KARL MARX FRIEDRICH ENGELS BAND 30

KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS
WERKE-BAND 30
INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER SED
KARL MARX FRIEDRICHENGELS
WERKE
DIETZ VERLAG BERLIN
1974
KARL MARX
FRIEDRICH ENGELS
BAND 30
<S
DIETZ VERLAG BERLIN
Die deutsche Ausgabe der Werke von Marx und Engels fußt auf der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten zweiten russischen Ausgabe.
Die Texte werden nach den Handschriften bzw. nach deren Photokopien gebracht. Wiedergabe nach Sekundärquellen wird besonders vermerkt.
Vorwort
Der dreißigste Band der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels enthält den Briefwechsel zwischen Marx und Engels von Januar 1860 bis September 1864 sowie Briefe, die sie in dieser Zeit an dritte Personen richteten. Diese Briefe wurden geschrieben, als die politische Reaktionsperiode zu Ende ging, die seit der Niederlage der Revolution von 1848/49 angedauert hatte. Die bürgerlich-demokratische Bewegung erwachte zu neuem Leben. In Deutschland und Italien, wo die Hauptaufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution nach wie vor ungelöst waren, entfaltete sich die nationale Bewegung mit neuer Kraft. In Rußland und in den Vereinigten Staaten von Amerika reifte eine revolutionäre Situation heran. Im bonapartistischen Frankreich, in Österreich und anderen Ländern nahmen die revolutionären Unruhen zu. Charakteristisch für den beginnenden revolutionären Aufschwung war das Anwachsen der politischen Aktivität der Arbeiterklasse. Sie befreite sich in zunehmendem Maße vom Einfluß der bürgerlichen Parteien und beschritt den Weg des selbständigen Kampfes. Marx und Engels sowie ihre Kampfgefährten halfen durch ihre theoretische und praktische Tätigkeit dem Proletariat seine Klasseninteressen zu erkennen; sie förderten die Schaffung revolutionärer proletarischer Parteien und erzogen die Arbeiterklasse zur internationalen Solidarität. Sie formulierten die Aufgaben des Proletariats in der Periode des revolutionären Aufschwungs und legten bei der Einschätzung der bedeutendsten internationalen Ereignisse jener Zeit die taktische Linie des proletarischen Klassenkampfes fest. Wie aus den Briefen dieses Bandes hervorgeht, blieb die weitere Ausarbeitung der ökonomischen Theorie nach wie vor im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit von Marx. Nach der Veröffentlichung des ersten Hefts „Zur Kritik der Politischen Oekonomie" im Sommer 1859 be
gann Marx in den ersten Wochen des Jahres 1860 mit der Arbeit am zweiten Heft. Es sollte „Das Kapital im allgemeinen" behandeln, d.h. eine Analyse der Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft enthalten. Diese kritische Untersuchung war um so notwendiger, als der revolutionäre Aufschwung es erforderte, das Proletariat mit einer wissenschaftlichen ökonomischen Lehre auszurüsten. Marx und Engels betrachteten deshalb das möglichst rasche Erscheinen dieses Heftes als eine Sache von größter Wichtigkeit. Marx mußte jedoch diese Arbeit für eineinhalb Jahre unterbrechen, um die verleumderischen Angriffe des bonapartistischen Agenten Vogt zu entlarven. Im August 1861 wandte Marx sich wieder voll seinem ökonomischen Werk zu. Er begann mit der Niederschrift eines neuen Manuskripts, das er unter schwierigsten Bedingungen in aufopferungsvoller Arbeit im Juli 1863 vollendete. Dies Manuskript, das aus 23 Heften besteht und einen Gesamtumfang von etwa 200 Druckbogen erreicht, ist die Fortsetzung des 1859 erschienenen ersten Heftes „Zur Kritik der Politischen Oekonomie" und trägt den gleichen Titel. Im Verlauf dieser Arbeit änderte Marx den ursprünglichen Plan seines Werkes und verwarf auch seine frühere Absicht, es in einzelnen Heften erscheinen zu lassen. Am 28. Dezember 1862 schrieb er Kugelmann, daß er seine Arbeit als selbständige Schrift unter dem Titel „Das Kapital" veröffentlichen werde und „Zur Kritik der Politischen Oekonomie" nur als Untertitel gedacht sei (siehe vorl. Band, S.639). Im Verlauf seiner Arbeit zeigte sich immer mehr die Bedeutung jener Einteilung für das ganze theoretische Werk, die Marx ursprünglich nur für ein einzelnes Kapitel vorgesehen hatte: 1. Der Produktionsprozeß des Kapitals; 2. Der Zirkulationsprozeß des Kapitals; 3. Die Einheit von beiden oder Kapital und Profit. Ein historisch-kritischer Teil zur Geschichte der Mehrwerttheorie sollte das vierte und abschließende Glied bilden. Das Manuskript von 1861-1863 folgt im wesentlichen schon diesemPlan, wie er im „Kapital" seine endgültige Gestalt angenommen hat. Die ersten fünf Hefte und teilweise die Hefte XIX bis XXIII umfassen den Inhalt des späteren ersten Bandes des „Kapitals". In den Heften XXI bis XXIII werden mehrere Themen des „Kapitals" behandelt, darunter solche des zweiten Bandes. Den Problemen des dritten Bandes sind die Hefte XVI und XVII gewidmet. Den größten Teil des Manuskripts bilden die „Theorien über den Mehrwert"; sie umfassen die Hefte VI bis XV und XVIII sowie einige historische Skizzen in anderen Heften und haben einen Umfang von etwa 110 Druckbogen; sie bilden die erste und einzige Fassung dieses Teils des .Marxschen Werkes.
Die Marxsche ökonomische Lehre entstand in Anknüpfung an die klassische bürgerliche politische Ökonomie und imProzeß ihrer kritischen Überwindung, die nur zu vollziehen war vom Standpunkt des Proletariats mittels einer philosophischen Grundkonzeption, wie sie der dialektische Materialismus bot. Marx studierte erneut die bürgerlichen Klassiker, insbesondere Adam Smith und Dayid Ricardo. Auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Lösung der entscheidenden ökonomischen Probleme bewältigte Marx in diesen Jahren außerdem eine ungeheure Menge ökonomischer Spezialliteratur, Dutzende offizieller Parlamentsberichte und zahllose Presseveröffentlichungen. Im Briefwechsel der beiden Freunde wird die revolutionäre Umwälzung sichtbar, die Marx in der politischen Ökonomie vollzog. Es wird deutlich, daß der Zeitraum von 1861 bis 1863 die wichtigste Etappe bei der Ausarbeitung der ökonomischen Lehre des Marxismus war. Viele Briefe dieses Bandes veranschaulichen dem Leser die Entstehungsgeschichte des „Kapitals" und helfen ihm gleichzeitig, den Inhalt dieses gedankentiefen Werkes besser zu verstehen. So sind Marx' Briefe an Engels vom 2. und 9. August 1862 von hohem wissenschaftlichem Wert. In ihnen werden erstmalig in der Geschichte der politischen Ökonomie die Theorie von der Bildung einer Durchschnittsprofitrate auf der Grundlage des Wertgesetzes sowie die Theorie der absoluten Grundrente entwickelt und begründet. Lenin konspektierte diese Briefe und bemerkte dazu, daß hier komplizierte Probleme populär, kurz und klar dargelegt werden. (Vgl. „Konspekt zum .Briefwechsel zwischen Karl Marx und Friedrich Engels von 1844 bis 1883"', Berlin 1963, S.332.) Das gleiche gilt auch von Marx Brief vom 6. Juli 1863, in dem die Grundzüge seiner Reproduktionstheorie, die sich später im zweiten Band des „Kapitals" ausführlicher vorfindet, bereits genial skizziert sind. Großen theoretischen Wert besitzt auch Marx' Brief an Engels vom 28. Januar 1863, in dem der Begriff der Maschine definiert und ihre Entwicklungsgeschichte kurz dargelegt wird. Wie aus den Briefen ersichtlich ist, beriet sich Marx auch bei der Ausarbeitung seiner ökonomischen Lehre in allen wichtigen theoretischen Fragen mit Engels und maß dessen kritischen Bemerkungen große Bedeutung bei. Die marxistische ökonomische Theorie entstand in enger schöpferischer Zusammenarbeit der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus. Der Briefwechsel dieses Bandes vermittelt dem Leser ein eindrucksvolles Bild von der Vielseitigkeit der wissenschaftlichen Interessen Marx' und Engels'. So beschäftigte sich Engels in der Zeit von 1860 bis 1864 mit militärtheoretischen Fragen, insbesondere mit der Entstehung und Entwicklung der verschiedenen Waffengattungen. Seine militärwissenschaftlichen Stu
dien sind von großer Bedeutung für die Bestimmung des Klassencharakters internationaler Konflikte und Kriege sowie für die Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten des bewaffneten Kampfes. Engels interessierte sich auch nach wie vor für die Sprachwissenschaft. So wandte er sich in diesen Jahren erneut der serbischen und russischen Sprache zu. Gleichermaßen setzte er seine naturwissenschaftlichen Studien fort. Er studierte insbesondere die Arbeiten von Lyell und Huxley über Geologie und vergleichende Anatomie. Auch Marx schenkte den neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen große Aufmerksamkeit. 1860 las er Darwins Buch „Die Entstehung der Arten", das er hoch bewertete. In den folgenden Jahren bezog er sich immer wieder auf dieses Werk (siehe Marx' Briefe an Engels vom 19. Dezember 1860 und 18.Juni 1862 sowie an Lassalle vom lö.Januar 1861). Im Jahre 1864 beschäftigte sich Marx mit Fragen der Physiologie und las dazu die Arbeiten von Lord, Schwann, Schleiden und anderen Naturwissenschaftlern. Gleichzeitig befaßte sich Marx mit der Mathematik, vor allem mit der Differential- und Integralrechnung. Verschiedene Briefe zeugen von Marx' Interesse für allgemeine Geschichte, insbesondere für die Geschichte der Antike und der Religion. So studierte er die Bürgerkriege des römischen Reiches im I.Jahrhundert v.u.Z. und äußerte sich in seinem Brief an Engels vom 27.Februar 1861 begeistert über Spartakus: „Spartakus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat." Er sei ein „nobler Charakter, real representative des antiken Proletariats" (siehe vorl. Band, S. 160). Wie aus Marx' Briefen an Lassalle vom 1 I.Juni und 22.Juli 1861 sowie aus Engels' Brief an Marx vom 2. Dezember 1861 hervorgeht, beschäftigten sie sich mit der Geschichte und Theorie des Rechts, insbesondere dem römischen Recht und seinem Einfluß auf Westeuropa im späten Mittelalter. Anlaß dazu war Lassalles Schrift „Das System der erworbenen Rechte" (1861). Marx und Engels kritisierten Lassalles idealistischen Standpunkt bei der Beurteilung juristischer Kategorien. Sie verwiesen darauf, daß den juristischen Kategorien eine materialistische Grundlage entspricht, die in den jeweiligen Produktionsverhältnissen gegeben ist. In vielen Briefen verständigten sich Marx und Engels über wichtige internationale Ereignisse. So findet der Leser in den Briefen von 1860 einen ständigen Meinungsaustausch über den heroischen Kampf des italienischen Volkes gegen seine inneren und äußeren Feinde. Aufmerksam verfolgten Marx und Engels den Kampf der Freiwilligen unter Führung Garibaldis, der berühmten „Tau
send" in Sizilien (Mai 1860) und ihren Feldzug nach Süditalien, der zur Befreiung dieses Gebietes von der Bourbonenherrschaft führte. Sie sprachen voller Anerkennung von der revolutionären Taktik Garibaldis und der Selbstlosigkeit und Kühnheit seiner Anhänger. Über Garibaldi, den mutigen Führer und wahrhaft volksverbundenen Feldherrn, schrieb Engels am 5.Oktober 1860 an Marx: „Der Eindruck des Kerls auf die Truppen muß fabelhaft sein" (siehe vorl. Band, S. 103). Marx und Engels traten konsequent für die Vereinigung Italiens auf revolutionärem Wege ein und entlarvten die konterrevolutionäre Politik Cavours, der mit Napoleon III. ein Komplott eingegangen war. „Cavour ist ein direktes Werkzeug Bonapartes", schrieb Marx am 2. Oktober 1860 an Lassalle (siehe vorl. Band, S.568). Sie waren der Ansicht, daß der dynastische Weg der Vereinigung, der Italien von Cavour und den liberalmonarchistischen Kräften aufgezwungen wurde, den Interessen des italienischen Volkes widersprach. Viele Gedanken, die Marx und Engels zum Feldzug Garibaldis und zur volksfeindlichen Politik Cavours in ihren Briefen äußerten, fanden Eingang in ihre publizistischen Arbeiten. Mit besonderem Interesse verfolgten Marx und Engels die politische Entwicklung in Deutschland. Sie enthüllten das konterrevolutionäre Wesen des preußischen Staates und brandmarkten die reaktionäre, antidemokratische Politik der preußischen Junker und Militaristen. Gleichzeitig unterstützten sie jedes Anzeichen eines Aufbegehrens der demokratischen Kräfte in Deutschland. Marx und Engels traten entschieden für die Vereinigung Deutschlands auf revolutionär-demokratischem Wege ein. Sie waren der Ansicht, daß nur eine das ganze Volk erfassende Bewegung die antinationalen und reaktionären Bestrebungen der preußischen und österreichischen Reaktion zunichte machen konnte. Scharfe Kritik übten sie an der feigen Haltung der preußischen liberalen Bourgeoisie während des sogenannten Verfassungskonfliktes. Dieser Konflikt brach aus, als sich das Abgeordnetenhaus des Preußischen Landtags weigerte, die Heeresvorlage der Regierung, die eine bedeutende Erhöhung des Heeresetats vorsah, zu bestätigen. Seinen Höhepunkt erreichte der Streit zwischen der liberalen bürgerlichen Mehrheit des Abgeordnetenhauses und der Regierung im Jahre 1862, als Bismarck, inzwischen Ministerpräsident, die Heeresreform ohne Zustimmung des Landtags durchzuführen begann. Trotz dieses Tatbestandes beschränkten sich die liberalen Landtagsabgeordneten wie eh und je auf oppositionelles Geschwätz. Voller Spott über die Feigheit der liberalen Bourgeoisie schrieb Engels am 20. Mai 1863 an Marx: „Nie hat ein Parlament doch mit größerer
Geduld, und mehr zur Unzeit, den Satz festgehalten, daß die bürgerliche Opposition in ihrem Kampf mit Absolutismus und Junkerkamarilla verpflichtet sei, Fußtritte hinzunehmen." (Siehe vorl. Band, S.347.) Marx und Engels zeigten, wie die feige, verräterische Politik der deutschen Bourgeoisie die Position der konterrevolutionären Kräfte festigte und es schließlich Bismarck ermöglichte, die Vereinigung Deutschlands von oben, unter der Hegemonie Preußens, herbeizuführen. An verschiedenen Stellen des Briefwechsels verständigten sich Marx und Engels über die große Bedeutung des Kampfes der russischen Bauern gegen die Leibeigenschaft. Sie schätzten diese Bewegung als ein äußerst wichtiges Ereignis ein, als eine mächtige Reserve der europäischen Revolution. Erfreut stellte Engels in seinem Brief vom 26. Januar 1860 an Marx in diesem Zusammenhang fest: „In Rußland kompliziert sich die Sache." Engels hielt eine Verbindung der konstitutionellen Bewegung des russischen Adels mit der revolutionären Bauernbewegung für durchaus möglich (siehe vorl. Band, S.9). Auch die Ereignisse in den Vereinigten Staaten von Amerika bildeten einen ständigen Gegenstand der Korrespondenz zwischen Marx und Engels. Dabei beobachteten sie mit großem Interesse die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieses Landes sowie den wachsenden Widerspruch zwischen dem industriellen Norden und dem sklavenhaltenden Süden. Marx und Engels sahen voraus, daß es in der nordamerikanischen Republik unvermeidlich zu schweren Erschütterungen kommen mußte, deren Ursachen im Kampf der beiden sozialen Systeme lagen. Die Aufstände der Negersklaven in den Südstaaten, die seit Ende der fünfziger Jahre zunahmen, werteten sie als ein deutliches Zeichen der Krise der Sklaverei. Ungeachtet dessen, daß diese Aufstände von denSklavenhaltern, denPlantagenbesitzern, grausam unterdrückt wurden, betrachteten sie sie als ein Symptom dafür, daß noch heftigere und langwierigere Kämpfe gegen die Sklaverei bevorstanden (siehe Marx' Brief an Engels vom 11. Januar und Engels' Brief an Marx vom26. Januar 1860). Zur Bedeutung des Aufstandes unter JohnBrown, des ersten bewaffneten Versuchs einer Befreiung der Negersklaven, schrieb Marx: „Nach meiner Ansicht ist das Größte, was jetzt in der Welt vorgeht, einerseits die amerikanische Sklavenbewegung, durch Browns Tod eröffnet, andrerseits die Sklavenbewegung in Rußland." (Siehe vorl. Band, S.6.) Marx und Engels gingen an die Beurteilung des Befreiungskampfes der Sklaven in Amerika wie auch der anderen fortschrittlichen Bewegungen ihrer Zeit vom Standpunkt proletarischer Revolutionäre heran. Die Bewegung für die Beseitigung der Negersklaverei hatte nach ihrer Ansicht für
das ganze internationale Proletariat, für die Entfaltung seines Kampfes um die Befreiung vom kapitalistischen Joch erstrangige Bedeutung. Sie sahen voraus, daß der Kampf zwischen den sklavenhaltenden Südstaaten und den bürgerlich fortschrittlichen Staaten des Nordens den Charakter eines revolutionären Krieges annehmen werde. Ein solcher Krieg konnte nach ihrer Meinung den Ausbruch einer revolutionären Krise in Europa nur beschleunigen und die proletarische Revolution näherbringen. (Siehe Marx' Briefe an Engels vom 29. Oktober 1862 und 6. Juli 1863.) Da Marx und Engels das Wesen der Ereignisse erfaßten, konnten sie schon einige Monate vor Beginn des Bürgerkriegs in den USA zu der Schlußfolgerung kommen, daß eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen dem Norden und dem Süden bevorstehe. Am 7. Januar 1861 schrieb Engels an Marx über die Lage im Süden der USA: „Der geringste Freischarenputsch vom Norden könnte alles in Flammen setzen. Jedenfalls scheint es mit der Sklaverei, so oder so, rasch zu Ende zu gehn ..(siehe vorl. Band, S. 139). Nach Ausbruch des Bürgerkriegs in den USA verfolgten Marx und Engels die Entwicklung der Ereignisse in Amerika mit noch größerer Aufmerksamkeit. Dazu trug auch der Umstand bei, daß Marx im Herbst 1861 wieder für die amerikanische Zeitung „New-York Daily Tribüne" schrieb und an der bürgerlich-liberalen österreichischen Zeitung „Die Presse" mitzuarbeiten begann. Wie aus dem Brief an Engels vom 28. April 1862 hervorgeht, hielt es Marx für äußerst wichtig, daß man in Deutschland zu richtigen Vorstellungen über den Bürgerkrieg in den USA gelange. Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels aus den ersten Kriegsmonaten zeigt, daß Marx während der Arbeit an seinen Artikeln „Der nordamerikanische Bürgerkrieg" und „Der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten" die Geschichte der einzelnen Südstaaten, eingehend studierte (siehe Marx' Briefe an Engels vom 1. und 5. Juli 1861). Durch das Studium amerikanischer Quellen kam Marx zu dem Schluß, daß die sogenannte „Sezessionsbewegungsgeschichte" eine „vollständige Usurpation" der Oligarchie der Sklavenhalter und Plantagenbesitzer war und daß es sogar in den südlichsten Staaten „stärksten Widerstand gegen die Sezession" gab. Die Sklavenhalter brauchten die Militärdiktatur, wie Marx hervorhob, um die landlosen „poor whites" des Südens in Botmäßigkeit zu halten (siehe vorl. Band, S.186). In seinem Brief an Engels vom 1 .Juli 1861 ging Marx auf die Ursachen und den Charakter des amerikanischen Bürgerkriegs sowie auf seine Triebkräfte ein. Er sah die wahre Ursache für den Krieg zwischen Nord- und
Südstaaten im Kampf zweier sozialer Systeme: des kapitalistischen Systems der Lohnarbeit, das sich im Norden festigte, und des Systems der Sklaverei, das im Süden des Landes weiter fortbestand und die kapitalistische Entwicklung des ganzen Landes stark behinderte. Besonderes Augenmerk richtete er auf die ungewöhnlich schnelle Entwicklung der Staaten im Nordwesten mit ihrer freien Farmerbevölkerung. Dabei kam er zu dem Schluß, daß die ökonomischen Interessen die Nordweststaaten zum entschiedensten Gegner der Sklaverei werden ließen (siehe vorl. Band, S. 178/179). In einem Brief an Lion Philips erwog Marx die Chancen der kämpfenden Seiten und kam dabei bereits im Mai 1861 zu der Voraussicht, daß sich die Waagschale zwar anfangs zugunsten des Südens neigen werde, da dieser sich früher auf den Krieg vorbereitet hatte und über erfahrene militärische Kader verfüge, daß aber am Ende natürlich der Norden siegen werde, „da er im Notfall die letzte Karte einer Sklavenrevohition ausspielen kann" (siehe vorl. Band, S. 600). Auch Engels verwies auf die moralisch-politische Überlegenheit der Nordarmee. Als erfahrener Militärwissenschaftler richtete er sein Interesse vor allem auf die militärische Seite der Vorgänge in Amerika. In seinen Briefen an Marx vom 12. Juni und 3. Juli 1861, vom5. Mai 1862 und anderen untersuchte er die Strategie und Taktik der kämpfenden Seiten in den wichtigsten Schlachten und gab treffende Einschätzungen der Militärs und Politiker des Nordens und Südens. Engels* Briefe vom 23. Mai und 30. Juli 1862 lagen den Artikeln über den Verlauf des Bürgerkriegs in den USA zugrunde, die Marx in der „Presse" veröffentlichte. Marx maß Engels* militärischen Übersichten große Bedeutung bei und bat ihn, „jedesmal bei irgendwelcher militärischen Wendung" regelmäßig zu schreiben (siehe vorl. Band, S.227). In mehreren Briefen untersuchten Marx und Engels die Ursachen für die militärischen Niederlagen des Nordens, die Mitte 1862 besonders bedrohlichen Charakter annahmen. Mit aller Schärfe kritisierten sie die feige und unentschlossene Politik der nordamerikanischen Bourgeoisie, die davor zurückschreckte, dem Krieg den Charakter eines konsequenten, revolutionären Kampfes gegen die Sklaverei zu verleihen. In diesen Briefen wurde der äußerst wichtige Leitsatz der marxistischen Militärwissenschaft weiterentwickelt, der besagt, daß der Charakter eines Krieges und die Art seiner Führung sich wechselseitig bedingen. Der Krieg für die Beseitigung der Sklaverei, der im Interesse des Volkes lag und revolutionären Charakter trug, erforderte-sollte er erfolgreich sein-auch entsprechende revolutionäre Maßnahmen zur Mobilisierung der Massen. „Wenn der Norden nicht sofort
revolutionär auftritt, kriegt er heillose Prügel", schrieb Engels in seinem Brief an Marx vom 30. Juli 1862 (siehe vorl. Band, S.256). Nach Marx Ansicht war es in militärischer und politischer Hinsicht notwendig, daß die Neger das Recht erhielten, in der Nordarmee mitzukämpfen. „Ein einziges Nigger-Regiment wird merkwürdig auf die südlichen Nerven'wirken", schrieb er am 7. August 1862 an Engels (siehe vorl. Band, S.270). Im Briefwechsel wird ferner eine These entwickelt, die methodologisch äußerst bedeutungsvoll ist: wenn man die Perspektiven eines Krieges bestimmt, darf man nicht nur von seinen militärischen Aspekten ausgehen. Als Engels nach mehreren Niederlagen der Nordstaatler im Sommer 1862 an ihrem Sieg zu zweifeln begann, schrieb ihm Marx: „Es scheint mir, daß Du Dich a little too much durch den militärischen aspect der Dinge bestimmen läßt." (Siehe vorl. Band, S.287.) Marx, der alle politischen und militärischen Faktoren in Betracht zog, glaubte fest daran, daß sich der Norden letztlich zu revolutionären Maßnahmen entschließen und die Reaktionäre aus der Armeeführung entfernen werde, die aus den benachbarten Sklavenhalterstaaten kamen und bemüht waren, den Krieg auf der Grundlage eines Kompromisses mit den Sklavenhaltern zu führen. Der hartnäckige Widerstand des Nordwestens und Neuenglands gegen die „diplomatische Art und Weise der Kriegführung" war nach seiner Meinung ein Anzeichen für den heranreifenden revolutionären Umschwung. Er zweifelte nicht daran, daß das Volk die Regierung Lincoln zwingen werde, zu revolutionären Methoden der Kriegführung überzugehen. In einem Brief an Engels vom 7. August 1862 schrieb er: „Gibt Lincoln nicht nach (was er aber tun wird), so gibt's eine Revolution." (Siehe vorl. Band, S.270.) Marx* Vorhersagen wurden durch die Ereignisse voll und ganz bestätigt. Unter dem Druck der Volksmassen erließ die Regierung Lincoln im September 1862 eine Proklamation über die Befreiung der Negersklaven und traf verschiedene demokratische Maßnahmen, denen Marx großen Wert beimaß. Am 29.Oktober 1862 schrieb er an Engels: „Die Wut, womit die Südlichen Lincolns Akte aufnehmen, beweist die Wichtigkeit derselben." (Siehe vorl. Band, S.292.) Marx und Engels betonten ständig, daß der Norden einen gerechten Krieg führe, gleichzeitig sahen sie jedoch auch die Beschränktheit und Verlogenheit der amerikanischen bürgerlichen Demokratie. In seinem Brief an Engels vom 10. September 1862 schrieb Marx: „Die Art, wie der Norden Krieg führt, nicht anders zu erwarten von einer bürgerlichen Republik, wo der Schwindel so lange souverän gethront." (Siehe vorl. Band, S. 287.)
Engels sah die Ursachen für das Zögern des Nordens, zu einer revolutionären Kriegführung überzugehen, darin, daß das Volk erniedrigt, die herrschende Bourgeoisie aber zu jedem beliebigen Frieden mit den Sklavenhaltern um des „allmighty Dollars" willen bereit sei (siehe Engels' Brief an Marx vom 17. Februar 1863). Der bürgerliche Klassencharakter der nordamerikanischen Republik fand nach Ansicht von Marx und Engels auch in der Zunahme der Finanzspekulationen seinen Ausdruck, die mit Unterstützung der herrschenden Kreise im Krieg einen nie gekannten Aufschwung erlebten. Marx kennzeichnete alle diese Erscheinungen als „das Widerliche an der Form der Bewegung bei den Yankees; ... in dem Musterland des Demokratenschwindels..." und fand das „aus der Natur einer .bürgerlichen' Demokratie erklärlich" (siehe seine Briefe an Engels vom 29. Oktober 1862 und 7.September 1864, vorl. Band, S.292 und 433). Engels zog aus der Einschätzung der Verhältnisse in der nordamerikanischen bürgerlichen Republik die wichtige Schlußfolgerung, daß die bürgerliche demokratische Republik von der Arbeiterklasse in Zukunft nicht als Selbstzweck angesehen werden dürfe, sondern nur als Mittel, als Vorstufe zur sozialen, proletarischen Revolution (siehe Engels' Brief an Marx vom 15. November 1862). Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels aus den Jahren 1861 bis 1864 ist eine wesentliche Ergänzung zu ihren Artikeln über den Amerikanischen Bürgerkrieg in der „New-York Daily Tribüne" und der „Presse" von 1861/1862. Die Briefe umfassen nicht nur die ganze Periode des Krieges, hier finden sich bisweilen auch markante politische Einschätzungen verschiedener Personen und Ereignisse, die in der Presse teils aus Zensurgründen, teils aus taktischen Erwägungen nicht so offen ausgesprochen werden durften. Bei der Einschätzung der revolutionären Perspektiven des Amerikanischen Bürgerkrieges richteten Marx und Engels ihr Augenmerk auch darauf, welchen Einfluß dieser Krieg auf die internationalen Beziehungen und die innere Lage der europäischen Länder, vor allem Englands, nehmen würde, das damals das am weitesten entwickelte kapitalistische Land war. Noch vor Ausbruch des Krieges schrieb Marx in seinem Brief an Lassalle vom 16. Januar 1861: „Die Sklavenkrisis in den Vereinigten Staaten wird in ein paar Jahren zu einer furchtbaren Krisis in England treiben" (siehe vorl. Band, S.578). Der „Baumwollhunger", der nicht nur England, sondern seit Ende 1861 auch andere europäische Länder erfaßte, bestätigte diese Vorhersage. Das Zusammenfallen des Baumwollhungers mit der Überproduktionskrise in der englischen Baumwollindustrie brachte den eng
lischen Arbeitern bitterste Not, sie traf vor allem die Arbeiter in den Industriebezirken von Lancashire, insbesondere Manchester, wo die Baumwollwarenproduktion rigoros eingeschränkt wurde. Marx und Engels begrüßten die zunehmende politische Aktivität der englischen Arbeiterklasse, die seit dem Niedergang der Chartistenbewegung unter den Einfluß der trade-unionistischen Ideologie geraten war. Sie nahmen lebhaften Anteil an den machtvollen Protestkundgebungen und Massendemonstrationen, mit denen die englischen Arbeiter ihrer Sympathie für den gerechten Kampf der Nordstaaten der USA Ausdruck verliehen und gleichzeitig den Plan der herrschenden Klassen Englands vereitelten, zugunsten der Sklavenhalter im Süden in den Amerikanischen Bürgerkrieg einzugreifen. Marx und Engels werteten die Aktionen der englischen Arbeiterschaft als eine wichtige Form der proletarischen Solidarität mit der demokratischen Befreiungsbewegung (siehe Marx' Briefe an Engels vom 2. Januar und 9. April 1863). Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, daß in der englischen Arbeiterbewegung die Tendenz vorherrsche, sich auf den Kampf für Reformen innerhalb der bestehenden kapitalistischen Ordnung zu beschränken. Die Ursache dafür sahen Marx und Engels in der von der englischen Bourgeoisie betriebenen Politik, bestimmte Teile der Arbeiterklasse an den Vorteilen, die sich aus der industriellen Vormachtstellung Englands ergaben, teilhaben zu lassen. (Siehe Engels' Briefe an Marx vom 5.November 1862 und 8. April 1863 sowie Marx' Briefe an Engels vom 17. November 1862 und 9. April 1863.) Mit reger Anteilnahme verfolgten Marx und Engels die Bewegungen in Polen und Rußland. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stand dabei der heldenmütige Kampf des polnischen Volkes in den Jahren 1863/1864. Die im vorliegenden Band veröffentlichten Briefe von Marx und Engels vermitteln einen guten Überblick über den Verlauf des Aufstandes in Polen und Litauen und geben uns wichtige Einschätzungen über Charakter, Perspektive und internationale Bedeutung der Kämpfe gegen die nationale Unterdrückung des polnischen Volkes. Marx und Engels sahen in der Wiederherstellung eines freien, unabhängigen Polens eine wichtige Voraussetzung für die Schwächung des reaktionären Einflusses des Zarismus in Europa sowie für die Entwicklung der demokratischen Bewegung in Preußen, Österreich und in Rußland selbst. Als Marx vom Ausbruch des polnischen Aufstands erfuhr, schrieb er am 13.Februar 1863 an Engels: „die era of revolution ist nun wieder fairly opened in Europe ... Hoffentlich wälzt sich die Lava diesmal von Ost nach West" (siehe vorl. Band, S.324).
XVI Vorwort
Aufmerksam verfolgten sie die Teilnahme der russischen und polnischen Bauern am Aufstand. Engels hielt in seinem Brief an Marx vom 8. April 1863 die Bewegung in Litauen gerade deshalb für so bedeutungsvoll, weil sie über die Grenzen Kongreßpolens hinausging und vor allem die Bauern aktiv daran teilnahmen. Nur die Einbeziehung der Bauernmassen in die Bewegung könne den Erfolg des Aufstands gewährleisten, schrieb Engels in dem erwähnten Brief. Was die Situation im Lager der polnischen Aufständischen betraf, so wiesen Marx und Engels immer wieder darauf hin, daß die rechten Vertreter der Bourgeoisie und des Adels vom Typ Zamoyskis und Czartoryskis an einer Beteiligung der Massen nicht interessiert waren. Zwischen ihnen und den RegierungenPalmerstons und Napoleons III. bestand eine direkte Verbindung (siehe Marx* Briefe an Engels vom 6. Juli, 15. August und 12. September 1863). Gleichzeitig stellten Marx und Engels beunruhigt fest, daß die polnischen Demokraten noch nicht die erforderliche Reife besaßen, daß sogar unter einem Teil von ihnen der Bonapartismus an Einfluß gewann (siehe Marx' Briefe an Engels vom 24. März und 9. April sowie Engels* Brief an Marx vom 8. April 1863). Am 15. August schrieb Marx an Engels: „Die polnische Geschichte ist ganz verfahren durch denselben Boustrapa und durch den Einfluß, den seine Intrigen der Czartoryski-Partei verschafft haben." (Siehe vorl. Band, S.369/370.) Marx und besonders Engels brachten den militärischen Fragen des polnischen Aufstands großes Interesse entgegen. Engels studierte die Militärliteratur der „polnischen jüngeren Emigration" und hob lobend hervor, daß in ihr „alle Punkte mit spezieller Berücksichtigung der polnischen Verhältnisse behandelt sind, und daß in dieser die Idee des Guerillakriegs in Polen eine sehr bedeutende Rolle spielt und sehr ausführlich behandelt ist" (siehe vorl. Band, S.327). Auch die Schwächen in der militärischen Organisation blieben Engels nicht verborgen; es fehlte an Waffen und erfahrenen Kommandeuren, die militärische Führung ließ es ander erforderlichen Härte und Konsequenz fehlen, so daß in den ersten Monaten des Aufstands die besten Kräfte der Aufständischen und viele ihrer Kommandeure zugrunde gehen mußten (siehe Engels' Briefe an Marx vom 17. Februar, 8. April, 11. und 24. Juni 1863). Marx traf sich, wie aus seinem Brief an Engels vom 12. September 1863 hervorgeht, mit Oberst tapinski, einem Teilnehmer am polnischen Aufstand. Die Idee, eine Legion zu bilden, die den kämpfenden Polen zu Hilfe kommen sollte, fand Marx' wärmste Unterstützung. Marx und Engels betrachteten die Ereignisse in Polen in unmittelbarem Zusammenhang mit der revolutionären Situation, die Ende der fünfziger,
Vorwort XVII
Anfang der sechziger Jahre in Rußland entstanden war. Wie ein roter Faden zieht sich durch viele ihrer Briefe der Gedanke, daß zwischen dem Schicksal Polens und der revolutionären Bewegung in Rußland ein enger Zusammenhang besteht. „Die Polen sind ganz famose Burschen. Wenn sie sich noch halten bis zum 15. März, so geht's in ganz Rußland los", schrieb Engels bereits in den ersten Tagen des Aufstands an Marx. (Siehe vorl. Band, S.327.) Ebenso wie viele russische revolutionäre Demokraten rechneten auch Marx und Engels zu dieser Zeit damit, daß die Bauern, die durch die zaristische Reform von 1861 betrogen worden waren, sich erheben würden. In den folgenden Briefen mußte Engels jedoch mit Besorgnis feststellen, daß die Bauern nichts unternahmen, was die Revolution in Rußland hätte beschleunigen und damit der polnischen Befreiungsbewegung neuen Auftrieb geben können. Als der polnische Aufstand begann, ebbte die Bauernbewegung in Rußland bereits ab und verzettelte ihre Kräfte in vereinzelten spontanen „Empörungen". Das Volk, das jahrhundertelang unter der Knechtschaft der Gutsbesitzer gelebt hatte, war, so schrieb Lenin, „nicht imstande, sich zu einem umfassenden, offenen, bewußten Kampf um die Freiheit zu erheben" (W. I. Lenin, Werke, Bd. 17, S.73). Marx und Engels waren sich der großen Bedeutung des polnischen Aufstands für die revolutionäre Entwicklung in Deutschland bewußt. Sie rechneten damit, daß der Aufstand in Polen im Verein mit einer Volksrevolution in Rußland zu einem revolutionären Aufschwung in Deutschland, vor allem in Preußen, führen werde, wo eine politische Krise ausgebrochen war. „Monsieur Bismarck weiß, daß es ihm an den Kragen geht, wenn Polen und Rußland revolutioniert werden", schrieb Engels am 17.Februar 1863 an Marx (siehe vorl. Band, S.327). Müßte Preußen auf die traditionelle Unterstützung des Zarismus verzichten, so würde das, wie Marx betonte, der preußischen Reaktion einen tödlichen Schlag versetzen. Bismarck habe, so schrieb er, richtig erkannt, „daß der »Staat4 Preußen (eine von Deutschland sehr verschiedne Kreatur) nicht ohne das bisherige Rußland und nicht mit einem selbständigen Polen existieren kann" (siehe vorl. Band, S. 334). Marx und Engels verurteilten das „schändliche Verhalten" der preußischen Monarchie, die die zaristische Regierung bei der Unterdrückung des Aufstands unterstützte (siehe vorl. Band, S.327). Sie hielten es für sehr wichtig, die Machenschaften der internationalen und besonders der preußischen Reaktion aufzudecken. Daher erörterten sie in ihren Briefen ausführlich eine „Proklamation über Polen", die Marx im Auftrage des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London herausgab. Darüber
II Marx/Engels, Werke, Bd. 30
hinaus wollten sie unter dem Titel „Deutschland und Polen" eine Broschüre schreiben, in der auf der Grundlage umfangreichen historischen Materials die Eroberungspolitik Preußens und des zaristischen Rußlands gegenüber Polen dargestellt werden sollte. „Es gilt diesmal, dem öden Haus Hohenzollern zu Leib zu gehn", schrieb Marx am 2I.Februar 1863 an Engels (siehe vorl. Band, S.332). In ihren Briefen stellten Marx und Engels auch die preußische liberale Bourgeoisie bloß, die zum Verräter an den polnischen Aufständischen wurde, weil sie feige „die fortwährende Auslieferung der polnischen Flüchtlinge" durch die preußische Regierung verschwieg (siehe Marx' Brief an Engels vom 7.Juni 1864). Ihre reaktionäre Haltung zum polnischen Aufstand war nach Ansicht von Marx und Engels eine Ursache dafür, daß der Kampf des polnischen Volkes mit einem Mißerfolg endete und sich die Aussichten für eine Revolution in Deutschland verschlechterten. Sie brandmarkten mit aller Schärfe den Zarismus, der mit den aufständischen Polen blutige Abrechnung hielt. In mehreren Briefen enthüllten sie die konterrevolutionäre Politik der Regierungen Englands, Frankreichs und Österreichs, die bei der Unterdrückung des polnischen Aufstands die Rolle von Helfershelfern der zaristischen Regierung spielten (siehe vorl. Band, S.334, sowie Marx' Briefe an Engels vom 7. Juni 1864 und an Lion Philips vom 29. März 1864). Die Haltung der westeuropäischen Mächte war nach Marx und Engels ein Ausdruck der reaktionären Klassenpolitik der europäischen Bourgeoisie. Sie schlußfolgerten aus den Erfahrungen des polnischen Aufstands von 1863, daß nur ein enges Bündnis mit der revolutionären Bewegung in Europa dem nationalen Befreiungskampf des polnischen Volkes zum Erfolg verhelfen kann (siehe Engels' Brief an Marx vom 1 I.Juni 1863). Was die Perspektiven der revolutionären Bewegung in Europa nach der Niederlage des polnischen Aufstands betraf, so meinten Marx und Engels, daß der Krieg, den 1864 Preußen und Österreich gegen Dänemark begannen, die politische Lage in Deutschland verschärfen könnte. „Die dänische Geschichte", schrieb Engels am 24.November 1863, „... kann die Krisis nur beschleunigen." (Siehe vorl. Band, S.374.) Marx war der gleichen Ansicht und schrieb an Engels: „Was die schleswig-holsteinsche Geschichte betrifft, hoffe ich, daß sie zu Kollisionen in Deutschland selbst führen wird" (siehe vorl. Band, S. 387). Aber die deutsche liberale Bourgeoisie ließ sich, wie auch in der polnischen Frage, von der Junkerregierung Bismarck wieder ins Schlepptau nehmen und zeigte so erneut, daß sie
nicht zu konsequenten Aktionen gegen die preußische Monarchie gewillt war. Lebhaft interessierten sich Marx und Engels für den nationalen Befreiungskampf der lateinamerikanischen Völker, besonders für den des mexikanischen Volkes gegen die Intervention Englands, Spaniens und vor allem Frankreichs von 1861 bis 1867. Sie entlarvten die Versuche Napoleons III., durch vorgetäuschte „demokratische" Maßnahmen der Annexion Mexikos den Charakter eines freien Volksentschlusses zu geben (siehe Marx' Brief an Engels vom 15.August 1863). Mit beißendem Spott überschütteten sie die bonapartistischen Methoden der sozialen Demagogie, die unter den Bedingungen des Kolonialkriegs absurde und lächerliche Formen annahmen. Marx und Engels betrachteten den Kolonialkrieg Napoleons III. in Mexiko unter dem Aspekt einer revolutionären Krise im bonapartistischen Frankreich. Einen „höchst klassischen Abschluß für die Farce des lower Empire", nannte Marx in seinem Brief an Engels vom 13.Februar 1863 das mexikanische Abenteuer Napoleons. (Siehe vorl. Band, S.324.) In seinem Brief an LionPhilips vom29.März 1864 bemerkte Marx, daß Napoleon III. durch koloniale und außenpolitische Abenteuer seine kritische Lage im Lande zu festigen suchte. Angesichts der wachsenden Unzufriedenheit in Frankreich, die bei den Wahlen zum Corps legislatif im Frühjahr 1863 deutlich geworden war, mußte er „seine troupiers wieder ein Exportgeschäft in .Freiheit' machen lassen" (siehe vorl. Band, S.650). In seinem Brief an Engels vom 15. August 1863 sagte Marx das unvermeidliche Scheitern der mexikanischen Expedition und die schmähliche Niederlage Napoleons voraus: „Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß er an Mexiko den Hals bricht..." (siehe vorl. Band, S.369). Im Mittelpunkt des Briefwechsels der Jahre 1860-1864 stehen die Bemühungen Marx' und Engels' um die Organisierung des Proletariats. Ihre Bestrebungen waren darauf gerichtet, Kontakte zwischen den sich entwickelnden Arbeiterorganisationen in den einzelnen Ländern anzubahnen und den Prozeß der Herausbildung revolutionärer Arbeiterparteien zu fördern. Sie stützten sich dabei auf ehemalige Mitglieder des Bundes der Kommunisten, die der proletarischen Bewegung treu geblieben waren und das Vermächtnis der ersten internationalen und deutschen revolutionären Arbeiterpartei unter den neuen historischen Bedingungen wahrten. Wenn er von der Partei spreche, schrieb Marx am 29. Februar 1860 an Freiligrath, so meine er „die Partei im großen historischen Sinne" (siehe vorl. Band, S.495). Das heißt, Marx und Engels wollten eine Organisation
XX Vorwort
schaffen, die den neuen objektiven Gegebenheiten entsprach, die die Massen in stärkerem Maße einbezog und mit allen Schichten der Werktätigen enger verbunden war. Die künftige Partei mußte die besten proletarischen Elemente in sich vereinen. Sie mußte eine wichtige politische Kraft, eine einflußreiche und angesehene Organisation werden, die die Arbeiterklasse im Kampf für die Verwirklichung ihrer welthistorischen Mission führen konnte. Marx und Engels taten alles in ihren Kräften Stehende, um die proletarischen Revolutionäre zu sammeln, zu erziehen und für diese Aufgabe vorzubereiten. So korrespondierte Marx nach wie vor mit Joseph Weydemeyer, dem bekannten Vertreter der amerikanischen Arbeiterbewegung, und half ihm 1860 bei der Herausgabe einer Zeitung für die Arbeiter Chicagos (siehe Marx* Briefe an Ferdinand Lassalle, Georg Lommel und Johann Philipp Becker vom 9. April 1860). Sie sorgten sich auch um die von den herrschenden Klassen polizeilich verfolgten proletarischen Revolutionäre. 1861 schrieb Marx Briefe an Vertreter demokratischer Kreise in England, Frankreich und Deutschland, um eine Kampagne zur Befreiung LouisAuguste Blanquis aus dem Gefängnis zu organisieren (siehe Marx* Brief an Engels vom 19. Juni 1861). Im vorliegenden Band wird zum ersten Mal ein Brief von Marx an den französischen Publizisten Louis Watteau, einen engen Freund Blanquis, veröffentlicht. Marx gibt in diesem Brief eine Charakteristik des hervorragenden französischen Revolutionärs Blanqui (siehe vorl. Band, S.617). Die erstmals vollständig veröffentlichten Briefe von Marx an Justizrat Weber ergänzen wesentlich die bereits bekannten Einzelheiten über Marx' Tätigkeit im Deutschen Bildungsverein für Arbeiter in London. Unermüdlich propagierte er die revolutionäre wissenschaftliche Weltanschauung, unaufhörlich wirkte er für die Erziehung der Arbeiter zum proletarischen Internationalismus. Seit Ende 1862 korrespondierte Marx regelmäßig mit Ludwig Kugelmann, einem deutschen Arzt, der an der Revolution 1848/49 teilgenommen hatte. Dieser Briefwechsel währte über zehn Jahre. Marx* Briefe an Kugelmann behandeln äußerst wichtige Fragen der internationalen Arbeiterbewegung und der Theorie des Marxismus. Marx und Engels sahen eine wichtige Aufgabe darin, im Kampf um die proletarische Partei den jungen proletarischen Kadern zu helfen, sich vom Einfluß der kleinbürgerlich-antiproletarischen Strömungen zu befreien, und sie gegen Verleumdungen und Verfolgungen zu schützen. Viele Briefe von Marx und Engels aus dem Jahre 1860 widerspiegeln ihren Kampf gegen Karl Vogt. Dieser Vulgärdemokrat und bonapartistische Agent war einer
Vorwort XXI
der infamsten Verleumder der proletarischen Partei. Im Dezember 1859 veröffentlichte er seine Schmähschrift „Mein Prozeß gegen die »Allgemeine Zeitung4", in der er Marx und andere proletarische Revolutionäre verleumdete und dabei vor offensichtlichen Fälschungen nicht zurückschreckte. Vogt unterstellte Marx eigennützige Ziele und versuchte so, dessen revolutionäre Tätigkeit zu diffamieren. Er versuchte, Marx und seine Kampfgefährten als eine Gruppe von Verschwörern hinzustellen, die mit der Polizei geheime Verbindungen unterhalte. Marx und Engels erkannten im Auftreten Vogts den Versuch der Bourgeoisie, die sich entwickelnde proletarische Bewegung moralisch zu vernichten und in den Augen des deutschen Volkes zu diskreditieren. Am 3. Februar 1860 schrieb Marx an Engels, Vogts Angriffe seien „der grand coup der bürgerlichen Vulgärdemokratie... gegen die ganze Partei" (siehe vorl. Band, S.22). Er entschloß sich daher, diesen Machenschaften Vogts auf das entschiedenste entgegenzutreten. Wie Marx an Freiligrath schrieb, war der Kampf gegen Vogt „entscheidend für die historische Vindikation der Partei und für ihre spätere Stellung in Deutschland" (siehe Marx' Brief an Freiligrath vom 23.Februar 1860, vorl. Band, S.459). Die Entstehungsgeschichte von Marx' Streitschrift „Herr Vogt" kann man in den im vorliegenden Band veröffentlichten Briefen Schritt für Schritt verfolgen. Wir sehen, mit welch kolossaler Kräfteanspannung und mit welcher Sorgfalt Marx an dieser Streitschrift fast ein ganzes Jahr arbeitete. Um Material zu erhalten, das die Tätigkeit der proletarischen Revolutionäre in ihrem wahren Lichte darstellte und Vogt überführte, verschickte Marx etwa fünfzig Briefe an verschiedene Personen, mit denen er und Engels während ihrer Arbeit in Berührung gekommen waren oder die ihm die benötigten Angaben machen konnten. Er studierte viele Bücher und Dokumente und fuhr zu Engels nach Manchester, um Material zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, das sich bei Engels befand, zu sichten und mit ihm den Plan für seine Streitschrift zu erörtern. Auf Marx' Bitte schrieb Engels für dessen Streitschrift kleinere Abschnitte über die strategische Bedeutung einiger europäischer Territorien. Engels äußerte sich über die im Dezember 1860 erschienene Streitschrift „Herr Vogt" sehr anerkennend. Am 5. Dezember 1860 schrieb er an Marx: „Je mehr ich in dem Buch lese, desto besser gefällt's mir." (Siehe vorl. Band, S. 120.) Die Briefe von Marx und Engels über ihren Kampf gegen Vogt zeigen anschaulich, wie man sich mit den Feinden der proletarischen Bewegung schonungslos auseinandersetzen muß. Um Vogt vor den Augen der Öffentlichkeit noch mehr bloßzustellen,
III Marx/Engels. Werke, Bd. 30
strebte Marx einen Prozeß gegen die Berliner „National-Zeitung" an, die im Januar 1860 die niederträchtigsten Vogtschen Erfindungen in zwei Leitartikeln wiedergegeben hatte. Seine Klage wurde jedoch von vier Gerichtsinstanzen abgelehnt, da sie nicht „von öffentlichem Interesse" sei. In mehreren Briefen deckte Marx den Klassencharakter der preußischen Justiz und die wahren Ursachen für die Ablehnung der Klage auf. Er wies nach, daß der preußische Staat mit allen Mitteln versuchte, die Entlarvung Vogts zu verhindern. Marx sollte keine Gelegenheit erhalten, die Interessen der proletarischen Partei zu verteidigen. Am 24. April 1860 schrieb Marx an Engels: „Es liegt natürlich ,im öffentlichen Interesse' der preußischen Regierung, daß wir soviel als möglich verleumdet werden." (Siehe vorl. Band, S.49.) Die Arbeiterbewegung in Deutschland ließ sich jedoch durch Verleumdungen nicht aufhalten. Die fortgeschrittnen Arbeiter begannen unter dem Einfluß des Wirkens von Marx und Engels sich organisatorisch und politisch vom Einfluß der Bourgeoisie zu befreien. Diesem Streben nach organisatorischer Trennung von der liberalen Bourgeoisie entsprach Ferdinand Lassalle, der sich der Arbeiterbewegung angeschlossen hatte und sich bemühte, als ihr Organisator und Theoretiker aufzutreten. An Hand der Briefe von Marx und Engels aus den Jahren 1861 -1864 kann man ihre Stellung zu Lassalle verfolgen. Sie würdigten seine Verdienste und kritisierten scharf seine Fehler. In seinem Brief vom 20. Mai 1863 an Marx schrieb Engels über Lassalles Agitation gegen die Vertreter der bürgerlichen Fortschrittspartei, „daß auf diese Weise wieder ein Boden für antibürgerliche Sachen gewonnen wird" (siehe vorl. Band, S.347). Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins im Mai 1863, an der Lassalle unmittelbaren Anteil hatte, war für die weitere Entwicklung der Arbeiterbewegung von großer Bedeutung. Das historische Verdienst Lassalles, schrieb Lenin, bestehe darin, „daß er die Arbeiterklasse aus einem Anhängsel der liberalen Bourgeoisie zu einer selbständigen politischen Partei machte". (W. I.Lenin, Werke, Band 4, Berlin 1955, S. 168.) Lassalles Programm für die deutsche Arbeiterbewegung eröffnete der Arbeiterklasse jedoch keine revolutionäre Perspektive. Vielmehr verbreitete es die Illusion, man könne ohne revolutionären Klassenkampf den Sozialismus erreichen. Als Marx im Sommer 1862 in London mit Lassalle zusammentraf, trat deutlich zutage, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen Marx und Engels einerseits und Lassalle andererseits prinzipieller Art waren. Marx selbst sagte in seinem Brief an Engels vom 7. August 1862,
daß sie mit Lassalle „politisch in nichts übereinstimmten als in einigen weitabliegenden Endzwecken" (siehe vorl. Band, S.270). Lassalle hielt es für möglich, allein durch Agitation für das allgemeine Wahlrecht und für die Schaffung von Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe - d.h. mit Hilfe des junkerlich-bürgerlichen Ausbeuterstaats - zu grundlegenden sozialen Umgestaltungen zu gelangen. Marx verurteilte entschieden dieses reformistische Programm, das in der Arbeiterklasse die Illusion vom friedlichen Hineinwachsen in den Sozialismus verbreitete. Marx und Engels kritisierten vielfach die Schriften Lassalles. Sie wiesen darauf hin, daß seine Arbeiten in einem unerträglich zudringlichen Ton, oberflächlich und schülerhaft geschrieben waren (siehe z.B. Marx' Briefe an Engels vom 12. Juni und 15. August 1863). Marx schrieb anläßlich der Rede Lassalles über die indirekten Steuern: „Es wimmelt... von historischen und theoretischen blunders." (Siehe vorl. Band, S.356.) Sie übersahen nicht, daß Lassalle für seine Kritik am Kapitalismus vieles aus ihren Werken, darunter aus dem „Manifest der Kommunistischen Partei", entlehnt hatte. Er vulgarisierte und entstellte jedoch den wissenschaftlichen Kommunismus und versuchte, ihn seiner idealistischen Weltanschauung anzupassen. Nachdem Marx Lassalles „Arbeiter-Programm" gelesen hatte, das dieser als programmatisches Dokument der Arbeiterbewegung ausgab, schrieb er am 28. Januar 1863 an Engels, die Sache ist nichts anderes „als schlechte Vulgarisation des ,Manifests' und andrer von uns so oft gepredigten Sachen... Der Kerl denkt offenbar, er sei der Mann, um unser Inventarium anzutreten" (siehe vorl. Band, S.322/323). Ähnlich bewerteten Marx und Engels auch Lassalles „Offenes Antwortschreiben", das dieser 1863 am Vorabend der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins verfaßt hatte. Sie kritisierten Lassalles soziale „Rezepte" und wiesen nach, daß er sich die Grundprinzipien des wissenschaftlichen Kommunismus nur oberflächlich zu eigen gemacht hatte, ohne die wirklichen Bedingungen für die Befreiung des Proletariats zu verstehen. Wie Engels zeigt, war es kein Zufall, daß Lassalle die Begriffe „Klasse" und „Schicht" durcheinanderbrachte und die Handwerker für „Vertreter des Proletariats" hielt (siehe Engels' Brief an Marx vom 21. April 1863). Marx und Engels kamen zu dem Schluß, daß sein Programm die Interessen des Kleinbürgertums und der Handwerker und nicht die der Arbeiterklasse widerspiegelte. Sie verurteilten Lassalles verwerfliche Taktik, die die Arbeiterklasse darauf orientierte, gemeinsam mit der Regierung Bismarck gegen die Bourgeoisie vorzugehen, um einige Zugeständnisse zu erlangen. „Der Kerl
arbeitet jetzt rein im Dienst von Bismarck", stellte Engels fest, nachdem Lassalles Verhalten die reaktionäre Presse zu Lobpreisungen veranlaßt hatte (siehe vorl. Band, S. 354). Dadurch, daß Lassalle seine Angriffe ausschließlich gegen die Fortschrittspartei richtete, arbeitete er angesichts des sich verschärfenden Verfassungskonflikts in Preußen der Junkerregierung Bismarck direkt in die Hände. Engels, der in seinen Briefen an Marx vom 24. November 1863 diese Haltung Lassalles scharf kritisierte, betonte, daß Lassalle aus dem „Manifest der Kommunistischen Partei" hätte „lernen" müssen, „wie man sich in solchen Zeiten zu den Bourgeois zu stellen hat" (siehe vorl. Band, S.375). Die Politik Lassalles geriet immer mehr in einen direkten Gegensatz zu den Interessen des Proletariats. Die Vorhut des Proletariats mußte auf den revolutionären Kampf des ganzen Volkes gegen die feudale Reaktion orientieren und gleichzeitig die unentschlossene feige Politik der preußischen Bourgeoisie entlarven. Marx und Engels hielten es für richtig, zeitweilig nicht öffentlich gegen Lassalle aufzutreten. Sein anfängliches Bemühen, die Arbeiterklasse organisatorisch und politisch vom Einfluß der Bourgeoisie zu befreien, fand ihre volle Unterstützung. „Kritisiere ich sein Zeug, so wäre das Zeitverlust ... Anerkennen diese Renommagen und Taktlosigkeiten geht auch nicht... Bleibt also nichts übrig, als abzuwarten, bis endlich sein Zorn ausbricht", schrieb Marx am 12. Juni 1863 an Engels. Um gegen Lassalle vorzugehen, war nach Marx' Ansicht folgendes zu tun: „1. dem Publikum zu zeigen, wie und wo er uns abschrieb; 2. wie und wo wir uns von seinem Zeug unterscheiden." (Siehe vorl. Band, S.357.) In persönlichen Zusammenkünften und auch in ihren Briefen wiesen Marx und Engels immer wieder Lassalle auf seine falschen Auffassungen hin und mißbilligten seine politische Haltung, die letztlich die antinationale Politik Bismarcks unterstützte. Nach dem Tode Lassalles zogen Marx und Engels in ihren Briefen dieBilanz der gesellschaftlichen und politischenTätigkeit Lassalles. In politischer Hinsicht war er, wie Engels anerkannte, „sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland". Aber „er war für uns gegenwärtig ein sehr unsichrer Freund, zukünftig ein ziemlich sichrer Feind", schrieb er am 4. September 1864 an Marx (siehe vorl. Band, S.429). Das opportunistische Wirken Lassalles machte die verstärkte Propaganda der Werke des wissenschaftlichen Kommunismus notwendig. Der reformistischen Politik Lassalles mußte die revolutionäre Taktik der Arbeiterklasse entgegengestellt werden. Wie aus den Briefen hervorgeht, waren Marx und Engels bemüht, solche Arbeiten wie das „Manifest der
Kommunistischen Partei", „Zur Kritik der Politischen Oekonomie", die Streitschrift „Herr Vogt" u.a. in Deutschland zu verbreiten. Für besonders wichtig erachteten sie den Abschluß der Arbeit am „Kapital". Seit 1863 standen sie mit Wilhelm Liebknecht, ihrem Kampfgefährten, der 1862 nach Deutschland zurückgekehrt war, in ständiger Verbindung. Viele Briefe aus diesen Jahren zeigen, wie aufmerksam Marx und Engels die erwachende politische Aktivität der deutschen Arbeiterklasse verfolgten. Liebknecht unterrichtete sie regelmäßig über die Arbeiterbewegung in Deutschland. Marx und Engels halfen Liebknecht durch ihre Hinweise und Ratschläge, die Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus unter den deutschen Arbeitern zu verbreiten. Wichtig sind in dieser Hinsicht ihre Briefe vom 7. und 9. Juni 1864, in denen sie ihre taktische Linie gegenüber Lassalle darlegten. Wie die Briefe von Marx und Engels bezeugen, blieben sie auch während der langen Jahre der Emigration mit den revolutionären deutschen Arbeitern in ständiger Verbindung. Nach wie vor genossen die beiden Führer des Proletariats große Autorität unter den fortschrittlichen Arbeitern Deutschlands. Das zeigte sich, als Marx im Juni 1864 von den Solinger Arbeitern Fritz Moll und Julius Melchior besucht wurde, wovon er Engels in seinen Briefen vom 3. und 16. Juni 1864 berichtete. Marx und Engels waren stets bemüht, ihre Verbindungen zu den fortgeschrittenen Arbeitern in den verschiedenen Ländern zu festigen, die in ökonomischen Kämpfen und demokratischen Aktionen mehr und mehr die Notwendigkeit des Zusammenwirkens derProletarier aller Länder erkannten. Sie förderten diesen Prozeß nach besten Kräften und halfen so, den Boden für die Gründung einer internationalen proletarischen Massenorganisation im September 1864 - der Internationalen Arbeiterassoziation - vorzubereiten.
Dieses Vorwort folgt im wesentlichen dem Vorwort zum Band 30 der zweiten russischen Ausgabe. Die Briefe im vorliegenden Band werden nach den Handschriften bzw. nach deren Photokopien gebracht. Anhand dieser Unterlagen waren die Herausgeber in der Lage, die in früheren Ausgaben gedruckten Texte sorgfältig zu überprüfen. Diese Arbeit wurde den Bearbeitern besonders bei Briefen von Engels an Marx erschwert, in denen eine fremde Hand, wahr
scheinlich die Eduard Bernsteins, viele Wörter, Satzteile und ganze Passagen ausgestrichen und in vielen Fällen „korrigiert" hat. Bekanntlich haben die Ende der zwanziger Jahre mit der Herausgabe des Marx-Engels-Briefwechsels betrauten Mitarbeiter des Marx-Engels-Instituts in Moskau bereits die Urfassungen der Briefe wiederhergestellt und in den ersten vier Bänden der dritten Abteilung der Marx-Engels-Gesamtausgabe(MEGA) ungekürzt veröffentlicht. In den seither vergangenen nahezu vier Jahrzehnten sind jedoch des öfteren Hinweise auf dubiose Textstellen erfolgt, die es den heutigen Herausgebern zur Pflicht machten, die bisher veröffentlichten Texte noch einmal Wort für Wort zu überprüfen. Diese mühsame Arbeit hat sich gelohnt; Namen konnten berichtigt werden („Leßner" statt „Lassalle", „Perier" statt „Pereire", „Sauernheimer" statt „Saulenheimer", „Majewski" statt „Melinski"); einzelne Wörter waren zu korrigieren („vorhergesehn" statt „vorgesehn", „harceliert" statt „parzelliert", „leiblich" statt „lieblich", „Dumpfheit" statt „Dummheit" usw.). Eine genaue Überprüfung der Interpunktion wie auch einiger Abkürzungen hat so manche Textstelle aufgehellt und verständlicher gemacht (so ist ein bisher als „God" gedrucktes Wort als die Abkürzung „Gvt", d.h. „G[o]v[ernmen]t", eindeutig entziffert worden). Kurz vor Beginn des Druckes gelangten wir in den Besitz der Photokopien aller im vorliegenden Band veröffentlichten Briefe von Marx an seinen Onkel Lion Philips und an seine Cousine Antoinette Philips. Diese Unterlagen ermöglichten einen Vergleich mit den in der „International Review of Social History", Amsterdam, Vol.I, 1956, Part 1, veröffentlichten Texten. Nach erfolgtem Vergleich mußten nur wenige Korrekturen in drei deutsch geschriebenen Briefen an Lion Philips vorgenommen werden. Gleichzeitig erhielten wir die Photokopie eines vom 15. Mai 1860 datierten Briefes von Marx an Carl Siebel. Leider war es nicht mehr möglich, diesen Brief noch chronologisch in den Band einzureihen. Er wird als Nachtrag (siehe S. 677-679) veröffentlicht. Die von Marx und Engels angeführten Zitate sind - soweit die Quellen zur Verfügung standen - überprüft worden. Fremdsprachige Zitate und fremdsprachige Sätze, Satzteile oder Wörter sind in Fußnoten übersetzt. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, modernisiert. Der Lautstand und die Silbenzahl der Wörter in den deutschsprachigen Texten wurden nicht verändert. Allgemein übliche Abkürzungen wurden beibehalten. Alle anderen im Original abgekürzten Wörter sind ausgeschrieben, wobei immer dann, wenn das abgekürzte Wort nicht völlig eindeutig ist, die vorgenommene Ergänzung durch eckige Klammern kennt
lieh gemacht wird. Alle Wörter und Wortteile in eckigen Klammern stammen von der Redaktion. Offensichtliche Druck- und Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert; in Zweifelsfällen wird in Fußnoten die Schreibweise des Originals angeführt. Die vollständig in fremden Sprachen geschriebenen Briefe wurden ins Deutsche übersetzt bzw. bereits vorhandene Übersetzungen überprüft. Dabei blieben jedoch alle eingestreuten Wörter anderer Sprachen in der Originalfassung. Sie werden in Fußnoten erklärt. Zusätze von dritten Personen zu Briefen von Marx und Engels werden in kleinerem Druck gebracht. Pseudonyme sowie Bei- und Spitznamen sind entweder durch Fußnoten oder durch Verweise im Personenverzeichnis erklärt. Zur Erläuterung ist der Band mit Anmerkungen versehen, auf die im Text durch hochgestellte Zahlen in eckigen Klammern hingewiesen wird. Außerdem sind ein Literaturverzeichnis, ein Personenverzeichnis sowie ein Verzeichnis der literarischen und mythologischen Namen beigefügt. Fernerhin enthält der Band ein Verzeichnis der Briefe, deren Datierung gegenüber früheren Ausgaben verändert wurde.
