesses zu erwähnen, mit einziger Ausnahme des Ihnen in meinem Brief vom 24ten Februar beigelegten Briefes an F.Engels d.d. 19. November 1852.9 Diesen Brief halte ich für wesentlich zur gerichtlichen Konstatierung der Tatsachen. Ich schließe diesem Briefe, außer der unten nachfolgenden nachträglichen Information, folgende Anlagen bei: Anlage a) Affidavit von Schapper; b) Mein eignes Affidavit; c) Affidavit von G.Müller; d) „Daily Telegraph" vom 6ten Februar, p.5, Spalte 1, Artikel überschrieben: „The Journalistic Auxiliaries of Austria" („Die journalistischen Helfershelfer von Ostreich"); e) „Daily Telegraph" vom 13ten Februar, P.2, Spalte 6, unter der Überschrift: „Germany". (From our own correspondent)10, Frankfort on the Maine, Febr.8; 0 Übersetzung der 3 Affidavits, g) „Der Ritter vom edelmütigen Bewußtsein", Druckschrift, New York, Dezember 1853. h) Brief von Flocon, Mitglied der provisorischen Regierung, Paris, 10. März 1848u; i) Brief von Lelewel, Bruxelles, 10.Febr. 186012; k) 1.Brief von L.Jottrand, Bruxelles, 19.Mai 184913 und 2.Brief von demselben, Bruxelles, 25. Febr. 1848; 1) I Exemplar von „Zwei politische Prozesse. Verhandelt vor den Februar-Assisen in Köln", Köln 1849[6231; m) Brief von Ernest Jones. London, 11. Febr. 186014; n) Brief des Sheffield Foreign Affairs Committee125'. 6ter May 1860, Sheffield15; o) Briefe von David Urquhart. Glasgow. Dez. 9.1854; p) Übersetzung von Anlagen m), n) und o). Das einzige Schriftstück, das ich Ihnen jetzt noch zu schicken habe, ist ein Brief des Redakteurs der „New-York [Daily] Tribüne"16 - ein Brief, den ich täglich erwarte - über mein Verhältnis zu dieser an der Spitze der englisch-amerikanischen Presse stehenden Zeitung von Mitte 1851 bis zu diesem Augenblick. Mit vollkommner Hochachtung Ihr ganz ergebner Dr. Karl Marx
8 siehe vorl. Band, S. 481 /482 - 9 siehe vorl. Band, S. 465, 479 und 491 -10 „Deutschland". (Von unserem Korrespondenten) - 11 siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.676 - 12 ebenda, S. 678 -13 ebenda, S. 676/677 - "ebenda, S. 678/679 -15 ebenda, S. 670 -16 ebenda, S. 679/680
Nachträgliche Information
Es versteht sich ganz von selbst, daß ich in einem Prozeß gegen die „National-Zeitung" nur die Punkte des Vogtschen Pasquills berühre, die die „National-Zeitung" selbst ihrem Leitartikel einverleibt hat, sei es durch einfache Reproduktion, sei es durch Randglossen; auch betreffs der „National-Zeitung'' nur solche Punkte, die juristisch strafbar sind. Alles andre muß vorbehalten bleiben für meine literarische Antwort auf Vogt, die erst nach dem Schluß der Gerichtsverhandlungen erscheinen kann. Diese nachträgliche Information bezweckt daher nur folgendes: 1. Zu etwaiger Replik gegen den Gegenadvokat einige Bemerkungen über solche Passus der „National-Zeitung" zuzufügen, die für den Strafantrag selbst ganz gleichgültig sind. 2. Da ich selbst der Sohn eines Advokaten (des verstorbnen Justizrats Heinrich Marx zu Trier, der lange batonnier17 des dortigen barreaus18 und ebenso durch die Reinheit seines Charakters wie seine juristischen Talente ausgezeichnet war), so weiß ich, wie wichtig es für einen gewissenhaften Rechtsanwalt ist, über den Charakter seines Klienten ganz klar zu sein. Sie werden außerdem sehn, daß einiges ad 2) Beigebrachte vorteilhaft während der Verhandlungen zu brauchen ist. ad 1) Es heißt in der „National-Zeitung", nach dem von mir in dem Brief vom 24.Februar sub III19 angezognen Passus (Nr.37 der „NationalZeitung", Spalte 2, Zeile 65 von oben sqq): „Zur weiteren Charakterisierung teilt Vogt u.a. einen langen Brief des ehemaligen Lieutenants Techow vom 26. August 1850 mit, worin" usw. Nun enthält dieser Brief zunächst nichts, nicht eine Zeile, wie der Leser, der nur die „Nat.-Zeit.", nicht Vogts Pasquill1131 selbst liest, leicht versucht sein könnte zu glauben, von dem was unmittelbar vorher die „Nat.Zeit." mit und nach Vogt behauptet, nämlich von „Kompromittierung von Leuten im Vaterland, um ihnen durch Androhung der Denunziation Geld auszupressen", von „Verbindung mit der geheimen Polizei in Frankreich und Deutschland" u.dgl. Alles, was Techow in der Tat sagt, ist, daß er mit mir, Engels und Schramm20 (jetzt verstorben, damals (1850) Gerant der von Engels und mir zu Hamburg herausgegebnen „Revue"21) pokulierte22 und die Scherze, die wir mit ihm trieben, indem er uns als sehr ernsthafter und wichtigtuender Gesandter einer geheimen Gesellschaft in der Schweiz15241 imponieren
17 Vorsteher -18 der... Advokatur -19 siehe vorl. Band, S. 475 - 20 Conrad Schramm - 21 „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" -22 zechte
wollte, für feierlichsten Ernst nahm. Dies betrifft den theoretischen Teil seines Briefs, worin er, mit den sonderbarsten Mißverständnissen und komischsten Verfälschungen, seiner Unterredung (die so nie stattgefunden hat) mit uns schildert. Niemand wird wohl von mir, der seit mehr als 15 Jahren seine Ansichten deutsch, französisch und englisch hat drucken lassen, erwarten, daß ich mich auf einen Bericht über meine Theorie von Seiten eines Exlieutenants ernsthaft einlasse, der während seines ganzen Lebens nur ein paar Stunden mit mir zubrachte, und zwar in einem Weinhaus. Die damalige Zweideutigkeit und mauvaise foi23 des Herrn Techow gehn deutlich daraus hervor, daß er, früher von der Schweiz aus, Willich bei mir und Engels angriff (sieh Anlage g: „Der Ritter vom edelmütigen Bewußtsein" p.3/424), später in seinem nie veröffentlichten Brief Willichs Einbildungen (Willich bewegte sich damals in der närrischsten Einbildung über die Wichtigkeit seiner eignen Person und die ihm von eingebildeten Rivalen gelegten Fallstricke) und Verleumdungen gegen mich ohne weitres kolportierte, obgleich er natürlich nach ein paar Tagen Aufenthalt in London und im ausschließlichen Verkehr mit unsern damaligen Feinden, bei dem geringsten gran25 von Verstand einsehn mußte, daß er zu keinem Urteil nach irgendeiner Seite hin berechtigt war. Ich habe bisher bloß von dem sozusagen theoretischen Teil von Techows Brief (abgedruckt in Vogt, ich weiß natürlich nicht, ob unverfälscht, p. 142 sqq.) gesprochen. Ich komme nun zu dem aggravierenden26 Teil des Briefs, wo er von dem Duell meines verstorbnen Freundes Conrad Schramm mit Willich redet. Hätte die „National-Zeitung" den Brief abgedruckt, so würde ich einen Brief Schramms einlegen, worin letztrer mir noch lang nach dem Duell vorwarf, von Willich beeinflußt zu sein, weil ich, obgleich vergebens, Schramm von dem Duell abgeraten. Hier genügt es, einfach zu verweisen auf Anlage g, p. 5-9.27 (Als dies Dezember 1853 in New York erschien, befanden sich beide, Willich und C. Schramm, in Amerika.) In bezug auf die Broschüre (Anlage g) wird es nötig sein, einiges die Geschichte ihrer Entstehung Betreffende beizubringen. Im Dezember 1852, gleich einige Wochen nach Ende des Kölner Kommunistenprozesses, schickte ich das Manuskript meiner „Enthüllungen" über diesen Prozeß nach Basel - an Buchhändler Schabelitz. Nach
23 Unehrlichkeit - 24 siehe Band 9 unserer Ausgabe, S.495/496 - 25 Körnchen - 26 schwerwiegendsten - 27 siehe Band 9 unserer Ausgabe, S. 502-506
monatelanger Verzögerung des Druckes beging Sfchabelitz] solche Albernheiten in der Versendung, daß die ganze nach Deutschland expedierte Auflage an der badischen Grenze konfisziert wurde. Infolge dieses Ereignisses sandte ich das Manuskript nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo es zu Boston, im März 1853, erst in der „Neu-England-Zeitung" in fortlaufenden Nummern erschien, dann als selbständiges Pamphlet abgedruckt wurde. Gleichzeitig mit der Erscheinung der „Enthüllungen" in Amerika erschien selbst Herr Willich zusammen mit Kinkel, beide im Interesse einer Revolutionsanleihe'229), da nach Kinkels damals in amerikanischen deutschen Blättern gedruckten Ansichten, „Revolutionen so leicht wie Eisenbahnen zu machen sind", wenn nur das „nötige Geld" dazu vorhanden'5251. Es waren derartige Narrheiten, denen ich bestimmt gegenübertrat. Willich, nach der Veröffentlichung der „Enthüllungen" in Amerika, wartete wenigstens 4 Monate und publizierte dann eine Entgegnung in der „CriminalZeitung" von New York.'5171 Sie enthielt dieselben Verleumdungen und Narrheiten, wie der Brief Techows (Techow hatte 1850 in der Tat nur nach der Schweiz geschrieben, was Willich ihm damals zu London ins Ohr geraunt hatte und was Willich 1853 zu New York drucken ließ). Ich mußte um so mehr antworten, als ich schon damals in der englisch-amerikanischen Presse, infolge meiner Artikel in der „New-York Tribüne", eine öffentliche und anerkannte Stellung einnahm. Ich beschloß indes, die Sache zwar sachgemäß, aber doch in scherzhaftem Ton abzumachen, wie es dann in dem „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein" geschehn ist. Techow konnte natürlich antworten, so gut wie Willich, hielten es aber für klüger zu schweigen, während 7 Jahren bis jetzt ihr Schweigen nicht zu brechen. Wie perfid-abgeschmackt also von der „National-Zeitung" (die sich nur für die Kritik, die ich ihr 1848/49 in der „Neuen Rheinischen Zeitung" angedeihn ließ'5261, zu rächen sucht), dem Publikum längst öffentlich widerlegten Klatsch als authentische Wahrheit anzupreisen. Übrigens habe ich, bei Ankunft des Vogtschen Buchs in London, das Buch nebst einem Brief an Herrn Techow in Australien geschickt und werde wohl nach 4 Monaten seine Antwort dem Publikum vorlegen können.'5271 Die folgende Geschichte der Publikation dieses Briefs ist übrigens charakteristisch für Vogt. Advokat Schily zu Paris schreibt mir nämlich darüber in einem Brief d.d. Paris, 6 Februar 1860;
„Dieser Brief" (nämlich der Techowsche) „gelangte durch verschiedne Hände endlich in die meinigen, wo er reponiert28 blieb, bis er infolge meiner Verjagung aus der Schweiz (1851 Sommer) durch Ranickel (einen Arbeiter, der mit Willich in Verbindung stand) in den Besitz von Vogt gelangte. Ich konnte nämlich meine Papiere nicht ordnen, da ich ohne vorherige Ausweisung noch sonstige Benachrichtigung urplötzlich in den Straßen Genfs, wohin ich interniert worden war, aufgepackt und sofort per Schub und durch verschiedne Gefängnisstationen nach Basel und von dort weiter versandt wurde. Meine Papiere wurden mir von meinen Freunden geordnet, wobei namentlich Ranickel tätig war und sich so in den Besitz jenes Schreibens setzen konnte. Ich habe später von London aus das Schreiben schriftlich von Ranickel reklamiert, aber nicht erhalten. Als besonderer Vertrauensmann Willichs (er hatte früher mit ihm in Besan?on gehaust) mochte er wohl andre Projekte oder Instruktionen haben... Ranickel soll jetzt ein brillantes Etablissement als Buchbinder haben und dazu die clientele des Genfer Gouvernement?9 (an dessen Spitze Fazy, Vogts Patron). Neben seiner Abgötterei für Willich war Ranickel Vogts Zuträger." Auf diesem ehrlichen Weg hat Herr Vogt diesen Brief Techows erhalten. Schilys Namen bitte ich nicht zu erwähnen, sollte dieser Punkt überhaupt zur Sprache kommen, da Vogt als bonapartistischer Agent Macht genug