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED

KARL MARX und
FRIEDRICHENGELS
Briefe Januar 1860 - September 1864

Erster Teil Briefwechsel zwischen Marx und Engels
Januar 1860 - September 1864

1860
1
Marx an Engels in Manchester'11
[London, nach dem 11.Januar 1860]
1 I.Januar 1860
Lieber Marx, Ich schicke Dir heute unter Kreuzband ein Exemplar der Beilage zu Nr. 349 der „Kölnischen] Z[eitun]g" vom vorigen Jahr. Der darin steckbrieflich „wegen Unzucht" verfolgte Wilhelm Joseph Reiff ist, wie ich in Erfahrung gebracht habe, identisch mit dem jetzt hier anwesenden und der Partei auf der Tasche liegenden Reiff des Kölner Kommunistenprozesses. Ich habe Reiff nun heute geschrieben (unter Liebknechts Adresse, da ich ihn sonst nicht zu finden weiß), daß ich mich nicht weiter für ihn interessieren kann - daß ich ihm untersage, sich ferner auf mich zu beziehen - und daß ich mir seine Besuche verbitte! Ich habe damit für meine Person getan, was ich mir schuldig bin. Wie die Partei zu diesem Schmutz sich stellen will, ist ihre Sache. Du hast jetzt das Faktum!
Dein F. Freiligrath
Diesen „Reiff" hatte ich nie empfangen in meinem Haus, weil der Kerl verdächtig war, und mehr als verdächtig, wegen seines Benehmens im Kommunistenprozeßt21. Der „fette Reimschmied" dagegen hatte ihn unter seine Protektion genommen und ihn dem Liebknecht auf die Seele gebunden. Seit der Zeit lebte der Kerl auf Liebknechts, Lappländers1, Leßners, Schröders etc. und andrer armer Teufel Rechnung, ließ auch im Arbeiterverein131 für sich sammeln etc. Der obige Brief F[reiligrath]s ist alles, was ich von dem Teutonen seit der großen Retirade vernommen.'41 Wie lächerlich ist dieser Brief wieder.
1 Anders
Wie grotesk die grandeur2, worunter sich das bepißte Pudelbewußtsein verstecken tut. F[reiligrath] scheint zu glauben, daß Ausrufungszeiehen der Prosa auf den Strumpf helfen. „Die Partei" soll „sich stellen". Wozu? Zu Wilhelm Joseph Reiffs „Unzucht" - „diesem Schmutz", wie der Freund Betas kommentiert. Welche Zumutung. Übrigens, en passant3. Der „Verein deutscher Männer"[5], gestiftet von einem zweideutigen Setzer namens Zinn, hat Prinzen Albert, Gottfried Kinkel, K.Blind und F.Freiligrath zu seinen „Ehrenbürgern" ernannt. Der Cherusker hat natürlich das Diplom akzeptiert. Für nächsten Montag habe ich eine neue Terminzahlung von 1 £ auf dem Marylebone county-court4 zu machen. Gleichzeitig erhalte ich vom Westminster county-court (on behalf of a baker5) einliegenden Wisch, den Du mir zurückschicken mußt. Was ich vorhergesehn, beginnt einzutreffen. Wenn einer der Philister einmal den Weg zum county-court gefunden, findet ihn auch der andre. Wenn das so fortgeht, so weiß ich in der Tat nicht, wie ich den Platz länger halten soll. Die beständigen Störungen sind so fatal, weil ich absolut mit meiner Arbeit161 nicht vorankomme. Die Notiz in der Darmstädter „Militär-Zeitung" ist sehr welcome6.171 Du hast durch das neue Pamphlet7 Deine Position als Militärkritiker in Deutschland gesichert. Bei der nächsten Gelegenheit gibst Du eine Sache mit Deinem Namen heraus und schreibst drunter: Verfasser von „Po und Rhein". Unsre Hunde von Feinden werden by und by8 sehn, daß wir nur dem Publikum imponieren, ohne es selbst und seine Betas um Erlaubnis zu fragen. Nach meiner Ansicht ist das Größte, was jetzt in der Welt vorgeht, einerseits die amerikanische Sklavenbewegung, durch Browns Tod eröffnet181, andrerseits die Sklavenbewegung in Rußland. Du wirst gesehn haben, daß der Adel in Rußland sich direkt auf konstitutionelle Agitation geworfen und zwei oder drei Leute aus den Hauptfamilien bereits nach Sibirien gewandert sind. Zugleich hat Alexander es mit den Bauern verdorben, indem in dem neusten Manifest wörtlich erklärt wird, „the communistic principle"9 müsse mit der Emanzipation aufhören. So ist die „soziale" Bewegung im Westen und Osten eröffnet. Dies zusammen mit dem bevorstehenden downbreak10 in Zentraleuropa wird grandios werden. Ich sehe eben aus der „Tribüne"18 daß in Missouri ein neuer Sklavenaufstand1101 war, natürlich unterdrückt. Aber das Signal ist einmal ge
2 Erhabenheit - 3 beiläufig - 4 Grafschaftsgericht - 5 im Auftrag eines Bäckers - 6 willkommen - 7 „Po und Rhein" - 8 nach und nach - 9 „das kommunistische Prinzip" - 10 Zusammenbruch
geben. Wird die Sache by und by ernsthaft, was wird dann aus Manchester? Leonard Horner ist von seinem Posten zurückgetreten. Sein letzter kurzer Report ist voll ironischer Bitterkeit.1111 Kannst Du nicht herausbringen, ob die Manchester mill-owners11 ihre Hand bei diesem Rücktritt im Spiel hatten? Aus den „Factory Inspectors Reports" (von „1855" - „1859 erstes halbes Jahr")[12] geht hervor, daß sich die Industrie in England fabelhaft seit 1850 entwickelt hat. Der Gesundheitszustand der Arbeiter (adults12) hat sich verbessert, seit Deiner „Lage der arbeitenden Klasse" (die ich hier im Museum13 wieder durchgelesen), dagegen die der Kinder (Sterblichkeit) verschlechtert. Salut. Dein K.M.
11 Fabrikbesitzer -12 Erwachsene -13 Britischen Museum
2
Marx an Engels in Manchester
[London] 25. Jan. 60
Lieber Engels, Hast Du schon von der Vogtschen Broschüre gehört, die die hundsföttischsten Gemeinheiten gegen mich enthält? Dabei wird das Ding mit Jubel vom teutschen Bürger aufgenommen. Die erste Auflage ist schon vergriffen. Gestern brachte die „National-Zeitung" einen langen Schmutzauszug draus in einem leader1}1^ (Kannst Du vielleicht diese Nummer der „Nat.-Zeit." schießen? Ich selbst konnte sie mir hier nicht verschaffen.) Was soll ich nun tun? Herr Lass[alle] ist wegen meines letzten Briefes so beleidigt, wie es scheint, daß er gar nichts mehr von sich hören läßt.1141 Es wäre mir lieb, wenn Du für Freitag oder Sonnabend (ein Schiff geht über Cork) einen Artikel ready2 hättest. Salut. Dein K.M.
1 Leitartikel - 2 fertig
3
Engels an Marx in London
Manchester, 26. Jan. 60
Lieber Mohr, Da morgen „Tribune"-Tag ist115-1, so tut es mir leid, daß wieder kein Stoff da ist; die paar Notizen über Marokko in „Times"-Korrespondenz reichen nicht einmal bis zum Gefecht von Cabo-Negro1161, und es ist auch weiter nichts geschehn; übrigens wirst Du an Parlamentsgeschichten Stoff genug haben1. Auf die preußische Armeereform warte ich auch noch.1171 Deine Ansicht von der Bedeutung der Sklavenbewegung in Amerika und Rußland bestätigt sich schon jetzt. Die Harpers-Ferry-Geschichtet8] mit ihrem Nachspiel in Missouritl0! trägt ihre Früchte, überall werden die freien Nigger im Süden aus den Staaten gejagt, und im ersten N[ew]-Yorker Baumwollbericht (W.P. Wright& Co. vom lO.Jan. 60) lese ich eben'181, die Pflanzer hätten ihre Baumwolle hurried on to the ports in order to guard against any probable consequences arising out of the Harpers' Ferry affair2. In Rußland kompliziert sich die Sache auch sehr schön; die A[ugsburger] „Allgemeine] Zfeitung]" hat hierüber jetzt einen sehr guten Korrespondenten in Petersburg, der indes mehr die konstitutionelle Bewegung des Adels berücksichtigt, indes, die gibt natürlich dabei für die Bauern den Anstoß. In Indien präpariert sich eine kolossale Krisis. Was die Ansicht hiesiger Philister darüber, confer3 die beiliegenden Market Reports4. Viele Garne sind jetzt so hoch, fast höher als 1857 auf dem höchsten Punkt, dabei ist Baumwolle 23/8 bis 21/2 d. wohlfeiler. In Bumley allein sind 26 neue Fabriken im Bau begriffen; in andern Orten im Verhältnis. Die Arbeiter bekommen überall nach und nach 10% Aufschlag auf den Lohn und werden bald noch mehr erhalten. Meiner Ansicht nach ist das Agieren mit fiktivem Kapital im indischen Geschäft wieder grade so rife5 wie 1846/47 und kaufen die meisten nur, weil sie müssen und nicht stoppen können. Aber wäre das auch
1 Karl Marx: „Englische Politik" - 2 schleunigst in die Häfen gebracht, um sich gegen mögliche Folgen der Harpers-Ferry-Geschichte zu schützen - 3 vergleiche - 4 Marktberichte — 6 verbreitet
nicht, so wird die Zunahme der Produktion allein bis Herbst, spätestens Frühjahr 61 einen kolossalen collapse6 hervorbringen. Die dummen Engländer glauben jetzt schon, sie würden nächstens Frankreich überschwemmen. Ein Esel von Kattundrucker - one of the sharpest7 - sagt, mit 30% Schutzzoll in Frankreich könne er ein Geschäft dorthin machen, wobei er 15% mehr verdiene als in jedem andern Markt. Der Narr bildet sich ein, die Monopolpreise in Frankreich würden bestehn bleiben, auch wenn das Monopol abgeschafft. Daß die ganze Historie nur ein Schwindel ist, um John Bull bei der notorischen schwachen Seite zu fassen und ihn schließlich gehörig zu prellen, daran denkt niemand. Wer ist eigentlich der Herr Fischel, der dem Herzog von Coburg sein Pamphlet geschrieben hat1191 und jetzt in der „Free Press" schreibt? Daß der Coburger urquhartitische leanings8 hat, sah ich schon aus Auszügen aus dem Pamphlet. Dronke ist jetzt in Liverpool und hat eine sehr gute Agentur für eine französisch-spanische Kupferminengesellschaft - £ 500 - garantiert, kann bis zu £ 1000 verdienen, wie es heißt. Garnier-Pages hat ihm das besorgt. Er kommt öfters her, geht mir aber stets aus dem Weg und läßt mich post festum9 grüßen. Lupus hatte eine ernste Bronchitis, ist aber besser, indes noch sehr ängstlich und noch nicht ganz wohl. Er hat wieder einen chronischen Kampf mit der landlady10 organisiert. Ich habe jetzt sehr viel auf dem Kontor zu tun, daher meine unregelmäßige Korrespondenz, ich sehe auch vorderhand nicht, wie sich diese übermäßige Schanzerei ändern soll, wenn es nicht, wie ich hoffe, zu einer Krisis kommt. Viele Grüße an Deine Frau und die young ladies11. Dein F.E.
6 Zusammenbruch - 7 einer der gierigsten - 8 Neigungen - 9 hinterher -10 Wirtin -11 jungen Damen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Jan. [1860]
Lieber Engels, Ich habe die Broschüre von Vogt bestellt und werde sie Dir auch zukommen lassen. Es ist der Abdruck (oder erste volle Ausgabe) seines abgestandnen Prozesses in Augsburg, zusammen mit einer Einleitung. Diese ist besonders gegen mich gerichtet und scheint Müller-Tellering in zweiter und verbesserter Auflage.1201 Sobald das Zeug da, müssen wir sehn, was zu tun ist. Faucher erzählte mir with an intense pleasure1, daß Vogt mich ganz en Canaille2 und mit exquisite3 Verächtlichkeit behandle. Der Lump sucht dem deutschen Philister weiszumachen, ich lebe hier als eine Art Dr. Kuhlmann auf den Taschen der Arbeiter etc. (Meiner Frau halte ich natürlich den ganzen Dreck geheim.) In Berlin ist ein neues Militärwochenblatt erschienen. Unter dem Vorwand, die whereabouts4 über dies Blatt zu erfragen, ist meine Ansicht, daß Du immediately5 an Lassalle schreibst. Wir müssen jetzt durchaus eine Verbindung in Berlin haben. L[assalle]s Antwort an Dich wird zeigen, ob länger mit ihm zu gehn oder nicht. Im letztern Fall - was jedenfalls unangenehm wäre - müßte ich den Dr. Fischel (preußischer Assessor), über den weiter unten, benutzen. In Deinen Brief an L[assalle] kannst Du direkt einfließen lassen, ich habe die Schwierigkeit, die er mir in den Weg gelegt (wenigstens seine Abwarnung in that regard6), eine Erklärung über Vogt7 in die „ Volks-Zeitung" zu bringen (nämlich dieselbe, die in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" stand), als eine Art conspiracy8 von seiner und Dunckers Seite mit Vogt betrachtet. Du dropst9 dann natürlich ein paar Worte, daß bei der Zweideutigkeit mancher alter Parteifreunde (einige gelegentliche hits upon10 Freiligr[ath]), den Schwierigkeiten meiner Lage und den Infamien, mit denen ich zu kämpfen habe, mein temper11 gelegentlich
1 mit großem Vergnügen -2niederträchtig - 3ausgesuchter -4Einzelheiten-5mwerziiglich6 in dieser Hinsicht - 7 „Erklärung" vom 15. November 1859 - 8 Verschwörung - 9 läßt fallen - 10 Seitenhiebe auf - 11 meine Stimmung
angesäuert ist und ich Dir mitgeteilt habe, ich habe einen Brief an Ljassalle] geschrieben12, den dieser bös aufgenommen zu haben scheine. Du Deinerseits unterstellst natürlich, daß LJassalle] mich zu gut kennt, um gelegentliche Rauheiten in der Form nicht zu übersehn etc. Jedenfalls wird er dann klaren Wein einschenken. Ich halte durchaus etwas Diplomatie jetzt für nötig - wenigstens uns zu versichern, wie wir stehn. LJassalle] ist immer noch a horse-power13, verglichen mit andern. Der Witz ist, daß die Reichshalunkenbande1211, zweitens die deutsche Nationalvereinsbande1221, endlich die liberale Bande alles jetzt aufbieten, um uns moralisch bei dem deutschen Philister zu vernichten. Es kann kaum bezweifelt werden, daß trotz allem Friedensgeschrei wahrscheinlich noch im Lauf dieses Jahrs, sehr wahrscheinlich noch vor Beginn des Sommers there will be a new war14. Unter allen Umständen so komplizierte internationale Umstände, daß es von der äußersten Wichtigkeit für Vulgärdemokratie und Liberalismus, uns das Ohr des deutschen Philisteriums (i.e. Publikums) und den Zugang zu ihm abzuschneiden. Ignorieren, i.e. Indifferenz, kann in persönlichen und Parteisachen nur zu einem gewissen Punkt gehn. Der case15 mit Vogt ist nicht ganz zu behandeln wie mit einem Tellering, Heinzen und tutti quanti16. Dieser Bauchredner gilt als eine wissenschaftliche Größe in Deutschland, er war Reichsregent, er ist unterstützt von Bonaparte. Du könntest so ganz en passant17 auch den edlen Lass[alle] fragen, was er in der V[ogt]schen Angelegenheit für passend erachtet? L[assalle] hat sich in Briefen an mich zu sehr festgeritten, um ganz volte face zu machen18. Jedenfalls muß versucht werden, den Kerl in eine dezidierte19 Position - aut, aut20 - hineinzureiten.1231 Fischel ist preußischer Urquhartit.21 In dem Berliner „Portfolio", das er herausgibt, hat er auf meine Pamphlets gegen Pam22 hingewiesen und Auszug draus gegeben.'241 (Auf Urquharts direkte Anordnung.) Die Urq[uhartiten] hatten ihn herüberkommen lassen nach England. Hier wurde er bei den Foreign Affairs Committees'251 herumgeritten als Zeuge des siegreichen „Glaubens" (an Urq[uhart]) auf dem Kontinent. Ich war hier mit ihm zusammen. Er bot seine besten Dienste an, sollte er in der norddeutschen Presse von mir gebraucht werden. In dem „Juchheisasa nach Italien" (von dem Lause-Bamberger in Paris) sollen Angriffe auf Deine Artikel im „Volk" sein.
12 siehe Band 29 unserer Ausgabe, S. 629-631 -13 eine Pferdestärke -14 es einen neuen Krieg geben wird -16 Die Angelegenheit -16 allen anderen -17 beiläufig -18 kehrtzumachen -19 bestimmte -20 entweder, oder -21 siehe vorl. Band, S. 547 - 22 „Lord Palmerston"
Was hat Herr Orges erklärt?[26] Ich habe es übetsehn. Wo möglich schreib für Dienstag (lang braucht es nicht zu sein) über die militärische Bedeutung von Savoyen (und Nice)23 für Frankreich. Cf, „Times" of to-day im House of Lords24 den Normanby. Apropos! „In Anerkennung meiner Verdienste um die Entwicklung der kommunistischen Prinzipien" habe ich eine Einladung für Feb. 6. von dem hiesigen „Arbeiterbildungsverein" erhalten zu seinem Stiftungsfest. (Diese Kerls betrachten sich nämlich immer noch als die Erben des alten Windmillvereins.)131 Ähnliche, aber anders motivierte Einladungen sind ergangen an Schapper, Pfänder und Eccarius. Unter jetzigen Umständen nehme ich natürlich die Einladung an, womit die letzte Spur des alten Krakeels mit dem Arbeiterpack ausgelöscht. Herr F. Freiligrath ist nicht eingeladen. Ich muß in der Tat jetzt vermeiden, mit dem Dickwanst zusammenzutreffen. Denn bei meiner Wut über den Vogtschen Mist - worin F. F[reiligrathl magna pars25 - käme es leicht zu argen Eruptionen. Gruß an Lupus. Salut. Dein K.M.
23 Friedrich Engels: „Savoyen und Nizza" - 24 Vgl. die „Times" von heute im Oberhaus 26 großen Anteil
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Engels an Marx in London
Manchester, 31 .Jan. 60
Lieber Mohr, Ich denke morgen an Ephraim Gescheit1 zu schreiben; dies diplomatische Sendschreiben darf nicht unüberlegt fortgeschickt werden. Seit ein paar Tagen geht mir eine Art Fortsetzung von „Po und Rhein" durch den Kopf. „Savoyen, Nizza und der Rhein." Ich habe fest vor, dies Ding Duncker anbieten zu lassen; es wird nicht über 2 Bogen stark, und es böte einen guten Vorwand zum Anknüpfen mit Ephraim. Jedenfalls schreibe ich das Ding im Laufe der nächsten 8 Tage und schicke dann sofort das Manuskript nach Berlin. Außer ein paar Geschichten über die französischen Revolutionskampagnen in Nizza und Savoyen ist nichts vorzuarbeiten, es macht sich also rasch. Daß Herr Vogt gehörig gedeckek werden muß, versteht sich; es ist aber schwer, irgend etwas zu sagen, ehe wir wissen, was der Kerl hat drucken lassen. Jedenfalls ist Fischel ebenso benutzbar wie ein anderer, wenn er wirklich Verbindungen hat. Jüdel Braun1 wird jetzt auch einsehn, daß Deine Erklärung2 und der ganze Krawall zwischen Vogt und der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" doch eine ganz andre Bedeutung hat, als der Berliner Philister sich im Anfang einbildete. Wie die Sachen stehn, müssen wir uns all diese Verbindungen offenhalten, und die conspiration de silence3 und andre Intrigen, über die man vorderhand ein Auge zudrücken muß, entbinden uns nachher von jeder Verbindlichkeit, sobald es nötig werden sollte, aus wirkl. politischen Gründen in einer Zeit der Entscheidung zu brechen. Wegen der Chancen neuer Krawalle ganz Deiner Ansicht.4 Ich glaube aber, daß, um uns trotz Vogt und Konsorten beim Publikum auf den Beinen zu halten, es nötig ist, daß wir wissenschaftlich auftreten. Die Emigrationspresse zu organisieren, dazu fehlt's uns an Geld; und wir haben mehr als
1 Ferdinand Lassalle - 2 „Erklärung" vom 15. November 1859 - 3 Verschwörung des Schweigens -4 siehe vorl. Band, S. 12
einmal gesehn, daß ein Emigrationsblatt oder in London gedruckte deutsche Broschüren nur dann sich ein Publikum erzwingen (in Deutschland), wenn man das Ding ein Jahr lang mindestens im Gang halten kann. Direkt politisch und polemisch in Deutschland selbst im Sinn unsrer Partei auftreten, ist rein unmöglich. Also, was bleibt? Entweder das Maul halten oder efforts5 machen, die nur der Emigration und den amerikanischen Deutschen, aber nirgends in Deutschland bekannt werden, oder aber in der Weise fortfahren, wie Du in Deinem 1 .Heft61271 und ich in „Po und Rhein" angefangen. Dies halte ich zunächst für die Hauptsache, und wenn das geschieht, so mag Vogt nur schreien, wir werden dann auch bald wieder so viel footing7 haben, daß wir in der deutschen Presse hie und da die nötigen persönlichen Erklärungen (whenever required8) erlassen können. Das baldige Erscheinen Deines 2. Hefts ist dabei natürlich bei weitem das Wichtigste, und ich hoffe, daß Du Dich durch die Vogtsche Historie nicht wirst abhalten lassen, daran fortzuarbeiten. Sei endlich einmal etwas weniger gewissenhaft Deinen eignen Sachen gegenüber; es ist immer noch viel zu gut für das Lausepublikum. Daß das Ding geschrieben wird und erscheint, ist die Hauptsache; die Schwächen, die Dir auffallen, finden die Esel doch nicht heraus; und wenn bewegte Zeiten eintreten, was hast Du davon, daß das ganze Ding unterbrochen wird, eh Du noch mit dem Kapital im allgemeinen fertig wirst? Ich weiß sehr gut alle die andern Störungen, die dazwischenkommen, ich weiß aber auch, daß die Hauptverzögerung immer in Deinen eignen Skrupeln liegt. Am Ende ist's doch besser, daß das Ding erscheint, als daß es aus dergleichen Bedenken gar nicht erscheint. Herr Orges hat eine pur9 persönliche Erklärung erlassen, woraus man erfährt, wer dieser Kauz ist10. Ursprünglich preußischer Leutnant der Artillerie in Berlin auf der Kriegsschule (1845-48), studierte und promovierte gleichzeitig, trat 1848 im März aus (sein Abschiedsgesuch datiert 19. März 48) und ging nach Schleswig-Holstein zur Artillerie, 1850 auf ein Handelsschiff, wo er „diente" und eine Reise um die Welt machte, 1851 zur Ausstellung in London'28', über die er für die A[ugsburger] „A. Z." rapportierte, war damals mit Schimmelpfennig, Willich, Techow etc. zusammen und übernahm später das militärische Departement bei der A[ugsburger] „A. Z.". Der Kerl hat jedenfalls am meisten Zeug bei dem Blatt und hat es wieder auf den Strumpf gebracht. Die Leitartikel, die ich Heilbronner zuschrieb, sind alle von ihm. Trotzdem werd' ich noch ganz gut mit ihm fertig.
5 Anstrengungen -6 „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" - 7 Boden - 8 wann immer nötig
Die Knoten-Einladung kommt ganz gelegen.11 Ich hoffe, Du läßt Dich aber natürlich auf weiter nichts ein, dies Terrain kennen wir doch zu gut, und glücklicherweise wohnst Du weit ab. Viele Grüße. Dein F.E.
Die Preußen haben bei meinem Alten für Taler 1005, 20, 6 Pfennige Beschlag auf mein Vermögen legen wollen, weil ich Landwehrdeserteur sei. Mein Alter hat ihnen gesagt, er habe kein Vermögen von mir in Händen, wobei sie sich beruhigt. Am 18. Februar werd' ich verdonnert.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3I.Jan. 1860
Lieber Engels, Deinen Artikel1 erhalten. Sehr gut. Einliegend Brief von Lassalle, der gestern ankam und dem ich sofort kurz antwortete2. Ohne ein Pamphlet, das wir zusammen machen müssen, kommen wir nicht aus der Sache heraus. Ich habe unterderhand auch an Fischel in Berlin geschrieben, ob eine Verleumdungsklage gegen die „N[ationaI-]Z[eitung]" tubar. Vogts Schrift1131 (sie ist bei keinem Londoner Buchhändler zu haben; er hat sie weder an Freiligrath, Kinkel, noch irgendeinen andern seiner hiesigen Bekannten geschickt. Wollte offenbar so einen Vorsprung gewinnen. Ich habe sie daher bestellen müssen) ist offenbar, soweit wir in Betracht kommen, ein De la Hodde-Chenusches Machwerk'291. Ich habe den zweiten Artikel der „Nat.-Z." gelesen, woraus ich sehe, daß er u.a. auch lupus (bezeichnet als Kasematten-Wolff, Parlaments-Wolff) im Jahre 1850 ein Zirkular an die hannoversche reaktionäre Zeitung schicken läßt1301. Er hat den ganzen Flüchtlingsklatschmist von 1850-52 wieder aufgewärmt. Der Jubel der bürgerlichen Presse ist natürlich grenzenlos, und der Eindruck auf das Publikum ist aus dem Ton des L[assalle]schen Briefs, den Du so gut bist, dem lupus mitzuteilen und dann aufzubewahren, sehr ersichtlich. Freiligrath sah ich gestern einen Moment. Ich trat ihm sehr feierlich gegenüber (wenn er den geringsten Funken von Ehrgefühl noch hat, muß er eine Erklärung gegen Vogt machen), und unser ganzes entreview3 war dieses. „Ich: Ich komme, um dich zu ersuchen, das Pamphlet über den A[ugsburger] ,A[llgemeinen] Z[eitungs]'-Prozeß, das ich vergebens bei allen Buchhändlern suchte, und das Dir Dein Freund Vogt sicher geschickt hat, mir zu leihen. F[reiligrath] (höchst melodramatisch): Vogt ist nicht mein Freund. Ich: Lassalle schreibt mir, ich müsse sofort antworten. Du hast also nicht das Pamphlet? F[reiligrath]: Nein. Ich: Guten Abend." (Er
1 „Savoyen und Nizza" - 2 siehe vorl. Band, S. 438 - 3 Gespräch
reichte mir die biedre Rechte, und westfälischer Händedruck.) Voila tout.4 Von Juch (dem Eigentümer und jetzigen Redakteur des „Hermann", den ich durch den Prozeß des Eichhoff1311 in Berlin, in der Stieberschen Affäre, kennenlernte) versicherte ich [mich], daß auch Kinkel keine Kopie von Vogt bis jetzt erhalten. Dieser Juch dagegen erhielt eine Masse Vogtsche Zuschriften gegen uns, die er nicht druckte. Ich muß diesen Kerl, der übrigens ganz ehrlich in seiner Art ist, einstweilen warmhalten. Da jetzt nur der „Hermann" in London erscheint, wäre es scheußlich gewesen, waffenlos der Vogtschen Bande hier auf unsrem eignen Terrain gegenüberzustehn. Apropos! Infolge meiner ersten Zusammenkunft mit Juch hat Eichhoff, auf meinen Rat, Kumpan Hirsch, der in Hamburg wegen Fälschung sitzt, als Schutzzeuge vorgeladen. Infolgedessen wurde der Prozeß, der am 26. Januar vorkam (ich las die Sache im „Publicist"), von neuem vertagt, nach heftiger Debatte. Mit Hirsch ist jetzt Stieber am Ende. Salut. Dein K.M. Soeben zeigt Imandt mir an, daß Heise gestorben ist.
4 Das war alles.
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Engels an Marx in London
[Manchester] 1. Febr. 60
Lieber Mohr, Diesmal wird die Geschichte also täglich mehr und mehr ernsthaft. Herr Altenhöfer und der krumme Häfner in Paris haben auch persönlich nicht sehr klare Erklärungen in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" erlassen.1321 Nun kommt noch Lassalles kluger Brief. Der Kerl ist selbst schon halber Bonapartist, wie denn die Koketterie mit dem Bonapartismus in Berlin Tagesordnung zu sein scheint, und dort findet Herr Vogt also gewiß ein günstiges Terrain. Gute Idee von Lassalle, daß man eine Verbindung mit der Augsburger „A.Z." nicht gegen Vogt und Bonap[arte] benutzen darf, Vogt aber wohl bonapartistisches Geld für bonapartistische Zwecke und dabei ganz rein bleibt! Diesen Leuten ist es schon ein Verdienst des Bonap[arte], die Ostreicher geschlagen zuhaben, das spezifischePreußentum und die Berliner Klugscheißerei ist wieder obenauf, und es muß in Berlin fast aussehn wie nach dem Basler Frieden.'331 Mit solchen Leuten ist nicht räsonieren. Diese langen breiten Bettelsuppen scheinen dem Lassalle so natürlich abzugehn wie sein Kot, und vielleicht noch viel leichter was kann man auf solche Fadaisen1 und wohlfeile Weisheit sagen? Wunderbare Ratschläge gibt der Kerl. Laß uns erst die Broschüre'131 haben, in der Zwischenzeit wäre sich nach einem Druckort und Verleger umzusehn für die Replik. Womöglich in Deutschland und im Hauptquartier der Gegenpartei, in Berlin. Die Geschichte mit den 3000 Exemplaren ist offenbar eine Vogtsche Lüge.'341 Indes, Skandal ist genug da. Ich werde Lupus noch heute sehn und ihm auch sagen, sich auf alles Material zu besinnen, das er über Vogt nur auftreiben kann. Inzwischen werde ich die Papiere über 1850/52 in Ordnung bringen, und Du mußt unser altes Emigranten-Manuskript2 wieder hervorsuchen. Ich hab' noch gar keine Vorstellung davon, weis der Kerl eigentlich sagt. Gruß an die family. _ . Dein p £
1 Albernheiten - 2 Karl Marx/Friedrich Engels: „Die großen Männer des Exils"
2*
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Engels an Marx in London
Manchester, 2. Febr. 1860
Lieber Mohr, Mit Lupus gestern abend Rücksprache genommen. Als ich ihm den Brief von Lassalle1 laut vorlas, wurde mir die Philisterhaftigkeit und Arroganz des Kerls erst recht klar, zugleich aber auch seine „Methode". Der Kerl ist auch in der kleinsten Lumperei althegelscher absoluter Geist, gerade wie er in der Ökonomie sich als höhere Einheit zwischen dem endlichen Gegensatz, zwischen Dir und den Ökonomen setzen will, so setzt er sich jetzt schon als höhere Einheit zwischen Dir und Vogt. Von Dir das „Prinzip", von Vogt die „italienische Politik"[351, was kann schöner sein. Diese lausige Referendarien-Klugscheißerei, die damit anfängt, man solle den Vogt für unbestochen erklären, und die den einzig guten Witz, den Fröbel in seiner Erklärung macht, in eine Absurdität umwandelt, weil sie ihn ernsthaft nimmt![36] Lupus meinte, ob man nicht nach preußischem Gesetz die ,,Nat[ional]Z[ei]t[ung]" zwingen könne, eine Erklärung von Dir aufzunehmen. Ich glaube auch, daß so ein Artikel im Preßgesetz ist. If so2, so wäre sofort bei Empfang der Broschüre1131 dies zu benutzen; denn wie L[assalle] mit Recht sagt, habent sua fata libellit371, man kann nicht wissen, wie das mit der Broschüre geht, und: je rascher die Antwort, desto sichrer der Effekt. Quoad unsre3 Broschüre, so haben wir den Nachteil, persönlich in der Defensive zu sein und nicht mit Lügen auf Lügen antworten zu können. Dann den zweiten Nachteil, daß das Publikum == Philisterium uns von vornherein haßt; wir sind zwar nicht des odium generis humani4, aber doch des odium generis Bourgeois5 überführt, und das ist ja ganz dasselbe. Dagegen haben wir den Vorteil, daß wir eine Exposition unsrer italienischen Politik geben können, die die Sache auf ein andres Feld bringt, das Persönliche auf die Seite drängt und uns, wenn auch nicht beim Berliner
1 Siehe vorl. Band, S. 17 und 19 - 2 Wenn dies der Fall - 3 Betreffs unserer - 4 Hasses gegen das Menschengeschlecht - 5 Hasses gegen das Geschlecht der Bourgeois
Liberalen, doch im größten Teil Deutschlands den Vorteil gibt, daß wir die populäre, nationale Seite vertreten. Namentlich kommt uns die Savoyergeschichte gelegen.1381 Ich denke nun, daß Du, sobald die Broschüre eintrifft (könnte Lass[alle] sie nicht per Post herschicken?), aufpackst und hieher kommst, und wir dann definitiv abmachen, wie, was und wo. Ich benutzte die Gelegenheit gern, um nach London zu kommen, aber da Deine Frau nichts wissen darf, ist's besser, Du kommst her, und auch wenn etwas gearbeitet werden muß, könnte ich nicht so lange in London bleiben. Dann muß auch abgemacht werden, ob ich auf dem Titel genannt werde; ich sehe nür einen einzigen Grund dagegen, aber der erscheint mir ganz entscheidend; doch darüber mündlich. Die Savoyergeschichte wird gemacht6 und morgen an L[assalle] und D[uncker] geschrieben. Die beabsichtigte Epistel an L[assalle] war natürlich noch nicht fort. Wunderbar, daß ich Heises Tod erst via Dundee[39] und London erfahren muß. Der Kleine7 war doch vorigen Donnerstag oder Freitag hier und kam zu mir, ich war aber nicht da, er verfehlte mich auch abends im Klub; hätte er davon gewußt, so hätte er mir's doch wohl durch einen Dritten sagen lassen, wie er sonst wohl tut. Auch sah er Charles8. Salut. Dein F.E.
6 Friedrich Engels: „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 7 Ernst Dronke - 8 Charles Roesgen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3.Feb. 1860
Lieber Engels, Nach einer kleinen Änderung oder vielmehr Ausstreichung eines Satzes erklärte sich gestern C.D. Collet willig, sagte aber zugleich, da Urquhart der eigentliche Editor, müsse er ihm erst die Sache vorlegen, wodurch ein Aufschub von 24 Stunden. Collet gab zu, daß ich natürlich auch malgre eux1 die Erklärung drucken lassen könne, so aber to a certain degree2 später auf ihn und Urq[uhart] rekurrieren3 könne.1401 Well. Ich gab darin nach und will sehn, was Vater U[rquhart] sagt. (Über das Weitre gleich unten.) Übrigens ist es nichts mit Broschüre, auch nicht mit Erklärung in Zeitungen - für jetzt. Die Broschüre würde von derselben Presse be killed which now trumpets the grandeur of Vogt4. Die Attacke des letztern gegen mich - er sucht mich offenbar als einen unbedeutenden bürgerlich schuftigen Lump darzustellen - (dies geht aus allem, was ich bisher vom Hörensagen weiß, hervor) soll der grand coup5 der bürgerlichen Vulgärdemokratie - zugleich des russisch-bonapartistischen Gesindels gegen die ganze Partei sein. Es muß also ebenfalls mit einem grand coup geantwortet werden. Ferner: Die Defensive paßt nicht für uns. Ich verklage die „Nat[ional]-Zei~ t\ung\". Darüber bin ich nun entschieden. Sehr viel Geld kann dazu nicht vorläufig erheischt sein - ich meine die vorläufige Deposition bei Gericht. Advokaten aber werden außerordentlich willig sein, sich finden zu lassen, da es immer ein in ganz Deutschland Skandal machender Prozeß ist. Sobald ich Fischeis Brief erhalten6 (ich denke, er kömmt morgen), mache ich eine kurze Erklärung7 in den verschiednen deutschen Zeitungen, worin ich anzeige, daß ich in Berlin Verleumdungsklage gegen die „N.-Z." anhängig mache. Ich habe schon in ihrem zweiten Artikel, den ich habe, Punkte der Anklage aufgefunden, woran sie juristisch sofort kaputtgeht.8 An diesen
1 trotz ihnen - 2 bis zu einem gewissen Grade - 3 mich berufen -1 totgeschlagen werden, die jetzt die Größe Vogts ausposaunt - 5 große Schlag -6 siehe vorl. Band, S. 17 - 7 „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner ,National-Zeitung"' - 8 siehe vorl. Band, S. 448 -453
Prozeß hängt man die ganze bürgerliche Replik9 an - vor dem Gericht. Später kann Sauvogt von uns in Arbeit genommen werden. Wenn Du bedenkst, daß in ein paar Wochen, bei Gelegenheit des Stiebers1311, der ganze Kölner Kommunistenprozeß121 wieder vorkommt, so kann, geschickt benutzt, die Hundeattacke uns nützen, statt zu schaden, indem man at once10 bei der Arbeitermasse wieder auftrumpft. Andrerseits, was kann V[ogt] oder die „National-Zeitung" gegen uns beweisen? Daß Vogt, außer höchstens Klatsch von Techow1411 und vielleicht (dies wäre the worst case11) einige nicht ganz angenehme Notizen von Lüning'421, nichts weiß von den hiesigen Verhältnissen und die albernsten Verwechslungen macht, geht schon hervor aus seinem Artikel im Bieler „Handels-Courier"[431. Mein Plan ist also der: Sobald der Schund von Vogtf131 kommt, gehe ich nächste Woche auf ein paar Tage zu Dir herüber, um alles abzusprechen1441. Bei den nötigen Prozeßkosten muß auch Dronke - der mir übrigens Geld schuldig ist - seinen Teil tragen. (Ostern mußt Du unter allen Umständen einige Tage her.) Im übrigen (ich habe schon an Gott und die Welt geschrieben), außer der Herbeischaffung des nötigen Materials für den Prozeß, arbeite ich mein „Kapital" aust271. Setze ich mich determiniert12 dran, so ist es in 6 Wochen fertig, und nach dem Prozeß wird es ziehen. Das wäre eine schöne Sache - jetzt, wo Krisis bevorsteht, wo king of Prussia13 bald stirbt usw., uns in dieser Weise von einem Reichsvogt et Co. abmurksen zu lassen und - autore Lassallo14 - sogar unsern Hals selbst abzuschneiden. Aus einliegendem Zettel siehst Du, what Mr. Vogt is now about15 und wie Du, wenigstens in einer Randglosse, dem Mann einen verächtlichen Fußtritt in Deiner Broschüre16 geben kannst.1-451 Dein K.M.
Die Operation gegen Blind geht1461, nach dem Inhalt meines Briefes siehst Du das, unabhängig von der deutschen Operation vor, wird aber für letztre benutzt werden.
8 Erwiderung - 10 gleichzeitig - 11 der schlimmste Fall - 12 entschlossen -13 der König von Preußen (Friedrich Wilhelm IV.) -14 nach dem Rat Lassalles -15 worauf Herr Vogt jetzt aus ist -16 „Savoyen, Nizza und der Rhein"
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Engels an Marx in London
[Manchester] 4. Febr. 60
L. M., Die Resolutionen changieren1 jede Nacht, wie nicht anders möglich, da wir den Dreck2 noch nicht gesehn. Sehr famos ist die Geschichte mit Hirsch.3 Den Prozeß in Berlin halte ich auch für sehr gut, wenn's nur angeht, doch sehe ich nicht ein, wie man Dir die Justiz verweigern kann. Ich habe gestern abend wegen Lupus4 und der Sache im allgemeinen den größeren Teil der Akten 1850/52 durchgestöbert. Lupus hat alles Gedächtnis verloren, und man muß ihm sehr auf die Sprünge helfen. Mir geht's nicht viel besser; es ist seit der Zeit so viel bitter beer5 die Gurgel hinabgeflossen, daß vieles schwer zu konstatieren ist. Es geht in bezug auf Lupus hervor: 1. Lupus war 1851, nicht 1850, als das Aktenstück in der „Karlsruher Z[eitun]g" erschien (unser Kampagneplan gegen die Demokraten6), noch in Zürich und wurde von den Kerls angefallen als der, der in ihrer Mitte sitze und Mitglied unsres Bundes1471 sei. 2. Vorher aber erschien ein andres Aktenstück, und zwar, wenn ich nicht irre, in der „Hannoverschen] Ztg.", ein Rundschreiben der Kölner Zentralbehörde, von Bürgers verfaßt[48]. Doch kann ich nicht genau konstatieren, ob dies in der „Hannoverschen] Ztg." geschah. Sieh dies doch nach. 3. Vogt wirft dies alles untereinander und läßt Lupus 1850 in London ein Aktenstück verfassen, das in Köln fabriziert wurde und zu einer Zeit, wo Lupus noch in Zürich war. (L[upus] kam nach dem 5. Mai und vor dem 21. Juli 1851 nach London.) Es ist nur noch zu konstatieren, ob das Bürgerssche Aktenstück wirklich in der „Hannoverschen] Zeitung" erschien und wie es der hannoverschen Polizei in die Hände fiel. Meine Briefe an Dich
1 wechseln - 2 Carl Vogt: „Mein Prozeß gegen die .Allgemeine Zeitung'" - 3 siehe vofl. Band, S. 18 - 4 siehe vorl. Band, S. 17 - 5 Bitterbier - 6 Karl Marx/Friedrich Engels: „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850"
vom Februar bis April 1851 müssen darüber Notizen enthalten. Hierüber gib Auskunft, ohne sie glaube ich schwerlich, daß Lupus' Erklärung ausreichend wird149'. Die Stelle aus der „Times" (Urquelle die A[ugsburger] „Allgemeine] Z[eitung]") war bereits vorgemerkt.'451 Mit meinem Ding7 fang' ich heute an. Der Vogt-Krakeel hat mich bis jetzt verhindert. Ich nenne mich diesmal noch den „Verfasser von Po und Rhein", um diese Person erst fest in der Militärliteratur zu etablieren - mit meinem Namen würde sofort die conspiration du silence8 anfangen. Gleichzeitig aber, d.h. ca. 14 Tage nach dem Erscheinen, werde ich durch Siebel die betreffende Notiz in die Blätter bringen lassen. Dieser Kerl kann uns im Vogt-Krakeel überhaupt sehr nützlich werden, er hat eine Masse Verbindungen. Viele Grüße an die family. Dein F.E.
7 „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 8 Verschwörung des Schweigens
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Marx an Engels in Manchester
[London] 4.Feb. 60
Lieber Engels, Von Berlin noch nichts da.1 Wäre übrigens Itzig kein Lump, so hätte er mir von selbst wenigstens die „National~Z[eitung]" sofort nach ihrem Erscheinen geschickt. Was nun den Auszug für Lupus aus der „N[ational]~Z[eitung]" betrifft, so schrieb ich das erstemal aus dem Kopf und nicht als Anhaltspunkt für eine öffentliche Erklärung.2 Das zweitemal kopierte ich, und zur Vermeidung von Mißverständnissen kopiere ich jetzt wieder. Das Exemplar kann ich nicht schicken, da kein zweites zu versenden. Auszug aus Nr. 41 der ,,N[ational]-Z[eitung]" d. d. 25. Januar. (Es ist dies der Schlußpassus des leader3): „Nur eins lohnt noch der Mühe zu bemerken: Der offne Brief an den Nationalverein fiel sofort in die Hände der hannoverschen Reaktionspartei und wurde von dieser bekanntgemacht; 1850 wurde eine andere .Zirkulardepesche' 1481 aus London (wie Vogt sich zu erinnern glaubt, vomParlamentsWolff alias Kasematten-Wolff verfaßt) an die .Proletarier* in Deutschland gesandt und gleichzeitig der hannoverschen Polizei in die Hände gespielt." Von dem verdammten Urquhart noch keine Antwort.4 Ich habe alle alten Briefe und Zeitungen durchmustert und beiseitegelegt, was im „Verlauf" nötig werden kann. Du mußt machen, daß ich in Manchester „den ganzen Haufen" in Deinem Haus zusammenfinde (Briefe und Zeitungen etc.), damit ich das Passende zusammenlege. Die Hundedemokratie, die einstweilen natürlich voll Schadenfreude, soll uns wahrhaftig nicht ihre Revolutionsreisen-Projekte, -Papiergelder, -Klatschereien etc. auf den Hals schieben. Sie soll auch vor Deutschland bloßgestellt werden, Gottfried Kinkel, Vogts hiesiger Geheimkorrespondent, an der Spitze.
Dein K.M.
1 Siehe vorl. Band, S. 17 und 22 - 2 siehe vorl. Band, S. 24 - 3 Leitartikels - 4 siehe vorl. Band, S. 22
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Engels an Marx in London
Manchester, 7. Febr. 60
Lieber Mohr, Die Zirkulare an Collet1 erhalten. Kommt ganz zur rechten Zeit, wo der „Daily Telegr[aphl" von gestern 2 Spalten über die Vogtsche Scheiße150' und die Schwefelbande[51' bringt. Wenn das alles ist, was im ,,Telegr[aph]" steht, dann hat sich Itzig über einen Furz entsetzt. „Den Stoß zu parieren", braucht man sich bloß die Nase zuzuhalten. Herr Ronge ist hier, ist zu Siebel gelaufen gekommen und will mir vorgestellt werden!! Dabei fragt er, ob ich auch zur Schwefelbande gehöre in fact2, ohne ihn hätte Sfiebel] und ohne Sfiebel] ich nichts über die Schmiere im „Telegrfaph]" gehört. S[iebel], der ein reiner Scharlatan ist, und es weiß, daß er es ist, brennt vor Begierde, uns in dieser Historie zu nützen, er hat eine Masse Verbindungen und ist vor allem ganz unverdächtig. Der Kerl weiß, daß die ganze Räuberbande Kinkel & Co. ebensolche Humbugs sind wie er und hat endlich an uns Leute gefunden, wo er absolut nichts mit seinem Humbug ausrichten kann, inde3 eine grenzenlose Verehrung. Morgen wird man wohl die tägliche Presse nachsehen müssen wegen des Zirkulars? Vale. Dein F.E.
1 Karl Marx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung"' - 2 in der Tat - s daher
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Marx an Engels in Manchester
[London] 7.Feb. 1860 9, Grafton Terrace etc.
Lieber Engels, Von den Dir gesandten copies1 schick 1 an Dronke, 1 an Dr. Bronner in Bradford. An den Borchardt habe ich selbst eins geschickt. Der „D.T." („Daily Telegraph"), Nummer vom Montag, Seite5,hatte einen Sauartikel (von Berlin, in fact2, aber d.d. Frankfurt a.M.) nach den zweien der „N[ational-\Z[eitung]" bearbeitet.3 Ich habe gleich den Hunden mit libel-Klage4 gedroht5, und sie werden das Maul auftun und deprezieren. Briefe von Fischel (mit der Klage geht's auf anderem Weg sogar ohne Geld), Lassalle (höchst absurd), Schily (interessant) etc. Näheres morgen. Ich habe nun die Druckkosten zu zahlen (wird about6 1 £ sein), 1 £ zu zahlen nächsten Montag County Court7, und bedarf einiges, teils um nach Manchester zu reisen, teils um etwas hier zu lassen. Zugleich muß ich, eh ich von hier abreise, noch allerlei affidavits8 machen und machen lassen. Apropos! Wiehe wird jetzt vor dem Magistrat erklären, daß er die falsche declaration unterzeichnet auf inständiges Bitten Blinds und Hollingers.t46J Salut.
Erklärungen9 abgesandt gestern an ,,Nat[ional]-Zeit[ung]", „Kölnische] Zeit[ung]", „Volks-Zeitung", „Publicist" (Berlin), „Reform", A[ugsburger] „Allgemeine] Z[eitung]", „Frankfurter Journal". Die Erklärung kurz. Erstens, daß ich gerichtliche Schritte tun werde gegen die „N[ational]Z[eitung]"; zweitens Hinweis auf die miteingesandte englische „libel" gegen Blind1.
1 Karl Marx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'" - 2 in Wirklichkeit 3 siehe vorl. Band, S. 27 - 4 Verleumdungsklage - 5 Karl Marx: „Brief an den Redakteur des .Daily Telegraph'" - 6 ungefähr - 7 Grafschaftsgericht - 8 eidesstattliche Erklärungen 9 Karl Marx: „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 9.Feb. 1860
Lieber Engels, Daß Du Dein Pamphlet1 für 2 louisdor per Bogen angeboten, ist shameful2. Solche Broschüren verkauft man nicht per Bogen, sondern in Bausch und Bogen. 40 Taler per Bogen wäre selbst noch zu wenig. Übrigens ist Campe besser als Duncker. Auch der Buchhändler3, bei dem die Darmstädter „Militär-Zeitung" erscheint, würde die Broschüre mit Vergnügen nehmen. Die Hauptsache ist in der Tat, daß die Sache rasch kommt, und ich würde an Deiner Stelle mit Laus-Duncker wenigstens die Sache per Telegraph abmachen.1521 Ich stehe mit dem „Daily Telegraph" in a secret und confidential correspondence4 seit dem Tag, wo die Scheiße erschien.1501 Der Kerl nämlich will, eh er amende honorable5 macht - ich hatte ihm saugrob geschrieben - die Antwort seines Korrespondenten6. Ich dagegen verlangte, daß er sofort wenigstens eine Notiz bringe. Ich werde ihm nun, er mag bringen, was er will, mit einer libel action7 an den Hals gehn. Unter den Umständen, wie die Sache steht, finden sich immer mit Vergnügen Advokaten, die die Sache auf Spekulation übernehmen. So hatte Edwin James in Ernest Jones' libel action gegen Reynolds volunteered8. Ich habe deswegen gestern an Ernest Jones geschrieben. Übrigens denselben Dienstag, wo die Sache erschien1531, schrieb ich dem Editor9 von Palmerstons mob-paper10 u.a.: „That letter purporting to have been written from Frankfort-on-the-Main, but which was in fact indited at Berlin, is nothing but a clumsy amplification of two leaders etc.etc."11 der Berliner „National-Zeitung"12. Der Verfasser, i.e.13 der Sau-Berliner-Korrespondent des ,,D[aily] T[elegraph]" ist ein Jud
1 „Savoyen, Nizza und der Rhein" -2 eine Schande -3 Eduard Zernin-4 in einem geheimen und vertraulichen Briefwechsel - 5 Ehrenerklärung - 6 Karl Abel - 7 Verleumdungsklage 8 sich freiwillig angeboten -9 Herausgeber - 10PöbeIorgan („The Daily Telegraph") -11 „Dieser Brief, der angeblich in Frankfurt a. M. geschrieben, tatsächlich aber in Berlin abgefaßt wurde, ist in Wirklichkeit nichts als eine ungeschickte Amplifikation von zwei Leitartikeln etc. etc." 12 „Brief an den Redakteur des ,Daily Telegraph'" - 13 das heißt
narrtens Meier'501, ein Verwandter des City-Proprietor14, der ein englischer Jud namens Levy ist. Beide Kerls werfen daher mit Recht - juvante15 Vogt dem Heine vor, daß er ein getaufter Jude. Der letzte Brief von Itzig, den Du als eine Rarität aufheben mußt, einliegend.1541 Dieser Objektive! Man denke sich die Plastizität dieses ungriechischsten aller Wasserpolackischen Juden. Ich habe dem Kerl nur dadurch geantwortet, daß ich sofort in den Zeitungen - auch der „Volks-Zeitung" - die Anhängigkeitsmachung einer Verleumdungsklage gegen die „N[ational]-Z[eitung]" angezeigt16. (Das Zirkular über Blind17 überall beigelegt, obgleich ich nach dem großen Itzig mich nicht „über die Tragweite dieses Arguments täuschen soll".) Übrigens bin ich diese ganze Woche noch zu keinem Brief an die „Tribüne" gekommen. Ich hatte wenigstens - die Laufereien zu Collet und Gott und dem Teufel nicht considered18 - 50 Briefe in die Welt zu schicken. Dabei Korrespondenz mit Lause-„Telegraph" und Korrespondenz mit „Star", dem ich die ganze Korrespondenz mit „Telegraph" zugeschickt hatte. Den einliegenden Brief vom „Star" hebst Du auf. Ich habe auch an Reynolds geschrieben. Werde sehn, was er tut. Dabei Laufereien wegen des Wiehe und auf die Polizei. Das Resultat weiter unten. Auf meine Briefe nach dem Kontinent - soweit sie nicht bloß an die Zeitungen - bisher zwei Antworten. Eine von Schily. Unbezahlbar. Enthält die ganze Schwefelband- und Bürstenheimer Geschichte.1551 Andrer Brief von Szemere. Sehr wertvoll wegen Aufschlüssen über die „eignen" (Bonaparte abgerechnet)' Geldfonds der revolutionären Ungarn, von denen Vogt sein Geld erhalten haben will. Ein Brief von Imandt nicht ganz schlecht.1561 Wenigstens 1 oder 2 Punkte. Ich erwarte noch Antwort vor allem von Herrn Reinach in Neuchatel, der eine wandelnde chronique scandaleuse19 über den Reichsvogt sein soll. (Apropos! Welche Adresse gab der Spion Häfner in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Zfeitung]"? Ich brauche einen point20 von ihm.) Habe auch an Borkheim (den ich persönlich nie gesehn) geschrieben. War chief21 der Schwefelbande in Genf, die im Cafe de la Couronne hauste, und die Du bei Deinen gelegentlichen Ausflügen, wie mir Schily schreibt, auch zuweilen bekneiptest. Meine Anklageschrift gegen die „Nat[ional]-Zeit[ung]" für die Staatsanwaltschaft des Berliner Stadtgerichts ist fertig. Sie wird fortgeschickt, eh ich zu Dir komme. Vorher aber muß ich noch Fischeis Antwort abwarten mit Bezug auf Kopf und Schwanz, wegen der vorgeschriebnen Form der
14 Geschäftseigentümer - 15 mit Hilfe - 16 „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'" -1' KarlMarx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'"18 berücksichtigt -19 Skandalchronik - 20 Anhaltspunkt - 21 Anführer
Anrede usw. Das Paket (da allerlei Schriften, Dokumente angelegt werden müssen), soll ich es per Post oder Parcelcompany22 schicken nach Berlin? Jedenfalls muß es registered23 werden. Alles, was ich hier in London von Briefen und Zeitungen für die Periode 1848-59 habe, habe ich durchgewühlt. Das Nötige zusammen herausgelegt und geordnet. Bereite nun vor, daß ich sämtlich in Manchester befindliches auf einem „hellen Haufen" zusammenfinde. Montag also war das Arbeiterbankett.[S7] 80Personen zugegen. Entrüsteter einstimmiger Beschluß „der Proletarier" gegen Vogt gefaßt. Der Lause„Hermann" verlangte Bericht von mir. Das schlug ich ab, sagte ihm aber, er solle sich eine kurze Notiz bei Vater Liebknecht holen. Apropos, um zu return ä nos moutons, i.e.24 Lassalle. Da ich nicht wußte, als ich seinen ersten Brief erhielt, ob Du ihm schon unsrer ursprünglichen Absprache gemäß (als die circumstances25 noch anders waren) geschrieben, sagte ich in zwei Zeilen: ich hätte geglaubt, sein vielmonatliches Schweigen aus Gereiztheit über meinen letzten etwas groben (war bohnengrob) Brief erklären zu müssen. Sei mir lieb, daß dem nicht so sei. Ich hätte Dir schon mein Bedenken mitgeteilt gehabt.26 Well! Was macht das Vieh für ein fuss27 darüber! Wie der Kerl dem Liebknecht gegenüber moralisch sich aufspreizt!1581 Derselbe Bursche, der die schamlosesten Mittel gebraucht und sich mit den schamlosesten Personen in Verbindung gesetzt au Service de la comtesse de Hatzfeldt28! Vergißt das Vieh, daß, obgleich ich ihn in den Bund aufnehmen wollte, ein einstimmiger Beschluß der Zentralbehörde in Köln ihn wegen Anrüchigkeit nicht akzeptierte? In fact29, ich glaube, ich habe aus Delikatesse dem Menschen all das geheim gehalten, auch die Arbeiterdeputation, die vor einigen Jahren aus Düsseldorf zu mir geschickt wurde und die skandalösesten, zum Teil unwiderleglichen Anklagen gegen ihn vorbrachte!1591 Nun sieh den gespreizten Affen! Kaum glaubt er - aus seinen bonapartistisch gefärbten Augen sehend -, uns auf einem schwachen Punkt zu ertappen, wie bläht er sich, wie orakelt er, wie wirft er sich in - allerdings possierliche Positur. Andrerseits, wie geht ihm aus Angst, daß ich mich nicht so ohne weitres in den Hintergrund werfen lasse von Vogt, to the benefit of my tender friend30 Lassalle - wie geht ihm aller juristische Instinkt aus! Wie widerspricht er sich! Wie wird er gemein! Man solle die Sache nicht noch mehr „umrühren". „Man" werde es nicht „gut aufnehmen". Nicht gut aufnehmen! Man! Seinen Weißbierphilistern
22 Paketgesellschaft ~23 eingeschrieben - 24 um auf besagten Hammel zurückzukommen, d.h. 26 Umstände - 26 siehe vorl. Band, S. 438 - 27 Aufheben - 28 im Dienst der Gräfin von Hatzfeldt - 28 In der Tat - 30 zum Nutzen meines zartfühlenden Freundes
zulieb soll ich mir auf dem Kopf tanzen lassen von Schulmeister Squeer, alias Zabel! Ich bin jetzt ganz klar über Mr. Lassalle. Dem Blind habe ich sofort geschrieben - ich will vielmehr sagen, in ein Kuvert das Zirkular gelegt, das ihn so ganz intim angeht. Er hat natürlich das Maul gehalten. Statt dessen läuft das Vieh in der Stadt herum und denkt sich durch Privatklatsch herauszubeißen (vide31 unten, was ihm das nützen wird). Der Mensch hat seit den letzten Wochen eine fieberhafte Tätigkeit entwickelt, Pamphlet über Pamphlet publiziert, sich selbst auf Mord und Brand im „Hermann" herausgestrichen, die paar Bourgeois, die er im Schillerkomitee kennengelernt, hinten und vorn angeleckt, sich zugedrängt als Sekretär des neu meditierten32 Schillervereins, seine „Vaterlandsfreunde" 1001 bald verleugnet, bald in halbversteckten staatsmännischen Anspielungen sich mit ihnen wichtig gemacht usw. Nun, Du wirst gleich sehn, daß all das das Greifen nach dem Strohhalm des Ersaufenden. Am elendesten benimmt sich der Philisterwanst Freiligrath. Ich hatte ihm das Zirkular geschickt. Er zeigt nicht einmal den Empfang an. Glaubt das Vieh, daß, wenn ich will, ich ihn nicht bis über die Augenbrauen in den Schwefelpfuhl eintauchen kann? Vergißt er, daß ich über 100 Briefe von ihm besitze? Meint er, daß ich ihn nicht sehe, weil er mir den Hintern zeigt? Gestern schickte ich dem Philister ebenfalls das unten nachfolgende Pflaster zu, on the express condition33, daß er niemand, also auch seinem Freund, dem Geheimdemokrat Karl Blind, ein Wort davon sagen dürfe. Das wird ihn kitzeln, und bald wird ihm schwül werden über die zu große Nähe seines kn^i^olgerichtlichen Freundes, mit dem er zusammen (was ich ihm quite en passant34 in meinem letzten Brief35 ins Gedächtnis rufe) in der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" vor dem Publikum figurierte. Außer Freiligrath benimmt sich fast alle Welt in dieser Krise anständig gegen mich, selbst fernstehende Personen. Nun zur Hauptsache. Erstens brachte ich durch Juch heraus, daß Wiehe früher in Bremen gestohlen hat und deswegen nach London mußte. Zweitens erfuhr ich durch Schapper, daß er, dem der Wiehe sich als Setzer des „Volks" vorstellte, dem Burschen seine jetzige Stelle verschafft hat. Ich instruierte Schapper, der dem Wiehe im stillen zuflüsterte, daß er die Geschichte von Bremen wisse; dann aber in Gegenwart seines employers36 mein Zirkular vorlas und ihn cross examinierte37. Der Kerl gab alles zu. Das Resultat siehst Du in folgendem Dokument, wovon ich ein amtlich beglaubigtes Duplikat besitze. Eins geht nach Berlin. Das andre halte ich hier für sehr ent
31 siehe - 32 geplanten - 33 unter der ausdrücklichen Bedingung - 34 ganz beiläufig - 35 siehe vorl. Band, S. 444 - 36 Brotherrn - 37 ins Kreuzverhör nahm
scheidende Schritte gegen den Kopfwackler38. Nur noch eins. Was es für Menschen sind, womit diese „Biedermänner" umgehn, siehst Du daraus. Ich hatte den Wiehe natürlich wissen lassen, daß ich ihn für den Verlust von 1/a Arbeitstag, den er bei dem Polizeimagistrat mit mir zuzubringen, schadlos halten werde. Als alles fertig, gab ich ihm 2-72 sh. Er beklagt sich. Ich frage: Wieviel verdienen Sie denn täglich? About39 3 sh., sagt er, aber Sie müssen mir 5 geben. Ich muß doch etwas haben dafür, daß ich die Wahrheit gesagt. - Das schönste aber das. Ich: You have declined the money offer made by Blind and Hollinger in order to bribe you? He: Why, decline! The rogues promised, but never gave me anything.40 Dies ist der Schriftsetzer Wiehe. Hollinger ist ein noch viel infameres Vieh. Der Vögele, der gestern bestellt war, kam nicht. Sicher hat Blind-Hollinger ihn durch Geld zurückgehalten. Das haben sie aber in den Dreck geworfen. Ich weiß, daß der Kerl noch Gewissen hat, und werde ihm Beine machen.1611 Mein Zirkular verleitete sie, sich an den falschen Mann zu wenden. Sie glaubten daraus zu ersehn, daß ich dem Wiehe selbst nicht beikönne. Also nun ad rem41. „One of the first days of November last - I do not recollect the exact date - in the evening between 9 and 10 o'clock I was taken out of bed by Mr. F. Hollinger, in who3e house I then lived, and by whom I was employed as compositor. He presented to me a paper to the effect, that, during the preceding 11 months I had been continuously employed by him, and that during all that time a certain German flysheet ,Zur Warnung' (A Warning) had not been composed and printed in Mr. Hollinger's Office, 3, Litchfield Street, Soho. In my perplexed State, and not aware of the importance of the transaction, I complied with his wish, and copied, and signed the document. Mr. Hollinger promised me money, but I never received anything. During that transaction Mr. Charles Blind, as my wife informed me at the time, was waiting in Mr. Hollinger's room. A few days later, Mrs. Hollinger called me down from dinner and led me into her husband's room, where I found Mr. Charles Blind alone. He presented me the same paper which Mr. Hollinger had presented me before, and entreated me to write, and sign a second copy, as he wanted two, the one for himself, and the other for publication in the Press. He added that he would show himself grateful to me. I copied and signed again the paper. I herewith declare - upon my oath - the truth of the above statements and that:
38 Karl Blind - 39 Etwa - 40 Ich: Sie haben das Geldangebot abgelehnt, das Blind und Hollinger machten, um Sie zu bestechen? Er: Wieso abgelehnt! Die Banditen haben versprochen, mir aber nie etwas gegeben. - 41 zur Sache
1. Düring the 11 months mentioned in the document I was für six months[621 not employed by Mr. Hollinger, but by a Mr. Ermani. 2. I did not work in Mr. Hollinger's Office just at that time when the flysheet ,Zur Warnung' was published. 3. I heard at the time from Mr. Voegele, who then worked for Mr. Hollinger, that he, Voegele, had, together with Mr. Hollinger himself, composed the flysheet in question, and that the manuscript was in Mr. Blind's handwriting. 4. The types of the pamphlet were still Standing when I returned to Mr. Hollinger's Service. I myself broke them into columns for the reprint of the flysheet ,Zur Warnung' in the German paper ,Das Volk' published at London, by Mr. Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho. The flysheet appeared in No.7, d.d. 18th June, 1859, of ,Das Volk'. 5. I saw Mr. Hollinger give to Mr. William Liebknecht, of 14, Church Street, Soho, London, the proofsheet of the pamphlet ,Zur Warnung', on which proofsheet Mr. Charles Blind with his own hand had corrected 4 or 5 mistakes. Mr. Hollinger hesitated at first giving the proofsheet to Mr. Liebknecht, and when Mr. Liebknecht had withdrawn, he, F. Hollinger, expressed to me and my fellow workman Voegele his regret for having given the proofsheet out of his hands. Johann Friedrich Wiehe Police Court Bow Street
Declared and signed by the said Johann Friedrich Wiehe at the Police Court, Bow Street, this 8th day of February, 1860, before me TA.42 Henry, Magistrate of the said court."43
12 bei Marx: J. - 43 „An einem der ersten Tage des letzten Novembers - ich erinnere mich nicht mehr genau des Datums - des Abends zwischen 9 und 10 Uhr, wurde ich aus meinem Bett herausgeholt von Herrn F.Hollinger, in dessen Haus ich damals wohnte und bei dem ich als Setzer beschäftigt war. Er reichte mir ein Schriftstück dar, des Inhalts, daß ich während der vorhergehenden 11 Monate ununterbrochen von ihm beschäftigt worden sei und daß während dieser ganzen Zeit ein gewisses deutsches Flugblatt ,Zur Warnung' nicht gesetzt und gedruckt worden sei in Herrn Hollingers Druckerei, 3, Litchfield Street, Soho. In meinem verwirrten Zustand und ohne Kenntnis über die Wichtigkeit der Transaktion erfüllte ich seinen Wunsch und kopierte und unterzeichnete das Dokument. Herr Hollinger versprach mir Geld; aber ich habe nichts erhalten. Während dieser Transaktion wartete Herr Karl Blind, wie meine Frau mich später unterrichtete, in Herrn Hollingers Zimmer. Ein paar Tage später rief mich Frau Hollinger vom Essen und führte mich in das Zimmer ihres Mannes, wo ich Herrn Karl Blind allein fand. Er präsentierte mir dasselbe Dokument, das Herr Hollinger
Ich hatte die Sache absichtlich grade vor Henry gebracht, da er dergovemment's magistrate44 ist, vor den alle politischen Prozesse gehören. Für die Sorte Englisch, die im obigen enthalten, bin ich nicht verantwortlich, wohl aber für die genaue Spezifikation der facts. What do you say now, Sir!45 „Das Argument hat keine Tragweite", sagt Itzig. Vive46 Itzig! Wegen conspiraqj11 gegen mich, verbunden mit attempt at bribery of witnesses48, sagt der magistrate, kann ich nun Herrn Blind auf den Schub bringen. Das kömmt heraus bei kleinbürgerlicher Pfiffigkeit! Dein K.M.
mir zuvor präsentiert hatte, und bat mich dringend, eine zweite Kopie zu schreiben und zu unterzeichnen, da er deren zwei bedürfe, die eine für sich selbst und die andere zur Veröffentlichung in der Presse. Er fügte hinzu, daß er sich mir dankbar zeigen werde. Ich kopierte und zeichnete wiederum das Schriftstück. Ich erkläre hiermit - auf meinen Eid - die Wahrheit der obigen Aussage und ferner: 1. daß ich während der im Dokument erwähnten 11 Monate sechs Monatel62! lang- nicht von Herrn Hollinger beschäftigt wurde, sondern von einem gewissen Herrn Ermani. 2. Ich arbeitete nicht in Herrn Hollingers Geschäft, gerade zur Zeit als das Flugblatt ,Zur Warnung' veröffentlicht ward. 3. Ich hörte damals von Herrn Vögele, der damals für Herrn Hollinger arbeitete, daß er. Vögele, zusammen mit dem Herrn Hollinger selbst, das fragliche Flugblatt setzte und daß das Manuskript in Herrn Blinds Handschrift war. 4. Der Satz des Flugblatts stand noch, als ich in Hollingers Geschäft wieder eintrat. Ich selbst brach ihn um für den Wiederabdruck des Flugblatts ,Zur Warnung' in dem deutschen Blatte ,Das Volk', gedruckt in London von Herrn Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho. Das Flugblatt erschien in Nr. 7 des .Volk' d.d. 18. Juni 1859. 5. Ich sah, wie Herr Hollinger Herrn Wilhelm Liebknecht, wohnhaft 14, Church Street, Soho, London, den Korrekturbogen des Pamphlets ,Zur Warnung' gab, auf welchem Korrekturbogen Herr Karl Blind mit seiner eigenen Hand 4 oder 5 Druckfehler korrigiert hatte. Herr Hollinger schwankte, ob er den Korrekturbogen dem Herrn Liebknecht geben solle, und sobald sich Herr Liebknecht entfernt hatte, drückte F. Hollinger mir und meinem Mitarbeiter sein Bedauern aus, den Korrekturbogen aus der Hand gegeben zu haben.
Johann Friedrich Wiehe Polizeigericht Bow Street
Erklärt und gezeichnet durch besagten Johann Friedrich Wiehe im Polizeigericht von Bow Street an diesem 8. Tage des Februar 1860 vor mir, Th. Henry, Richter am besagten Gericht."
44 von der Regierang eingesetzte Richter - 46 Tatsachen. Was sagen Sie nun, mein Herr! - 46 Es lebe - 47 Verschwörung - 48 versuchter Zeugenbestechung
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Engels an Marx in London
[Manchester] 9.Feb. 1860
Lieber Mohr, Sobald ich Dr[onke]s Adresse weiß, erhält er ein Exemplar. Inzwischen geht heute eins an Dr. Bronner1. Daß der „Tel[egraph]u deprezieren wird2, sehr angenehm, bis heute noch nichts erschienen. Auf das Nähere sehr gespannt. Sieh, daß Dir der Wiehe und der Vögele nicht abhanden kommen. Cela se pourrait3, mit einigen Pfunden ist immer so was zu befürchten. Inl. Fünfpfunder D/M 34 115, Manchester, 4. Jan. 59, wenn das nicht ausreicht, schreib und ich schick' noch ein paar £, ich mag nicht gern ohne Not nach dem P. O. Office4 schicken lassen, der Kontorjungen wegen, und laß es deswegen lieber anstehn, bis ich wieder 1 Fünfer loseisen kann; indes kannst Du das Geld auch von hier an Deine Frau schicken oder auch vorher bekommen, comme il te plaira5.'441 Noch immer weder „Nat[ionaI-]Z[ei]t[un]g" noch Vogt[13]angekommen? Ich geh' jetzt und denke, heut und morgen das Manuskript6 wenigstens im Rohen fertigzubekommen. Vale. Dein F.E.
1 Siehe vorl. Band, S. 28 - 2 siehe vorl. Band, S. 29 - 3 Das wäre möglich - 4 Geldpostamt 5 wie es Dir paßt - 6 „Savoyen, Nizza und der Rhein"
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Engels an Marx in London
[Manchester] 12. Febr. 1860
Lieber Mohr, Die 5 £ wirst Du erhalten haben, so hoffe ich wenigstens. Das Wiehesche Dokument1 ist sehr erfreulich. Apres fa2 wird der finschtre Blind wohl den Schwanz zwischen die Beine nehmen. In der Zwischenzeit hast Du hoffentlich eins von Vögele erlangt.3 Je mehr Beweise, desto besser. Die ,,K[ölnische] Z[eitung]" hat also doch die Erklärung4 abgedruckt und gleichzeitig dem Blind noch einen Hieb gegeben. Desto besser. Strohn ist in Hamburg, und wie ich höre, benimmt er sich in dieser speziellen Sache sehr gut. Ich werde ihm schreiben. Er kann auch gebraucht werden. Saludi. Dein F.E.
1 Siehe vorl. Band, S. 33/34 - 2 Hiernach - 3 siehe vorl. Band, S. 33 - 4 Karl Marx: „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13. Feb. 1860
Dear Frederick, Heute das Buch'131 bekommen.Nichts alsScheiße.Spielerei.Glücklicherweise hat die würdige „National-Zeitung" in ihren beiden Leitartikeln (Nr. 37 und Nr. 41) grade alle Stellen abgedruckt, die juristisch faßbar sind und worin sich die ganze Gemeinheit konzentriert. Heute (auf Empfang eines zweiten Briefes von Fischel) habe ich sofort an Justizrat Weber (ersten Advokaten in Berlin) die Anklageschrift abgeschickt nebst 15 Taler Vorschuß (2 £ 10 sh.).1 Ich hätte die Sache gratis gehabt, wenn ich statt einer Privatverleumdungsklage mich an die Königlich preußische Staatsanwaltschaft gewandt, aber, wie ich Fischel schrieb, ich kann nicht erwarten, daß die Königlich preußische Prokuratur sich „mit besondrem Eifer der Ehre meines Namens annehme". Außerdem ist die ganze Prozedur sehr billig. Von den 5 £, die Du mir geschickt, sind also abgegangen 2 £ 10 für Weber, 1 £ heute für den County-court2, 5 sh. für Vögele und 2 sh. für die 2 affidavits3, die er ausgestellt4, außerdem lot5 von Briefen frankiert. Ich habe heute, eh ich nach der City ging, noch 1 £ von einem Bäcker pumpen müssen, rückzahlbar Mittwoch. Glücklicherweise hat Urquhart dem Collet einen groben Brief geschrieben, worin er ihn anfährt, daß er mir die printer's bill1631 geschickt. Das sei (nämlich meine Publikation) eine zu seiner Agitation gehörige Ausgabe. So habe ich dem nicht zu zahlen. Morgen habe ich noch eine Ausgabe, von der ich noch nicht weiß, wie ich sie bestreiten soll. Nämlich, ich muß zu dem Sau-Zimmermann (von Spandau, einem Vogtianer, zugleich Advokat der östreichischen Gesandtschaft), damit er mir die Form aufsetzt, worin ich umgehend dem Weber seine Vollmacht schicken muß. Es ist nämlich keine Zeit zu verlieren, weil in Preußen solche Klagen merkwürdig schnell „verjähren".
1 Siehe vorl. Band, S. 448 - 2 das Grafschaftsgericht - 3 eidesstattlichen Erklärungen -1 siehe vorl. Band, S. 29 - 5 eine Menge
Außer der „Volks-Zeitung" hat der Berliner „Publicist" meine Erklärung6 gebracht; letztrer daneben einen Auszug aus dem englischen Zirkular gegen Blind7, Letztres mit Einschluß der Affidavits von Wiehe und Vögele habe ich heute an Louis Blanc und Felix Pyat geschickt. Die ,,Köln[ische] Zeit[ung]" und die „N.-Z." haben meine Erklärung nicht gebracht.1641 Herr F. Freiligrath, - den ich merkwürdig (scheinbar wohlwollend) kompromittieren werde - zeigt mir nicht einmal den Empfang der ihm gesandten Sachen an. Du hast meine letzte wichtige Sendung doch erhalten? Nachdem ich morgen noch die Sache mit der Vollmacht abgemacht, reise ich Mittwoch (werde Dir vorher noch Notiz geben) nach Manchester ab, wohin ich, abgesehn von unsrer nötigen Zusammenkunft, wegen Roberts muß. Daß ich total abgebeutelt, hast Du aus vorstehendem ersehn.
Dein K.M.
e „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung'" - ' Karl Marx: „Der Prozeß gegen die Augsburger .Allgemeine Zeitung'"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. Febr. 1860
Lieber Frederick, Einliegend copy des affidavit1 von Vögelef611, was ich Dir geschickt zu haben glaubte am Samstag. Die Geschichte „The rise, progress and decline"2 der Schwefelbande hat Borkheim mir in Manuskript geliefert.1651 Er ist, wie ich Dir wohl schon gesagt, first commis3 in einem Haus in Marklane; hat zwischen 600 und 700 £ jährlich. Meine Korrespondenz mit Schily dauert natürlich fort, da ich ihn über bestimmte points cross-examine4. Hat Lassalle Dir Vogts Buch1131 per Post geschickt? Ich hatte dem Narren auf seinen Brief gesagt5, die Sache an Dich zu adressieren. Ich erwarte morgen telegraphische Depesche von Justizrat Weber Antwort.6 Einiges ist noch morgen abzumachen. Sind die means7 vorhanden, so reise ich vielleicht im Lauf des morgigen Tags ab. Bestimmt kann ich's nicht sagen, da vielleicht Zwischenvorfälle mich einen Tag länger hier halten. Mach nur, daß ich alle Briefe und papers8 in „einem hellen Haufen" zusammengewürfelt finde. Der elende „Hermann" hat (es scheint auf Intervention Kinkels, who is about marrying an Englishwoman with 2-3000 £ a year9) den Beschluß des Arbeitervereins10 nicht gebracht. Mais ces messieurs y penseront.11 Der Lause-„Telegraph" hat mir heute wieder geschrieben und mich auf seinen Lausekorrespondenten von gestern verwiesen12. Ich werde dem Hund aufspielen. Salut. Dein K.M. Von Vater Blind noch nichts gehört.
1 der eidesstattlichen Erklärung - 2 „Die Entstehung, Entwicklung und der Niedergang" — 3 erster Angestellter - 1 Punkte ins Kreuzverhör nehme - 5 siehe vorl. Band, S. 443 - 6 siehe vorl. Band, S. 457 - 7 Mittel - 8 Zeitungen - 9 der im Begriff ist, eine Engländerin mit jährlich 2- 3000 Pfd. St. zu heiraten - 10 siehe vorl. Band, S. 31 -11 Aber diese Herren werden daran
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Marx an Engels in Manchester
[London] 15. Febr. 1860
Lieber Engels, 5 £ erhalten. Ich reise morgen ab um about V2 8 a.m.1 (Euston Street). Aus der einliegenden Erklärung des Schaible[661 (dieser Ausschnitt aus„Daily Telegraph") siehst Du, daß das von mir eingegebne Pulver gewirkt hat. Es werden nun facts2 gegen den Genfer advocatus imperii3 herauskommen. Dem Schaible hab' ich sofort einen kurzen Zettel geschrieben folgenden Inhalts: Seine Erklärung sei wichtig gegen Vogt, also für die Hauptsache. Sie andre nichts an Blinds „wilfully false"i und keineswegs „erroneotts"Statement® in der A[ugsbarger] „Allgemeinen] Z[eitung]".[67] Noch weniger an seiner conspiracy6, von der er sich überzeugen könne aus einliegender copy des Affidavits7 von Wiehe8, das seine öffentliche Rolle noch spielen werde. Du wirst sehen, daß, in order to save Blind from the worst9, gegen Vogt wirkliche facts beigebracht und noch im Staube vor uns von denKerls gekrochen wird. Salut. Dein K.M.
1 ungefähr Va 8 vormittags - a Tatsachen - 3 Reichsadvokaten (Vogt) - 4 „wissentlich falscher" 6 „irrtümlicher" Darstellung-6 Verschwörungder eidesstattlichen Erklärung - 8 siehe vorL Band, S. 33/34 - 9 um Blind vor dem Schlimmsten zu bewahren
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Engels an Marx in London
Manchester, 8. April 1860
Lieber Mohr, Das in den letzten Tagen meines Barmer Aufenthalts1681 mit Gründlichkeit getriebne juristische Studium des Manchester Geschäftskontrakts überzeugte mich, daß hier alles auf der Spitze stand und ich keine Minute verlieren durfte, um wieder hieherzukommen. Ich reiste Freitag morgen 6 Uhr ab und war gestern mittag um 12 wieder hier, also in 30 Stunden. The thing was, we wanted to secure Charley.1 Dies ist gestern abend gelungen, soweit es nötig war, und jetzt muß ich abwarten, was Gottfried2 tut. Aber meine Operationsbasis ist jetzt sicher. Unter diesen Umständen kann ich erst nach London kommen, wenn hier alles geregelt ist. Bis dahin bin ich bis über die Ohren in Geschäftssachen und Juristerei vertieft und ist nichts zu machen. Inzwischen hab' ich von Gumpert und Siebel erfahren, was sie wußten. Von meiner Broschüre3 hör' und seh' ich nichts, schick mir das Exemplar zurück und den Brief (wohl von Fischel?), den G[umpert] Dir schickte4, damit ich weiß, was vorgeht. Den Brief machst Du offen, wenn es noch nicht geschehen, das spart hin- und herschreiben. Die Gemeinheiten, die noch hier im Hause vorgefallen, hat G[umpert] mir erzählt, ich ziehe jetzt ohne weiteres aus. Von der preußischen Polizei habe ich nichts gesehn noch gehört. Weder Paß abverlangt noch sonst etwas; die paar Polizisten in Barmen, die mir begegneten, gaben mir den military salute5, das war alles. Die Industrie am Rhein hat sich kolossal entwickelt, und das konstitutionelle Wesen hat bei den Bürgern sich sehr stark eingefressen. Es hat sich doch ungeheuer viel geändert seit 1848, obwohl noch genug des alten Sauerteigs da ist.
1 Die Sache war die; daß wir uns Charles (Roesgen) sichern wollten. - 2 Gottfried Ermen
Noch immer keine Antwort von Weber6? Wenn das nicht bald kommt, bleibt nichts übrig, als ihm den Ephraim Gescheit7 auf die Bude rücken zu lassen. Grüße Deine Frau und die young ladies8 herzlich. Sobald ich hier in Ordnung, komme ich sofort herüber. Dein F.E.
Schick auch den Schlüssel vom unteren Bücherschrank. Was ist das mit dem Paket Briefe, das im Schlafzimmer nach Gumperts Behauptung liegengeblieben sein soll?
6 Justizrat Weber (siehe vorl. Band, S.38) - 7 Ferdinand Lassalle - 8 jungen Damen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 9. April 1860
Lieber Engels, Große Enttäuschung heute, als statt Deiner Dein Brief ankam. Indes sah man doch die „Vernunft der Sache" ein. Siebel hat seine Mission gut ausgeführt, mit viel Takt.1691 Den Schlüssel habe ich heut noch nicht finden können. Indes der „obere" Schlüssel paßt auch für das Loch unten. Er schließt beide Abteilungen. Weydemeyers Brief schick' ich Dir dieser Tage. Ich habe vor meiner Abreise von M[anchester] einige Renommagen1 bei Gumpert etc. deponiert, die ich für nötig hielt, um meine Nicht-Reise nach Holland1701 zu motivieren. Freiligrath hat freundlichen Brief geschrieben. Ich noch nicht geantwortet, ihn noch nicht gesehn. Der einzige Brief, den ich von Gumpert erhielt, der an Dich adressiert war, war für mich bestimmt - von Liebknecht, der mir anzeigte, daß die Afugsburger] „A[llgemeine] Z[eitung]" ihm aufgekündigt.1711 Von Fischel nichts gehört. Ebensowenig von Weber2. Deine Broschüre3 schick ich Donnerstag von hier ab. Borkheim hat sie im „Hermann" (letzten) angezeigt, ich in der „Tribtmeu; Liebknecht zeigt sie jetzt (Mittwoch) im „New Orleans Paper" an. Salut. Dein K.M.
Die amerikanischen Blätter („New-Yorker Staatszeitung" etc.) voll von der Vogtschen Sudelei. Die Kerle hatten das Buch1131 eher drüben, als wir es in London hatten.
1 Gerüchte - 2 Justizrat Weber - 3 „Savoyen, Nizza und der Rhein"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 12. April 1860
Lieber Engels, Best thanks1 für den Hundertpfünder. Der war eine famose Überraschung this morning2. Großer Jubel im ganzen Haus. Du wirst gesehn oder auch nicht gesehn haben, daß die „Kölnfische] Zeitfung]" (Schlesinger-London) die Frechheit hatte, von der Schwefelbande 1511 und ihrer Russenriecherei zu sprechen. Well! Vermittelst meines bankerutten Freundes Speck bin ich nun der ganzen Londoner Schwefelbande ernstlich auf der Spur. D'abord3 wirst Du aus den Zeitungen gesehn haben, daß Palmerston den Witz sich gemacht hat, Herrn Reuter (den Triester Telegraphenjuden) der Königin4 vorzustellen. Des nicht orthographisch schreiben könnenden Jud Reuters Faktotum ist - Siegmünd Engländer, der aus Paris ausgewiesen wurde, weil er, obgleich bezahlter französischer Spion (600 frs. per Monat), sich als „geheimer" russischer Spion auswies. Dieser Reuter, Engländer, Hörfei und Schlesinger hatten in Paris zusammen (ihr Ehrenmitglied war ein Esterhazy, ein man about town5 und Vetter des östreichischen Gesandten Esterh[azy]) eine bonapartistische lithographische Korrespondenz, entzweiten sich etc. Herr Bernhard Wolff, der Hauptproprietär6 der Berliner „National-Zeitung" und Inhaber des Berliner Telegrammbüros, ist ein Herz und ein Beutel (Kompanie) mit dem unter Reuters Namen jetzt die europäische Weltgeschichte redigierenden S. Engländer. Notabene. Rußland hat sich jetzt dem „Deutsch-östreichischen Telegraphenverband" angeschlossen und seinen Reuter „pour encourager les autres"7 durch Pam der Queen8 vorstellen lassen. Des Schlesingers ganzer Lebenslauf wird mir detailliert gegeben werden, ebenso der des Reuters. Salut. Dein ^
Dank an Siebel für die Notizen, die er mir heut geschickt. Ebenso seine „Religion und Liebe" t72). Meine Frau findet letztres sehr gut.
1 Besten Dank - a heute morgen - 3 Vor allem - 4 Victoria - 6 stadtbekannter Mensch 6 Haupteigenlümer -7 „um die andern zu ermuntern" -^Königin Victoria
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16. April 1860'
Lieber Engels, Von Lommel heute sehr wertvolles Material erhalten.1731 Weitere crossexamination1 jedoch, wozu er sich freiwillig erbietet, heute schon Ein ihn abgegangen. Auch ganz nötig. Ich, in dem Brief, worin ich ihn einseifte, hatte ihm auch gesagt, er solle die 300 Exemplare seines „Hinter den Kulissen" hier an Petsch (Buchhändler) schicken. Ich würde für denVerkauf (in Arbeitervereinen etc.) sorgen.2 Nun verlangt er 150 fcs. Vorschuß. Meine Ansicht, daß Ihr unmittelbar untereinander ein paar Pfund in Manchester zusammenclubt, ich den Rest hier. Der Mann ist unbezahlbar für uns. Er hat deswegen auch an Siebel geschrieben. Ich schreibe deswegen heute auch ein paar Zeilen an Siebel. Siebel muß keinen Schritt tun, ohne mich vorher zu konsultieren. Weydemeyers Brief lege ich ein. Der verfluchte Advokat3, an den ich deswegen letzten Freitag einen Trittbrief geschrieben4, noch nichts von sich hören lassen. Indes, er hat den Vorschuß, und ich habe die Annahme seines Mandats. Also kann ich nicht denken, daß er sich einem Prozeß gegen sich selbst aussetzt. Von Lassalle wieder ein längeres Gesalbader erhalten nebst einem gedruckten Aufsatz (über Fichtes politisches Vermächtnis) für Walesrodes Politisches, noch zu erscheinendes Taschenbuch.1741 Aus L[assalle]s Brief folgt, daß er Deine Broschüre5 gelesen, sie also in Berlin heraus ist. Der Buchhändler wird sie wahrscheinlich erst jetzt mit den Ostereiern anzeigen. L[assalle]s. Brief rein närrisch. Er war wieder krank. Er schreibt wieder ein „großes Werk". Außer diesem großen Werk hat er 3 andre große Werke, darunter die „Nationalökonomie", klar umschrieben in seiner Seele, und außerdem studiert er 6-7 unbenannte Wissenschaften mit „produktiven Absichten". Die Gräfin6, schreibt er, habe große Geldverluste, weswegen er nach Köln müsse. Wahrscheinlich falsche Eisenbahn- etc. Spekulationen.
1 Kreuz- und Querfragen - 2 siehe vorl. Band, S. 523 - 3 Justizrat Weber - 4 siehe vorl. Band,,
Der Mont Sion existiert, wie ich aus der dem Blue Book über Savoyen[7SI beigelegten Karte sehe. (Im Genevois, dem ex-neutral.) Apropos. Frage lupus: 1. Ich finde in einem seiner Briefe aus Zürich, daß er den Braß kannte. Weiß er Näheres über ihn? 2. Hat das Rumpfparlament in Stuttgart1761 einen Beschluß gefaßt, wonach den Ex-Reichsregenten das Recht zusteht, bei irgendeiner Gelegenheit das deutsche Parlament wieder zusammenzuberufen? Ist Dir oder lupus irgend etwas darüber bekannt, daß 1849 die damalige Pfälzer provisorische Regierung ein Annexationsgesuch an die französische Nationalversammlung schickte? Wann kommst Du her? Dein Mohr
Freiligrath noch nicht gesehn. Es ist mir „öklig", mit dem Burschen zusammenzukommen, und doch muß in den Apfel gebissen werden. Schon aus Politik nach unsern wechselseitigen Freundschaftsversicherungen. Auch hat er mir amiable7 geschrieben.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 17. April 1860
Lieber Engels, Ich hoffe, daß Dein Unwohlsein nicht ernsthaft ist. Dann, daß Du Dich in acht nimmst, nicht überarbeitest. Ich habe heute dem Lommel die 150francs geschickt.1 (Was Ihr nicht in Manchester zusammenbekommt, wird hier gesammelt.) Aus folgenden Gründen: 1. 50 fcs. hat er für Auslösung der Exemplaret77] beim Buchbinder zu zahlen. Bleiben ihm 100 fcs. Darüber zu markten, wäre höchst unpolitisch und würde keinen Respekt für unsre Partei einflößen. 2. Hauptsache, rasch und bedingungslos dem Mann den quasum2 Vorschuß zu schicken. Dadurch ist er an uns gebunden. Die andre Hälfte bekommt er by and by3 und bleibt so mit uns engaged4. 3. Er will, sobald er das Geld hat, nach Savoyen reisen, um von da zu berichten. 4. Aus dem einliegenden Zettel des Petsch (dem ich das Exemplar, das Siebel mitbrachte, gegeben) siehst Du, daß er glaubt, Buchhändlergeschäfte mit der übrigens interessanten Broschüre zu machen. 5. L[ommel] ist anständig. Würde sich sonst jetzt verkaufen. Aus den mir von Becker5 übersandten Briefschaften ersehe ich, daß Lommel ein Haupthahn der altrepublikanischen Partei. Auch mit Heinzen befreundet. Was wird der schreien über den Abfall! Siebeis Mitarbeit an der „Straßbfurger] Z[eitun]g" zeugt mir bedenklich. Dein K.M.
1 Siehe vorl. Band, S. 46 - 2 sogenannten - s nach und nach - 4 verbanden - 6 Johann Philipp Becker
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Marx an Engels in Manchester
[London] 24. April 1860
Dear Frederick, Einliegend Brief von Weber. Aus dem Brief sehe ich erst (was der Esel mir gefälligst schon vorher mitteilen konnte), daß er ursprünglich keine Zivilinjurienklage1, sondern eine Kriminalklage gegen Zabel eingereicht, wobei nach preußischem Recht die Königliche Prokuratur den Strafantrag kontrasignieren2 muß. Dabei ist er nun in erster Instanz abgefahren; hat appelliert. Es liegt natürlich „im öffentlichen Interesse" der preußischen Regierung, daß wir soviel als möglich verleumdet werden. Du siehst aus seinem Brief, daß er am 18ten auch die Zivilklage eingeleitet.1781 Willst Du dem Dr. Heckscher die Sache mitteilen und ihm darüber eine Notiz (ein paar Zeilen) für die Hamburger „Reform" geben? Er selbst hat sich mir wiederholt zu solchem Dienst angeboten, und die Sache (schon um die preußische Regierung etwas behutsam zu machen) muß ins Publikum. Ich schreibe deswegen auch an Siebel. Das Publikum darf auch nicht glauben, daß die Sache eingeschlafen ist. Die Sachen von Lommel (ich erhalte noch 6-7 Dokumente von ihm) enthalten hinreichende circumstancial evidence3 über Vogts Bestechung. Vogt fühlt sich in Genf nicht mehr sicher und ist deswegen um Bürgerrecht in Schwyz eingekommen. Übrigens hoffe ich, daß Du mir nun einmal ausführlich schreibst, wie Deine Angelegenheiten stehn. Es ist nicht ganz freundschaftlich von Dir, daß Du mir gegenüber die Reserve beobachtest, die andern gegenüber angebracht sein mag. Wie steht's mit Deinem körperlichen Befinden? Ich habe mich deswegen sehr geängstet. Dein K.M.
1 Zivilbeleidigungsklage - 2 gegenzeichnen - 3 Indizienbeweise
Die Perriersche Geschichte war mit Bonaparte abgemacht, nahm aber nicht die ursprünglich beabsichtigten Dimensionen an.1791 J.Perrier war mit Fazy in Paris, wo ihn Beckers Sohn4 sah. Von Fischel, an den ich wegen Deines Pamphlets5 geschrieben (auch Schily hat deswegen getreten), noch keine Antwort. Während in der westdeutschen „Straßburger Zeitung" die literarischen Zouaves, plänkeln in der deutschen „Baltischen Monatsschrift" (Riga) die literarischen Kosaken, so daß wir „Teutsche" auf beiden Seiten attackiert sind.™
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Marx an Engels in Manchester
[London] 7. Mai 1860
Lieber Frederick, Einliegend: ]. Brief von Fischel.[811 Gumperts Idee, einen Berliner Brief an Dich hergeschickt zu haben - delusion1. Der Brief an Dich, den er schickte, enthielt als Einlage Liebknechts Brief an mich.2 2. Brief Von Szemere.182^ Ich habe ihm lange nicht geschrieben, weil mir die Schmeicheleien gegen Badinguet1831 und Pam, die seine Schrift enthält, höchlichst mißfielen. Will ihm jetzt jedoch reinen Wein einschenken. 3. Brief von Emmermann undBeust an Schily Was sagst Du von diesen Biedermännern? Dem Beust, der das Schwert umgürtet! Der mich abwiegeln läßt, weil er die Diarrhöe bekam und von Köln wegbrannte! Ich brauche die Briefe nicht zurück, aber hebe sie auf. Von wegen Fischeis Vorschlag muß ich erst näher wissen, welcher Art, Tendenz usw. das beabsichtigte Blatt ist. Daß Schimmelpfennig Techows Adressat[41), ist mir sehr lieb, da ich so den einen durch den andern kennzeichnen kann. Daß Willich nicht dem Schapper hat antworten lassen, ist auch gut. Ich werde ihn mit milder Ironie behandeln. Mit Freiligrath zusammengewesen. Der Philister wünscht offenbar auf gutem Fuße mit uns zu bleiben. Im übrigen dem „Skandal" fernzubleiben.. Ist außerordentlich ordinär in seinen Ansichten geworden. Ich hoffe, bald von Dir zu hören. Dein K.M.
1 Irrtum - 2 siehe vorl. Band, S. 44

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Engels an Marx in London
[Manchester, 7. Mai 1860]
Lieber Mohr, Die Geschichte an die „Reform" hat Heckscher gleich besorgt1, mit •welchem Erfolg, weiß ich noch nicht; wie gewöhnlich hatte Hfeckscher] wieder seinen Einfluß übertrieben, er sagte jetzt, er könne nicht versprechen, daß es hineinkomme etc. Inzwischen hat Siebel es in die ,,M[ittel]rh[einische] Z[eitun]g" gebracht. Etwas Neues von Berlin? Herr Szemere hat mir mit dem Tokaier eine Masse Kosten gemacht. Der Wein ist so süß, daß kein Mensch ihn trinken kann, ich hab' ihn also alle zurückgeschickt bis auf ein paar Flaschen und werde natürlich alle Kosten, Zölle p.p. zu tragen haben. Er schreibt sehr höflich, bietet andre Weine an, ist aber 3mal so teuer als Charles'2 Weinhändler in Pest. Der Kerl will mit seiner „entreprise toute patriotique"3 einen kolossalen Profit machen. Nous verrons.4 Siebel ist krank an einer „genialen" Krankheit, worauf er stolz ist wie immer. Ich werde ihn heute abend besuchen. Von meiner Broschüre5 höre und sehe ich nichts in Zeitungen. Die Conspiration du silence6 ist wieder vollständig da. Apropos. Der Reiff ist hergekommen, wie er sagt, auf Liebknechts, Lochners etc. Anraten! Er will von mir Unterstützung haben, er treibt Straßenmusik. Ich habe gesagt, ich müßte unter bewandten Umständen erst an Dich schreiben, was ihm nicht zu gefallen schien - Du seist aufgebracht p.p. Que faire?7 Was hältst Du von dem Kerl? Ich kann unter allen Umständen nicht viel für ihn tun. Mein Bruder Emil ist hier und unterhandelt mit dem Ermen. Ich werde
1 Siehe vorl. Band, S. 49 - 2 Charles Roesgen - 3 seinem „vollkommen patriotischen Unternehmen" - 4 Wir werden sehen. - 5 „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 6 Verschwörung des Schweigens - 7 Was tun?
wahrscheinlich einstweilen als Kommis bei Gottfried8 bleiben, mit Prozenten vom Nutzen und gegen die Garantie, in einigen Jahren Associe zu werden. Ich suche den Kontrakt so onerös9 wie möglich für G[ottfried] zu machen, damit er im entscheidenden Moment nur zu froh sein wird, mich fortzulassen. Bis Ende der Woche oder jedenfalls in der nächsten wird wohl alles abgemacht sein. Übrigens werde ich wohl die nächste Zeit gehörig schanzen müssen, Monsieur Gottfried hat große Veränderungen und Reorganisationen vor, sobald er erst ganz alleiniger Herr im concern1® ist. Viele Grüße an Deine Frau und die jungen Damen. Dein F.E.
8 Gottfried Ermen - 9 drückend -10 Geschäft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. Mai 1860
Lieber Frederick, Der Reiff ist ein Lump. Kein Mensch hat ihn nach Manchester geschickt. Er verschwand von hier, nachdem er enthüllt war. Schon 1850 war er aus dem Bund1471 geworfen. Während der Instruktion im Kölner Prozeß121 verriet er direkt. Ich habe jetzt einen darauf bezüglichen Brief Bermbachs wieder aufgefunden.1851 Laß ihn also laufen. Wegen Deiner Broschüre1 wirst Du einiges in dem Brief Fischeis gefunden haben. Übrigens würde ich in Deiner Stelle jetzt direkt (sobald er wieder aktiv) die kleinen literarischen Verbindungen des Freund Siebel benutzen, um der conspiration de silence2 entgegenzuarbeiten. Hättest Du Deinen Namen direkt auf der Broschüre genannt, so würde das Publikum schon aus Neugierde danach greifen. Übrigens scheint Behrend noch schlechter als Duncker. Der Szemere ist ein Mann, der gern Dienste von andern verlangt, seinerseits aber zugeknöpfte Taschen hat. Du hast jetzt genug für ihn getan, und ich würde in Deiner Stelle seinen Wein ihrer mission toute patriotique3 überlassen. Das settlement4 mit G.Ermen scheint mir nicht grade sehr. Die Frage ist, läßt Deine Familie Kapital im Geschäft oder nicht? Im ersten Fall war doch eine Handhabe da für die Transaktion5. Aus Deinem Brief scheint mir hervorzugehn, daß Du wieder Dein Herkommen auf- oder abschieben willst. Für ein paar Tage bei der Geschwindigkeit der Kommunikation müßtest Du doch die Zeit haben. Was denkst Du von der sizilianischen Geschichte?1861 In Wien soll es sehr revolutionär aussehn. Die Engländer schikanieren einen jetzt natürlich mit Bruck. Vorgestern ennuyierte6 mich ein Kerl damit wieder und fragte: „Now, what do you
1 „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 2 Verschwörung des Schweigens - 3 volkommen patriotischen Mission - 4 Der Kontrakt - 5 Unterhandlung - 6 langweilte
say of Bruck's suicide?" „I'll teil you, Sir. In Austria the rogues cut their own throats, while in England they cut their people's purses."7 Soeben erhalte ich einen Brief von Borkheim aus Dublin. Er wird Sonnabend abend in Manchester ankommen und Dich Sonntag besuchen kommen. Salut. Dein K.M.
7 „Nun, was sagen Sie zu Brucks Selbstmord?" „leb will es Ihnen sagen, mein Herr. In Österreich schneiden sich die Spitzbuben ihre eigenen Kehlen durch, während sie in England ihrem Volk die Börsen stehlen."
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Engels an Marx in London
Manchester, 10. Mai 1860
Lieber Mohr, Mein Bruder1 heut abend abgereist, weil meine Mutter ernstlich erkrankt ist und ihn per Telegramm hat rufen lassen. Die Sache mit Ermen ziemlich in Ordnung. Meine Familie läßt £ 10000 Kapital im Geschäft, das sie mir auch lassen muß, wenn ich Partner werde. Meine materielle Stellung bessert sich gleich, wenigstens der Prozentsatz der Beteiligung. Ich werde Dir das alles mündlich erzählen, wenn ich Pfingsten herüberkomme. D.h., wenn bis dahin alles in Ordnung ist und mit meiner Mutter nichts passiert, so daß ich überhaupt kommen kann. Aber ich fürchte fast eine Ansteckung von meinem Vater. Es ist mir zumute, als ob sich der Typhus jetzt an unsre Familie angeklammert hätte. Uber andre Punkte morgen. Siebel will wissen, ob Du unter den von ihm mitgebrachten Papieren die Broschüre „Die Sphinx auf dem französischen Kaiserthron"1871 gefunden; Schily vermißt sie und fürchtet, sie sei ihm sonst abhanden gekommen. Lupus gestern gesehn. Die Knoche plagt ihn noch. Dazu Rheumatismus. Es scheint fast, als ob Gumperts Einschreiten den Prozeß akuter mache, was auch gut ist, desto eher ist's vorüber, und nachher ist L[upus] wieder stramm auf den Beinen. Grüße die family. Dein F.E.
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Engels an Marx in London
Manchester, 11. Mai 60
Lieber Mohr, Meine Mutter sehr gefährlich. 2 Telegramme von Barmen. Niemand darf zu ihr. Ich soll wieder herüber, die nötigen Schritte werden getan. Wie das gehen wird, weiß ich nicht. Mir ist der Kopf ganz verwirrt von der Geschichte, es scheint wirklich Typhus zu sein. Ich kann Dir heute über andre Dinge nicht schreiben, es geht mir zu viel durch den. Kopf, und dabei ist es zu spät geworden. Seit 7 Wochen lebe ich in einer fortwährenden Spannung und Aufregung, die nun wieder auf eine Akme1 getrieben wird, schlimmer als je vorher. Zum Glück bin ich körperlich wieder all right. Sollte ich nach Barmen gehn, so wird es sich wahrscheinlich so machen, daß ich wieder einen Tag in London auf der Hinreise zubringen muß, dann sehe ich Dich.'881 Viele Grüße. Dein F.E.
1 einen Höhepunkt
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Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Mai 60
Lieber Engels, Einliegend von Lassalle. Schreibe mir umgehend, was Du denkst, daß ich ihm wegen dem Fischel schreiben soll. Auf seinen Vorschlag wegen Berlin laß ich mich nicht ein.[89] Von Lommel noch nichts. Dein K.M.
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Engels an Marx in London
Manchester, 31. Mai 1860
Lieber Mohr, Hierbei Ephraim Gescheit1 zurück. Sein Plan Deinetwegen ist in der Tat verrückt.'891 Du kannst ja über das in Köln Vorgegangne auch gar nichts aussagen. Indes wäre Ephraim doch zu brauchen bei der Sache, er hat wenigstens mehr pluck2 als die beteiligten alten Weiber in Köln selber, die lieber alles über sich ergehen lassen. Es wäre auch zu versuchen, ob nicht von Köln aus doch etwas zu machen. Ad vocem3 Fischel wird man dem Narren wohl ziemlich reinen Wein einschenken müssen und ihm einige Aufklärung darüber geben müssen, wieweit das Wort „reaktionär" ihm [eigentlich] reine Phrase geworden ist. Du kannst ihn auch gelegentlich wohl veranlassen, sich zu erklären, warum denn Er, Ephraim der Tiefe, eigentlich mit uns und Fischel im „Antipalmerstonianismus" übereinstimmt. Ist soweit wenigstens nicht abzusehn. Der Berliner Privatkrakeel zwischen L[assalle] und F[ischel] kann uns nichts angehn, und Ffischel] hat sich zu gut benommen, als daß wir ihn irgendwie fallenlassen dürften dem L[assalle] zulieb. Es wird freilich nicht anders gehn, als dem Dunklen Herakleitos1901 einige mysteriöse Andeutungen darüber zu geben, daß in auswärtiger Politik mit „Reaktionär" nichts gemacht ist und daß auf diesem Feld noch weit größere „Esel" als Fischel brauchbar sind, wenn sie wissen, wo Barthel den Most holt. Was würde unser weitgreifender Revolutionsdenker und praktischer königlich preußischer Hofdemokrat sich erst entsetzen, wenn er hört, daß Urquhart die Macht der Krone vergrößern will. Übrigens ist ja auf diesem Separatgebiet der foreign policy4 eine so hübsche spekulative Trennung von der inneren Politik möglich, daß Du Dir gewiß den Spaß machen wirst, das Subjektiv-Reaktionäre als das in auswärtiger Politik diesmal Objektiv-Revolutionäre ihm klarzumachen, worauf der Mann Ruhe haben wird. Man gebe diesem Mann einen Übergang, und er wird theoretisch zufrieden sein, sosehr ihn
1 den Brief Ferdinand Lassalles - 2 Mut - 3 In bezug auf - 4 Außenpolitik
unser Konnex mit Fischel praktisch ärgern muß, um so mehr, da er weiß, daß er meine Broschüre5 besorgt hat. Du kannst dem Mann auch wohl bemerken, daß es sehr revolutionär gehandelt ist, erst den Deutschen ihren besten Grund und Boden und ihre nationalen Existenzbedingungen unter den Füßen wegzuziehn oder wegziehn zu lassen unter dem Vorwande, daß die jetzigen Machthaber über diesen Grund und Boden Reaktionäre sind, und dann auf Revolution zu rechnen. Auch etwas über den Aberglauben an die revolutionäre Initiative der Crapauds6 wäre gut. Das Ganze in gewohnter andeutungsvoller Weise, daß er 4 Wochen dran zu beißen hat, und der Fall wird erledigt durch ein 4 Bogen langes Manuskript, auf das Du wieder nicht antwortest. Meine Herreise am Samstag sehr nützlich. Ich erfuhr gleich Sonntag allerhand für die Verhandlung Wichtiges und habe jetzt den Kontraktsentwurf zum Studieren. Grüße Frau und Kinder herzlich. Siebel will fort. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Juni 1860
Lieber Engels, Ich habe an Itzig about110 Seiten geschrieben, davon 8 über den Kölner Prozeß, 2 über Fischel.2 Es wird mir schwer genug, da ich noch immer nicht auf dem Strumpf und beständig mediziniere. Sehr widerlich ist, daß Lommel mir die Versendung des Pakets per Eisenbahn seit mehren Tagen angezeigt.1911 Es müßte längst hier sein. Fischel schreibt mir, daß ein gewisser Abel in Berlin der Korrespondent des „Daily Telegraph". Von Schily Brief erhalten. Daraus ersehe ich, daß Siebel ihm die Ankunft Deiner Pamphlete3 in Manchester angezeigt. Das Exemplar für Schily muß ich durch Rheinländer besorgen. Ich muß auch ein Exemplar haben zur Benutzung für meine eigne Broschüre4. Könntest Du mir bis Mittwoch etwas Kurzes über die Garibaldische Affäre für die „Tribüne" zurechtschreiben5? Wenn das nicht geht, bis Freitag? Salut. Dein K.M.
Apropos. Aus Schilys Brief geht hervor, daß Moses6 zugleich Korrespondent der „Esperance" ist (und so bonapartistisch, daß ihm sogar ein Franzos die Freundschaft aufgekündigt) und zugleich der Augsb[urger] „Allgemeinen] Zeit[ung]".
1 ungefähr - 2 siehe vorl. Band, S. 540 - 3 „Savoyen, Nizza und der Rhein" - 4 „Herr Vogt"5 Friedrich Engels: „Garibaldi in Sizilien" - 6 Moses Heß
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. Juni 1860
Lieber Engels, Kannst Du mir einiges Geld bis Montag schicken? Ich habe zusammen in der Prozeß- und Vogtgeschichte about113 £ bis jetzt ausgelegt, und mein Unwohlsein hatte seit drei Wochen jede Korrespondenz verhindert. Siebe] gestern abgereist. Besten Dank für Dein Porträt. Ich habe Dir politisch sehr Wichtiges mitzuteilen (morgen). Ein Besuch, der unten auf mich wartet, erlaubt nicht mehr für heut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16 June 1860
Lieber Frederick, Die £ 10 richtig empfangen. Best thanks.1 Das Porträt ist famos. Du sollst ein ähnliches von mir haben. Die Sachen von Lommel noch nicht hier. Auf seine Reklamation hieß es, solche Pakete (er hatte es aus Ökonomie par petite vitesse2 geschickt) brauchten immer mehrere Wochen. Folgendes Auszug aus Lommels letztem Brief: „Sie werden die A[ugsburger] .Allgemeine] Zfeitung]' vom 8. Juni gelesen haben. Die dortige Berner Korrespondenz, mutmaßlich von Tscharner, Mitredakteur des .Bund', läßt eine Denunziation der Vogtianer bei ihrem Herrn und Meister in Paris und mittelbar von da bei der eidgenössischen Behörde in Bern sowie an deutschen Fürstenhöfen durch die Zeilen lesen. Es ist das wieder aufgewärmte Verschwörungsmärchen, die deutschen Demagogen, welche Frankreich und Deutschland aneinanderzuhetzen suchen, um die Zentralrepublik zu ermöglichen. In eidgenössischen Kreisen, sowie in Genf, verfängt nun die Vogtsche Intrige keineswegs; jedoch scheint sie auf den beschränkten deutschen Fürstenverstand nicht ohne Einwirkung geblieben zu sein. Dieser von Badinguet1831 vorgehaltne Verschwörungsspuk soll sogar die furchtsamen Leute bestimmt haben, demselben in Baden-Baden die heißersehnte Audienz zu geben.192' Die .Allgemeine' hat seit 14 Tagen die pikantesten Notizen, die ich ihr aus Savoyen und Turin zusandte, schweigend beiseite gelegt, und der vor 10 Tagen hierher zurückgekehrte Vogt hat gegen einen Arbeiter geäußert, den Burschen, die in deutsche Blätter schmierten, werde das Handwerk bald gelegt werden, und man werde nächstens noch mehr Unerwartetes vernehmen." Von About ist jetzt zu Paris ein Pamphlet erschienen: „Napoleon III. et laPrusse."1931 Erstens soft sawder3 für Deutschland. In Frankreich seien
1 Besten Dank. - 2 als Frachtgut - 3 Schmeichelei
wie household words4 alle seine großen Männer bekannt, wie „Goethe, Schiller, Humboldt, Vogt, Beethoven, Heine, Liebig etc.". Frankreich ganz uneigennützig, obgleich man es beständig provoziere. Dann Kohl über deutsche Einheit, durch Frankreichs Hülfe herbeizuführen. Dann sehr oberflächliche Kritik der jetzigen preußischen Zustände. (Auch die Niegolewskigeschichte[94] ausführlich erwähnt!) Die einzige Rettung ist, sich gegen Ostreichs Feudalismus an Frankreichs „demokratisches Prinzip" anzuschließen. Dies demokratische Prinzip besteht nämlich in der Gründung der fürstlichen Diktatur auf dem „suffrage universel" 5. Status superque!8 Aber sehr gut, daß die königlich preußische Hofdemokratie jetzt in böse Klemme gerät, hoffentlich auch der Prinzregent7 bald hinreichend sich kompromittiert haben wird. Salut. Dein K.M.
4 Alltagsworte - 5 „allgemeinen Wahlrecht" - 6 Eine Verfassung von oben! - 7 Wilhelm, Prinz
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Engels an Marx in London
[Manchester] 20. Juni 1860
Lieber Mohr, Amicus1 Lommel scheint mir doch to draw rather largely on his imagination2, wenn er den bonapartischen Denunziationen die Hauptrolle bei der Baden-Badener Geschichte zuschreibt3. Daß aber was hinter der Geschichte ist und daß Vogt, Bona[parte] und Co. dies Manöver auch spielen lassen, ist gewiß ganz richtig. Sehr schön ist es, daß jetzt die kiemdeutsche Nationalvereinlereit22] in der Aboutschen Broschüre1931 gradezu als im Interesse des Bonapartismus gelegen dargestellt wird. Unser Freund Itzig wird jetzt wohl bald eine Schwenkung machen; auf dies Pamphlet hin werden die Herren sich entweder als Bonapartisten entpuppen oder mit ihrem preußischen Deutschland in große Verlegenheit geraten. Durch einen Zufall sind mir die altdänischen Kjämpe-Viser in die Hände gefallen, stellenweise sehr schöne Sachen bei viel Schund. Hier ein von Uhland übersetztes.1951
Her Oluf hand rider saa vide, Alt til sit brellup at byde, Men dandsen den gaar saa let gennem lunden.
Der dandse fire, og der danse fem: Elle kongens daater rekker haanden frem.
„Velkommen, Her Oluf, lad fare din fig: Bi lidet, og traed her i dandsen med mig."
„leg ikke t0r, jeg ikke maa: I morgen skal mit brallup staa."
1 Freund - 2 ziemlich reichlich aus seiner Phantasie zu schöpfen - 3 siehe vorl. Band, S. 63
5 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
„H0r du, Her Oluf, traed dandsen med mig: To bukkeskinds st0vle saa giver jeg dig. To bukkeskinds st0vle, sider vel om been: Forgyldene spore derom spend. H0r du, Her Ole, traed dandsen med mig: En silke-skiorte giver jeg dig. En silke-skiorte saa hvid og fiin: Den biegte min moder veg maane skin."
„Jeg ikke t0r, jeg ikke maa etc." „H0r du, Her Oluf, traed dansen med mig: Et hoved af guld saa giver jeg dig." „Et hoved af guld kand jeg vel faa: Men dandse med dig t0r jeg ej saa." „Og vil du ikke dandse med mig, Sot og sygdom skal ftflge dig." Hun slog hannem mellem sine haerde: Aldrig var hand slagen verre. Hun l0fte, Her Oluf paa ganger rad: „Og rid nu hiem til din festema." Der hand kom til borgeled: Der staar hans moder og hviler ved. „H0r du, Her Oluf, kier S0nnen min: Hvi baer du nu saa bieg en kind?"
„Og jeg maa vel baere kinden bieg, For jeg har vaeret i Ellekonens leg." „Her du, Her Ole, min s0n saa prud: Hvad skal jeg svare din unge brud?" „I skal sige, jeg er udi lunde, At pr0ve min hest og saa mine hunde." Aarle om morgen, dag det var: Da kom den brud med brudeskar.
De skenkte mied, de skenkte viin: „Hvor er, Her Ole, brudgom min?" „Her Oluf hand reed sig hen i lunde: Hand preved sin hest og saa sine hunde." Hun tog op det skarlagen red: Der laa Her Oluf og var dad.4
Mir gefällt dies viel besser als die zu sehr geglättete Uhlandsche Übersetzung. Ein anderes von „Herr Jon" ist aber noch viel schöner.
Dein F.E.
4 ERLKÖNIGS TOCHTER
Herr Oluf reitet spät und weit, Zu bieten auf seine Hochzeitleut'. Da tanzen die Elfen auf grünem Land, Erlkönigs Tochter reicht ihm die Hand. „Willkommen, Herr Oluf, was eilst von hier? Tritt her in den Reihen und tanz mit mir." „Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag, Frühmorgen ist mein Hochzeittag." „Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir, Zwei güldne Sporne schenk ich dir. Ein Hemd von Seide so weiß und fein, Meine Mutter bleicht's mit Mondenschein." „Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag, Frühmorgen ist mein Hochzeittag." „Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir! Einen Haufen Goldes schenk ich dir." „Einen Haufen Goldes nähm ich wohl; Doch tanzen ich nicht darf noch soll." „Und willt, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir; Soll Seuch und Krankheit folgen dir."
Sie tät einen Schlag ihm auf sein Herz, Noch nimmer fühlt er solchen Schmerz. Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd, „Reit heim nun zu dein'm Fräulein wert." Und als er kam vor Hauses Tür, Seine Mutter zitternd stand dafür. „Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich, Wie ist dein* Farbe blaß und bleich?" „Und sollt sie nicht sein blaß und bleich, Ich traf in Erlenkönigs Reich." „Hör an, mein Sohn, so lieb und traut, Was soll ich nun sagen deiner Braut?" „Sagt ihr, ich sei im Wald zur Stund, Zu proben da mein Pferd und Hund." Frühmorgen und als es Tag kaum war. Da kam die Braut mit der Hochzeitschar. Sie schenkten Met, sie schenkten Wein, „Wo ist Herr Oluf, der Bräutgam mein?" „Herr Oluf, er ritt' in Wald zur Stund, Er probt allda sein Pferd und Hund." Die Braut hob auf den Scharlach rot, Da lag Herr Oluf und er war tot.
[Übersetzung von Herder.]
37
Engels an Marx in London
[Manchester, um den 25. Juni 1860]
Lieber Mohr, Hast du die ,,Köln[ische] Ztg." von Donnerstag oder Freitag gelesen „Vermischte Nachrichten", wie Itzig es wieder fertiggebracht hat, sich aus dem Viktoria-Theater herauswerfen zu lassen? Der Kerl wird sich noch einen Menschen halten, der ihm jedes Jahr einmal eine Ohrfeige gibt, damit die Leute von ihm sprechen, wenn seine eigne jüdische Unverschämtheit es nicht mehr fertigbringt. Inzwischen bewahrt er ein brillantes Talent zum Durchgekeiltwerden und Herausgeschmissenwerden. Viele Grüße an die family. Dein F. E.
38
Marx an Engels in Manchester
[London] 25.Juni1 1860
Dear Frederick, Ich bin noch immer, wie der rote Wolff2 das nannte, „sehr leidend", obgleich ich seit ungefähr einer Woche aufgehört habe zu medizinieren. Ich mache indes jeden Tag auf Allens Befehl „Zwangsmärsche" und werde wohl endlich im Lauf dieser Woche wieder auf den Strumpf kommen. Lina3 bei uns auf „Ferien". Wird about4 1 Monat hierbleiben. Von Siebel noch nichts gehört. Es wäre mir lieb, wenn Du bis Freitag oder Sonnabend einen Artikel für die „Tribüne" entweder über die defences of England5 oder Garibaldi oder den indischen trade6 [schriebst]t96]. Seit Wilson the Indian Chancellor of the Exchequer7, bringt der elende „Economist" fast nichts über Indien. Vergiß auch nicht (obgleich für diese Woche noch nicht nötig), mir about 1 Quartseite oder so über die militärische Bedeutung Böhmens für Deutschland oder vielmehr für Rußland, dem Vogt es abtreten will, zu schreiben.1971 Apropos! „Pro domo und Pro patria gegen Karl Vogt" von Jakob Venedey. Hannover 1860 (40 Seiten) soeben erhalten. Vom Standpunkt dieses Burschen aus nicht ganz schlecht. Enthält einige facts über Vogts Feigheit. Die auf uns bezüglichen Stellen von Jakob sind folgende. Ein Freund schreibt freundlichst: „Es ist schändlich, daß dieser Vogt auch Venedey mit in seinem Triumph über die .Augsburger Zeitung' und die ,Schwefelbande' herumschleppt." (P.4.) „Pro domo8 nur ein paar Worte. Sollte Karl Vogt vergessen haben, daß alle die abgestandenen, schalen Bissen, die er seinen Lesern in seiner ,Erklärung' gegen mich auftischt - der ,edle Jakob', das .blonde Gemüt', die ,Reichsträne' und wie sie sonst heißen -, vor zehn Jahren in der rheinischen
1 In der Handschrift: Juli -2 Ferdinand Wolff-3 Lina Schöler -4 ungefähr -5 Verteidigungsmöglichkeiten Englands - 6 Handel - 7 der Schatzkanzler für Indien - 8 In eigener Sache
Zeitung9 von Marx, Engels und Kompanie frisch und duftig, mit geistreichen Gewürzen gepfeffert, aufgetischt worden sind? Wäre es nötig, daran zu erinnern, daß diese ,schmutzige Bande einiger hämischen Gesellen in London', wie Vogt sie nennt, in demselben Artikel: ,Der Reichsregent'[981, der der Augsburgerin als Ausgangspunkt zu ihrer Anklage gegen Vogt diente, vollkommen in dem Tone der Vogtschen,Erklärung' gegen mich zu Felde zieht. Gleichwohl sah Karl Vogt sich dadurch nicht verhindert, mich anzuklagen, daß ich meine .Verleumdungen' gegen ihn bei den Herrn Marx, Engels und Kompanie entlehnt habe. Vogt weiß es, daß er in seinem Hohne gegen mich nur ihr Nachbeter ist." (S.7.) „Diese Schrift Vogts[13! über seinen Prozeß hat ganz das Ansehn eines Siegeszugs. Und in der Tat hat Karl Vogt, freilich ohne dadurch selbst gerechtfertigter zu erscheinen, die A[ugsburger] .Allgemeine]' und auch die .Londoner Schwefelbande' gehörig zerzaust nach London geschickt." (P.6.) Voilä tout.10 Salut. Dein K.M. Fred. Engels, 7, Southgate, St. Marys, Manchester.
39
Marx an Engels in Manchester
[London, 26. Juni 1860]
Lieber Frederick, Von Itzigs Abenteuer nichts gelesen.1 Aus dem einliegenden Brief Webers siehst Du die Gemeinheit der preußischen Hunde.'991 Von dem Kammergericht ist nun wohl auch nichts zu erwarten. Welche famose Jurisprudenz! Erst wird mir die „Verleumdungsklage" untersagt, weil sie nicht im preußischen Regierungsinteresse liegt. Und dann wird der „Injurienklage"2 nicht erlaubt, öffentlich vorzugehn, weil „kein Tatbestand" vorliege. Es wird förmlich „plädiert" für die „NationalZeitung". Wie liberal zeigte sich dagegen Bayern mit Bezug auf Vogt.'1001 Es ist dies „preußischer Fortschritt". Laß den Heckscher wieder eine kurze Notiz in die „Reform" bringen. Es muß wenigstens das preußische Verfahren öffentlich bekannt werden. Aus den Beweisstücken, die ich dem Weber geschickt und die Weber seiner Anklagschrift beigelegt, ersah das Hundepack, daß die „NationalZeitung" verurteilt werden müßte, wenn der Sache erlaubt würde, „vorzukommen". Daher alle diese schlechten Schikanen. Salut. Dein K.M.
1 Siehe vorl. Band, S. 68 - 2 „Beleidigungsklage"
40
Engels an Marx in London'1011
Manchester, 7, Southgate, 26. Juni 1860
Lieber Mohr, Ob ich den Artikel machen kann, ist sehr unsicher, auf morgen oder übermorgen hat sich mein Schwager1, der grade in London ist, angesagt. Rechne also nicht zu fest darauf. Ich könnte höchstens über Garibaldis Chancen auf dem Festlande spekulieren, über den indischen Handel weiß ich zu wenig für einen Artikel. Dein F.E.
41
Engels an Marx in London
[Manchester, 27. Juni 1860]
Lieber Mohr, Schicke Inliegendes zurück, ich werde dem S[iebel] sogleich 2 Zeilen über die Geschichte in Berlin machen und sie ihm mit meiner Antwort zur weiteren Besorgung zuschicken. Ebenfalls an Heckscher.1 Böhmen werde ich sehen, heute noch zu machen.2 Es ist gleich 8 Uhr, und ich bin noch auf dem Kontor. Ob ich morgen etwas über Garibaldi] machen kann, weiß ich noch nicht; 1. kein Material, 2. mein Schwager3. Enfin4 das Mögliche soll geschehn. Itzig also zusammen mit Vogt vor Publikum und im geheimen unser Alliierter.11021 Cela n'est pas mal.5 Schreibe gleich an Meißner.11031
Dein F. E.
1 Siehe vorl. Band, S. 71 - 2 siehe vorl. Band, S. 69 - 3 wahrscheinlich Emil Blank - 4 Nun 6 Das ist nicht schlecht.
42
Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Juni 1860
Lieber Frederick, Einliegend das Inklusive zurück. An Meißner werde ich schreiben.11031 Den Witz mit Lassalle wußte ich schon gestern, da die „National-Zeitung" einen sehr belobenden leader1 hatte über die vorzüglichen „Studien".11021 Was sagst Du zu der Infamie der preußischen Regierung?[991 Salut. Dein K.M.
Übrigens mußt Du jetzt überall mit Deinem Namen herausrücken. Es war von vornherein nachteilig, daß die Sache2 anonym erschien.
43
Engels an Marx in London
[Manchester, um den 28. Juni 1860]
Lieber Mohr, Inl. ein Artikel über die rifle Parade1; dies Thema fiel mir in der letzten Verzweiflung noch ein. Sieh ihn tüchtig durch, ich habe die Zeit nicht dazu. Die Herren Preußen haben jetzt wirklich „eine schöne Manier". Da der Prozeß gegen die „Nat[ional]-Ztg." nur dazu dienen könnte, einen schneidenden Mißton in die allgemeine konstitutionelle Harmonie zu bringen, so muß die Sache um jeden Preis verhindert werden. Man influenziert2 die Richter, „die es noch in Berlin gibt"11041, und ich bin fest überzeugt, auch Herr Weber ist beinfluenziert worden. Der ganze Stil der Briefe beweist mir das. Um so rascher muß es nun mit der Broschüre3 gehn, damit den edlen Preußen doch bewiesen wird, daß sie die Sachen nicht unterdrücken können. Diese Saukerls. Sollten sie vielleicht deshalb im stillen so liberal gegen mich getan haben4, um desto gemeiner gegen Dich auftreten zu können? Böhmen mach' ich womöglich noch heut abend.5 Übrigens mußt Du die Broschüre, so schwer es jetzt sein mag, absolut so einrichten, daß die Preußen sie nicht verbieten können. Und vor allen Dingen rasch, da wahrscheinlich doch die nächste Zeit bis 1861 die Friedensduselei zur Herrschaft kommen wird und damit das Interesse an dem Vaterlandsverrat abstumpft. Sei doch einmal wenigstens etwas oberflächlich, um zur rechten Zeit zu kommen. Dein F.E. Das Paket von Lommel da?[91J Lupus geht nächste Woche 4 Wochen in die Ferien nach Irland etc. etc.