besitzt, Schily aus Frankreich exilieren zu machen. Ich habe zu diesem Punkt nur noch hinzuzusetzen, daß, sobald Willich (1853) seine in Techows Brief jetzt reproduzierten Narrheiten veröffentlichte, in derselben „New- Yorker Criminal-Zeitung" sofort, bevor ich irgendwelche Notiz in England haben konnte, eine siegreiche Antwort erschien von Joseph Weydemeyer (früher preußischer Artillerielieutenant, später Mitredakteur der Frankfurter „Neuen Deutschen Zeitung", jetzt Deputy-Surveyor30 im Staat Iowa[528]), der sich während der ganzen Londoner Spaltung und während des Kölner Kommunistenprozesses zu Frankfurt am Main befand und Mitglied des „Bundes der Kommunisten" gewesen war. Diese Erklärung war mitunterzeichnet von Dr.A.Jacobi, jetzt praktischer Arzt zu New York, der sich selbst unter den Angeklagten zu Köln befunden hatte, aber freigesprochen worden war.15171 Mit Bezug auf folgenden Passus, Nr. 37 der „National-Zeitung", Spalte 11, Zeile 31 sqq. von oben: „Unter der Flüchtlingsschaft setzen sie" (nämlich ich und Kons.) „das Werk der .Rheinischen Zeitung' fort, die 1849 von jeder Teilnahme an der
28 zurückgebalten - 29 Kundschaft der Genfer Regierang - 30 Landvermessergehilfe
Bewegung abmahnte, wie sie ja auch sämtliche Parlamentsmitglieder beständig angriff etc.", bemerke ich: Es ist sehr richtig, daß die „Neue Rh. Zeit." nie, wie die „NationalZeitung", eine Milchkuh aus der Revolution zu machen suchte, vielmehr nur mit großen Geldopfern und großen persönlichen Gefahren meinerseits aufrechterhalten wurde bis zu ihrer Unterdrückung durch die preußische Regierung. Die lächerliche Anklage, namentlich im Munde der „NationalZeitung", daß die „Neue Rh. Zeit.'1 „1849 von jeder Teilnahme an der Bewegung abmahnte", wird am besten widerlegt durch die Spalten des Blattes selbst. Übrigens verweise ich über die Art und Weise, wie ich während der Revolution auftrat, auf Anlage 1) („Zwei Politische Prozesse etc."). Es ist ebenfalls wahr, daß die „Neue Rhein. Zeit." Herrn Vogt und andre hohlen Phrasenmacher der Frankfurter Nationalversammlung stets ironisch und ihrem Gehalt gemäß behandelte. Übrigens hatte Vogt, der, nach seinem eignen Geständnis in seinem Pamphlet, schon 1846 naturalisierter Schweizer Bürger, also Genosse eines fremden Staats war, absolut nichts in Deutschland zu schaffen. Es ist falsch, daß die „Neue Rhein. Zeit." „sämtliche" Parlamentsmitglieder „angriff". Sie stand in der freundschaftlichsten Verbindung mit vielen Mitgliedern der äußersten Linken. Wie sehr selbst Vogt und Konsorten bis kurz zum Untergang der Zeitung um ihre Gunst buhlten, geht einfach daraus hervor, daß, als sie den Märzüerein15291 stifteten, sie ein Zirkular durch ganz Deutschland sandten, worin die „guten" Zeitungen mit einem Stern, die „besten" mit zwei Sternen zum Abonnement ihrem Publikum dringend empfohlen wurden. Die „Neue Rhein. Zeit." ward mit „zwei Sternen" beehrt. Sobald mir der Wisch in die Hand fiel, protestierte ich sofort in einem kurzem Leitartikel der „Neuen Rhein.Zeit." (ich glaube in einer Märznummer 1849)31 gegen diese ungebetne Protektion von Leuten, deren persönlichen Charakter und politische Intelligenz ich gleich gering achtete.16301 ad 2) 1842 (damals 24 Jahr alt) war ich Haupt-Redakteur der alten „Rheinischen Zeitung", die erst unter einfache, dann unter doppelte Zensur gestellt, schließlich gewaltsam (Frühling 1843) von der preußischen Regierung unterdrückt ward. Einer der Männer, mit denen ich damals zusammenarbeitete, war Herr Camphausen, nach der Märzrevolution Ministerpräsident in Preußen. Die alte „Rhein. Zeit." hat unbedingt die Macht der Zensur in Preußen gebrochen. (Ich bemerke konfidentiell32, natürlich nicht
31 „Der Märzverein" - 32 vertraulich
zu öffentlichem Gebrauch: Nach der Unterdrückung der „Rhein. Zeit." ließ mir die preußische Regierung Offerten machen durch den Geheimen Revisionsrat Esser, einen Freund meines Vaters. Esser befand sich nämlich mit mir im Bad zu Kreuznach, wo ich meine jetzige Frau heiratete. Nach dieser Mitteilung verließ ich Preußen und ging nach Paris.) Zu Paris gab ich die „Deutsch-Französischen Jahrbücher" heraus zusammen mit Friedrich Engels, Georg Herwegh, Heinrich Heine und Arnold Rüge. (Mit .Herwegh und Rüge brach ich später.) Ende 1844 wurde ich auf Antreiben der preußischen Gesandtschaft von Paris (durch Guizot) ausgewiesen und ging von da nach Belgien.'5311 Welche Stellung ich tmter den französischen Radikalen während meines Pariser Aufenthalts einnahm, ergibt sich am besten aus Anlage h), aus dem Schreiben Flocons vom 1 .März 1848, worin er mich im Namen der Provisorischen Regierung nach Frankreich zurückrief und den Ausweisungsbefehl Guizots annullierte. (Konfidentiell: Im Sommer 1844 erhielt ich in Paris, nach dem Bankerutt des Buchhändlers (Julius Fröbel) der „Deutsch-Französ. Jahrbücher" einen Brief (nebst 1000 Taler) von Dr. Ciaessen im Namen Camphausens und der übrigen Aktionäre der „Rhein.Zeitung", ein Brief, worin meine Verdienste hyperbolisch33 koloriert waren und den ich schon deswegen nicht beilege.) In Brüssel lebte ich von Anfang 1845 bis Anfang März 1848, als ich wieder ausgewiesen ward und auf Flocons Brief hin nach Frankreich zurückkehrte. In Brüssel schrieb ich, außer Gratisbeiträgen zu verschiednen radikalen Pariser und Brüßler Zeitungen „Kritik der kritischen Kritik"34 zusammen mit Fr. Engels (eine Schrift über Philosophie, herausgegeben 1845, Frankfurt a/M bei Rütten), „Misere de la Philosophie"35 (ökonomische Schrift, 1847 herausgegeben bei Vogler in Brüssel und Frank in Paris), „Discours sur le libre echange" (Bruxelles 1848)36, ein zweibändiges Werk über neueste deutsche Philosophie und Sozialismus37 (erschienen nicht, sieh meine Vorrede: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie", F. Duncker, Berlin 185938) und viele Flugschriften15321. Während meines ganzen Aufenthalts in Brüssel hielt ich Gratisvorlesungen über „politische Ökonomie" im Deutschen Brüßler Arbeiterbildungsverein. Die Druckschrift, worin ich sie gesammelt hatte, wurde unterbrochen im Druck durch die Februarrevolution.14221 Meine Stellung unter den Radikalen (sehr ver