1 Friedrich Engels: „Die britischen Freiwilligen-Truppen" - 2 beeinflußt - 3 Karl Marx: „Herr Vogt" - 4 siehe vorl. Band, S. 42 -5 siehe vorl. Band, S. 69
44
Marx an Engels in Manchester
[London] 9. Juli [1860]
Lieber Frederick, Mit Meißner11031 scheint mir die Sache bedenklich, da er direkt mit Vogt et Konsorten alliiert ist. Wenigstens schicke ich ihm kein Manuskript, wenn er nicht vorher Kontrakt schließt. Uber Böhmen? Ich muß das jetzt haben; es hält mich sonst auf. Ja ohnehin nur kurz.1 Ebenso wünschte ich, daß Du in ein paar Sätzen den militärischen Blödsinn auseinandersetztest, der in folgenden Äußerungen Falstaffs Vogt11051: 1. Dieser Mann, der so genau die Verhältnisse von „Kraft und Stoff"11061 studiert, behauptet, daß die Vereinigten Donaufürstentümer - in ihrer jetzigen Ausdehnung - als selbständiges Königreich fähig, Rußland einen „Damm" zu setzen, ja den Russen, Östreichern und Türken zu widerstehn. 2. Den Hauptbeweis für Badinguets1831 Uneigennützigkeit und nichterobernde Politik sucht er daraus zu liefern, daß selber nach dem „glorreichen" Krimfeldzug sich weder „russisches" noch „türkisches" Gebiet angeeignet habe. Ich bin immer noch nicht recht auf dem Strumpf. Wenn einen Tag besser, ist es den andern wieder schlechter. Salut. Dein K.M.
Apropos. Ich habe (durch Vermittlung eines jungen Englishman namens Green) einen Brief von Garibaldi gesehn, worin dieser sehr auf Bonaparte schimpft und hofft, schließlich noch das Schwert gegen ihn ziehn zu können.'1071
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Marx an Engels in Manchester
[London] 17. Juli [1860]
Lieber Engels, Das Paket von Lommel1911 nach allerlei Abenteuern, die ich ein andermal erzähle, muß nun heute oder morgen eintreffen, via Cologne1. Der Absendungszettel (Eisenbahn) von Genf ist bereits in meiner Hand. Vor ein paar Tagen erhielt ich Brief von Eccarius, worin er mir schrieb, das Schneidern sei nun am Ende, i.e. sein körperlicher Zustand erlaube ihm nicht, damit fortzufahren. Der Arzt habe gesagt, er könne ihm nicht helfen. Luftverändrung usw. sei nötig. Demzufolge habe ich denn ihm auf meine Kosten (of course2 getrennt von seiner family, die in der alten Wohnung bleibt) ein Logis ganz in meiner Nähe gemietet; er erhält seine Mahlzeiten ditto bei uns und hat nichts zu tun, als auf dem Heath3 herumzutummeln und einen Artikel die Woche an Weyd[emeyer] zu schicken, der ihm 3 Dollar per Artikel zahlt. Ich hoffe, er wird durchkommen. Ich habe ebenso Portwein für ihn gekauft. Kann aber damit nicht fortgehn, da schon die andern durch ihn verursachten Extraauslagen im gegenwärtigen Moment und bei großer Ebbe unsrer Kasse lästig.. Kannst Du nicht bald was über Garibaldi schreiben oder über die preußische Regierung, die hinter dem Rücken der Kammern ihre Armeereform durchgesetzt, oder ähnliches?11081 Daß Garibaldi den Farina zum Teufel gejagt, ist schön.111091 Salut. Dein K.M.
1 über Köln - 2 natürlich - 3 der Heide (Hampstead Heath)
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Marx an Engels in Manchester
[London] 21. Juli 60
Lieber Engels, Montag abend wird Palmerston die Vorschläge über die fortifications1 von England einbringen - diesen großen dodge2. Es wäre sehr gut, wenn Du bis Mittwoch (denn ich brauche erst am Mittwoch von hier die Sache fortzuschicken) mir darüber einen kurzen Artikel für die „Tribüne" liefern könntest.3 Salut. Dein K.M.
1 Befestigungsanlagen - 2 Schwindel - 3 „Die britische Verteidigung"
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 23. Juli 1860]
Lieber Mohr, Wenn irgend möglich, sollst Du den Artikel über die fortification1 haben, aber per erste Post kannst Du ihn keinenfalls bekommen2. Was hältst Du von Kinglakes revelations?'1101 Es wäre gar nicht übel, wenn die grauße Grausmut des Prinzregenten3 in Baden-Baden1921 sich nur als ein pauvrer4 Abklatsch des Stücks von Villafranca darstellte und Franz Joseph der eigentliche „Edle" wäre. Übrigens scheinen die Herren Fürsten doch zu der Einsicht gekommen, daß es sich diesmal um ihre Köpfe handelt; sie werden sie darum doch nicht retten. Ich lese jetzt Ulloa, „Guerre d'independance de l'Italie 1848/49". Von allen militärischen Sudeleien, die mir (von professional writers5) vorgekommen, ist diese die dümmste und liederlichste. Die Kritik der reine Seichbeutel, die facta entstellt oder nicht richtig gewußt, stets lodderig durcheinandergeworfen. Dieser Ulloa, 1848 neapolitanischer Artilleriekapitän, nennt sich, seitdem Plon-Plon ihn unter seine Ägide genommen, „General". Die Geheimgeneräle pullulieren6 in dieser Bande. Übrigens, wenn man die neapolitanischen Offiziere nach diesem Specimen7 beurteilen soll, so sind sie wirklich lausig. Wenn Garibaldi nicht bald voranmacht, so kann es ihm schlecht gehn; es sei denn, daß die Sache in Neapel marschiert, was nicht danach aussieht. Vor Milazzo und Messina wird's wohl noch einige Überläuferei geben, aber für eine Expedition nach dem Kontinent können die Chancen sich verschlimmern. Die Flotte wird ihm kein Hindernis in den Weg legen, sie will ja nicht gegen Italiener kämpfen, aber in der neapolitanischen Armee scheint es doch enragiertes8 Pack zu geben, die mit den Fremden sich wehren könnten, und Garibaldi] darf auch keine Niederlage erleben. Hätte er 10000 Mann zuverlässiger Leute, so wär' er natürlich mit allem in drei
1 Befestigungsanlage - 2 siehe vorl. Band, S. 78 - 3 Wilhelm, Prinz von Preußen - 4 armseliger - 6 berufsmäßigen Schreibern - 6 vermehren sich stark - ' Exemplar - 8 tolles
Tagen fertig. Er muß jetzt 5-6000 haben, die Sizilianer natürlich ungerechnet. Inl. fünf Pfund, damit wirst Du den armen Eccarius wohl wieder etwas voranbringen können. Dein F.E.
48
Marx an Engels in Manchester
[London] 25. Juli [1860]
Lieber Engels, Die 5 £ trafen ein. Ditto Artikel.1 Den „Report" über die Fortifications'mi werde ich Dir schicken. Hast Du Urquharts Jammerschrei darüber in der letzten „Free Press" d. d. July 4 gelesen? Willst Du englisch darüber schreiben, was sehr zeitgemäß scheint, so hättest Du die Sache fertig herzuschicken. Ich würde dann den Versuch bei den Buchhändlern machen und im schlimmsten Falle die Sache in eine Revue oder Wochenblatt unterbringen.'1121 Die Äußerung des Kinglake war richtig, wie bewiesen durch die abgeschmackte Form, worin der „Moniteur" seine Rede reproduzierte.'1131 Salut. Dein K.M.
1 Friedrich Engels: „Die britische Verteidigung"
6 Marx/Engels, Werfte, Bd. 30
49
Marx an Engels in Manchester
[London] 29. Juli [1860]
Lieber Engels, Du erhältst hier den definitiven Abweis des Kammergerichts1. Es wäre nutzlos, noch ans Obertribunal fortzugehn. Bloße Vermehrung der Kosten. Es ist jetzt dringend, daß ich dem Weber2 seine 32 Taler 3 Silbergroschen 6 Pfennig schicke, damit der Bursche mir umgehend die Akten (seine Anklageschriften eingerechnet) zuschickt. Ich brauche sie für die Broschüre3, die in 8-10 Tagen fertig sein wird zur Abschrift für meine Frau (und die macht schnell). Was nun zunächst tun (ich meine in den Zeitungen)? Ein ähnliches Rechtsverfahren (betrachte Dir z.B. den verbummelten Zeitungspolemikton im Kammergerichtserkenntnis) ist mir noch nicht vorgekommen. Die preußischen Hunde bedürfen der Prügel. Übrigens ist es gut, daß sie mir „Material" geliefert. Herrn Vogts Verdächtigungen von wegen „Erpressungen" etc. fand die feige Kammergerichtskanaille denn doch gut zurückzuweisen. Salut. Dein K.M.
Eccarius, der jetzt schon in der 3ten Woche ein paar Häuser neben uns einlogiert ist, befindet sich besser.
50
Engels an Marx in London11141
Manchester, 7, Southgate, I.August [1860]
Lieber Mohr, Inl. £ 5, F/L 12 596, für die Kosten. Lupus hat mit Gewalt darauf bestanden, £ 4 davon zu tragen. Das also ist das berühmte Kammergericht des Müllers von Sanssouci11041. Ich möchte wissen, was es für Entscheidungen und Gründe gehabt hätte, wenn statt Deiner ein preußischer Beamter so behandelt worden wäre. Das Obertribunal in Bewegung zu setzen, würde ganz überflüssig sein; vielleicht aber das Gutachten eines first rate preußischen Lawyers1 einzuholen sein? Aus der loddrigen Argumentation geht ganz deutlich hervor, daß das Pack direkt vom Ministerium bearbeitet worden ist. Sie wollen keinen Skandalprozeß haben, der die Duselharmonie des allgemeinen Ministerialismus stören könnte. Dazu würde ja auch in der „Nat[ional]-Ztg." Schleinitz mit verdonnert. Die Einlagen hierbei zurück. Jetzt aber a tout prix2 voran mit Broschüre* und Verlagsanstalten! Nächste Woche mache ich Dir wo möglich wieder etwas über Garibaldi.4 Du könntest bei der „Tribüne" anfragen, ob sie eine Serie von 4-5 Artikeln über rifled fire arms5 haben will, including all the latest improvements6 - auf Spekulation mach' ich das Ding nicht.11151 Dein F.E.
1 erstrangigen preußischen Juristen - 2 um jeden Preis - 3 „Herr Vogt" - 4 „Garibaldis Bewegungen" - 5 gezogene Gewehre - 6 einschließlich der neuesten Verbesserungen
51
Marx an Engels in Manchester
[London] 4. August [1860]
Lieber Frederick, Die £ 5 an den Weber1 geschickt. Ich mache mit dem Pamphlet2 möglichst rasch voran. Einiges Hindernis die Unmöglichkeit, an gewissen Tagen, wo mein Zustand besonders „öklich", zu schreiben. Übrigens habe ich doch beschlossen, zum Obertribunal fortzugehn.3 Es sind jetzt Ferien. Eh das Obertribunal zu sitzen kommt, ist das Pamphlet heraus (mit meiner Kritik darin über die bisherige preußische Prozedur). Ohne großen Skandal sollen die Kerls nicht davonkommen. Über Garibaldi schreib mir bis Mittwoch.4 Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 27. Aug. 1860
Lieber Engels, Mein langes Schweigen erkläre Dir aus meinem beständigen scheußlichen Leberzustand, so daß ich alle freien Momente zur Arbeit benutzen muß. An Siebel habe ich vor about110 Tagen wegen Buchhändler geschrieben und erwarte Antwort. Die lange Verzögerung teils wegen meiner relativen Arbeitsunfähigkeit, teils weil ich erst seit kurzem alles zugängliche Material hatte. Ich glaube übrigens, daß mit Ausnahme der italienischen Affäre'116' (Ostreichs Interventionsgelüste waren eine bonapartistische Erfindung) nichts mehr in diesem Jahre geschehn wird (Schreibe something2 über Garibaldi. Was sagst Du von Bangyas Freund Türr?[U7') und ein Zwischenzustand eintritt, worin solche Broschüre noch lesbar. Einliegender Brief Schilys wird Dich sehr amüsieren. Schicke ihn zurück. Ich habe Schily Dein „Nizza, Savoyen etc." heute überschickt. Dr. Zimmermann (ehmaliger preußischer Stadtgerichtsdirektor) habe ich schriftlich aijf den Prozeß bezügliche Fragen schon vor about 2 Wochen vorgelegt (Formfragen). Er fand es jedoch nötig, sich selbst mit Zunftverwandten in Berlin darüber zu vernehmen. Seine schriftliche Konsultation erhalte ich wohl im Laufe dieser Woche. Die Preußen sollen mir nicht so wohlfeil davonkommen. Ich befinde mich in großer Geldklemme. Herrn Weydemeyers Journal3 schon wieder am Ende: d.h. er ist von der Redaktion abgetreten und will nach New York als surveyor4. Sein Kollege5 dagegen wird das Blatt rentierbar machen, indem er es an eine politische Partei verkauft. Weydemeyer sieht jetzt endlich ein, daß er zu ehrlich für amerikanischen Journalismus. Salut. Dein „ .. K.M. Wie steht's Geschäft in Manchester? Indien? Home-market?6
1 ungefähr - 2 irgend etwas Der innere Markt?
- 3 „Stimme des Volks" -1 Landvermesser - 5 Julius Standau
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29. Aug. 1860
Lieber Engels, Ist die Geschichte mit dem Schneider in Manchester wegen des Eccarius noch offen? Dann muß er hier fort, da er wieder arbeitsfähig (er wohnt noch hier draußen), das Geschäft in London aber schlecht geht, und er außerdem wieder in den Stinkstank müßte.1 Die Geldmittel, um ihn mit family herüberzuschaffen, werden hier beschafft. In bezug auf ihn muß ich, zu Deiner Berücksichtigung, bemerken: Ich glaube, er leidet an einem Rückenmarkübel. Seine Frau ist ein widerliches Mensch, komisches Gemüt von respektablen Ansprüchen (Churchwarden's daughter2) und Irländertum. Ihre Wirtschaft ist liederlich. Er selbst hat passive Energie, gar keine aktive, namentlich seit die Krankheit um sich gegriffen. Es ist daher nötig, daß er von vornherein in Manchester nicht verwöhnt wird, wenn er hinkommt. Er bedarf der Daumenschrauben von außen namentlich, damit sie sich keine Illusionen macht. Über den Garibaldi muß ich bald etwas haben. Es ist das einzige, was die Yankees interessiert. Einen Brief habe ich heute von meinem Berliner Advokaten3 erhalten, worin er mir seine Beschwerdeschrift beim Obertribunal mitteilt. Du erhältst sie später. Den Punkt wegen des Flugblatts und Blinds4 hat er selbst nicht richtig verstanden; andres dagegen ganz gut aufgefaßt. Salut. Dein K.M.
1 Siehe vorl. Band, S. 77 - 2 Tochter eines Kirchenvorstehers - 3 Justizrat Weber - 4 siehe vorl. Band, S. 23,449/450 und 465-469
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Marx an Engels in Manchester
[London] 1. Sept. 1860
Lieber Engels, Einliegend 1 Brief von Weydemeyer. Zweitens 1 Brief von meinem Advokaten1. Letztern mußt Du mir zurückschicken. Der Kerl hat offenbar den Punkt mit dem Flügblatt nicht verstanden, und würde ich ihm neue Information darüber geben, falls, was nicht wahrscheinlich, das Obertribunal die Sache zur wirklichen Verhandlung wieder vor das Stadtgericht verweisen sollte. Es ist dies eine Schönheit der preußischen Jurisprudenz. Ich bin jetzt durch 5 provisorische Instanzen gegangen, ob „die bürokratische Erlaubnis" erteilt wird, den Prozeß wirklich zu führen. So etwas kommt nur im „Lichtstaat" Preußen vor. Es ist ietzt 3 Uhr. Ich glaube daher nicht, daß Dein Garibaldi-Artikel2 noch eintreffen wird. Ich würde Dich nicht so bother3 mit dem Zeug. Aber sonst, während der Wahlen, lesen die Yankees nichts über auswärtige Politik save4 die melodramatischen Ereignisse in Italien. Außerdem höchstens noch Artikel über harvest und trade5, und deren kann man natürlich anstandshalber nur einen die Woche schreiben.11181 Dein K.M.
Der General der Mösin6 ist „Sauernheimer", den Abt zum General der „Bürstenheimer" 7 ernannt hat. Die Sendung erhalten (Donnerstag).11191
1 Justizrat Weber - 2 „Das Vordringen Garibaldis" - 3 belästigen - 4 ausgenommen - 5 Ernte und Handel - 6 Sibylle Heß - 7 siehe vorl. Band, S. 477
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Marx an Engels in Manchester
[London, Anfang September 1860]
Lieber Frederick, Es ist mir lieb, wenn Du mir die „Guariians" schickst. Den Empfang der 5 £ glaubte ich im letzten Brief angezeigt zu haben. Einen aus Schottland datierten Brief von Gumpert erhalten. Nächstens mehr. Salut. Dein K.M. Von Siebel noch nichts gehört. Die Wendung, die meiner Ansicht nach jetzt zunächst bevorsteht, ist Piemont contra Mazzini.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13. Sept. 1860
Lieber Engels, Ich hoffe auf einen Artikel von Dir für Sonnabend. Wenn irgend möglich. Einliegend juristisches Gutachten auf die von mir gestellten Fragen von Zimmermann.1 (Mir nächste Woche zurückzuschicken.) Außerdem zur Erheitrung Kopie eines Briefs, den Eccarius mir mitgeteilt. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 15. Sept. 1860
Lieber Engels, Thanks for the article.1 Ich schicke Dir einliegend Eichhoffs Schrift[1201, die Du aber nach 2 bis 3 Tagen mindestens unverletzt zurückschicken mußt. Sie gehört nicht mir. Der Wisch war kaum erschienen, als er in Berlin konfisziert ward. Das Exemplar ist das einzig in London vorrätige. Die Abteilung II, über Patzke etc., so schlecht geschrieben, ist zum Totlachen. Außerdem siehst Du, wie es mit den Saugerichten in Berlin steht. Hundepresse in Berlin, die ihren ganzen liberalen Löwenmut an Bombalino2 ausspritzt, so daß ihr nichts übrigbleibt für ihren Patzke, ihre Gerichte und ihren höchst lausigen Prinzregenten3. Der Garibaldi ist eine wahre Rettung. Otherwise4 würde Bonaparte wieder popularisiert und gehalten werden durch heilige Allianz RußlandPreußen- Ostreich'1211. Unser sanfter Heinrich Bürgers - doch das wirst Du aus der einliegenden Epistel Lassalles (auch zurückzuschicken) ersehn - ist zum Prinzregenten übergelaufen. Lassalle schrieb mir zuerst, von Aachen, wo er Bäder gegen die Gicht braucht. Er sagt u.a., daß in Köln und Düsseldorf, wo die Arbeitervereine unter zwei uns unbekannten jungen Advokaten5 reorganisiert sind, eifrig meine Schrift gegen Vogt6 erwartet wird. Dieselbe Nachricht brachte Borkheim aus der Schweiz. Ich schrieb dem tretenden Lassalle', daß keine Aussicht (und dies ist der Fall nach Siebeis Briefen) außer Druck in London, von wo Petsch das Geschäft in Deutschland betreiben würde auf dem gewöhnlichen Weg (Leipzig), nach dem Ausland aber direkt. Dazu sei Geld nötig. Darauf der Brief des Burschen. So kömmt er aber nicht los. Ich schreibe ihm heute wieder.8 Er muß als Sündengeld
1 Vielen Dank für den Artikel. - 2 Franz II. (Sohn von Ferdinand II., König Bomba) 3 Wilhelm, Prinz von Preußen - 4 Sonst - 5 Bessel und Knorsch - 6 „Herr Vogt" - 7 siehe vorl.
wenigstens 30 £ schaffen. Borkheim gibt 12 £. Damit wäre schon größter Teil gedeckt. Einliegend Probe von Hirschfeld. Bogen käme auf 41/2 £. Geht aber auch so viel drauf wie auf zwei gewöhnliche Bogen. Sieh von dem unendlichen Brief L[assalle]s auf die letzten Seiten des Schlusses, wo er mir große Elogen über die Ökonomie9 macht. Er scheint vieles Ökonomische - dies geht mir klar aus seinen Phrasen hervor - nicht verstanden zu haben. Salut. Dein K.M. Apropos. Die „Neue Preußische] Z[eitung]" sagt, daß die „Demokratischen Studien" (Walesrode, Bamberger, Lassalle, Vogt, Grün, Oppenheim etc.) von 8 natürlichen und 2 künstlichen Juden geschrieben seien.
9 Karl Marx: „Zur Kritik der Politischen Ökonomie"
58
Engels an Marx in London
Manchester, 15.Septbr. 1860
Lieber Mohr, Inl. die Juristerei zurück.1 Morgen folgt der Brief von Jacob Wieseltier2 und der Eichhoff11201, den Gumpert noch liest. Der Brief unsres Wieseltiers hat mich sehr erheitert oder vielmehr meine Lippe zum Lächeln gewölbt, das ist immer eine famose Medizin für Deine Leber. Die Sachen über die preußische Regierung sind ganz interessant; aber am besten ist, daß der Kerl die Vorstellung hat, jetzt würden wir ihm doch wohl in der italienischen Frage recht geben!!! Jetzt, wo Cavour durch die revolutionäre Partei in Italien selbst direkt angegriffen und bedroht wird. Das ist naiv. Jetzt, wo Garibaldi] den Bfonaparte] in Rom angreifen wird, sollen wir zugeben, daß wir im Frühjahr d. J. hätten mit Cavour und Bonap[arte] gehn sollen und - qui sait?3 - jetzt noch vielleicht mit ihnen gehn! Über die Gegenwart ist Herr Wieseltier freilich sehr zurückhaltend. Der Druck Deiner Broschüre4 in London muß unter allen Umständen vermieden werden. Ich habe gleich noch einmal an Siebel geschrieben. Erstens würde die Geschichte gleich, vielleicht schon an der Grenze oder in Leipzig konfisziert, und zweitens, wenn dies auch nicht geschähe, so würde die Verbreitung auch wieder so hundemäßig schlecht ausfallen, daß niemand das Ding zu sehn bekäme. Wir haben die Erfahrung mit der Emigrationsliteratur nun schon hundertmal gemacht, immer dieselbe Effektlosigkeit, stets Geld und Arbeit in den Dreck geworfen und den Ärger dazu. Dazu, wo soll das Geld alle herkommen? Nach Deinem Brief müssen über £50-60 dazu nötig sein, und Lassalle schafft die 30 £ sicher nicht. Übrigens muß das Ding auch so gehalten sein, daß es in Deutschland gedruckt werden und zirkulieren kann; was kann uns eine Antwort an Vogt nützen, die niemand zu sehen bekommt? Auch sehe ich absolut nicht ein, warum hier konfiszierlicher Inhalt nötig sein soll. Selbst mit den jetzigen Preßzuständen kannst Du immer so viel sagen, daß die Preußen sich
totärgern, und das ist doch immer besser als eine Satisfaktion in partibus5, die nicht ins Publikum dringt und die Du Dir sozusagen bloß privatim machst. Vor ca. 3 Wochen schrieb ich einen Artikel an die „Allgemeine] Militär-Zeit[un]g" in Darmstadt über das Rifle movement6 und sagte den Kerls im Begleitbrief7, daß ich in Baden die Kampagne auf Seiten der Insurgenten mitgemacht'1221, weil ich bei diesen offiziellen Militärs nicht under false colours8 segeln durfte. Sie haben den Artikel aber richtig abgedruckt, und er ist jetzt auch hier englisch erschienen.111231 Ich schicke ihn Dir womöglich noch heut abend; ich brauche ihn nicht zurück, da ich mein eignes Exemplar in 8 Tagen bekommen werde. Diese Verbindung ist mir für militärische Sachen sehr viel wert. Die Geschichte mit der heiligen Allianz9 ist sehr fatal und hilft dem Bonap[arte] in Frankreich enorm. Der Zwischenfall mit Garibaldi ist die einzige Rettung. Indes bin ich begierig, was das liberale Philisterium in Preußen dazu sagen wird, daß es wieder unter Rußland kommt. Solche Saublätter übrigens wie die Berliner gibt's auf der Welt nicht; sie scheinen auch dem Wieseltier zuletzt zu arg geworden zu sein. Ich sage Dir, es ist unmöglich, die „National]-" und „Volks-Z[eitun]g" auch nur in die Hand zu nehmen, die langweilige Kohlerei und klugschisserige Fadaise10 stinkt einem schon 1000 Schritt weit entgegen. Auch Herr Miquel hat auf dem Nationalverein'22' gepaukt in echter nationalvereinlicher Weisheit. Heinrich11 aber hat endlich seinen Standpunkt gefunden. Grüße Deine Frau und Kinder. Dein F.E.
6 im Ausland - 6 „Eine Musterung englischer freiwilliger Jäger" - 7 siehe vorl. Band, S. 559 8 unter falscher Flagge - 9 siehe vorl. Band, S. 90 - 10 Abgeschmacktheit - 11 Heinrich
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Marx an Engels in Manchester
[London] Sept. 20. [1860]
Lieber Engels, Du mußt mir umgehend Eichhoff[120! und L[assalle]s Brief zurückschicken. Ich rechne für Sonnabend auf einen Artikel über Garibaldi, Lamoriciere oder Chinese war1. Näheres schreib' ich Dir wahrscheinlich morgen. In aller Eile. Dein K.M.
Trotz großer Zerrüttung in meinen hiesigen Geldverhältnissen habe ich Frau und Kinder auf eine Woche nach Hastings geschickt. Länger sie da zu halten, erlauben die Mittel nicht. Leider hatten sie fast immer Regen.
1 chinesischen Krieg
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Marx an Engels in Manchester
[London] 25.September 1860
Lieber Engels, Gestern die Familie wieder glücklich arriviert1. In bezug auf einliegenden Brief Danas folgendes: Nach Deiner Anwesenheit hier in London hatte ich Dana geschrieben, es sei mir lieber, wenn er den Artikel „Navy" 2 einem andern Mitarbeiter der „Cyclopaedia" überweise.11211 Ich erhielt seit der Zeit keine Antwort von ihm und betrachtete die Sache als dropped3, bis gestern der einliegende Brief einsprang. Wenn es Dir nun irgendwie möglich ist, die Sache zu machen noch so kurz und oberflächlich does not matter1 - so wäre das von der größten Wichtigkeit für mich grade jetzt, weil ich gezwungen war, zu einiger Luftschöpfung am 14. September einen Wechsel für 2 Monate auf Dana (2 Monate post datum zahlbar) vorzuziehn. Ich schrieb ihm dabei, mich auf seine alte Freundschaft berufend, da dies sonst gegen die principles der „Tribüne". Mein Brief hat sich nun mit dem seinigen gekreuzt. Also gilt es grade jetzt, ihn bei Laune zu halten, abgesehn davon, daß er in dem Glauben bleiben muß, wir könnten alles machen. Wenn also irgend möglich, so tust Du mir den größtmöglichen Gefallen, wenn Du die Sache machst. Zehn Seiten war das von Dana vorgeschriebne Maximum. Fife do also6, wenn es nicht anders geht. Es handelt sich darum, überhaupt etwas zu liefern. How with6 Lamoriciere?7 Was sagst Du von der Garibaldi-Situation? Kossuth ist abgestunken durch Mazzinis Dazwischenkunft, er war von Bonaparte geschickt. Gfaribaldi] sollte Rom beiseite liegenlassen und direkt auf Venedig losgehn.'1251 Nun ad vocem8 Vogt. Die Sache wird hier gedruckt.
1 angekommen - 2 „Flotte" - 3 erledigt - 4 spielt keine Rolle - 5 Fünf genügen auch - 6 Wie steht es mit - 7 siehe vorl. Band, S. 94 - 8 betreffs
1. Geld. Ich habe nur 25 £ zu zahlen. 12 von Borkheim, 8 hat Lassalle mir zugesagt. Bleiben 5. Die andern Druckkosten, ditto Versendungskosten zahlt Buchhändler Petsch. Wir sind sharers to equal parts9 im Profit, nach Abzug und Rückerstattung der Kosten. Ich stellte nämlich dem Petsch dies jetzt als einzige Bedingung, unter der ich die Sache in London erscheinen lassen würde. 2. Konfiszierbar ist die Sache nicht. Dies war Mißverständnis von Lassalle. Ich schrieb ihm umgekehrt, sie sei nicht konfiszierbar, könne aber in Berlin nicht erscheinen, weil kein Buchhändler dort die Sachen wegen des Kommunistenprozesses121 drucken würde. 3. Wir befinden uns nicht mehr in der Epoche 1850 - 58. Petsch hat seine Kommissionäre in Leipzig, Berlin und Hamburg. Die Sache wird also durch den ordentlichen Buchhändlerweg in Deutschland betrieben. Nach Belgien, Schweiz und Amerika besorgt Petsch sie direkt durch seine dortigen Kommissionäre, womit viel Zeit gespart wird. Annoncen in Zeitungen, Buchhändleranzeige etc. wird hier mit meiner Mitwirkung besorgt. Dem Siebel werden wir 50 Exemplare zur Verteilung an Journale etc. zuschicken. Konfiskation halte ich für unmöglich. Vogt ist nicht der Prinzregent10, und Stieber ist offiziell in Ungnaden. Im Politischen halte ich mich absichtlich en reserve11. 4. Wir sparen Zeit, denn in Deutschland könnten wir noch Monate umherlaufen; dann Zeit in der Korrektur etc. Es ist Petschs erster Verlag (neben einem Pamphlet Borkheims gegen Abouttl26)), und er wird sich, schon in seinem eignen Interesse, alle mögliche Mühe geben. 5. Wenn die Sache gut geht, was ich alle Ursache zu glauben habe, wird Petsch Pamphlets, sei es von Dir oder mir, deutsch oder englisch, herausgeben und dem Burken12 durch deutsche Buchhändler ein Ende gemacht. (2 Bogen schon gedruckt.) Es scheint mir daher, daß diesmal die Not eine Tugend ist. Qu'en pensez-vous?13 Ich glaube, daß „Po und Rhein", ditto „Savoyen etc." viel mehr Lärm gemacht hätte, wenn es hier in London erschienen wäre. Salut. DeinK.M.
Apropos. „Ex-Reichs-Vogt" schien Dir mit Recht unpassender Titel. „Karl Vogt" scheint mir unpassend, weil ich nicht den „Karl Marx"'hinter
9 gleichberechtigte Teilhaber-10 Wilhelm, Prinz von Preußen -] 1 zurück -12 Totschweigen
den „Karl Vogt" setzen will. Also mein beabsichtigter Titel: „Dä-DäVogt". Dä-Dä ist nämlich, wie ich in dem Abschnitt zeige, der die Kritik von Vogts „Studien" enthält, ein arabischer Schriftsteller, der in Algier ganz so von Bonaparte benutzt wird wie Vogt in Genf. Dä-Dä puzzelt14 den Philister und ist komisch.
14 verblüfft
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Engels an Marx in London
Manchester, 1. Okt. 1860
Lieber Mohr, Wohin ist denn Deine Familie verreist gewesen, wenn sie glücklich wieder da ist?1 Ich weiß von nichts. Wohl nach der seaside2 oder aufs Land? und hoffentlich gut bekommen. Navy3 kommt jetzt sehr ungelegen.4 Ich sitze tief im Dreck mit den lawyers5 wegen der Geschäftsgeschichten - was das für Verschleppungen hier sind, davon hat man in Deutschland keine Idee, und jetzt müssen mir die Kerls grade für diese Woche mit einer Masse Akten p.p. auf den Pelz rücken. Indes will ich mein Bestes tun, aber sehr rasch wird und kann's nicht gehen, ich bin durchaus nicht au fait6. Quanto a7 Vogt8: Ich muß sagen, Dein Titel gefällt mir gar nicht. Willst Du ihm einen Spitznamen geben, so muß es doch einer sein, den man versteht, ohne das Buch gelesen zu haben, oder er darf im Buch selbst erst vorkommen nach der erklärenden Stelle. Ich glaube, je einfacher und ungesuchter der Titel ist, desto besser, nur muß außer Vogt noch womöglich Bonaparte oder mindestens Plon-Plon drin vorkommen. Geniert Dich „Carl" Vogt, so nenne ihn Herr Vogt, obwohl ich nicht sehe, warum der „Carl" nicht vor dem „Karl" stehn kann - darüber wird Dir niemand einen Witz reißen. Druck in London: Ich habe kein Zutrauen in einen Verlag, wobei wir das ganze oder halbe Geld zuschießen müssen. Inl. Brief Siebeis beweist Dir, daß er die Sache noch lange nicht für verloren gab, im Gegenteil, und daß er nur auf Instruktionen gewartet hat, um zu agieren (schick ihn zurück, er ist noch nicht beantwortet). Ich habe das mit dem Druck im Auslande nun zu oft angesehn, und ich fürchte, es geht diesmal wieder grade so. Wenn Vogt eine Ausnahme macht (und doch war sein Ding in Frankfurt gedruckt!), so wurde er von der Presse poussiert, was uns sicher
1 Siehe vorl. Band, S. 101 - 2 an die See - 3 Flotte - 4 siehe vorl. Band, S. 95 - 5 Advokaten
nicht geschieht. Außerdem wird Herr Petsch, da er die Annoncen p.p. zahlen muß, nicht so sehr bei der Hand sein, zuviel zu annoncieren. Tu verras.9 Jedenfalls hättest Du in Deutschland unbedingt längst einen Verleger haben können, wenn Du den Siebel ordentlich in Bewegung gesetzt, und ich halte das immer für besser; auch wird die kleine Hirschfeldsche Setzerei nicht zu eilig drucken. Indes, die Sache ist im Gang, und wir, müssen jetzt sehn, wie's abläuft. In der Annonce glaube ich, daß Du am besten weiter nichts zum Titel hinzusetzest als die Überschriften der Kapitel, das wird vollständig hinreichen. Und vor allen Dingen treibe, daß die Geschichte fertig wird. Wenn Du 3-4 Bogen fertig gedruckt hast, könntest Du mir einen Abzug davon schicken. Apropos! Wieviel ist bei Dana 5 oder 10 Seiten? Ich hab' keine Idee davon. Lamoriciere ist von den Piemontesen schmählich überfallen worden.. Er war nach der Seite gar nicht gerüstet, deckte sich bloß gegen Garibaldi und besetzte die schlechten Zitadellen der Städte mit kleinen Garnisonen, bloß gegen Aufstände hinreichend. Daher die Reihe von Kapitulationen, die Piemontesen waren überall 6 gegen 1. Bei Castelfidardo haben sich die Ostreicher sehr gut geschlagen, ebenso in Ancona, das gar keine Festung ist nach der Landseite, im ganzen aber zeigt die päpstliche Armee, wie wenig mit sonst teilweise guten, aber heterogenen und von allerhand fremden Offizieren kommandierten Truppen zu machen ist. Freilich waren die Piemontesen 3:1. Dem Garibaldi scheint militärisch der Atem auszugehn. Er hat seine guten Truppen so zerteilt unter die sizilianischen und neapolitanischen Bataillone, daß er nichts Organisiertes mehr hat, und sowie er an eine einigermaßen verteidigte Flußlinie kommt, mit einer nicht dominierten Festung wie Capua, kommt er zum Stehen. Ernsthaft ist das vorderhand nicht, weil die 30 000 Neapolitaner auf dem kleinen Strich nicht leben können und in 14 Tagen sich auflösen müssen oder vorgehn, was ihnen nichtgelingen wird. Aber auf den Quirinal11271 wird Garibaldi] wohl schwerlich ohne ganz besondre Zufälle so bald kommen. Dazu jetzt das Geschrei der Cavourianer; diese elenden Bourgeois sind imstande, seine Position in kurzem unhaltbar zu machen, so daß er als pis aller10 angreifen muß, ehe er imstande ist zu siegen. Wichtig wäre es sonst, die Neapolitaner so rasch wie möglich kaputtzumachen, und dann die Piemontesen zum
8 Du wirst sehen. -10 Notbehelf
Fraternisieren zu bringen, ehe Viktor Em[anuel] zu ihnen kommt, denn dann ist's zu spät, und sie würden dem Viktor Em[anuel] treu bleiben. Aber es ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, daß Garibaldi] die Franzosen in Rom[12S1 öffentlich in dieselbe Kategorie wie die Östreicher in Venedig gesetzt hat; ob das jetzt gleich ausgeführt wird, sie auszutreiben oder nicht, ist weniger wichtig. In Ostreich sieht es famos aus. Ein Nationalvereinsphilister, Rheinpreuß', der in Bayern (Franken) wohnt, erzählt, die Münchner, die neulich nach Wien zum Eisenbahnfest gegangen, im guten Glauben an die Berichte der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" über die östreichischen Zustände, seien ganz begossen zurückgekommen, so anders hätten sie alles gefunden. Die Östreicher hätten ihnen erklärt, das sei alles Schwindel, und die Zustände dort seien nicht länger mehr zu ertragen. Auch hätten die Bourgeois in Ostreich bereits ihr Spezifikum11 gegen die Finanzverwicklungen: in Ostreich gehören 20% alles Grundeigentums den Pfaffen, und diese müßten konfisziert werden. Kann man sich eine famosere revolutionäre Lage denken? Wo bleibt gegen ein solches Programm die ganze preußische Klugscheißerei mitsamt ihrem Nationalverein1-221? Aus den Schriften des Prinzen Friedrich Karl und des Herrn Waldersee habe ich mich jetzt definitiv überzeugt, daß die Preußen ihre Armee so famos eingerichtet und abgerichtet haben, daß sie notwendig geschlagen werden müssen. Um über die Übelstände des 45jährigen Mangels an Kriegserfahrung wegzukommen, haben sie sich einen künstlichen konventionellen Krieg in den Manövern geschaffen, wo alles anders ist als im wirklichen Krieg, und wo den Soldaten und Offizieren das Sichzurückziehn bei jedem Vorwand ausdrücklich beigebracht wird, und wo ihnen ganz falsche Vorstellungen und Dinge eingepaukt werden. Z.B. bei einem Manöver dürfen die Soldaten natürlich nicht in die Häuser eindringen und sie besetzen; man markiert also die Häuser als besetzt, indem man die Soldaten auswendig herum aufstellt. Ein preußischer Hauptmann bekam in Schleswig die Ordre, im Gefecht ein Gehöft zu besetzen, und stellt richtig seine Leute auswendig um die Umzäunung auf wie beim Manöver! Dies hat Waldersee selbst gesehn. Übrigens ist der Prinz Friedrich] Karl als Soldat gar kein übler Kerl und haßt den preußischen Kamaschendienst sehr. Ob er aber als Kommandant was wert ist, ist nicht zu sagen.
Dein F E
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Marx an Engels in Manchester
[London] 2. Okt. 1860
Lieber Engels, Du mußt einen Brief von mir nicht erhalten haben, denn ich schrieb Dir, daß meine family auf 8 Tage an der seaside1 sei.2 Was die Danaschen Seiten angeht3, so ging eine Deiner großen Seiten (z.B. in Artillerie) auf eine Danasche. Siebeis Brief hat auf mich grade den umgekehrten Eindruck hervorgebracht als bei Dir, nämlich den seiner Hülfslosigkeit. Meißner steht durch die „Demokratischen Studien" direkt im feindlichen Lager. Außerdem ging aus seiner Privatunterhaltung mit Siebel hervor, daß er eine „würdige" Besprechung erwartete und Vogt für einen großen Mann hält. 0. Wigand ist mein persönlicher Feind und schrieb mir vor Jahren auf mein Anerbieten, ihm den „I8ten Brumaire" zu überlassen (sogar gratis), eine lümmelhafte Antwort.11293 Oelbermann in Bonn ist eine reine Illusion. Ich kenne den Meridian von Bonn. Überhaupt ist die Schrift4 kaum verlegbar in Deutschland (namentlich da Siebel keine buchhändlerische Verbindung in Leipzig) nach dem Stil, der sich während den 10 Reaktionsjahren eingenistet hat. Und nun gar das Manuskript herumhausieren zu lassen von einem zum andern, wodurch sich das Ganze ausschwatzte, ohne deshalb — oder doch erst nach langen Irrfahrten - an den Mann zu kommen! Ich würde Cotta, Brockhaus oder selbst Campe natürlich Herrn Petsch vorziehn; unter besagten Umständen aber betrachte ich ihn noch als einen windfall5. Borkheim, der ein sehr guter Geschäftsmann ist, hat viel Fiduz6 in Petsch. Endlich waren unsre letzten Erfahrungen in Deutschland kaum aufmunternd. Der Druck bei Hirschfeld wird diese Woche rascher vorangehn. Er hatte noch allerlei Zeug auf der Hand, das abgearbeitet werden mußte. Titel werde ich mir noch überlegen. Der Umstand, daß Dä-Dä den
1 See - 2 siehe vorl. Band, S. 98 - 3 siehe vorl. Band, S. 99 - 4 „Herr Vogt" - ^Glücksfall
Philister puzzlen7 wird, gefällt mir und paßt mir in das system of mockery und contempt8. Jedoch werde ich erst (der Titel ist ja das letzte, was gedruckt wird) noch ausführlich mit meinem kritischen Gewissen9 zu Rat gehn. Der Inhalt ist folgender: I. Die Schwefelbande. II. Die Bürstenheimer. III. Polizistisches. 1. Selbstgeständnis. 2. Der Revolutionstag zu Murten. 3. Cherval. 4. Der Kommunistenprozeß zu Köln. 5. Lausanner Zentralarbeiterfest. 6. Buntes. IV. Techows Brief. V. Reichsregent und Pfalzgraf. VI. Vogt und die „Neue Rh[einische] Zeitung". VII. Die Augsburger Kampagne. VIII. Vogts „Studien". IX. Agentur. X. Patrone und Mitstrolche. XI. Prozeß gegen die „National-Zeitung". XII. Beilagen. Da Du jetzt keine Zeit für Artikel hast, so schreib mir privatim, sooft etwas Militärisches in Italien vorfällt, ganz kurz die Hauptpunkte. Dann dodge10 ich selbst das Nötige zurecht. J.Ph.Becker will nach Neapel (Schily ihn begleiten). Er will dort ein deutsches Freikorps stiften. (!!!) Ich bin ganz abgebrannt. Kannst Du mir ein paar £ für diese Woche noch schicken, so sehr welcome11. Salut. Dein K.M.
Die Schamlosigkeit der „Times" (gestern), daß Garibaldi so lang „confidence" inspirierte, „as he could be believed to be the agent of the secret intentions of Napoleon III."*2, geht doch über die Bäume. Der Clown Edwin James in seinem funk13 ist durchgebrannt bis nach London, wo er vorgestern eintraf. Kossuth hat in der plonplonistischen „Opinion nationale" einen im bonapartistischen Sinn und Auftrag abgefaßten Brief an Garibaldi gerichtet.'1301 Dein rifle-Artikel14 hat die Runde der ganzen Londoner Presse gemacht; ist auch im ministeriellen „Observer" besprochen worden. Dies war a sensation.
7 verblüffen - 8 System des Hohnes und der Verachtung (siehe vorl. Band, S. 97/98) -9 gemeint ist Jenny Marx -10 stutze -11 willkommen -12 „Vertrauen" einflößte, „solange man ihn für den Agenten der geheimen Absichten Napoleons III. halten konnte" -13 seiner großen Angst
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Engels an Marx in London
Manchester, 5.0kt. 1860
Lieber Mohr, Inl. £ -5.-Note E/L 33 688 Manchester, 12.Jan.60. Ich hätte sie schon früher geschickt, aber Gumpert pumpte mich um zehn Pfund an, und da mußte ich ein paar Tage warten, um nicht durch viel auf einmal aufgenommenes Geld auffällig zu werden. Was den Druck in London angeht, so ist es natürlich die Hauptsache, daß das Ding1 erscheint und rasch; aber Druck in Deutschland war vorzuziehen und war auch unbedingt zu erlangen. Petsch mag noch so sharp2 sein, ein deutscher Verleger, z.B. Meißner (der lange nicht der Biedermann ist, als den Du ihn Dir vorstellst, sieh nur seine Verlagskataloge an), hat ganz andre Macht, die conspiration du silence3 zu brechen. Und keinesfalls konnte ich es als ein Glück ansehn, daß die Partei noch Kapital dabei investieren muß, was doch rar genug bei uns ist. Titel - ich wiederhole Dir, und das ist auch ganz entschieden des Lupus' Ansicht, daß jedenfalls der Titel der unglücklichste ist, den man erst verstehn lernt, nachdem man das halbe Buch durchgelesen. Der Philister interessiert sich schon lange nicht mehr so sehr für Vogt, daß es ihn puzzlen4 sollte, warum Du ihn Dä-Dä nennst. Das einzige, was den Vogt interessant machen kann, ist sein Zusammenhang mit Bonaparte und Plon-Plon, und das mußt Du auf dem Titel betonen, um den Philister neugierig zu machen. Mit dem System of mockery and contempt5 bringst Du, was den Titel betrifft, schwerlich etwas andres als einen affektierten oder gesuchten Titel heraus. Der einfachste Titel ist sicher der beste; die mockery and contempt kommt im Buch schon früh genug. Pere6 Garibaldi hat also doch wieder die Neapolitaner geklopft und 2000 Gefangne gemacht.'1311 Der Eindruck des Kerls auf die Truppen muß fabelhaft sein. Sehr gut, daß Türr und die Theorie Rüstows sich
1 „Herr Vogt" - 2 gerissen - 3 Verschwörung des Schweigens - 4 verblüffen - 6 des Hohnes und der Verachtung (siehe vorl. Band, S. 101/102) - 6 Vater
blamiert haben. Der letztere hätte sich sonst unbedingt in den Kopf gesetzt, deutscher Garibaldi] werden zu wollen; bei den Bourgeoisrepublikanern konnte der Kerl gefährlich werden. Mit Bombalino7 wird's jetzt wohl bald aus sein; die Truppen werden bald nichts mehr zu fressen haben und auseinanderlaufen, der kleine Bezirk kann sie nicht ernähren. Weiter ist über diese Geschichte vorderhand nichts zu sagen. Übrigens ist nicht zu leugnen, daß der re galantuomo8 mit viel pluck9 sein Spiel spielt, wenn er jetzt nach Neapel geht. Der Sukzeß10 von meinem Rifle-Artikel11 war nicht so ganz von selbst. Ich schickte das Blättchen stark rot angestrichen an die Haupt-Londoner und hiesigen Lokalblätter und schrieb ihnen etwa folgendes: The Correspondent, for England, of the ,,A[llgemeine] M[ilitär]-Z[eitung]" presents his compliments to the Editor of the ... and begs to call his attention to an article of his in the „V[olunteer] J[ournal]" (a copy of which is sent by post) on the Newton review. As this is the first professional opinion of a foreign military paper on the voluntary movement, it may be of interest.12 - Natürlich ganz anonym. An die „Times" hatte ich nicht geschrieben, sie brachte aber doch einen Auszug.'1321 Siebel hat ein Porträt seiner Braut13 hergeschickt, sehr schön, Marie Antoinette mit ganz geringer Hinneigung zur keuschen Eugenie, dabei aber sehr männlich - she will wear the breeches14. Er wird sich noch über das „vernünftige Wesen" wundern. Madame labaronne15, ihre Mutter, war eine Putzmacherin - Ladengehülfin in Düsseldorf und soll noch sehr häufig im Biergarten von Küpper nachmittags ihre 3-4 Seidel vertilgen. So erzählt das Philisterium. Nach den neuesten Nachrichten ist Garibaldi Enkel oder Urenkel des Dr. Jos.Bapt.Maria Garibaldi aus Ajaccio, der, von König Theodor Neuhof nach Deutschland geschickt, sich dort mit Fräulein Katharina von Neuhof in Westfalen verheiratete und nach dem Sturz seines Schwagers in Nizza niederließ.'1331 In dem Gesicht ist wirklich ein westfälischer Zug. Ewerbeck und Willich sind jeder in seiner Art Karikaturen von Garibaldi].
7 Franz II. (Sohn Ferdinands II., König Bomba) - 8 galante König (Viktor Emanuel II.) 9 Glück - 10 Erfolg - 11 „Eine Musterung englischer freiwillige Jäger" - 12 Der englische Korrespondent der „Allgemeinen] M[ilitär]-Z[eitungl" empfiehlt sich dem Redakteur der... und erlaubt sich, seine Aufmerksamkeit auf einen von ihm in dem „Vfolunteer] Jfournal]" veröffentlichten Artikel (wovon ein Exemplar durch die Post zugesandt wird) über die Musterung in Newton zu lenken. Da dies das erste fachliche Urteil eines ausländischen Militärblattes über die Freiwilligenbewegung ist, dürfte er von Interesse sein. - 13 Reinhilde von
Im ersten Heft des dritten Jahrgangs von Kolatscheks deutscher Monatsschrift soll ein sehr heftiger Artikel gegen Vogt sein.'1341 Grüße die family herzlich. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 11. Okt. 1860
Dear Frederick, Ich bin sehr beschäftigt diesen Augenblick. Schreibe Dir am Sonnabend. Broschüre von Braß11351 einiges Gute drin. Wo möglich, schick mir ein paar Instruktionszeilen (bis Sonnabend) über Garibaldis grand battle.11311 Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 25.Okt. 1860
Lieber Engels, Einliegend der Brief Webers, dem ich also about1 6 Taler schicken muß, womit der Spaß mit dem preußischen Gericht zu Ende ist.11361 Du kannst Siebel darüber Mitteilung machen. Ich werde später about 1 Bogen „On Prussian Justice"11371 hier in London publizieren, aber erst, nachdem das Buch2 glücklich in Deutschland. In den ersten 4 Wochen ging's sehr langsam bei Hirschfeld, einmal weil Setzer Zinn ihm durchgegangen, er sehr viel zu tun hatte, und einer meiner Bogen mehr als 2 gewöhnliche Druckbogen ist. Ich habe jedoch vorige Woche schriftlichen Kontrakt mit ihm gemacht, wonach er bis Nov. 15. fertig sein muß. Kolatschek, letzte Nummer der „Stimmen der Zeit", hat die Sache wieder aufgefrischt in den „Juchheisten"3, worin Freund Lassalle u.a. öklich fortkommt. Wie steht's mit der Navy?4 Glaubst Du, daß es noch in diesem Herbst zu einem Krieg kommen kann? Ich habe die Hände so vollauf zu tun mit Korrekturen und bürgerlichen Laufereien, daß ich einstweilen so wenig Zeit zum Schreiben an Dich fand. Salut. Dein K.M.
1 ungefähr - 2 „Herr Vogt" - 3 siehe vorl. Band, S. 105 - 4 siehe vorl. Band, S. 95
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5.Nov. 1860
Lieber Engels, Freitag vor acht Tagen schickte ich Dir Webers1 letzten Brief, den ich zwückbrauche. Ich hoffe, es ist Dir kein Unglück passiert, da ich gar nichts von Dir höre. Ich habe die Hände vollauf zu tun, teils private business2, teils die Korrektur3 (immer zweimal); hatte in letzter Woche auch den Abschnitt über den Prozeß infolge der Verfügung des Obertribunals ganz umzuschreiben11381, endlich „Tribüne". Der „Manchester Guardian" soll von Zeit zu Zeit jetzt Interessantes von Paris haben? Salut. Dein K.M.
Du siehst, was dabei herausgekommen wäre, wenn ich mich auf Siebel verlassen hätte. Seit länger als 2 Wochen habe ich bei ihm angefragt, ob er die Besorgung (Zusendung) der Exemplare für die Journale etc. in Deutschland (und für welche?) übernehmen wolle? Natürlich keine Antwort.
1 Justizrat Weber - 2 persönliche Angelegenheiten - 3 der Streitschrift „Herr Vogt"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13. Nov. 1860
Lieber Engels, Aus Deinem Brief11391 sehe ich, daß Du selbst in Geldschwulität. Nichtsdestoweniger muß ich Dich, da ich nichts Versetzbares mehr habe, bitten, mir die zugesagten £ 5 wo möglich im Lauf dieser Woche zu schicken. Nächsten Sonnabend (17.Nov.) habe ich 25 £ auf Wechsel an Hirschfeld zu zahlen und habe das Geld noch nicht ganz zusammen. Das Buch1 (12 Bogen, nach gewöhnlichen Druckseiten 24) wird nächste Woche fertig. Ich habe den Abschnitt über den Prozeß, ursprünglich nur ein paar Seiten, infolge des Obertribunal-Urteils ganz umgeschrieben. Wird jetzt ungefähr 1 Druckbogen. Der ganze letzte Bogen Petit (Beilagen). Ich habe Dir die einzelnen Bogen nicht geschickt, weil das den ganzen effect der Schrift, dieser wie jeder andern, verderben mußte. Ich werde Dir 6 Exemplare schicken, 1 für Dich, 1 für lupus, 1 für Gumpert, 1 für Borchardt, eins für Heckscher, 1 für Charley2. Deine Frage über Lommels Broschüre1771, von der Du nichts mehr gehört „und die das Geld gekostet", scheint eine Art Vorwurf für mich zu enthalten. D'abord3, wenn kein Centime herausgekommen, konnte ich das wichtigste Kapitel für die persönliche Attacke gegen Vogt, „Agentur", ohne Lommel nicht schreiben. Der Mann hatte auf meine verschiednen crossexaminations1 wenigstens 40 Briefe zu schreiben. Dazu übersandte er mir seine ursprünglich der „Allgemeinen] Z[eitung]" bestimmte Erklärung gegen Vogt.11401 Ich sehe nicht ein, daß unsrer Partei ganz fremde Leute verpflichtet sind, gratis für uns zu arbeiten. Übrigens sagte mir Petsch gestern, daß er für 2-3 £ verkauft hat und den Rest (er hat eben davon eine neue Anzeige in Deutschland gemacht), soweit er sich nicht verkauft, jedenfalls in den United States und Australien losschlägt. Die Ansicht, daß meine Schrift durch Siebel, der nur belletristische Verbindungen hat, in Deutschland unterzubringen war (vielleicht
1 Karl Marx: „Herr Vogt" - 2 Charles Roesgen - 3 Zunächst - 4 Kreuz- und Querfragen
1880), wirst Du aufgeben, sobald Du die Schrift gelesen. Siebel hat geschrieben. Ich habe im Titel Dir nachgegeben und (gestern) „Herr Vogt" gesetzt. Meine Frau war absolut dagegen und bestand auf „Dä-Dä Vogt", indem, wie sie sehr gelehrt bemerkt hat, selbst in den griechischen Tragödien Titel und Inhalt auf den ersten Blick oft keine Verbindung zeigen. Ich weiß nicht, ob Du Kolatscheks „Stimmen der Zeit" gesehn. Der Artikel „Juchheisten" (worin unser Freund Lassalle bös' wegkömmt) gibt in der Tat (obgleich Esel Kolatschek vergessen, das zu sehn) durch ein mitgeteiltes fact Aufschluß über Vogts Motiv zum Verkauf an Bonaparte. Anfang 1858 wurde zu Genf eine Aktiengesellschaft, irgendeine beliebige Vermöblungskreditbank gegründet, „La Cimentaire". Außer dem Direktor, der nicht genannt, war Vogt Mitdirektor. Am Ende des Jahrs 1858 hatten die Herrn Direktoren das ganze Kapital aufgegessen, Bankerutt. Der managing director5 wurde eingesperrt. Kriminalprozeß sollte folgen. Vogt, vom Nationalrat in Bern, stürzt nach Genf. Fazy schlägt den Prozeß nieder. Die Aktionäre erhalten keinen Centime.llsi] Aus denselben „Juchheisten" (warum nennt Kolatschek, by the by6 gesagt, an die Östreicher verkauft, sie nicht Juchheiten?) seh' ich, daß der „Juchhe! nach Italien!" (ich konnte mich nämlich nicht überwinden, selbst die mir von Borkheim zur Disposition gestellten „Demokratischen Studien" der Vogtclique zu lesen), nämlich der Bankier „L.Bamberger" in Paris, 1848 Redakteur der „Mainzer Zeitung", ekelhafter Kakerlake, sich unterfangen hat, von „Kommunisten auf Halbsold" zu sprechen11411. Ich habe diesen Klugscheißer daher noch nachträglich in Vogts Mitstrolche kurz hereinnotiert, ebenso einige paar schlechte Witze über die andern Juchheisten, L.Simon, Hartmann (der dem Borkheim in der Schweiz sagte, Vogt habe mich getötet) und H.B.Oppenheim hereingebracht. Salut. Dein K.M.
6 geschäftsführende Direktor - 6 nebenbei
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Marx an Engels in Manchester
[London] City, 14. Nov. 1860
Lieber Engels, Unsere beiden Briefe haben sich gekreuzt. Ich schreib' Dir diese paar Zeilen im Lokal Borkheims, um die £ 5 anzuerkennen, die heute morgen angelangt sind. Mein seltnes und nur auf ein paar Zeilen beschränktes Schreiben in der letzten Zeit mußt Du einfach erklären aus Überbeschäftigung, Unwohlsein und trouble1 aller Art. Mit Ende nächster Woche, wenn ich die Hände wieder frei habe, werde ich wieder im alten Stiefel schreiben. Ich habe Dir heute per Post die gestern von mir erwähnte Nummer der „Stimmen der Zeit" geschickt, die ich aber spätestens bis nächsten Mittwoch zurück haben muß, da ich sie entlehnt habe. Die dankenswerte Notiz aus dem „Guardian" bringe ich unter in einer der „Beilagen" - im Schlußkapitel.11431 Biscamp hat vorgestern geheiratet; eine amerikanische Hure. Glück auf. Imandt hat geschrieben. Hat eine Tochter. Ist dünn wie eine Reitgerte geworden; den ganzen Sommer bis jetzt krank. Pauvre diablei2 Borkheim läßt grüßen. B[orkheim] hat die Erlaubnis von seinem Hause erhalten, Privatweingeschäfte zu machen, und empfiehlt sich Dir, wenn Du ihm in dieser line3 behülflich sein kannst (alle möglichen Weinsorten). Sonst nichts Neues. Salut. Dein K.M.
1 Sorgen - 2 Armer Teufel! - 3 Richtung
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Marx an Engels in Manchester
[London] 21. Nov. 1860
Lieber Engels, Meine Frau liegt seit Montag nieder an einem sehr bösartigen Nervenfieber. Ich habe gestern, auf ordre des Dr. Allen, sämtliche 3 Kinder außer dem Haus untergebracht, da er mögliche Ansteckung fürchtete. Allen erklärt die Krankheit für gefährlich, hofft aber durchzukommen. Vergangnen Sonnabend fühlte meine Frau sich schon sehr unwohl, und ich bemerkte Zeichen von Fieber, wollte also den Doktor rufen. Sie wollte aber nicht. Ditto Sonntag. Montag natürlich ließ ich mich nicht länger abhalten und fühlte sie auch selbst, daß es sich nicht um eine gewöhnliche Erkältung oder dgl. handelte. Szemere ist hier. Wird auch durch Manchester reisen und Dich besuchen. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 23. Nov. 1860
Lieber Frederick, Besten Dank für die £ 10 und Navy (famoser Artikel)1. Was nun die Krankheit meiner Frau betrifft, so steht es in einer Art besser, in der andern schlechter, als ich wußte. Allen hatte mir nämlich, bis der Charakter der Krankheit dezidiert2 war, ihre wahre Natur verheimlicht. Gestern ging das nicht mehr. Was meine Frau hat, sind - small pox3, und zwar sehr bösartig, obgleich sie zweimal vakziniert4. (Du sagst dies niemand außer lupus.) Daher brachte Allen auch gleich die Kinder aus dem Haus. Es ist eine scheußliche Krankheit. Sollte Lenchen5 angesteckt werden, so schicke ich sie gleich ins Spital. Ich selbst habe Krankenwärterdienste (die hauptsächlichen) bis jetzt getan. Da mich das aber zu sehr anstrengt, habe ich heute sofort mit dem Eintreffen der £ 10 eine Wärterin gemietet. Meine Frau befand sich seit vielen Wochen in einem außerordentlichen nervösen Zustand, da wir viele troubles6 hatten, und so hatte sie mehr Empfänglichkeit, in einem Omnibus, Laden oder dgl. das Gift to catch7. Artikelschreiben ist bei mir beinahe out of question8. Die einzige Beschäftigung, wodurch ich die nötige quietness of mind9 aufrechterhalten kann, ist Mathematik. Ich habe in den letzten Wochen an die „Tribüne" de omnibus rebus10 geschrieben, hauptsächlich Warsaw Congress11, State of Poland, Italy, France[143] und Geldmarkt12. China noch nichts. Hast Du den Kolatschek erhalten?13 Bordeaux hat der Doktor meiner Frau in schmalen Dosen erlaubt, da sie außerordentlich schwach ist. Die heutige Nacht war furchtbar, und ich fühle mich in der Tat in diesem Augenblick auch sick14.
1 Friedrich Engels: „Flotte" - 2 bestimmt - 3 Pocken - 4 geimpft - 5 Helene Demuth - 6 Aufregungen - 7 zu holen - 8 unmöglich - 9 den nötigen seelischen Gleichmut -10 über alles mögliche - 11 „Rußland bedient sich Österreichs - Das Treffen in Warschau" - 12 „Die angespannte Lage auf dem Geldmarkt" - 13 siehe vorl. Band, S. 107, 110 und 111 - 14 krank
Der Teufel mag wissen, welches Pech wir haben. Die armen Kinder habe ich bei Liebknechts, die ganz in meiner Nachbarschaft wohnen, und denen ich die victuallers15 täglich zusende, untergebracht. In die boarding school16 wollten sie nicht wegen der religious rites17. Salut. Dein K.M.
l* Lebensmittellieferanten -16 Pensionsschule - 17 religiösen Bräuche
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Marx an Engels in Manchester
[London] 26. Nov. [1860]
Lieber Frederick, Der Zustand meiner Frau hat sich, soweit es unter den Umständen möglich, gebessert. Es wird eine lange Geschichte werden. Was man den Paroxysmus1 der Krankheit nennen kann, ist vorüber. Allen meint, daß die Ansteckung einzig zu erklären aus der übertriebnen Nervenaufregung, worin sie sich seit vielen Monaten befand. Du bist wohl so gut, durch Heckscher Einliegendes umgehend an die „Reform" besorgen zu lassen.'1441 „Herr Vogt" ist bereits vorgestern im „Hermann" und „Athenasum" von Petsch angezeigt als diese Woche erscheinend. Du siehst aus dem Datum, daß ich den Wisch an die „Reform" bereits Sonnabend schrieb. Ich wollte es Dir mit Begleitschreiben zusenden, wurde aber plötzlich so unwohl, daß alles Schreiben out of question2. Allen gab mir eine Medizin, und heute bin ich wieder in Ordnung. Gruß an lupus.
Dein K.M.