33 übertrieben - 31 „Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten." -35 „Das Elend der Philosophie" - 36 „Rede über die Frage des Freihandels" (Brüssel 1848) - 37 „Die deutsche Ideologie" -38 siehe Band 13 unserer Ausgabe, S. 10
schiedner Farben) in Brüssel ist dadurch bezeichnet, daß für die öffentliche societe internationale14631 ich Comitemitglied für die Deutschen war, Lelewel (80jähriger Greis), der Veteran der polnischen Revolution von 1830/31 und gelehrter Geschichtsforscher) für die Polen, Imbert (später Gouverneur der Pariser Tuileries) für die Franzosen und Jottrand, Brüßler Advokat, ehemaliges Mitglied der konstituierenden Versammlung und Chef der belgischen Radikalen, für die Belgier, präsidierte zugleich. Aus den beiden Briefen Jottrands (jetzt ein alter Herr) an mich (Anlage k> 1 und k., 2), ebenso aus dem Brief Lelewels (Anlage i) ersehn Sie mein Verhältnis zu diesen Herrn während meines Brüßler Aufenthalts. Jottrands Brief (Anlage k, 2) ist geschrieben nach einem Zwist, den ich mit ihm hatte auf einem öffentlichen Meeting 22. Febr. 1848[5331, worauf ich meine Demission aus der societe internationale ihm eingereicht hatte.'5341 Den zweiten Brief schrieb er mir, als ich in Köln die „Neue Rhein, Zeitung" stiftete. In Paris hielt ich mich wieder auf März bis Ende Mai 1848.'5351 (Konfident iell: Flocon bot mir und Engels für die Stiftung der „N.Rh.Z." Geld an. Wir schlugen es ab, weil wir als Deutsche selbst nicht von einer befreundeten französischen Regierung Subsidien annehmen wollten.) Mai 1848 bis Ende Mai 1849 gab ich die „Neue Rh. Zeit." zu Köln heraus. Aus Anlage l) ersehn Sie, daß ich als einer der 3 Vorsteher der Rheinisch-Westfälischen Demokratie erwählt war.15361 (Konfidentiell: Bei meiner Ankunft in Köln wurde ich von einem Freund Camphausens aufgefordert, zu ihm nach Berlin zu gehn. Berücksichtigte die Insinuation39 nicht.) Zu Paris von Juni 1849-August 1849. Ausgewiesen unter Bonapartes Präsidentschaft. Ende 184915371 bis jetzt 1860 in London. Herausgegeben 1850 zu Hamburg „Revue der Neuen Rheinischen] Zeitung", „Der 18te Brumaire des Louis Bonaparte" (zu New York 1852), „Diplomatie Revelations of the 18th Century"40 (London 1856), „Kritik der Politischen Ökonomie", ltes Heft, Duncker Berlin 1859 usw. Mitarbeiter der „New-York Tribüne" seit 1851 bis jetzt. Solange ich Mitglied des Deutschen Arbeitervereins131 (Ende 1849 bis September 1850) hielt ich Gratisvorlesungen. i4us Anlage o (sie ist konfidentiell) ersehn Sie, wie ich mit David Urquhart zusammenkam. Ich arbeitete seitdem bis jetzt mit an seiner „Free Press". Ich gehe mit ihm in seiner auswärtigen Politik (Gegensatz gegen Rußland und Bonapartismus), nicht in der innern, wo ich mit der Chartistenpartei (die ihm feindlich) gehe.
39Einflüsterung -40 „Enthüllungen über die diplomatische Geschichte des 18. Jahrhunderts"
Für die Journale der letztern (namentlich das „People's Paper") habe ich während 6 Jahren gratis gearbeitet. (Sieh Anlage m.) Meine 1853 in der „New-York Tribüne" gegen Palmerston geschriebenen Artikel41 sind wiederholt in England und in Schottland in Pamphletform zu 15-20 000 Exemplaren abgedruckt worden. Aus Anlage m, die von dem Sekretär einer der urquhartitischen Klubs, die sich nur mit Diplomatie beschäftigen, 1856 im Auftrag des Sheffield Klubs an mich gerichtet wurde, ersehn Sie, wie ich mit den Urquhartiten, trotz der Differenz über innere Politik stehe. Brief in Anlage m rührt her von Ernest Jones, Advokat (barrister-at-law) zu London, anerkannter Chef der Chartistenpartei, auch als Dichter anerkannt. Die Übersetzung von Anlagen o, n, m, befinden sich in Anlage p. Über den von gewissen deutschen Seiten in London gegen mich verbreiteten Klatsch ist charakteristisch der Anlage g „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein" abgedruckte Brief (Seite 14) meines Freundes Steffen42 (früher preußischer Lieutenant und Lehrer an der Divisionsschule, jetzt in Boston). Ich habe nie das deutsche Publikum mit einem Wort, ungeachtet 10 Jahre fortgesetzter Angriffe, meiner Biographie belästigt. Meinem Rechtsanwalt gegenüber hielt ich es in einem Falle, wie der gegenwärtige, für unerläßlich. Mit Bezug auf den italienischen Krieg muß ich noch bemerken, daß meine Ansicht darüber ganz zusammenfällt mit der, die mein Freund Fr. Engels in dem bekannten, 1859 bei Fr. Duncker in Berlin erschienenen Pamphlet ausspricht - „Po und Rhein". Das Manuskript desselben ward mir vor seiner Versendung nach Berlin von Engels zugeschickt. Wir sind für ein freies und selbständiges Italien, wie wir uns 1848 in der „Neuen Rh. Zeit." von allen deutschen Blättern am entschiedensten dafür aussprachen, ganz wie für Ungarn und Polen. Aber wir wollen nicht, daß Bonaparte (im geheimen Einverständnis mit Rußland) italienische Freiheit oder irgendeine andre Nationalitätsfrage zum Vorwand macht, um Deutschland zu ruinieren.