Herr Redakteur, Sie werden mich sehr verpflichten durch Aufnahme beifolgender Erklärung. Im Laufe der nächsten Woche erhalten Sie ein Exemplar meiner Broschüre gegen Vogt. Mit vollkommner Hochachtung Ihr ganz ergebner Karl Marx
1 die höchste Steigerung - 2 unmöglich
8*
An die Redaktion der „Reform" Erklärung Die Redaktion der „Reform" hatte die Güte, Anfang Februar 1860 eine Erklärung3 von mir zu veröffentlichen, die mit den folgenden Worten begann: „Ich zeige hiermit an, daß ich vorbereitende Schritte getan zur Anhängigmachung einer Verleumdungsklage gegen die Berliner ,NationalZeitung' wegen der Leitartikel Nr.37 und Nr.41 über Vogts Pamphlet ,Mein Prozeß gegen die Allgemeine Zeitung'. Eine literarische Antwort auf Vogt behalte ich für später vor." Ich machte im Laufe Februar 1860 zu Berlin eine Verleumdungsklage anhängig gegen F.Zabel, verantwortlichen Redakteur der „National-Zeitung". Mein Rechtsanwalt, Herr Justizrat Weber, wählte zuerst das Untersuchungsverfahren. Durch Verfügung vom 18. April 1860 verweigerte der Staatsanwalt gegen F.Zabel „einzuschreiten", weil „kein öffentliches Interesse" dazu Anlaß gebe. Am 26. April 1860 ward seine Zurückweisung durch den Oberstaatsanwalt bestätigt. Mein Rechtsanwalt schlug nun das Zivilprozeßverfahren ein. Das Kgl. Stadtgericht, durch Verfügung vom 8. Juni 1860, verbot mir mit der Klage vorzugehn, weil die wirklich ehrenrührigen „Äußerungen und Behauptungen" F.Zabels „in bloßen Zitaten andrer Personen bestehen", auch nicht „die Absicht zu beleidigen" obwaltet. Das Kgl. Kammergericht erklärte seinerseits durch Verfügung vom 11.Juli 1860, die angebliche Form des Zitats ändre nichts an der Strafbarkeit der Artikel, aber die darin enthaltenen ehrenrührigen Stellen bezögen sich nicht auf meine „Person". Außerdem sei „in vorliegendem Fall" die Absicht zu beleidigen, „nicht anzunehmen". Das Kgl. Kammergericht bestätigte demgemäß die zurückweisende Verfügung des Stadtgerichts. Das Kgl. Obertribunal, durch Verfügung vom 5.Oktober 1860, die mir am 23.Oktober d.J. zukam, fand, daß „in vorliegendem Falle" kein „Rechtsirrtum" auf Seiten des Kgl. Kammergerichts „erhelle". Es blieb also definitiv bei dem Verbot, den F. Zabel zu verklagen, und kam zu keiner öffentlichen Gerichtsverhandlung. Meine Antwort auf Vogt erscheint in einigen Tagen. London, 24. November 1860. Karl Marx
3 „Offener Brief in Sachen Vogt und Berliner .National-Zeitung"1
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Marx an Engels in Manchester
[London] 28. Nov. 1860
Lieber Engels, Meine Frau ist jetzt außer Gefahr. Sage das gleich lupo mit besten Grüßen. Die Sache wird lang dauern, und sie muß nach Genesung, wie Allen sagt, gleich fort auf wenigstens 4 Wochen. Was mich betrifft, so bin ich - da die Gefahr der Ansteckung von gestern 10 Tage an gerechnet am größten - gestern von neuem geimpft worden. Ditto Lenchen1. Ein Umstand, der mir sehr nützlich, war ein scheußlicher Zahnschmerz. Ich ließ mir vorgestern den Zahn ausziehn. Der Kerl (Gabriel heißt er) hat zwar die Wurzel ausgezogen, nach großen physical pains2, die er mir gemacht, aber ein Stück Splitter stehnlassen. So ist mein ganzes Gesicht weh und geschwollen, Hals halb zu. Dieser physische Druck befördert sehr die Denkunfähigkeit und daher Abstraktionskraft, denn, wie Hegel [sagt], das reine Denken oder reine Sein oder Nichts identisch11451. Während dieser 10 Tage nun ist die Strenge der Absperrung vermehrt. Schreiben kann ich natürlich nicht in diesem Zustand, und da der vor 21/2 Monaten gezogne Wechsel von 50 £ auf Dana ohnehin nicht ordentlich abgearbeitet wurde, indem meine Frau schon vor ihrer Krankheit allerlei nervous complaints3 hatte und so allerlei Ausfälle eintraten - ich also in großer Klemme bin - so bitte ich Dich, wenigstens für 2 Wochen möglichst oft zu schreiben. Unter den jetzigen Verhältnissen wäre es scheinbar passend, meiner Alten zu schreiben. Aber seitdem sie den preußischen Unteroffizier4 ins Haus geheiratet, hat aller intercourse5 infolge einiger Bemerkungen meinerseits aufgehört. Das Treten von allen Seiten hat scheußlich zugenommen. Den größten Teil der 10 £ habe ich weggegeben, um es zu beschwichtigen, von einigen Seiten wenigstens. Ich würde Dir, der mehr als das Mögliche tut, nichts hiervon schreiben, aber que faire? Aber was
1 Helene Demuth - 2 körperlichen Schmerzen - 3 nervöse Beschwerden - 4 Johann Jakob Conradi (Gatte von Marx' Schwester Emilie) - 5 alle Verbindung
machen? Dazu kann ich nirgendwo operieren, denn sonderbarerweise (wohl aus der Besserung zu erklären) kann ich das Haus nicht verlassen, da meine Frau grade jetzt, wo ich sie wenigst möglich sehn soll (was ihr natürlich nicht gesagt werden darf), mich stets um sich haben will. Allen meint, wenn sie nicht zweimal geimpft worden, wäre sie nicht davongekommen. Wie die Sachen stehn, hält er selbst die small pox6 für ein Glück. Denn, sagte er mir gestern, ihr Nervenzustand sei so gewesen, daß er diese Krankheit einem Nervenfieber oder ähnlichem, wozu es gekommen sein würde, vorziehe. Die armen Kinder ängstigen sich sehr. Allen impft sie und die ganze Familie Liebknecht Freitag. „Herr Vogt" erhältst Du wohl Freitag. Einige Zögerung trat vorige Woche ein, weil ich die Revision der letzten Bogen nicht zur rechten Zeit machen konnte. Besten Dank für den Wein. Allen hatte mir schon vor Eintreffen desselben Wein verordnet, daneben andre Medizin, die nicht so angenehm.
Dein K.M.
6 Pocken
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Engels an Marx in London
Manchester, 3.Dezbr. 1860
Lieber Mohr, Ich habe aus allerhand Gott weiß wie zusammengetroffenen Umständen in den letzten 4 Wochen so schändlich viel Geld nehmen müssen, daß ich jetzt unbedingt ein paar Tage warten muß. Wo möglich übermache ich Dir morgen ein Pfund, und sobald es in den nächsten Tagen wieder angeht, mehr. Ich bin für einige Zeit wenigstens darauf reduziert, mir nur kleine Summen auf einmal geben zu lassen; es handelt sich augenblicklich für mich dem Ermen gegenüber darum, to appear to live within my income1 (was ich voriges Bilanzjahr nicht getan); es ist ein Mittel bei der Unterhandlung, das ich mir absolut nicht darf verderben lassen. Wenn ich irgendeinen Vorwand wüßte, so würde ich versuchen, dem Gumpert auf 14 Tage 5 £ abzupumpen, aber ich könnte das nicht, ohne daß er den wahren Grund merkt, und weiß außerdem nicht, ob er sie zu dieser Jahreszeit hat. Ich weiß sehr gut, in welcher Klemme Du bist, und ich werde alles tun, was ich kann - aber die £ 10, die ich Dir neulich schickte, sind auf das Dezemberkonto schon im voraus eingetragen, so daß dieser Monat auch schon schwer belastet ist. Indes, morgen erhältst Du sicher etwas. Ich war vorbereitet, Dir heute abend einen Artikel zu machen (vorigen Freitag hatte ich ein so entzündetes Aug*, daß Schreiben bei Gas außer Frage war), aber eben kommt Szemere, der Dich grüßen läßt, und so ist das auch für heute out of the question2. Ich tue mein möglichstes morgen abend. Die Bücher3 erhalten. Das Ding ist sehr famos. Besonders die „Studien" und „Agentur"-Kapitel; cela est ecrasant4. Über das andre ausführlich nächstens. Die Exemplare meistens schon verteilt. Dein F. E.
1 zu zeigen, daß ich in den Grenzen meines Einkommens lebe - 2 unmöglich - 3 Karl Marx: „Herr Vogt" - 4 das ist vernichtend
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Engels an Marx in London
[Manchester] 5.Dez.60
Lieber Mohr, Inl. endlich die berühmte Post Office Order1 auf £ 2 - payable2 Charing Cross, ich wußte kein näheres Money Order Office3, gib mir eins auf für künftige Fälle. Lupus wünscht ganz speziell, daß ich Dir vorläufig sage, daß die Vermöbelung des Herrn Simon4 ihm ganz besondren Spaß gemacht hat. Je mehr ich in dem Buch5 lese, desto besser gefällt's mir. Aber schändliche Druckfehler und Schreibfehler. Einmal russischer statt östreichischer Kaiser. Dazu sieht es schlecht aus, daß alle Fremdworte, die Deine Frau lateinisch geschrieben, auch lateinisch gedruckt sind. Das passiert in allen ausländischen Druckereien, und dagegen muß man speziell Vorsichtsmaßregeln ergreifen. Was Du unterlassen hast, sind Resumes. Z.B. am Ende der 2 Kapitel: „Bürstenheimer" und „Schwefelbande"; ferner am Ende des „Polizistischen", am Ende der ganzen persönlichen Affären (also vor den „Studien") und noch an andern Stellen war ein Resume am Platz, um dem Philister nun den Gesamteindruck ad oculos6 vorzuführen. Das hätte nur vier Seiten mehr ausgemacht und sehr großen-Effekt gemacht in einem Buch, wo das Material und die Masse der dem Philister mehr oder weniger unbekannten Namen etwas erdrückend wirken, zugleich auch das Artistische des Gesamtarrangements, das sehr hübsch ist, klar hervortreten lassen. Wie geht's Deiner Frau? Dein F.E.
1 Postanweisung - 2 zahlbar - 3 Geldpostamt - 4 Edouard Simon - 5 Karl Marx: „Herr Vogt" 6 anschaulich
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5. Dez. [1860]
Lieber Engels, Besten Dank für den Artikel.11461 Mit meiner Frau geht es sehr gut voran, und ich glaube, daß der Wein ihr mehr hilft wie alle Medizin. Nur nachts ist die Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit, auch etwas Phantasieren noch sehr störend. Wenn Du bis Sonnabend noch einen Artikel lieferst, vielleicht d.d. Berlin, über meinen Prozeß? Wenn ich es unbequem finde, leaders1 zu schreiben, so datiere ich von Berlin, Paris etc. Solche Korrespondenz geht leichter. Ist über den chinesischen Krieg nichts zu sagen? Oder Bonapartes Armeerüstungen etc.?11471 „Ideen" habe ich in diesem Moment platterdings keine über nichts, wohl aber „öklüchen" Kopfschmerz. Die Kinder - arme Teufelchen - leben immer noch im Exil2. Ich habe ihnen ein paar Weinflaschen als Tröster geschickt. Das Kleine3 sah mich an Liebknechts Haus vorgestern vorbeigehn und rief mir vom Fenster zu: Halloo old boy! Apropos! Sobald Freiligrath von der Krankheit (weiß natürlich nicht welcher) meiner Frau hörte, schrieb er mir natürlich einen „gerührten" Brief. Aber als ich ihm „Herr Vogt" - natürlich (Du siehst, wieviel Ideen ich habe, da das Wort „natürlich" in 3 Zeilen 3mal unterläuft) mit freundschaftlicher Inschrift zuschickte, und er mir über something eise4 zu schreiben hatte, vergaß er, eine Silbe über die Schrift zu sagen, oder mir to acknowledge5 den Empfang. Um das zu markieren, setzte er unter seinen Brief: „In aller Eile." Ich glaube, verschiedne Partien haben ihn schwarz geärgert. Einmal seine „Indiskretion" von wegen Vogt. Namentlich aber Fazy. Im Frühling wollte er nach Genf ziehn. Fragt sich, ob die Enthüllung des Fazydrecks ihm nicht in den Weg kömmt?
1 Leitartikel - 2 siehe vorl. Band, S. 114 - 3 Eleanor Marx - 4 etwas anderes - 5 anzuzeigen
Blind, der schon Donnerstag ein Exemplar bei Petsch bestellt, hat 1 erst gestern erhalten. In London wurde die Sache nicht eher ausgegeben, damit Mr.Alberts, of the Prussian Embassy6, nicht nach Berlin warne, bevor mein Pack dort angekommen. Es wird natürlich viel in London geulkt über die „unwürdige" Manier meiner Angriffe. 12 copies sind gestern von Lause-Trübner bestellt worden. Salut. Dein K.M.
6 von der preußischen Gesandtschaft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6. Dez. 1860
Lieber Frederick, Besten Dank für die £ 2. Näheres office ist Camden Town money office1. In bezug auf den Mangel der Resumes hast Du völlig recht. Sie waren ursprünglich da, sind aber von mir weggestrichen worden, als ich sah, daß das Zeug unter der Hand sehr anwuchs. Denn gewöhnlich gedruckt würde das Ding einen sehr starken Band ausmachen. Übrigens wirst Du sehn, daß in dem Abschnitt XI „Ein Prozeß" die ganze persönliche Angelegenheit dem Philister so eingepaukt ist, daß er sie in seinem Leben nicht wieder vergessen kann. Was Monsieur Edouard Simon betrifft, so hatte der Hund Dich in seinem Schmutzartikel (Techows „Spitzel" maliziös übersetzend) „le mouchard toujours affaire" genannt[14SI. Und darauf nahm ich mir vor, ein Exempel an dem Burschen zu statuieren, da Beleidigungen gegen Deine Person mich mehr ärgern als die gegen mich gerichteten. Übrigens - by the by2 - sobald lupus sich durchgewunden, ist es mir lieb, wenn er selbst ein paar Zeilen mir schreibt. Das Hauptvergnügen meiner Frau besteht jetzt in den Briefen über das Ding. Im ganzen geht es gut voran, aber langsam. Herr Philister Freiligrath, das „erkältete westfälische Maul" [149), schreibt mir gestern u.a. folgendes: „Dein Buch" (beileibe nicht Pamphlet) „hat Petsch mir geschickt. Besten Dank! Soviel ich bis jetzt darin gelesen habe, finde ich's, wie ich erwartet hatte, voll Esprit und voll Malice. Das Detail ist so reichlich, daß es beinahe den Überblick erschwert. Auf die Sache selbst einzugehn, wirst Du mir erlassen. Ich beklage den ganzen Streit auch heute noch und stehe ihm nach wie vor fern." Was sagst Du zu diesen beiden letzten Sätzen? Der Schweinhund, der
1 Geldpostamt - 2 gelegentlich
Vogts Lügen und Blinds Infamien früher schon kannte, jetzt aber schwarz auf weiß hat, will nicht (wozu ich ihn notabene gar nicht aufgefordert), „auf die Sache selbst eingehn". Und er „steht" „nach wie vor dem ganzen Streit fern". Es scheint mir jetzt, daß er noch nicht das Ganze gelesen, denn er wird dann sehn, wo er steht. Das Geheimnis seiner Intimität mit Blind (mit Vogt-Fazy bindet ihn natürlich das Geschäft) ist mir jetzt bekannt. Nämlich Ffreiligrath] hatte bei dem Schillerfest 20 000 Exemplare seines Gedichts11501 drucken lassen, kostete 40-60 £. Daraus wollte er ein Geschäft machen. Verkaufte aber nicht 40. Da die Spekulation so durchgefallen, galt es nun, dem Schillerkomitee die Kosten „aufzuschmutzen", wie Petsch es richtig nennt. Dazu war Blind denn servilistes tool3. Hinc4 die „Gegengefälligkeit" des erkälteten westfälischen Mauls. In dem Druckfehlerverzeichnis findest Du den von Dir gerügten Druckfehler. Ursprünglich war das Verzeichnis 3 X größer. Da dies aber schlecht aussieht, haben wir es reduziert. Der ganze Fehler liegt an Hirschfeld, ein Schlappschwanz, der keine Herrschaft über seinen Setzer hat. Petsch läßt nichts mehr bei ihm drucken. Salut. Dein K.M.
Wenn Dir irgend etwas durch den Kopf geht, worüber ein militärisches Pamphlet zu schreiben von 1-3 Bogen, so wäre es dem Petsch sehr lieb, der jetzt als „Verlagsbuchhändler" aufkommen will. Er ist ein sehr netter Kerl.
s unterwürfigstes Werkzeug - 4 Daher
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Marx an Engels in Manchester
London, 12. Dez. [1860]
Lieber Engels, Best thanks for article.111511 Die Notiz in der „iVfeuen] Preußischen] Zfeitang]" (ihre eigne Randglosse abgerechnet) ist nichts als ein Paragraph, den die ,,Lond[oner] Lithographierte] Corr[espondenz]" (Schlesinger) brachte; sie stand in allen deutschen Zeitungen mit wenigen Ausnahmen, meist unter der Rubrik „London". Die kurze Form der Anzeige nur in den in England erscheinenden Blättern. In den deutschen Blättern ist das Inhaltsregister zugefügt.11521 Ich schicke Dir hierbei die Anzeige in dem „Buchhändlerbörsenblatt", von Petsch selbst verfaßt. Der bekannte „Politiker", von dem er am Schluß der Anzeige spricht, ist magnus2 L. Bucher, der sich in diesem Sinn zu Borkheim äußerte. Die Annoncen in den deutschen Blättern erschienen wohl im Lauf dieser Woche. Etwas später als das Buch eintrifft, weil die Preußen (wegen des Prozesses) nicht aufmerksam gemacht werden sollten. Es sind die Anzeigen gemacht in: „Allg[emeine]Zeit[ung]"; ,,BreslauerZ[eitung]"; „Bund" (Bern); „Deutsche Allgemeine"; „Frankfurter Journal"; „Hamburger Nachrichten"; „Freischütz"; „Reform"; „Karlsruher Z[eitung]"; „Kölnische] Z[eitung]"; „Königsberger Härtung"; „Mannheimer Journal"; ,,National-Z[eitung]"; ,,N[eue] Preußische] Z[eitung]"; „Publicist"; B[erliner] „Volks-Zeitung"; „Ost-Deutsche Post"; „Presse"; „Rostocker Z[eitung]"; „Schwäbischer Merkur"; „Trier'sche Z[eitung]"; „Zeitung für Norddeutschland"; „Zürcher N[eue] Zfeitung]"; „Neue Süddeutsche" (München); „Morgenblatt"; „Wochenblatt des Nat[ional]ver[eins]"; „Deutsches Museum"; „Illustrirte Zeitung"; „Ausland" (Augsburg); „Historische] Deutsche Monatsschrift" (Braunschweig).
1 Besten Dank für den Artikel. - 2 der große
,,N[ew]-York[er] Staatszeit[ung]"; „N[ew]-Y[orker] Criminal-Z[ei]t[ung]"; „N[ew]-Y[orker] Abendztg.". „Times"; „Athenaeum"; „Critic"; „Saturday Review"; „Illustrated News"; „Manchester Guardian"; „Hermann". Exemplare sind geschickt u.a. an Cotta, „Reform", Duncker, 6 an Siebel; verschiedne an englische („Sat[urday] Review", „Athenaeum", „Critic", „UI[ustrated] News"); Lommel, Braß, Fischel. Im ganzen über 50 Freiexemplare versandt, darunter jedoch nur wenige an Zeitungen. Bisher verkauft in London 41 Stück. Notabene: „Hinter den Coulissen" des Lommel zieht jetzt sehr in Deutschland. Sind sogar Bestellungen aus Riga gekommen. Bucher (schreibt im Beiblatt der A[ugsburger] „Allgemeinen] Z[eitung]" Artikel, z.B. den über Persigny und Palmerston) hat Kritik in der „A. Z." dem Borkheim versprochen. Ich fürchte, Biscamp kömmt ihm zuvor. Liebknecht hat Anzeige und ausführliche Auszüge gegeben in 4 deutschamerikanischen und 4 englisch-amerikanischen Zeitungen. Er schreibt nämlich jetzt an einer literarischen] Korrespondenz für letztere. „Herr Vogt" ist Korrespondent mit seiner Namensunterschrift in einigen amerikanisch-deutschen Winkelblättern. Schimpft auf „Bonaparte"3. Hat erklärt, meine Schrift würde nie erscheinen. Meine Frau geht viel besser. Nur dürfen die Kinder vielleicht erst in 14 Tagen zurück. Ich selbst muß jetzt fast den ganzen Tag bei ihr sein und bin durchaus nicht auf dem Strumpf. Indes wird sich das machen, sobald sie wieder in mehr normalem Zustand. Allen hat den Bordeaux schon seit einer Woche abverordnet und statt dessen Porto verordnet. Es ist mir daher lieb, wenn Du von letzterem noch einige Flaschen schicken kannst. Meine Bibliothek angekommen.'1531 Noch im Custom House4, da die „Commissioners"5 noch nicht entschieden, ob ich sie duty free6 bekommen soll. Nun rate einmal, wie ich hinter das Geheimnis von Ludwig Simon gekommen bin? (Siehe Beilage 16 c.7) Gruß an lupus. Dein K.M.
3 Karl Marx: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" - 4 Zollamt - 3 „Beamten" 6 zollfrei - 7 siehe Band 14 unserer Ausgabe, S.686, sowie vorl. Band, S. 133/134
78 i Engels an Marx in London
Manchester, 18. Dez. 1860
Lieber Mohr, Außer Szemere kommt mir am Sonntag auch noch mein Schwager1 her, Sz[emere] ist heute fort nach Liverpool, kommt vielleicht wieder, mein Schwager geht morgen - also bin ich außerstande gewesen, einen Artikel zu machen. Für Samstag womöglich etwas über Ostreich.3 Szjemere] ist persönlich ein ganz netter Kerl, mit der östreichischen Bonhomie, und mag in Ungarn, in revolutionären Zeiten, auch energisch, entschieden und einsichtig sein; aber en dehors de son pays3 ist es sicher mit seinen Kenntnissen und Ideen nicht weit her; ich habe wenigstens nicht viel Vernünftiges darüber aus ihm herauskriegen können. Komisch ist, daß er, der doch in seiner Broschüre11511 bonapartistisch auftrat, jetzt wieder ganz umgeschlagen ist. Er machte mir u.a. folgenden Vorschlag zur Güte: Was ich davon hielte, wenn es dahin kommen sollte, daß die Habsburger, beim Zerfall des Kaiserstaats, nur noch Könige von Ungarn bleiben und Deutsch-Ostreich an Deutschland zurückfiele? Worauf ich ihm natürlich erklärte, daß eine solche Lösung uns ganz recht sein könne und wir den Ungarn die ganze Räuberbande mit Vergnügen zum Präsent machen würden. Sein Weingeschäft ist hier ganz gut abgelaufen; Cobdens Empfehlung und die Bekanntschaften, die er in Paris bei C[obden] gemacht hatte, erleichterten ihm die Sache sehr. Wenn irgend möglich, schicke ich Dir morgen wieder zwei Pfund, heut ist's mir leider zu spät geworden. Grüß Deine Frau, die sich hoffentlich bessert, und die Mädchen. Dein F £
Apropos Portwein! Ich habe nichts Trinkbares mehr, werde aber morgen suchen, etwas Gutes aufzutreiben und gleich abzuschicken.
1 Emil Blank - 2 „Die Entwicklung der Revolution in Österreich" - 3 was andere Länder betrifft
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Marx an Engels in Manchester
[London] 18. Dez. 1860
Lieber Frederick, Mit meiner Frau geht es viel besser. Allen denkt, daß die Kinder - die doppelte Wirtschaft nicht nur sehr störend, sondern auch kostspielig Sonntag oder Montag wieder zurück können. Dann eröffne ich selbst wieder die Korrespondenz mit der „Tribüne", die nun in der 5ten Woche nur 2 Artikel11551 erhalten hat. Wenn Dir möglich, so liefere noch einen bis Samstag. Ich bin seit 2 Tagen bettlägerig und mediziniere, aber Allen sagt, es sei nichts von Konsequenz, und in 3-4 Tagen würde ich wieder auf dem Strumpf sein. Es sei Folge des excitement1 etc. Was Deine Ansicht von Szemere betrifft, so will ich Dir ganz im stillen mitteilen, daß ich sie völlig teile. Das allerkomischste ist, daß ich, ironice, ihm den Vorschlag gemacht hatte, sie sollten die Habsburger für sich behalten, Pest würde der letzte Zufluchtsort für dieselben sein etc.2 Salut. Dein K.M.
1 der Aufregung - 2 siehe vorl. Band, S. 127
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Engels an Marx in London
[Manchester] 19. Dez. 1860
Lieber Mohr, Inliegend die £ 2 auf Camden Town. Je mehr ich in dem Buch lese, desto schwerer wird es mir zu sehn, wie sich Vogt aus diesen „nie erscheinen werdenden" Historien1 herausziehen wird. 41 Exemplare in London in den paar Teigen ist sehr viel; jetzt wird's schon mehr sein. Es ist sicher die beste polemische Schrift, die Du noch geschrieben, es ist einfacher im Stil als der Bonaparte2 und doch, wo nötig, ebenso effektvoll. Dein F.E.
1 Siehe vorl. Band, S. 126 - 2 Karl Marx: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte"
9 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
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Marx an Engels in Manchester
[London] 19. Dez. 1860
Lieber Frederick, Thanks für die £ 2. Ich habe Lenchen1 damit aufs post office geschickt. Meine Frau wird, wie Allen meint, keine Marken behalten. Sie ist natürlich noch leidend (und mit der Besserung grade werden die Kranken unruhiger und ungeduldiger), aber Allen ist vollständig mit dem progress zufrieden. Was mich angeht, bin ich heute (die Schlaflosigkeit war das schlimmste), nach richtig durchschlafener Nacht viel besser und denke in 2 bis höchstens 3 Tagen wieder allright zu sein. Da ich während dieser Woche zu unwohl zum Ausgehn war, weiß ich nicht, wie der Londoner Verkauf des Buchs2 vorangegangen ist. Nur erzählt mir Liebknecht, daß der Londoner Arbeiterverein131 diese Woche 6 Exemplare für seine Bibliothek gekauft hat. Zimmermann (jetzt Advokat in London) von Spandau, Exparlamentler, Busenfreund Vogts, früher großer Lästerer des „Volk" und meiner Person, gab vorige Woche bei Anwesenheit des Advokaten Höchster (connu3 aus Elberfeld, jetzt sehr beschäftigter avocat in Paris) ein Essen, wobei unser Freund Rheinländer. Zimmermann erklärte: Blind sei rettungslos kompromittiert. As to Vogt4, so habe er nicht an Bestechung glauben wollen, obgleich er den Leichtsinn und die Eitelkeit des Burschen gekannt. Jetzt hätte ihn meine Schrift überzeugt, daß Vogt ein ganz ordinärer „mouchard"5 sei, der nur durch die Größe des Salärs sich vom muchardus vulgaris6 unterscheide usw. Er (Z[immermann]) habe auch an Bekannte in der Schweiz geschrieben, um Herrn Vogt keinen Zweifel über seine Ansicht zu lassen. Bucher hat an Borkheim geschrieben, der Beweis gegen Vogt sei vollständig geliefert. Außerdem habe meine Schrift alle „Vorurteile, die er
1 Helene Demuth - a Karl Marx: „Herr Vogt" - 3 bekannt - 4 Was Vogt betrifft - 6 „Spitzel" - 6 gewöhnlichen Spitzel
über Marx' agitatorische Tätigkeit gehegt", vernichtet. Er habe sich in diesen beiden Beziehungen in dem Kreise der Camberweller Kaufmannschaft (denen er Vorlesungen über deutsche Rechtsgeschichte hält) geäußert und ditto an „einflußreiche Personen in Deutschland" geschrieben. Zimmermann und Bucher sind hier wichtig wegen des Philisters. In meiner Prüfungszeit - während der letzten 4 Wochen - habe ich allerlei gelesen. U.a. Darwins Buch über „Natural Selection". Obgleich grob englisch entwickelt, ist dies das Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält. Dagegen A.Bastian, „Der Mensch in der Geschichte" (3 dicke Bände, der Bursche junger Bremer Arzt, der mehrjährige Reise um die Welt gemacht) mit seinem Versuch einer „naturwissenschaftlichen" Darstellung der Psychologie und psychologischen Darstellung der Geschichte schlecht, konfus, formlos. Das einzige Brauchbare darin hie und da ein paar ethnographische oddities7. Dazu viel Prätention und schauderhafter Stil. Apropos! Wegen des Ludwig Simon mußt Du raten, wie ich der sanften Kunigunde auf die Schliche gekommen8. Lassalle, von dem ich vor mehren Wochen Brief erhielt, sehr krank. War keine Gicht, Knochenentzündung? Gibt, wie er mir schreibt, „ein großes und wichtiges Werk" bei Brockhaus in 2 Bänden heraus11561, 17 Stunden im Bett, 3 Stunden auf und mit Korrektur des „Großwichtigen" beschäftigt. Ich denke, die Schrift gegen Vogt, die ich ihm geschickt, ist kaum geeignet, seine Schmerzen zu lindern. Wer aber kann dafür, daß er Berliner „Idealpolitiker" ist? Habe ich Dir schon geschrieben, welches die „grob-materielle Grundlage" der Intimität zwischen Freiligrath und studiosus Blind ist?9 Salut. Dein K.M.
' Seltsamkeiten - 8 siehe vorl. Band, S. 133/134 - s siehe vorl. Band, S. 124
9*
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Marx an Engels in Manchester
[London] 23. Dez. 1860
Dear Frederick, Besten Dank für den Wein und die £ 5. Meine Frau findet den Portwein exzellent. Ich wieder auf dem Strumpf seit heute. Keil aus Leipzig schreibt, daß gleich bei Ankunft des Buchs1120 Exemplare verkauft worden. Richter aus Hamburg (von der „Reform") schreibt, daß es sehr zieht. Meine Frau läßt Dich bestens grüßen. Dein K.Marx
1 Karl Marx: „Herr Vogt"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 26. Dez. 1860
Dear Frederick, Der einliegende Ausschnitt der Anzeige des „Herr Vogt" in der „Genfer Grenzpost" läßt schon aus den enormen letters1 Braß' Liebe für Vogt erkennen/1571 Übrigens sind in den letzten 5 Nummern der „Grenzpost" sehr gute Artikel. In London, wie Petsch mir gestern berichtet, bis jetzt 80 Exemplare abgesetzt. Dagegen klagt er, daß in Manchester aber „ooch jar keene nicht". Sonst ist in den deutschen Blättern, soviel ich weiß, bisher noch nichts erschienen, außer in der „Reform", die eine Reihe Notizen gebracht hat (wohlwollend)11581 und einen langen Artikel für nächste Woche versprochen. Mit der Allgemeinen] Augsb[urger Zeitung] ist die Sache kurios. Sie hat 2 ausführliche Kritiken erhalten, die eine von Schaises Biscamp, die andre, für die Beilage, von Herrn L. Bucher. Und noch kein Wort. But nous verrons.2 Also: 1. L.Simon? Das Buch war bis auf die letzte Seite beinahe fertig, als ich eines Abends späte, der Korrektur wegen zu Hirschfeld laufend, vorher in der City einen Augenblick auf das Office von Freund Rheinländer ging. Dieser erzählte mir mit höchst fidelem Gesicht, von Paris sei der junge Höchster (Sohn des Advokaten) nach London gekommen und dort ins Geschäft getreten. Rheinländer kannte Höchster, Vater und Sohn, sehr genau von Paris her. Jung Höchster, den ich später einmal bei R[heinländer] sah, ist ein harmloser Bursche ohne alle politischen, ich will nicht sagen Ansichten, sondern Vorstellungen. Er war Kommis gewesen bei Bankier Königswärter4 oder ähnlich (dieser bekannte bonapartistische Name ist mir nicht ganz sicher im Augenblick), wo L.Simon der chief clerc5. Rheinländer] fragte den Höchster aus über die sanfte Kunigunde. Ach, sagte der.
1 Buchstaben - 2 Aber wir werden sehen. - 3 siehe vorl. Band, S. 127 Maximilian Kcenigswarter - 5 Bürovorsteher
wir haben ihn nicht gern auf dem Büro. Obgleich der chief der clercs, ist er so ängstlich, daß er bei jedem Schritt den principal fragt, versteht auch nicht sehr viel vom Geschäft, ist verdrießlich, und dann beschäftigt er sich sehr großen Teil seiner Zeit mit Politik. Der berühmte E. About ist fast jeden Abend bei ihm, er arbeitet mit ihm zusammen; ich habe selbst gesehn, wie sie die Korrekturen einer ihrer gemeinschaftlichen Schriften durchsahn. Auf cross-examination6 des R[heinländer] stellte sich dann „La Prusse en 1860"1931 als diese gemeinschaftliche Arbeit heraus. Auf dem bonapartistischen Büro des Königswärter renommierte L.Simon rather7 mit seiner Verbindung mit E. About, und der junge Höchster, in der Politik wie ein neugebornes Kind, glaubte dem R[heinländer], gegen den er natürlich nicht den geringsten Verdacht hat, etwas sehr Rühmliches über L.S[imon] zu berichten. Das sonderbarste ist, daß später auf dem Essen bei Zimmermann (wo Höchster junior nicht zugeladen war) R[heinländer] ganz naiv den alten Höchster fragte, was er von meiner Denunziation gegen L.S[imon] halte? Höchster aine8 erklärte, er habe sich prinzipiell seit Jahren nicht mehr beschäftigt mit Politik, die ihn schon zweimal ruiniert hätte. Doch scheine ihm das Ding unglaublich; aber Rfheinländer] blieb dabei, daß ich eine sehr „zuverlässige" Quelle besitze. 2. Blind hat sich in graußer Weise gerächt. Er hat Petchs et Co. seine Kundschaft aufgekündigt. Dies ist „des blinden Mannes Rache". Alter Zizka! 3. Über Freiligrath - der heute sich laben wird an dem Pflaster, das Du ihm auf das verkältete Maul gelegt hast - und die materielle Grundlage seines Zusammenhangs mit Blind habe ich Dir früher schon, wenn ich nicht irre, geschrieben.9 Ganz exakt war die Sache so: Zur Zeit der Schillerfeier (1859) bot der edle Dichter durch seinen Agenten Blind die bekannte Kantate[150] erst der Direktion des Kristallpalasts an. Sie sollte ihm in hand cash 40 £ down10 zahlen für die Erlaubnis, die berühmte Kantate drucken und an dem Tage der Schillerfeier im Kristallpalast verkaufen zu dürfen. Den sonstigen Vertrieb behielt der merkantilische Poet sich selbst vor. Die Direktion dankte schönstens für die Güte und ersuchte Herrn F[reiligrath], seine Kantate selbst zu hausieren. Nun ließ der Edle, angeblich auf eigne Kosten, 20 000 Stück der Scheiße bei Hirschfeld drucken. Produktionskosten 40 £. Nach dem Plan des edlen Dichters sollte die Hälfte des Erlöses der Schilleranstalt gewidmet sein, die
6 Kreuz- und Querfragen - 7 ziemlich - 8 der Ältere - 9 siehe vorl. Band, S. 124 -10 40 £ bar in die Hand
andre Hälfte seinen propriis laribus11, so daß er nach Abzug der Produktionskosten (Stück per Stück zu 6 d. war sein Preis) 210 £ für sich gecleared12 und noch obendrein mit seiner Großmut in Deutschland renommiert hätte. Aber die Rechnung war ohne den Wirt gemacht. Es wurden vielleicht (all in all) in ganz England ein paar hundert copies, und zwar nur durch äußerste Notzucht von Privatpersonen, an den Mann gebracht. Jetzt also war Holland in Not. Blind wirkte nun von morgens bis abends und von abends bis morgens, um das Schillerkomitee in London zur Zahlung der Druckkosten zu vermögen, was endlich nach heftigen Debatten gelang. Hinc illae lacrimae.13 Die vielen auf Lager befindlichen copies hat Freiligrath seinem blinden Freund zum Vertrieb anvertraut, und dieser unermüdliche Kleinmogler hat noch letzten November (1860) eine eigne Schillerfeier zusammenintrigiert in London, um F[reiligrath]s Makulatur loszuschlagen. Kein Wunder also, daß F[reiligrath] nach wie vor seinem Blind „nahsteht".14 F[reiligrath] versteht sich auf seinen Privatvorteil wie kein andrer, und das shopinterest15 (den Dichterruhm, of course16, eingeschlossen) avant tout17. Noch eine für den Blind charakteristische drollery18 bei dieser Gelegenheit zu erwähnen. Ohne Freund Freiligrath und Freund Kinkel zu unterrichten, hatte der tiefsinnige Blind ganz im stillen (aus dem bekannten 100-£-fonds) etwas Vorläufiges oder ein vorläufiges Etwas über Schiller und Blum drucken lassen. Morgens um halb achte, als noch niemand Böses dachte, postierte er am Eingang des Palastes19 eine Kiste mit seinem „radikalen Flugblatt", überwacht von dem „Morning Advertiser" entliehenen Laufburschen, die die Schmiere jedem Besucher in die Hand gaben. Fragte einer, wieviel es koste, so wurde ihm mit Rücksicht auf seine äußere appearance20 6 d., 3 d., bis hinab auf 1 d. abgenommen. Fragte einer nicht, so erhielt er die Schmiere gratis. Und so, ehe noch Kinkels Rede oder F[reiligrath]s Kantate an Ort und Stelle, hatte der badensische Schlaukopf den Rang abgelaufen und seinen Schund Gott und der Welt aufgedrängt. Salut. Die Kinder wieder im Hause. Gruß an lupus. DeinK.M. Thanks for the article.21
11 seinem eigenen Herd - 12 herausgewirtschaftet - 13 Daher die Tränen. -14 siehe vorl. Band, S. 123/124 -15 Geschäftsinteresse -16 natürlich -17 vor allem -18 Schnurre -19 Kristallpalastes - 20 Erscheinung - 21 Dank für den Artikel. („Die Entwicklung der Revolution in Österreich")
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Marx an Engels in Manchester
[London] 27. Dez. 1860
In aller Eile.
Lieber Engels, Soeben kommt ein Brief von J.Ph.Becker aus Neapel, Borkheim solle ihm umgehend für Garibaldi schicken: 1. „Po und Rhein". (Davon habe ich noch ein Exemplar, das ich bei Petsch vorfand. Also dies all right.) 2. „Savoyen, Nizza und der Rhein". (Mein Exemplar dem Schily längst geschickt. Hoffentlich hast Du eins, und dies bitte ich per Post sofort zu schicken an S.L. Borkheim, 44, Mark Lane, City, London.) 3. „Herr Vogt". Salut. Dein K.M.
1861
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3. Jan. 1861
Lieber Frederick, Ich habe Deinen Brief von heute morgen verlegt und erinnere mich daher nicht, wieviel die Übersendung der „Enthüllungen"1 an Petsch kosten würde? Einen bei mir vorrätigen Teil derselben habe ich ihm schon vorige Woche übergeben.11591 Siebel hat geschrieben. Er war eben von seiner Pariser Hochzeitsreise nach Elberfeld zurückgekehrt. Hat die 6 Exemplare verteilt, 6 neue bestellt2. Es wäre gut, wenn Du ihm einige Instruktionen darüber gäbst, wie er es anzuzeigen. Toby hat einen langen Schmerzensschrei ausgestoßen im „Freischütz" .[160] Der ekligste Druckfehler (nicht notiert) in „Herr Vogt" war 3 oder 4mal „Nationalrat" statt „Ständerat". Ich habe das durch Petsch ausdrücklich in der „Genfer Grenzpost" berichtigen lassen. DerTod des Königs vonPreußen3 kömmt sehr gelegen. Qu'endites-vous?4 Meine Frau täglich besser, obgleich noch sehr schwach. Ich habe Sonnabend die letzte Medizinflasche geleert. Der Borchardt muß noch gezwiebelt werden.5 Salut. Dein ^ ^
Die ganze family trägt mir die herzlichsten Grüße und besten Neujahrswünsche an Dich auf. Mein Schreiben so kurz, weil mein Schwager und meine Schwester6 hier. Sie reisen morgen nach dem Kap der Guten Hoffnung ab.
1 Karl Marx: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 2 Karl Marx: „Herr Vogt" - 3 Friedrich Wilhelm LV. - 4 Was sagen Sie dazu? - 5 siehe vorl. Band, S. 576 6 Johan Carel (Jaan Carel) und Louise Juta
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Engels an Marx in London
Manchester, 7. Jan. 1861
Lieber Mohr, Die „Enthüllungen"1 gehn heute oder morgen franko von hier an Petsch ab. Der Kerl läßt am besten auf den Titel ein Zettelchen kleben: London: A.Petsch & Co., 1861. Damit man weiß, wo es zu haben ist. Kannst Du mir Tobys Schmerzensschrei11801 nicht besorgen? An Siebel schreibe ich. In deutschen Blättern finde ich, außer der „Kölnischen", auch nicht einmal eine Annonce - das ist doch kurios. Unsre alten Feinde entgehn ihrem verdienten Schicksale nicht. Der Redakteur en chef des selig verblichnen „Straßburger Correspondenten" war nach der Augsburger „Allgemeinen] Zfeitung]" „ein gewisser Herr Wülfers aus Köln" - Ehren-Wolfers von Dumonts Zeitung2 - kannst Du das nicht dem Biscamp stecken lassen, daß er es der Augsburger „A.Z." mitteilt, auch daß der Kerl kein Rheinländer, sondern ein Lausebelgier ist? Schwanbeck am Delirium tremens3 krepiert. Ehren-Brüggemann verschollen und vergessen, und Wolfers offen im bonap[artistischen] Sold was verlangst Du mehr? Der König Wilhelm I. wird sich nun auch wohl ehrlich blamieren. Wenn er den Berlinern sagt, manches wäre geschehn, was nicht recht sei, so ist damit wohl die notwendige Entlassung Stiebers gemeint. Apropos. Vogel Greif, ein andrer Freund, liegt wie die ,,N[eue] Pfreußische] Zfeitung]" meldet, am Schlagfluß schwerkrank darnieder. Es ist ein gutes Zeichen, wenn das Donnerwetter so diesen Kerlen in die Glieder fährt. Daß der Thronwechsel11613 grade mit der östreichischen Revolution'1623 so schön Hand in Hand geht, ist famos. Sogar die „Wochenschrift des Nationalvereins" erklärt jetzt, wenn Preußen sich nicht sehr eile, müsse Ostreich an die Spitze kommen in Deutschland. In Ostreich geht die Sache famos.
1 Karl Marx: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" -2 „Kölnische Zeitung" - 3 Säuferwahnsinn
Nichts günstiger als dieser in seiner Unentschlossenheit eigensinnige Esel Franz Joseph. Die Sache geht famos, sie wird dem Herrn Bonap[arte] ebensogut wie dem Franzi über den Kopf wachsen. Die Sache in Nordamerika wird auch heiter. Mit den Sklaven muß es sehr eklig stehn, wenn die Southerners4 so gewagtes Spiel spielen.'1631 Der geringste Freischarenputsch vom Norden könnte alles in Flammen setzen. Jedenfalls scheint es mit der Sklaverei, so oder so, rasch zu Ende zu gehn, und dann ebenso auch mit der Cottonproduction5. Wie das aber auf England reagieren wird, wird sich dann bald zeigen. Und bei so gewaltigen Bewegungen glaubt ein Esel wie Bonapjarte] auf die^Dauer im trüben fischen zu können. Viele Grüße Dein F. E.
4 Südstaatler - 5 Baumwollproduktion
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Marx an Engels in Manchester
[London] 8. Jan. 1861
Lieber Frederick, Tobys Schmerzensschreitl60] hatte ich selbst nur zum raschen Durchsehn. Übrigens habe ich 2 copies, wovon Du eine haben sollst, vorige Woche durch Petsch bestellen lassen. Siebeis jetzige Adresse: Carl Siebel jun,, Barmeti (Kleine Werth[er]straße, Nr. 25). Die „Enthüllungen"1 hat Petsch bereits im Buchhändler-Börsenblatt angezeigt. Anderswo habe ich's ihm verboten, aus Rücksicht gegen Schapper. Mit den Buchhändler-Anzeigen des „Herr Vogt", so habe ich sie bisher nur gesehn in „Reform", „Publicist", „Freischütz" und „Grenzpost". Übrigens hat Petsch unter meinen Augen an alle die bezüglichen Kerls schreiben müssen, und so wird sich das mystere2 in einigen Tagen auflösen. Er meint, es hänge nicht an den Zeitungen, sondern an den Buchhändlern, die die Annonce aufschöben bis nach der Weihnachts- und Neujahrszeit. Und die Annonce geht immer nur in die Zeitungen durch die Hand des Buchhändlers, der den Vertrieb an Ort und Stelle hat. Mais nous verrons!3 Du siehst, was ich für ein Pechvogel bin. Seit vorigem Mittwoch (just a week ago4) stellte sich mit Verkältung und Husten bei mir ein stechender Schmerz an der Stelle der Leber ein, so daß ich nicht nur beim Husten, sondern auch beim Drehen des Kadavers von einer Seite zur andern körperliche pains5 fühlte. Dies schien mir auf Entzündung zu deuten. Es war das erstemal, daß ich dergleichen dolor6 fühlte, obgleich Allen sich oft und dringend danach erkundigt hatte. Diesmal - namentlich, da ich ohnehin eine erschreckende doctorbill7 nebst andren bills auf dem Buckel habe habe ich mich selbst so far8 kuriert. Die Kur war einfach - Nichtrauchen, Castoroil9, bloß Limonade trinken, wenig essen, gar nichts Spirituoses,
1 Karl Marx: „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln" - 2 Geheimnis 3 Aber wir werden sehenl - 4 gerade vor einer Woche - 5 Schmerzen - 6 Schmerz - 7 Arztrechnung - 8 soweit - 9 Rizinusöl
nichts tun, das Haus hüten (da die kalte Luft mich gleich husten macht). Ich bin noch nicht ganz hergestellt und gewissermaßen schwach. Du kannst übrigens einmal den Gumpert fragen, was bei so akuten Vorfällen zu tun, sollten sie sich wiederholen. Den Allen werde ich fragen, sobald ich wieder ausgehe und wieder ganz auf dem Strumpf bin. Salut. Dein K.M.
Meine Frau (die langsam vorangeht, aber noch sehr schwach) und die Kinder lassen Dich grüßen.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 10. Jan. 1861
Lieber Engels, Gestern bekam ich einliegenden Wisch und werde so nicht länger umgehn können, für die Bücher den Kommissionären 2 £ 5 sh. zu zahlen.11531 Außerdem wird der transport an mein Haus auch noch about110 sh. kosten. Steuer ist erlassen. Ich würde Dir sicher nicht wegen des Drecks schreiben, aber dura necessitas2, indem ich ganz blank bin. Umstehend Abschrift eines von H.Beta im Auftrag von Gottfried Kinkel über „Herr Vogt" geschmierten Wischs. Dein K.M.
Magazin für Literatur des Auslands. 1861. Nr. 2.
„- .Herr Vogt.' - Von Karl Marx. In den ersten Jahren der .Flüchtlinge' wurden wohl manche Sümmchen ausgegeben, um durch geheime Polizei furchtbare Geheimnisse und Verschwörungen auszuspüren. Die Mühe war groß, aber die Ernte ziemlich kläglich. Doch was die Furcht mancher Flüchtlinge vor geheimer Polizei betrifft, so hat sie sehr gewütet. Es sind Männer davon tatsächlich wahnsinnig geworden. Andere renommierten freilich auch gern mit dieser Furcht und ließen es überall laut werden, daß fast alle Staaten Europas spezielle Spione gegen sie angestellt hätten. Das war Renommage, nicht Hypochondrie. Den Teufel selbst merkte das Völkchen nie, auch wenn er es beim Kragen hatte. Sie essen und trinken mit ihm, hatten ihn als Freund am Teetisch und merkten nicht, daß es ihm bloß darauf ankam, sie zu verraten, nicht für 30 Silberlinge, o nein! Er ließ sich's sein eigenes, schweres Geld kosten, um diese Broschüre drucken zu lassen. Zehn Jahre lang scheint dieser Herr Karl Marx gearbeitet und geschlichen und Briefe erwischt und kopiert zu haben, um auf eigene Rechnung und zum eigenen Vergnügen endlich als der erste unter allen Vidocqs und Stiebers auftreten zu können. Aller längst vergessene Schund und Irrtum aus der Flüchtlingsschaft von zehn Jahren her ist benutzt, kopiert, von Freunden beim Tee er
1 ungefähr - 2 harte Notwendigkeit
mittelt wor den, um Letztere ja nicht an den Pranger zu stellen. Jeder Mensch, wenn auch nicht Flüchtling, schreibt wohl ein Mal binnen zehn Jahren privatim etwas Unsinn oder Übereilung, wobei er auf die Diskretion von Freunden rechnet, auf Wegschwemmung im Strome der Zeit. Wenn aber Freunde diese gelegentlichen Schnitzel und Schnitzer sorgfältig sammeln und mit Poesie so ausschmücken, daß Staub und Schmutz dabei umherfliegen, wie in den Broschüren des Herrn Marx, Äußerungen einer aufgeregten Stunde vor zehn Jahren z.B." - (voilä Godofredum3) - „mit fetten Lettern gedruckt werden, daß man sieht, Herr Marx habe eine Zote, ein ekelhaftes Geschichtchen daraus machen wollen,-so kann man eben jeden Menschen an denPranger stellen. Herr Marx ist ein Meister in konstruktiver Denunziation. Vidocq, Ohm, Stieber usw. sind Lämmer dagegen. Viele werden durch diesen aufgewühlten Schmutz mit Vergnügen waten, denn es ist meisterhafte Calummie4'164'; aber um eine Vorsicht bitten wir die Leser: Es gibt in der Äff en-Wildnis boshafte Paviane, die in Ermangelung anderer Waffen sich des Unrats bedienen und damit Freunde und Feinde bombardieren. Man nehme sich in acht: Herr Marx praktiziert diese Art von Strategie, wobei man die Ausgaben für Munition scheut, fast ausschließlich auf seinen 190 Seiten. Lest, lest, aber nur dicht neben einem Becken voll Wasser und scharfer Seife und nicht ohne Riechfläschchen! H.B."
Dieses ist Gottfrieds Beta (Betziche5), der ehemalige Redakteur von Druckers „How do you do" und Gottfrieds Lobarschkriecher in „Gartenlaube" 11861 usw. Sauberes Gesindel! Welcher Stil und welcher Blödsinn!
3 das ist Gottfried [Kinkel] - 4 Verleumdung - 5 von Marx abgewandelter Familienname Bettziech
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Marx an Engels in Manchester
London, 18. Jan. [1861]
Lieber Frederick, Du mußt mich entschuldigen, daß ich Dir den Empfang der £ 3 noch nicht angezeigt. Montag hatte ich einen Rückfall, und da es Dienstag nicht besser ward, mußte ich wieder zu Allen meine Zuflucht nehmen, bin also in diesem Augenblick under medical treatment1. Das Bücken, das beim Schreiben nötig ist, macht mir Schmerzen, und so schob ich es immer auf. Du siehst, ich bin so geplagt wie Hiob, obgleich nicht so gottesfürchtig. Siebel - dessen Zeit sehr kostbar scheint, da er keine Zeile schreibt hat mir 2 Kölner „Anzeiger" geschickt, die zwei kleine, meinem Buch2 günstige Notizen enthalten. Die Buchhändlerannonce stand in der Augsburger „Allgemeinen] Z[eitung]", Beilage zum I.Januar. Ich wünschte, daß Du mir englisch - da ich nach Allens Vorschrift wenigstens noch eine Woche mich allen Schreibens zu enthalten habe -, also englisch für die „Times" eine kurze Kritik der preußischen Amnestie11661 schickst, und zwar wären folgende Hauptpunkte hervorzuheben: 1. daß die Amnestie die lausigste ist, die in irgendeinem Land (Ostreich nicht ausgenommen) seit 1849 erlassen ist; (mesquin3, echt preußisch); 2. daß der Zustand der „liberalen" preußischen Presse daraus zu beurteilen, daß sie diesen Dreck mit Lobsprüchen bewirft; 3. daß Amnestie für gewisse kleine Vergehn, Widersetzlichkeit gegen Gensdarmen, Beleidigungen von Beamten etc., immer in Preußen bei jedem neuen Regierungsantritt erlassen wurde, und daß die vorliegende Amnestie in der Tat weiter nichts ist; 4. In der Tat sind alle Flüchtlinge - also die ganze Revolution von 1848/49 - von der Amnestie ausgeschlossen. Den Flüchtlingen, die „von Unsern Zivilgerichten verurteilt werden möchten" und denen „ungehinderte Rückkehr gestattet ist" (als ob es nicht jedem immer „gesetzlich" freistand zurückzukehren), ist die Aussicht gestellt, daß das Justizministerium ihret
1 in ärztlicher Behandlung - 2 „Herr Vogt" - 3 kleinlich
wegen „von Amts wegen Gnadenanträge" stellen werde. Damit ist in der Tat nichts garantiert. Diese abgeschmackte Form ist angeblich gewählt, weil Preußen ein „Rechtsstaat" ist, wo der König konstitutionell keine Untersuchung niederschlagen kann. Schöne Affenkomödie in einem Staat, wo nach dem Geständnis der preußischen „Gerichtszeitung" (in Berlin) seit 10 Jahren kein Recht existiert hat. Außerdem konnten ja Kontumazialürteile4 at once5 erlassen und niedergeschlagen werden. Die „Rechts"koketterie sehr anerkennenswert, wo Stieber, Greif, Goldheim immer noch frei umherlaufen, ditto Simons, Manteuffel etc. 5. Die Hauptsauerei ist § 4 der Amnestie, wonach alle, „die von Militärgerichten demnächst verurteilt werden möchten", erst Wilhelms „Gnade anrufen" müssen, worauf er dann „auf den von Unserm Militär-JustizDepartement zu erstattenden Bericht die weitere Entschließung treffen wird". Hierbei zu erwägen, daß bei der preußischen Landwehrverfassung nur ganz ausnahmsweis ein preußischer Flüchtling außer dem „Militärgericht" steht11671; daß das „Anrufen der Gnade" kategorisch vorgeschrieben und für diese Erniedrigung nicht einmal eine positive Gegenleistung versprochen ist; endlich, daß Wilhelm mehr als irgendein Flüchtling der „Amnestie" bedarf, da er selbst vom striktlegalen Standpunkt nichts in Baden etc. zu tun hatte.11681 Die „Times" wird sicher mit dem größten Vergnügen eine solche Kritik aufnehmen. Ich würde sie gleichzeitig ihr und andern Blättern zuschicken, natürlich nur drunter: „APrussian refugee" 6. Ich würde gleichzeitig Privatbrief an die Redaktion schreiben. Es ist das einzige Mittel, die Hunde von Preußen und den Unteroffizier an der Spitze zu würdigen. Dein K.M.
4 Urteile in Abwesenheit der Beklagten - 5 gleichzeitig - 6 »Ein preußischer Flüchtling"
10 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
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Marx an Engels in Manchester
[London] 22. Januar [1861]
Lieber Frederick, Ich habe 2 copies (eine an die „Times", eine an „Standard") der Erklärung über die amnesty1 heute gleich abgeschickt. Was sagst Du zu der Erklärung von Bucher und Konsorten?1-1691 Du siehst in der preußischen Presse, wie Gottfried2 sich wieder in den Vordergrund schiebt via3 des Zeitungsgesindels. Die Annonce (Buchhändler) meines Buchs4 ist auch in der „N[euen] Preußischen] Z[eitung]" erschienen. Sie ist diese Woche wieder an alle Berliner Zeitungen geschickt. Die Hunde von beiden Seiten wollen die Sache totschweigen. Was meinen Zustand angeht, so hat Allen dieselbe Ansicht wie Gumpert. Aber was es auch sein mag, so ist es ein sehr ekelhafter Zustand, zum Arbeiten unfähig machend. Dabei auch etwas körperlich Schmerzhaftes, obgleich das heute viel besser ist. Ich mediziniere noch, und Allen kommt alle drei Tage. Er war heut wieder da. Reiten, change of air5 etc. Wo mich der Schuh drückt, kann ich ihm natürlich nicht sagen. Ich habe hin und her gedacht, ob ich durch Borkheim nicht ein Geschäft mit einer loan society6 machen könnte, um einigermaßen die Verhältnisse, die sich infolge der Krankheitsausgaben, Nichtziehbarkeit der „Tribüne" etc. sehr zerrüttet haben, zu ordnen. Aber, sooft ich auf dem Punkt war, fiel mir das Herz wieder in die Hosen, da B[orkheim] Renommist ist (bei allen seinen good qualities7) und mir täglich - soll heißen, sooft ich ihn sehe - von seinen unter Flüchtlingen ausstehenden Geldern erzählt. [Es ist]8 mir sehr lieb, wenn Du einen Artikel schickst, sooft Du Zeit oder Lust hast. Ich bin immer noch incapable9. Am liebsten wäre es mir, wenn Du für Sonnabend über die französischen Rüstungen oder überhaupt über Französisches schriebst.
1 Siehe vorl. Band, S. 144/145 - 2 Gottfried Kinkel - 3 mit Hilfe - 4 „Herr Vogt" - 5 Luftveränderung - 6 einem Darlehnsverein - 7 guten Eigenschaften - 8 Papier beschädigt -9 arbeitsunfähig
Nach meiner Ansicht existiert keine Allianz zwischen Rußland einerseits, Preußen und Ostreich anderseits. Bloß hat Rußland, das sich immer nach zwei Seiten deckt, gewisse Vereinbarungen (auf Polen bezüglich und die Donaufürstentümer) mit den Burschen in Warschau getroffen11211, ganz sicher aber auch einen neuen Kontrakt mit Bonaparte für andre „Möglichkeiten" abgeschlossen. Apropos. Noch besser wäre es vielleicht, wenn Du über SchleswigHolstein schriebst. Eine Pointe: Das Lausebenehmen der Berliner Presse, die beständig herumritt auf Ostreich, das Preußen „hindre" am Vorgehn gegen Dänemark. Jetzt, wo Ostreich die Erlaubnis gibt, über „Fallen" schreit, warnt, zum Frieden mahnt etc.'1701 Sieh „ Volks-Zeitung" ,„Köln[ische] Z[eitung]" etc. Hau auf die Berliner Presse. Ich habe das früher oft in der „Tribüne" getan. Muß aber immer wiederholt werden. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 29. Jan. 61
Lieber Engels, Wenn einmal Pech sein soll, kommt es auch dick, wie Du aus einliegendem Brief des Dana siehst. Einen Wechsel von 30 £, den ich auf 2 Monate Datum am 10. Dezember zog, haben sie protestiert und außerdem mir für 6 Wochen alles Korrespondieren aufgesagt. Ich lief natürlich gestern gleich zu Freiligrath, und damit er sich selbst decke, wird kaum ein andrer Ausweg übrigbleiben, als daß er einen Wechsel, den ich ihm auf 3 Monate auf mich ausstelle, unterzubringen sucht. Wie ich hier weiter shift1 soll, weiß ich nicht, da Steuer, Schule, Haus, grocer2, Metzger, Gott und der Teufel keinen ferneren respite3 mehr geben wollen. Was eine Gemeinheit von Dana, ist, daß er in der Abrechnung auf die Krisenzeit 1858/59 zurückkommt, wo nur aasnahmsweis die Korrespondenz auf 1 Artikel per Woche herabgesetzt ward1171', ein Übereinkommen, das übrigens per usum4 und sogar durch ausdrücklichen Brief seit Jahren wieder aufgehoben war. Jetzt zieht er mir alle Artikel ab, die sie während des letzten Jahrs nicht gedruckt haben. Andrerseits, von seiner falschen Unterstellung aus, das Übereinkommen von 1858/59 als noch maßgebend zu betrachten, hätte er wieder nicht das Recht, mich für l1^ Monate brachzulegen. Und dennoch kann ich nichts gegen die Kerle machen, da ich ganz von ihnen abhänge. Ich weiß in der Tat nicht, was ich anfangen soll, sah aber seit lange diese Krise heranrücken. Einliegend gleichzeitig den Brief von Lassalle. In seinem jetzigen Schreiben erinnert er sich gar nicht, welchen Endruck der Vogtsche Dreck auf ihn gemacht hatte. Übrigens besser spät zur Einsicht kommen als gar nicht. Was seine beabsichtigte Neuauflage der „N[euen] Rheinischen] Z[eitung]" betrifft - die Hatzfeldt, von der ich Dir ein Memoire beilege, hat über 300 000 Taler zu verfügen -, so würde ich unter jetzigen Umständen selbst nach diesem Strohhalm greifen, aber die Wellen in Deutsch
1 durchkommen - 2 Krämer - 3 Aufschub - 4 in der Praxis
land schlagen noch nicht hoch genug, um unser Schiff zu tragen. Es wäre von vornherein ein Abort. Toby hat wieder an Borkheim geschrieben, ob er denn nie von unsrer 90-£-FIüchtlingsgeschichte gehört habe? Deutschland verachte mich, darum das allgemeine Schweigen. Selbst der große L. Walesrode habe erklärt, auf dergleichen Gemeinheiten brauche niemand zu antworten etc. En passant5 wäre es mir lieb, wenn Du dem Borkheim - da er 12 £ zu „Herr Vogt" beigetragen - auf seinen Brief antwortetest. Er ist in diesem Punkt sehr empfindlich. 11721 Bucher und Rodbertus, die auf der Deputiertenliste für Berlin standen, sind von den entrüsteten Kleindeutschen1221 gestrichen worden nach Erscheinung ihrer Erklärung'1691. Letztre ist schlecht, aber die Art, wie Bucher dem G.K. (Gottfried Kinkel) im letzten „Hermann" dient, ist gut. Herr Kolatschek hat sich gestern „Herrn Vogt" zur Rezension als Gratisexemplar schriftlich ausgebeten. Ist ihm geschickt worden. Es ist von der Schrift verhältnismäßig viel in Petersburg und Riga gekauft worden, dagegen in Köln - nichts (vielleicht 6 Exemplare). Die Geschichte, die Lassalle von Zabel erzählt, ist gut. Salut. Dein K.M.
Die Sau-„Times" hat Deine Amnestiegeschichte nicht aufgenommen. Ebenso nicht „Standard". Bring jetzt die Sache in den „Guardian", aus dem, wie Du ihn herschickst, ich es durch Borkheim in den Sau-„Hermann" etc. und anderswohin bringen werde.11661
5 Übrigens
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Marx an Engels in Manchester
[London] 31. Jan. [1861]
Dear Frederick, Dankbarst erhalten Brief mit Einlage von £ 10. Ich muß jetzt fort von Haus, um vor allem Gas und Steuern zu zahlen, da die Kerls sonst den broker1 schicken. Mit den andern Hunden muß ich sehn, wie ich mich zurechtsetze. Ausführlichen Brief erhältst Du von mir, sobald ich Deinen morgigen Brief erhalte. Salut. Dein K.M. Beiliegend Lassalles Memoire.'1721
1 Gerichtsvollzieher
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Engels an Marx in London
[Manchester, 3I.Januar 1861]
Lieber Marx, Dem B[orkheim] ist schwer zu antworten.1 Die hiesigen Kommissionäre, welche goods2 für den italienischen Markt einkaufen, machen alle selbst dorthin, würden also in einer Ordre von London aus einen Konkurrenten erblicken und gehörig schneiden. Reuß, Kling & Co., und A.S.Sichel sind hierfür die Haupthäuser, werden aber kleine Ordres gar nicht annehmen. Jedenfalls sorge dafür, daß, wer auch sich an diese Leute wendet, sich nicht auf mich bezieht, das wäre total nutzlos und könnte mich in ein sehr lächerliches Licht stellen. Ist die Ordre irgendwie bedeutend, und soll eine regelmäßige Verbindung eingeleitet werden, so kommt der Käufer am besten selbst her und geht direkt zu den Fabrikanten. Einkäufer für Londoner Häuser gibt es hier nur im East India Trade3 oder kleine Kerls, die ich nicht kenne. Dies alles, was heute zu ermitteln. Was das für strohmachende Kerle sein sollen, weiß ich gar nicht. Dein F.E. Donnerstag.
1 Siehe vorl. Band, S. 149 - 2 Waren - 3 Ostindienhandel
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Marx an Engels in Manchester11731
London, 2. Februar 1861
Lieber Frederick, Gestern erhielt ich folgenden Zettel von Freiligrath, der die Dinge nicht angenehmer macht. Du mußt mir nun umgehend schreiben, was ich tun soll?1 Ich bin in der Tat so von allen Seiten gebothert2, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht, und dabei noch die Unannehmlichkeit, Dich mit all den petites miseres ennuyieren3 zu müssen. Dem Dana, der juristisch unbedingt wrong4 ist, habe ich geschrieben, ohne viel Aussicht auf Erfolg.5 Die Burschen wissen, daß man sie braucht und daß sie ihrerseits einen in diesem Augenblick nicht brauchen. Du wolltest mir die „Nazione" - gewisse Mazzini-Briefe zuschicken? Vergessen? Du erhältst dieser Tage von mir die konfiszierte Nummer des „Courrier du Dimanche". Bucher behauptet - läßt mir durch Borkheim sagen -, daß seine Besprechung noch in der „Allgemeinen] Z[eitung]" erscheinen wird. Du siehst wohl, wie lumpacius Blind seinen Namen sooft als möglich als homme d'etat6 ans Publikum bringt. Die Sau-Büchergeschichte hat mich alles in allem über 4 £ gekostet. Welch sonderbares Geschick diese library7 hat!11531 Von Siebel nichts gehört? Die Verbindungen desselben scheinen doch äußerst gering. Salut. Dein K.M.