41 „Lord Palmerston" - 42 siehe Band 9 unserer Ausgabe, S.513-515
20
Marx an Charles Dobson Collet in London1538' (Abschrift)
7. März 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
My dear Sir, Da ich einige Tage von hier abwesend war, konnte ich Ihren Brief nicht sofort beantworten. Was die Druckrechnung[63) anbetrifft, um die zu bitten ich mir in einem am 6. Februar (wenn ich nicht irre) an Sie gerichteten Brief die Freiheit nahm, so haben Sie vergessen, sie mir zu übermitteln. Bitte senden Sie sie an Frau Marx. Was die Erklärung Schaibles1661 betrifft (durch mein Vorgehen gegen Blind veranlaßt), so wird es genügen zu bemerken: 1. Ob Blind der „literarische" Urheber des Flugblattes sei, ist eine Frage, mit der ich mich nicht zu beschäftigen habe. Er ist der Urheber im juristischen Sinne des Wortes. Schaibles Erklärung (die zu machen, wie er im „Telegraph" sagt, ihn „Umstände" drei Monate lang verhinderten, die ich aber im Handumdrehen erhielt, als ich eine Abschrift der beiden eidesstattlichen Erklärungen vom Polizeigericht der Bow Street an Louis Blanc sandte) beweist viel gegen Vogt. Sie beweist nichts für Blind. Sie rechtfertigt ihn in keiner Weise. Er hat das Manuskript geschrieben (wenn nicht entworfen); er hat es in Hollingers Offizin gedruckt; er hat Hollingers Druckereirechnung bezahlt; er hat in der „Augsburger Zeitung" zwei falsche Erklärungen abgegeben; er und Hollinger gingen eine Verschwörtmg gegen mich ein, um den Setzer Wiehe zu veranlassen, falsches Zeugnis abzulegen (und mit welchem Ergebnis, ist Ihnen bekannt). Das ist nicht alles. Blind, wie Sie aus dem Brief wissen, den er im September an Liebknecht gerichtet hat, war so unverfroren zu behaupten, daß er an der ganzen Angelegenheit gar keinen Anteil
hatte. Schließlich sind ihm alle Schritte, die er und Schaible jetzt nacheinander unternommen haben, durch die über seinem Haupte schwebende Strafsache wegen „Verschwörung" aufgezwungen worden. 2. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich Dr. Schaible zu Blinds Sündenbock machen ließ. Er gehört, wie ich weiß, sozusagen zum Haushaltszubehör Blinds. 3. Der politische Hauptzweck, den ich angestrebt habe, ist durch Schaibles Erklärung erreicht worden. Sie hebt die Prozesse in Augsburg15393 auf und macht sie null und nichtig, nur ein Scheinverfahren; dort gibt es keine Zeugen, keinen Kläger, keinen (wirklichen) Angeklagten und, in der Tat, kein Tribunal, da Vogt in seiner Weisheit nicht an diese Art bayerischen Gerichts appelliert hat, das, nach dem bayerischen Recht, über den Fall zu entscheiden hatte. Im Hinblick auf denselben Vogt wird es genügen mitzuteilen, daß eine Schweizer Zeitung in Genf, seiner eigenen Residenz (die „Neue Schweizer Zeitung", in ihrer Ausgabe vom 12. November 1859) erklärte, sie habe Vogts Versuch, sie mit französischem Geld zu bestechen, empört zurückgewiesen.1-5401 Dieselbe Zeitung fordert Vogt in einem Leitartikel auf, eine gerichtliche Verfügung gegen sie zu veranlassen, genauso wie ich in einer Erklärung, die unter meinem Namen in der „Augsburger Zeitung" und der Hamburger „Reform" veröffentlicht wurde15411, Vogt aufgefordert habe, das „Volk" in London zu verklagen. Vogt, obgleich ein Genfer Ständerat1 und folglich ein Diener der Öffentlichkeit, blieb diesen Appellen gegenüber stumm, wogegen er durch die Augsburger Komödie oder besser Farce - um die Gunst der stupiden deutschen Liberalen warb. Sie werden so freundlich sein, diesen Brief als Vertraulich zu betrachten, da die Anwälte, die meine Klage gegen die Verleumdung in London und Berlin führen, es für zweckmäßig halten, daß ich mein Schweigen - außer im dringendsten Notfall - erst breche, nachdem die gerichtlichen Verhandlungen abgeschlossen sind. Ihr ergebener K. Marx
Aus dem Englischen.
1 In der Handschrift deutsch: Ständerai
33 Marx/Engels Werke, Bd. 30
21
Marx an Bertalan Szemere in Paris15421 (Abschrift)
13. März 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
My dear Sir, Ich habe Ihr Buch11541 noch nicht erhalten, sonst hätte ich darüber eine compte rendu1 an die „N[ew]-Y[ork Daily] Tfribune]" gegeben. Den Artikel gegen Kossuth15431 sandte ich Ihnen unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er an mich zurückgeht. Ich messe dem Artikel nicht die geringste Bedeutung bei, aber ich brauche ihn für bestimmte Zwecke. Ich habe in Berlin und London zwei Verleumdungsklagen gegen Zeitungen15441 eingereicht, die die Unverschämtheit hatten, Auszüge aus der Schmähschrift von Vogt1131 zu drucken. Zehn Jahre lang habe ich angesichts der zügellosesten Verleumdungen strengstes Stillschweigen gewahrt, aber ich weiß, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, sie öffentlich bloßzustellen. Mein Freund, aus dessen Haus ich diese Zeilen an Sie richte, kann Ihnen vielleicht von Nutzen sein (er ist Kaufmann). Senden Sie ihm (Mr.Frederick Engels, care of2 Messrs.Ermen and Engels, Manchester) einen Katalog Ihrer Weine. Aber benutzen Sie nicht solche Gesellen wie Stoff regen als Ihre geschäftlichen Agenten. Ihr ergebener Williams3
In einigen Tagen werde ich nach London zurückkehren.
Aus dem Englischen.
1 Rezension - 2 per Adresse - 3 Deckname von Marx
22
Marx an Lucien-Leopold Jottrand in Brüssel
13. März 1860 6, Thorncliffe Grove, Oxford Road, Manchester
My dear Sir, Sie werden entschuldigen, daß ich nicht früher den Empfang Ihres Briefes bestätigt habe, den Sie mir freundlicherweise aus Brüssel sandten. Ich danke Ihnen für diesen Brief, obgleich ich davon absehen werde, ihn in irgendeiner Weise zu benutzen. Sollte ich es für angebracht halten, der Öffentlichkeit irgendwelche offiziellen Schriftstücke vorzulegen, die meine Vergangenheit betreffen, so würde die Brüsseler Zeit - soweit es meine Beziehungen zu den belgischen Radikalen angeht - am besten durch zwei Briefe von Ihnen charakterisiert werden (vom 25. Februar 1848 und 19. Mai 1848)[54S1, die ich jetzt unter meinen Papieren gefunden habe. Da Sie ein Republikaner amerikanischer Schule sind (deren Ansichten ich nur in bezug auf einige politische Fragen akzeptiere), wird es Sie vielleicht interessieren zu erfahren, daß ich seit etwa 9 Jahren einer der hauptsächlichen Mitarbeiter an der „New-York [Daily] Tribüne", der ersten englisch-amerikanischen Zeitung bin. Ich habe diese Beziehung benutzt, um Herrn Spilthoorn auf seiner Durchreise durch London Empfehlungsschreiben für die Vereinigten Staaten zu geben. Sollten Sie bei irgendeiner Gelegenheit wünschen, etwas - über die Angelegenheiten Ihres Landes in der „Tribüne" zu veröffentlichen, so können Sie mit meiner Bereitschaft rechnen, Ihnen entgegenzukommen. Die schamlosen Angriffe (derentwegen ich zwei Verleumdungsklagen eingereicht habe, eine in Berlin, eine in London), die letzthin gegen mich unternommen wurden, gehen alle vom bonapartistischen Lager aus. Herr Louis Bonaparte hat durch die Vermittlung des Herrn Mocquard, seinem secretaire intime1, der „New-York Times" öffentlich gedankt, daß sie ihr
1 Privatsekretär 33*
Bestes getan habe (und dieses ihr „Bestes" war sehr schäbiger Natur), um meinen kritischen Bemerkungen in der „New-York Tribüne" (seit 1852) über das Kleinere Kaiserreicht5461 entgegenzuwirken. Ich habe die Ehre, Ihr ergebener Diener zu sein. K.Marx
Ich bin nur für einige Tage hier in Manchester. Meine Adresse ist: 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London. Wenn Sie deutsche Bücher lesen, werde ich mir erlauben, Ihnen ein Exemplar des ersten Teils meiner „Kritik der Politischen Ökonomie" zu senden, deren Veröffentlichung jetzt in Berlin bevorsteht.
Aus dem Englischen.
23
Engels an Ferdinand Lassalle in Berlin
Manchester, 15. März1 1860
Lieber Lassalle, Meinen besten Dank für Ihre Bemühungen mit Duncker wegen meiner Broschüre2. Auf das Arrangement, mich zu nennen, wäre ich eingegangen, hätte nicht inzwischen ein andrer Verleger3 schon akzeptiert gehabt (das Ding wird bei Ankunft dieses wohl schon heraus sein) und läge mir nicht dran, dem „Verfasser von ,Po und Rhein " erst eine Position in der militärischen Literatur zu machen, eh er als Zivilist offiziell (d. h. auf dem Titel) vor die Lieutenants tritt. Ihr Argument, daß Sie uns ganz sicher überzeugen würden und deswegen es in unsrem Interesse halten, nicht mit Namen in unsrer bisherigen Auffassung der italienischen Geschichten kompromittiert zu sein, hat subjektiv gewiß entscheidenden Wert, wie wir Sie denn auch versichern können, daß wir ebenso sicher sind, Sie zu überzeugen, um so mehr, als unsre Auffassung auf genauem Studium eines diplomatischen Materials beruht, das in London wenigstens in einzelnen Punkten ziemlich vollständig, in Berlin aber sicher nicht dem Publikum benutzbar ist (und großenteils in Berlin überhaupt nicht existiert). Marx hat Ihren Brief vorgestern erhalten und wird antworten, einstweilen erfolgt hierbei der früher vergessene „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein". Apropos. Vor einigen Tagen erhalten wir einen Brief von Nothjung. Dieser arme Teufel ist nach seiner Freilassung „wegen langjähriger Abwesenheit" (!!!) seines Heimatrechts in Mülheim verlustig erklärt und ihm verboten worden, sich innerhalb fünf Meilen von Köln sehen zu lassen. Er ist in Breslau Photograph geworden und hat dort mit vieler Mühe das Einwohnerrecht erhalten. Nun soll er Einzugsgeld, Hausstandsgeld und noch x andre nur in preußischen Wörterbüchern vorkommende Geschichten bezahlen. Daß der arme Bursche nach dem langen Arrest, der ihn noch dazu heimatlos gemacht hat (in welchem Lande kommen solche Geschichten
1 In der Handschrift: Februar - 2 „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 3 G.Behrend
vor!), nicht imstande dazu ist, können Sie sich denken, und bei den heitren Gesetzen, die dort noch herrschen, kann er nicht existieren, ohne all diesen Kram abzumachen. Wäre es nicht möglich, dort etwas für ihn zu tun? Vor 1848 waren solche Dinge in der Rheinprovinz unerhört, und selbst die Bourgeois, die geholfen haben, uns solche Schandgesetze aufzuoktroyieren, sind verpflichtet, einem solchen armen Teufel zu helfen. Heimatlos wegen langjähriger Abwesenheit auf einer preußischen Festung das soll man einem Engländer erzählen! Seine Adresse ist P.Nothjung, Photograph, Zwingergasse Nr. 7, in der Badeanstalt. Bei Ihren Verbindungen in Breslau wird es Ihnen ein leichtes sein, etwas für ihn zu tun. Übrigens hat sich unser Exschneider auf der Festungsuniversität ganz nett herausgebildet, wie es scheint, und schreibt ganz zivilisiert. Ich schreibe jetzt Kleinigkeiten über die neue preußische Militärorganisation und habe sie Duncker offeriert. Tout ä vous.4 F.Engels
Daß ich's nicht vergesse: Dem roten Wolff hat Marx geschrieben, wir haben aber seit Jahren nichts von ihm gehört.'5471 Inzwischen hat Vogt wieder mit dem homme entretenu5 und swindler Klapka einmal bei PlonPlon diniert. Ich öffrte den Brief wieder, den ich schon ohne den „Ritter" geschlossen hatte, um Ihnen zu sagen, daß wir das einzige hier in Manchester noch anwesende Exemplar des Dings nicht finden können, es muß von jemand geschossen sein. Marx hat noch welche in London, und schreibt, daß uns sofort welche hergeschickt werden, worauf wir Ihnen gleich eins zusenden. Einen großen Gefallen würden Sie mir tun, wenn Sie mir per Post umgehend und unfrankiert einige Nummern der „Volks-Zeitung" und „National-Zeitung", worin die Heeresverfassung besprochen, sowie auch 1 oder 2 dort erschienene kleine Broschüren über den Gegenstand - alles in ein Kreuzband getan - zuschicken wollten. Bis ich die Sachen herbekomme, dauert sonst eine Ewigkeit, und die Zeitungen sehe ich sonst gar nicht.