Thimm erzählte Petsch vor ein paar Tagen, daß besonders bösartig über „Herr Vogt" in Manchester geschimpft werde. Braß hat sich neue Lettern
1 Siehe vorl. Band, S. 155 - 2 geplagt - 3 jämmerlichen Kleinigkeiten belästigen - 4 im Unrecht - 5 siehe vorl. Band, S. 148 - 6 Staatsmann - 7 Bibliothek
gießen lassen, expreß zu seinem Spezialvergnügen, um „Herr Vogt" noch auffälliger anzeigen zu können. Ist es bei den vielen Schwizern in Manchester nicht möglich, wenigstens I copy der „Grenzpost" dort unterzubringen?
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Engels an Marx in London
[Manchester] 4. Febr. 1861
Lieber Mohr, Ich kann Dir heute bloß 2 Zeilen schreiben. Will der Schneider den Wechsel für 35 £ diskontieren, wenn ich ihn ausstelle, und ihn so arrangieren, daß das Geld vor Juli oder August nicht gezahlt zu werden braucht, very well1, so will ich ihn ausstellen. Ich muß aber auf höchste Diskretion rechnen können, es könnte mir meine Position kosten. Wenn Gumpert Geld eingekriegt hat (ich habe ihn seit Freitag nicht gesehn), so kann ich es vielleicht auch ohne das arrangieren. Dein F. E.
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Engels an Marx in London
Manchester, 6. Febr. 1861
Lieber Mohr, Du kannst dem Freil[igrath] schreiben, daß wir seinen Schneider nicht brauchen, Gumpert hat von seinen Rechnungen so viel Geld einbekommen, daß er mir den größten Teil des Benötigten auf monatliche Rückzahlung mit 5£ at a time1 pumpen kann; die Sache ist also arrangiert. Freiligrath kann die £ 30 jeden Tag haben und braucht er dann nur die Kosten auszulegen, die ich ihm ebenfalls in 24 Stunden nach Aufgabe der Summe zusenden werde. Er kann mir meinetwegen direkt drüber schreiben, Du brauchst Dir um die ganze Angelegenheit keine weitere Sorge zu machen. Ich werde dann schon sehn, daß ich wenigstens einen Teil der Summe aufs nächste Bilanzjahr schreiben lasse. Hierbei die Briefe zurück. Erst nach meinem Vorigen fand ich aus, daß Dana herausrechnet, Du habest 19 Artikel mehr gezogen als sie gedruckt. Trotzdem ist und bleibt die Geschichte eine infame Gemeinheit, und die „Tribüne" benimmt sich dabei wie ein echtes Pennypaper2. Ihr Sozialismus läuft auf die lausigste Kleinbürger-Prellsucht hinaus. Lassalle ist eben wieder Isidor B-B3. Was ist das für ein Politiker, der sich einbildet, ein Ministerium zu Mus gehauen zu haben, wenn er ihm in einer solchen Lappalie Inkonsequenz nachweist. Der hat schöne Begriffe von parlamentarischer Regierung und was darunter für Recht und Gerechtigkeit gilt. Der Mensch ist nicht zu bessern. Worüber nur das pyramidale Zweibändige11741 wieder handeln mag. Jedenfalls ist es alles Mögliche, daß er in re4 Vogt so komplett umgesattelt hat.[231 Was sein Blättchen angeht11721 so würde ich an Deiner Stelle ihm raten, eine Wochenschrift - dem „Preußischen] Wochenblatt", der „Berliner Revue", der „Wochenschau des Nationalvereins" etc., gegenüber anzufangen. Mit den 300000 Talern der Hatzfeldt, welche die beiden auch sehr festhalten werden, und dem lukullischen Leben von Madame, ist nicht so viel Renten-Abfall verbunden, um
1 jedesmal - 2 Groschenblatt - 3 Isidor Berlinerblau - 4 im Fall
ein Tagblatt halten zu können. Es würde bald Geldnot da sein. Dagegen so eine Wochenschrift kostet nicht viel, und gäbe uns doch schon eine hübsche Einnahmequelle. Natürlich müßte L[assalle] gut, d.h. englisch zahlen, sonst ist's nichts. Auch wäre das Ding als Organ für uns immer sehr wichtig.5 Dem preußischen Unteroffizier6 geht der Hintern aber doch ganz kolossal mit Grundeis. In jeder Rede spricht das Vieh von den drohenden Kämpfen, auf Leben und Tod. Den „Trib[une] "-Artikel über die französischen Rüstungen habe ich hier im „Volunteer Journal" umgearbeitet gedruckt7; ich werde noch heut abend wo möglich ein Dutzend Exemplare an alle Zeitungen schicken, das Ding macht vielleicht Sensation. Dir schicke ich auch eins, da die Hunde in N[ew] Y[ork] jetzt doch nicht drauf reflektieren und die Sache ohnehin sehr umgefickt ist, kann's nicht schaden. - Meine Broschüre8 erscheint nächste Woche, ich hab' nur noch eine kleine Korrektur zu lesen und die Vorrede zu schreiben. Der Bucher scheint sich doch ganz anständig zu benehmen. Grüß Deine Frau und Kinder herzlich. Dein F.E.
6 siehe vorl. Band, S. 148/149 - 6 Wilhelm I. sätze für Freiwillige"
7 „Die französische Kriegsmacht" - 8 „Auf
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Marx an Engels in Manchester
[London] 14. Febr. 1861
Lieber Frederick, Du mußt mich sehr entschuldigen, daß ich Dir auf Deinen sehr liebenswürdigen Brief1 nicht gleich geantwortet habe. Du wirst unterdes schon Schreiben von Philister Freiligrath erhalten haben. Ich hatte und habe noch eine Unmasse Rennereien. Ich bezwecke nämlich nach Holland zu gehn, um meine hiesigen Angelegenheiten, die sonst mir über den Kopf wachsen, in Ordnung zu bringen. Dazu bedarf ich zweierlei, Paß und Geld, und beides werde ich wohl d'une mani&re ou d'une autre2 hier auftreiben. (Vielleicht muß ich bis Aachen.) Dem Lassalle habe ich noch nicht geschrieben. Die Geschichte mit einer Wochenschrift wäre wohl die beste, aber doch andrerseits, wieviel riskiert man bei der Taktlosigkeit unsres Freundes, wenn er an Ort und Stelle sitzt, die Hauptredaktion führt, und so in der Lage ist, uns alle hineinzureiten! Er natürlich würde die Sache gleich als Parteiorgan betonen, und so würde man für alle Dummheiten mitverantwortlich und sich die Position in Deutschland verderben, bevor man sie wiedergewonnen hat. Dies ist sehr ernstlich zu überlegen.'1721 Die Conspiration de silence3 der deutschen Presse schadet dem Verkauf von „Herr Vogt" wesentlich. Der erste glückliche Anlauf ist dadurch zum standstill4 gebracht. Die „Allgemeine] Zeit[ung]" scheint beinahe entschlossen, auch Buchers Kritik nicht zu bringen. Wenigstens wird sich das jetzt in ein paar Tagen entscheiden, da sie viel länger nicht hinausschieben kann, wenn sie überhaupt drucken will. Kolatschek ist sicher. Meine Frau empfiehlt Dir, „Hans Ibeles" von Johanna Mockel zu lesen, worin Willich als Wildemann figuriert etc., die Frau von Brüningk als Piatonina und Lause-Kinkel als Don Juan. Ich selbst weiß von dem Zeug nur, was meine Frau mir davon erzählt hat. Sie sagt, das Buch liefre den vollen
1 Siehe vorl. Band, S. 155/156 - a auf die eine oder andere Art - s Verschwörung des Schweigens - 4 Stillstand
Beweis, daß Johanna Mockel aus Liebesgram sich zum Fenster hinausgeschmissen. (Übrigens - by the by5 - ist meine Frau noch lange, nicht wieder gesichtglatt und wird das wohl noch eine längere Frist dauern.) Jedenfalls gut von dem Pfaffen Kinkel'1751, daß er aus den Confessions6 der toten Mockel Geld macht, sie an Cotta verkauft, um es mit der ihm nunmehr schon Kind geliefert habenden Minna Werner zu verzehren. Die Pfaffen sind die allerklügsten Leute. Allerdings war Johanna Mockel bitteres Fleisch, und auch ihr Atem war sauer trotz aller Musikschwärmerei. Die „Nazione" erhalten. Sehr gut. Ditto das „Volunteer Journal". Nicht jedoch Deine Broschüre7. Vogt wird dem Vincke nie verzeihn, daß letztrer ihn ganz aussticht. Übrigens blamieren sich die Saupreußen in every respect8. Die lumpacii bitten erst den Bonaparte, seine Interventionen bei Gaeta zu verlängern11761; zweitens haben sich die Schufte jetzt mit Bonaparte und Rußland für die Fortdauer der französischen Intervention in Syrien'1771 erklärt. Ostreich und, natürlich for appearance's sake9, auch Palmerst[on] dagegen. Und nun die Wirtschaft im Innern! Das Lausepack muß kaputtgehn. Der Wilhelm Liebknecht ist von seinen amerikanischen Zeitungen auch fast ganz aufs trockne gesetzt. Eins der Blätter'1781, wofür er schrieb, wurde sacked10 in New Orleans. Salut. Dein K.M.
B nebenbei bemerkt - 6 Geständnissen - 7 „Aufsätze für Freiwillige" - 8 jeder Hinsicht 8 des Scheins wegen -10 eingestellt
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Marx an Engels in Manchester
[London] 27. Febr. 1861
Lieber Engels, Morgen reise ich ab, jedoch mit einem nicht auf mich, sondern auf Bühring* ausgestellten Paß für Holland. Es machte enormen trouble1, sowohl das, wie so viel Geld aufzutreiben, daß ich überhaupt fort konnte. Ganz kleine Abschlagssumme an die dringendsten Gläubiger gezahlt; bei andern (z.B. grocer2) mich auf die amerikanische Krise bezogen und Ausstand erhalten, jedoch nur unter der Bedingung, daß meine Frau während meiner Abwesenheit wöchentlich zahlt. Außerdem hat sie nächste Woche Steuer von 2 £ 18 zu zahlen. Notabene. Den Brief meiner Frau (about3 8 Tage alt), worin sie Dir für den Wein dankt, hast Du wohl erhalten? Sie ist etwas beunruhigt darüber, daß er vielleicht in falsche Hände gefallen. Auch die Kinder für den Wein sehr verpflichtet. Sie scheinen von väterlicher Seite trinklustig. Ich gehe wahrscheinlich auch nach Berlin - ohne Paß, um zu sehn, ob die Geschichte mit einem Wochenblatt'1721 (Apropos. Wilhelm I. heißt zu Berlin „Der schöne Wilhelm") geht, und um mir überhaupt den Dreck anzusehn. Sau-Blind hat in der letzten Nummer des „Hermann" einen Brief Mazzinis an ihn veröffentlicht.[1791 Dieser zudringliche Molch hat Mfazzini] offenbar überredet, daß er der Repräsentant der deutschen Emigration. Er überschmeißt denselben „Hermann" mit Seichbeuteleien - patriotischen über Schleswig-Holstein, richtet in derselben Angelegenheit Briefe mit seiner Namensunterschrift an den „Globe" usw. Hat durch Bronner - mit diesem und Schaible bildet er den „Verein für Freiheit und Einheit"[180) so viel Geld von einem Bradforder Kaufmann herausgepreßt, daß er ein kleines Saublättchen in Hamburg - „Nordstern" - stiften konnte, um sich
* Bühring - stellte ehmals das Proletariat Faucher vor, seine free-trade Proletarier - ein wahres Erfindungsgenie, jedoch kein Geschäftsmann, daher immer geprellt, während andre seine Erfindungen ausbeuten.
1 enorme Mühe - 2 Krämer - 3 ungefähr
wichtig zu machen im Norden, während er im Süden, durch Vermittlung Schaibles, sich als der „eiserne Blind" im Stuttgarter „Beobachter" (eine Art Süddeutsche Volkszeitung) verschreien läßt. Alle diese Tätigkeit entwickelt der Molch, um einerseits seine Schande in „Herr Vogt" zu überschreien11811, andrerseits Hecker secundus4 zu werden. Le pauvre here.5 Die Kölner haben schön mit meiner Bibliothek11531 gewirtschaftet. Den ganzen Fourier gestohlen, ditto Goethe, ditto Herder, ditto Voltaire und, was mir das Scheußlichste, die „Economistes du 18 siecle"11821 (ganz neu, kosteten mir an 500 frs.) und viele Bände der griechischen Klassiker, viele einzelne Bände von andren Werken. Sollte ich nach Köln kommen, so werde ich mit Nationalvereinler Bürgers ein Wort darüber sprechen. Hegels „Phänomenologie" und „Logik" ditto. Ich habe bei den vielen Saulaufereien in den letzten 14 Tagen - es gehörte wirklich Geschick dazu, um den gänzlichen Aufbruch des Hauses zu verhindern-gar keine Zeitungen gelesen, nicht einmal die „Tribüne" über die American Crisis. Dagegen abends zur Erholung Appians römische Bürgerkriege im griechischen Originaltext. Sehr wertvolles Buch. Der Kerl ist Ägypter von Haus aus. Schlosser sagt, er habe „keine Seele", wahrscheinlich weil er in diesen Bürgerkriegen der materiellen Grundlage auf den Grund geht. Spartacus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat. Großer General (kein Garibaldi), nobler Charakter, real representative6 des antiken Proletariats. Pompejus reiner Scheißkerl; erst durch Eskamotage7 der Erfolge von Lucullus (gegen Mithridates), dann der Erfolge von Sertorius (Spanien) usw. als „young man"8 von Sulla usw. in falschen Ruf gekommen. Der römische Odilon Barrot als General. Sobald er Cäsar gegenüber zeigen soll, was an ihm - Lauskerl. Cäsar machte die allergrößten militärischen Fehler, absichtlich toll, um den Philister, der ihm gegenüberstand, zu dekontenancieren9. Ein ordinärer römischer General, etwa Crassus, würde ihn sechsmal während des Kampfes in Epirus vernichtet haben.'1831 Aber mit Pompejus war alles möglich. Shakespeare in seinem „Love's Labour Lost"10 scheint eine Ahnung davon gehabt zu haben, was P[ompejus] wirklich war. Salut. Dein ^ ^
Ich schreibe Dir von Holland.'1841 Du weißt, ohne daß ich Dir es schreibe, wie dankbar ich Dir für die außerordentlichen Freundschaftsbeweise.
4 der Zweite - 5 Der arme Teufel. - 6 wirklicher Vertreter - 7 Aneignung - 8 „junger Mann" — 9 verblüffen -10 „Liebes Leid und Lust"
KARL MARX
(London 1861)

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Marx an Engels in Manchester
[London] 7. Mai 1861
Lieber Frederick, Habes confitentem reum.1 Aber die circonstances attenuantes2 meines Dir nicht Schreibens folgende: D'abord3 weißt Du, daß ich den größten Teil meiner Zeit in Berlin in Lassalles Haus zubrachte, und hier war es mir unmöglich, Dir zu schreiben, ohne Lassalle den Brief zu kommunizieren4, und that did not serve my purpose5. Später war ich beständig en route6, von Berlin nach Elberfeld, Köln, Trier, Aachen, Bommel, Rotterdam und Amsterdam. Endlich war mein ursprünglicher Plan, wie ich auch meiner Frau geschrieben hatte, von Rotterdam nach Hull und von Hull nach Manchester zu reisen, um Dir dort ausführlichen mündlichen Bericht abzustatten. Dies ward vereitelt durch meinen Vetter Jacques Philips. Als ich nämlich von Rotterdam abreisen wollte, erklärte er mir, er würde einen Tag später nach London kommen, and he was as good as his word7. So mußte ich natürlich direkt nach London, um ihm dort die honneurs zu machen. Er ist erst vorgestern von hier abgereist. Ich hoffe nun jedenfalls, daß Du Pfingsten ein paar Tage herkömmst. In Elberfeld hörte ich, Du wollest Deine Familie Pfingsten besuchen. Selbst in diesem Falle kannst Du es so einrichten, daß Du wenigstens ein paar Tage bei uns zubringst. Ich habe Dir viel zu erzählen, was sich mündlich besser als schriftlich macht. Außerdem verdenken es Dir meine Damen, wenn Du London immer links liegenläßt. Zunächst also zu dem business8. Meinem Onkel9 habe ich zunächst 160 £ abgepreßt, so daß wir den größten Teil unsrer Schulden abzahlen konnten. Meine Mutter, bei der von barem Geld nicht die Rede ist, die aber rasch ihrer Auflösung entgegengeht, hat einige frühere Schuldscheine, die ich ihr ausgestellt, vernichtet. Das war ein ganz angenehmes Resultat der zwei
I Du hast einen geständigen Angeklagten. - 2 mildernden Umstände - 3 Zunächst - 4 mitzuteilen - 6 das entsprach nicht meiner Absicht - 6 unterwegs - 7 und er hat Wort gehalten 8 Geschäftlichen - 9 Lion Philips
Tage, die ich bei ihr zubrachte. Ich selbst sprach gar nicht mit ihr von money matters10, sondern sie nahm in diesem Punkt die Initiative. Ferner habe ich mir in Berlin die Wege geöffnet, um im Notfall mit der Wiener „Presse" anknüpfen zu können11851, was bei den jetzigen amerikanischen Zuständen wohl unerläßlich werden wird. Endlich habe ich via Lassalle vorbereitet, daß der zweite Teil meiner politischen Ökonomie'271 bei Brockhaus statt bei Duncker herauskömmt. Von Duncker bemerkte mir Camilla Essig (alias Ludmilla Assing) mit Recht, daß, wenn man ein Buch geheimhalten will, man es dem Duncker zum Verlag geben muß. Indes figuriere ich doch schon in der letzten Schrift von Rau-Rau'1861 - dem deutschen Say. Apropos. Betreffs Deines „Po und Rhein" usw. erzählte mir die Hatzfelds die bei ihrem Schwager, General von Nostitz, die ganze preußische Generalität spricht, deren Neffe Nostitz ferner Adjutant des „schönen Wilhelm"11 ist, daß in den hohen und höchsten militärischen Kreisen (u. a. auch dem des Prinzen Karl Friedrich) Deine Schrift als Produkt eines preußischen Geheimgenerals betrachtet würde. Dasselbe, wie mir Assessor Friedländer (Bruder des Redakteurs der Wiener „Presse") berichtete, fand in Wien statt. Ich selbst habe drüber mit General Pfuel gesprochen, jetzt 82, aber noch geistig frisch und sehr radikal geworden. Pfuel wußte natürlich nicht, daß wir ihm den Ehrentitel „von Höllenstein" '1871 beigelegt hatten. Er befindet sich übrigens in Ungnade und wird von dem Hof zu den Jakobinern, Atheisten usf. gezählt. Nun zum political business12. In Berlin gibt es natürlich keine haute politique13. Alles dreht sich um den Kampf mit der Polizei (nicht als ob diese sich jetzt das Geringste herausnähme; sie ist Muster von Artigkeit und Toleranz), indem man den Zedlitz, Patzke etc. von ihren Ämtern entfernt und bestraft wissen will; zweitens um den Gegensatz von Militär und Zivil. Dies sind die Punkte (in bürgerlichen Kreisen noch speziell die Militärvorlagen und die Steuerexemtion der Grundbesitzer), über die es zum Klappen kommen wird.'1881 (Ein Artillerieoffizier, Graf Tavernier, sagte mir, am liebsten würden sie ihre Batterien auf das Garde du Corps richten.) Es herrscht ein allgemeiner Auflösungsduft, und Leute von jedem Rang betrachten eine Katastrophe als unvermeidlich. In der Hauptstadt scheint man in dieser Beziehung weiter als in den Provinzen. Sonderbarerweise herrscht auch in den militärischen Kreisen die allgemeine Überzeugung, daß es bei dem ersten Zusammenstoß mit den crapauds14 zu Keilen für die Preußen kommen wird. Der Ton, der in Berlin
10 Geldangelegenheiten - 11 Wilhelm I. -12 politischen Teil - 13 hohe Politik -14 Franzosen
herrscht, ist frech und frivol. Die Kammern sind verachtet. Ich selbst habe in einem Theater ein Couplet gegen Vincke unter größtem Applaus absingen hören. Unter einem großen Teil des Publikums ist große Unzufriedenheit mit der bestehenden Presse. Es wird unbedingt bei den bevorstehenden neuen Wahlen (Herbst) für die zweite Kammer das Gros der Burschen, die in der preußischen Nationalversammlung saßen, gewählt werden.'1891 Dies ist wichtig, nicht wegen jener Burschen, sondern weil „Wilhelm der Schöne" sie für rote Republikaner versieht. Überhaupt ist der „schöne Wilhelm", seit er König geworden, vom spectre rouge15 verfolgt. Er betrachtet seine „liberale" Popularität als Falle, die ihm die Umsturzpartei gelegt. Unter diesen Umständen nun wäre es in der Tat ganz zeitgemäß, wenn wir nächstes Jahr eine Zeitung in Berlin herausgeben könnten, so widrig mir persönlich der Platz ist. 20-30 000 Taler wären in Verbindung mit Lassalle etc. zusammenzubringen. But hic jacet.16 Lassalle machte mir direkt den Vorschlag.'1721 Zugleich vertraute er mir an, daß er neben mir Redakteur en chef sein müsse. Und Engels? fragte ich ihn. „Nun, wenn 3 nicht zu viel sind, so kann ja auch Engels Redakteur en chef sein. Nur dürftet Ihr zwei nicht mehr Stimmen haben als ich, da ich sonst jedesmals überstimmt würde." Als Gründe, warum er mit an die Spitze treten müsse, gab er an: I. daß er der bürgerlichen Partei in der allgemeinen Meinung näher stehe und daher leichter Geld beibringen könne; 2. daß er seine „theoretischen Studien" und theoretische Ruhe aufopfern müsse, und davon müsse er doch etwas haben etc. Indes, fügte er hinzu, wenn Ihr nicht wollt, „so würde ich nach wie vor bereit sein, dem Blatt pekuniär und literarisch behülflich zu sein; es wäre dies ein Vorteil für mich; ich hätte den Nutzen des Blatts ohne die Verantwortlichkeit" usw. Dies natürlich sentimentale Redensarten. Lassalle, geblendet durch das Ansehn, das er in gewissen Gelehrtenkreisen durch seinen „Heraklit" und in einem andren Kreis von Schmarotzern durch guten Wein und Küche hat, weiß natürlich nicht, daß er im großen Publikum verrufen ist. Außerdem seine Rechthaberei; sein Stecken im „spekulativen Begriff" (der Bursche träumt sogar von einer neuen hegelschen Philosophie auf der 2ten Potenz, die er schreiben will), seine Infektion mit altem französischem Liberalismus, seine breitspurige Feder, Zudringlichkeit, Taktlosigkeit usw. Lassalle könnte als einer der Redakteure, unter strenger Disziplin, Dienste leisten. Sonst nur blamieren. Aber Du siehst, ich war in großer Verlegenheit bei der großen Freundschaft,
15 roten Gespenst -16 Aber hier liegt der Haken. U*
die er mir bewies, mit der Sprache herauszurücken. Ich hielt mich also in allgemeiner Unbestimmtheit, sagte, daß ich nichts entscheiden könne ohne vorherige Besprechung mit Dir und lupus. (Das war Hauptgrund, warum ich Dir nicht aus Berlin schrieb, da ich in Berlin keine Antwort von Dir über diesen Punkt haben wollte.) Entschieden wir uns negativ, so wollten die Gräfin und Lassalle eine Reise für ein Jahr nach dem Orient oder nach Italien antreten. But here's the rub.17 Er erwartet nun Antwort von mir, die ich nicht länger aufschieben kann. Qu'en dis-tu?18 Der Bursche ist furchtbar pathetisch, und so blieb mir nichts übrig, als eine beständige Ironie ihm entgegenzustellen, die seine Eigenliebe um so mehr verletzte, als dadurch die Gräfin, der er sich als Universalgenie imponiert hat, bedenkliche Emanzipationsgelüste von diesem Buddha bekam. Sonderbarerweise hat sich die Hatzfeldt in gewissen Momenten von ihm einen jüdelnden Ton angehört und eingepaukt. Lupi Bedenken mit Bezug auf die preußische Polizei sind quite out of the place19. Die einzige Schwierigkeit, die noch vorhanden ist, kann höchstens die treffen, die früher den Fahneneid geleistet. Assessor Friedländer sagt mir, daß lupus still the most populär man20 in Breslau ist und in einem andern schlesischen Distrikt, dessen Name ich vergessen. Eisner ist Lump geworden in der „Schlesischen Zeitung" wie Stein in der „Breslauer". Jedoch hat sich jetzt wieder in Breslau eine weitergehende demokratische Partei gebildet. Der einliegende Ausschnitt aus der „Preußischen GerichtsZeitung" ist auf mein Betreiben von ihrem Redakteur, dem Stadtrichter Hiersemenzel, hineingesetzt worden.11901 Actuarius Stein, aus Zürich zurückgekehrt nach Berlin, läßt lupum bestens grüßen. Über meine Verhandlungen mit der preußischen Regierung resp. Polizei im nächsten Brief.11911 Apropos. Ich habe zum Präsent für Dich von Lassalle einen schönen Militäratlas, den Du selbst abholen kommen mußt. Salut an Dich, lupus, Gumpert. Dein K.M.
17 Aber hier ist die Schwierigkeit. -18 Was sagst Du dazu? -19 ganz unnötig - 2- noch immer der populärste Mann
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Marx an Engels in Manchester
[London] 10. Mai 1861
Lieber Frederick, Einliegend d'abord1 ein Photograph. Lupus und Gumpert erhalten jeder ditto 1, sobald ich mehr Abzüge habe. Ich ließ das Zeug machen, teils für meinen Rotterdam Vetter2, teils in exchange3 für in Deutschland und Holland erhaltne Photographs. Zweitens ein Ausschnitt über „Herr Vogt" aus einer Düsseldorfer Zeitung. Endlich lege ich eine zwar schon veraltete „Free Press" bei, da Du und lupus die Parlamentsverhandlung über die Afghanistanaffäre vielleicht nicht so genau verfolgt habt. Es war der größte check4, den Pam seit 1848 erlebt hat.11921 Was Du über das Berliner Zeitungsprojekt11721 sagst, ist absolut meine Ansicht, und hatte ich die Hauptpunkte darin, mutatis mutandis5, dem Lazarus6 schon angedeutet. Ich hatte mich - da ich in Berlin ihm schon positiv erklärt hatte, daß ich ohne Dich und lupus nichts derart unternehmen würde jedoch positiv verpflichtet, Euch die Sache „ernscht und objektiv" vorzutragen und somit salvavi animam meam7. Apropos. Lassalle-Lazarus. Lepsius hat in seinem großen Werk über Ägypten nachgewiesen, daß der Auszug der Juden aus Ägypten nichts andres ist als die Geschichte, die Manetho erzählt, von der Vertreibung „des Volks der Aussätzigen" aus Ägypten, an deren Spitze sich ein ägyptischer Priester namens Moses stellte. Lazarus, der Aussätzige, ist also der Urtyp des Juden und Lazarus-Lassalle. Nur ist unsrem Lazarus der Aussatz ins Hirn geschlagen. Seine Krankheit war ursprünglich schlecht kurierte sekundäre Syphilis. Daraus entwickelte sich Knochenfraß in einem seiner Beine, und hiervon ist etwas zurückgeblieben, wie sein Arzt Frerich8 (ich weiß nicht, wie sich dieser berühmte Professor schreibt) sagt, Neuralgie oder something of the sort9 in einem seiner Beine. Zu seinem eignen Leibes
1 zunächst - 3 Jacques Philips - 3 zum Austausch - 4 Mißerfolg - 5 mit den notwendigen Abänderungen - 6 siehe vorl. Band, S. 603 - 7 habe ich meine Seele gerettet - 8 Friedrich Theodor von Frerichs - 9 etwas von der Art
schaden lebt unser Lazarus nun so luxuriös wie sein Gegenbild, der reiche Mann11931, und das halte ich für ein Haupthindernis seiner Kur. Er hat sich überhaupt zu sehr vervornehmt und würde es für einen Raub halten, z.B. in eine Bierkneipe zu gehn. Sonderbarerweise hat er mich wenigstens viermal gefragt, wen ich unter Jacob Wiesenriesler11941 im „Vogt" verstehe. Indes, bei seiner wirklich „objektiv" gewordnen Eitelkeit war dies nur usus naturae10. Sein neues juristisches Urwerk (Dharma[1951) wird er uns allen schicken. In Berlin besuchte ich auch Friedrich Koppen. Ich fand ganz den alten in ihm. Nur ist er dicker geworden und „greulich". Die zweimal, die ich allein mit ihm durchkneipte, waren eine wahre Wohltat für mich. Er hat mir seine zwei Bände „Buddha", eine bedeutende Schrift, geschenkt. Von ihm erfuhr ich denn auch, wie der Lause-Zabel et Co. sich in Besitz der ,,Nat[ional]-Zeit[ung]" gesetzt. Zunächst wurde dies Blatt 1848 auf gleich ganz ausgezahlte Aktien (aber ohne eigentlichen Kontrakt, in a loose way11) gegründet. Mügge, Koppen u.a. liefen herum zu diesem Zweck. Rutenberg trat ein als Hauptredakteur, mit und unter ihm Zabel, endlich der Jude Wolff12 als Geschäftsführer. Das Blatt hob sich bald durch seine Weißbierphilistermäßigung und seine Dienstnahme bei der parlamentarischen Linken. Rutenberg ward von seinen sociis13 hinausbugsiert unter dem richtigen oder falschen Vorwand, daß er zu konservative Richtung einschlage und von Hansemann Trinkgelder erhalte. Zabel brachte einen faiseur14 hinein, der für ihn schrieb, während Zabel durch Unterhaltungen mit den Weißbierphilistern in den verschiednen Kneipen für wachsendePopularität sorgte. Der coup d'etat11891 (Manteuffels) und die verschiednen Gewaltstreiche gegen die Presse, die in ihrer gröbsten Form bis Ende 1850 fortdauerten, gaben einen willkommenen Vorwand, keine Aktiengesellschaft zusammenzuberufen. Unterdes nahm das Blatt, das erst mit der völligen Unterdrükkung der revolutionären Presse und mit dem Aufkommen des Regime Hinckeldey-Stieber seine wahren Existenzbedingungen gefunden hatte, zu vor dem Philister. Es ward ein Geschäft, und about15 1852 wurde ein Teil der Aktionäre zudringlich und verlangte Rechenschaftsablege, Generalversammlung usw. Die Widerhaarigsten wurden nun von Jud Wolff und cand. theol. Zabel beiseite genommen. Es ward ihnen im Vertrauen eröffnet, daß, um das Blatt nicht zu ruinieren, Todesschweigen über seine Finanzen allerreligiöst beobachtet werden müsse, indem es in der Tat bankerutt sei.
10 naturgemäß - 11 in nachlässiger Weise - 12 Bernhard Wolff - 13 Geschäftsteilhabern 14 Helfershelfer - 15 gegen
(In der Tat war die Aktie, ursprünglich 25 Taler, damals schon 100 wert.) Also es nur nicht d'une maniere ou d'une autre16 aus seinem schüchternen finanziellen Versteck herausziehn. Indes, aus besondrer Rücksicht, wolle man ihnen (nämlich den bösartigsten Aktionären) ausnahmsweise ihren Einsatz gegen Austausch ihrer Aktien zurückzahlen. So wurden die Gefährlichsten abgefunden. Die Farce wiederholte sich mehrmal. Die Mehrzahl der so im Vertrauen Abgekauften erhielt jedoch - je nach dem Grad ihres passiven Widerstandes - nur von 40 bis herab auf 5% des ursprünglichen Einsatzes. Ein ganz beträchtlicher Teil liberaler Schlappschwänze hat bis zu diesem Augenblick noch keinen farthing erhalten und es ebensowenig zu einer Rechenschaftsablege bringen können. Aus Furcht vor der „KreuzZeitung" schweigen sie. Durch diese Escroquerie17 also sind Jud Wolff und cand. theol. Zabel zu „überflüssiges Geld" besitzenden Großwürdenträgern des liberalismus vulgaris18 geworden. Schade, daß ich die Geschichte nicht früher kannte! Rutenberg ist als ausdrücklich garantiertes Inventariumstück von Manteuffel an Schwerin abgetreten worden. Er schneidet jetzt mit der Schere die „Staatszeitung" zurecht, ein Blatt, das kein Mensch mehr liest. So eine Art London Gazette. Bruno19, dem es verflucht schlecht gegangen sein soll, bot sich umsonst dem jetzigen Ministerium an - nämlich seine Mitarbeit an der offiziösen „Preußischen Zeitung" fortzusetzen. Er ist jetzt Hauptmitarbeiter an des Kreuz-Zeitungs-Wagener Staatslexikon. Im übrigen farmer in Rixdorf oder wie das Nest heißt. Ich wohnte einmal einer Sitzung der zweiten Kammer von der Journalistenloge aus bei. Ich hatte ditto Sommer 1848 einer Sitzung der preußischen Vereinbarer11961 beigewohnt. Quantum mutatum ab illis!11971 Obgleich die sicher auch keine Titanen waren! Ein enger Sitzungsraum. Spärliche Zuschauerlogen. Die Kerls sitzen auf Bänken (die „Herren" dagegen auf Sesseln)[1981, ein sonderbares Mixtum von Beamten- und Schulstube. Eine belgische Kammer ist im Vergleich damit imposant. Simson oder Samson, wie der Präsident heißt, rächt sich für die Fußtritte, die er von Manteuffel erhalten, indem er nun - mit der ganzen grotesken brutalen Magisterialität eines ministeriellen Huissier2011991 - mit seinen Eselskinnbacken auf die unten kauernden Philister losdiszipliniert. In jeder andren Versammlung hätte diese unaussprechliche species21 von personifizierter Bedientenfrechheit schon Ohrfeigen erhalten. So ekelhaft sonst in Berlin, namentlich in
16 auf die eine oder andere Art - 17 Gaunerei - 18 Vulgärliberalismus - 19 Bruno Bauer 20 Türhüters-21 Sorte
den Theatern, das Vorherrschen der Uniform (Apropos. Um die königliche Familie zu insultieren, brachte mich die Hatzfeldt gleich in den ersten Tagen in eine Loge dicht neben die des „schönen Wilhelm" und Konsorten. Drei Stunden Ballett. Dies die einzige Aufführung an dem Abend. Auch eine Berliner Gegend), so sehr freut man sich, wenn man unter dieser geduckten bürokratischen Schuljugend hie und da einen Kerl in Uniform entdeckt, der doch wenigstens den Kopf gradhält und knapp aufsitzt. Vincke sprach grade, was er überhaupt bei keiner einzigen Sitzung unterläßt. Ich habe den Kerl noch idealisiert. Hätte ich ihn früher sprechen gehört, so wäre das Porträt ganz anders ausgefallen.'2001 In einem schlechten Lustspiel von Freytag, das ich in Berlin sah, benamst „Die Journalisten", kommt ein dicker Hamburger Philister und Weinmerchant22, genannt Piepenbrink, vor. Vincke ist der Abklatsch dieses Piepenbrink. Widerlichstes hamburgischwestfälisches Patois23, rasch hintereinander gekaute Worte, kein Satz richtig konstruiert oder ganz ausgeführt. Und dies ist der Mirabeau von der Hasenheide! Die einzig wenigstens anständig aussehenden Figuren in diesem Pygmäenstall24 sind'Waldeck auf der einen Seite, auf der andern Wagener und Don Quixote von Blanckenburg25. In Elberfeld Siebel besucht. Bei ihm zu Nacht gegessen in Barmen. Schöne junge Frau, singt gut, bewundert ihren Carl, gefiel mir gewissermaßen. Siebel der alte. Sein Hauptumgang ein liberaler Journalist (früher Münsterkorrespondent der ,,N[euen] Rheinischen] Z[eitung]"), Poeten, Musiker und Maler. Der beste davon schien mir Seel zu sein. Siebel brachte mich in die Barmer „California", fade Burschen. Sie brachten mir einen Toast. Ich ließ durch Siebel erklären, ich sei heiser, so daß er für mich mit einigen faden Späßen, die jedoch am right place26 waren, antwortete. Siebel sagt, daß sein Vater ihm alles nachmacht, Versemachen und Trinken, so daß es heißt: Der Stamm fällt nicht weit vom Apfel, In Köln Schneider II und Dr. Klein besucht. Unverändert; eher noch weiter entwickelt. Ein paar Stunden mit ihnen gekneipt. Sah in einer Kneipe auch incognito Stuhlgang Königswinter (Wolfgang Müller). Frau Daniels besucht. Nicht den Narren und Nationalvereinler Bürgers. Doch hierüber später. Ich bin so ins Schwätzen gekommen, daß ich noch immer nicht bei der Hauptsache bin. Also nächstens. Totus tuus.27 K.M.
22 Weinhändler - 23 Platt ~24 Zwergenstall - 25 Moritz von Blanckenburg - 26 rechten Platz
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Marx an Engels in Manchester
[London] 16. Mai 1861
Dear Frederick, Den Gumpert habe ich verfehlt. Erst war ich um 5 Uhr nachmittags in Euston Square, wo ich bis 6 wartete. Später ging ich nach London Bridge Station about 8 o'clock1. Jedesmal ohne ihn abzufassen. Du bist wohl so gut und schreibst uns, wann Du kommst.'2011 In bezug auf Dein eignes Verhältnis mit Preußen2 will ich Dir vor allem die Ansicht der bedeutendsten Juristen, die ich in Berlin gesprochen, mitteilen. Alles hängt davon ab, ob Du einberufen warst oder nicht. Im letztern Fall gehört Dein case3 als Landwehrmann zu dem der gewöhnlichen Zivilgerichte. Es scheint übrigens, daß die Preußen nur von Deiner Elberfelder Geschichte, nicht von der badensischen offiziell Notiz nehmen.12031 Ich weiß nicht, ob Du die Augsburger „Allgemeine] Z[eitung]" vom 19.April d.J. gelesen. Darin heißt es wörtlich am Schlüsse der Pariser Korrespondenz: „Zur Warnung für die Buchhändler wurde ,Herr Vogt' von Karl Marx auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt, was das Erscheinen einer französischen sehr verkürzten Verarbeitung, die sich im Drucke befindet, unmöglich macht," Ich wollte Dir heut einen weitern Reisebericht abstatten, erhalte aber soeben Besuch von Herrn Bühring, so daß ich diese Zeilen abschicken muß. Salut. Dein K.M.
1 gegen 8 Uhr - 2 siehe vorl. Band, S. 16 - 3 Fall
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Marx an Engels in Manchester
[London] 10. Juni 1861
Lieber Frederic, Ich habe heute Brief von Wien erhalten. Friedländer1 verlangt zunächst von mir 2 Artikel, 1 über die Geschichte in Amerika (wo ich den ganzen Dreck kurz für 1 oder 2 Leiter politisch und militärisch zusammenfassen soll) und 1 über die Lage von England. Später will er mir dann (i.e. nach Empfang dieser Artikel) seine nähern Vorschläge machen, und zwar soll ich 1 £ für jeden Artikel ,10 sh. für bloße Korrespondenz erhalten. Dies ist gut bezahlt nach deutschem Maßstab, und ich muß auf die Sache eingehn, car il faut vivre2. Da ich die 2 Probeartikel gern diese Woche schon wegsende, so mußt Du mir den militärischen Teil über Amerika zurechtmachen. Ich verarbeite das dann ins Politische hinein. Ich habe seit einer Woche ernsthaft mit meinem Buche begonnen.'271 Von Lassalle noch nichts weiter gehört, nur schreibt mir sein Vetter Friedländer3 aus Berlin (L[assalle] weiß nichts und soll nichts wissen von der Transaktion mit der „Presse") folgendes: „F. Lassalle beschäftigt sich seit seiner Rückkehr aus Breslau teils mit Regelung Ihrer Indigenats-Angelegenheit, deren befriedigender Lösung er nach meiner Meinung durch seinen allzu großen Eifer und durch seine zu viel beweisenden Eingaben Abbruch tut, teils füllt er seine Zeit mit Durchund Vorlesen der zahlreich eingehenden Dankschreiben von Professoren und Geheimräten für sein so schönes, so interessantes und so gebtreiches etc. Buch11741. Diese Briefe geben ihm die beste Gelegenheit, Konversation über sein .vortreffliches' Buch zu machen und so zu beweisen, daß er ohne jede Empfindung für solche kleine Reizmittel ist und nichts weniger kennt als Eitelkeit. Der armen Gräfin4, welche mit einer bösen Grippe kämpft, wird es immer schwerer, ihre offizielle Rolle des Opponenten durchzuführen, und auch ich fange an, des Sekundierens dabei müde zu werden." Soweit Friedländer.
1 Max Friedländer - 2 denn man muß leben - 3 Julius Friedländer -1 Sophie von Hatzfeldt
Über die hiesigen Vorgänge im sog. Nationalverein'2031 und Kinkels Durchfall dabei schreibe ich morgen, da ich heute gleichzeitig nach Berlin und Wien noch schreiben muß. Salut. Gruß an lupus. Cavour's death! Qu'en pensez-vous?5 Esel Garibaldi hat sich blamiert durch Eintrachtsbrief an die Yankees.112041 Dein K.M.
5 Cavours Tod! Was denkt Ihr darüber?
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Engels an Marx in London
Manchester, 12. Juni 1861
Lieber Mohr, Leider hab' ich keine Zeitungen gesammelt über den amerikanischen Krieg, und auch sind viele Orte auf der Karte nicht zu finden. Die Hauptsache ist die: Der Süden hatte sich im stillen schon seit Jahren, besonders aber seit der Präsidentschafts-Wahlaufregung[1631 gerüstet, durch den Verrat von Buchanans Ministern noch im letzten Moment Geld und Waffen en masse erhalten. Bis 4. März'2051 war daher der Norden ganz lahmgelegt. Auch bis zum Fall von Sumter'2061 tat Linc[oIn] nichts oder konnte nichts tun, als die paar Linientruppen (im ganzen 18 000 Mann, meist gegen die Indianer im Westen zersplittert) etwas mehr zu konzentrieren und instand zu setzen. Jetzt endlich, nach dem Angriff auf Sumter, war der Norden erregt genug, um alle oppositionellen Stürme zum Schweigen zu bringen und damit eine kräftige militärische Aktion möglich zu machen. 75 000 Mann wurden aufgeboten, die jetzt auf den Beinen sein mögen, aber die zehnfache Zahl scheint sich angeboten zu haben, und es mögen auch bis 100 000 Mann jetzt auf den Beinen sein, wenn auch noch lange nicht konzentriert. Ein weiteres Aufgebot Lincolns wird täglich erwartet, und wird weniger Zeit erfordern, da alles jetzt besser präpariert ist. Die 75 000 Mann, oder vielmehr der Teil von ihnen, der in der Gegend von Washington, am Ohio gegenüber Kentucky, und in St. Louis (Mis[souri]) steht (also ungerechnet die Reserven in Ohio undPennsylvanien), sind hinreichend gewesen, vorderhand das Gleichgewicht zwischen den Kräften des Nordens und Südens an der Linie des Potomac herzustellen und sogar für den Augenblick die Offensive des Nordens auf kurze Entfernung zu gestatten. Der erste Zielpunkt sowohl des Südens wie des Nordens war Washington. Die Offensive des Südens dahin war weitaus zu schwach; über Richmond hinaus scheint die Hauptkraft schon nicht mehr zu einem recht- ~ zeitigen Stoß stark genug gewesen zu sein. Das einzige, was erreicht wurde, war, eine mobile Kolonne nach Harpers Ferry am Potomac, oberhalb
Washington, zu senden. Diese Position1 ist zu einer Offensive gegen den Norden (Maryland und Pennsylvanien) vortrefflich geeignet, sie liegt am Einfluß des Shenandoah, eines bedeutenden Flusses, in den Potomac, ist taktisch von großer Stärke und beherrscht beide Flüsse vollkommen. Das Bundeszeughaus scheint nicht ohne Absicht von einer eine künftige Sezession voraussehende und begünstigende Regierung dorthin gelegt. Die Besetzung von Harpers Ferry unterbricht die Beherrschung der Potomaclinie durch die Unionstruppen an einer empfindlichen Stelle und gibt den südlichen Truppen, für den Fall, daß sie in Masse bis an diese Linie vordringen sollten, sogleich die vollständige Beherrschung beider Ufer. Von der Behauptung Washingtons durch den Norden hing das Geschick von Maryland und Delaware ab; vom Süden abgeschnitten, von Unionstruppen besetzt, verfielen sie sofort der Union. Zweiter Erfolg des Nordens. Die Wiedereroberung Missouris durch die Deutschen von St. Louis war der dritte Erfolg, und von enormer Wichtigkeit, da der Besitz von St. Louis den Mississippi absperrt. 12071 Inwiefern die Neutralität Kentuckys dem Norden oder Süden günstig ist, wird wohl von Umständen und Ereignissen abhängen. Jedenfalls beschränkt sie vorderhand den Kriegsschauplatz auf2 das westlicher gelegne Gebiet. Resultat: Also nach allen Vorbereitungen des Südens hat er weiter nichts erreicht, als daß der Norden, mit nur 1 monatlicher Vorbereitung, ihm bereits die Landeshauptstadt und drei Sklavenstaaten aberobert hat, und ein vierter Sklavenstaat nicht zu sezedieren wagt12081; daß am Potomac die südliche Offensive zum Stehen gekommen ist und der Norden bereits über diesen Fluß hinausgerückt ist, bis jetzt ohne Widerstand zu finden. Für jeden Mann mehr, den der Süden jetzt noch stellen kann, wird der Norden drei bis vier stellen. Die sezedierten Staaten haben ca. 71/2 Millionen Einwohner, wovon über 3 Millionen Sklaven; 1 Million Weiße muß mindestens wegen Bewachung der Sklaven abgerechnet werden, so daß kaum 2% Millionen bleiben als für den Krieg disponible Bevölkerungsmasse. Wenn von diesen 10% aufgeboten werden - das stärkste, was wohl je defensiv aufgeboten worden ist -, gibt es höchstens 250 000 Mann. So viel kommen aber sicher nicht zusammen. Die Schweiz, mit etwa gleicher Bevölkerung - etwas über 2 Millionen -, hat ca. 160 000 Milizen auf dem Papier. Dagegen zählt der Norden, die freien Staaten allein gerechnet, an
1 In der Handschrift vor Position gestrichen: starke - 2 in der Handschrift gestrichen: Virginien und Carolina
20 Millionen, die alle disponibel sind, mit Ausnahme etwa von Kalifornien, Utah und den äußersten westlichen Territorien. Sagen wir 17 Millionen disponible Bevölkerung, und nehmen wir nicht 10% davon, sondern nur den dritten Teil, 31/3% als disponibel zum Angriffskrieg, so gibt das über 500 000 Mann, mehr als hinreichend, den Süden, selbst bei der äußersten Anstrengung, zu erdrücken. Was das Verhältnis Mann gegen Mann betrifft, so ist keine Frage, daß die Leute des Nordens denen des Südens physisch und moralisch bedeutend überlegen sind. Die Rauflust des Southerners ist bedeutend mit feiger Meuchelmörderei gemischt. Jeder geht bewaffnet, aber nur, um beim Streit seinen Gegner eher niedermachen zu können, als dieser den Angriff erwartet. Das ist der durchschnittl.. .3
3 Der weitere Teil des Briefes fehlt.
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Marx an Engels in Manchester
[London] [1]9. Juni 1861
Lieber Frederick, Ich habe das Schreiben so lang aufgeschoben, weil Weber (der Pfälzer Uhrmacher) mir einen Bericht über die Londoner Nationalvereins[203]Sitzung, worin Kinkel so Sonderliches erlebt, und der Weber als hospitant beiwohnte, versprochen hatte. Erst heut erhalte ich von ihm das Einliegende. Aus dem letzten „Hermann" wirst Du gesehn haben, um was es sich handelt. Die definitive Sitzung ist auf nächsten Sonnabend über 8 Tage vertagt. In der Zwischenzeit ist Juch, mit den supplies1 dazu von einem deutschen Citykaufmann ausgerüstet, nach Coburg, um zu bewirken, daß der dortige Zentralausschuß des Nationalvereins den Zerffi (also implicite2 Kinkel) ausstößt. Es ist gottvoll, daß Gottfried das ganze liberale Bürgertum in der City durch seine Speichelleckerei vor den Engländern in fanatische Wut versetzt hat. - Auch von Bonn sind Briefe angelangt, worin dem Gottfried „mit Prügeln" bei seiner Rückkehr gedroht wird. Das Geheimnis, warum Zerffi (der direkt wohl im Auftrag) und Gottfried für MacDonald[209J auftreten: Gottfried hat eine englische Anstellung als Vorleser bei dem Kensington Museum, der brave Zerffi bei einer Ashley (Shaftesbury) Institution. Die einzigen allies3 des Gottfried sind die Knoten der „unpolitischen" Gesang- und sonstiger Kneipvereine. Letztre hat Gottfried (wohl mit englischem Geld) in der letzten Woche massenhaft in den Nationalverein eingekauft. (Es kann nämlich jeder Mitglied des Sauvereins werden, der eine Karte bei Trübner löst, mit minimum contribution4 von 3 sh.) Ditto hat Gottfried eine Privatversammlung gehalten mit seinen Anhängern und Deputation an Heintzmann geschickt, der solle (wegen Verletzung von Gottfrieds Würde) freiwillig seine Präsidentenstelle niederlegen oder man werde einen Antrag zu diesem Zweck stellen. - By the by5 muß ich nicht vergessen, daß, als der Skandal im Gang war, mein Freund Rheinländer in den Verein trat (nach Verabredung mit mir) und
1 Mitteln - 2 einschließlich - 3 Verbündeten - 4 Mindestbeitrag - 6 Übrigens
ein halbhundert Mitglieder (meist Kommis) aus seinem Islington Gesangverein hineinbrachte, die den Hauptskandal gegen Gottfried erhoben. Rheinländer sagt mir, daß die deutsche Citykaufmannschaft sich noch nie so fanatisch an einer politischen Sache beteiligt hat. Es wäre unbezahlbar, wenn Gottfried gezwungen würde, wegen Kriecherei gegen eine fremde Regierung aus dem Nationalverein auszutreten. Damit wäre seine Position beim deutschen middleclassgesindel am Ende, und was ist er ohne die? Gottfried fühlt, daß es sich hier für ihn um Stehn oder Fallen handelt, und ist daher in seiner Weise tätig. Was ihn noch besonders kränkt, daß er jetzt überall hört: „Das ,Volk' und ,Marx' hätten doch recht gegen ihn gehabt."12101 Bei einem Bekannten des Druckers Hirschfeld äußerte er: „Die Schwefelbande1511 stecke als unsichtbarer Leiter hinter der ganzen Geschichte." Ist es nicht schön, daß wir, die keinen Finger rühren, von unsern Feinden mit so mystischer „Tatkraft" ausgestattet werden? Die zweite Einlage, die ich Dir schicke (und zurück bitte, da ich antworten muß) ist Brief von der Hatzfeldt.12111 Ich werde mir die als Privatkorrespondent halten in Berlin, da sie ungleich mehr politischen Verstand (abgesehn von ihren guten resourcen6) hat als „der das systematische Prinzip seines Gehns in sich selbst tragende Schritt". (Lassalle,11741 Band II, p.545.) (Apropos. Du und lupus habt doch das L[assalle]sche opus erhalten?) Um Dir zwei Passus in ihrem Brief aufzuklären, folgendes: In der Blanquiaffäre habe ich ihr einen Brief von Brüssel (von Denonville) zukommen lassen. Es handelt sich zunächst um Geld für den Druck eines von Dfenonville] ausgehenden Pamphlets über den - infamen - Blanquiprozeß. (Debatten etc. und Räsonnement drüber.) Blanqui selbst hat durch D[enonville] sich bei mir und der parti proletaire allemand (in partibus)7 für die Sympathie sehr warm bedanken lassen.12121 Ich halte es für sehr gut, daß wir mit der entschieden revolutionären Partei in Frankreich wieder direkte Verbindungen haben. Zweiter Punkt: In dem Brief an Ljassalle], worin ich ihm ankündete, daß es mit der Zeitung11721 fürs nächste nichts sei, habe ich, um die Pille zu versüßen, geschrieben, ich käme vielleicht doch den Winter nach Berlin.8 Die Beurteilung der Berliner offiziellen Demokratie durch die Hatzfeldt ist ganz richtig. Mit dem eigentlichen Volk kommt sie natürlich nicht zusammen und kennt natürlich auch den Ton in den Kneipen nicht, der besser ist.
6 Beziehungen - 7 deutschen proletarischen Partei (im Exil) - 8 siehe vorl. Band, S. 605
Besten Dank für den Brief über Amerika.9 Sollte was Wichtiges vorfallen (militärisch), so schreibst Du mir wohl immer Deine Ansicht darüber. Nach dem Bild, das ich mir von General Scott - jetzt zudem 76 Jahre alt - aus dem mexikanischen Krieg1-2131 (sieh Ripley) gemacht, erwarte ich die größten blunders10 von ihm, falls der alte Esel nicht von andern kontrolliert wird. Vor allem Langsamkeit und Entschlußlosigkeit. Übrigens sehe ich aus den in der „Tribtme" mitgeteilten Tatsachen, daß der Norden jetzt offen von Sklavenkrieg und Vernichtung der Sklaverei spricht. Lord Montagu brachte gestern, wie er schon vorher angekündigt, in dem Commons11 auf Anlaß der Schleswig-Holsteiner Affäre Palmerstons Londoner Protokoll (über die dänische Erbfolge) von 1850121« vor etc. Der Alte12 griff zu seinem gewöhnlichen Mittel. Montagu hatte kaum mit seiner Rede begonnen, als ihm durch einen vorher angeordneten count out13 des Hauses ein Ende mit Schrecken gemacht wurde. Ich habe Sonnabend 2£ Steuern zu zahlen, und es ist mir lieb, wenn Du mir sie schickst. Anfang Juli bekomme ich wieder einiges Geld. Daß das Mitgebrachte schon zu Ende ist, wird Dich nicht wundern, da zu den Schulden, wegen der ich abreiste, nun beinahe noch 4 Monate - worin keine Einnahme - hinzukommen, die Schule nebst Doktor allein an 40 £ aufaßen. Wie ist das mit dem L. Simon, worüber auch einiges am Schluß des Briefes der Hatzfeldt? War Simon in der Landwehr'1671? Jedenfalls hast Du doch mehr gesündigt als Ludwig (der nirgendwo im Felde etc.). Ich verstehe die Sache nicht. Gruß an Lupus. Dein K.M.
9 siehe vorl. Band, S. 172-174 -10 Schnitzer - 11 Unterhaus -12 Palmerston -18 eine Auszählung (zur Nachprüfung der Beschlußfähigkeit)
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Marx an Engels in Manchester
[London] I.Juli 1861
Lieber Frederic, Ich war sehr froh, den lupus hier zu sehn; so die ganze family. Trotz seiner Gicht sah der Alte ganz jugendlich drein. Er überlieferte gleich Deinen Brief und £2, die der taxgatherer1 sofort erhielt. Ich erwartete heute morgen einigen supply2 von Deutschland, ist aber noch nichts arriviert3. Da ich vorläufig noch ganz ohne revenue4 und dennoch „in a continual course of consumption"5 (daraus erklären einige Ökonomen den „Profit", den sie nicht aus den Produktionskosten, sondern Konsumtionskosten ableiten [2151), so alle Manchester Zufuhr sehr erfreulich. Schreib mir gefälligst gleich, was Du von den Bewegungen (militärisch) in Virginien denkst?6 Die blunders' von Milizoffizieren - Brigade-General Peirce, seines Zeugs ein „Schneider" aus dem Staat Massachusetts - werden sich natürlich auf beiden Seiten oft genug wiederholen.12161 Ist Washington noch bedroht? Glaubst Du, daß die Southernersstellung8 bei Manassas Junction offensiv? Oder sind die Kerls nicht vielmehr auf der Retirade begriffen? In Missouri scheint die Niederlage der Southerners entschieden, und taucht da jetzt auch auf der schreckliche „colonel9 Börnstein". Aus einem Privatbrief an Weber10 ergibt sich, daß „colonel Willich" an der Spitze eines corps von Cincinnati. Ins Feld scheint er noch nicht gerückt zu sein. Bei dem nähern Studium dieser amerikanischen Affäre hat sich mir ergeben, daß der Konflikt zwischen Süd und Nord - nachdem der letztre seit 50 Jahren von einer Konzession zur andern sich degradiert hatte endlich (abgesehn von den schamlosen neuen Forderungen der „chivalry" u) zum Klappen gekommen durch das Gewicht, das die außerordentliche Entwicklung der North Western States12 in die Waagschale geworfen.
1 Steuereintreiber - 2 einige Zufuhr - 3 eingetroffen - 4 Einkommen - 5 „in einem Zustand ständiger Konsumtion" - 6 siehe vorl. Band, S. 181 - 7 Schnitzer - 8 Stellung der Südstaatler - 9 Oberst -10 Josef Valentin Weber -11 „Ritterschaft" (Plantagenbesitzer der Südstaaten) - 12 Nordweststaaten
Diese Bevölkrung, reich mit deutschen und englischen frischen Bestandteilen gemischt, außerdem wesentlich selfworking farmers13, war natürlich nicht so einschüchtrungslustig wie die gentlemen von Wallstreet und die Ouäker von Boston. Nach dem letzten Zensus (1860) ist sie gewachsen von 1850-1860 um 67,p.c. und betrug 1860 7 870 869, während die gesamte freie Bevölkerung der sezedierten slavestates14 nach demselben Zensus about 5 Millionen. Diese North Western States lieferten sowohl den bulk15 der Regierungspartei wie den Präsidenten16 1860. Auch war es grade dieser Teil des Nordens, der zuerst dezidiert17 gegen jede Anerkennung der Selbständigkeit einer Southern Confederacy18. Natürlich können sie des Mississippi untern Teil und Mündungen nicht fremden Staaten anheimgeben. Es war auch diese North Western [States] Bevölkerung, die in der Kansasaffäre (von der eigentlich der jetzige Krieg zu datieren) handgemein wurde mit den Border Ruffians.12171 Eine nähere Ansicht der Sezessionsbewegungsgeschichte ergibt, daß Sezession, Verfassung (Montgomery), Kongreß ibid.I218] usw. alles usurpations19. Nirgendwo ließen sie das Volk en masse20 abstimmen. Uber diese „Usurpation" - in der es sich nicht nur um die Sezession vom Norden handelt, sondern um Befestigung und Zuspitzung der Oligarchie der 300 000 slavelords21 im Süden gegen die 5 Millionen whites22 - sehr charakteristische Artikel ihrer Zeit erschienen in den südlichen papers23. Und nun zur großen Politik - Kinkel und Nationalverein in London.12031 Du erinnerst Dich noch, daß vorigen Samstag vor 8 Tagen Heintzmann die Sitzung aufgeschoben hatte (und dies im „Hermann" angezeigt), weil Juch nach Coburg geschickt there to move a placitum patrum24. Gleichzeitig hatte great25 Heintzmann eine außerordentliche Sitzung für den Dienstag zur Feier der Schlacht bei Waterloo etc. anberaumt. Der schlaue Gottfried26 jedoch, zusammen mit Zerffi, erließen geheime Zirkulare an ihre Leut' (sieh den letzten „Hermann") zu einer Sitzung am Sonnabend. Gottfried und seine Leut', die nun das Feld frei hatten, hielten in der Tat hinter dem Rücken der andern ihre Sitzung. Gottfried (als einer der Vizepräsidenten des Nationalvereins), präsidierte und Zerffi (als Comitemitglied desselben Nationalvereins) sekretarisierte. Es versteht sich, daß in dieser Sitzung dem Gottfried und Zerffi gefällige Beschlüsse mit Bezug auf die MacDonald-Geschichte12091 usw. gefaßt wurden. Am
13 selbstarbeitende Farmer - 14 abgespaltenen Sklavenstaaten - 15 die Hauptmasse -16 Abraham Lincoln - 17 entschieden - 18 Konföderation der Südstaaten - 19 widerrechtliche Anmaßungen - 20 insgesamt - 21 Sklavenhalter - 22 Weißen - 23 Zeitungen - 24 um dort ein allerhöchstes Gutachten herbeizuführen - 26 der große - 26 Gottfried Kinkel
folgenden Dienstag nun ließ Heintzmann das Protokoll vorlesen der letzten Sitzung, in der er präsidiert hatte, und tat, als wisse er gar nicht, daß Gottfried und Konsorten in der Zwischenzeit eine Sitzung abgehalten. Auch trugen die anwesenden Gottfried und Zerffi nicht auf die Verlesung des bezüglichen Protokolls an, nahmen überhaupt mit keinem Wort Bezug auf die von ihnen selbst arrangierte Sitzung. Wohl aber schrieb Gottfried den folgenden Tag an Juch mit dem Ersuchen, das in dem Brief von ihm eingelegte Protokoll über die Gottfriedsitzung im „Hermann" abzudrucken. Er bezog sich sogar drohend auf ein Abkommen, das er beim Überlassen des „Hermann" mit Juch getroffen. Letztrer sagte jedoch, „quod non"27 (sieh letzten „Hermann"). Vorgestern nun muß der Skandal in der Sitzung des Nationalvereins in Seyds Hotel zur Sprache gekommen sein. Ich habe jedoch noch keinen Bericht darüber erhalten. Du hast davon eine Art Probe von dem „Machiavellismus Gottofredi Magni28". Du wirst ferner aus dem letzten „Hermann", Sitzung des Nationalvereins, ersehn, daß Blind - so voll von kleinen Ränken wie ein Hund von Flöhen - den „Dralle" 29 gekeilt, um sich ein Dankvotum als SchleswigHolstein-Retter zu erhaschen. Dies jedoch capped by30 Heintzmann, der Dralles motion31 gar nicht zur Abstimmung kommen ließ. Derselbe summus32 Blind ließ durch einen Zwischenträger anfragen bei Weber etc., ob er bei dem zu Ehren der Juni-Insurrektion von dem deutschen Kommunistenverein und Franzosenvereinen zusammen gehaltnen Meeting „als Sprecher auftreten" solle12191? Erhielt aber zur Antwort: Wenn er Keile erhalten wolle - ja. Ad vocem33 Lassalles Werk1174': Lupus hat mir sein Exemplar geschenkt zu folgender Verfügung: daß Du es nämlich schickst an meinen Vetter unter der Adresse: „A.Philips, Advokaat, Keizergracht by de Westermarkt. L.L.267. Amsterdam." Du mußt natürlich L[assalle]s Zueignung an lupum auskratzen. Mein Vetter interessiert sich für theoretische Jurisprudenz. Du selbst, um einen Schmack zu bekommen - sowohl von dem, was abgeschmackt als was gut ist in L[assalle]s Buch, lies einstweilen Vorrede von Band I und von Band II Abschnitt XLI, beginnend p.5I7. Salut. Dein K.M.