4 Ganz der Ihre. - 6 ausgehaltenen Mann
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Marx an Justizrat Weber in Berlin
27. März 1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
Hochgeehrter Herr, Ich schicke beiliegend die letzten beiden Papiere, die noch zur Vervollständigung des früher Übersandten dienen können. Das erste ist ein Brief des leitenden Redakteurs der „New-York [Daily] Tribüne"' an mich.1 Ich habe eine deutsche Übersetzung beigelegt. Das zweite Papier ist sehr wichtig für den Beweis, daß der elende Cherval, alias Nugent, alias Crämer, auch zu Genf so wenig mit mir in Beziehung stand, daß er vielmehr von dort infolge meiner Schrift über den Kölner Kommunistenprozeß ausgejagt wurde. Der Brief ist von Johann Philipp Becker2 zu Paris (Becker wurde flüchtig infolge der Affären der Jahre 1830/31, war 1848/49 erst Chef der Freischaren in Baden, dann Oberst in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee, jetzt Geschäftsmann in Paris, ist sozusagen der Veteran der deutschen Emigration) gerichtet an den Kaufmann Rheinländer zu London, mit dem er in Geschäftsverbindung steht. Herr Rheinländer, den ich kenne, war so gütig, mir den Brief zu übermachen. Außer diesem Schreiben sandte ich Ihnen: 1. d.d.21.Feb. Vollmacht nebst Einlagen.3 2. d.d.24.Febr. Einen Brief nebst Einlagen.4 3. d.d.3.März. Zwei Pakete mit Einlagen.8 Ich hoffe nun, umgehend erstens die Ankunft der verschiednen Briefe usw. bestätigt zu erhalten, zweitens über den Fortgang des Prozesses irgend etwas zu hören. Mit vollkommener Hochachtung Ihr ganz ergebner Dr. Karl Marx
1 Siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.679/680 - 2 ebenda, S.420-424 - 3 siehe vorl. Band, S. 457/458 - 4 siehe vorl. Band, S. 465-483 - 5 siehe vorl. Band, S. 500-511
25
Marx an Bertalan Szemere in Paris
4. April 1860 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London
My dear Sir, Ich habe Ihr Pamphlet11541 noch nicht erhalten. Herr Engels ist mein bester Freund und wird folglich alles tun, um sich Ihnen nützlich zu erweisen. Stoffregen kenne ich nicht, aber ich [hörte in]1 Manchester von verschiedenen Kaufleuten, daß [er]1 ein aufdringlicher Mensch [sei]1, dem es an Takt fehle etc. Jedoch kann er vielleicht in einigen unteren Gesellschaftsschichten von Lancashire Ihre Weine so gut wie irgend jemand sonst verkaufen. Sie würden mich verpflichten, wenn Sie mir umgehend die Adresse von General Perczel senden könnten. Ich benötige eine Erklärung von ihm.15481 Wie sind Ihre Beziehungen zu Pferczel] ? Les choses marchent.2 Ihr ergebener A.Williams3
Aus dem Englischen.
1 unleserlich - 2 Die Dinge gehen voran. - 3 Deckname von Marx
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Marx an Ferdinand Lassalle in Berlin
9. April 1860 London (Die alte Adresse)
Lieber Lassalle, Seit Deinem letzten Brief ist allerlei vorgegangen. Engels' Vater ist gestorben, und Engels war mit Erlaubnis der preußischen Regierung 14 Tage in Preußen. Ich aber war mit Geschäften überhäuft und kann Dir auch jetzt nur ganz kurz schreiben. 1. Mein Advokat1 in Berlin hat mich verpflichtet, seinen Namen nicht zu nennen. Indessen, wenn sein Öwöchentliches Schweigen, trotz des massenhaften Materials, das ich ihm geschickt, und trotz verschiednen Tretens fortdauert, mußt Du ihm auf den Pelz, da am 22ten April die Sache verjährt. 2. Vogt war in Paris bei Plon-Plon. Bekannte von mir haben ihn gesehn und gesprochen. Trotzdem hat er die Schamlosigkeit, in deutschen Blättern zu erklären oder erklären zu lassen, er sei nicht in Paris gewesen. 3. Den Humboldt nicht erhalten.16491 4. Den „Ritter vom Edlen" schicke ich heute an Dich. 5. Mein alter Freund J. Weydemeyer hat seine Stelle als Deputy-Surveyor2 im Staat Wisconsin aufgegeben auf Aufforderung des amerikanischen „Arbeiterbundes" (öffentliche Gesellschaft, verzweigt durch die ganzen Vereinigten Staaten)15501, der seinen Vorort von New York nach Chicago (Illinois) verlegt hat. Dort wird W[eydemeyer] die Redaktion eines durch Arbeiteraktien gestifteten Tagesblatts übernehmen. Chicago wird mehr und mehr das Zentrum des amerikanischen Nordwestens, wo der deutsche Einfluß vorwiegt. W[eydemeyer] hat mich aufgefordert, Korrespondenten für das Blatt zu werben15511, was ich hier, zu Paris, und in der Schweiz getan. Ich fordre Dich auf, die deutsche Korrespondenz (möglichst zweimal wöchentlich) zu übernehmen. Von Zahlung keine Rede.
1 Justizrat Weber - 2 Landvermessergehilfe
Parteiarbeit aber sehr wichtig. W[eydemeyer] einer unsrer besten Leute. Wenn Du auf die Sache eingehst, wie ich hoffe, so fang gleich an und schicke die Briefe unter der Adresse: „J. Weydemeyer, care of3 Chicago Arbeiterverein, Box 1345, Chicago (Illinois) United States." 6. Es hat mich gefreut, beim Durchblättern der „Neuen Rheinischen] Zeit[ung]" (wegen Vogt nötig) zu finden, daß wir in einetn kurzen Leitartikel eine Lanze für Fräulein Ludmilla Assing gegen die „Vossische" gebrochen haben. 7. Wäre es Dir tubar, mir eine kurze Skizze über das Tun und Treiben des Edlen Zabel von der „National-Zeitung" seit der Reaktion zu liefern? Die Skizze könnte als Brief mit Deiner Namensunterschrift in meiner Broschüre4 erscheinen. Du erschienst dabei in Gesellschaft sehr ehrenwerter Flüchtlinge, die über andre Personen in dieser Schrift schreiben. Einige davon anonym, andre mit ihrem Namen. Mehrere nicht unsrer Parteifraktion angehörig. Dein K.M.