21 „das ginge nicht" - 28 Gottfrieds des Großen - 29 Tralle - 30 vereitelt von - 31 Antrag 32 erhabene - 33 In bezug auf
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Engels an Marx in London
[Manchester] 3. Juli 1861
Lieber Mohr, Deine Fragen über den Stand der Dinge in Virginien sind leichter gestellt als beantwortet. Ob Washington noch bedroht? Unmittelbar nicht, sonst hätten die Southerners1 nicht so viel Terrain geräumt; aber man weiß ja nicht, in welchem Verhältnis die Streitkräfte stehn. Sollte der erste Hauptangriff der N[ortherners]2 entschieden zurückgewiesen werden, so ist nicht zu sagen, was passiert, da man nicht weiß, wo sie wieder zum Stehn kommen. Indes ist doch 3:1, daß der Potomac auch dann ein hinreichendes Hindernis sein würde. Stellung bei Manassas Junction - bedingt durch die Notwendigkeit der Southerners, ihre Verbindung mit Nordwestvirginien durch die Eisenbahn nach Paris und Strasburg zu erhalten. Geht M[anassas] J[unction] verloren, so ist ihre nächste Eisenbahnkommunikation mit Westvirginien (jenseits der Berge) die von Richmond über Gordonsville auf Staunton 80 Meilen südlicher; sie verlieren die Chance, ihre Reserven in erster Linie unmittelbar hinter der Aufstellung rasch von Westen nach Osten etc. je nach Bedürfnis zu befördern, und was in Westvirginien ist, kann abgeschnitten oder weit abgedrängt werden. Dies die Bedeutung der Position ob sie taktisch von irgendwelcher Bedeutung, kann ich nicht sagen, die Karten lassen gar nichts schließen. Überhaupt wird sich der Krieg in Westvirginien zunächst um die Eisenbahnknoten drehn. Die Geschichte bei Big Bethel'2161 hat nichts zu bedeuten; taktisch greulich mismanaged3; mit solchen Freiwilligen einen nächtlichen Angriff, und gar noch in getrennten Kolonnen, zu machen, konnte nur in Konfusion, gegenseitigem Totschießen und Davonlaufen endigen. Dagegen scheint 2erlei im Norden schlecht gemacht zu werden: 1. es scheinen die Massen neugebildeter und vollständig mobiler Korps gar nicht herangezogen zu werden, man läßt sie 4-500 Meilen vom Kampfplatz
1 Südstaatler - 2 Nordstaatler - 3 schlecht gehandelt
ruhig stehn, während sie am Potomac unbezahlbar wären - und 2. Brave old Scott4 scheint wieder kolossale Umzingelungspläne zu haben, die zu nichts als zu kolossaler Truppenzersplitterung führen; inwieweit dies zu Niederlagen führen kann, bei der Bummelwirtschaft und den unbekannten Helden des Südens nicht zu bestimmen. Was ist das mit dem Nichtabstimmen über die Sezession? Hier stand überall in den Blättern, daß Volksabstimmungen die Konventbeschlüsse in jedem Staat ratifiziert hätten. Laß mich wissen, wie's mit il capitano chi'l gran Sepolcro libero di Cristo, Goffredo il Magnanimo5 in der Affäre weiter gegangen. Inliegend SL62 585, fünf Pfund Liverpool, 12. Mai 1860. Ich will sehn, ob ich nicht gegen Ende der Woche weiteres schicken kann. Wie ist's Lupus auf der preußischen Gesandtschaft gegangen? Viele Grüße an die ladies6. Dein F. E.
4 Der tapfere alte Scott - 6 dem Feldherrn, der das erhabene Grab Christi befreite, Gottfried dem Großmütigen - s Damen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5. Juli 1861
Lieber Engels, Den Brief nebst Einlage von £ 5 dankbarst erhalten. Seit 3 Tagen habe ich eine eklige Augenentzündung, die mich in allem Schreiben und Lesen hindert. Doch denke ich, geht das in ein paar Tagen vorüber. Lupus fand die größten Hindernisse bei Alberts. (Dieser, nebenbei bemerkt, ist das Faktotum des Bernstorff. Dabei Hauptpolizeiagent und Haupthurenkuppler für die vornehmeren preußischen Reisenden.) Setzte es aber mit der ihm eigenen Grobheit schließlich durch, daß Alberts auf den Schweizer Paß einen langen Wisch setzte, daß Lupus verbannt, zu dem und dem Zweck, von der Amnestie Gebrauch machend etc., nach Wiesbaden gehe etc. Ursprünglich, sagte er ihm, wegen seines 10jährigen Aufenthalts im Ausland - dies ist also die allgemein ausgeteilte Parole habe er sein preußisches Bürgerrecht verloren. Er solle sich also als Engländer naturalisieren lassen und auf einen englischen Paß reisen. Zedlitz, by the by1, sagte noch kurz vor seinem Abtritt dem Lassalle: Ich hätte republikanische, mindestens antiroyalistische Gesinnung, und es sei ein für allemal ihr Prinzip, niemanden von dieser couleur zu renaturalisieren. Sie wollten in meinem Case2 kein praecedens3 zulassen.tl91] Winter, des Zedlitz Nachfolger, sagte dem L[assalle], er könne die Entscheidung seines Vorgängers nicht umwerfen. Endlich Schwerin, den Lassalle ebenfalls belästigte, um ihn loszuwerden, sagte, er werde die Sache dem Berliner Magistrat überweisen - was er jedoch nicht tun wird.'2201 Während der Kammerverhandlung über die Flüchtlingsangelegenheit klatschten Vincke et Cons. Beifall, lauten, bei der Erklärung Schwerins, die Regierung werde sich stets vorbehalten, in jedem besondern Fall nach Belieben zu entscheiden.
1 nebenbei bemerkt - 2 Fall - 3 keinen Präzedenzfall
Weis die Sezessionsgeschichte betrifft, so ist die Angelegenheit in den englischen Blättern ganz falsch dargestellt worden. Außer Südcarolina war überall der stärkste Widerstand gegen die Sezession.12211 Erstens: Borderslavestates4. Im Winter 1861 wurde eine Borderstate Convention5 gehalten.12181 Zu dieser waren eingeladen Virginia, Kentucky, Arkansas, Maryland, Delaware, Tennessee und North Carolina. Zu diesem Zweck wieder Conventions in diesen einzelnen Staaten gehalten, um Delegates zu der General Convention zu schicken. Delaware verweigerte sich, auch nur eine Konvention zu diesem Zweck zusammenzuberuf en. Tennessee ditto. Seine demokratische Legislature nahm es durch coup de mains aus der Union heraus. Allerdings später election held7, um diesen invalid act8 zu ratifizieren. Diese fand unter einem reign of Terrorism9 statt. Mehr als 1/s stimmte gar nicht. Von dem Rest 1/3 gegen Sezession, u.a. ganz East Tennessee, das in diesem Augenblick gegen die Sezession waffnet. Kentucky. 100 000 für das Union ticket10; nur ein paar Tausend für Sezession. Maryland erklärte sich für die Union, wie es auch jetzt zu members of Congress 6 Unionmen11 gewählt hat. North Carolina und sogar Arkansas wählten Union Delegates, das erstre sogar mit starker Majorität. Später terrorisiert. Virginia. Das Volk wählte eine Union Convention (der Majorität nach). Teil dieser Kerls ließ sich kaufen. In der Höhe des Südfiebers - Fall von Sumter12061 - eine Ordinance of secession passed secretly by 88 to 5512. Alle andern Schritte - während die Ordinance noch geheimgehalten wurde - zur capture des Federal Navy Yard at Norfolk und der Federal Armory at Harpers Ferry13 im geheimen. Wurden den Federal authorities14 verraten bevor ihrer execution15. Allianz mit Jeff [erson] Davis' Government16 im geheimen geschlossen und große Massen von Confederate troops17 plötzlich ins Land geworfen. Unter deren Protektion (echt bonapartistisch) nun für Sezession gewählt. Dennoch 50 000 Union votes18, trotz des systematic terrorism. North Western Virginia nun, wie Du weißt, sich offen von der Sezession getrennt.
4 Grenzsklavenstaaten - 5 Konvention der Grenzstaaten - 6 Handstreich - 7 eine Wahl durchgeführt - 8 ungültigen Akt - 9 terroristischen Druck - 10 die Unionsliste -11 Mitgliedern des Kongresses 6 Unionsanhänger - 12 ein geheimer mit 88 zu 55 angenommener Sezessionsbeschluß - 13 Besetzung der Marinewerft der Union in Norfolk und des Zeughauses der Union in Harpers Ferry -14 Bundesbehörden -15 vor ihrer Durchführung -16 Regierung 17 Truppen der Konföderation -18 Stimmen für die Union
Zweitens: Gulfstates12221. Eigentliche Volksabstimmung fand nur in einigen Staaten statt. In den meisten usurpierten die Conventions, gewählt, um über das Verhalten der Südstaaten zu Lincolns Wahl zu beschließen (- sie formierten später auf dem Montgomery-Kongreß ihre Delegates -), die Macht, nicht nur die Sezession zu beschließen, sondern auch die Konstitution, Jeffferson] Davis etc. anzuerkennen. Wie es dabei herging, wirst Du aus den mehr unten folgenden Auszügen aus südamerikanischen Blättern sehn. Texas, wo nach Südcarolina die größte slave party19 und terrorism,, dennoch 11 000 Stimmen für die Union. Alabama. Das Volk weder abgestimmt über Sezession, noch die neue Konstitution etc. Die hier gewählte Konvention passed die Ordinance of Secession20 mit 61 gegen 39 Stimmen. Die 39 von den Northern Counties21, fast nur von Weißen bevölkert, repräsentierten aber mehr free men22 als die 61; nach der United States' Constitution23 nämlich wählt jeder Sklavenhalter zugleich für 3/5 seiner Sklaven. Louisiana. Wurden mehr Unionvotes als Secessionsvotes24 bei der Wahl für die Delegaten zur Konvention gegeben. Aber die Delegates liefen über. Der Westen von Carolina, Osten von Tennessee, Norden von Alabama und Georgia, Bergdistrikte sehr verschiedner Interessen von denen der südlichen swamps25. Der 2te Dezembercharaktert223] des ganzen Sezessionsmanövers (die Kerls daher auch gezwungen, den Krieg zu provozieren, um unter dem Schrei „The North against the South" 26 die Bewegung in Gang zu halten), den Du aus den nachfolgenden Exzerpten siehst, noch dadurch offenbar, daß die Verräter in Buchanans Administration, die an der Spitze der Bewegung standen - Kriegsminister Floyd, Marineminister Toucey, Finanzminister Cobb, Minister des Innern Thompson -, zusammen mit den Hauptsenatoren des Südens, auf das tiefste involviert27 waren in den auf viele Millionen sich belaufenden dilapidations28, die im Laufe des Dezember 1860 der Kongreß (Repräsentantenhaus) einem Committee zur Inquiry29 übergeben hatte. Für Teil dieser Kerls wenigstens galt es, sich vom Zuchthaus zu retten. Daher sie die willigsten Werkzeuge der 300000 slave-holderOligarchie30. Daß letztre durch ihre Konzentration, Stellung und Mittel fähig, für den Augenblick jede Opposition to put down31, selbstverständ
18 Parteinahme für Sklaverei - 20 beschloß die Lostrennungsverordnung - 21 nördlichen Bezirken - 22 Freie - 23 Verfassung der Vereinigten Staaten - 24 Stimmen für die Union als für die Sezession - 25 Sumpfgebiete - 26 „Der Norden gegen den Süden" - 27 verwickelt - 28 Kergeudungen - 28 Untersuchung - 30 Sklavenhalteroligarchie - 31 niederzuschlagen
lieh. In einem Teil der „poor whites"12241 fanden sie den mob, der ihnen die Zuaven ersetzte. Georgia. „The Griffin Union": „It is mere mockery for the same men who made the Constitution in Montgomery to come back to Georgia und ratify it under the name of a State Convention." „The Macon Journal": „The State Conventions ... called for another purpose ... assume that they are the people, and under such an assumption of power can appoint delegates to a General Convention without Consulting the people. All the acts of the Congress of their Confederacy are passed in secret session with closed doors, and what is done is kept from the people." „The Augusta Chronicle and Sentinel" (größtes Georgia-paper): „The whole movement for secession, and the formation of a new Government, so far at least as Georgia is concerned" (und Georgia der volksreichste der Sklavenstaaten), „proeeed on only a quasi consent of the people, and was pushed through, under circumstances of great excitement and frenzy - by a fictitious majority. With all the appliances brought to bear etc., the election of the 4th of January showed a falling off of nearly 3000, and an absolute majority of elected deputies of 79. But, upon assembling, by wheedling, coaxing, buying, and all the arts of deeeption, the Convention showed a majority of 31" (against Union). „... The Georgia Convention and the Confederate Congress have gone forward in their work, as none can deny, without authority from the people." Alabama. „The Mobile Adüertiser": „The Convention has adopted the permanent Constitution in behalf of the State of Alabama ... The great fact stands forth that the delegates were not chosen for any such purpose." „The North Alabamian": „The Convention made haste to usurp the prerogative, and ratify the Constitution ... It is a remarkable fact, that the substantial, physical force of the country, the hardfisted, handworking men, expected to do all the fighting when the country calls, were from the beginning opposed to the Ordinance of Secession." 32
32 Georgia. „The Griffin Union": „Es ist reiner Hohn, wenn dieselben Männer, die die Verfassung in Montgomery gemacht, jetzt nach Georgia zurückkommen, um sie unter dem Namen einer Staatskonvention zu ratifizieren." „The Macon Journal": „Die Staatskonventionen... für einen anderen Zweck einberufen... maßen sich an, das Volk darzustellen und daß sie auf Grund einer solchen Machtanmaßung Delegierte zu einer Generalkonvention ernennen können, ohne das Volk zu befragen. Alle Gesetze des Kongresses ihrer Konföderation werden in geheimer Sitzung hinter verschlossenen Türen angenommen, und was geschieht, wird vor dem Volk geheimgehalten." „The Augusta Chronicle and Sentinel" (größtes GeorgiaBlatt): „Die ganze Lostrenmmgsbevjegung und die Bildung einer neuen Regierung, wenigstens soweit es Georgia betrifft" (und Georgia der volksreichste der Sklaven Staaten), „vollzieht sich
Mississippi. Ähnliche Klagen über Usurpation in „Jackson Mississippian" und „Vicksburg Whig". Louisiana. „New Orleans True Delta": „Here secession succeeded only by suppressing the election returns. .,. the government has been changed into despotism."33 In der State Convention von Louisiana (New Orleans) vom 22. März 1861 sagt old Roelius (einer der Hauptpoliticians der United States): „The Montgomery instrument ... did not inaugurate a government of the people, but an odious and unmitigated oligarchy. The people had not been permitted to act in the matter."34 In Louisville, Kentucky, sagt 16. März 1861 Senator Guthrie (Proslaveryman35, Finanzminister unter Pierce): das ganze movement sei ein „plot" und „usurpation". U.a.: „In Alabama a majority of the populär vote was cast against going out, but a small majority of the delegates were for secession, they took Alabama out, and refused the people to have any voice in the matter. The vote of Louisiana, too, was against secession, but the delegates suppressed it"36 etc. DehlK.M.
nur mit einer scheinbaren Zustimmung des Volkes und wurde unter Bedingungen großer Erregung. und Raserei durchgepeitscht - von einer fingierten Mehrheil. Trotz aller angewandten Druckmittel usw. zeigte die Wahl vom 4ten Januar einen Abfall von fast 3000 und eine absolute Mehrheit von 79 gewählten Abgeordneten. Aber beim Zusammentritt, dank Schmeichelei, Beschwatzung, Kauf und all den Künsten der Täuschung, zeigte die Konvention eine Mehrheit von 31" (gegen die Union). „...Die Konvention von Georgia und der Konföderationskongreß haben ihre Arbeit, wie niemand bestreiten kann, ohne Ermächtigung durch das Volk fortgesetzt. Alabama. „The Mobile Advertiser": „Die Konvention hat die permanente Verfassung im Namen des Staates Alabama angenommen... Die bedeutende Tatsache steht fest, daß die Delegierten keineswegs zu einem solchen Zweck gewählt wurden." „The North Alabamian": „Die Konvention hat sich beeilt, sich Hoheitsrechte anzumaßen und die Verfassung zu ratifizieren... Eine bemerkenswerte Tatsache ist, daß die wesentliche, natürliche Kraft des Landes, Arbeitsmänner mit der schwieligen Faust, von denen erwartet wird, daß sie alle Lasten des Kampfes tragen, wenn das Vaterland ruft, von Anbeginn an gegen die LostrennungsVerordnung waren." - 33 Louisiana. „New Orleans True Delta": „Hier gelang die Lostrennung nur durch Vertuschung der Wahlergebnisse die Regierung ist in Despotismus verwandelt worden." - 34 „Das Dokument von Montgomery... rief nicht eine Volksregierung ins Leben, sondern eine abscheuliche und uneingeschränkte Oligarchie. Dem Volk war nicht gestattet worden, auf diese Angelegenheit einzuwirken." - 36 Anhänger der Sklaverei - 36 die ganze Bewegung sei ein „Komplott" und „Machtanmaßung". U.a.: „In Alabama war die Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen Austritt, aber eine geringe Mehrheit der Delegierten war für die Lostrennung, sie vollzogen den Austritt Alabamas und verweigerten dem Volk jegliches Recht, in dieser Frage mitzureden. Auch in Louisiana war das Wahlergebnis gegen Lostrennung, aber die Delegierten vertuschten es"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 12. Juli 1861
Lieber Engels, Den letzten Brief nebst Einlage oder vielmehr die Einlage ohne Brief dankbarst erhalten. Die große Tragikomödie mit Gottfried Kinkel ist zu einem würdigen Schluß gekommen und poor1 Gottfried aufs Haupt geschlagen worden. Um kurz das Große zusammenzufassen, war dies der wahre Verlauf der Sache: Am 15. Juni hatte Gottfried und Co., wie ich schon berichtet2, eine Sondersitzung auf eigne Faust gehalten, worin sie die ihnen selbst angenehmen Beschlüsse faßten. Am 18. Juni fand außerordentliche Sitzung unter Heintzmann statt, wo die große Streitfrage12091 nicht auf der Tagesordnung war, indem immer noch das Antwortschreiben von Coburg abgewartet wurde. Endlich am 6. Juli fand die entscheidende Sitzung statt, die Antwort von dem Orakel zu Coburg12251 having meanwhile arrived3. Die ganze Streitkraft beider Parteien war zugegen, auch die von Gottfried bar eingekauften 35 Mitglieder des Bundes deutscher Männer. Vor dem Sitzungstag hatten jedoch schon bedeutende Agitationen stattgefunden. So z;B. war der „Bund deutscher Männer"151 von Heintzmann et Cons. haranguiert4 und informiert worden über Gottfrieds Umtriebe. Der Präsident dieses Bundes, ein shipagent5 namens Schmidt (Hannoveraner), war natürlich auf die „patriotische" Seite übergetreten. Heintzmann - by the by6 - verfolgt natürlich das doppelte Interesse: einerseits der preußischen Regierung angenehm aufzufallen, und zweitens womöglich sich hac via7 für die kommende Industrieausstellung12261 irgendein wichtiges trustive Amt8 von besagter Regierung zu erschnappen. Der Kerl, wie ich höre, soll in echter grober königlich preußischer Elberfelder
1 der arme - 2 siehe vorl. Band, S. 180/181 -3 war inzwischen eingetroffen - 4 angesprochen 8 Schiffsagent - 6 nebenbei - 7 auf diesem Wege - 8 Vertrauensamt
Prokuratormanier sein Präsidentamt versehn haben. Dies allerdings dem melodramatischen Gottfried gegenüber das Richtige. Also nach Eröffnung der Sitzung (am 6. Juli) ließ Heintzmann die Protokolle vom 8. und 18.Juni verlesen. Weder Kinkel noch Zerffi wagten auch nur anzutragen, daß ihr Protokoll vom 15. verlesen werde. Sie geben so also die Illegalität der von ihnen heimlich veranstalteten Sitzung zu. Dann verlas Heintzmann den Brief von Coburg. Das Orakel von dort schrieb: Ausstoßen aus dem Verein könne allerdings nur der Coburg Senat; dagegen Ausstoßen aus comite (um das es sich bei Zerffi handle) sei Lokalsache, also in London zu entscheiden. Nun traf es sich aber, daß am 8. Juli überhaupt neue Beamtenwahlen des Londoner Nationalvereins12031. Daher angenommen der Antrag von Schmidt, zur Tagesordnung überzugehn und durch die Neuwahlen selbst die Sache zu entscheiden. Gottfried hielt sehr lange Rede und betrug sich überhaupt in melodramatisch aufgeregtester Weise. Die paar Haare, die er auf dem Kopf hat, sträubten sich beständig gegen Himmel. Gottfried war abwechselnd bitter und drohend und suchte sogar stellenweis das ihm so ganz fremde Gebiet der Ironie. Während er sprach, fortwährend der größte Tumult. Zischen. Namentlich häufig auch der Ruf: „Gottfried", was ihn immer schmerzlich schockiert. Das Sonderbarste soll gewesen sein, daß Gottfried im Fortgang der Debatte, auch nachdem er nicht mehr am Wort, beständig aufsprang, um zu unterbrechen; dann aber Heintzmann mit drohend erhobnem Arm - durch bloßen Gestus - ihn wieder auf seinen Sessel zurückwarf. In der Wahl Gottfried und seine ganze Bande völlig geschlagen. Bei der Präsidentenwahl hatte Heintzmann 133, Gottfried 5 Stimmen. Also selbst die von ihm gekauften Kerls stimmten größtenteils gegen ihn. Sobald dies Resultat proklamiert, soll er in „würdevollster" Weise sich als eine Synthese von „sterbendem Fechter" und „gehangnem Christus" exhibiert9 haben. Hat Gottfried das um „sein liebes Deutschland" verdient? Zwischenher hat aber Molch Blind - der natürlich als „Republikaner" kein Mitglied des Nationalvereins - durch Kriecherei, Mogelei und Anstellerei aller Art es dahin gebracht, daß ihm in den beiden Sitzungen des Nationalvereins vom 15. Juni und 8. Juli Hochs als dem tapfren und patriotischen Vorkämpfer Schleswig-Holsteins gebracht wurden.
9 zur Schau gestellt
So viel über diesen Froschmäuslerkrieg[227]. Du wirst gesehn haben, daß selbst der „Kladderadatsch" ein paar Spaße gegen den edlen Dichter10 gebracht. Salut. Dein K.M.
10 Gottfried Kinkel
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Marx an Engels in Manchester
[London] 20. Juli 1861
Lieber Engels, Ich glaube nicht, daß Du Dich an die preußische Gesandtschaft zu London wegen eines „Führungsattestes" wenden kannst, ohne den Kerls ein sehr kompromittierendes Dokument Deinerseits in die Hand zu spielen. Weder nach preußischem noch internationalem Recht ist die preußische Gesandtschaft eine Aufsichtsbehörde, die testimonia1, sei es über die Führung von Ausländern oder Preußen, auszustellen hat. Nur soweit sie Pässe ausstellt, hat sie darauf zu sehn, ob einer entweder notorisch durch gerichtliches Urteil oder durch rumor publicus2 als Verbrecher konstatiert ist. Im übrigen ist sie supposed to know nothing über private individuals.3 Was sie weiß, weiß sie per abusum als Moucharderieinstitution4. Ein Führungsattest von ihr also gleich einem Führungsattest von der gesetzwidrig (und daher offiziell nicht existierenden) geheimen politischen Polizei sub auspiciis5 des Gesandtschaftsschreibers Alberts. Du kannst aber eine solche Behörde nicht anerkennen, und der Polizeidirektor in Barmen würde in große Verlegenheit kommen, wenn Du ihn ersuchtest, Dir den Paragraph des preußischen Gesetzbuchs anzugeben, wonach die preußische Gesandtschaft in London dergleichen Attribute besitzt. Anders verhält es sich mit dem preußischen Konsul in Manchester. Die Konsuls sind kommerzielle, nicht politische Repräsentanten ihres. Staats. Sie sind also supposed6, die Kaufmannschaft ihres Orts, und namentlich die ihrer eignen Nationalität angehörige, zu kennen. Sie können also ein Attest darüber geben, daß X. X. in Manchester seit 10 Jahren als. respektabler Kaufmann lebt und bekannt ist. Ein andres Zeugnis zu verlangen hat die preußische Regierung überhaupt nicht das Recht und wird sie sich hüten, offiziell zu beanspruchen. Das aber kann sie verlangen, da
1 Zeugnisse - 2 die öffentliche Meinung - 3 Im übrigen gehen Privatpersonen sie nichts an. 4 durch Mißbrauch als Bespitzelungsinstitution - 6 unter den Fittichen - 6 gehalten
Du durch das Gesuch der Renaturalisation mit foreigners7 auf einer Stufe stehst, von denen bei ihrer Naturalisation in Preußen dergleichen Zeugnisse etc. beansprucht werden können. Irgendein Zeugnis über Deine politische Führung hat die preußische Regierung ebensowenig das Recht zu fordern, als etwa ein von Dir selbst ausgefertigtes politisches Glaubensbekenntnis. Von Wien habe ich noch nichts weiter gehört, ebensowenig von Dana, obgleich letztrer mir die „Tribüne" wöchentlich zuschickt. Brockhaus will sich erst definitiv entscheiden, nachdem ihm das Manuskript1271 zugeschickt ist. Dies ist keineswegs angenehme Bedingung, da er das Manuskript dort seinen Eseln von literarischen Ratgebern zur Beurteilung vorlegen wird. Ich komme übrigens nicht so rasch voran, als ich wünschte, da viel häuslicher trouble8. Hast Du irgend etwas von Lassalles Buch11741 gelesen? Hast Du das Buch meinem Vetter9 geschickt? Letztres mir wichtig, da ich der bons offices10 dieses Jünglings sehr bedarf. Lassalle und die Gräfin11 sind in einem Bad bei Frankfurt a.M. Ein Polenemissarius - der mir zugleich von Schily ein ganzes Paket noch nicht durchgelesener Briefe von J.Ph. Becker brachte - war bei mir. Hat mich nicht wieder besucht, da der klare Wein, den ich ihm über die schlechten Aussichten irgendeiner conspiracy12 in Preußen in diesem Moment einschenkte, wohl nicht geschmeckt hat. Du erhältst die Beckerschen Schriftstücke, sobald ich sie durchgelesen; ditto ein Schreiben L[assalle]s an mich, sobald ich es beantwortet habe. Nichts von lupus gehört? Salut Dein K.M.
7 Ausländern - 8 Verdruß - 8 August Philips -10 guten Dienste -11 Sophie von Hatzfeldt 12 Verschwörung
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3. Aug. 1861
Lieber Frederick, In aller Eile zeige ich Dir den Empfang der £ 5 dankbarst an. Ein Saublättchen ist mir gestern zugeschickt worden mit dem Titel „Thusnelda" - von Kinkel und Zerffi gegen Heintzmann et Cons. Etwas kreuzdumm Schulbubenartigeres mir selten zu Gesicht gekommen. Ehren-Heinrich Bürgers hat nationalvereinliche Rede im Gürzenich1 gehalten und alles zitterte vor Wollust, als er den Namen des edlen Gothaers2 aushauchte. Der Schöne Wilhelm3 scheint rein verrückt. Der Bengel studiert Foliobände über die Krönung von Friedrich I. Heb mir die „Thusnelda", die ich mitschicke, auf. Einliegend auch ein Beitrag zum counting out of the House on the occasion of the Danish Question4. Salut. Dein K.M.
1 Festhalle in Köln - 2 Ernst II. - 3 Wilhelm I. - 4 zur Auszählung des Parlaments gelegentlich der dänischen Frage; siehe vorl. Band, S. 177
III
Marx an Engels in Manchester
[London] 28.Sept. 1861
Dear Frederick, Unser Kleinstes1 hatte seit meiner Rückkehr Gelbsucht. Sein Zustand war schon seit lange nicht befriedigend. Seit gestern ist das Gelbe aus den Augen verschwunden und sind alle Zeichen der Wiedergenesung eingetreten. Ich habe diese und vorvorige Woche je einen Artikel2 an die „Tribüne" geschickt. In zwei Wochen wird sich zeigen (einstweilen fahre ich mit einem Artikel per Woche fort), ob die Sache in dieser Art vorangehn kann. Die Wiener „Presse", wie ich aus dem „Times"-Correspondent von gestern ersehe, hat endlich eine Schwenkung gegen Schmerling gemacht, und so wird es jetzt vielleicht möglich, mit dem Blatt anzubinden. Kolatscheks „Stimmen der Zeit", in der Nummer, die kommenden Montag in London ankommt (Kolatschek hat das nämlich dem Borkheim geschrieben), bringt eine eigne Beilage über „Herr Vogt". Besten Dank für die „Manchester Guardians" (mir namentlich jetzt sehr nützlich) und die British Association publicationt228). Anfang dieser Woche kam hier an - in Garibaldi officer Uniform3, von Schily empfohlen, ein junger Offizier namens E.Oswald. War früher preußischer Lieutenant, trat als Freiwilliger bei Garibaldi ein, wurde unter Medici zum Lieutenant befördert. Nach der Auflösung der G[aribaldi]schen Armee ging er nach Paris, wo er, um sich durchzuhelfen, als Arbeiter in eine Fabrik eintrat. Jetzt hier, um nach Amerika zu gehn, dort an dem Kampf teilzunehmen. Was er braucht, sind die Speditionsgelder. Von hier geht wöchentlich ein Segelschiff nach New York, kostet nur 6 £. 5 £ will Borkheim für sich und ein paar Bekannte stellen. Es gälte also noch in Manchester durch einige liberale Philister (Borchardt etc.) eine kleine Summe zustande zu bringen, teils um das Überfahrtsgeld herauszubringen.
1 Eleanor Marx - 2 „Die amerikanische Frage in England" und „Der britische Baumwollhandel" - 3 der Uniform eines Garibaldi-Offiziers
In den 6£ sind aber die Lebensmittel nicht eingeschlossen. Borkheim wandte sich d'abord4 an Kinkel, um von den Revolutionsgeldern12291 die Reisemittel für Oswald aufzubringen. Aber Gottfried sagte: quod non5. (Es war dem Borkheim von Zürich aus gelungen, auf diese Weise dem Anneke die Reisegelder nach Amerika zu schaffen.) Die amerikanische Gesandtschaft gibt auch keinen farthing. Oswald scheint mir ein vorzüglicher junger Mann, dabei durchaus anspruchslos. Wäre er einmal in New York, so wird ihm meine Rekommandation6 an Dana sehr nützlich sein. Jedoch müßte die Sache rasch ins Werk gesetzt werden, da der Londoner Aufenthalt bloß faux frais de production7. Oswald sagt, daß Türr auch militärisch keinen Pfifferling wert sei. Reiner Intrigant. Es waren hauptsächlich Empfehlungen eines dem Garibaldi befreundeten Italieners, mit dem Türr früher zusammen, namentlich aber seine Rolle als „representative of Hungary"8, wegen deren ihn Garibaldi] hielt. Wo er ihn irgendwie selbständig militärisch verwendet, soll er unzufrieden mit ihm gewesen sein. Auch Rüstow soll sehr wenig oder gar keinen Anteil an der Sache gehabt haben. Er hatte offiziell die Charge als „Geschichtschreiber" des Kriegs. Von Garibaldi sagt Ofswald], daß er wesentlich Guerillaführer, aber mit einer größern Armee und auf einem größern Terrain nicht zu wirtschaften wisse. Seine strategischen Ratgeber seien Cosenz und Medici. Wann gehst Du nach Deutschland?12301 Besten Gruß von der ganzen Familie. Gruß an lupus, Gumpert etc.
Dein K.M.
Meyens Probenummer von der „Berliner Reform" gesehn. Reine oder vielmehr schmutzige Scheiße. Apropos. Soeben erhalte ich einen Brief meiner Nichte9, wonach August Philips zu Amsterdam immer noch nicht den Lassalle11741 erhalten hat. Willst Du nachsehn, ob er vom Büro fortgeschickt worden ist?
4 zunächst - 5 nein - 6 Empfehlung - ' zusätzliche Kosten - 8 „Vertreter Ungarns" -9 Marx' Cousine Antoinette Philips
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Marx an Engels in Manchester
[London] 30. Okt. 1861
Lieber Engels, Endlich haben sich die Verhältnisse soweit cleared1, daß ich wenigstens wieder festen Boden unter den Füßen gewonnen habe und nicht mehr rein in der Luft schwebe. Du weißt, daß ich kurz nach der Rückkehr von Manchester wieder anfing, sobald ich den Augenblick günstig hielt, an die „Tribüne" zu schreiben, einmal wöchentlich. Mit vergangner Woche hatte ich ihnen 6 Artikel geschickt. Mit der letzten Post kamen denn auch die 2 ersten Artikel2 gedruckt zurück, der erste (3 Spalten lange über die englischen Urteile über United States) in prominent place3 und an der Spitze des Journals besonders referred to4. Diese Sache ist also soweit in Ordnung, und damit sind 2 £ per Woche gesichert. Zweitens hatte ich, wie Du weißt, schon von Manchester aus an die Wiener „Presse" um „Auskunft" geschrieben.'1851 Vor 3 Wochen ungefähr erhielt ich Antwort, die mir politisch ganz genügend war. (Das Blatt hat seinen Schmerlingstandpunkt in der Zwischenzeit modifiziert.) Zugleich verlangte Friedländer (seines Eigentümers Zang wegen) 2 Probeartikel5. Die habe ich nun geliefert und erhielt gestern morgen Antwort, 1. daß die Artikel mit zugehöriger Reklame an der Spitze des Blatts erschienen, 2. daß ich von November an regelmäßig engagiert bin, 1 £ per Artikel, 10 sh. per Korrespondenz. Wegen der „Tribüne" werde ich mit dem Wechselziehn erst einen Weg finden müssen, da es schwerlich ferner durch Freiligrath gehn wird. Sonst ist mit diesem doppelten Engagement die Aussicht gesichert, dem gehetzten Leben meiner Familie während des letzten Jahrs ein Ende zu machen, auch das Buch'271 jetzt zu End zu bringen. Obgleich ich durch Dich befähigt war, die dringendsten Schufte Anfang September zu be
1 geklärt - 2 „Die amerikanische Frage in England" und „Der britische Baumwollhandel" s an hervorragender Stelle - 4 darauf hingewiesen - 6 „Der nordamerikanische Bürgerkrieg" und „Der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten"
friedigen, so blieb die Hetze doch unerträglich genug und ging während Oktober wieder crescendo. Ich schreibe mit diesem Brief gleichzeitig an meine Alte, um zu sehn, ob etwas aus ihr herauszupressen. Ebenso versuche ich, ob es mir gelingt, bei einer loan society6 einiges aufzutreiben. Es kömmt mir natürlich nun alles darauf an, einige Ordnung in die Affären zu bringen, bis die Summen von New York und Wien worth drawing7 sind, vor allem Ruhe zum Arbeiten während der Zwischenzeit, die noch verfließen muß, zu haben. Wir haben in der mean time8 alles nicht Nagelfeste versetzt, und was mir noch fataler, meine Frau ist ernsthaft unwohl. Den bloßen Druck der gegenwärtigen Plackereien ertrug sie tapfer, aber die gänzliche Aussichtslosigkeit schlug sie nieder. Die günstigen Nachrichten von Wien und New York haben unterdes schon eine günstige Reaktion hervorgebracht. Mit Kolatscheks „Stimmen der Zeit" hatte Borkheim sich und mich sonderbar getäuscht. Die Nr. 39 brachte allerdings einen bogenlangen Beitrag „K.Vogt und K.Marx", aber geschrieben vom „Gemeinsten der Gemeinen" - Studiosus Abt, Genfer Angedenkens. Nachdem er auf den ersten 2 Seiten den eigentlichen Inhalt meiner Schrift9 anerkannt hat, schimpft er auf den andern 14 Seiten auf das Tollste und Gemeinste von wegen der „Bürstenheimer"1551 gegen mich und namentlich gegen Schily und Imandt. Am Schluß erklärt er: wenn ich nicht widerrufe, werde er mich „an der einzig verwundbaren Stelle, die ihm bekannt sei", fassen und in einer Weise kompromittieren, „die ich bereuen werde". Natürlich nehme ich nicht die geringste Notiz von dem Lumpazius. Herr Kolatschek muß aber durch ganz eigne Geschichten in der Hand dieses Abt sein, da er, wie Abt sagt, seit Januar schon seinen Wisch hatte und bis September verweigert hatte, ihn zu drucken. Salut. Dein K.M.
Vergiß nicht, mir möglich ausführlichst über den status quo in Manchester zu berichten.
6 Darlehensgfesellschaft - ' des Ziehens wert - 8 Zwischenzeit - 9 „Herr Vogt"
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6.Nov.I86I
Lieber Frederick, Du entschuldigst, wenn ich nicht früher den Empfang der £ 5 angezeigt, ditto des Weins. Für beides besten Dank. Ich war grade in diesen Tagen sehr beschäftigt und hatte außerdem viel häuslichen bother1. Die „Tribüne" hat wieder einen Artikel2 von mir an der Spitze ihres Blatts als „most interesting"3 angezeigt. Sonderbare Manier dieser Yankees, ihren eignen correspondents testimonia4 zu erteilen. Von meiner Alten erhielt ich gestern Antwort. Nichts als „zärtliche" Redensarten, but no cash5. Außerdem teilt sie mir mit, was ich längst wußte, daß sie 75 Jahr alt ist und manche Gebresten des Alters fühlt. Ich habe bisher auch vergeblich versucht, einen loan6 hier aufzutreiben. Die Bürgen, die ich stellen konnte, waren, wie mir übrigens vorher schwante, nicht respektabel genug. Manche Kerls hatten in der Art mehr Glück. Z.B. lumpacius Beta erhielt in einer loan Gesellschaft 50 £ auf die Bürgschaft des Herrn - Edgar Bauer! Die russische Wirtschaft in Polen ist nicht übel. Nicht minder hübsch die gests und exploits des schönen Wilhelm7. Du wirst vielleicht aus den deutschen oder auch aus einigen englischen Blättern ersehn haben, mit welcher konsequenten Zudringlichkeit Bürger und Staatsmann Blind sich zum deutschen Mazzini - „entfaltet". Apropos. Von Holland erhielt ich während Deiner Abwesenheit avis8, daß die Bücher von Lassalle11741 nicht bei meinem Vetter9 eingetroffen. Dil bist wohl so gut, Dich drüber zu erkunden. Schreib bald, da in dieser für mich noch sehr krisenvollen Zwischenperiode Deine Briefe besondres Bedürfnis. Du kannst gelegentlich einmal mir einen Bericht über die Armstrongkontroverse12311 für die „Presse" schreiben? Salut. Dein ^ ^
1 Verdruß - 2 „Die Londoner .Times' und Lord Palmerston" - 3 „äußerst interessant" - 4 Korrespondenten Lob - 5 aber kein Geld - 6 ein Darlehen - 7 Groß- und Heldentaten Wilhelms I. - 8 Nachricht - 9 August Philips
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Marx an Engels in Manchester
[London] 18.Nov.[1861]
Lieber Engels, Iterum Crispinus!12321 Also die Affären stehn jetzt so. Am 9.November zog ich 16 £ auf „Tribüne" für 8 damals abgesandte Artikel. Von diesen 16 £ zahlte ich je 3 £ Abschlagszahlung an Metzger, Bäcker, Teagrocer, Oilman, Milkman und Greengrocer1. Für 10 sh. kaufte ich Kohlen, die morgen am Ende sind. Deine 5 £ gingen größtenteils hin zur Rückzahlung für kleine bare Pumpereien. So bin ich also blank, abgesehn von den Forderungen von landlord2, Schule, Schuster und den für den Winter unentbehrlichen Beschaffungen für die Familie. An die JPresse" schreibe ich beinahe täglich. Mit „Presse" und „Tribüne" zusammen könnte ich durchshiften3. Aber bei dem stets wieder von neuem akkumulierten Defizit (zwar keine Milliarde12331) und dem Ausfall der Einnahme von einem ganzen Jahr wird auch das untunlich. Für den Augenblick kömmt noch eine Fatalität hinzu. Du weißt, daß ich Petsch und Co. 25 £ vorgeschossen für den Druck von „Vogt", die sie mir nach der Verabredung aus dem sale der copies4 vor aller andern Abrechnung zurückzuzahlen. Außerdem schulden sie mir mehrere £ für „Hinter den Coulissen"£771, „Kommunistenprozeß"5, „I8ten Brumaire"6 etc.11591 Andrerseits nahm ich von den Burschen für 10 £ 9 sh. Zeitungen und Bücher, schon um einige Sicherheit in der Hand zu haben. Nun hat Koller (der eine Associe7) Krakeel mit Petsch bekommen, der letztre ist im Augenblick nicht im Geschäft. Zwischen beiden schwebt Prozeß wegen Auflösung der Firma. Lumpacius Koller, den ich wegen meiner Forderung trat, schickt mir
1 Teehändler, Petroleumhändler, Milchmann und Gemüsehändler - 2 Hauswirt - 3 durchkommen — 4 Verkauf der Bücher - 5 Karl Marx: „Enthüllungen über den KommunistenProzeß zu Köln" - 6 Karl Marx: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" 7 Teilhaber
statt dessen Klage vor dem county-court8 wegen der 10 £ 9 sh. zu. Ich war bei Zimmermann. Er sagt, da meine Klage vor einem superior court9 mich an 30-60 £ kosten würde, sei es besser, wenn ich meine Forderung in Form der Gegenrechnung bei dem county-court, vor den mich Koller geladen, geltend mache. Er selbst fungiert auch nicht bei county-courts. Ich muß also zu diesem Behuf diese Woche noch (und möglichst bald) zu einem englischen solicitor10 gehn, was ich ohne cash11 nicht kann. Wäre ich dieser Lauseverhältnisse los und sähe meine Familie nicht erpreßt durch miserable Plackereien, mit welchem Jubel hätte das von mir so lang und oft in der „Tribüne" vordozierte Fiasko des dezembristischen Finanzsystems mich nicht erfüllt! Wilhelm der Schöne oder der Schöne Wilhelm erklärt also in Schlesien12341 gradeheraus: „Wählen Sie Demokraten, so brechen wir." „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten."12351 Salut. Dein K.M.
8 Grafschafts-Gerichtshof - 9 Obergericht -10 Anwalt -11 Geld
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Marx an Engels in Manchester
[London] 20.Nov. [1861]
Lieber Engels, In aller Eile folgt hier die Anzeige vom Empfang der £ 5 und den vorgestern eingetroffenen „Manchester Guardians". Ich gehe jetzt direkt zu einem Solicitor1. Meine Frau ist [.. .]2 sehr angegriffen, und ich fürchte, die Sache nimmt schlimmen Ausgang, wenn der struggle3 noch lange. Salut. Dein K.M.
1 Anwalt - 2 nicht zu entzifferndes Wort - 3 Kampf
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Engels an Marx in London
Manchester, 27. Nov. 1861
Lieber Mohr, Sind diese Yankees denn ganz verrückt, daß sie den tollen Streich mit den confederate Commissioners1 ausführen?12361 Das fact, daß auch hier im Kanal ein Kriegsschiff auf den mailsteamer2 wartete, beweist, daß von Washington aus allgemeine Instruktionen gegeben waren. Politische Gefangne auf einem fremden Schiff gewaltsam zu nehmen, ist doch der klarste casus belli3, den es geben kann. Die Kerle müssen ja rein närrisch sein, sich einen Krieg mit England auf den Pelz zu laden. Wenn der Krieg wirklich losbricht, so kannst Du Deine Briefe nach New York via Deutschland oder Havre schicken unter Kuvert an eine Mittelsperson, wirst Dich aber in acht nehmen müssen, daß Du nicht den enemies der queen4 Vorschub leistest. Über Bakunins Durchbrennen hab' ich mich sehr gefreut. Der arme Teufel mag höllisch mitgenommen worden sein. Auf diese Weise eine Reise um die Welt zu machen!12371 Monsieur Bonaparte scheint auch kein Geld zu kriegen, und Fould ziemlich am Ende seines Witzes zu sein.'2331 Wie das dort gehn wird, soll mich wundern. Hübsch geht's in Rußland und Polen, und im braven Preußen wird nun auch wohl endlich eine Krisis eintreten, wenn die Wahlmänner nicht wieder sich einschüchtern lassen.'2381 Aber der Beutel, der Beutel! Der wird das bißchen „Fortschritt" doch wohl noch etwas zusammenhalten. In Köln wird ja sogar von einer Kandidatur des braven Heinrich Bürgers gemunkelt. Die Varnhagenschen „Tagebücher" müssen ganz interessant sein. Der Kerl ist aber doch ein ganz schäbig feiger Lauskerl gewesen. Die „KreuzZeitung" hatte einen ganz witzigen Artikel'2391 über das Ding, natürlich auch voll Gift und Galle. Am I. Dezember schick' ich Dir wieder fünf. Viele Grüße. Dein p p
1 Botschaftern der Konföderierten - 2 Postdampfer - 3 Anlaß zum Kriege - 4 Feinden der Königin (Victoria)
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Engels an Marx in London
[Manchester, 2. Dezember 1861] ^07595, Newcastle on Tyne, M.August 1860.
Lieber Mohr, Obiges die Nr. des inliegenden Fünfers, der erst heute abgehn kann, weil der erste Dezember auf einen Sonntag fiel. Ich registriere wieder nicht. Ich habe endlich dieser Tage im Lassalle11741 gelesen. Die Geschichte mit der Rückwirkung ist sehr plausibel, aber nicht stichhaltig, wie sich z.B. bei der Ehescheidungsgesetzgebung zeigt, wo man auch sagen kann, wie mancher Berliner Philister in der Tat sagte: Hätte ich das gewußt, daß man mir die Scheidung so erschweren würde, so hätte ich nicht geheiratet. Übrigens ist es doch ein starker Aberglaube von dem Kerl, noch an „die Rechtsidee", das absolute Recht zu glauben. Seine Einwendungen gegen die Hegeische Rechtsphilosophie sind großenteils sehr richtig, aber mit seiner neuen Philosophie des Geistes ist er doch noch nicht recht in den Fluß gekommen; selbst vom philosophischen Standpunkte müßte er doch so weit sein, nur den Prozeß, nicht dessen bloßes momentanes Resultat, als das Absolute zu fassen, und da könnte doch keine andre Rechtsidee herauskommen als eben der historische Prozeß selbst. Hübsch ist auch der Stil. Die „händeringende Verzweiflung der Widersprüche" etc. Dann die Vorrede. Reiner Ephraim Gescheit. Viel weiter werd' ich übrigens wohl nicht kommen, es sei denn, daß ich finde, es als einen Kursus des römischen Rechts benutzen zu können, in welchem Fall ich es durchlesen werde. Wie man übrigens Spaß daran finden kann, einen so einfachen und au fond1 wenig bedeutenden Gedanken nun durch das ganze Corpus juris12401 durchzuhetzen und auf jeden einzelnen Punkt anzuwenden - als ob er dadurch fetter würde - das ist mehr, als ich begreifen kann. Noch schöner aber ist die Behauptung, als ob diese wild goose chase2, auf der „Fülle des Kon
1 im Grunde - 2 Wildgansjagd
kreten" herum, die Probe auf sein Exempel sei und es ihm jetzt also gar nicht mehr fehlen könnte. In Berlin wird es jetzt hübsch werden. Der matte „Fortschritts"-demokratismus des neuen Kämmerleins1241' wird dem schönen Wilhelm3 doch schon zu rot sein, und bis März wird wohl schon eine gelinde chronische Krisis da sein. Ich bin begierig, wie das wird. Wenn die Kerle in der Kammer nur nicht zu feig sind, so kriegen sie den Schönen schließlich doch unter, aber ich hab' kein Fiduz auf dies Demokratengezücht. Hoffentlich geht es Deiner Frau besser. Grüß sie und die Mädchen herzlich. Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 5.Dez. [1861]
Lieber Engels, Nicht früher Anzeige gemacht, weil von großem trouble1 heimgesucht. Meine Frau ist sehr leidend. Ich schreibe Dir heut abend, da ich heut am Tag Artikel zu fabrizieren. Salut. Dein K.M.
1 Kummer
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Marx an Engels in Manchester
[London] 9. Dez. 1861
Lieber Engels, Aus meinem pertinacious1 Schweigen kannst Du sehn, mit welchem Sträuben ich Dir überhaupt schreibe. Bei den großen Anstrengungen selbst über Deine Kräfte -, die Du für mich machst, ist es mir natürlich ekelhaft, Dich fortwährend mit Hiobsposten zu langweilen. Mit dem letzten Geld, das Du mir schicktest, bezahlte ich, ein Pfund zupumpend, die Schulrechnung, um sie im Januar nicht doppelt zu haben. Metzger und Epicier2 haben mich gezwungen, ihnen Wechsel, der eine für 10, der andre für 12 £, für Januar 9. auszustellen. Obgleich ich nicht wußte, wovon sie zahlen, konnte ich mich keiner Klage aussetzen, ohne daß mir das ganze Haus über dem Kopf zusammenbricht. Dem Landlord3 schulde ich 15, und am Januar 21 £. Ditto green grocer4, Bäcker, Zeitungsmann, Milchmann und alle den Kanaillen, die ich bei meiner Rückkehr von Manchester'2421 mit Abschlagszahlungen beschwichtigt hatte, endlich dem Tallyman5, da der Eintritt des Winters Anschaffung von Kleidungsstücken, den nötigsten, für den Winter gebot, also sie auf Pump geholt werden mußten. Was ich einzunehmen habe Ende des Monats, wird sich auf 30 £ höchstens belaufen, da die Lauskerls von der „Presse" einen Teil meiner Artikel nicht drucken. Ich muß mich natürlich erst daran gewöhnen, innerhalb der „Grenzen der deutschen Vernunft" zu handeln. (Nebenbei aber machen sie in ihrem Blatt großes Wesen von meinen Beiträgen.) Was ich zu zahlen habe (Pfandhauszinsen etc. einbegriffen), beläuft sich auf 100 £. Es ist merkwürdig, wie der Ausfall aller Einnahme, zusammen mit nie ganz abgetragnen Schulden, trotz aller Detailhülfe immer wieder den alten Dreck aufschwemmt. Ich habe heute an Dronke geschrieben, weil er mir noch Geld schuldet. Doch nur leise daran erinnernd, nicht tretend; ich habe mir die Freiheit genommen, ihm zu sagen, daß, wenn er mir einen Vorschuß machen kann, Du wohl für die Rückzahlung ihm bürgen wirst.
1 hartnäckigen - 2 Krämer - 3 Hauswirt - 4 Gemüsehändler - 5 Abzahlungsmann
Bin ich aus dieser Scheiße heraus, so kann ich mit New York und Wien wieder wenigstens vegetieren. Meine Frau hatte gefährliche Nervenzustände, und Dr. Allen war sehr erschrocken während einiger Tage. Er weiß oder ahnt vielmehr, wo der Schuh drückt, ist aber zu delikat, um Ungehöriges zu sagen. Die arme Frau ist noch sehr leidend. Bei der Schwungkraft ihrer Natur zweifle ich aber nicht, daß bei der ersten günstigen Wendung sie wieder in Ordnung kommt. Krieg, wie ich vom Iten Teig in der „Presse" erklärt6, wird nicht mit Amerika, und ich bedaure nur, daß ich nicht die Mittel hatte, die Eselhaftigkeit der von Reuter und „Times" beherrschten Börse während dieser Narrenperiode zu exploitieren. Mit Deinen strictures on7 Itzig8 (der mir von Florenz geschrieben, mit Garibaldi „eine sehr interessante Zusammenkunft hatte" etc.) einverstanden. Der 2te Band11741 ist interessanter, schon wegen der lateinischen Zitate. Der Ideologismus geht durch, und die dialektische Methode wird falsch angewandt. Hegel hat nie die Subsumtion einer Masse von „Gases" under a general principle9 Dialektik genannt. Meine Schrift1271 geht voran, aber langsam. Es war in der Tat nicht möglich, solche theoretische Sachen unter diesen Zuständen rasch abzufertigen. Es wird indes viel populärer und die Methode viel mehr versteckt als in Teil I. Salut. Dein K.M.
6 Karl Marx: „Der .Trent'-Fall" - 7 kritischen Bemerkungen über - 8 siehe vorl. Band, S. 203/204 - 9 Unterordnung einer Masse von „Fällen" unter ein allgemeines Prinzip
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Marx an Engels in Manchester
[London] 13. Dez. 1861
Lieber Frederick, Meinen besten Dank für Deinen Brief. Dronke schickte in compensation1 für frühere Leistung umgehend £ 5 und kam gestern persönlich hier an, wo er eine Zusammenkunft mit einem seiner Direktoren hatte. Er will versuchen, die Wechsel zu diskontieren. Ich habe ihm gleich gesagt, daß Hauptbedingung, daß sie nicht vor Verfall zirkuliert werden. Der Hund Koller hat ein andres Manöver angewandt. Er hat die Sache nicht beim County Court2 vorgehn lassen, sondern an den Sheriff Court3 gebracht und seine Klage auf 20 £ erhöht - nämlich, daß ich verpflichtet gewesen sei, sämtliche Kosten des „Vogts" mitzutragen. Dies nämlich als reply4 auf meine Gegenforderung. Mein Advokat, Sidney Herbert, hat formaliter5 eine Gegenklage am selben Court einzureichen für nötig erachtet. Die ganze Schwierigkeit dreht sich darum, daß mein agreement6 mit Petsch nicht schriftlich gemacht wurde. Meine Frau befindet sich besser. Salut. Dein K.M.
1 als Abgeltung - 2 Grafschafts-Gerichtshof - 3 Gerichtshof des Sheriffs - 4 Antwort - 6 in aller Form - 6 Ubereinkommen
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Marx an Engels in Manchester
[London] 19. Dez. 1861
Lieber Engels, Du weißt, wie die Geschichte mit D[ronke] kam.1 Ich schrieb ihm nicht wegen des Wechsels, sondern schrieb, um ihn zu treten. Ich mußte ihn natürlich bei der Gelegenheit von der Krise unterrichten, in der ich mich befand, die er, wie jeder andre, infolge der amerikanischen Affäre natürlich finden mußte und fand. Infolge dieser Mitteilung kam er zu mir, und so fand sich das Arrangement, 1. an das ich nicht einmal gedacht haben würde, hätte es nicht ausdrücklich in Deinem Brief12431 gehießen, Du würdest die Wechsel akzeptieren, wenn ich sie durch Fr[eiligrath] „oder irgend jemand" diskontiert erhalten könnte. So viel, um den Schein der Indiskretion von mir abzuwälzen. Mit F[reiligrath] ist es, wie ich vorher wußte, nichts. Er hatte nur den Schneider, und den hatte er schon verloren zur Zeit der Affäre mit der „Tribüne", infolge davon, daß zwei seiner Kommis, auf seine Empfehlung, an 70 £ Kleidungsstücke erhielten und durchbrannten, ohne sie zu zahlen. Zudem waren meine relations to F[reiligrath] so changed2, daß er nur ungern selbst die Wechsel auf die „Tribüne" wieder diskontieren ließ bei Bischoffsheim. Aber abgesehn vom Willen, kann er nicht, so weniger, als der latente Bankrutt seiner Bank court par les rues de Londres3. Ich habe, gleichzeitig mit diesem Brief an Dich, Dronke informiert, daß ich aus Mißverständnis die transactions4 mit ihm eingegangen und sie folglich als non avenues5 zu betrachten bitte. Zugleich habe ich ihm geschrieben, daß, wenn er die Wechsel auf meine Person diskontieren kann, without any intervention of other persons6, die Sache mir angenehm wäre. Ich mußte ihm das schreiben, weil ich keinen Ausweg sehe und in der Tat in der höchsten Gefahr schwebe.
1 Siehe vorl. Band, S. 206 - 2 Beziehungen zu Freiligrath so geändert - 3 in London stadtbekannt ist - 4 Vereinbarungen - 6 nicht geschehen - 6 ohne jegliche Einmischung anderer Personen
Seine Adresse, worauf Private zu schreiben, ist: 49, Oldhall Street,Liverpool. Nach dem, was Dronke sagte (ich glaube aber, daß er in Newcastle und noch gar nicht in Liverpool), würde er bloß mit seinem eignen banker7 die Sache zu arrangieren suchen. Ich konnte leider nicht verhindern, meine Frau mit dem Inhalt Deines Briefs, soweit er auf die Wechseltransaktion bezüglich, bekannt zu machen. Und solche Nachrichten führen jedesmal eine Art Paroxysmus8 herbei. Was den Krieg mit Amerika betrifft, so kann es möglicherweise Pam gelingen, ihn herbeizuführen, aber nicht leicht. Er muß einen pretext9 haben, und es scheint mir nicht, daß Lincoln den geben wird. Ein Teil des Kabinetts, Milner Gibson, Gladstone, plus ou moins10 Lewis, kann nicht so befooled11 werden wie John Russell. An und für sich betrachtet, haben die Amerikaner nach dem bei ihnen gültigen englischen Seerecht weder materiell noch formell gefehlt. As to the question of material right12, haben die englischen Crownlawyers selbst in diesem Sinn entschieden.12441 Sie haben daher, da Pam einen pretext wollte, sich auf einen error in forma13, eine technicality, a legal quibble14 berufen. Aber auch dies falsch. Nach dem englischen Seerecht zweierlei zu unterscheiden. Ob a neutral ship belligerent goods and persons carries, oder contraband of war15, bestehe das letztre in Sachen oder Personen. Im letztern Fall das Schiff mit cargo16 und Personen to be seized and brought into a port for adjudication17. Im ersten Fall - wenn kein Zweifel, daß die goods (was bei Personen an und für sich unmöglich) nicht übergegangen in den Besitz der Neutralen, die belligerent goods oder Personen konfiszierbar on the high sea18, während das Schiff etc. frei ausgeht. Diese Jurisprudenz - von den authorities19 abgesehn - hat England fortwährend geltend gemacht, wie ich mich durch Nachsehn in Cobbett's Register über den ganzen Krakeel mit den Neutralen seit 1793 überzeugt. Andrerseits, da die English crownlawyers die Frage auf einen error in forma beschränkt, den Yankees also das Recht zugestanden, jedes englische Schiff, das belligerents führt, zu konfiszieren und in einen Hafen for adjudication zu schleppen, so können die Yankees sehr leicht - und sie werden es nach meiner Ansicht tun - erklären, sie seien mit dieser Konzession zu
7 Bankier - 8 Anfall - 8 Vorwand -10 mehr oder weniger -11 zum Narren gehalten -12 Was die Frage des materiellen Rechts betrifft -13 Formfehler - 14 technische Frage, eine juristische Spitzfindigkeit - 15 ein neutrales Schiff Güter und Personen der Kriegführenden befördert, oder Kriegskonterbande - 16 Ladung - 17 zu beschlagnahmen und in einen Hafen zur Entscheidung zu schleppen - 18 auf hoher See -18 Behörden
frieden, würden künftig die Form bei der Konfiszierung etc. nicht verletzen und for the nonce20 Mason und Slidell ausliefern. Wenn Pam absolut Krieg will, so kann er ihn natürlich herbeiführen. Nach meiner Ansicht ist das nicht seinZweck. Handeln die Amerikaner in der von mir supponierten21 Weise, so wird Pam dem stupiden John Bull den neuen Beweis geliefert haben, daß er „the truly English minister"[2451. Der Kerl wird sich dann alles erlauben können. Er wird die Gelegenheit benutzen, um 1. den Yankees die Anerkennung der Pariser Deklaration12461 über die Rechte der Neutralen etc. aufzunötigen; 2.. unter diesem Vorwand, was er bisher nicht gewagt hat, das englische Parlament zur Sanktion der von Clarendon, in seinem (Pams) Auftrag, hinter dem Rücken der Krone und ohne Vorwissen des Parlaments, unterschriebenen Resignation auf das old English maritime law22 aufzufordern und zu bestimmen. Pam ist alt, und die Russen haben seit Catherine II. die zu Paris erlaßne Deklaration durchzusetzen gesucht. Es fehlt ihnen noch zweierlei: die Sank' tion des englischen Parlaments, der Beitritt der United States. Beides wird bei dieser Gelegenheit erreicht werden. Der Kriegsspektakel scheint mir nur theatralisches Zubehör, um dem stupiden John Bull die definitive Resignation auf seine eignen maritime laws zugunsten Rußlands als einen durch den pluck23 des „truly English minister" über die Yankees davongetragnen Sieg darzustellen. Nebengründe für den Kriegsspektakel wären: Ablenkung von Polen (da selbst Burschen wie Conningham von Brighton in öffentlichen Meetings d[ie] stoppage d[er] further payment d[er] Dutch-Russian loan24 verlangen12471) und Ablenkung von Dänemark, wo Rußland in diesem Augenblick damit beschäftigt ist, den von ihm selbst eingesetzten heir presumptive25, den Glücksburg, beiseite zu schieben. Es ist, of course26, möglich, daß die Yankees nicht nachgeben, und dann ist Pam durch seine bisherigen Vorbereitungen und Rodomontaden27 zum Krieg gezwungen. Indes möchte ich 100 gegen 1 dagegen wetten. Salut. Dein K.M.
20 für dieses Mal - 21 vermuteten - 22 Verzichtleistung auf das alte englische Seerecht 23 Schneid - 24 Einstellung der weiteren Zahlung der holländisch-russischen Abfindung 25 Erbanwärter - 26 natürlich - 27 Großsprechereien
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Marx an Engels in Manchester
[London] 27. Dez. 1861
Lieber Engels, Beim Beginn der „Mahnungen" von der Außenwelt schrieb ich, - da ich vermeiden wollte, Dir immer auf dem Pelz zu sitzen - außer an meine Mutter und Verwandte, auch an Siebel. Dieser Jüngling, wie ich aus seinem Brief sehe, hat nun wieder an Dich geschrieben. Betrachte die Sache als non avenue1. Es ist mir sehr unangenehm, daß Du meinetwegen dem Dronke einen Schuldschein auszustellen hattest. Er hatte ursprünglich in minder lästiger Form und für längere terms2 die Sache abzumachen versprochen. Ich weiß noch nicht, wie ich ganz über die Krise wegschiffe. Unter allen Umständen, da es sonst platterdings unmöglich, schreibe ich dem landlord3, daß er jetzt nicht gezahlt werden kann, daß ich ihm Wechsel ausstellen will etc. Der Prozeß kommt auch noch in die Quere.4 Da der streitige Punkt sich um partnership5 herumdreht, hält mein lawyer6 - soll ich nicht zur Zahlung der £ 20 verurteilt werden - es für nötig, die Sache vom Sheriff's Court7 weg an ein superior court8 zu bringen. Ich bin für Januar 3. an den Sheriff's Court zitiert. Der Fehler war, daß ich keinen schriftlichen Kontrakt mit A.Petsch gemacht. An dem superior court, meint Sidney, mein Advokat, wäre ich ziemlich sicher. Die lausige „Presse" druckt kaum die Hälfte meiner Artikel. Es sind Esel. Es soll mich wundern, wie sie zahlen werden, ob ich die einzelnen Artikel auf „Spekulation" zu schreiben oder wie. Einstweilen vorläufig Glück zum neuen Jahr! Wenn es dem alten gleicht, so wünsche ich es, was mich betrifft, zum Teufel. Salut. Dein K.M.
1 nicht geschehen - 2 Fristen - 3 Hauswirt - 4 siehe vorl. Band, S. 199/200 und 208 - 5 Teilhaberschaft - 6 Anwalt - ' Gerichtshof des Sheriffs - 8 höheres Gericht
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Marx an Engels in Manchester
[London] 25. Februar 1862
Lieber Engels, Mein langes Schweigen stammt nicht „von innen" her, sondern aus dem Dreck von Verhältnissen, mit denen ich Dich nicht langweilen und quälen wollte. Du weißt, daß ich Neujahrstag nur einen Teil der Schuld settlen1 konnte die damals schon nicht mehr aufschiebbar schien (wie z. B. mein Landlord2, dem ich Ende nächsten Monats ein ganzes Jahr schulde). Die Hauptsumme ging weg für Schulden, worauf Wechsel ausgestellt waren. Die Wiener „Presse", wie unter den jetzigen deutschen Lauseverhältnissen vorherzusehn, ist nicht die Kuh, die sie sein sollte. Angeblich erhalte ich I £ per article. Da die Kerls aber von 4 Artikeln vielleicht nur 1 drucken und oft keinen, so kommt verdammt wenig heraus außer Zeitverlust und Ärger, daß ich auf die Spekulation schreiben muß, ob oder ob nicht besagter Artikel das Imprimatur einer gnädigen Redaktion erhält. In dem Prozeß mit Koller3 mußte ich nachgeben, aus dem Hauptgrund, weil ich, sobald der solicitor4 30 £ Vorschuß brauchte, da die Sache an einen superior court5 ging, sie natürlich nicht leisten konnte. Ich hatte 5 £ zu zahlen dem solicitor für ihn und den von ihm zugezogenen counsel6. Mit Koller ein Verständnis einzugehn, wonach ich ihm 18 £, monatlich 2 £, zu zahlen; die ersten 2 £ zahlte ich ihm den letzten Januar, die folgenden 2 £ habe ich Ende Februar zu zahlen, weiß aber noch nicht wovon. Während der letzten 2 Monate hat die „Presse" so wenig von mir gedruckt, daß mein Guthaben an sie kaum nennenswert.
1 begleichen - 2 Hauswirt - 3 siehe vorl. Band, S. 199/200, 208 und 212 - 4 Anwalt - 5 ein höheres Gericht - 6 Berater
Was die Situation noch pleasanter7 macht, ist, daß Jennychen seit beinahe 2 Monaten unter ärztlicher Kur steht. Das Kind hat zusehends abgenommen. Jenny ist jetzt schon so weit, daß sie den ganzen Druck und die Schmiere unsrer Verhältnisse fühlt, und das, glaube ich, ist ein Hauptgrund ihres physischen Leidens. (Apropos. Allen hat gestern Wein für sie verordnet, und es ist mir daher lieb, wenn Du einige Flaschen herüberschickst.) Sie war z.B. hinter unsrem Rücken bei Mrs. Young, um zu sehn - ob sie sich für das Theater engagieren könne. Take all in all8, so ist es in der Tat nicht worth while9, solch ein Lauseleben zu führen. Was die Urquhartblätter10 betrifft, habe ich sie bis jetzt nicht zusammenbekommen können. Schreib mir, von welcher Nummer an, so wird Collet das Nötige tun. Einliegend eine Denunziation des Kerls gegen Bakunin'2481, den ich nicht gesehn habe. Er lebt bei Herzen. Hast Du nicht nachgeforscht, ob das Lassallesche Opus11741 in der Tat an August Philips abgesandt worden? Salut. Dein K.M.
7 angenehmer - 8 Nimm alles in allem - 8 der Mühe wert - 10 „The Free Press"
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Engels an Marx in London
Manchester, 28. Febr. 1862
Lieber Mohr, Ich schicke heute eine Kiste an Dich ab, carriage paid1, enthaltend: 8 Flaschen Bordeaux, 4 Fleischen 1846er alten Rheinwein, 2 Flaschen Sherry. Port habe ich keinen, der für den Fall paßt. Ich hoffe, er wird Jenny gut tun. Das arme Kind! Übrigens denke ich, die Sache hat nichts zu bedeuten. Sie ist stark gewachsen, und mit Pflege und Bewegung wird sie wohl wieder zu Kräften kommen. Die zwei Pfund für den Koller schaffe ich Dir morgen oder Montag. Ich verbrauche in diesem Jahr mehr als mein Einkommen. Die Krisis affiziert2 uns sehr12491, wir haben gar keine Aufträge und werden von nächster Woche an bloß halbe Zeit arbeiten lassen. Dabei muß ich dem Dronke in 4 Wochen die £ 50 anschaffen und im Lauf der nächsten Woche ein Jahr Miete in meiner Wohnung zahlen; ich ziehe aus; die verdammte Sarah hat mir heute morgen das Geld aus der Rocktasche gestohlen. Adressiere also nichts mehr nach Thorncliffe Grove. Ich lebe jetzt fast ganz bei der Mary3, um möglichst wenig Geld auszugeben; leider kann ich ohne lodgings4 nicht abkommen, sonst zog' ich ganz zu ihr. Ich habe noch keine neue Wohnung und muß gehn, mir eine suchen. Schreib bald wieder, wie es geht. Was macht die „Tribüne"? Willst Du einen militärischen Artikel über Amerika für die „Presse" ? Die Nummern der „Free Press", die mir fehlen, sind Oktober-Februar 1861/62. Grüße Deine Frau und die Mädchen bestens. Dein F.E.
1 Fracht bezahlt - 2 berührt - 3 Mary Bums - 4 Wohnung
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Marx an Engels in Manchester
[London] 3.März 62
Lieber Engels, Ich schicke meine Frau heut auf ein loan office1, um zu sehn, was da zu machen, denn ich habe saugroben Brief von meinem landlord 2 erhalten, und wenn der Kerl mir einen broker3 ins Haus setzt, verklagt mich Gott und die Welt. Der Wein ist noch nicht angekommen. Es wäre mir lieb, wenn Du mir diese Woche (bis Freitag morgen) einen englischen Artikel über den amerikanischen Krieg liefertest. Du kannst ganz ungeniert schreiben. Die „Tribüne" druckt es als letter of a Foreign Officer4. Notabene: Die „Tribüne" haßt den McClellan, der mit der demokratischen Partei im Bund steht und, solange er Commander in chief of all the armies5 war, nicht nur am Potomac (wo dies vielleicht berechtigt), sondern auf allen Kriegstheatern, namentlich im Westen jede Aktion durch direkte Intervention verhinderte. (Er auch die Seele der höchst infamen Intrige gegen Fremont.12501) Ferner hat dieser Mac, aus esprit de corps6 und Haß gegen die civilians7, alle Verräter in der Armee beschützt, z.B. Oberst Maynard und General Stone. Die Verhaftung des letztren erfolgte einen oder 2 Teige, nachdem Clellan als Commander in chief der gesamten Armeen abgesetzt war. Ditto wurde der schamlose Washington „representative"8 des „New York Herald"9 als spy10 verhaftet wider McClellans Willen und nachdem er den Tag vorher den ganzen staff11 von McCflellan] mit Cheimpagnerfrühstück bewirtet. Du wirst Dich erinnern, daß ich Dir von Anfang an seigte, daß es mit den Handelserwartungen auf China nichts sei. Der letzte Board-of-Trade-Berichtt251) bestätigt dies:
1 Leihhaus - 2 Hauswirt - 3 Gerichtsvollzieher - 4 Brief eines ausländischen Offiziers - 5 Oberbefehlshaber der gesamten Armeen - 6 Korpsgeist - 7 vgl. Band 15 unserer Ausgabe, S. 479 8 Washingtoner „Repräsentant" -9 Malcolm Ives -10 Spion -11 Stab
China ... Hongkong
1860 2 872 045 2445 991
1861 3 114154 1 733 967 Total 5 318 036 4 848121
Also die Gesamtausfuhr abgenommen. Mehr direkt, weniger über Hongkong. Unterdes haben sich die Russen wieder einer sehr schönen Insel gegenüber Korea bemächtigt12. Nimm dazu ihre neuen „occupations"13 in Java14 und die Herrschaft des Northern Pacific15 ist ihnen gesichert. Wie sehr die ganze englische Presse rmsifiziert durch Pams Einfluß, beweist ihr tiefes Schweigen über den progress Rußlands in dieser Gegend, ditto ihr passives Verhalten vis-a-vis von Polen. Apropos. Sei so gut, mich endlich wissen zu lassen, was aus dem für meinen Vetter Philips bestimmten Lassalle11741 geworden, da ich an besagten Vetter in Ermanglung dieser Wissenschaft nicht schreiben kann. Salut. Dein K.M.
12 siehe vorl. Band, S. 220 - 13 „Besitzergreifungen" - 11 lies: in Japan - 18 nördlichere Stillen Ozeans
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Engels an Marx in London
Manchester, 5. März 62
Lieber Mohr, Inliegend Post Office Order1 £ 2, Camden Town. Das Buch11741 ist längst abgegangen, nämlich am 9. Oktober, in einem Paket an unsern Agenten E. Schröder in Amsterdam, welches dem Ballen Nr. 118 für B. ter Haar und Sohn ebendaselbst beigeschlossen war. Dem Schr[öder] habe ich damals noch ein paar Zeilen beigelegt, ihn bittend, das Ding zu besorgen. Alles war richtig adressiert an Deinen Vetter2, der sich also nur an Schröder wenden kann, falls er es noch nicht haben sollte. Den Artikel sollst Du haben. Die Renommisten im Süden kriegen jetzt famose Keile. Am erfreulichsten ist der Empfang, den die Kanonenboote auf dem Tennesseefluß bis nach Florence, Alabama (hier fangen die Muschelsümpfe an, die die Schiffbarkeit unterbrechen) überall gefunden haben. Also auch in West-Tennessee, in der Ebene, entschieden Majorität für die Union.12521 15 000 Gefangne, dabei der beste General der Konföderierten, Johnston, der Bull Run12531 durch seine rasche Konzentration nach dem Zentrum entschied, ist kein Spaß. Ich werde heute abend Lupus sehn. Wenn er mir einiges bis I .Juli vorschießen kann, so besorge ich's Dir. Ich selbst bin au sec3 bis dahin. Wenn in Amerika ein Friede oder sonstiger Abschluß zustande kommt, so kann es dahin kommen, daß mein ganzes Einkommen vom 1 .Juli 1861-62 sich auf £ 100 reduziert, ich also in Schulden gerate. Wir haben einen Haufen Ware und können nichts verkaufen124®1, und sitzen wir fest damit, bis die Sache in Amerika in Ordnung kommt, so verlieren wir möglicherweise allen Profit, der bis Ende Dezember gemacht wurde. Ich denke indes, die Keilerei dauert noch fort, ich sehe nicht ein, wie die Kerls Frieden machen können. Was ist das für eine russische Insel bei Korea? Und was sind das für Okkupationen in Java? (Query Japan?) Je n'en sais rien.4 Wie ist's mit den „Free Presses"?
1 Postanweisung - 2 August Philips - 3 auf dem trocknen - 1 (Vielleicht Japan?) Ich weiß nichts davon. (Siehe vorl. Band, S. 217)
Übrigens hat nach Deiner Angabe der Handel nach China sich doch bedeutend vermehrt. Vor 10 Jahren, soviel ich mich erinnere, war's 1-3 Millionen abwechselnd. Wie geht's Jennychen? Grüße sie, Deine Frau und Laura herzlich.
Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 6. März 1862
Lieber Frederick, Besten Dank für die Post Office Ordre1 und den Wein. Der Hund von Koller, der ein I.O.U.2 von mir besitzt, hatte mich gestern schon getreten. Es liegen hierbei die 3 letzten „Free Press". Den Collet selbst hatte ich noch nicht gesehn. Er wird sicher auch die übrigen No's besorgen können. In dem Brief an Dich3 war Japan für Java gelesen. Die facts selbst habe ich aus verschiednen Nummern der „Tribüne", die offizielle russische Berichte und Berichte von amerikanischen Konsuln brachte - alle unterdrückt in der englischen Presse. Die Nummern selbst habe ich Urquhart zugeschickt und noch nicht zurückerhalten. Ich hatte sie vorher benutzt zu einem article in der „Presse" über den Fortschritt der Russen in Asien.112545 Die Esel haben das jedoch nicht gedruckt. Nun kennst Du mein schlechtes Namensgedächtnis. Ich kann Dir also augenblicklich die Namen nicht nennen. Die erste Insel4 liegt grade in der Mitte zwischen dem südwestlichen Ende von Japan und dem Festland von Korea. Sie besitzt großen Hafen, nach dem amerikanischen Bericht fähig, ein Sewastopol Nr. II zu werden. Was die andern direkt zu Japan gehörigen Inseln betrifft, so befindet sich, wenn ich nicht irre, Jeso5 darunter. Ich werde jedoch sehn, daß ich die Dokumente wiederbekomme. Der chinesische Handel, verglichen mit seinem status bis 1852, ist allerdings gewachsen, aber durchaus nicht verhältnismäßig wie alle Märkte seit den kalifornisch-australischen Entdeckungen12551. Außerdem ist auch in den früheren Reports Hongkong als englische Besitzung von China getrennt, so daß die Ausfuhr unter der Rubrik „China" immer (seit den 40er Jahren) kleiner als die Gesamtausfuhr. Endlich der Zuwachs seit 1859 wieder auf seine damalige Größe reduziert 1861.
1 Postanweisung - 2 einen Schuldschein - 3 siehe vorl. Band, S. 217 - 1 Tsushima - 5 Japanische Bezeichnung: Yezo (Hokkaido)
Der Board-of-Trade-Bericht12511 für 1861 zeigt, schon infolge der amerikanischen Krise, große Veränderimg in der Rangordnung, den die verschiedenen Märkte einnehmen für den englischen Export. Indien an der Spitze für 17 923 767 £ (Ceylon und Singapore eingeschlossen. Indien allein 16 412 090). Zweiter Markt Deutschland, sonst der 4te. 1860: £ 13 491 513. 1861: 12 937 273 (nicht eingeschlossen, was über Holland geht und in kleinerem Maß über Belgien). In Anbetracht dieser ökonomischen Wichtigkeit Deutschlands für England, wie könnten wir unter andern Verhältnissen dem groben John Bull diplomatisch gegenübertreten! Frankreich dieses Jahr der 5te Markt. 1860: 5 249 980.1861: 8 896 282. Jedoch ist die Schweiz hierin eingeschlossen. Dagegen ist England jetzt der erste Markt für Frankreich. Von der Gesamtausfuhr von £ 125 115 133 (1861) kommt £ 42 260 970 auf englische „Possessions" und „Colonies"6. Rechnet man dazu, was England sonst nach Asien, Afrika und Amerika ausführt, so bleiben höchstens 23 bis 24 p.c. für seine Ausfuhr nach den europäischen Staaten. Geht Rußland in dem Sturmschritt der letzten 10 Jahre in Asien vor, bis es alle seine efforts7 auf Indien konzentriert, so ist es aus mit dem Weltmarkt John Bulls, und dies Ende wird noch beschleunigt durch die Schutzzollpolitik der Vereinigten Staaten, die sie jetzt, schon aus revenge8 gegen John, sicher nicht so bald aufgeben werden. Außerdem entdeckt John Bull mit Schrecken, daß seine Hauptkolonien in Nordamerika und Australien grade in demselben Maß Protektionisten werden, wie John Bull freetrader9 wird. Die selbstgefällige, brutale Dummheit, womit John Pams „spirited policy"10 in Asien und Amerika bewundert, wird ihm verdammt zu kosten kommen. Daß die Southerners11 bis Juli 1862 Frieden geschlossen haben, scheint mir nicht sehr probable12. Wenn die Northerners13 1. die border states12561 gesichert haben - und um die handelte es sich in der Tat von Anfang an 2. den Mississippi bis New Orleans und Texas, wird wohl eine 2te Periode des Kriegs beginnen, worin die Northerners sich nicht sehr militärisch anstrengen, sondern durch Quarantäne der Gulfstates[2221 diese schließlich zur freiwilligen re-annexation14 treiben werden. Das Benehmen Bulls während dieses Kriegs ist wohl das schamloseste, was je vorgekommen.
„Besitzungen" und „Kolonien" - 7 Anstrengungen - 8 Rache - 9 Freihändler -10 „mutige Politik" -11 Südstaatler -12 wahrscheinlich -13 Nordstaatler -14 Wiedereinverleibung
Das „Mexican Blue Book"[257] übertrifft mit Bezug auf Brutalität englischer Seite alles, was die Geschichte kennt. Menschikow erscheint als ein gentleman, verglichen mit Sir C.Lennox Wyke. Diese Kanaille entwickelt nicht nur den unbändigsten zfele15 in der Ausführung der geheimen Instruktionen Pams, sondern sucht sich durch Lümmelei auch dafür zu rächen, daß der mexikanische Minister des Auswärtigen (jetzt abgegangen), Senor Zamacona, ein ehmaliger Journalist, in dem diplomatischen Depeschenwechsel ihm beständig überlegen ist. Was den Stil des Kerls angeht, so hier ein paar Proben aus seinen Depeschen an Zamacona. „The arbitrary act of stopping all payments for the space of two years[2581 is depriving the parties interested of their money for that Space of time, which is a dead loss of so mach value to them." „A starving man may justify, in his own eyes, the fact of stealing a loaf on the ground that imperious necessity impelled him there to; but such an argument cannot, in a moral point of view, justify his violation of the law, which remains as positive, apart from all sentimentality, as if the crime had not had an excuse. If he was actually starving, he should have first asked the baker to assuage his hunger, but doing so" (starving?) „of his own free will, without permission, is acting exactly as the Mexican government has done towards its creditors on the present occasion." „With regard to the light in which you view the question, as expressed in your above named note, you will excuse me for stating that it cannot be treated of partially, without also taking into consideration the opinions of those who directly suff er from the practica! Operation of such ideas asemanating from yourself." „ I had a füll right to complain of having first of all heard of this extraordinary measure by seeing it in printed bills placarded through the public streets." „I have a duty to perform both to my own G[o]v[ernmen]t and to that to which I am accredited, which impels me etc." „I suspend all official relations with the Government of this Republic until that of Her Majesty shall adopt such measures as they shall deem necessary."16
16 Eifer -16 „Der Willkürakt, sämtliche Zahlungen für die Dauer von zwei Jahren einzustellenP68!, beraubt die Betroffenen für diesen Zeitraum ihres Geldes, was für sie ein absoluter Verlust des entsprechenden Wertes ist." „Ein Verhungernder, der einen Laib Brot stiehlt, mag in seinen eigenen Augen diesen Diebstahl mit dem Argument rechtfertigen, daß gebieterische Notwendigkeit ihn dazu gezwungen habe; doch kann ein solches Argument seine Gesetzesverletzung moralisch nicht rechtfertigen, die vielmehr, ton aller Sentimentalität abgesehen, ebenso entschieden eine solche bleibt, als wenn das Verbrechen keine Entschuldigung gehabt hätte. War er wirklich am Verhungern, so hätte er erst den Bäcker bitten sollen, seinen Hunger zu stillen, aber tut er es" (das Verhungern?) „aus eigenem freien Willen, ohne Erlaubnis, so handelt er genau so, wie die mexikanische Regierung im vorliegenden Fall ihren Gläubigern geg enüber gehandelt hat." „Was den in Ihrer obigen Note zum Ausdruck gekpmmenen.
Zamacona schreibt ihm, daß die intrigues der Foreign diplomatists17 hauptsächlich seit 25 Jahren an den troubles18 in Mexiko schuld. Wyke antwortet ihm, daß »the population of Mexico is so degraded as to make them dangerous, not only to themselves, but to everybody Coming into contact with them!"19 Zamacona schreibt ihm, daß die Vorschläge, die er macht, der Selbständigkeit der Republik ein Ende machen und gegen die Würde jedes unabhängigen Staats seien. Wyke antwortet: „Excuse me for adding that such a proposition as I have made to you does not necessarily become undignified and impracticable simply because you, an interested person", (i.e. als auswärtiger Minister Mexikos) „are pleased to say so."20 Jedoch satis superque21. Nach einem Brief Schilys an Rheinländer sieht es in Paris sehr bedenklich aus und wird Badinguet1831 ohne Krieg sich kein Jahr mehr halten. Welches Pech für den Kerl, daß er nicht die ihn bewundernden Berliner statt der Pariser zu regieren hat! Salut. Dein K.M. P.S. 1. Wie übersetze ich gigs22 zu Deutsch? 2. Was sind feeders on circular frames23? 3. Kannst Du mir z.B. von Eurer Fabrik alle Sorten Arbeiter (ohne Ausnahmen, except the warehouse24) schreiben, die darin beschäftigt sind, und in welcher Proportion zueinander? Ich brauche für mein Buch1271 nämlich
Gesichtspunkt betrifft, unter dem Sie die Frage betrachten, so wollen Sie mich entschuldigen, wenn ich feststelle, daß er nicht einseitig behandelt werden fomn, ohne auch die Ansicht jener zu berücksichtigen, die direkt unter der praktischen Anwendung solcher Ideen leiden, wie sie von Ihnen ausgehen." „Ich hatte volles Recht, mich darüber zu beschweren, daß ich zum erstenmal von dieser außerordentlichen Maßnahme hörte, als ich sie auf gedruckten Plakaten in den öffentlichen Straßen angeschlagen sah." „Ich habe eine Pflicht zu erfüllen, sowohl meiner eigenen Regierung, als auch der gegenüber, bei welcher ich akkreditiert bin, was mich zwingt usw." „Ich breche alle offiziellen Beziehungen mit der Regierung dieser Republik ab, bis diejenige Ihrer Majestät die von ihnen für unerläßlich erachteten Maßnahmen getroffen haben wird." -17 Intrigen der ausländischen Diplomaten - 18 Wirren - 19 „die Bevölkerung Mexikos so entartet ist, daß sie zu einer Gefahr wird nicht nur für sich selbst, sondern für jeden, der mit ihr in Berührung kommt!" - 20 „Entschuldigen Sie, wenn ich hinzufüge, daß solch ein Vorschlag, wie ich Ihnen unterbreitete, nicht unbedingt unwürdig und undurchführbar wird, lediglich weil Sie, eine interessierte Person" (d.h. als auswärtiger Minister Mexikos), „es so hinzustellen belieben." - 21 genug davon - 22 Rauhmaschinen 23 Zuführer an Rundwebmaschinen - 24 ausgenommen das Lagerhaus
ein Beispiel, um zu zeigen, daß in den mechanischen Ateliers die Teilung der Arbeit, wie sie die Grundlage der Manufaktur bildet und von A, Smith beschrieben ist, nicht existiert. Der Satz selbst schon von Ure ausgeführt. Es handelt sich um ein beliebiges Beispiel. Ich muß den Kerls in der „Presse" schreiben, daß ein neues arrangement getroffen wird. Es ist mir gleichgültig, daß sie die besten Artikel nicht drucken (obgleich ich immer so schreibe, daß sie drucken können). Aber pekuniär geht das nicht, daß sie auf 4-5 Artikel 1 drucken und nur 1 zahlen. Dies setzt mich tief unter die penny-a-liner25.
25 Zeilenschinder
128
Engels an Marx in London
[Manchester, um den 8. März 1862]
Lieber Mohr, Inl. das Versprochene. Der zweite Artikel folgt nächste Woche.12591 Lupus habe ich noch nicht gesehn, geh' heute abend zu ihm. Die „Free Presses" und Dein Brief angekommen. Kennst Du einen preußischen Flüchtling namens Sippel (Sippel)1, Mathematiker? Der Kerl soll Hauslehrer bei einer Familie Montgomery in Hampstead sein, vor der Amnestie auf einer Reise mit dieser Familie in Preußen verhaftet und nach mehreren Monaten wieder losgelassen worden sein, und sich jetzt um eine Professur der Mathematik in der Universität Belfast bewerben. Jemand hier wünscht etwas Näheres über den Mann zu wissen, es scheint sich um irgendein business2 zu handeln. Künftige Telegramme adressiere: 7 South Gate St.Mary's Manchester. Eilig Dein F.E.
1 Sippel mit deutschen bzw. lateinischen Buchstaben geschrieben - 2 Geschäft
15 Marx/Engels, Werke, Bd. 30
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Marx an Engels in Manchester
[London] 15. März 1862
Lieber Engels, Infolge des Nichterscheinens Deines Artikels1 habe ich heut nicht nach New York schreiben können. Ich stehe jetzt nicht so mit der „Tribüne", daß wenn ich (falls sie den Artikel druckt) ihr statt der Fortsetzung something eise2 liefre, sie es druckt. Ich bin vielmehr sicher, daß sie auf dem Punkt ist, mich samt allen andren europäischen Korrespondenten wieder an die Luft zu setzen. Ihr Format hat sich verkleinert. Sie druckt unter 3 Artikeln vielleicht einen oder keinen. Dies sind die gewöhnlichen Anzeichen der Prozedur. Schick also für Dienstag die Fortsetzung, besser noch den Schluß, da nur der Konjekturalteil, der die Zukunft betrifft, bedeutendes Interesse für sie haben kann. Ich komme mit meinem Buch1271 nicht ordentlich voran, da die Arbeit oft ganze Wochen durch die Hausstörungen unterdrückt, i.e. suspendiert wird. Jennychen ist lange noch nicht, wie sie sein sollte. Salut. Dein K.M.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 28. April 62
Lieber Frederick, Meine Frau hatte mit richtigem Takt nicht an Dana geschrieben. Wie die Sache gemeint war, hat sich jetzt unverkennbar darin gezeigt, daß die Kerls mir selbst nicht mehr die „Tribüne" schicken. Einliegend Brief von Friedländer1260', Sonnabend eingetroffen. Schöne Einbildungen dieser Deutschen. Ich soll ihm einen Eröffnungsartikel schicken, der mich mit dem dazu nötigen season ticket1 und der Kleidung, die ich kaufen müßte und allerlei Nebenausgaben wenigstens 10 Guineen kosten würde - und in exchange2 die Aussicht, 4 bis 6 Artikel im ganzen ä 8£ (Summa Summarum) oder im äußersten Fall a 12 £ unterzubringen. Und da man bei diesen Kerls immer das Minimum annehmen muß, würde ich bei den 4 Artikeln noch Geld zusetzen! Ich habe ihm geschrieben, ich müsse das Zimmer hüten, könne also Donnerstag nicht die gewünschte Eröffnungspredigt liefern, werde aber gelegentlich ein paar Artikel über die Ausstellung unter den andern einfließen lassen. Was nun die „andern" Artikel betrifft, so ist des Pudels Kern herausgekommen, 1 Artikel per Woche (ä 1 £),und dies noch etwas hypothetisch verklausuliert. Ich muß das natürlich annehmen und habe es bereits angenommen, denn etwas ist besser als gar nichts. Was die Kerls jetzt besonders interessiert, ist Amerika, und es wäre mir lieb, wenn Du mir einen Artikel über den Gang des Kriegs (ich meine Schlacht bei Corinth1261') (zwar noch diese Woche) schicktest,überhaupt mir jetzt jedesmal bei irgendwelcher militärischen Wendung schreibst. Schon um richtige Ansichten über diese wichtige Sache nach Germanien zu kolportieren. (Deine frühern Artikel hatte ich bereits für sie bearbeitet; auch abgedruckt worden.3) Vico in seiner neuen Wissenschaft sagt, daß Deutschland das einzige Land in Europa ist, wo noch „eine heroische Sprache" gesprochen wird.
1 Dauerbillett - 2 im Austausch - 3 Karl Marx/Friedrich Engels: „Der Amerikanische Bürgerkrieg"
Hätte er je das Vergnügen gehabt, die Wiener „Presse" oder die Berliner „National-Zeitung" kennenzulernen, so wäre der alte Neapolitaner von diesem Vorurteil zurückgekommen. Bei meiner Ankunft in London12621 fand ich einen Brief meines landlords4 vor, worin er mir seinen Besuch für heute (28. April) ansagt, um den Rest von 20 £ zu erhalten. Er kann jedoch keinen Centime erhalten. Während meiner 4wöchentlichen Abwesenheit hat sich das Schuldregister für die immediate necessities5 natürlich vermehrt. Dazu kommt, daß 2 Posten extra gezahlt werden müssen, die noch notwendiger als der landlord sind. Erstens 7 £ für den Klaviermaster, da meine Frau unter den jetzigen circumstances6 ihm aufkündigen mußte, ihn also auch zahlen muß. Zweitens müssen für 10 £ aus dem Pfandhaus genommen werden, wohin nicht nur die Sachen der Kinder, sondern auch die der Mägde bis aufs Schuhwerk hinab gewandert waren. Wegen des landlords habe ich mich bisher (excepto7 Borkheim) noch inkognito gehalten, so daß meine Frau ihm sagen wird, ich sei noch nicht retourniert, und versuchen wird, ihn aufs Unbestimmte hinzulenken. Denn es handelt sich um shifting8. Borkheim hat bisher 20 £ vorgeschossen; verspricht den Rest für Anfang dieser Woche. Meine Frau, ohne gesehn zu werden, sah Dronke auf der Straße mit Madame und Sprößling. Wegen der Ariadne adhuc sub judice Iis est9. Es handelt sich hier nämlich um eine juristische Streitfrage. Im Diodor figuriert sie als Stern. Als Sternbild finde ich sie nicht. Dagegen wohl als kleinen Planeten, N.43, Tafel II, Mädler, letzte Lieferung, 5te Ausgabe (die ich besitze), Berlin 1861[2631. Also steht das Mensch jedenfalls am Himmel. Es ist nun eine sehr heiklige Rechtsfrage, ob Du oder lupus gewonnen hast. Deine allgemeine Behauptung, daß alle unter die Sterne von den Griechen versetzten Personen in den astronomischen Tabellen fortleben, möchte auch sehr zu bezweifeln sein. Was war es, was Du außer den Estimates10 der englischen Armee noch wünschtest? Sobald ich wieder „mobil", werde ich mich danach umsehn. Kinkel ist als bepißter Pudel abgezogen. Er antwortet nicht. Statt dessen ein paar Zeilen von seinem Schweinhund Beta, worin dieser ihm attestiert, nur nach halbjährigem Andringen seinerseits habe Gottfried ihm die nötigen biographischen Notizen (die derselbe Schweinhund regelmäßig alle
4 Hauswirts - 5 unmittelbar lebensnotwendigen Dinge - 6 Verhältnissen - 7 ausgenommen 8 Hinauswurf - 9 hängt der Streit noch vor dem Richter (Horaz, 2. Buch der Episteln, Vers 79) -10 Voranschlägen
2 Jahre seit Menschengedenken benutzt hat) und das Photograph etc. auf Verlangen Keils, des Herausgebers der „Gartenlaube", zukommen lassen[264J. Nun ist der Witz aber der, daß Keil und Beta (den bezüglichen Brief des letztern besitzt Juch und kennt Eichhoff) nach der MacDonald-Affäre[209J sich weigerten, mit der Sache vorzugehn, und Gottfried nur mit Mühe das endliche „Losgehn" bewirkte. Indes schreibe ich dem Eichhoff, daß er einstweilen die Sache fallenläßt, da er sonst die Niederlage Gottfrieds abschwächt. Juch ist nämlich zu feig, um mit Betas Brief hervorzurücken. Sonst würde er das von selbst schon in einer Randglosse zu dessen Erklärung getan haben. Salut. Dein K.M.
Jennychen ist noch lange nicht, wie sie sein sollte. Das kleine Kind11 war ernsthaft krank; jetzt hergestellt. Die einliegenden von Urquhart zusammengestellten Exzerpte mußt Du durchlesen.
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Engels an Marx in London
Manchester, 5. Mai 1862
Lieber Mohr, Vorige Woche viel Kontorschererei gehabt, auch etwas unwohl gewesen, daher nicht zum Schreiben gekommen. Den edlen Brief des Fried[Iänder][2601 hiermit zurück. Die Leute haben sonderbare Vorstellungen von London! Was die „Tribüne" angeht, so finde ich im „Manchester Examiner and Times" unter dem literary gossip1 die Notiz, daß Dana sich von der „Tribüne" zurückzieht „on account of differences of opinion with Mr.Horace Greeley" 2. Dieser alte Esel with the face angelic3 scheint also schuld an allem zu sein.t265] Ich würde die Kerls aber nicht so ohne weiteres laufenlassen, sondern wenigstens an D[ana] um weitere Aufklärung schreiben, was das alles heißen soll und wer an seiner Stelle jetzt die „Tribüne" managt, damit Du weißt, an wen Du Dich zu halten hast. Wenn die Kerle brechen wollen, so laß sie es wenigstens sagen, diese indirekten Winke würde ich nicht so ohne weiteres ruhig hinnehmen. Gehst Du nachher an ein andres NewYorker Journal, so können sie immer sagen, Du wärst ihnen abspenstig geworden. Außerdem müssen sie doch einen Grund angeben. Borkheim schreibt mir, daß er Dir den Rest des Geldes ausgezahlt habe, hoffentlich bist Du also von der Haft erlöst. Ad vocem4 Ariadne habe ich sicher recht.5 Die alten Sternbilder existieren alle noch auf modernen Karten. Was Diodor behauptet, ist keine Autorität. Der Kerl war kein Astronom. Außerdem käme es auf den Wortlaut an. Ich wettete auf Sternbild. Daß sie aber unter den neuerdings entdeckten Asteroiden figuriert, fiel mir später selbst ein, ist der Sache aber natürlich ganz fremd. Was ich außer den Estimates des Wardepartment6 (pro 1862) wünsche, ist ein dem Parlament vorgelegtes Paper7, worin die neue Organisation der
1 literarischen Klatsch -2 „infolge von Meinungsverschiedenheiten mit Herrn Horace Greeley " 3 mit dem Engelsgesicht - 4 Bezüglich - 5 siehe vorl. Band, S. 228 - 6 Voranschlägen des Kriegsministeriums -' Dokument
indischen eingebornen Armee (wie sie jetzt besteht, seit 1861) dargestellt wird (d. h. die Anzahl der Regimenter mit ihren neuen und alten Namen, wie sie jetzt beibehalten oder neu numeriert sind).t266) Kannst Du mir die „Free Press" für April besorgen? Für Mai werd' ich sie mir hier zu verschaffen suchen. Über Amerika: 1. Schlacht bei Corinth.12611 Rangiert mit allen großen, gutgefochtenen modernen Schlachten, wo die Streitkräfte ziemlich gleich. Eylau, Wagram, Lützen, Bautzen (hier die Franzosen zwar viel stärker, aber ohne Kavallerie, und dadurch zur Verfolgung ohnmächtig), Borodino, Magenta, Solferino. Die Schlacht brennt, wie Clausewitz sagt[267i, wie nasses Pulver langsam ab, erschöpft beide Teile, und am Ende sind die positiv erkämpften Vorteile der siegenden Seite mehr moralischer als materieller Natur. Jedenfalls war der momentane Vorteil, den Beaur[egard] am Sonntag errang, viel intensiver und größer als der, den Gr[ant] und Buell am Montag errangen. Die Masse der Trophäen blieb den Konföd[erierten], trotzdem daß sie schließlich geschlagen, das heißt genötigt wurden, von ihrem Angriff abzustehn und sich zurückzuziehn. Dies ist das Taktische. Das Strategische aber ist dies: Beauregard hatte alle Truppen konzentriert, die er bekommen konnte, um die heranrückenden föderalen Divisionen womöglich einzeln zu überfallen. Dies mißlang; die Truppen von Grant, Buell und Wallace waren genügend, ihn zurückzuweisen. Die Föderalisten] hätten mit der Schlacht Tennessee verloren, jetzt haben sie es behauptet. Beauregard hat es nur seinen Schanzen von Corinth zu danken, daß er nicht sofort weiter südlich gehn mußte. Ob diese Schanzen fähig sind, ihn gegen den Angriff von Halleck (der jetzt das Kommando übernommen) zu schützen, können wir nicht wissen. Ebensowenig ist dem Gerücht zu trauen, daß er kolossale Verstärkung aus Mississippi, Louisiana und Alabama bekommen. Ist dies teilweise der Fall, so sind es doch lauter Rekruten, die ihm mehr im Wege sind als sie nützen. Andrerseits waren die Kräfte bei Pittsburg Landing so nahe im Gleichgewicht, daß ohne Verstärkungen Halleck auch nicht leicht einen Sturm auf ein verschanztes Lager oder eine sonstige große Offensivunternehmung machen wird. Wir wissen nicht, welche Truppen außer den bei Pittsburg Landing engagierten die Föderalisten sonst noch in Tennessee oder Kentucky haben, ist also schwer zu sagen, wie die Chancen stehen. Inzwischen haben die Unionisten die Eisenbahn von Memphis nach Chattanooga (id est8 nach Richmond, Charleston, Savannah) sowohl westlich wie
das heißt
östlich von Corinth unterbrochen. Hierdurch ist Beaur[egard] auf eine Eisenbahn (nach Mobile und New Orleans) beschränkt, und es fragt sich, ob er seine Truppen auf die Dauer in Cforinth] wird verpflegen können.12631 2. Virginien. Held McClellan in a dead fix9. Ich denke, er trägt hier seine falsche Glorie zu Grabe. Er hat sich von McDowell wieder eine Division abtreten lassen, wird aber wenig helfen. Retten können ihn nur die Panzerschiffe, von denen wieder eins („Galena") nach Monroe abgegangen. Über diesen Gegenstand siehe den heutigen „Morning Star", amerikanische Korrespondenz, sehr interessant für Ostreich. Daraus wirst Du auch sehen, weshalb der „Monitor" neulich ruhig liegenblieb, als der „Merrimac", „ Yorktown" etc. die 3 Transportschiffe wegnahm. Durch Fegung der Flüsse rechts und links und Flanken- und Rückenfeuer könnten diese Schiffe den Esel oder Verräter wieder retten, grade wie die Kanonenboote bei Pittsburg Landing den Sherman retteten (der lauter junge Truppen hatte, die nie im Feuer gewesen). 3. Mountain Department. Fremont ist noch immer in Wheeling, und infolge davon ist der Gebirgsteil von Südvirginien, sowie Ost-Tennessee, noch in Feindes Hand. Also die allerbesten Unionsbezirke! Woran das liegt, ist nicht zu erklären. Jedenfalls wird das noch Anfang April zu Knoxville, Tennessee, ausgehobne Konföd[erierten]-Regiment wohl beim ersten Schuß übergehn. Bonaparte ist wieder am Mogeln in Amerika. Er wird sich hüten, in dies Wespennest zu stechen. Ehe das Jahr am Ende (vide10 „Morning Star"), wären seine Panzerschiffe ebenso wie alle französischen Handelsschiffe vom Ozean, und dann adieu Pläsier! Apropos. Du wirst im heutigen „Standard" (oder „Morning Herald") gesehn haben, daß General Hecker Haupt-Niggerfänger geworden (Manhattan). Heb das Blatt ja auf. Was sagst Du zu den preußischen Wahlen? Die Niederlage der Regierung ist so kolossal, daß sie einem entscheidenden Sieg derselben gleichkommt.'2691 Denn das muß den schönen W[ilhelm]11 ja zum Äußersten treiben. Jetzt schicken sie ihm lauter Demokraten! Der „Hamburger Correspondent" sagt auch schon, mit dem jetzigen Wahlgesetz sei nichts aufzustellen und könnte nicht regiert werden. Ehren-Twesten ist schon wieder ganz in den parlamentarischen Kretinismus versunken und will ein Mißtrauensvotum gegen die Minister vorschlagen. Jedenfalls sind die Schwierigkeiten im Wachsen, und die Flut am Steigen.
8 einer tödlichen Klemme - 10 siehe -11 Wilhelm I.
Wie ist's mit Wein für Jennychen? Sage mir, welche Sorten Allen am meisten empfiehlt. Ich kann jetzt auch einigen Portwein schicken, der sehr zu empfehlen ist, alt, leicht, ohne Schnaps; aber nur, nach dem er gut filtriert ist, die Kruste ist lose geworden. Herzliche Grüße. Dein F.E.
132
Marx an Engels in Manchester
[London] 6. Mai [1862]
Lieber Frederick, Den einliegenden höchst kuriosen Brief, den die jeunesse hongroise a Paris1, wenn auch verstümmelt, in den „Siecle", „Temps" und „Progres de Lyon" gebracht, und den Schily mir zugeschickt, schick zurück, sobald Du ihn lupus mitgeteilt hast12701. Dieselbe „jeunesse" wird jetzt ein Pamphlet über das Triumvirat Kossuth-Klapka-Türr zu Paris mit sonderbaren Enthüllungen loslassen. Apropos. Die facts aus dem Brief kannst Du Eichhoff mitteilen, 57, Ranelagh Street, Liverpool. Er kann die Sache in die „Zeitung für Norddeutschland" (Hannover) bringen. Vor kurzem, schreibt mir Schily, erschien im Berner „Bund" (kannst Du das nicht nachsehn im Klub?) die Erklärung eines ungarischen Flüchtlings, worin Vogt „die gemästete Sau des Palais Royal" 12711 benamst wird, Fazy, Kossuth, Klapka, Türr aber als „Halunken und Spieler" figurieren. Ich habe 330 Stück „Vogt" von dem Hund Koller zurückbekommen. Wüßte ich nur eine Gelegenheit! Jetzt wäre vielleicht der Moment, sie ä 100 p.c. Verlust loszuschlagen? Nämlich in Genf und Bern. Wie gelegen käme das grade jetzt. Die „Press" von April und Mai schick' ich Dir. Du erhältst sie künftig regelmäßig. Die Sachen werde ich Dir schaffen, i.e. die estimates2. As to wine3, so ist den Kindern natürlich bunte Sammlung von Verschiedenem das Liebste. Ich glaube, nach Allen ist Bordeaux und Port das Beste. Ich werde noch einmal an Dana schreiben. Schmerzlich vermisse ich die Zusendung der „Tribüne". Dies ist eine Gemeinheit des Greeley und McElrath. Aus den letzten Nummern der „Tribüne" vom März habe ich zweierlei ersehn. Erstens, daß McClellan 8 Tage vorher genau von dem
1 ungarische Jugend in Paris - 2 d.h. die Voranschläge (siehe vorl. Band, S. 230/231) - 3 Was den Wein betrifft
Abzug der Confederates4 unterrichtet war. Zweitens, daß der „Times"Russell während der „Trent"-Affäre[236) sein Schnüffeln in Washington zum Spiel auf der Börse in New York benutzte. In Preußen wird es zum coup d'etat5, wenn auch nicht zum coup d'eclat6 kommen. Bonapartes jetzige Manöver in Mexiko12721 (ursprünglich ging die Sache von Pam aus) klären sich dadurch auf, daß Juärez nur die offizielle Schuld an Frankreich von 46 000 £ anerkennt. Aber Miramön und seine Bande hatten, vermittelst des Schweizer Bankiers Jecker et Co., Staatsobligationen zu 52 000 000 Dollars ausgegeben (worauf gezahlt about7 4 Mill. Dollar). Diese Staatsobligationen - Jecker et Co. nur hommes de paille8 - fast für zero9 in die Hände von Morny et Co. gefallen. Sie verlangen die Anerkennung derselben von Juarez. Hinc illae lacrimae.10 Schurz ist - Brigadiergeneral bei Fremontü! Dein K.M. B[orkheim] hat mir den Rest vorigen Freitag ausgezahlt.
4 Konföderierten - 5 St aatsstreich - 6 entscheidenden Krach - 7 ungefähr - 8 Strohmänner •9 nichts -10 Daher die Tränen.
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Engels an Marx in London
Manchester, 12. Mai 62
Lieber Mohr, In aller Eile inliegende £ 10 (O/A 40602, Manchester, 24. Jan. 1862), damit der Schlächter Ruhe hat. Da ich heute nacht 5 Uhr in London ankommen und 7 Uhr morgens wieder abfahren werde, so kann ich Dich leider nicht treffen. Was mich bei den Yankees an allem Erfolg irremacht, ist nicht die militärische Sachlage an und für sich. Sie ist es nur als Resultat der Schlaffheit und Stumpfheit, die sich im ganzen Norden zeigt. Wo ist da revolutionäre Energie irgendwo im Volk? Sie lassen sich durchhauen und sind ordentlich stolz auf die Keile, die sie kriegen. Wo ist im ganzen Norden auch nur ein einziges Symptom, daß es den Leuten Ernst ist mit irgend etwas? Mir ist so was noch nicht vorgekommen, in Deutschland in der schlimmsten Zeit nicht. Die Yankees scheinen sich im Gegenteil am meisten schon darauf zu freuen, daß sie ihre Staatsgläubiger prellen werden. Au revoir.1 Dein F.E.
1 Auf Wiedersehen.
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Engels an Marx in London
[Manchester, um den 18.Mai 1862]
Lieber Mohr, Du mußt mein Nichtschreiben entschuldigen. Ich bin noch nie so überlaufen gewesen als diese Woche. Östreicher, Hinterwäldler, Franzosen, und heute schickt mir der Borkheim noch seinen Associe auf den Hals - schöne Aussichten! Ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Dabei soll man mit all dem Pack kneipen und sich angenehm machen. Der Teufel hole die Ausstellung.12261 Eiligst Dein F.E.
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Marx an Engels in Manchester
[London] 19. Mai 62
Lieber Engels, Vorigen Donnerstag vor 8 Tagen schriebst Du mir, daß Du mir Wein für Jennychen et Cons.1 schicken wolltest.2 Ich zeigte den Brief den Kindern.. Da der Wein nicht kam, war das Enttäuschung. Es liegt mir in diesem. Augenblick daran, weil es sie amüsiert, und unser Haus sonst sehr öde ist. Nichts fataler als so ein Druck, wie er jetzt bei uns auf dem Ganzen lagert. Ich habe glücklicherweise nichts gesehn noch gehört von exhibition1226' und ihren Besuchern und hoffe, daß dieses „Unberührtbleiben" fortdauert,, da ich keineswegs jetzt in der Lage, people3 zu empfangen. Sobald Du etwas Zeit, schreib mir kurz Deine Ansichten über die Militäroperationen in den United States, namentlich McClellans Heldentaten. Salut. Dein K.M.
1 und Gefährtinnen - 2 siehe vorl. Band, S. 233 - 3 Leute
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Engels an Marx in London
Manchester, 23. Mai 62
Lieber Mohr, Der Wein verzögerte sich aus demselben Grund wie der Brief. Ich muß bei diesen Sachen alles selbst besorgen, und bis da der Korb gekauft ist etc., kommen viele Störungen vor. Auch diesmal hab* ich auf den Port verzichten müssen, weil der nämlich in meiner Wohnung ist und ich ihn nicht nach dem Warehouse1 besorgt bekommen konnte. Der Korb geht heute ab. Der Rotwein und der 1846er Hochheimer speziell für Jennychen. Die 3 Flaschen rot Siegel ohne Etikette sind 1857er Rüdesheimer (derselbe, den wir hier tranken) und für Patienten zu hitzig, gesunden Leuten dagegen sehr gut. Strohn war hier (Du siehst cela ne finit pas2 mit den Besuchen). Er war in Berlin kurz vor der Auflösung12691 und kneipte viel mit den rheinischen Deputierten, Die Kerle nahmen die ganze Position enorm ernsthaft, glaubten an ihre Allmacht und waren wieder so schön im parlamentarischen Kretinismus fast wie je 1848. Der rote Becker3, dessen Haar inzwischen sehr abgeblaßt, lief den ganzen Tag in evening dress4, schwarz von oben bis unten, und im Frack herum. Sein Bauch dicker als je. Auch trieb sich dort Herr Rudolf Schramm, late of5 Striegau'2731, herum und beklagte sich bei jedem, der ihn anhören wollte, daß das Publikum ihn nirgend wählen wollte, was ihm über den Verstand ging. Eines Abends schwatzte Schr[amm] kolossales Blech über England, worauf Str[ohn] ihm sagte: Hören Sie mal, Herr Schramm, wenn ich so lange in England gewesen wie Sie, so würde ich mich doch schämen, solchen Blödsinn zu schwätzen; Sie scheinen dort die ganze Zeit über geschlafen zu haben. Worauf der sonst so freche Schr[amm] antwortete: Wissen Sie, in England mußte ich meiner Frau wegen in Gesellschaft gehn, zu der ich nicht paßte, und die Leute, die ich gern gesehen hätte, konnte ich aus eben dem Grund nicht sehn!!!
1 Lager - 2 das nimmt kein Ende - 3 Hermann Heinrich Becker - 4 im Abendanzug - 5 ehemals aus
McClellan fährt fort in der bekannten Manier. Die Konföderierten entwischen ihm immer, weil er nie drauflosgeht, was er damit entschuldigt, daß diese stärker seien, a good deal6, als er. Deswegen laufen sie denn auch immer fort. So ist noch nie ein Krieg geführt worden, dafür bekommt er dann auch sein Dankvotum. Inzwischen sind diese kleinen unglücklichen Rückzugsgefechte und das fortwährende Ausreißen doch genügend, um die Konföderierten arg zu demoralisieren, und wenn's zur entscheidenden Schlacht kommt, werden sie das merken. Die Einnahme von New Orleans ist ein Bravourstück der Flotte.'2741 Ganz ausgezeichnet, die Passage der Forts nämlich. Nachher war alies einfach. Der moralische Effekt auf die Konföderierten war offenbar enorm und der materielle wird sich bereits fühlbar gemacht haben. Beauregard in Corinth hat jetzt nichts mehr zu verteidigen, die Stellung hatte nur einen Sinn, solange sie Mississippi und Louisiana, speziell New Orleans, deckte. B[eauregard] ist strategisch in die Lage gebracht, daß eine verlorne Schlacht ihm keine Wahl übrigläßt, als seine Armee in Guerillas aufzulösen, denn ohne große Stadt, wo Eisenbahnen und Ressourcen sich konzentrieren, im Rücken seiner Armee, £ann er keine Massen zusammenhalten. Wird die Armee der Konföderierten in Virginien geschlagen, so muß sie nach den vorangegangnen demoralisierenden Geschichten sich bald von selbst in Guerillas auflösen. Sie hat zwar bessere Chancen, weil auf ihrer Rückzugslinie die vielen Flüsse quer vom Gebirg nach dem Meer laufen und weil sie diesen Esel McCI[eIlan] gegenüber hat, indes wird die Natur der Dinge sie dahin treiben, entweder eine entscheidende Schlacht anzunehmen oder sich ohne Schlacht in Banden aufzulösen. Grade wie die Russen bei Smolensk und Borodino sich schlagen mußten, gegen den Willen der richtig urteilenden Generale. Gewinnt Beaur[egard] oder die Armee von Virginien eine Schlacht, und sei sie noch so groß, so kann das wenig helfen. Die Konföderierten sind nicht in der Lage, den geringsten Nutzen davon zu ziehn. Sie können nicht 20 englische Meilen vorrücken, ohne festzufahren, und müssen also den erneuerten Angriff abwarten. Ihnen fehlt alles. Ich halte diesen Fall übrigens ohne direkten Verrat für ganz unmöglich. An einer einzigen Schlacht hängt also jetzt das Schicksal der konföderierten Armeen; es bleibt noch übrig, die Chancen des Guerillakriegs zu untersuchen. Nun ist es gerade bei diesem Krieg äußerst wunderbar, wie wenig, oder wie sehr vielmehr gar nicht die Bevölkerung daran teilgenommen.
s ein gut Teil
1813 wurden doch die Verbindungen der Franzosen von Colomb, Lützow, Tschernyschew und zwanzig andren Freischärler- und Kosakenführern fortwährend unterbrochen und harceliert7; 1812 verschwand in Rußland die Bevölkerung vollständig von der französischen Marschlinie; 1814 bewaffneten sich die französischen Bauern und schlugen alliierte Patrouillen und Nachzügler tot, aber hier geschieht gar nichts. Man unterwirft sich dem Schicksal der großen Schlachten und tröstet sich mit victrix causa diis etc.[275' Die Renommage mit dem Krieg bis zum Messer löst sich in puren Dreck auf. Und auf dem Terrain sollen Guerillas fortkommen? Allerdings erwarte ich, daß der white trash8 des Südens nach definitiver Auflösung der Armeen so was versuchen wird, aber ich bin zu sehr von der Bourgeoisnatur der Pflanzer überzeugt, um einen Augenblick zu zweifeln, daß das sie sofort zu wütenden Unionsleuten machen wird. Die sollen das mit der brigandage9 versuchen, und die Pflanzer werden überall die Yankees mit offnen Armen aufnehmen. Die bonfires10 am Mississippi beruhen ausschließlich auf den 2 Kentuckyern, die nach Louisville gekommen sein sollen - sicher nicht auf dem Mississippi. Der Brand in New Orleans war leicht organisiert und wird in andern Städten wiederholt werden; auch sonst wird gewiß manches verbrannt, aber die Sache muß notwendig den split11 zwischen den Pflanzern und Kaufleuten einerseits, und dem white trash andrerseits auf die Spitze treiben, und damit ist die Sezession'2181 futsch. Der Fanatismus der New-Orleans-Kaufleute für die Konföderation erklärt sich einfach dadurch, daß die Kerle eine Masse Confederationscrips12 haben für bares Geld nehmen müssen. Ich kenne hier mehrere Exempel davon. Man muß das nicht vergessen. Eine tüchtige Zwangsanleihe ist ein famoses Mittel, die Bourgeois an die Revolution zu fesseln und an ihren Klasseninteressen durch ihre persönlichen Interessen irrezumachen. Beste Grüße an Deine Frau und die Mädchen. Dein F.E.
Lupus hat wieder viel an der Gicht laboriert. Er geht in 5 Wochen nach Deutschland. Du hast doch die Sache mit Bernard gelesen, daß sie den ins Tollhaus gesteckt haben.13 Hat die Geschichte ihre Richtigkeit oder ist foul play14 dabei?
7 beunruhigt - 8 weiße Abschaum - 9 Straßenräuberei - 10 Freudenfeuer - 11 Zwiespalt 12 Anleihescheine der Konföderation -13 siehe vorl. Band, S. 242 -14 falsches Spiel
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Marx an Engels in Manchester
[London] 27. Mai 62
Lieber Frederick, Die Kinder und die whole family1 lassen Dir bestens danken für den Spirituosen Korb. Aus dem einliegenden Brief von Eichhoff erkennst Du die Art Polemik, wie sie Pfaffe Kinkel liebt, leiblich wieder. Was wäre Gottfried2 ohne seinen Bettseicher3! Dr. Klein in Köln hat 35 000 Taler in der preußischen Lotterie gewonnen, was ich Dir wohl noch nicht geschrieben. Seine Heirat mit Frau Daniels wird jetzt wahrscheinlich, wenn er bei seinen alten Vorstellungen bleibt. Bernard, stets sehr exzentrisch, außerdem sich überarbeitet habend in den letzten Wochen, ist allerdings in „Halluzination" gefallen. Das Unfaire an der Sache bloß das, daß man sofort die Gelegenheit ergriff, ihn einzuspunnen, was ganz überflüssig war, da die Familie, bei der er in Dorking Unterricht gab, die Pflege für ihn sowie die Verantwortlichkeit übernehmen wollte. Ditto Allsop. Aber die Gegenwart des letztern, der das Geld für das Orsiniattentat[2761 gegeben, und sein abermaliges Zusammensein mit Bernard hatte längst die bonapartische Polizei beunruhigt, in deren Auftrag die englische Polizei längst dem Bernard aufgepaßt. Ich habe letzten Sonnabend summarische Aufforderung von meiner Gaskompanie erhalten, ihr bis nächsten Sonnabend 1 £ 10 sh. zu zahlen, widrigenfalls (es ist die letzte Warnung) ich „abgeschnitten" werde. Da ich nun sans sou4, muß ich mich in diesem Dreck an Dich wenden. Das Aufblasen des „Merrimac" scheint mir eine evidente Feigheit auf Seiten der konföderierten Sauburschen.[2771 Riskieren konnten die Hunde noch immer etwas. Wunderbar schön, wie die „Times" 12781 (die alle Coercionbills gegen Irland[279] mit so großem Feuereifer vertrat) darüber jammert, daß „die Freiheit" verlorengehn müsse, falls der Norden den Süden
1 ganze Familie - 2 Gottfried Kinkel - 3 Heinrich Beta (Bettziech) - 4 ohne einen Sou
tyrannisiere. Der „Economist" ist auch gut. Er erklärt in seiner letzten Nummer, daß ihm das finanzielle Glück der Yankees - die Nichtdepreziation des Papiergelds - unbegreiflich (obgleich die Sache platt einfach ist).12801 Er hatte bisher seine Leser mit dieser Depreziation von Woche zu Woche getröstet. Obgleich er nun gesteht, daß er das, was seines Amts, nicht versteht und seine Leser darüber irrgeführt hat, tröstet er sie jetzt mit düstren Bedenken über die „Kriegsoperationen", von denen er offiziell nichts versteht. Was den Yankees die Papieroperationen außerordentlich erleichterte (der Hauptpunkt, das Vertrauen in ihre Sache und damit in ihre Regierung unterstellt), war unbedingt der Umstand, daß infolge der Sezession der Westen von Papiergeld, also von circulating medium5 überhaupt, fast entblößt war. Alle die Banken, deren Hauptsecurities in den bonds von slave states6 bestanden, bankeruttierten. Außerdem wurde für millions currency7 weggeschwemmt, die im Westen in direkten Banknoten der southern banks8 zirkulierte. Dann hatten die Yankees, teils infolge des Morrilltarifs'2811, teils des Kriegs selbst, der der Luxuseinfuhr großenteils ein Ende machte, die Handelsbilanz, also den Wechselkurs während der ganzen Zeit für sich gegen Europa. Ungünstiger Wechselkurs hätte das patriotische Vertrauen in das Papier auf Seiten der Philister arg affizieren können. Übrigens diese lächerliche Sorge John Bulls für die Staatsschuldzinsen, die Uncle Sam zu zahlen haben wird! Als ob es nicht eine Bagatelle gegen Bulls Staatsschuld wäre, außerdem aber die United States jetzt unbedingt reicher sind, als die Bulls 1815 mit ihrer Milliarde Schuld waren. Hat Pam den Bonaparte nicht schön in Mexiko hineingeritten!12721 Ich bin jetzt - schon aus Desperation9 - tüchtig im Schanzen und schreibe dem Teufel ein Bein ab, ich meine die Geschichte über Ökonomie.1271 In der „Presse" erscheint wöchentlich 1 Artikel. Ich schicke ihnen auch nur das, gemäß Herrn F[riedländer]s Brief.10 Salut. Dein K.M. Meine Grüße an Mrs. Bortman and sister11.
5 Umlaufsmitteln - 6 Hauptsicherheiten in Obligationen von Sklavenstaaten - 7 Millionen Umlaufsmittel - 8 Südbanken - 9 Verzweiflung -10 siehe vorl. Band, S..227 -11 Frau Bortmann und Schwester
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Engels an Marx in London
Manchester, 29. Mai 1862
Lieber Mohr, Inliegend die Post Office Order12 £. Zahlbar Kentish Town, was, wenn ich nicht irre, das Dir nächste Büro ist. Siebel erfreut sich eines Töchterleins. Anneke ist bei Buells Armee und schreibt seit heute in die Augsburger2. Mir ist etwas bange für die Truppen des Halleck, die Sache schleppt sich so lange hin, und es scheint doch nicht, daß er irgend Verstärkungen bekommt, obwohl Spences Lügen3 in der „Times" sicher nichts bedeuten1282'. Willich kommandiert als Oberst (the eternal colonel!4) das 32. Indianaregiment. Die Geschichte mit Klein6 freut mich sehr für den armen Teufel. Den Brief Eichhoffs schick' ich Dir zurück, sobald ich ihn Lupus vorgelesen, ich kann aber jetzt nicht zu ihm gehn, da ich mich einer seit mehreren Tagen geschwollenen Mandel wegen abends zu Hause halten muß. Es scheint nun doch etwas Guerillakrieg anzufangen, sehr bedeutend ist's aber sicher nicht, und erfolgt nur ein Sieg, so werden die nachrückenden Ersatztruppen nebst einiger Kavallerie dem Ding bald ein End machen. Bei einer Niederlage wär's freilich fatal. Dein F.E.
1 Postanweisung - 2 Augsburger „Allgemeine Zeitung" - 3 siehe vorl. Band, S. 245 - 4 der ewige Oberst! - 5 siehe -vorl. Band, S. 242
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Engels an Marx in London
Manchester, 4. Juni 1862
Lieber Mohr, Ich hoffe, Du hast die Post Office Order1 £ 2 erhalten, die ich vorigen Freitag auf Kentish Town Post Office2 schickte. Also endlich erfahren wir aus Annekes Brief, daß Halleck am 26.April etwas über 100 000 Mann und 300 Kanonen hatte, inkl. Pope und Mitchell, und daß er auf die Ankunft von Curtis und Sigel mit weiteren Verstärkungen wartete. Bis 29. April scheint der Zustand der Armee im ganzen passabel gewesen zu sein, A[nneke] spricht von Krankheiten nicht. Hiernach halte ich die Redensarten von Krankheiten1-2821 für rein erfunden. Man muß übrigens sagen, Stanton und Halleck verstehn es, die Presse und das Publikum mißtrauisch zu machen, es ist doch wahrhaftig leicht genug, bei jeder Armee einen Korrespondenten zu haben, dem der General sagt, was er schreiben soll, damit das Publikum doch irgendwelche Nachrichten bekommt. - Die große Schlacht wird also wohl geschlagen werden, sobald Sigel und Curtis da sind. Die Berechnungen von Spence, daß 120 000 Mann nötig seien12831, die border states12561 in Ordnung zu halten, ist lächerlich, in Kentucky scheint fast kein Mann zu stehn (außer etwa Übungslager von Rekruten bei Louisville, woraus aber wohl Sigels Korps sich bilden wird) und in Nashville waren nach Anneke bloß Rekonvaleszenten etc.; sonst steht außer den Armeen von Halleck und McQellan in den border states bloß noch Fremont (der, wie es scheint, noch gar keine Armee hat), Banks (der sehr schwach sein muß) und McDowell, die aber alle zur aktiven Armee zählen. Dagegen irrt Spence auf der andern Seite, 1. sind die Armeen der Federais in diesem Augenblick sicher nicht 500 000 Mann in allem, 2. haben sie gewiß mehr als 90 000 Mann an der Küste verteilt. Ich rechne etwa so: ^ ^ ^ 100 000,Mann Banks & Fremont 30 000 -„Sigel& Curtis 30 000 — „— McClellan 80 000 -,,
1 Postanweisung - 2 Postamt
Bei Washington McDowell Halleck
30 000 Mann 30 000-,,100 000-„-, also zusammen 400 000 Mann im Feld, wozu noch ca. 60 000 Rekruten, Rekonvaleszenten und kleine Detachements kommen, die in Missouri, an beiden Ufern des untern Ohio und Tennessee, zum Teil in den Städten des Nordostens verteilt sein mögen, Summa Summarum 460 000 Mann. Hierin bestärkt mich die neue Aushebung von 50 000 Mann, der eine zweite von gleicher Stärke wohl sehr bald folgen wird; man scheint die Armee auf der Normalstärke von 500 000 Mann halten zu wollen. Es war der größte Schnitzer von Stanton und pure Renommage, die Rekrutierung einzustellen. Das hat materiell sehr geschadet und den ganzen Zeitverlust bei Corinth und Richmond verschuldet; und moralisch schadet dieser jetzige Widerruf noch viel mehr - abgesehen davon, daß es viel schwerer sein wird, jetzt Rekruten zu bekommen. Leute genug sind sonst da; infolge der Einwanderung müssen die Nordstaaten wenigstens 3-4% ihrer Bevölkerung mehr im Alter von 20-35 Jahren haben als irgendein andres Land. Im übrigen erscheint Monsieur Anneke in seinen Briefen als der alte griesgrämige Faultfinder3 und Klugscheißer, der die Armee nicht nach den Umständen, auch nicht nach dem Gegner beurteilt, sondern nach alten europäischen eingeschulten Armeen, und auch nach diesen nicht, wie sie sind, sondern wie sie sein sollten. Das Rindvieh sollte doch an die Konfusion denken, die er selbst bei preußischen Manövern oft genug erlebt haben muß. Die Komödie in Berlin wird sehr heiter. Das Ministerium beteuert der Kammer seinen Liberalismus, und die Kammer dem König ihren Royalismus. Embrassez-vous et que cela finisse![2S4] Im übrigen ist es unzweifelhaft ein Fortschritt, daß die Leute so nett und so rasch in die parlamentarische Intrige verwickelt werden; indes der Konflikt wird schon kommen. Sehr hübsch dabei, daß aus der ganzen kurhessischen Historie12851 nichts wurde, bis der Kurfürst4 den schönen Wilhelm5 persönlich insultierte, und da wurde erst recht nichts draus. ' Was macht Jennychen? Grüße Deine Frau und Kinder herzlich. Das Ding von Eichhoff hierbei zurück. . Dein F p
3 Nörgler - 4 Ludwig III. - 5 Wilhelm I.
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Marx an Engels in Manchester
[London, um den 6. Juni 1862]
Lieber Engels, Du entschuldigst, wenn ich Dir erst jetzt die £ 2 anzeige. Ich bin während dieser 8 Tage so gebothered1, daß ich keine Zeit fand. Der landlord2 und ein halb Dutzend andrer Ungetüme hielten mich running3. Beilege ich 2 copies Lassalle12861 (I für Dich, 1 für lupus). Schreib mir Dein Urteil drüber. Brief von Steffen erhalten, schick' ihn Dir dieser Tage, sobald ich drauf geantwortet. Er ist in Boston. Scheint sehr verstimmt. Weydemeyer ist lieutenant colonel4. Salut. Dein K.M.

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