3 per Adresse - 4 „Herr Vogt"
27
Marx an Georg Lommel in Genf[552] (Entwurf)
[London] 9. April 1860
An G. Lommel. (Genf) Bürger, Siebel, den ich vor einigen Tagen hier bei Freiligrath traf, auf seiner Rückreise von der Schweiz, erzählte mir, daß ein Brief, den ich am 26. Februar von Manchester an die „Redaktion der .Neuen Schweizer Zeitung'" geschickt und für Sie bestimmt hatte, in die Hände von Braß gefallen sei. Es war mir nämlich gesagt worden, Sie seien der Redakteur der „Neuen Schweizer Zeitung", die mir nie zu Gesicht gekommen. In diesem Glauben schrieb ich, da Ihr Name mir rühmlichst bekannt war aus den Revolutionsannalen, Herrn Braß würde ich nicht geschrieben haben. Was ich von Ihnen wünschte, war Aufklärung über Vogts Treiben. Es sind mir Materialien über das Treiben V[ogt]s und der andern bon[apartistischen] Agenten von Männern, die den Emigrationen verschiedner Länder und verschiedner Farben der revolutionären Partei angehören, zugeströmt. Ich wünsche aber kritisch zu Werk zu gehn und streng wahrheitsgemäß. Ein Beitrag von Ihnen, bei Ihrer genauen Kenntnis der Schweizer Verhältnisse, wäre mir daher vom höchsten Wert.1 Was Ihre Schrift „Hinter den Coulissen" angeht, wovon Siebel mir 1 Kopie gegeben, so hat sie mich sehr interessiert und halte ich es für wichtig, daß der zweite Teil derselben erscheint. Für letztern könnte ich Ihnen vielleicht einen zahlenden Buchhändler hier verschaffen. Was den 1. Teil betrifft, so denke ich, daß ich 300 Exemplare das Stück zu 1 Franc unterbringen kann, teils durch direkten Verkauf in den verschiednen Londoner Vereinen, teils durch Buchhändler. Nur müßten die Exemplare erst hier sein. Schicken Sie dieselben, wenn Ihnen die Sache zusagt, an die Buchhandlung: „Petsch etc. London".
1 Hier folgt ein von Marx gestrichener Satz: Sollte dies etwa mit Ihrer eigenen beabsichtigten Broschüre über Vogt kollidieren, so wäre dies leicht zu vermeiden.
Endlich habe ich Ihnen noch einen andern Vorschlag zu machen. Mein Freund J.Weydemeyer (früher Mitredakteur der „Neuen Deutschen Zeitung" zu Frankfurt) hat seine Stelle als Deputy-Surveyor2 im Staat Wisconsin aufgegeben, auf Aufforderung des Arbeiterbunds in den Vereinigten Staatenl550\ (der seinen Vorort von New York nach Chicago verlegt), um in Chicago die Redaktion eines von dem Arbeiter- und Turnverein gegründeten Tagesblatts „Die Stimme des Volks" zu übernehmen. Ich bin von ihm ersucht, die Korrespondenten in Europa zu werben15511, was ich bereits hier, zu Paris und Berlin getan. Ich erlaube mir, Sie zur Korrespondenz für die Schweiz aufzufordern, zunächst einmal wöchentlich. Honorar, für den Brief 2 Dollars (10 frs.) - Bezahlung ist einstweilen, wie von einem solchen Blatt und namentlich im Beginn zu erwarten, schwach; wird sich verbessern mit Hebung des Blatts. Bis jetzt existiert nur ein Tagesblatt im Staat Illinois, die „Staatszeitung". Chicago wird aber täglich mehr Zentrum des ganzen Nordwestens von Amerika, wo die deutsche Bevölkerung sehr stark. Für pünktliche Zahlung garantiere ich. Wollen Sie auf den Vorschlag eingehn, so beginnen Sie gleich diese Woche und machen mir gefälligst Anzeige. Die Adresse ist: J.Weydemeyer, care of3 Chicago Arbeiterverein, Box 1345, Chicago (Illinois). United States. Um auf Vogt zurückzukommen, so werden Sie aus einer Erklärung (Anfang Februar) von mir4 in verschiednen deutschen Zeitungen ersehn haben, daß ich auf sein Pasquill1131 antworten werde nach Erledigung der Verleumdungsklage, die ich gegen die Berliner „National-Zeitung" führe wegen Abdrucks aus dem Vogtschen Machwerk. P. 180-181 (sieh die Stelle) spricht Vogt von einer „Verschwörung", die er bei dem Lausanner Arbeiterfest vereitelt? Können Sie mir über diese Renommage Aufschluß geben. Die Stelle lautet wörtlich wie folgt:15531 Was ist an der Sache. Schließlich erlaube ich mir noch zu bemerken, daß die Darstellung von Vogts Treiben, die Sie in Briefform an mich richten könnten, und wobei Sie sich in sehr ehrenvoller Gesellschaft anderer Flüchtlinge befinden würden (die aber wegen des Prozesses in Berlin5 erst später erscheinen kann), einen selbständigen Teil meiner Schrift als von Ihnen herstammend bilden würde und ich für den von Ihnen gelieferten Teil das mir vom Buchhändler per Bogen bezahlte Honorar natürlich zukommen lassen würde. Ich
2 Landvermessergehilfe - 3 per Adresse - 1 „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'" - 6 siehe vorl. Band, S. 448-453 und 465 -483
bemerke das, weil ich die Flüchtlingsverhältnisse, in denen ich selbst, mit geringer Unterbrechung, seit 17 Jahren lebe, genau kenne, und es sehr unrecht wäre, wenn einer von uns auf Kosten des andren sich von einem Buchhändler bezahlen ließe. Meine Schrift6 wird wegen des Prozesses in Berlin und weil Vogts Hauptangriff usw. gegen mich gerichtet ist, viel Nachfrage haben und einen guten Buchhändler in Deutschland finden. Es fragt sich, ob nicht im Interesse der Sache, die Konzentration der Angriffskräfte wünschenswert. Sie werden darüber natürlich ganz nach Ihrem Gutdünken urteilen und auf keinen Fall mein offenes Verfahren mißdeuten.7 Gruß und Handschlag. Ihr ganz ergebner K.M.
Wenn Sie mir schreiben, so schreiben Sie mir unter der Adresse: A.Williams8, Esq., 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, London.
6 „Herr Vogt" -7 Dieser Absatz steht an Stelle des von Marx gestrichenen Satzes: Ich habe aus der Augsbfurger] Zeitfung] gesehen, daß Sie beabsichtigen, ebenfalls ein Pamphlet gegen Vogt herauszugeben. Es wäre vielleicht der Sache nützlicher. - 8 Deckname von Marx

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